Gabster - Kommentare

Alle Kommentare von Gabster

  • Definitiv Bleibtreu. Einer, der ein großes Team mitziehen kann, sich aber auch nicht zu schade ist, sich mal die Hände schmutzig zu machen oder sich zurückzunehmen, damit Jüngere glänzen können.

    • Trotz einiger Graupen in der Liste ein dickes Lob an die Community für Platz 1 und 2. Auch für mich definitiv die beiden besten Filme des Jahres bisher.

      • 9
        über Boyhood

        Es wird mal wieder Zeit für mich, vor Freude auszurasten:

        Mit DAZED AND CONFUSED hat Richard Linklater damals, in meinem Geburtsjahr einen Film gedreht, der für mich nach wie vor, einer DER Coming of Age Filme überhaupt ist. Prinzipiell bin ich also immer offen dafür, dass Linklater mal wieder jemanden in seinen Filmen erwachsen werden lässt, weil, wenn er etwas kann, dann das. Jetzt kommt BOYHOOD natürlich mit einer mächtigen Prämisse daher: Den Duktus, die ganze Jugend in einem Film darstellen zu wollen, fand ich dann eine Spur zu mächtig und ich ging mit einer unguten Ahnung (gemischt mit geballter Vorfreude) ins Kino, denn DAZED AND CONFUSED ist vor allem deshalb so gut, weil es einfach ein Film über einen Haufen Kids an unterschiedlichen Wendepunkten in ihrem Leben ist, die sich ne Menge Bier in den Schädel schrauben und eine Nacht lang durch die Stadt streifen. Aber auf Linky ist Verlass: Trotz epischem Atem ist ihm ein intimer und feinsinniger Film gelungen und so lang und ambitioniert er auch ist, er wirkt nie übereifrig.

        Es gibt viele Filme, die mich im Verlauf meines Lebens irgendwie weiterbrachten oder mein Innenleben einzufangen schienen und es ist jedes Mal ein verdammtes Glück, dass es diese Art von Filmen gibt. Aber wenn man richtig Glück hat und ich freue mich sagen zu können, dass ich das gerade habe, dann kommt der richtige Film exakt zur richtigen Zeit daher. Das ist zwar im Fall von BOYHOOD nicht wirklich was besonderes, weil ich denke, dass es vielen so geht oder gehen kann. Zumindest jeder, der etwa mein Jahrgang ist und jetzt grade frisch Mutters Nest in Richtung Uni verlassen hat. So wie ich. So wie Mason. Ich befinde ich mich gerade etwa in derselben Position wie Mason am Ende des Filmes und somit ist BOYHOOD nicht nur der Rückblick auf ein fremdes Leben sondern ein Stückweit auch auf mein eigenes. Das ein Film das kann, heißt nicht, dass er beliebig ist, scheiße nein, es heißt, dass er glaubwürdig ist. Dass er weiß, wovon er spricht, dass er ehrlich ist, dass er zur rechten Zeit am rechten Ort ist, dass er für einen Menschen stehen kann und vielleicht hau ich jetzt auch den epischen Atem raus, aus dem ich Linklater noch einen Strick drehen wollte, aber auch, dass ich ihn noch in einigen Jahrzehnten als Kommentar darauf sehen kann, wie ich zu einem gewissen Zeitpunkt die Welt gesehen habe. Ich freu mich schon darauf, diesen Film mit 50, 60 Jahren zu sehen (auch wenn es dann nicht erst das zweite Mal sondern locker das 50. Mal sein wird).

        BOYHOOD ist fasziniert vom Alltäglichen, von profanen Beobachtungen. Wenn Mason auf der Couch sitzt und Videospiele spielt, wenn er im Garten einen toten Vogel findet, wenn er sich im Auto mit seinem Daddy über die Beatles unterhält, dann ist das dem Film genauso wichtig wie sein Schulabschluss, den Problemen seiner Mutter, seiner ersten Trennung. „Es ist als würde man ein altes Fotoalbum durchblättern“, sagte Wolfgang Schmidt von der Filmanalyse über BOYHOOD und hat absolut Recht. Er meinte das als Kritikpunkt, ich finds rattenscharf. Und wie bei einem Fotoalbum, die Menschen mit dem Umschlagen einer Seite auch plötzlich älter sind, springt auch der Film nach diesem Muster. Ein fast unmerklicher Schnitt und plötzlich hat Mason einen Bart, einen Ohrring, eine Freundin. Wir begleiten ihn drei Stunden bei seinem Leben, sehen in seinen intimsten Augenblicken zu, kennen seine tiefsten Geheimnisse und auch seine dunkelsten Seiten, aber hin und wieder verändert er sich, ohne dass wir sehen, wie es dazu kam. Erwachsen wird er unmerklich für uns und seine Ansichten springen ebenso wie sein Äußeres und so spart Linklater auch bei aller Chronik, die er liefert, die Entwicklungen aus. Ein Stiefvater wechselt vom netten Ersatzvater zum gewaltbereiten Alkoholiker, ohne dass wir wissen, wie und warum es dazu kam. Die Welt verändert sich zu schnell, als dass der Zuschauer es beobachten kann. Und unmerklich ändern sich auch die alltäglichen Beobachtungen. Ich habe in meinem Kommentar zu LIBERAL ARTS vor ein paar Tagen die Trivialkultur gefeiert, im Prinzip ist BOYHOOD ein noch viel besseres Beispiel dafür. Denn das Alltägliche auf so beiläufige und leichte Art einzufangen und sie dabei dramaturgisch zu erhöhen, das kann nur ein Kunstwerk, dass sich dem Banalen nicht verschließt.

        Linklater scheut bei seinen Figuren kein Klischee, da gibt es die zickige große Schwester, den alkoholkranken gewalttätigen Stiefvater, den zugekifften Collegemitbewohner. Aber damit schlägt der Film in seiner Erzählweise sich auch auf die Seite, wie wir unsere welt wahrnehmen. Unweigerlich werden Menschen, die wir nicht gut kennen, in Kisten gesteckt, die sie langsam aufbrechen, je besser wir sie kennenlernen. Und so sind die Figuren, die Masons Leben nur leicht streifen, auch entsprechende Abziehbilder, zumindest so lange, bis er (und wir) sie besser kennenlernt. Das ist alles schon ein bisschen nach Schema F hier, aber Schema F steht in diesem Fall für Fucking Great. Zumindest im Großen und Ganzen. Hier und da gibt es tatsächlich Stellen, wo ich mir dachte, dass ist jetzt etwas zu viel des Guten, zum Beispiel in der Szene in dem baufälligen Haus eines Freundes, wo dessen großer Bruder und sein proletenhafter Freund die Jungs zu Bier und erfundenen Frauengeschichten drängen. Und auch die Episode in der einer der besoffenen Stiefväter (manche Frauen haben einfach ein Händchen dafür, Männer in den Alkoholismus zu treiben) ausrastet und die Kinder entführt, und der Film einen Schlenker in den Bereich des Problemfilmes macht, hätte es nicht wirklich gebraucht. Hier wird auch das Alltägliche verlassen und dem Film ein bisschen künstliche Spannung eingetrichtert. Das hätte er nicht gebraucht und es stört mich auch ein bisschen. Aber im Endeffekt war das wohl auch nur eine Episode aus Masons Leben, die ihn geprägt hat, die aber auch wieder zu Ende geht.
        Und diese ausufernde Art zu erzählen, die sich in Nebenschauplätzen erstreckt, die Figuren wirklich reifen und nicht nur die übliche Wandlungsprozesse durchlaufen lässt, das ist im besten Sinne des Wortes episch. Seit wir das „Glück“ haben, in der Postmoderne zu leben, ist das Epos als solches ja ziemlich ausgestorben. Erzählt wird oft nur noch gebrochen oder verfremdet, und wenn sich noch jemand hinreißen lässt, ein Epos zu erzählen, wird das mit falschem Pathos bis zur Lächerlichkeit aufgebauscht (siehe GLADIATOR). BOYHOOD schafft hier einen Kontrapunkt, eine Möglichkeit, noch große Geschichten für die Postmoderne zu erzählen. Und ein bisschen habe ich mich dabei an Orson Welles in Linklaters fantastischem ICH UND ORSON WELLES erinnert, wie er vom Ehrgeiz zerfressen die größte Geschichte aller Zeiten erzählen will und es ihm (durch sein Genie) auch gelingt. Ich will hier jetzt nicht Linklater mit Welles vergleichen, aber ich will es auch nicht nicht tun. ;)
        Oben habe ich erwähnt, dass ich Zweifel hatte, ob es ein Film schafft, dem Anspruch, die Jugend an sich zu erzählen, gewachsen ist oder ob Filme nicht klein und unprätentiös bleiben sollten. Alter Schwede, hab ich mich geirrt! Boyhood schafft nicht nur, die Jugend zu beschreiben, sondern das Leben an sich. Auch Masons Eltern verändern sich, lernen dazu, machen Erfahrungen, sind glücklich und dann wieder traurig. Auch Linklater wird erwachsen über den Film, am Anfang sucht er noch seinen Stil zwischen semi-dokumentarischer Handkamera und theaterhaftem Schauspielkino, eher er über die Jahre seinen Stil angenehm zurückhalten kann, um die Figuren wirken zu lassen. Das mag für manche 08/15-Indielook sein oder aber auch einfach Substance over Style. Es ist also ein gigantischer Reifeprozess, den dieser Film beschreibt und in einem Anflug von Pathos muss ich sagen: Ich bin auch als etwas gereifterer Mensch aus diesem Film hinausgegangen. Wird man mich irgendwann fragen, welcher Film mein Leben verändert hat, wäre BOYHOOD sicher in der engeren Auswahl.
        Die Jugend hört nicht auf.
        Wir pubertieren unser gesamtes Leben.
        Das will der Film uns sagen und es ist eine gute Nachricht. Masons Eltern machen Fehler am laufenden Band, seine Mutter heiratet grundsätzlich die falschen Männer und sein Vater ist über weite Strecken ein verantwortungsloser Vollidiot. Und natürlich trägt ihnen das eine Menge Ärger ein, aber sie bekommen immer eine neue Chance und egal durch wie viel Scheiße sie waten, es geht auch immer wieder aufwärts für sie. Wenn der Film sie am Ende verlässt, ist die Mutter noch immer am Rand der Depression und der Vater kriegt das entscheidende Gespräch mit Sohnemann auch noch nicht auf die Reihe, aber sie haben sich schon gut gemacht und ich bin mir sicher, es wird auch Momente geben, in denen sie es packen werden. Und vielleicht steckte schon in den holprigen Momenten das Entscheidende: Wenn der frisch verlassene Mason sich bei seinem Vater ausweint und der bis auf Phrasen wie „Du wirst ein neues Mädchen finden“ und „Dann war sie wohl einfach nicht die Richtige“ eigentlich nichts herausbringt, dann mag das Unfähigkeit sein aber ich würde nicht ausschließen, dass dieses Gespräch Mason anstupst, den emanzipatorischen Schritt weg vom Vater als Frauenerklärer zu machen und sich auf eigene Füße zu stellen. Ob Mason sr. das bewusst oder unbewusst schafft bleibt offen. Der Film hält hier, genauso wie in jeder anderen Szene auch einfach drauf und feiert das, was er sieht als unglaublich ab. Weil es unglaublich ist. Ich meine: Hey, das ist das Leben eines Menschen, was kann es Unglaublicheres geben. (Kuschelpädagogik-Modus Off)
        Alles, was der Film zeigt, überhöht er ins Bedeutende. Wenn die Mutter einem Handwerker gegenüber fallen lässt, er solle doch mal zur Abendschule gehen, dann sehen wir diesen Handwerker natürlich ein paar Jahre später wieder, wie er Manager eines Restaurants ist. Ist super kitschig, ich weiß, aber an dieser Stelle hätte ich am liebsten applaudiert. Auf die Spitze treibt der Film das in der Szene, in der ein Lehrer Mason in der Dunkelkammer zur Brust nimmt und ihm noch sagt, er werde vielleicht in einigen Jahrzehnten auf das Gespräch zurücksehen und es als Startschuss eines neuen Lebens betrachten. Nichts, was der Film zeigt, ist nicht ein potenzieller Wendepunkt für Mason, alles kann theoretisch am Ende den Mann aus ihm machen, der er werden wird. Auf so was steh ich ja absolut! Ich liebe auch die Serie HOW I MET YOUR MOTHER, in der ja auch alles, was passiert (angeblich) ein wichtiges Bestandteil der Reise ist, an dessen Ende die große Liebe wartet. Und der Vergleich HIMYM und BOYHOOD ist tatsächlich überraschen treffend, da BOYHOOD schon durch seine Machart ein bisschen an eine Serie erinnert und im Prinzip die Erzählweise von HIMYM übernimmt, samt seichtem Humor und der Liebe zum Trivial-Alltäglichen.

