Gabster - Kommentare

Alle Kommentare von Gabster

  • 7

    Ich dachte zuerst, ich würde den Film nicht mögen, weil er mir kälter und fremder war als andere Allen-Filme, weil er eher nachdenklich um sich selbst kreiste als auf irgendetwas zuzusteuern und seine Figuren eher als Mittel denn als Zweck sah. Dann aber fand ich ihn großartig, weil er mir kälter und fremder war als andere Allen-Filme, weil er eher nachdenklich um sich selbst kreiste als auf irgendetwas zuzusteuern und seine Figuren eher als Mittel denn als Zweck sah. Woody seziert die Post-Lehman Gesellschaft und, was er da entdeckt, das gefällt ihm ganz und gar nicht. Das habt ihr jetzt davon, ihr Finanzriesen. Ich habt den größten amerikanischen Filmemacher unserer Zeit verärgert. Möchte nicht in euer Haut stecken, ihr Maden.
    BLUE JASMINE ist sogar für Allen-Verhältnisse düster. Das ist aber nicht herzergreifend nihilistisch wie das (übrigens absolut großartige) Ende von PURPLE ROSE OF CAIRO es war und auch nicht grotesk nihilistisch wie das (übrigens absolut großartige) Ende von GELIEBTE APHRODITE sondern einfach nur nihilistisch. Nihilistisch und kalt. Wir treffen unsere Protagonistin Jasmine, da ist sie ganz am Boden. So tief gesunken, dass es tiefer nicht mehr geht. Und dann fällt sie doch noch immer weiter. Parallel dazu wird dem Zuschauer in Rückblenden vorgehalten, wie gut sie es einmal hatte. Damals bevor sie (halb selbstverschuldet) ins Unglück stürzte.
    Es ist fast so, als würde der Woodster auf seine alten Tage doch noch ein, zwei Experimente wagen, sich dann aber auch immer schleunigst zurück zu seinem Altbewährten flüchten. Sorry Woody, du weißt, ich liebe dich, mehr sogar noch als Pedro und fast so sehr wie Fatih, aber du bist auch nur ein Mensch. (Ich fasse nicht, dass ich das sage...)
    Ich schmolz natürlich schon beim Vorspann dahin, der altbekannte, immer wieder schön und heimische Vorspann mit der weißen Schrift auf schwarzem Grund, unterlegt von alter Jazzmusik. Und ich habe meinen Woodster auch immer wieder in Charakteren, Dialogen, Einstellungen wiedererkannt. Und dann hat er mich auch immer wieder überrascht. Positiv und negativ.
    Klar, mit dem Aufzeigen der verschiedenen Klassen und den Auswirkungen der Finanzkrise erzählt er nicht unbedingt etwas radikal Neues, aber im Kino gingen diese Aspekte der letzten Jahre doch grauenhaft unter. Und wenn Orgy (schreibt man den Typen so?) auf der Straße Jasmine anfährt, manche Leuten können diese Geschehnisse halt nicht einfach so vergessen, dann ist das genau das, was sich Filme wie UP IN THE AIR nicht getraut haben zu zeigen: Gescheiterte Existenzen, deren einzige Chance durch korrupte Machenschaften der Wallstreet zerstört worden sind. Dass ein fast Achtzigjähriger Regisseur daher kommen muss, damit sich einer traut, dahin zu blicken, ist schon sehr bezeichnend, aber dass dieser Regisseur Woody Allen ist, ist kaum überraschend.
    Auch hier fängt er seinen Zynismus ein bisschen mit Humor auf. Der ist aber meistens ebenfalls sehr kalt und menschenfremd und nur an einigen Stellen mit soviel Herz für verschrobene Charaktere, wie wir es an Woody kennen (und hoffentlich lieben):
    "Ich kriege manchmal keine Luft mehr. Und wenn es dann wieder geht, kriege ich Panik und das macht alles nur noch schlimmer." Köstlich!
    Während Allens Charaktere noch nie sonderlich sympatisch aber immer sehr verständlich waren, sehr menschlich und bei aller Unsympatie liebenswert (Hannah!!!!!!! Isaac!!!!!!!) ist Jasmine eigentlich nur unsympatisch. Und Cate Blanchett schwelgt auch geradezu in ihren abstoßenden Charaktereigenschaften. Ich hätte nie gedacht, dass Sally Hawkins mal in einem Film nicht das nervigste Element sein wird. In diesem Fall meine ich das positiv, denn nur wenn wir Jasmine hassen, gewinnt der Film, der ihren Fall genüsslich ausschlachtet ohne sich daran aufzugeilen, seine Komplexität. Alec Baldwin ist charismatisch wie immer und es fällt mir nicht schwer zu glauben, dass alle Welt auf ihn hereinfallen kann. Dass Woody uns am Ende mit den Männern, die die beiden Schwestern lieben, sagt, dass der proletarische Trottel mit Aggressionsproblemen immer noch besser ist als der charmante Gentleman aus der Finanzbranche find ich sehr geil und hat mich ziemlich gefreut. Generell mochte ich diesen Chilli, egal wie dumm er war. Die Szene, in der er Ginger im Supermarkt aufgesucht hat, war die einzige Stelle des Filmes, an der ich Empathie für einen Charakter empfunden habe.
    Wie zu erwarten war, endet der Film an der hoffnungslosesten und unangenehmsten Stelle, die ich mir nur vorstellen kann. Ganz nach Dürrenmatt nimmt alles seine schlimmstmögliche Wendung und ich finds geil, geil, geil. Die beiden älteren Damen, die im Kino neben mir saßen, waren leider nicht in der Lage, das zu verstehen und schimpften über das Ende, dass sie betrogen habe. Da hab ich schon ein bisschen erfreut in mich hineingegrinst: Woodster, du schaffst es noch immer. Und deswegen gehörst du auch nach wie vor zu den Größten. <3

    9
    • Gänsehaut? Check.
      Atemnot? Check.
      Vorfreude? Check.
      Kanns morgen losgehen? Ach, verdammt dauert noch ewig!
      "Will you follow me a last time?" Aber so was von, Bro.