        Den Unmut mancher über die Belanglosigkeit des Filmes kann ich also auch rational nachvollziehen, emotional aber nicht teilen. Das liegt zum größten Teil natürlich auch daran, dass ich wie gesagt gerade ungefähr da stecke, wo Mason am Ende steckt und vieles von dem, was er erlebt hat, auch bei mir finde. So was verbindet natürlich. Und all denen, die auf den Film so reagieren wie Masons Mum am Ende und sagen: „Ich dachte, da wäre mehr“, kann ich nur wie Mason achselzuckend antworten: So ist das halt, lässt sich nicht ändern, nimms nicht so tragisch. (Hab jetzt den Originaltext nicht mehr im Kopf, aber so etwa war seine Grundhaltung). Mich hat der Film perfekt erwischt und ich liebe ihn!

        Als ich nach dem Film noch völlig verdattert vor das Kino trat, traf mich die bittere Erkenntnis wie ein Schlag:
        Ich werde den Rest von Masons Leben nie miterleben dürfen. Ich werde nicht sehen, wie er sich durchs Studium peitscht, wie er seine Photographiekarriere weiterverfolgt, wie er sich neu verliebt, eine Familie gründet, alt wird und sein Leben rekapituliert. Den Tränen nahe habe ich daraufhin sofort mein Portemonnaie gezückt, um nachzusehen wie viel darin ist, das ich Linklater für ein Crowdfunding Projekt anbieten kann, damit er BOYHOOD 2 (oder MANHOOD, oder wie auch immer) macht. Als ich dann gesehen dass da wie immer nichts drin ist, dachte ich mir: Vielleicht ist es ja so auch besser. Wir haben Mason 12 Jahre lang begleitet, ihn jetzt ins Erwachsenenleben entlassen, ich bin mir sicher, er wird seinen Weg schon machen und ein großartiger Mann werden und in meiner Vorstellung ist er das schon. Für drei Stunden war er der Spiegel, in den ich blicken konnte, ein guter Freund, der dasselbe durchmacht und zu einem gewissen Grad wird sein Leben sich wohl immer mit meinem überschneiden. Und mir wird immer dieser Film bleiben, als ein Stück nostalgisches "Alles ist gut". Oder wie es ein großer Mann einmal ausgedrückt hat:
        "We still have Paris."
        (Ich will nicht sagen, dass BOYHOOD CASABLANCA ist aber… Naja, ihr wisst schon.)

        Abschließend noch ein Wort zu den Schauspielerin:
        Coltrane entwickelt über die Jahre eine unglaubliche Präsenz, findet seine eigenen Verhaltensweisen und Charakterstrukturen. In den frühen Jahren wird er aber noch von der absolut unerträglichen Synchronstimme gekillt (wollte den Film eigentlich OmU gucken, hab aber in meiner unendlichen Weisheit die Termine vertauscht und bin zur Synchrofassung gelatscht).
        Linklaters Töchterlein neigt zu Overacting.
        Arquette ist halt irgendwie so da.
        Hawke rockt den Laden.

        Fazit:
        Alfred Hitchcock hat einmal zu Ingrid Bergman gesagt, als sie sich über SKLAVIN DES HERZENS in die Wolle gekriegt haben: Ingrid, es ist nur ein Film. In der Regel hat der Großmeister damit auch recht und es ist tatsächlich nur ein Film, worüber wir reden.
        Bei BOYHOOD bin ich mir nicht so sicher...

        6
          • 7 .5

            Der König des Mumblecore, Joe Swanberg, hat wieder gesprochen. Unter einem Titel, der schwer nach epischem Historienfilm klingt, hat er ein intimes Schwesternporträt gedreht. Ich war zuerst maximal verwirrt, weil ich anfangs dachte, die beiden Schwestern wären ein Paar. Könnte daran liegen, dass sie sich in der Anfangsszene einen Heiratsantrag machen...
            Die Schwestern sind sehr fein charakterisiert, es gibt nicht "Die Schüchterne" und "Die Durchgeknallte" oder so, sondern beide sind irgendwo dazwischen, ohne austauschbar zu sein. Das ist nicht nur Swanberg zu verdanken, die Darstellerinnen Seimetz und Weixler haben auch ihren Teil dazu beigetragen.
            Wie von Swanberg gewohnt, folgt er mit seiner Handkamera seinen Protagonistinnen bei ihren alltäglichen Dialoge, zumeist in engen Innenräumen. Die Dialoge sind fesch und improvisiert und sind voller wunderbar glaubwürdiger Emotionen. Allerdings ist die Verteilung zwischen Sex- und Dialogszenen von so ungefähr 50/50 doch vielleicht wenig zielführend, aber vielleicht kommt es einfach so, wenn man die Szenen den Darstellern überlässt. ;)
            Ich liebe einfach den Mumblecore-Stil und bei Swanberg finde ich den nach wie vor am Sympatischten. Das beweist "Alexander the last" mal wieder so eindrucksvoll wie möglich. Zwischen all dem Beziehungsdrama rieselt ein leiser Humor hindurch, den wahrscheinlich kein Autor dieser Welt in seinem stillen Kämmerlein so schreiben könnte, der wohl nur am Set entsteht, wenn die Chemie stimmt und die Leute wissen, was sie tun. Das meiste, was passiert, passiert zwischen den Zeilen (beziehungsweise zwischen den Schnitten, den Szenen,... wie auch immer), vieles muss man erahnen, weil sich die Charaktere auch oft genug nicht in ihrem Tun, in ihrer Zuneigung sicher sind. Die finale Aussprache der Schwestern ist dann aber wieder right in your face. Ob das jetzt schon Anbiederung an den Mainstream ist, wenn am Ende doch vieles in Bahnen gelenkt wird, ist mir dann aber auch egal. Denn so oder so ist es verdammt scharf.

            8
            • 8 .5

              Eins gleich mal vorweg: LIBERAL ARTS ist schlecht, er ist strenggenommen wahrscheinlich sogar sehr schlecht. Aber er ist auf perfekte Art schlecht. So wie Campusgespräche über klassische Lyrik, so wie überfüllte WG-Partys, so wie Mensa-Essen (letzteres ist zugebenerweise vielleicht auch einfach nur schlecht). Weil er weiß, dass das Leben letzten Endes mäandert und nichts wirklich zu erzählen hat, außer die Liebe zum Leben selbst, tut er es ihm gleich. Ohne falschen Realismus, dafür mit dem gesunden Maß an Kitsch und romantischer Weisheit.
              Radnor überhöht das Studentenleben bis ins Maßlose, das geht so weit, dass sein Charakter Jesse mit einer Mischung aus Schwärmerei und Frust laut "Hach, Mitbewohner!" aushaucht, als er mit seiner jungen Perle beim Techtelmechtel gestört wird.
              Jesse hat sein Leben auch noch nicht so wirklich begonnen, nach dem College kam für ihn nicht mehr viel und er trauert dieser Zeit wohl noch immer nach. Als sei es in dieser Lage nicht schon schlimm genug, dass er an einem College arbeitet, wird er eines Tages auch noch angerufen, sein altes College zu besuchen und dort eine Rede auf seinen ehemaligen Prof zu halten. Da begegnet Jesse nicht nur dem alten, idealistischen Lehrer, dem diesmal er, der ehemalige Schüler, in einer Lebenskrise helfen muss, sondern auch der jungen Elisabeth, die sich ihm sofort an den Hals wirft. Das ist übrigens die Reaktion jeder (ich meine guten Gewissens sagen zu können: ausnahmslos jeder) Frau in diesem Film, die Jesse sieht. Radnor scheint wohl davon überzeugt zu sein, dass es keine Frau gibt, die ihn sieht und nicht sofort mit ihm schlafen will. (Das mag ja auch durchaus der Realität entsprechen, ich will das gar nicht bestreiten). Dabei stellt er sich allerdings an wie ein (freundlich ausgedrückt) unbeholfener Idiot, so dass ihm erst ein ein völlig zugedröhnter Zac Efron in die richtige Richtung schubsen muss. Das Ganze ist am Anfang noch arg holprig, der Film wankt zwischen oberflächlich witzigen Einlagen, ein paar aalglatten Dialogen und Szenen, in denen Radnor ohne erkennbaren Grund irgendwelche tiefsinnigen Offenbarungen bekommt, wahlweise wenn er gerade einen Baum berührt, seine Hände betrachtet oder einen Schluck Wasser trinkt (bei letzterem war er wenigstens high). Und dass er, wenn er überlegt, wie viel jünger Elisabeth ist, das Ganze dann schriftlich ausrechnet und es dabei noch laut vor sich hin doziert, macht auch nicht wirklich Sinn und am Anfang habe ich mich auch echt gefragt, was das alles soll.
              Aber Radnor hat mich überzeugt. So wie auch sein Vorgänger HAPPYTHANKYOUMOREPLEASE schlich sich dieser Film in mein Herz, ohne dass ich überhaupt wusste, wie und wann das passiert ist. War es während der Debatte über Vampirromane, war es bei der Szene, in der Hoburg um seinen alten Job bettelt, ich weiß es nicht. Aber von Szene zu Szene wuchs dieser Film und am Ende fügte sich aller Schwachsinn, alle Hänger schlüssig zusammen zu einem wundervollen Ganzen, zu einem der schönsten Filme, die man sich vorstellen kann. Es ist unglaublich, mit was für einer Leichtigkeit Radnor das macht. Ich muss dazu sagen, wenn ein Haufen Leute von Büchern schwärmt und sich über ihr Leben Gedanken macht, dann gefällt mir das schon mal per se. Aber es ist nicht in jedem Fall so stimmig und schön wie bei LIBERAL ARTS.
              Radnor scheut sich auch nicht davor, seine Figuren ins Nichts laufen zu lassen und auf die Genreregel, alles zu einem geschlossenen Abschluss zu führen, spuckt er ganz gewaltig. So gelingt ihm ein zugleich desillusionierender und aufmunternder Film.
              "Herzlichen Glückwunsch, sie haben mit dem Rauchen aufgehört, sie werden sicher hundert. Und was bringt Ihnen das, wenn das Leben beschissen ist. Und das ist es, glauben Sie mir", sagt seine alte Dozentin zu Jesse (auch eine von denen, die seinen Schwanz will).
              "Sei kein Genie das jung stirbt. Sei ein Genie, das alt ist. Alt werden lohnt sich, glaub mir", sagt Jesse einem suizidalen Studenten in einer wunderbar ins Schwarze treffenden Nebenhandlungen, die immer wie ein stiller Kommentar zur Haupthandlung wirkt und die nicht nur dramaturgisch etwas in die Gänge bringt.
              "Die Postmoderne wird abgesetzt", sagt Jesse und Radnor bringt uns einen wunderbar idealistischen und vormodernen Film über das postideologische und postmoderne Zeitalter. Trotz der verbitterten Romantik-Lehrerin lautet die Botschaft des Filmes am Ende: Die Romantiker sind noch nicht tot, noch immer werden Menschen erwachsen, fragen sich, wohin sie in der Welt gehören und noch immer erhalten sie die Antwort darauf (oder etwas, was sie für eine Antwort halten) am besten aus Büchern. Wenn das keine gute Nachricht ist, dann weiß ich auch nicht mehr.
              Und LIBERAL ARTS hat einen sehr feinen, subtilen Humor. Der Blick von Radnor, als Elisabeth ihm im Bett sagt, dass sie noch Jungfrau ist, ist einfach köstlich und die Dialoge zwischen Jesse und Hoburg sind wunderbare Screwball-Comedy und wenn die beiden über den Kleidungsstil des jeweils anderen herziehen wie kleine Jungs, dann fühlt man eine wirkliche Vertrautheit voller gegenseitigem Respekt.
              Ich weiß, ich hab oben gesagt, LIBERAL ARTS ist perfekt und glaubt mir, das ist er auch. Aber eine Achillesverse hat er in meinen Augen doch: Seine Versteifung auf die Hochkultur ist dann doch etwas elitär. Gerade ein Film, der mit einem hemdsärmeligen, bärtigen Helden daherkommt, der auf College-Partys und in rauchigen Bars sich selbst sucht, hätte jetzt wirklich nicht nur Byron und Beethoven abfeiern müssen. Eine gewisse Nähe zur Trivialkultur (ich weiß, schlimmer Ausdruck, aber ich kenne keinen besseren und ich glaube, ihr wisst, was gemeint ist) hätte ich ihm doch zugetraut und für jemand, der als Seriendarsteller bekannt geworden ist, hegt Radnor eine große Aversion gegenüber dem Fernsehen. Ganz deutlich wurde diese Hochnäsigkeit natürlich in der Twilight-Debatte (das Buch wurde zwar nicht explizit betitelt, aber es war ja sicher ein Twilight-Ableger gemeint). Ich bin natürlich auch eher für Stoker als Meyers und darum macht es mich umso ärgerlicher, wenn ein Buch aus dieser Schiene als Paradebeispiel für Trivialkultur genannt wird. Das Triviale ist doch irgendwo das Alltägliche, das Menschliche und dadurch das letztlich entscheidende. Was nützt es Jesse, wenn er anhand von klassischer Musik in seinen Händen das Wesen der Welt selbst sieht, wenn er seine eigenen Beziehungen nicht auf die Reihe kriegt. Die Antwort darauf ist vielleicht nicht zwingend in Bach-Ouvertüren zu finden. Das hätte Radnor fairer angehen können, die Dialoge über YA-Bücher fand ich dann aber doch sehr köstlich. Und natürlich macht der Film das irgendwo weg, weil er ja ganz eindeutig ein Stück Trivialkultur ist und die dann allein durch seine Qualität dann wieder rehabilitiert.

              10
              • 5

                Ich tue mich unglaublich schwer mit diesem Mike Leigh. Ich würde den Typen so gerne mögen, weil er super sympatisch wirkt und ich seine improvisierte Machart toll finde, aber mit seinen Filmen konnte ich bisher dann doch nichts anfangen. HAPPY GO LUCKY fand ich ultimativ nervig, bis heute kann ich nicht verstehen, wie man so anstrengend sein kann wie Sally Hawkins in diesem Film, ohne dass ein einigermaßen verantwortungsvoller Regisseur mit seiner Kamera auf einen einschlägt. Außer die ganz witzigen Szenen mit dem Fahrlehrer und der wie gesagt eindrucksvollen Machart, hat mir HAPPY GO LUCKY nichts geben können.
                Im Prinzip ähnlich, wenn auch nicht ganz so extrem, ging es mir mit LÜGEN UND GEHEIMNISSE. Der Film hat eigentlich eine interessante Geschichte mit guten Charakteren zu erzählen und auf das Improvisierte würde ich theoretisch auch total abfahren (vielleicht hätte ich den Film in der Originalversion sehen sollen, weil sich improvisierte Dialoge ja nicht wirklich synchronisieren lassen...), aber irgendetwas hat mir dann doch den Zugang verwehrt. Trotz der unkonventionellen Drehweise kommt der Film wahnsinnig behäbig und steif daher, der Schwung fehlt total aber für die komplette Entschleunigung geht es dann doch zu sehr zur Sache. Dann wird aber jede Szene über mehrere Minuten gestreckt, ohne dass sie wirklich einen eigenen Rhytmus erhält. Heraus kommt ein Film, der zwischen den Stühlen sitzt und der sich nie zwischen den Polen entscheiden kann.
                Scheinbar hat Leigh eine Schwäche für nervtötende Charaktere, denn die meisten der hier versammelten Leutchens (vielsagenderweise vor allem die Frauen) sind wieder einmal durch und durch stressig. Hortense war mir da noch die Liebste, obwohl sie auch oft ihren Sabbel nicht halten konnte. Der Gipfel war aber Cynthia, was vielleicht tatsächlich an ihrer deutschen Stimme lag, die ich einfach nicht wirklich ertragen konnte. Und am Ende dachte ich, wenn ich noch einmal das Wort "Schätzchen" höre, springe ich aus dem Fenster. Mit Maurice kam ich gut zurecht, zu dem Preis, dass sein Charakter einfach blass wirkt. Timothy Spall hat mich zwar auf seine sonstigen Arbeiten neugierig gemacht, der scheint den herzensguten Dicken ganz gut verkörpern zu können, hier stolpert er einfach zu oft an der Beliebigkeit der Szenen oder dass ihn die dauerquatschenden Frauen in den Hintergrund drängen.
                LÜGEN UND GEHEIMNISSE scheint sich selber als Sozialdrama zu sehen, was völlig in die Hose geht. Obwohl es mir gefällt, dass Familiendramen mal nicht an der Upper East Side spielen (sorry, Woody Allen), funktioniert der sozialkritische Aspekt nicht, wenn Leigh ihn so voreingenommen angeht. Den ganzen Film über wird die Unterschicht plump und zurückgeblieben dargestellt, und die Oberschicht klug und weltoffen. Das kann man doch nicht ernsthaft in einem Film behauptet, der den Alltag der "kleinen Leute" zeigen will.
                Leigh versteht ohne Frage sein Handwerk und macht seinen Job mehr als gut. Und in vielen Szenen blitzt auch kurzzeitig ein Anflug von Genialität auf, meistens werden sie dann so ausgezehrt, dass die Genialität sich dann wieder in Zähigkeit wandelt. Den Film auf 90 Minuten runterzukürzen hätte sicher nicht geschadet (wo grade heute hier ja das Thema Filmlänge diskutiert wird). Dann würden die großartigen Szenen, die dieser Film vor allem gegen Ende sicher hat, auch besser zur geltung kommen und das ganze wäre weniger nach dem Motto: Wir setzen uns hin und reden über unsere Gefühle bis der arzt kommt.
                Eine Frage zum Schluss: Hat irgendjemand hier vielleicht so eine Art Mike Leigh-Notfallplan? Einen Film, der mir den Typen noch schmackhaft machen könnte, nachdem ich mit HAPPY GO LUCKY und LÜGEN UND GEHEIMNISSE nichts anfangen konnte? Oder ein Film, bei dem ihr sagen würdet: Wenn dir der nicht gefällt, dann kannst du Leigh tatsächlich vergessen? Will den ja doch irgendwie noch nicht aufgeben...

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                • Da stirbt ein großes Stück Filmgeschichte...

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                  • 5

                    Hölle. Nic Cage. Autos. Amber Heard. Sex. Sex mit Amber Heard. Abgespacte Waffen. Prügeleien. Sekten. Verfolgungsjagd. Bumm.
                    Das ist nicht nur eine Auflistung aller Bestandteile eines guten Trashabends, sondern auch die exakteste Zusammenfassung des Inhaltes von DRIVE ANGRY, die mir einfällt. Mehr passiert nicht und ich hoffe, ich habe nicht zu sehr gespoilert.

                    "Baby, wieso fickst du mich nicht nackt?"
                    "Ich zieh mich nie aus für ne Schießerei."

                    Cage flieht aus der Hölle, weil er gerne den Typen, die seine Tochter getötet und seine Enkelin entführt haben, noch ein paar aufs Maul geben will. Verfolgt wird er vom Buchhalter (sic!) des Teufels, der nicht nur akribisch jedem vorrechnet, wann er in die ewigen Jagdgründe einfahren wird sondern hier und da auch tatkräftig dabei mithilft. Wer schon oft schweißüberströmt aus dem Bett aufgefahren ist, weil er geträumt hat, man würde einem Bürokraten übernatürliche Kräfte verleihen, der wird sich hier mit seinen Urängsten konfrontiert sehen. Dieser Buchhalter jagt also Cage und Cage jagt besagte Sekte mit Schwäche für Menschenopfer (nicht ohne vorher jedoch das zu opferne Balg noch liebevoll zu bemuttern). Und Heard rennt irgendwie dauernd dazwischen rum. Der Film tut erst gar nicht so, als hätte die einen eigenen Antrieb, Cage auf seiner Mission zu begleiten, sondern sagt explizit, dass sie eigentlich nur mitkommt, weil sie grade nichts besseres zu tun hat. Aber hey, ich kann mir schlechtere Freizeitaktivitäten vorstellen als mit dem alten Nic durch Straßensperren zu heizen.
                    Die Ironie bei DRIVE ANGRY funktioniert nicht über tatsächliche Gags sondern eher über eine Liebe zum ausgemachten Schwachsinn und einer perversen "Mehr-ist-mehr"-Logik. Das macht Spaß, das ist rasant und kurzweilig, aber wenns zu Ende ist, dann ists auch gut gewesen.

                    "Nenn mir einen guten Grund, warum ich dich nicht abknallen sollte."
                    "Ich fahre."

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                      Ich liebe John Green. Er ist für mich ein ganz großer Schriftsteller und seine Bücher EINE WIE ALASKA und PAPER TOWNS haben meine Jugend maßgeblich geprägt. Er hat die seltene und wertvolle Gabe, ungeheuer spaßig und unsentimental großes Gefühlschaous zu beschreiben. SCHICKSAL ist zwar jetzt nicht sein bestes Buch, aber auch das habe ich recht gern gelesen und hab mich durchaus unterhalten gefühlt, die drängende Dramatik seiner anderen Werke ging hier aber schon an den nicht ganz so interessanten Charakteren unter. Genug der Literaturanalyse, kommen wir zum Film:
                      Die Verfilmung hält sich so stark ans Buch, dass es fast schon wehtut. Jeder Dialog, jeder Gag, alles wurde eins zu eins übernommen, der Film hat keine eigene Idee, außer der finalen Aussprache zwischen Hazel und van Houten ihre Aussagekraft zu nehmen. Außerdem wurde irgendwie an der Überlebenswahrscheinlichkeit von Knochenkrebs gedreht, damit das ganze etewas dramatischer wird. Naja, gut... Die Uneigenständigkeit ist schon sehr ärgerlich, Regisseur Boone muss wohl über das Rückgrat eines Grashalmes verfügen oder er fand die Vorlage so geil, dass er sich gleich einen eigenen Altar für sie zuhause hinstellen könnte. Beides recht beunruhigende Vorstellungen. Es ist ungefähr so, als würde dir jemand aus dem Buch vorlesen und dazu exakt die Bilder zeigen, die dir assoziativerweise dabei durch den Kopf schwirren würden, wenn du über keinerlei emotionale Eigenständigkeit verfügst. Das kann auch dem besten Roman in seiner Verfilmung den Gar ausmachen. Wer nach der Lektüre sagt: Hell yeah, ich will das Gleiche sofort nochmal, der ist bei dieser Verfilmung gut aufgehoben, wer irgendeine eigenständige Interpretation erwartet, muss wohl ein Remake dieses Filmes drehen.
                      Immerhin peppt der Film das Ganze mit nem ordentlichen Soundtrack auf und Shailene Woodley zeigt mal wieder, dass sie zu den interessantesten jungen Schauspielerinnen derzeit gehört. Da kann Ansel Elgort nicht mithalten, so fleißig er sich auch bemüht. Die Rolle von Laura Dern hätte auch ein einigermaßen gepflegter Bettvorleger spielen können und Willem Dafoe scheint sich die ganze Zeit zu fragen, ob er nicht irgendwo noch Lars von Triers Nummer gespeichert hat.
                      Den Humor der Buchvorlage kann der Film zwar kopieren, aber nicht wirklich auf das Medium übertragen, das gelingt natürlich mit dem Geheule und Umarme gegen Ende schon etwas besser. Da trägt er zwar einigermaßen dick auf, aber er schrammte noch mal daran vorbei, dass ich hätte genervt auf die Uhr schauen müssen. Die Antwort darauf, wieso das jetzt auf das Medium Film übertragen werden sollte, bleibt der Film schuldig, denn nichts, was er erzählt, ist visuell irgendwie besonders.
                      Im Kern ist das Ganze natürlich eine recht konventionelle Liebesgeschichte unter widrigen Umständen. Das ist nichts Schlechtes, muss einem aber klar sein, sonst hat man vielleicht zu hohe Erwartungen. Diese Liebe wird kindgerecht aufbereitet, samt überirdisch charmantem Lover, Picknick im Park und Blümchensex, bei dem zwischen sich abends sanft küssen und morgens in lupenweißen Bettlaken von der Sonne wachgeküsst werden, alles im Dunkel gelassen wird.
                      Trotzdem kommt der Film flott zurande und kann seine recht üppige Laufzeit gut füllen (was natürlich auch an den Stärken der Vorlage liegt). So ist er alles in allem ähnlichen Filmen weitaus überlegen, ja ich würde sogar sagen, er tritt anderen Krebskomödien wie DAS LEBEN IST NICHTS FÜR FEIGLINGE oder HEITER BIS WOLKIG so hart in den Hintern dass denen glatt die Tumore aus dem Kopf purzeln.