      1
      • 6 .5

        Ich habe mich tatsächlich daran gemacht, die Dose der Pandora, namentlich die Hülle der DVD des Evil Dead-Remakes zu öffnen, um zu gucken ob man mir diesen feuchten cineastischen Traum tatsächlich zerstören kann. Erste Feststellung: Man kann nicht. Zweite Feststellung: Es kam tatsächlich das Schlimmste aus erwähntem Gefäß, was Pandora zu bieten hat: Hoffnung. Hoffnung darauf, dass das geplante Spin-off/Remake/Spinmake/Make-off wie auch immer (wird ja n Franchise so weit ich gehört habe) tatsächlich was taugen kann. Bitte enttäuscht mich bei den nächsten Filmen nicht, ihr Lieben, sonst lad ich euch mal auf nen groovigen Trip in eine einsame Waldhütte ein.
        Im ersten Drittel wurde ich noch mit jeder Szene skeptischer. Der Prolog war schon seelenlos genug und erinnerte eher an Linda Blairs brave kleine Schwester als an Good old Ash und als die Protagonisten dann auch noch mit einer Helikopterfahrt eingeführt wurden, wollte ich mir am liebsten selbst die Augen ausstechen. Wo Raimi einfach ne Kamera unter das Lenkrad geklemmt hat, muss Alvarez gleich halb Nordamerika zeigen. Warum? Keine Ahnung.
        Der neue Ansatz, dass die Kids nicht für eine entspannte Vögelei sondern zum Drogenentzug in die Waldhütte ziehen, ist dann weniger interessant als von den Machern vielleicht erhofft. Die Frage, wieso die Leute in Horrorfilmen sich in die Fänge des Bösen begeben, ist in etwa so wichtig, wie die Frage, wieso die Tiere in Animationsfilmen plötzlich reden. Interessiert keine Sau, findet euch damit ab. Dass man dieses "Sie spinnt doch nur rum" jetzt auch noch irgendwie empirisch erden kann, erspart den Machern vielleicht den Vorwurf eines Logikloches, nützt dem Film aber nix.
        Und auch wenn Alvarez mit dem knarrenden Schild (und einigen noch folgenden 1zu1-Einstellungen) zeigen wollte, dass er das Original gesehen hat und die Waldwege ähnlich schön dampfen wie in der ursprünglichen Version, er kann den Zauber nicht einfangen. Ohne Over-Acting, ohne Shaky-Cam, ohne... Bruce Campbell ist es irgendwie nicht dasselbe. Da hilft es auch nur wenig, dass er die geniale Baum-Sexszene kopiert, wenn sie bei ihm um einiges prüder und verklemmter, weniger lustvoll exaltiert herüber kommt. Alles sehr, sehr schade.
        Aber all das ändert nichts daran, dass EVIL DEAD einfach ein verdammt großer Film ist! Ich muss dazu sagen, es fällt mir schwer, auf irgendetwas sauer zu sein, in dem Jane Levy vorkommt. Die vielleicht vielversprechenste Nachwuchsschauspielerin derzeit macht ihren Job als Junkie-Braut auch hier sehr, sehr gut. Natürlich fehlt ihr wie dem ganzen Film die Lässigkeit, aber als deepere und (ich sags einfach mal) langweiligere Kopie taugt sie noch immer. Versteht mich nicht falsch, Humor gibt es nach wie vor, er ist nur nicht mehr so... naja, so groovy halt. Wenn Elizabeth Blackmore ihren Freunden ihren abgeschnitten Armstumpf unter die Nase hält und dabei fröhlich flötet: Ich fühl mich gleich schon viel besser!, dann find ich das sehr lustig, aber längst nicht so lustig, wie wenn Bruce Campbell mit Hemingways "A Farewell to Arms" auf seine ihn verfolgende Hand einkloppt.
        Allerdings ist eine Sache ganz klar: Fede Alvarez versteht es verdammt gut, rasanten und nervenaufreibenden Horror zu inszenieren. Lieber Fede, gerne sauviel mehr von dir, aber das nächste Mal arbeitest du dich dann vielleicht nicht am Großmeister des spaßigen Horrorkinos ab, okay? Alvarez hat nicht nur eine glorreiche Fantasie, wie man sich selbst oder einem nahestehende Personen am effektreichsten verstümmelt, er inszeniert auch so schnell, kalt und rücksichtslos wie ich es außerhalb von Frankreich derzeit eigentlich nur von Rob Zombie kenne. Klar, wirken seine Personen dann ein bisschen wie Schlachtvieh, aber es gibt wirklich großartig beklemmende Szenen (Badezimmer! Was ging in dem Badezimmer alles ab?!?!?!). Und wie abgefahren war der Blutregen am Ende?!
        EVIL DEAD brauchte ein bisschen, bis ich warm wurde mit ihm, aber dann ging es los wie Schmidts Katze. Action, Thrill und Ekel sind high class, aber und das ist ein ziemliches Manko auch ziemlich gemainstreamt. Von Underground, vom Subversivem oder dem Herzblut handgemachter Effekte fehlt jede Spur. Das fände ich bei jedem anderen Film schon schade, bei einem Evil Dead-Film ganz besonders. Naja, you can't always get what you want. Trotzdem ein sehr sehr guter Film. Würde nicht "Evil Dead" auf dem Cover stehen, würde ich wahrscheinlich über 7,5 Punkte nachdenken und am Ende 7 setzen. Es steht "Evil Dead" auf dem Cover, also gebe ich -hin und her gerissen zwischen Wut und Begeisterung- 6,5.

        8
        • 6

          Es ist der Ton, der uns bei Filmen so oft zusammenzucken, gruseln oder schaudern lässt. Die Bilder nehmen wir viel zu bewusst war, als dass sie ähnlich stark wirken könnten, denn die Bedrohung, die wir erklären können ist meistens nicht so bedrohlich wie die, bei der wir das nicht können. Die Geigen in PSYCHO, das Knarren der Kettensäge im TEXAS CHAINSAW MASSACRE, das schneidende Geräusch des Messers in SCREAM, das ist das, was wirklich wirkt und so brauchen wir in diesen Szenen auch gar kein Blut zu sehen, um es uns vorzustellen.
          In BERBERIAN SOUND STUDIO bekommt die Tonspur ihre wohlverdiente Würdigung. Und wer bisher dachte, ein Einkaufskorb voller Gemüse könnte nicht gruselig sein, der wird hier eines Besseren belehrt. Hier werden Melonen auf den Boden gepfeffert, um zersplitternde Schädel zu imitieren und Salat wird geschnitten anstelle von menschlichem Fleisch. Wer an dem Tag noch Kochen will, sollte BERBERIAN SOUND STUDIO vielleicht danach sehen, sonst könnten einfache Handgriffe allein ihres Tones wegen schnell den Appetit verderben. Wenn es nicht anders geht, wird aber hier aber auch mal eine Synchronisatorin mit unangenehmen Geräuschen gepeinigt, damit ihr Angstschrei realistischer wird, so ganz allein mit Großmuttis Wocheneinkauf geht die Sache dann also doch nicht vonstatten.
          Ich hatte vorher gedacht, dies sei ein Horrorfilm und war ein bisschen verblüfft, stattdessen (im ersten Drittel zumindest) eine sehr britische Komödie vorgesetzt zu bekommen. Wenn dem unbeholfenen Tontechniker, dem von dem düsteren Film auch gerne mal übel wird, von der Melone, die eben noch für einen grausigen Toneffekt verwendet wurde, ein Stückchen angeboten wird oder der selbstverliebte Regisseur sich an der vermeintlichen Deepness seiner Folterszenen aufgeilt, ist das schon ziemlich witzig.
          Giallo-Fans dürfte das Herz aufgehen, wenn in versifften Studios mit kuriosen Mitteln an einem Trashfilm gebastelt wird, ihnen dann aber auch gleichzeitig einen herben schlag verpassen, dass der durchgeknallte Regisseur in seinem Film keine blutige Unterhaltung sondern Sozialkritik sieht und unser geschätztes Entertainment nur das Produkt gescheiterter Vorsätze sein soll. Verehrung und Verachtung gegenüber den Giallos liegen in diesem Film nahe beieinander, was mir ein bisschen zu Schlucken gab...
          Nach dem recht vergnüglichen Anfang, der irgendwo zwischen Metahumor, britischem Understatement und Culture-Clash zwischen dem engländischen Muttersöhnchen mit Vorliebe für Tierdokus und den exaltierten Südländern und ihrem Gore liegt, fällt der Film bald ein bisschen ab. Gerade im Mittelteil hält er sich wohl ein bisschen für ein Mockumentary-Making-of und verliert sich in Abläufen an einem Filmset und an filmtheoretischen Diskussionen. Irgendjemand sollte Peter Strickland mal sagen, dass er diese Themen besser im Q&A NACH dem Film besprechen kann als währenddessen. Dabei feiert er natürlich die Arbeiter an einem Filmset wie mittelschwer Heilige (passend zum katholischen Italien liegen Heiligtum und Hurerei hier auch oft nebeneinander, was die Stilisierung aber nur noch verstärkt). Ein bisschen weniger Selbstbewichse und mehr Handlung wären da gar nicht mal schlecht gewesen. Damit kommt er dann im dritten Teil um die Ecke und will dann noch ein bisschen Mystery sein. Das ist nett, das funktioniert aber das fügt sich nicht so recht in den Rest des Filmes. Wenn die schrulligen Briefe der Helikoptermutter plötzlich bedrohliches Potenzial ausstrahlen und die liebenswert unliebsamen Italiener immer undurchsichtiger werden, ist das ein guter Clou aber nicht hundertprozentig stimmig. Zum Glück widersteht er der Versuchung am Ende mit einem Mindfuck um die Ecke zu kommen, was ich hier und da ein bisschen befürchtet hatte.

          9
          • 5 .5

            Je länger ich über den Film nachdenke, desto besser finde ich ihn und das ist auf jeden Fall schon mal eines der größten Komplimente, die man einem Film machen kann. Ich geb trotzdem erst mal nur 5,5 Punkte, weil mich doch zu vieles gestört hat und er, auch wenn er ein Meisterwerk hier und da andeutet, keines geworden ist.
            Das also hat meine Mutter immer gemeint, als sie mir früher immer gesagt hat, ich soll nicht zu Fremden ins Auto steigen, egal wie schöne Brüste sie haben.
            Eine hübsche junge Frau fährt durch eine schottische Stadt, spricht Männer an, führt sie in einen dunklen, leicht überfluteten Raum und lässt am Ende nur deren Haut zurück. Auch wenn das vielleicht so klingen mag, ist der Film weder eine feministische Gewaltfantasie noch ein etwas extrem geratener SM-Porno. Es ist eher ein kammerspielartiger Horrorilm, der sich zu oft in schönen Bildern und Style over Substance gefällt, anstatt wirklich etwas zu erzählen. Sirenenfiguren kennen wir seit der Antike zur Genüge und es wäre schon ganz nett, wenn ein Regisseur, der diese ollen Kamellen noch mal auftaut, dem auch etwas hinzufügen könnte. Es ist einer dieser Filme, bei denen man locker mal für ne Zigarette (-npackung) rausgehen kann und nichts Nennenswertes verpasst, außer dass unsere Protagonistin noch ein paar Männlein mehr um den Finger gewickelt hat. Was man auf jeden Fall verpassen würde, ist ein unglaublich stimmungsvoller Soundtrack und Scarlett Johansson in der Rolle ihres Lebens. So intensiv hab ich sie noch nicht gesehen. Wenn sie kokett mit den Männern flirtet, wenn sie sich mit einer Mischung aus Berechnung und Neugier versucht, möglichst menschlich zu geben, dann steckt da ganz ganz große Schauspielkunst dahinter. Leider wird sie von nichts wirklich gefordert, weder ein komplexes Drehbuch noch nennenswerte Gegenparts machen irgendwas her und so gerät "Under the Skin" auch oft zu einer One-Woman-Show, in der Scarlett mal zeigen will, was sie kann, dann feiern sie alle und gut ist gewesen.
            Manche Bilder der nächtlichen Autofahrten oder der ewig düsteren, fremdartigen Stimmung sind mir fest im Gedächtnis geblieben aber all das hätte es in nem guten 20minüter auch getan. Ich muss nicht siebenmal sehen, wie Johansson einen Mann von der Straße aufliest und sich im banalen Small Talk mit ihm ergötzt. Irgendwann kenn ich ihre Masche und während Profis der Aufreiß-Unterhaltung wie Barney Stinson noch ganze Bücher mit ihren Jagden füllen, verlässt sich Johansson hier ganz auf das immergleiche: "Soll ich dich n Stück mitnehmen?"
            Das Ende reißt den Film dramaturgisch und spannungstechnisch noch mal gut in die Höhe, auch wenn ich fand, dass er hier einer männlichen Rachefantasie gefährlich nahe kommt. Am Ende wird jedem Chauvinisten warm ums Herz werden, wenn der böse Frauenkörper, der ihre Reize GEGEN Männer einsetzt, endlich seine drakonische Strafe erhellt und die patriachalische Welt wieder in Ordnung kommt. Alle nicht ganz so reaktionär eingestellten Zuschauer könnten den Film mit einem kleinen Klos im Hals beenden, in dem Wissen einen beachtlichen, streitbaren, aber alles andere als außergewöhnlichen Film gesehen zu haben.
            Jeder, der die Möglichkeit bekommt, diesen Film zu sehen, sollte diese Gelegenheit sicher nutzen. Er ist gut gefilmt, hat große Augenblicke und bietet Diskussionspotenzial. Allen, denen das nicht vergönnt ist und die sich in diversen Foren über die schreiende Ungerechtigkeit aufregen, dass dieser Film in Deutschland nicht im Kino zu sehen sein wird, sei gesagt: Macht euch nichts draus, er ist den Aufstand nicht wert.