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                      • 7
                        über Hostel

                        In seiner ehrlichsten Szene lässt HOSTEL seinen Protagonisten einen Gang entlang schleifen, an dessen Seiten er das ganze Ausmaß des ihn erwartenden Leiden sieht und im Sekundentakt strudeln auch auf den Zuschauer Bilder des Grauens ein, die ohne nennenswerten Zusammenhang nach dem Reizüberflutungssystem aneinandergereit werden. Vor allem in seinem Finale baut HOSTEL nämlich auch nicht auf wirkungsstarke Dramaturgie oder ausgefeilte Inszenierung sondern auf die reine, nackte Gewalt. Roth will hier nichts erzählen, nichts erhellen, ihm reicht die reine Schockwirkung. Und wenn ich dann wegen Bildern von aufgeschnittenen Achillesversen oder geöffneten Brustkörben zusammenzucke, dann will Roth nichts anderes zeigen, als dass durch die Bilder jene Gewalt eben dieses Zusammenzucken entsteht. Während seinem ebenfalls sehr sehenswerten Erstling CABIN FEVER noch die Lust am Thrill und dem Feiern der Genretraditionen zugrunde lag, geht es hier rein um das Aufzeigen körperlichen Ekels. Und so schwebt zusammen mit dem bedrohlichen Gefühl der Gewalt über den slowakischen Kellerräumen auch die Frage: Wozu das Ganze?
                        In dem er die dunkle, destruktive Seite der menschlichen Faszination für Gewalt (deren helle, konstruktive Seite sicher das Schauen von Horrorfilmen ist) in all seiner Deutlichkeit aufzeigt und sie bis in die letzte nihilistische Seite genießt, macht Roth hier Metahorror genauso wie er sein sollte: nicht selbstverliebt, pubertär und zitatengeil sondern scharfsinnig, unangenehm und selbstkritisch. Zumindest in der Theorie. In der Praxis reißt er das dann doch auf die politische und soziologische Ebene und haut einem eine Kapitalismuskritik um die Ohren die an Pessimismus und Misantropie nicht mehr zu toppen ist und leider letztens Endes scheitert. Denn er gleitet etwas in Lustfeindlichkeit ab, wenn er einen der Peiniger sagen lässt, dass er zu den Folterangeboten griff, nachdem ihm gewöhnliche Bordellbesuche nicht mehr befriedigt haben. Der Schritt vom Vögeln hin zum Meucheln lässt den Film nicht nur als Parabel auf den Kapitalismus, bei dem es ja immer mehr um Gier als um Lust geht, scheitern, sondern macht auch erkennbar wenig Sinn, vor allem in einem Film, der in seiner ersten Hälfte Trinken, Kiffern und Gelegenheitssex abfeiert. Das ist EUROTRIP goes wild pur. (Ich hab beim Sehen gedacht, EUROTRIP würde an diesen Stellen HOSTEL parodieren, aber witzigerweise war EUROTRIP zuerst da). Auf jeden Fall lässt Roth –wie man es von ihm kennt- sich gigantisch viel Zeit, mit dem Grauen hinter dem Berg hervorzukommen und lässt seine 3 Helden (den Genreregeln folgend werden es später natürlich regelmäßig weniger) erstmal durch Europa reisen, ohne das irgendetwas Auffälliges passiert. Die Zeit hätte man natürlich zur Charakterentwicklung nutzen können, man kann es aber auch machen wie Roth und einfach die ganze Zeit Leute beim Sex filmen. Generell sieht sich Roth glaube ich mehr als Beobachter denn als Inszenierer und filmt einfach gerne Leute, wahlweise beim Kiffen, Ficken oder Ausgeweidet werden. Das hat was Primitives und auch was Langweiliges, aber gut, ist wohl sein Stil.
                        Das Grauen kommt dann nach einem kurzen Teaser auch schlagartig und mit voller Härte, entbehrt aber nicht einer grotesken Komik. Paxtons Selbstjustizschlachtzug kommt dann aber ziemlich unreflektiert und unsorgfältig daher. Die Wut ist nachvollziehbar, die Darstellung eher lieblos aber okay, dafür dass der Film in den letzten zehn Minuten noch versucht auf die zynische Kälte der Gesellschaft nicht nur mit Verzweiflung sondern mit Aufstand zu reagieren, ist zumindest legitim. Den eigenen Nihilismus treibt er natürlich auf die Spitze, wenn sich Paxtons Wandlung zum romantischen Heldenideal dann als komplett sinnlos herausstellt.
                        Die Darstellung von Osteuropa trieft natürlich voller antislawischer Vorurteile und ich kann verstehen, dass der Film in diesen Ländern für Unmut gesorgt hat auch wenn die eigentliche Übeltäter keine Slawen sind, so ist es doch deren Rechtssystem, die das alles ermöglichen. Aber irgendwie muss amerikanische Angst ja immer in der Ferne, in der Weite spielen, ist ja historisch auch nachvollziehbar.
                        In der Debatte um diesen Film und seine Darstellung von Gewalt fiel oft unter den Tisch, dass der Film sehr, sehr gut ist. Roth weiß, was er zu tun hat und wie er gewisse Reaktionen hervorrufen kann. Dabei verlagert er den Schrecken sehr oft auf die Ton- oder Andeutungsebene um ihn dann umso erbarmungsloser zurück in den Fokus zu rücken. Das ist sehr gekonnt, vor allem, wenn man bedenkt, dass das hier erst sein zweiter Film ist. Und natürlich ist HOSTEL über die Maßen brutal, so brutal, dass er gegen Ende selber nicht mehr weiß, wie er das noch toppen soll und deswegen wohl auch auf die Rape and Revenge-Schiene verfällt. Warum ihm so eine einschneidende Bedeutung zukommt oder zukommen sollte, liegt aber nicht an der Brutalität sondern daran, wie sie eingesetzt wird. Wie oben schon erwähnt, dient sie hier keinem erzählerischen oder emotionalem Zweck mehr und lässt sich auch psychologisch oder storytechnisch auf Nichts zurückführen als auf den reinen sadistischen Trieb und (im doppelten Sinn des Wortes) auf den Materialismus. Außerdem soll sie auch beim Zuschauer keine Spannung oder Spaß sondern nur noch den Schock hervorrufen. Deswegen sprengt er das Genre und deswegen sollte sich der aktuelle Horrorfilm auch eher darauf konzentrieren, das post-Hostel Genre neuzusammenzufügen, anstatt ihn zu imitieren. Oder mit anderen Worten gesagt: In einigen Jahrzehnten wird HOSTEL wohl als streitbarer Klassiker gelten, der eine Epoche geprägt hat. Ich sage nicht, dass er es nicht verdient hat, aber ich bin doch irgendwie froh in einer Zeit zu leben, in dem diese Klassikerrolle noch CARRIE oder dem EXORZIST zukommen.

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                        • 4 .5

                          Aus irgendeinem Grund -und ich habe das Gefühl, ich werde das in dem Kommentar nicht wirklich hinreichend begründen können- hatte ich Spaß an diesem Film. Das war jetzt kein "Hurra, lass uns den Film gleich nochmal gucken"-Spaß, aber doch so, dass ich nicht der verlorenen Lebenszeit hinterhergeweint habe. Was ich eigentlich hätte tun sollen, denn der Erkenntnisgewinn dieses Filmes ist gleich Null. Im Gegenteil, eigentlich sammelt er nur abgelutschte Ideen und klatscht sie in einer behäbigen Dramaturgie zusammen.
                          Storytechnisch ist das halt das übliche RomCom-Geseiere, die Bildsprache weicht etwas ab und die sozialen Aspekte (strenggenommen: die sozialKITSCHigen Aspekte) sind auch irgendwie eine charmante Abwechslung, auch wenn sie das Rad nicht gleich neu erfinden.
                          Alles, was zum Lopez-Bashing gesagt wurde, stimmt natürlich. Die Frau ist tatsächlich nicht die geborene Schauspielerin, aber für diese flache Rolle reicht es gerade noch. Das Mädel (und ihre Besetzung macht das nicht besser) ist tatsächlich die Schwachstelle des Filmes und dass ihr das übliche niedliche, frühreife Blag und die übliche nervige, sexbesessene Freundin zur Seite gestellt werden, hilft der Sache auch nicht wirklich. Ihr Gutmenschentum ist einfach unerträglich und ich frage mich, wann eigentlich der Trend aufhört, Heldinnen in RomComs (im Actionfilm die Helden) zu quasi willenlosen Opfertieren zu degradieren. Wie dem auch sein, Lopez' Charakter verfügt hier etwa über so viel eigenen Willen wie ein verwelkter Blumenstrauß, was schade ist, aber zugegebenerweise für die ein oder andere Pointe sorgt.
                          Aber glücklicherweise ist sie nicht alles, was der Film zu bieten hat. Es gibt auch noch Ralph Fiennes. Nach wie vor hab ich immer ein bisschen Angst vor ihm, das ändert aber nichts daran, dass er großartig ist, egal wie penetrant man ihn unterfordert (und es ist fast unmöglich, dieses Genie nicht zu unterfordern). Seine Szenen mit Stanley Tucci sind großer Spaß und sind absolut die Highlights des Filmes: Perfekt geschrieben, perfekt inszeniert und perfekt gespielt.
                          Dann hat er auch die ein oder andere vergnügliche Szene, in der statt Tucci dann halt Lopez um ihn herum schawenzelt und dass der Einblick in die Lokalpolitik so feinsinnig gestaltet war, hat mir gut gefallen. Zum Glück wurde hier nichts satirisch oder thrillerhaft ausgeschlachtet, nur über das Bild von der Presse, dass dieser Film hat (ließe sich als "Presse = Antichrist" zusammenfassen) muss man halt irgendwie hinwegschauen.
                          Ein unscheinbarer Film, voller Schwächen und mit ziemlich vielen dummen Passagen, die keiner braucht, und mit einer Handvoll kleiner Stärken, die er nicht so richtig gut dosieren kann. Bleibt am Ende die Frage, wieso ich ihm trotzdem noch so viele Punkte geben. Hm, irgendwie wollte ich das halt so...