            6
            • Taugt durch die Bank! Ferrara, Green, Anderson, Oppenheimer, Inarritu, Bogdanovich, von Trier, Cholodenko, Dante, Seidl, Dupieux, Hong werden alle den Laden schon für sich rocken. Aber sie alle müssen sich verneigen vor dem König, Mr. Fatih Akin!

              1
              • Fatih, Du Größter aller Größten, Du ewiger Lieblingsfilmemacher! Das wird so perfekt, yo!

                3
                • 3

                  Eine Gruppe junger Menschen fährt aus irgendeinem fadenscheinigen Grund in einen Wald und wird dort von einer Horde gewalttätiger Freaks einer nach dem anderen dahingemeuchelt. Klingt nach dem idealen Gabster-Film? Könnte man meine, aber: Leider nein, leider gar nicht.
                  Woran scheiterte dieser Film bei mir? Hm, eigentlich einmal quer durch die Bank. Da sind zum einen die grundunsympatischen Figuren. Es ist ja nun wahrlich nicht so, als seien die Protagonisten in Slasherfilmen klassischerweise nette Leute, mit denen man gerne mal ein bluttriefendes Wochenende eingepfercht in einer Waldhütte verbringen würde. Aber ein bisschen Identifikationspotenzial und eine gewisse Gruppendynamik sollte so eine Konstellation schon haben. Hier werden aus einem Pool von genervten und nervigen, gelangweilten und langweiligen Charakteren je zwei Personen mit maximal entgegengesetzter Persönlichkeit herausgefischt, die dann als Duo durch den Wald streifen und dabei Dialoge von sich geben, die sich anhören, als hätte man für jede Szene die Dialoge der vorhergegangenen noch mal recyclet und vielleicht höchstens den Panikgrad der Akteure erhöht. Es gibt tatsächlich keinen Charakter, der mich gereizt hat oder den ich mochte und das Final Pair war wohl auch einfach deshalb das Final Pair, weil deren Darsteller die größte Gage bekommen haben und nicht, weil sie dafür irgendwie geeignet wären.
                  Die Konstellation, dass hier eine Reality-Show gedreht wird, hätte wunderbares Potenzial gehabt, die Rolle von Medien zu hinterfragen und Kritik sowohl am Fernsehen als auch am Horrorkino zu geben. Genutzt wurde das aber einfach nur dafür, ständig verwackelte Dokumentaraufnahmen zu zeigen.
                  Wer dann im letzten Drittel noch wach ist, bekommt vielleicht sogar noch ein wenig Intensität mit, aber ob die Alte da jetzt aus der blöden Falle raus kommt oder nicht, interessiert mich dann etwa so sehr wie die Darstellung des "Alltags" der Kannibalen-Freaks. Da gäbe es andere Fragen, die mich viel brennender interessiert hätten, zum Beispiel:
                  Wo kriegt man so schlechte Schauspieler her?
                  Wie waren die Einschaltquoten für die im Film gedrehte Reality-Show?
                  Was für Beruhigungsmittel hat der Kameramann dieser Show eingeworfen, dass er die nervigen Teilnehmer nicht einen nach dem anderen mit seiner Kamera erschlagen hat?
                  (Letzteres wäre übrigens ein Film, den ich mir ansehen würde).

                  4
                  • 0

                    Den Film hier wollte ich eigentlich gar nicht bewerten sondern einfach nicht mehr an ihn denken und ihn so schnellstmöglich wieder vergessen. Hat leider nicht geklappt, dieser peinliche "Humor" hat sich in meinem Gedächtnis festgefressen. Daher hier jetzt der Vollständigkeit halber die Bewertung.