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                          • 2

                            Das ist jetzt also der Film, der so gehyped wird und als ein atmosphärisches Meisterwerk gilt? Der Film, den gefühlt die Hälfte aller MP-User als Lieblingsfilm haben? Echt jetzt, Leute? Die einzige Möglichkeit, wie ich mir das erklären kann, ist, dass es noch einen gleichnamigen Film mit der gleichen Handlung und dem gleichen Team aus dem gleichen Jahr gibt, der zufällig... gut ist. Denn dieser hier ist es nicht.
                            GLADIATOR beginnt als kriegshetzendes, militärhöriges Schlachtfest, das mit großem Atem das Soldatentum und den Imperialismus anbetet. Diese faschistoide Propaganda scheint den meisten nicht wirklich aufzustoßen, weil das alles ja in einer ganz anderen Zeit spielt und es ist nicht unser Krieg und so. Aber wer so rezipiert, der irrt. Die Botschaft ist auf heutige Zeit übertragbar und als solche nicht zu tolerieren. Das wäre schon ärgerlich genug, wenn nicht danach der (offensichtlich inhumane) Film plötzlich versucht auf (platt aufgesetzte) Humanität zu setzen. Da reiht sich dann eine naiv-pathetische Rede an die andere, der Held Maximus wird so unreflektiert und langweilig als Gutmensch inszeniert, dass mir schlecht wird und trotzdem findet der Film nicht den Mut, sich zu seinem Schwarz-Weiß-Denken zu bekennen und versucht das Ganze durch aufgesetzte Psychologie zu erden. Was übrigens fehlschlägt.
                            Zum Glück ist GLADIATOR nur in seinen schlechteren Momenten so ärgerlich. In seinen besseren ist er einfach durch und durch langweilig. So langweilig, dass ich mich gegen Ende (Anmerkung: Ich dachte, es sei gegen Ende, wie sich herausstellte, war gerade mal das ersten Drittel vorbei, denn der Film zieht sich unglaublich in die Länge) mit einem Besen in der Hand durch meine Wohnung hetzen sah, damit ich wenigstens irgendeine ernstzunehmenden Reizzuführung hätte und ich putze meine Wohnung in der Regel nur nach stundenlanger Selbstüberwindung.
                            Nicht mal der sonst so überragende Phoenix kann den Film retten, auch wenn seine Szenen noch zu den besseren (sprich: immer noch langweiligen) zählen. Aber gegen die menschgewordene Inkompetenz eines Russel Crowe ist natürlich schwer anzuspielen. Der verfügt hier (einmal mehr) über die mimische Ausdrucksfähigkeit eines Neugeborenen (schreien - weinen - schreien - weinen - beides gleichzeitig - schreien - weinen). Und dafür gibt es einen Oscar? Seriously?
                            Zum Look des Filmes lässt sich sagen, er ist nicht das ästhetische und atmosphärische Meisterwerk zu dem ihm seine Fans gerne stilisieren, er ist auch nicht der bestaussehenste Film von Scott, es ist der übliche, 08/15-Historienschinken-Gedöns mit viel Wind, dreckigen Gesichter, Schatten und überall dampft der Boden. Zugegebenerweise ist die Szene mit den Tigern verdammt hot und die Prügelei am Ende hätte es auch werden können, käme dann nicht das pathetische Geschwafel von wegen: Ein Mensch ist gestorben, lohnt es sich für diese Sache zu sterben und bla bla blubb. Und das ganze garniert Scott dann noch mit einem hübschen esoterischen Terrence Malick-Kitsch.
                            Ich geb am Ende noch mal zwei Punkte für die Tigerszene und dafür, dass meine Wohnung endlich mal wieder sauber ist. Wirklich hergeben tut der Film das aber strenggenommen nicht.

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                            • 7

                              Und einmal mehr macht sich Woody Allen daran, ein fiktives Leben cineastisch aufzurollen. Das tut er von Anfang mit seiner unnachahmlichen Frechheit und nie versiegenden Originalität. Der Film beginnt, wie Woody einen vom Pferd erzählt, wie sehr Emmet Ray ihn beeindruckt und geprägt hat und wie gerne er seine Musik gehört hat. Danach führt er auch noch ein paar Experten an, die mit wichtiger Mine erstunkene Fakten vom Stapel lassen, eher wir ganz in Woody Traumland der 20er/30er-Jahre eintauchen, die er schon in so vielen fantastischen Filmen beschworen hat (und noch tun wird).
                              Emmet ist ein erfolgreicher Jazzmusiker. Seine Popularität schützt ihn aber nicht davor, ein sich selbsthassendes, zynisches, unsicheres und pöbelndes Miststück zu sein. Seine Zeit vertriebt er sich am liebsten mit Zuhälterei oder dem Töten von Ratten. Wenn er nicht gerade Züge anstarrt oder überall rumerzählt er sei der zweitbeste Gitarrist der Welt (abgesehen von dem Zigeuner aus Frankreich (Django Reinhardt)). Gespielt wird Emmet von dem fantastischen Sean Penn in der Rolle seines Lebens. Gerade in den Musikszenen oder wenn er Frauen schikaniert (beides Gebiete, auf dem wohl niemand unserem guten Emmet etwas vormacht) blüht Penn völlig auf und ihm gelingt etwas, was leider viel zu selten in einem Film passiert: Er schafft einen völlig eigenen Charakter mit Facetten, die das Drehbuch gar nicht anlegt, sondern allein durch die vom Schauspieler geschaffenen Manierismen und Verhaltensweise entsteht. Fast so als würde er wirklich ein reales Vorbild imitieren. Nur das dieses Vorbild im Falle Emmet Ray halt nie existierte. Alle sprechen bei diesem Film ja von Samantha Morton als stumme und etwas beschränkte Hattie und joa, die kann wohl was. Penn und Thurman fand ich aber trotzdem einen Tacken stärker (letztere kriegt leider nicht genug Raum). Trotzdem war die Hattie-Geschichte natürlich eine wunderschöne, (Woody-mäßig) zum Scheitern verurteilte Liebe. Woody Version von La Strada: Emmet und ein Kumpel treffen zwei Frauen (Hattie und ihre Freundin) auf der Straße und sprechen sie an. Weil Emmet nicht weiß, wen er will, landet er dann bei der von seinem Kumpel verschmähten Hattie und ist gleich unzufrieden damit. Nachdem er sie eine angemessene Zeit lang beleidigt und gedemütigt hat, schlafen sie miteinander und irgendwie haut Hattie dann nicht mehr ab oder zumindest braucht Emmet den Rest des Filmes, um sie zu verekeln und sich selbst in eine emotionale Krise zu manövrieren. Daneben passieren noch einige andere bunte Geschichten, aber alles kommt früher oder später auf Hattie zurück. So wie Emmet.
                              Der Film hat viele typischen Woody-Elemente: Das Setting, die Musik natürlich, die brillanten, weil überflüssigen Interview-Passagen, die von Uma Thurman gespielte Figur der Schriftstellerin und hier und da der typische Woody-Humor. Trotzdem ist er anders als die übrigen Filme und streckenweise gerät er für einen Allen auch arg konventionell. Gut ist das zu jedem Zeitpunkt, aber leider gibt es ein paar unentschlossene und belanglose Stellen. Mit der hundertprozentigen Genialität seiner Meisterwerke hat das nichts zu tun, trotzdem ist SWEET AND LOWDOWN den meisten (sagen wir allen) ähnlichen Filmen haushoch überlegen. Emmet schrammt nicht wie die meisten Figuren bei Woody Allen gerade so weit an der Unsympathie vorbei, dass wir uns in ihnen wiederkennen und sie so lieben lernen, sondern er ist die pure Unsympathie. So wirkt all der Zynismus auch nicht herzergreifend wie zum Beispiel in dem fantastischen PURPLE ROSE OF CAIRO sondern eher wie ein Wie-man-in-den-Wald-ruft. Das dämmt die Wirkung des Schlussakkords etwas und macht den Film an vielen Stellen auch anstrengend. Aber es überwiegen die großartigen Stellen, in denen man Emmet am liebsten schütteln würde, dass er Hattie endlich vernünftig behandeln und nicht sehenden Auges in sein Verderben rennen soll oder aberwitzige Momente wie die Szene mit den Geldwäschern oder dem dreimaligen Wiederholen der Tankstellenszene. Und natürlich die Interviewsequenzen. Am Ende bleibt ein handwerklich einwandfreies, interessantes Charakterporträt eines der faszinierenden Allen-Charaktere, die mir aber letzten Endes etwas zu fern blieb, als dass ich ihn zu meinen Lieblings-Woodys zählen würde. Zwischen dutzend Diamanten wirkt halt schon eine Goldmünze wie ein Stück Holz.

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                              • Ich hab nur "Marilyn Monroe" und "Zombies" gelesen und kann das Ding eigentlich jetzt schon auf meine Lieblingsfilmliste packen. :)

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                                • 8