                    3
                    • 7

                      Lasst euch von dem dümmlichen Titel und dem Pasta, Palmen und Party Flair nicht täuschen. MÄNNER AL DENTE kommt zwar daher wie eine luftige Sommerkomödie, die man gut mal im Flieger in den Urlaub weggucken kann, entpuppt sich dann aber doch als shakespearehaftes Drama, das gerade im Mittelteil dem Zuschauer auf die Stimmung drücken könnte. Wert ist es das aber mal. Es gibt zähe Stellen, es gibt alberne Stellen aber das alles verzeiht man dem Film bei all dem Charme gerne.
                      Zunächst passiert erst mal nicht wirklich viel, wie gesagt, es hat lange den Anschein eines belanglosen Filmchens. Die Familie, um die es gehen soll wird einer nach dem anderen vorgestellt mit all seinen Schrullen und die gibt es zuhauf. Die Familie lebt im erzkatholischen Italien, wo sich den ganzen lieben langen Tag die alten Frauen über Gott und die Welt das Maul zerreißen. Dabei lässt sich einem Mann nichts Schlimmeres nachreden als dass er schwul sei und einer Frau nichts Schlimmeres als dass sie eine Schlampe sei. Den beiden Hauptfiguren, zwei Brüder und Söhne eines angesehenen aber sackbigotten Geschäftsmannes passiert genau das. Tommaso erzählt seinem Bruder Antonio, dass er beim Abendessen der gesamten Familie seine Homosexualität und (kommt für den Vater aufs selbe raus) schriftstellerischen Ambitionen beichten will. Antonio kriegt daraufhin Panik, weil schwul isser selber und irgendeiner der Söhne muss ja auch noch bei Daddy auf strenge Hete machen, damit der einen Erben hat und also kommt er seinem Bruder blitzschnell zuvor. Die Coming Out-Szene ist der Startschuss für die dramatische Entwicklung und wird auch bis aufs Letzte ausgeschlachtet. Menschen mit Gleichgewichtsstörungen sei der Film nicht empfohlen, denn gerade in der Szene dreht und kreiselt die Kamera hin und her wie verrückt.
                      Die Eltern informieren sich dann fleißig, inwiefern Homosexualität heilbar ist und obwohl das wohl das Lächerlichste ist, was man in so einer Situation machen kann, lässt der Film das nie satirisch wirken. Auch wenn man schon mit gigantischen Scheuklappen gesegnet sein muss, um im Jahr 2010 noch solche Ansichten haben, lässt der Film ihnen das als etwas realitätsnahes durchgehen.
                      Spaßig wirds erst dann wieder, wenn Tommasos Studienfreunde (allesamt Klischeeschwuchteln vor dem Herrn) das spießige Herrenhaus besuchen und krampfhaft versuchen, ihre queere Seite zu verstecken. Wenn sie dann also enthusiastisch ein Kleid bestaunen und prompt dem richtigen Designer zuschreiben können, müssen sie schnell ein machomäßiges "Hat mir meine Freundin erzählt" hinterherschicken.
                      Nebenbei schickt uns der Film auch noch einen Subplot mit auf den Weg, ebenfalls eine unmögliche Liebesgeschichte, die ein paar Jahrzehnte früher spielt und in der Schlussszene wie selbstverständlich in die Bilder der anderen Zeitebene integriert wird. Eine dumme Gesellschaft, die taub gegenüber den Bedürfnissen ihrer Menschen ist, wird es wohl immer geben. Ist eigentlich eine ziemlich pessimistische Botschaft, aber das stört den Film nicht weiter. Erzählt wird da die Geschichte der Oma der beiden Jungs, Oma ist wie die beiden sehr modern eingestellt, hat aber aus unerfindlichen Gründen nur reaktionäre Schweine großgezogen. Sie versteht die beiden, weil sie Ähnliches erlebt hat und auch sie will aus dieser Familie ausbrechen. Da ihr aber kein Schriftstellerleben in Rom mehr offen steht, wählt sie einen anderen Weg... Und wenn sie sich dann dieabeteskrank, wie sie ist, schließlich mit kleinen Törtchen selbst zu Tode futtert, ist das hoch emotional (es wäre allerdings auch emotional gewesen, wenn der Geiger auf der Tonspur keinen epileptischen Anfall bekommen hätte) und bildet auch die Spur Kapitalismuskritik, die der Film bei allem Feiern der Andersartigkeit ansonsten schuldig geblieben ist. In der Schlussszene wird der Film dann noch arg poetisch, packt locker mehrere Jahrzehnte in eine Einstellung und lässt die ausgebliebene Versöhnungsszene einfach zu einem kleinen Tänzchen werden, in der plötzlich alle (Beerdigung hin oder her) sich wieder glücklich in den Armen liegen. Klar ist das pathetisch, klar ist das naiv. Klar ist aber auch: Ich fands geil!

                      6
                      • 1

                        Wo der erste Teil dankenswerterweise noch einfach nur dämlich ist, ist der zweite eine einzige Ansammlung gezielter Schläge in die Weichteile jeglichen menschlichen Hirns. Gibt trotzdem kein Hassfilm von mir, weil: Erstens bin ich n netter Typ und zweitens gibt es tatsächlich eine Funktion, die ich diesem Film zusprechen würde: Man zeigt ihn vor angehenden Filmstudenten als "How not to do it".

                        5
                        • 4 .5

                          Schrammt die ganze Zeit haarscharf daran vorbei, in mir den Hulk zu wecken und dosiert die lächerliche 08/15-Message so, dass es tatsächlich nur dämlich und nichts Schlimmeres ist. Dafür zieh ich vor den Machern schon mal meinen Hut, denn mit einer so hanebüchenen Story, so austauschbaren Charakteren/Schauspielern und so langweiliger Inszenierung nicht zu dem ärgerlichsten Film des Jahrzehntes zu werden, ist eine Leistung. Angenehmerweise kann man diesen Film tatsächlich leicht wieder vergessen. Danke dafür!