                                  Am Anfang war Carey Mulligan. Wie gut kann ein Schauspieler eigentlich sein, ehe es anfängt, gruselig zu werden, und man davon ausgehen muss, es handelt sich dabei um eine übersinnliche Erscheinung?! Mulligan kommt dieser Grenze auf jeden Fall gefährlich nahe. In ihrem Gesicht scheinen sich in wenigen Regungen unzählige Emotionen und Gedanken zu spiegeln, ihr Charakter Jenny ist gleichzeitig unglaublich zart und ebenso selbstsicher, am liebsten würde ich beruhigend den Arm um ihre Schulter legen und sie schützend durchs Leben führen und gleichzeitig hilfesuchend ihre Hand greifen, damit sie mich durch das Leben führt. Denn das Leben ist hart, aber es lohnt sich trotzdem, zumindest im Gesicht von Carey Mulligan.
                                  Nicht nur ihr Charakter Jenny, sondern alle Figuren aus dieser Filmperle der großartigen Lone Scherfig sind natürlich beinharte Klischees. Aber manchmal (selten) müssen einfach Klischees her, um eine Geschichte so zu erzählen, wie es ihr zusteht. Klischees entstehen ja nicht, weil irgendjemand das so beschließt sondern weil sie irgendwo wurzeln, irgendwohin passen, sei es draußen im harten, aber lohnenden Leben oder drinnen im Kino, wo Carey Mulligan einen durch das Leben führt, während man schützend den Arm um sie gelegt hat. Und so gehören der überambitionierte Vater, die spießigen Lehrerinnen, der charmante Lebemann, all jene, die wir schon tausendmal gesehen haben, einfach in diesen Film, der auch nicht von sich behauptet, die Filmgeschichte neu zu schreiben, aber der von sich behaupten könnte, eine wundervolle Parabel auf das Erwachsenwerden geschaffen zu haben. Denn für das Erwachsenwerden gilt insbesonders, was für das Leben an sich gilt: Es ist hart, aber es lohnt sich.
                                  Jenny ist ein kluges und stilles Mädchen, das zu Beginn nicht wirklich weiß, was sie will. Sie lässt ihren autoritären Vater das für sie entscheiden und auch wenn sich Unwillen in ihr regt, scheint sie dem argumentativ nichts entgegensetzen zu können und fügt sich so in die Zwänge und Verbote, sie lernt Latein, übt am Cello und wenn ihr Vater durch die Wände brüllt, dann schaltet sie auch die geliebte französische Musik aus. Sie ist die perfekte Tochter für den imperfekten Vater und auch ihre Literaturlehrerin hält große Stücke auf sie. All jene wissen aber auch (oder finden es heraus), dass in Jenny ein eigener Mensch steckt, der sich nicht in jedes Korsett stecken lässt und sich früher oder später sein Korsett selbst aussuchen wird. Erstmal ist es bis dahin aber noch etwas hin und im Moment sind alle noch rundum zufrieden mit Jenny. Alle, mit Ausnahme von ihr selbst.
                                  Und dann kommt der Regen. Und mit dem Regen kommt ein gutaussehender, etwas älterer Mann, der in seinem schnieken Wagen neben ihr an der Bushaltestelle parkt und ihr auf wundervoll charmante Art anbietet, ihr Cello nach Hause zu fahren. Eine Begegnung von solch intimer Schönheit, der Carey den Raum gibt, schauspielerisch noch mal einen drauf zu setzen. Jener Mann mit dem Herz für nasse Musikinstrumente, nimmt die neugierige Jenny dann auch völlig gefangen und führt sie in seine Welt ein. Diese Welt ist bestimmt von Reichtum, Snobismus und Allüren und Jenny braucht eine Zeit um das zu reflektieren, zunächst ist das einfach ein Gegenpol zu dem soliden, langweiligen Elternhaus aus dem sie kommt. Und wer könnte ihr das verdenken. Dass diese Welt aber genauso von Zwängen, Lügen und Langeweile geprägt ist wie jede andere auch, muss sie erst schmerzhaft lernen.
                                  Natürlich sind die Anzeichen da, dass es sich bei dieser Clique nicht um Heilsbringer handelt und Jenny nimmt diese auch wahr und thematisiert sie sogar, aber trotzdem lässt sie sich blenden von schönen Pelzmänteln, teuren Clubs und prätentiösen Gesten. Und natürlich von Paris. David weiß schon, wie er sie um den Finger wickeln muss.
                                  Irgendwie hatte ich beim Sehen das ungute Gefühl, dass mich das Ende, egal wie es gestaltet werden würde, enttäuschen muss, da es entweder naiv oder reaktionär sein müsste, je nachdem, wie ihre Beziehung zu David enden würde, aber so wie es dann kam, hatte ich tatsächlich da Gefühl, es war... perfekt!
                                  Viele haben das Ende als reaktionär und spießig empfunden, wenn ich hier so die Kommentare auf MP lese, weil es scheinbar dem Bürgertum, dem Karrieredenken recht zu geben scheint. Ich hab das nicht so gesehen, eher im Gegenteil. Der Film sagt nicht: Hör auf deine Eltern/Lehrer und sprich nicht mit Fremden, er sagt: Den perfekten Lebensentwurf gibt es nicht, du musst rausgehen und gucken, was zu dir passt. Und wahrscheinlich wirst du auf die Fresse fliegen, aber das gehört dazu und macht dich nur stärker. Lass dich nicht unterkriegen, was auch passiert.
                                  Und Carey/Jenny lässt sich nicht unterkriegen. Ihr Gespräch mit Sally Hawkins (hätte nicht gedacht, dass die mal nicht nervt) im feinen britischen Vorgarten, bringt den Film mit einer beneidenswerten Leichtigkeit auf eine harte, aber lohnende Quintessenz (und ist auch nicht männerverachtend, wie einige meinen). Und wenn Carey/Jenny sich dann umdreht und zwischen den Bäumen, Vorgärten und Autos verschwindet und dieser verkommenen Doppelmoral den Rücken kehrt, dann braucht sie auch keine großen Reden oder Gesten um ihre eigene, private Revolution zu starten. Die David-Episode ist nun Teil ihres Lebens, aber einen, den sie überwunden hat und aus dem sie gestärkt hervorgeht. Und wenn Careys Haare am Ende wehend durch Oxford fliegen, ist das das perfekte Gegengewicht zum Honrbyschen Zynismus, der in den meisten Verfilmungen durch kalte Darsteller zur Farce gerät, hier aber ein eigene, ausgewogene Weltsicht präsentiert. Das ist vor allem zwei ganz großartigen Frauen zu verdanken: Carey und Lone.

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                                  • 3 .5

                                    Na, wenigstens ist der Film ehrlich und gesteht schon beim Opening-Song ein, dass Sequels selten mit dem Original mithalten können. Ich kenn den ersten Teil zwar nicht, aber wenn ich raten sollte, würde ich sagen: Er ist besser.
                                    Die Muppets sind jetzt nicht wirklich meine Materie, ich kenn nur die Parodie von Peter Jackson und vielleicht ist das mein Fehler und das ist halt ein Film für Liebhaber. Oder aber, ich kann den Film nüchterner betrachten und sagen: Er taugt nicht wirklich was. Natürlich sind die Muppets sympatisch und knuddelig, alles andere wäre aber in einem Puppenfilm ein nicht zu unterbietendes Armutszeugnis. Aber abgesehen von drolligen kleinen Figürchen kann der Film nicht viel bieten. Weder die zahlreichen prominenten Gaststars können überzeugen, noch machen die Songs irgendwie Spaß. Die meisten Cameos werden einfach verschenkt (der Gipfel der Frechheit ist Liotta) und auch die Schauspielgrößen, die einiges an Raum erhalten wirken irgendwie als hätten sie eine Kreuzfahrt gebucht, die sich als Trip in die Wüste herausgestellt hat, waren wohl Muppets-Fans, die zugesagt haben, ohne sich vorher die Mühe gemacht haben, mal das Drehbuch zu lesen. Wer wie ich nie gedacht hätte, dass Ricky Gervais und Ty Burrel auch mal unlustig sein können, wird hier eines Besseren belehrt. Und die Songs werden maximal lieblos immer dann eingestreut, wenn den Machern die Angst kam, der Zuschauer könnte merken, dass die Story nicht funktioniert. Dass es einen bösen Frosch gibt, der aussieht wie Kermit und der die Muppets infiltriert ist einfach nicht abendfüllend und so krude erzählt ergibt es nicht mal eine Dramaturgie im engeren Sinne. Aber der Gag mit dem Muttermal, der scheinbar Kermits gesamtes Erscheinungsbild zu ändern scheint, war schon ziemlich herrlich und hat bei mir für zwei, drei Lacher gesorgt. Und Constantines "Hallo, ich bin Kermit, euer Freund" war auch einfach super.
                                    Die ganze Geschichte führt die Truppe nach Europa (irgendwas mit Juwelenraub oder so), was dem Film natürlich die Gelegenheit gibt, Amerika nach allen Regeln der Kunst zu feiern: Franzosen sind faul, Deutsche sind primitiv und Russen leben am liebsten im Gulag. Das ist keine Satire, sondern Hinterwäldlertum. Und irgendwie soll der Film ja auch Kinder ansprechen. Ich sag es noch mal, um es sich auf der Zunge zergehen zu lassen: Kinder sind die, die sich ihr Bild von der Welt erst noch formen müssen.
                                    (Pause, um das sacken zu lassen.)
                                    Die Gruppenfindung der Muppets wird dann auch nach Schema F vollzogen und mit einem unglaubwürdigen Ende garniert, das wirkt als wären den Machern das Geld ausgegangen und sie hätten einfach noch eine Schlussszene dazu gepackt, damit der Film nicht in der Mitte abbricht.
                                    Ich sage: Gebt den Muppets ein ordentliches Drehbuch, speckt, was menschliche Gastauftritte angeht etwas ab (es tut einfach weh, Leute wie Waltz und Hiddelstone sinnlos in der Gegend rumstehen zu sehen) und sorgt für coolere Songs, dann wird der nächste Mupptes-Film auch ganz groß.
                                    Ist die Muppets-Show eigentlich zu empfehlen? Ich hab doch irgendwie Lust auf mehr bekommen.

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                                    • 7 .5

                                      Hab den Film im Zuge meiner kleinen, privaten Lone Scherfig-Werkschau mitausgeliehen, auch wenn meine Erwartungen recht gering waren. Ich hab vor Jahren mal das Buch angefangen zu lesen, das ist aber in etwa so spannend wie Beipackzettel für Waschmittel und ich habs schnell wieder gelassen. Der Film ist aber einfach super und das hat auch viel mit den Kürzungen im Vergleich zum Buch zu tun. Gerade zu Beginn passiert halt einfach nichts, die beiden Protagonisten laufen sich dauernd über den Weg, grüßen sich zügig und dann gehts weiter. Wenn das im Roman auf Kapitellänge aufgeblasen wird, kann das stressen, der Film reduziert das auf die wichtigen Facts und gewinnt dadurch einiges an Drive. Allerdings (und jetzt hör ich mich an wie jemand, dem man es einfach nicht recht machen kann) gerät ONE DAY (ich hasse den dämlichen deutschen Titel) dadurch auch ziemlich sprunghaft: Gefühlt alle zwei Minuten hüpft der Film ein Jahr weiter, Entwicklungen werden dadurch auch einfach punktuell erzählt, was schade ist aber im Vergleich wahrscheinlich die bessere Alternative.
                                      Die beiden Figuren haben mir sehr gefallen, mit wenigen Strichen wurden hier Charaktere skizziert, die scharf am Klischee vorbeischrammten aber in bestimmten (intimen) Momenten plötzlich aus dem Klischee ausbrachen und eine kleine schillernde Facette zeigten, die man ihnen gar nicht zugetraut hätte. Und dann wird das (vor allem von Hathaway) auch noch gut gespielt. Nebenfiguren geraten da natürlich zur bloßen Staffage, auch wenn sie mit Clarkson oder Spall erstklassig besetzt sind. Angenehmerweise versucht ONE DAY (schöner Originaltitel btw) nicht -wie so viele RomComs- das Com in RomCom krampfhaft aufzuplustern und wirkt so nie peinlich oder aufgesetzt. Zusammenfassend gesagt: Wenig Rom, wenig Com, viel FUCKING YES!

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                                      • 7

                                        Völlig zu Unrecht gehasste Fortsetzung zu dem Kultfilm von 2010. KICK ASS 2 macht immer noch jede Menge Spaß und ist überdrehte Superhelden-Comedy, auch wenn er um ehrlich zu sein natürlich nicht an den alles überragenden ersten Teil herankommt. Dessen Regisseur Matthew Vaughn (was macht der eigentlich grade?) hat vor kurzem ja auch ein anderes Franchise verlassen, das er phänomenal begonnen hat. Während DAYS OF FUTURE PAST mich etwas enttäuscht hat, kann KICK ASS 2 auf ganzer Linie überzeugen, den direkten Vergleich gewinnt Wadlow gegen Singer.
                                        Der Charakter Dave scheint dann aber doch durcherzählt zu sein, er dient hier eher als Klebstoff zwischen den anderen Figuren und deren Storys, seine Freundin wird am Anfang kurz beim Abhaten gezeigt, hier und da ein deepes Gespräch mit Vattern, das wars dann aber auch. Hit Girl bekommt von ihrem Ziehdaddy Marcus leider eine Fußfessel verpasst und kickt so etwas weniger Ärsche als zuvor, was Chloe Grace Moretz aber nicht davon abhält, genial zu spielen und in den Szenen, in denen sie dann doch eine Prügelei vom Zaun brechen darf, wirkt sie dementsprechen auch absolut entfesselt und blüht umso mehr auf. Ob sie jetzt allerdings bei den nervigen Mädels aus ihrer Schule akzeptiert wird, war mir herzlich egal.
                                        KICK ASS 2 macht sich nicht die Mühe, einen neuen Antagonisten zu entwickeln sondern recycelt unser aller Red Mist unter neuem Outfit und dem kreativen Namen Der Motherfucker wieder. Das haut auch noch hin, hauptsächlich weil er eine durchgeknallte Killerin namens Mother Russia an seiner Seite hat, die im Gegensatz zu ihm auch wirklich was drauf hat. Was beide verbindet ist das jegliche Fehlen moralischer Hemmungen und die riesige Freude daran, anderen Leid zuzufügen. Es gibt wohl keine Bedrohung, die von den beiden Typen nicht ausgehen würde und das macht den Film so spannend. Mark Strong fehlt mir persönlich zwar etwas, aber den Konflikt auf die Generation der Jugend zu verlagern, find ich ok.
                                        Auch Kick Ass ist trotz Hit Girls künstlerischer Pause nicht alleine unterwegs. Seine Crew stiehlt ihm hier und da die Show, auch wenn auch deren Charakterentwicklung eher unter ferner liefen zu suchen ist. Jim Carrey spielt glücklicherweise nicht wie Jim Carrey, das kann seine heillos dämliche Rolle aber auch nicht wirklich retten. Den hätte man sich sparen können, es gibt auch noch andere Hundebesitzer, deren Lieblinge Hoden beißen können. Da ist Donald "Turkleton" Faison als Dr. Gravity schon spaßiger. Hätte gern n Spinoff von dem Typen, falls das grad in den Plan passt...
                                        Ja, storytechnsich wird hier nicht das Großhirn bemüht und die Motivationen, warum die Leute dauernd aufeinander losgehen, sind Copy-Paste-mäßig für jeden dieselbe. Und nicht jede Selbstjustiz-Rede würde ich so unterstützen. Abgesehen davon wäre ich gewillt einen halben Punkt mehr zu geben, wenn es "Das Kotzteil" nicht gäbe, keine Ahnung, welcher Sechsjährige sich da in den PC der Filmemacher gehackt hat... Aber KICK ASS 2 ist kurzweilige, supergut inszenierte und spannende Action, die natürlich am Ende (Trommelwirbel :P) emotional hinterfragt wird. Das tut der Film aber weniger aufgesetzt und lieblos als so einige Marvel-Verfilmungen (*hust* AMAZING *hust* SPIDER-MAN *hust*). Ich hab gehört, der dritte Teil ist auch schon angedacht, dafür muss man natürlich frech das Ende des zweiten ignorieren, aber ich freu mich drauf. Und bitte wieder mit Faison! Vorschlag am Rande: Zach Braff als dessen Sidekick und Neil Flynn als dessen Erzfeind. Nur so ne Idee von mir.