                          9
                          • 7

                            Gals Leben könnte so sein. Der massige Ex-Knacki sonnt sich am Pool in der Südsee, liegt in seinem Liegestuhl, einen Cocktail in der Hand und bewegt sich eigentlich nur wenn er sich mal nach seiner hübschen Ehefrau umsehen muss, den Poolboy anschreien will, oder gerade mal wieder ein riesiger Felsbrocken Zentimeter an seinem Kopf vorbeisaust. Wenn da nicht seiner alter Boss Logan wäre, der auf einmal wieder vor der Tür steht und ihn zu einem letzten Coup überreden will. Kennt ihr schon aus zigtausend anderen Filmen? Nein, tut ihr nicht!
                            Logan ist kein üblicher Gangsterboss, er ist ein bisschen unberechenbarer, ein bisschen gewaltbereiter und ein bisschen undurchschaubarer als gewohnt. Und SEXY BEAST ist auch kein üblicher Gangsterfilm. Es erinnert hier und da ziemlich an Guy Ritchie, aber einen Guy Ritchie, der sich selber noch eine Spur ernster nimmt. Aber auch eine Spur zu geil findet, vor allem im Mittelteil feiert sich der Film sehr für seine Coolness und seine Hyperstilisierung, ehe er locker auf einer gut durchdachten Story abfedert. Ganz einfach wird aus dem saucoolen Gangsterfilm mit all den Gebahren, den Drohungen, den heimlichen Verschwörungen ein Drama um eine zerbrochene Clique, obsessive Liebe und verlorener Freundschaft. Wie das alles passiert, das lasst ihr euch besser von Regisseur Glazer selber erzählen, der kann das besser.
                            Der Soundtrack ist dann auch noch rattenscharf, genauso wie die Besetzung, bei denen sich vor allem Winstone und Kingsley gegenseitig zu Höchstleistungen anstacheln. Der deutsche Verleiher hat zwar wieder kräftig daran mitgearbeitet, dass der Film nicht ernst genommen werden wird, indem sie ihm einen affigen deutschen Titel gaben aber na gut, damit könnt ihr diesem coolen Streifen hier eh nichts anhaben. Ätsch!

                            8
                            • http://www.youtube.com/watch?v=sYlZP7fk97Q

                              Ich musste unwillkürlich an Fassbinder denken! Das wird ein Wahnsinnsfilm!

                              1
                              • Ohne den Film gesehen zu haben, muss ich sagen, dass ich diese Verharmlosung ziemlich abstoßend finde. Poesie ist schön und gut aber wenn es um einen Weltkrieg geht, ist Reflektionsgabe en masse gefragt.

                                3
                                • Keine Wahl ist mir dieser Abstimmung so leicht gefallen wie die hier: Woody Allen hat schon unzählige Schauspieler und Kameramänner zu den größten Leistungen ihrer Karriere gebracht. Außerdem stimmt bei ihm durch seine kultige Art die Sympathie bei den Fans. Wenn es einen Mann gibt, der ein All Star Team führen kann, dann er.

                                  • Verdient hätte es die Gute! So wie die ganze Serie. Aber das wird schon. ;)

                                    1
                                    • Da hat wohl einer zu viele Malick-Filme gesehen... Bleib mal besser bei der Musik, Boss.

                                      • 5 .5

                                        Ich werde mit Episodenfilmen nicht so wirklich warm. Ensemblefilme gehen gut, aber wenn der Film dauernd zwischen den Handlungen hin und her springt, kommt es mir so vor als würde ich mehrer Kurzfilme gleichzeitig sehen, als hätte ein Cutter ein paar zu viel im Tee gehabt und die Filme lustig miteinander kombiniert oder als würde ich viereinhalb Folgen einer Sitcom sehen. Daran krankt auch SO IST PARIS ein bisschen. Einige der Geschichten hätten ihre Existenzberechtigung auch alleine gehabt, etwa die Liebesgeschichte zwischen dem Professor und seiner Studentin, andere entwickeln sich gar nicht und scheinen nur da zu sein, um die Laufzeit aufzufüllen und ein bisschen das Spektrum zu erweitern. Den Regisseur Klapisch will alles zeigen, ALLES, die Reichen und die Armen, die Erfolgreichen und die Erfolglosen, alles, was jemals in Paris passieren könnte. Das haut natürlich nicht so wirklich hin ist aber immerhin teilweise ganz große Kunst oder zumindest recht unterhaltsam.
                                        Die Rollen sind hochkarätig besetzt aber leider zahlt sich das nicht immer aus. Binoche hätte den Film natürlich auch locker alleine getragen, für mich ist sie nach wie vor Frankreichs größte Darstellerin, aber ihr wird einfach nicht genug Raum gelassen, um sich voll zu entfalten. Das hält sie natürlich nicht davon ab, brilliant zu sein (vor allem, wenn sie tanzt), aber ein bisschen wehmütig hab ich doch an ihre andere Rollen zurückdenken müssen. Francois Cluzet war ja tatsächlich mal ein richtiger Schauspieler, ehe er angefangen hat, ZIEMLICH SCHLECHTE FILME zu drehen, Laurent geht neben Luchini ein bisschen unter. Wie er anfängt zu tanzen und dabei von Baudelaire erzählt, ist einfach großartig!
                                        Die einzelnen Geschichten werden sehr unterschiedlich behandelt. Da hat es wohl auch für Klapisch wichtigere und unwichtigere Figuren gegeben. Manche kann er geschlossen zu einem Ende erzählen, einige aber auch einfach nicht und manche sind völlig egal. Auf jeden Fall zeichnet ihn eine große Empathie für seine Figuren (selbst für die unwichtigen) aus und deren Geschichten aus. Es gibt ganz großartige Szenen, etwa wenn Cluzet Luchini erzählt, dass sein Kind gegeben ist, wenn Laurent Luchini mit den SMS konfrontiert, oder wie gesagt wenn getanzt wird...
                                        Kein schlechter Film aber ein bisschen mehr wäre hier und da doch drin gewesen.

                                        4
                                        • Wäre natürlich einfacher zu wählen, wenn man wüsste, wer Trainer ist. Ich nehme mal Doyle, einfach weil er großartig ist!!!

                                          • 7 .5

                                            BLAU IST EINE WARME FARBE ist ein idealer Film für all jene, denen ihre eigene krisengebeutelten Beziehungen im Alltag noch nicht ausreichen und sich gerne nach getanem Streit ähnliches noch mal bei anderen Menschen ansehen. Leuten wie mich halt. Der Ansatz einer realistischen Beziehung ging mir dann aber doch schon ein bisschen weit. Realismus ist natürlich als Anspruch erstens völlig sinnfrei und hat im Kino eigentlich nichts zu suchen, zweitens ist es auch unglaublich langweilig. Wie Alfred Hitchcock schon mal sagte: Wenn wir unsere Filme jetzt an der Realität messen, bleibt uns nichts anderes übrig, als Dokumentarfilme zu drehen. Und die mochte er ja bekanntlich nicht besonders. Dass BLAU IST EINE WARME FARBE trotz fehlgeleitetem Ansatz doch noch ein mehr als beachtlicher Film geworden ist, ist ein kleines Wunder aber nichts desto trotz vielleicht rational nachvollziehbar:
                                            Ein klarer Punkt, der für den Film spricht, ja vielleicht schon als Argument dafür reicht, dass dieser Film Pflicht für einen jeden Zuschauer ist, sind die Schauspieler. Genauer gesagt eine Schauspielerin. Wenn es für mich derzeit eine junge Schauspielerin gibt, auf deren weiteren Karriere ich angefixt bin wie ein Bescheuerter, dann ist das Adele Exarchopoulos (kann die Dame sich bitte einen Künstlernamen zulegen…). Was die hier leistet ist schon nicht mehr menschlich, wenn sie weint, liebt oder feiert, dann sind das greifbare Emotionen, die mich anspringen packen mitreißen und das Gefühl geben ich bin mittendrin in ihrem Gefühlchaos. Emotionen nicht nur spielen sondern dem Zuschauer quasi um die Ohren hauen, ist eine Gabe und Frau Exardingenskirchen hat das drauf, die hat das verdammt noch mal drauf. Dagegen geht Lea Seydoux in ihrer Rolle völlig unter, ist aber nicht weiter tragisch, Exar… (Künstlername please!) könnte mir auch eine Liebesgeschichte mit einem halbwegs ansehnlichen Umzugskarton vorspielen und ich würds ihr abkaufen. Nichts für ungut Lea, ich mag dich echt, aber nur wenn du nicht grade neben einer Naturgewalt spielst.
                                            Regisseur Kechiche (was sind das eigentlich für Namen in diesem Film???) fällt gelegentlich auf die alte Verwechslung von Realismus und Glaubwürdigkeit rein (nicht immer, wahrscheinlich sogar nichtmal meistens aber doch manchmal) und hier und da hatte ich das Gefühl, der Kameramann täuscht einfach gerne einen epileptischen Anfall vor, aber das kann die Intensität dieser Liebesgeschichte nicht wirklich schmälern. BLAU IST EINE WARME FARBE zieht jede seiner Szenen enorm in die Länge, Kechiche lässt sich Zeit für Beobachtungen und spielt nicht im Entferntesten mit der Idee, abzublenden, ehe nicht alles, was zu dieser Szene gezeigt werden könnte, auch gezeigt wurde. Das gilt übrigens auch für die Sexszenen, alle, die sich gerne an Sexszenen, die nichts zur Story beitragen, abstoßen (nicht doppeldeutig gemeint) sei also von diesem Film abgeraten. Es gibt Szenen, denen das eher schadet als nützt, etwa mindestens einem der unzähligen Vorträge über Kunst und/oder den Vorzug weiblicher Orgasmen gegenüber männlichen. Da wäre weniger vielleicht mehr gewesen. Andere Szenen profitieren aber wie Bolle davon und gewinnen eine fast nicht auszuhaltende Intensität. Nach der Streitszene musste ich den Film erstmal pausieren und n Schluck Wasser trinken so fertig war ich.
                                            Aber nicht nur emotional hat der Film den Bogen raus, auch intellektuell. Zugegeben die ganze sozialrealistische Schiene gerät manchmal ein wenig zur bemühten Erdung und die Sozialkritik ist auch besser, wenn sie subtil daher kommt wie etwa in den beiden Essensszenen (es wird verdammt viel gefuttert in diesem Film) mit den jeweiligen Eltern. Wie Adeles mittellose Eltern Spaghetti-schlürfend von Emma wissen wollen, wie sie denn ihre Künstlerkarriere finanzieren will und im Gegenzug Emmas Eltern über ein paar Austern hinweg Adele Vorwürfe machen, dass sie nur auf finanzielle Sicherheit, nicht aber auf individuelle Entfaltung setzen würde, ist ganz ganz groß und definitiv die beste Stelle des Filmes. Und einen kleinen schalen Nachgeschmack gibt diese Geschichte der alles umwälzenden Streitszene (siehe oben), wenn Emma Adele vor die Tür setzt und die ihr zuruft: Wo soll ich denn noch hin?, als ich mir dann nicht mehr ganz sicher war, wen sie eigentlich liebt: Emma oder deren finanzstarke Eltern…
                                            Trotz Realismus (oder grade deswegen?) gerät der Film oft etwas in Klischees: Adele ist die introvertierte junge Frau aus ärmlichen Verhältnissen, die durch Integrität und Fleiß ihr Leben stemmen will und dann ihren extrovertierten, aufregenden Gegenpart trifft, der sie diesem Trott entreißt und in die Welt der Kunst, der sexuellen Freiheit und der intellektuellen Gespräche einführt. Ja, das hatten wir schon oft und nicht selten auch noch eindrucksvoller aber das heißt nicht, dass es hier nicht auch funktionieren würde. Der Film gewinnt einiges durch die –strenggenommen völlig funktionslose- erste Stunde, in der Adele noch mit ihrem langweiligen Mitschüler Thomas anbändelt, der nachdem er zunächst als Hauptfigur aufgebaut wurde, dann keine Funktion übernimmt und auch recht schnell wieder für immer verschwindet. In jedem Drehbuchseminar würde einem das um die Ohren gehauen werden aber es gibt ja auch nichts langweiligeres als Drehbuchseminare. Da sagt uns der Film nämlich gleich, dass es nicht um eine Liebesgeschichte geht sondern um das Erwachsenwerden, bei dem halt nun auch mal hin und wieder geliebt wird. Ob Adele am Ende wirklich erwachsen ist, ist schwer zu sagen, aber sie ist sicher nicht mehr die, als die wir sie kennengelernt haben.
                                            Eins noch: Am besten ist der Film, wenn getanzt wird. Ich bin generell der Meinung, dass jeder Film mindestens eine starke Tanzszene braucht und BLAU IST EINE WARME FARBE hat mindestens sieben. Denn neben Essen und Ficken tut Adele das scheinbar am liebsten. Und so wie Adele auch immer am Ausgelassensten wirkte, wenn sie mal tanzt, war ich auch am besten drauf, wenn sie es tat. Da brauch ich dann auch keine Handlung, die übrigens hier gerne mal für einige Zeit stagniert.