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                                        • Kentucker Audley ist nicht nur Schauspieler, wie es hier bei MP steht, sondern auch einer der interessantesten der jungen amerikanischen Regisseure zur Zeit. Man könnte sagen, er ist von den Mumblecore-Regisseuren der mumblecorigste. Dreht sowas wie Meta-Mumblecores und thematisiert in Filmen wie OPEN FIVE und HOLY LAND das Filmemachen unter extremem Geldmangel. Bei OPEN FIVE hat übrigens Mumblecore-Gott Joe Swanberg (NIGHTS AND WEEKENDS) höchstpersönlich die Kamera geführt und in FAMILY TREE hat er mit den späteren Megastars Greta Gerwig und Lena Dunham zusammengearbeitet. Ich kann jedem nur empfehlen, mal auf seinem YT-Kanal vorbeizuschauen:
                                          http://www.youtube.com/user/KentuckerAudley/videos
                                          Großartiger Typ!

                                          • Peyton Reed gehört zu den am meisten verkannten Regisseuren überhaupt. "Ja-Sager", "Girls United" und "Trennung mit Hindernissen" sind allesamt Meisterwerke! Ich bin wieder an Bord.

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                                            • 5 .5

                                              Es ist eine kalte Welt, die Hoffman hier in seinem ersten und aus traurigen Gründen ja auch einzigen Film zeigt. So kalt, dass im Vergleich dazu jeder Haneke ein Feel-Good-Movie ist. Aber im Vergleich hierzu ist jeder Haneke auch ein überirdisches Meisterwerk. Denn der Film zeigt auch, wieso Hoffman in der Regel nur vor der Kamera unterwegs ist. Sein Protagonist Jack passt in diese kalte Welt nicht wirklich hinein. Nicht nur, weil er trotz all seiner cholerischen Anfälle eigentlich ein lieber Kerl ist. Er spielt auch nicht nach den Regel dieser Welt. Wenn er mit den Frauen, die er in seiner Limousine fährt, nicht aggressiv flirtet, wenn er sich nie getraut hat, schwimmen zu lernen, gibt es ihm fast was Subversives. Aber natürlich sehnt auch er sich nach Zweisamkeit. Davon sind zumindest seine besten Freunde Clyde und Luzy überzeugt, er selbst äußert sich selten wirklich konkret. Für ihn sind Clyde und Lucy das perfekte Paar (wie man sich irren kann...) und auch so etwas wie seine Ersatzeltern, denn wie viele Hoffman-Charaktere ist Jack eigentlich ein großes Kind, das nicht so wirklich in der Erwachsenenwelt zurecht kommt. Dann trifft er auf Connie und verliebt sich in sie. Das geht ganz ohne große Gesten und bei einem etwas weniger genialen Schauspieler als Hoffman hätte man das wahrscheinlich auch nicht mal mitbekommen. Held und Heldin lernen sich nach 5 Minuten kennen, verlieben sich nach 10 und trotzdem geht der Film noch weiter, denn es gibt da noch etwas, das Jack machen muss: Er will unbedingt für seine Connie kochen, weil sie ihm gesagt hat, das hätte noch niemand für sie getan. Das Problem ist: Er kanns nicht. Natürlich könnte man da sagen, er hätte sich das auch ein einfacher machen können, vielleicht hätte er sie mal fragen solle, ob zufällig auch noch nie jemand ne Pizza für sie bestellt hat, versuchen kann man es ja mal. Macht er aber nicht, er lässt sich lieber das Kochen beibringen. Unglücklicherweise von einem ehemaligen Liebhabers Lucys. Und schon geht es mit jenem perfekten Paar abwärts.
                                              Es ist schon ziemlich ernüchternd, parallel zum Erblühen der neuen Liebe zwischen Jack und Connie das langsame Sterben der zwischen Clyde und Lucy zu beobachten. Wenn am Ende Jack und Connie Arm in Arm am Horizont verschwinden und der einsame, verlassene Clyde ihnen nachblickt, dann ist klar: Alles beginnt jetzt von vorn, nur dass Jack und Clyde die Rollen getauscht haben. Jack und Connie werden jetzt eine Frau für Clyde suchen und ihn aufmuntern müssen. Die Welt ist immer noch kalt.
                                              Dem vorhergegangen ist die phänomenale Dinnerszene, die mich von vorne bis hinten gepackt hat. Hoffman, der auf dem Klo sein Spiegelbild ansingt und seine Freunde die vor der Tür stehen und singen, das ist so über die Maßen brilliant, dass es die ganze Szene aus dem Film herrausstechen lässt wie einen eigenen kleinen Kurzfilm. Und dann bricht Clyde unter dem Abscheu seiner Frau zusammen, seine ganze Existenz entpuppt sich als blasser Hohn. Das ist filmische Depression in geilster Reinform.
                                              Der Rest kann damit auf keinen Fall mithalten. Vieles wirkt irgendwie wie Füllmaterial, gerade die Montagesequenzen passen nicht rein. Hoffman spielt natürlich großartig, damit ist er jedoch alleine, denn er kann seinen Cast nicht wirklich gut inszenieren. Gerade der sonst so superlustige John Ortiz wirkkt die ganze Zeit als wäre er gerade erst aufgewacht. Es ist zwar gewollt, dass Hoffman und Amy Ryan (niemand kann so traurig gucken, wenn sie glücklich ist wie sie) hier kein Glamourpärchen sind und das finde ich auch gut, aber so wenig Chemie hätte dann wirklich nicht sein müssen. Die Sexszene der beiden wirkt in etwa so leidenschaftlich wie ein gepflegter Stuhlgang. ("Du kannst auch aufhören, wenn du willst").
                                              Trotzdem hätte ich gerne mehr Filme von Hoffman gesehen, denn in besagter Dinnerszene fesselt er mit Kammerspiel auf höchstem Niveau. Mit einem etwas spielfreudigerem Ensemble und einem weniger unschlüssiger Bildsprache, hätte aus "Jack in love" auch was richtig Großes werden können. Schade, aber kann mal passieren.

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                                              • 5

                                                GRAND BUDAPEST HOTEL ist wie eine große, wunderschöne Sahnetorte: sieht atemberaubend aus, schmeckt fantastisch, ist liebevoll und bis ins kleinste Detail perfekt zubereitet, schmilzt quasi auf der Zunge dahin und man leckt sich begierig die Finger nach jedem neuen Bissen. Aber nachher fühlt man sich irgendwie schlecht, übersättigt und es sitzt einem quer im Magen. Und man fragt sich, wieso man nicht irgendwas Gehaltvolleres, weniger Spektakuläres gegessen hat. Ein Schinkenbrot zum Beispiel...
                                                Das Grundproblem des Filmes ist natürlich: Es ist ein Film über ein Haus und das ist genauso spannend wie es klingt. Lasst euch von Anderson nichts erzählen, von wegen es ginge um die Leute, die dieses Haus bewohnt haben und die Geschichten, die sie erlebt haben. Es geht um das Haus. Ich will Filme sehen über Menschen (in nem Pixar-Film gehen auch sprechende Tiere, Autos oder Regenschirme klar) und mir nicht was über Baukunst erzählen lassen. (Ironischerweise kam vor dem Film noch der Trailer zu "Kathedralen der Kultur" :D). Die Figuren werden aber sträflich vernachlässigt: es werden keine Charaktere aufgebaut, keine Beziehungen erzählt, keine Geschichten gezeigt. Der Einzige, der eine eigene Persönlichkeit bekommt, ist der alte Zero und dessen Szenen mit dem dauerhaft nutzlosen Jude Law gehören auch zu den besten des Filmes. Passenderweise wird der alte Zero von Murray Abraham gespielt, dem einzigen Darsteller aus dem bombastischen Cast, der mich überzeugen konnte. Sonst gab sich nur ein Superstar nach dem anderen die Klinke in die Hand, winkte kurz ins Publikum und haute dann schon wieder ab. Bei so einem Massen-Overkill liegt es auf der Hand, dass niemand mehr ernsthaft die Möglichkeit hat, sich zu beweisen. Aber auch Ralph Fiennes, der jetzt ja wahrlich genug Zeit- und Redeanteil hatte, um sich zu profilieren, war mir viel zu gekünstelt. Außerdem denk ich mir bei ihm immer noch so: Gleich nimmt er sich ein Gewehr und schießt auf ein paar Juden. Es wirkte so, als hätte Wes Anderson zu viele Bayern-München-Spiele gesehen und sich gedacht: Ah ok, wenn die die Besten der Besten verpflichte, dann kann nix mehr schief gehen. Aber dann saß er da mit einer Ersatzbank voller Big Names und die Megastars treten einander auf die Füße, ohne dass einer mal zum Zug kommt.
                                                Schon die ersten Minuten versinnbildlichen, was mit diesem Film falsch läuft und zeigen schon den etwas vernagelten Ansatz. Dieses "Puppe in der Puppe in der Puppe in der Puppe"- Ansatz mag ja ganz nett und witzig sein, so richtig irgendwohin führt es aber nicht. Dem Film scheint es wohl zu reichen, süß und spaßig zu sein, da muss er nicht mehr nachfragen, wozu das alles. Und süß und spaßig ist er, das gestehe ich ihm ruhig zu. Nostalgie baut diese Erzählweise, die sich langsam durch das 20. Jahrhundert zurück buddelt, aber nicht auf. Immerhin verweigert sich Anderson dem typischen, gleichgeschalteten Look, den Filme, die in den 30ern spielen, irgendwie immer haben müssen: schattig, monochrom, edel. Nein, das ist natürlich ganz Andersons eigener, kunterbunter Look und auch sonst ganz sein Stil, den er hier vielleicht sogar noch radikaler durchzieht als sonst schon. Ich hab mich schon immer ein wenig schwer mit seine Art getan, aber eine gute Story hat das für mich immer noch gerettet. Das haut hier aber nicht hin. Denn die Story ist hier nur der Teller, auf dem Anderson seine makellose Sahnetorte präsentieren kann. Dafür, dass er eigentlich nichts zu erzählen hat, erzählt er das dann aber auch noch viel zu schnell: Nicht eine Sekunde verweilt er irgendwo, immer hastet er weiter und weiter, anstatt sich mal auf etwas einzulassen, reiht er Verfolgungsjagd an Verfolgungsjagd (die im Schnee war aber schon ziemlich cool) und inszeniert ganz nebenbei noch den wahrscheinlich langweiligsten Gefängnisausbruch seit langem, bei dem das Timing mal so gar nicht stimmt.
                                                Ausstattung, Kamera und Kostüm ist natürlich perfekt und für Liebhaber von visuellem Humor, ist das hier ein einziger großer Orgasmus. Auch, wer auf originelle Musik steht, kommt ziemlich sicher auf seine Kosten. Und es gab auch Momente, in denen ich wirklich berührt war: Die Szene mit Abraham und Law im Bad zum Beispiel war ganz groß und wenn der junge Zero durch den Kugelhagel rennt, um seine Liebste zu retten, war das zwar abgedroschen aber ganz groß. Ansonsten bleibt dem Film eben das, was es bei einem Anderson immer gibt: ästhetisches Stilempfinden und skurriler Humor (beides haut hier auch gut rein). Für mehr hat es leider dieses Mal nicht gereicht.
                                                Den Nächsten machste besser, Wes.
                                                Ich geh jetzt erstmal ein Schinkenbrot essen.