                                            10
                                            • Efron ist jung, vielversprechend und körperlich fit. Er hat das Potenzial zum Shooting Star, wenn man das Risiko eingeht, ihn in die Startelf zu setzen. Außerdem ist er n spritziger Ausgleich zu den Muskelpaketen, die da im Moment noch die Defensive dominieren.

                                              • Segel kann als Nebendarsteller ein großartiges Team vor sich hertreiben aber in entscheidenen Spielen selber den Ausschlag machen.
                                                Und abgesehen davon: Big Fudge ist dem Rest einfach überlegen.

                                                • 6 .5

                                                  Der Film hatte mich ab der ersten Szene, wenn Michael Douglas, Peter... äh Tobey Maguire und Katie Holmes über Literatur und ihre eigenen geschriebenen Ergüsse diskutieren. Da war ich vollen Mutes hier ein Meisterwerk von Mr. Hit and Miss Curtis Hanson erwarten zu können. Ziemlich schnell flaute diese Begeisterung etwas ab, denn genau das, was mich am Anfang so angefixt hat, das Sprechen über Literatur, entpuppt sich langsam als Problem, denn diesen Film über wird vor allem eines getan: geredet. Und dann noch mal geredet und dann fällt dem Film ein, dass er seine Figuren ja mal reden lassen könnte. Das würde mir theoretisch für einen guten Filmabend total reichen, wenn die Dialoge stark sind und eine Entwicklung vorantreiben. Das ist bei den Wonderboys nicht unbedingt der Fall und dafür dass auch mal Leute MITEINANDER anstatt nur nebeneinander her reden, hat es auch leider nicht wirklich gereicht. Klar, Robert Downey Jr. ist mal wieder unbeschreiblich lustig und wie er als exzentrischer Verleger den Film aufmischt ist große Klasse. Einen gelungenen Gegenpart findet er in dem dauerbekifften Douglas, der gerade so gar nichts auf die Reihe kriegt und die Gespräche zwischen den beiden gehören auf jeden Fall zu den so richtig gelungenen Momenten im Film. Maguire spielt einen verschrobenen jungen College-Schüler, der von seinesgleichen gemieden wird (außer von Holmes, auf die er eine obskure Anziehungskraft hat), was ihm aber recht egal ist. Maguires Rolle geht nicht immer auf, aber wenn er Marilyn Monroes Jacke klaut oder seinen ersten (ziemlich überfälligen) Drogenrausch hat, dann findet der Film in ihm einen eigenen Charakter. Achja, auch ziemlich scharf war, wie er eine ellenlange Liste an Schauspielselbstmorden auf einer Dinnerparty zum besten gibt und damit die Stimmung... nunja, dämpft. Bis auf Downey, der sich köstlich amüsiert (so wie ich). Vieles andere in der Beziehung zwischen Douglas und Maguire geht aber nicht so recht auf und die Mentorenschiene kauf ich Douglas einfach nicht ab. Da schon eher, dass er den Ehemann seiner Frau mitten in der Nacht anruft und ihm die Liebe zu dessen Frau beichtet oder wie er sich vor Holmes stolz brüstet, im Drogenrausch einen Roman geschrieben hat, der den Faulkner-Preis bekam, "bei dessen Verleihung ich ebenfalls unter Drogeneinfluss stand. Tihihihi." Das ist schon ziemlich super und fast hatte ich hier und da vergessen, dass der Film letztlich nicht viel erzählt, denn nachdem einige kuriose Sachen passiert, die meistens zu Douglas' Nachteil ausfallen, wird es schnell noch rasant, Downey redet über Zeichen und unterbewusstes Handeln, bevor sich alles zum Guten fügt. Naja, kann man akzeptieren, muss man aber nicht.
                                                  Jetzt hab ich n bisschen gemeckert, das reicht aber auch. Die Dialoge, die zwar nirgendwo wirklich hinführen und sich oft gegenseitig aufhalten, sind ganz flüssig und fein geschrieben, hier und da musste ich lachen, auch wenn der Film nach grandioser erster Hälfte abbaut. Voll und ganz konnten mich die Schauspieler überzeugen, jeder einzeln und alle zusammen wurden dann aber doch noch von Downey an die Wand gespielt. Katie Holmes hätte mit einer größeren Rolle (die dann vielleicht auch irgendeine Funktion hätte übernehmen können) sicher mehr gerissen, aber okay, bei diesem Aufgebot an Koriphäen muss wohl einer unter den Tisch fallen.
                                                  Ganz 7 Punkte geben kann ich dem Film nicht, dafür war er mir doch zu zäh, aber auch wenn er lieber über Kunst redet als selber Kunst zu sein, gab es tolle Stellen, gute Figuren und Filme im Collegemillieu, in denen es um Literatur geht, haben es erfahrungsgemäß auch sehr leicht, sich in mein Herz zu mogeln. So auch dieser. Ein bisschen zumindest. Ich kann mir gut vorstellen, den bald noch mal zu sehen, wenn ich all die Längen verdrängt habe.

                                                  6
                                                  • "Ich hätte am liebsten noch viele Jahre weiter gedreht und viel mehr Material gesammelt..."

                                                    Oh jajajajajajajaja!!!!!! :)

                                                    "...und das nie jemanden gezeigt."

                                                    Oh Gott, neinneinneinneinneinnein!!!!!

                                                    5