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                                                • 8

                                                  Was für ein abgefahren großartig, absoluter over-the-top frecher Comedy-Traum?! Ich hatte bestenfalls eine nette Komödie erwartet und wurde völlig geplättet. Das ist ein Höllenritt auf einem ungesattelten Bullen der Zerstörungswut. All das entsprang den Hirnwindungen der Appato-Crew, was mir aber erst klar wurde, als ich den Abspann sah. Von den Jungs kommen in der Regel entweder herausragende Meisterwerke oder rattenlangweilige Soße. Meistens letzteres. "Bad Neighbors" fällt aber ganz klar unter die Kategorie arschgeil. Wenn der derzeitige König der amerikanischen Komödie, Seth Rogen, mitspielt, hätte ich vielleicht damit rechnen können, mehr als nur Hier rein, Da raus zu bekommen, aber ich scheine den Typen immer noch zu unterschätzen. Dieser Film ist allerdings auch noch für seine Verhältnisse herausragend. Und als sein Antagonist glänzt ein Zac Efron, hinter dessen spärlich bekleideten, immer wie zum Sprung bereiten Körper schwach die Flamme eigener Unsicherheit flackert. Efron spielt sich hier übrigens in die A-Liga der Schauspieler ein, Rogen ist zwar noch ne Spur dominierender, aber niemand hätte wohl die vielen kleinen Sprünge zwischen der glatten Oberflächlichkeit und der nackten (im doppelten Wortsinn) Destruktivität des Charakters so spielerisch auf den Punkt gebracht wie der (oft sträflich unterschätzte, weil in der Regel nur in Grütze zu sehende) Efron. Unterstützt werden die beiden von gefühlt jedem (amerikanischen) Seriendarsteller der letzten Jahre (die meisten rennen nur einmal durchs Bild oder kotzen sich einmal aus): Franco aus "Scrubs", Kudrow aus "Friends", Johnson aus "New Girl", Roberts aus "Skins", Barinholtz aus "The Mindy Project", Mantzoukas aus "The League", Glover aus "Community". Das grenzt natürlich irgendwie schon an Verschwendung, macht aber immer wieder Spaß, auf ein bekanntest Gesicht zu treffen.
                                                  Die Story ist natürlich denkbar dünn und nur Vorlage für ein Fest der Destruktivität und feinster Anarchie. Dabei übertrifft der Film sich andauernd an Abgedrehtheit (Rogen wird 3mal von einem Airbag durch die Gegend geschleudert), Ekel (Rogen melkt (!) seine Frau), unangebrachtem Body Count (Barinholtz bricht sich als "Ablenkunsmanöver" selbst das Bein (und gewinnt so gleich seine bescheuerte Ex-Frau zurück, die von Chaos und Hau-Drauf-Action angetörnt zu werden scheint)) und kranken Partyspielen ("das Haus zukiffen").
                                                  Dabei wird die Fassade der Spießbürgerlichkeit schon nach wenigen Minuten für ein Fest der Zügellosigkeit geöffnet, wenn Rogen Efron schon zur Begrüßung sagt: "In dieser Nachbarschaft halten wir sehr viel von Gras." Auch wenn Rogen mit diesem Film ein bisschen sein Kifferimage abzulegen scheint und Efron seines beginnt. Zum Glück wird das Ganze am Ende nicht relativiert und auch an keinem Punkt durch Ironie gebrochen. Natürlich ist der Film witzig, aber ironisch ist er nur, wenn in den zahlreichen Parodien bekannter Persönlichkeiten. Das Chaos reiht sich also nicht in das System ein (wie in ängstlichen Filmen a la "Hangover" oder "Ted"), es haut dem System so derbe was auf die Fresse, dass es in seinen Schuh kotzen muss. Wenn die Protagonisten tagsüber ihren Alltag aufnehmen, dann geht es nur darum, am Abend wieder das innere Es rauszulassen. Am Ende werden die eintreffenden Polizisten mit Feuerwerkskörpern beschossen, nachdem sie sich darüber amüsiert haben, wie leicht man bekiffte Twens verarschen kann.
                                                  Chaos schlägt hier jedes System, so überschlagen sich die beiden Protagonisten in Plänen, einander auszuschalten und landen doch immer besoffen zu zweit auf dem Boden, meistens sich nackt einander klammernd. Und in dem Moment, in dem hinter Efrons Macho-Show das erste Mal ein Mensch hervorblickt und er von seinen Gefühlen übermannt zu werden droht, brüllt Rogen ohne näheren Grund laut: "ABRISSBIRNE!", was von allen unhinterfragt als Zeichen dafür genommen wird, das Haus, in dem sie wohnen, zu Kleinholz zu verarbeiten. So ist die finale Prügelei zwischen Rogen und Efron auch Anarchie in Reinform. Nicht nur, dass neben diversen Sportgegenständen und Türen auch zwei Gummidildos zum Einsatz kommen, die sich die beiden gegenseitig in den Mund zu stecken versuchen, oder das Ganze unter der wachen Aufsicht ihrer jeweiligen Frauen geschieht, 500 Meter entfernt von einem Polizisten, der sich gerade nett mit den brüllenden Studenten unterhält, sondern vor allem, da das für Efron scheinbar die nötige Aussprache ersetzt, auf die er wohl den ganzen Film gewartet hat. Als er erfolgreich verdroschen wurde, erkennt er mit einem Mal sein ganzes Leben in neuem Licht, hinterfragt seine (Pseudo-)Ziele, entschuldigt sich bei seinem besten Freund (dafür dass der mit Efrons Freundin geschlafen hat(???)) und übernimmt erstmalig Verantwortung. Wieso beschränken sich Pädagogen noch mal darauf zu reden?!
                                                  Man kann noch den genialen Parallelismus von Kindererziehung und exzessiven Partys, die auch in einem Maße gefeiert werden (schon wieder doppelter Wortsinn) wie in Actionfilmen die Actionszenen und in Horrorfilmen die Sterbeszenen, erwähnen, ein Tritt ins Gesicht für alle Erziehungsratgeber und verwöhnte Kinder. Rogen und Barinholtz ziehen auf der Arbeit einen durch, einer der Studenten steckt Kudrow als Dekanin, als er gerade einen Verweis kriegt, schnell mal eben, dass er heillos bekifft ist und nach jeder durchzechten Nacht geht es zurück ans Kinderbett, Arbeitsplatz, an die Uni, wo das einzige Thema nach wie vor ist, wie man seinen jeweiligen Nachbarn beim nächsten Besäufnis endlich zeigen kann, wo der Hammer hängt. Das Haus der Studentenverbindung wird nur wieder aufgebaut, um schnellstmöglichst wieder zerlegt zu werden, jegliche Pläne, dafür juristisch belangt zu werden, wird mit noch größerer Zerstörung beantwortet. Unsere Gesellschaft ist ohne den Exzess nicht mehr vorstellbar, die Party-Revolution ist endgültig Normalität geworden. Für Alltag ist kein Platz mehr. Kann ein Film eine schönere Botschaft haben? :)
                                                  Für Rogen und Byrne (spielt seine Frau und schlägt sich btw auch ganz gut) sind die Jungs von nebenan natürlich deren Vergangenheit, der sie hinterhertrauern und auf die sie so ein bisschen neidisch aber auch ein bisschen verschämt blicken. Und für Efron und Patton sind die Spießer von nebenan die Zukunft, vor der sie sich fürchten aber auf die sie sich auch ein klein wenig freuen. In jedem spießigen Dad steckte also mal ein verrückter Kiffer und vice versa. Das ist der dreisteste Mittelfinger in das Gesicht der betulichen Gesellschaft seit Anthony Burgess in "A Clockwork Orange" (dem Buch nicht dem, was Kubrick "Verfilmung" nennt), den Schläger Alex am Ende zu einem funktionierenden Teil der Gesellschaft werden lässt. Das mag man jetzt gut oder schlecht finden, aber es ist nun mal in der Regel so und die Formel "Für immer Punk" singt sich im Suff zwar sehr schön, aber die Wenigsten befolgen sie wirklich. Wahrscheinlich zu ihrem Glück.

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                                                    "Szenen einer Ehe" ist wahrscheinlich der unangenehmste, fordernste, langweiligste, anstrengenste, nervenaufreibenste Film, den ich in letzter Zeit gesehen habe. Oder um es anders auszudrücken: Extrem geiles Kino!
                                                    Vielleicht hätte ich ihn nicht müde und schwer verkatert gucken sollen, denn eigentlich braucht er die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers. Aber trotz ungünstiger Ausgangslage hat sich der Film einen Weg zu meiner vollen Aufmerksamkeit gebahnt. Schon der Einstieg ist grandios, die Interviewszene deckt gleich schon schonungslos subtil die Abgründe in der Beziehung auf, noch verdeckt unter kleinen Scherzen und gemeinsamen Erinnerungen, aber das ganze Unheil ist schon spürbar da. Die zweite Szene setzt darauf noch einen drauf, wenn die beiden Eheleute ein befreundetes Paar zu Besuch hat, zwischen denen mit steigendem Alkoholkonsum der pure Hass aufbricht. Wie rasant schnell innerhalb einer Beziehung die Emotionen von Geborgenheit hin zu Abneigung springen können, das hat wohl niemand so auf den Punkt gebracht wie Bergman hier. Als das andere Paar die Wohnung verlassen hat, räumen sie noch die Überreste der Katastrophe auf und freuen sich, dass es ihnen nicht so geht. Aber auch das ist natürlich nur eine Frage der Zeit.
                                                    Der Film rettet seine Intensität nicht über die gesamte Laufstrecke, auch wenn sie immer mal wieder aufbricht und einen dann auch minutenlang umklammert, ehe er wieder etwas auf der Stelle tritt. Da gibt es noch ganz große Zusammenbrüche, Eifersüchteleien, Grausamkeiten, die sie einander an den Kopf werfen, ehe sie sich dann -parallel zur Scheidung- wieder ineinander zu verlieben scheinen.
                                                    Wie den beiden, die nicht mit einander und nicht ohne einander konnten, die sich immer da am nächsten waren, wenn sie sich gerade am ärgsten voneinander abgestoßen fühlten, ging es auch mir mit dem Film. Ich wollte ihn nicht wirklich zu Ende sehen, aber ich musste, ohne erklären zu können, warum. Es war nicht allein die handwerkliche Grandiosität oder die begandeten Schauspieler, es war auch nicht nur die Geschichte oder die Figuren (beides kennt man schon aus vielen anderen Filmen), es war etwas Anderes, Tieferes.
                                                    Und wie die beiden Helden hier am Ende bei Partnern landen, die irgendwie besser zu ihnen passen, mit denen alles unkomplizierter läuft, die aber nicht den jeweils Anderen ersetzen können, wäre ich, hätte ich abgeschaltet, auch nur bei irgendeinem Film gelandet, der leichter zugänglich und irgendwie schöner anzusehen wäre, der diesem hier aber nicht im Traum das Wasser hätte reichen können.

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