_Garfield - Kommentare
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Alle Kommentare von _Garfield
„A Dangerous Method“ hat ein großes Problem: Er ist ein Film. Denn man wird das Gefühl nicht los, dass Cronenberg in diesem Fall auf der Theaterbühne besser aufgehoben wäre. Die statische Inszenierung, die endlose Aneinanderreihung von (spannenden) Dialogszenen, das Fehlen jedweder filmischer Dynamik – Cronenberg schnürt seinem neuesten Projekt ein unsinniges formales Korsett. Ein Umstand, der in jeder Szene zu spüren ist. Wenn der Kanadier mit angestrengtem Schnitt und ständigem Kulissenwechsel versucht eine Dynamik zu generieren, die auf der Bühne unter dem Zusammenspiel von geschriebenem Dialog und den glänzend agierenden Darstellern von völlig alleine entstanden wäre zum Beispiel. So bleibt gut besetztes, staubtrockenes Dialog-Kino ohne jeden inszenatorischen Einfall. Langweilig ist mir aber trotzdem nicht geworden.
Noch bevor Dustin Hoffman spießige Hochzeitsgesellschaften (ver-)störte oder Tyler Durden sich in Kellern boxte, gab's da diesen Kerl in der roten Jacke. Diesen Schönling, diesen rebellischen Aufreißer, der wie kein zweiter die Augen zu kleinen Schlitzen verengte, während die Kippe lässig in seinem Mundwinkel hing. Dieser Kerl, der Neue nebenbei bemerkt, der ehe er sich versah zur Vaterfigur geriet, ohne dass der eigene je seinen Erwartungen entsprach. Und dieser Vorfall, dieser blöde Unfall, der damals alles in Gang brachte. Die Trauer hielt nicht lange an, er schnappte sich das Mädchen. Aber einmal in seinem Leben wollte er „das Richtige“ machen, wollte sich stellen und dem selbst auferlegten Idealismus folgen. Seinen Eltern gefiel das überhaupt nicht. Schließlich kam doch alles anders, wäre auch ein kurzer Film geworden. Gemeinsam flüchtet die kleine „Familie“ in eine leerstehende Villa am Rande der Stadt – ein Riesending. Plötzlich geht alles ganz schnell: Rachsüchtige Rowdys, mitgebrachte Knarre, tief sitzender Familienkomplex und Flucht ins Planetarium. Kurz herrscht Stille, sie sind so klein und das Universum so groß. Angesichts des großen Ganzen, der überwältigenden Unendlichkeit wirken ihre Probleme nichtig. Der Kerl gibt seinem Freund seine rote Jacke, die er bis zu diesem Zeitpunkt so ikonisch spazieren trug. Eine letzte Geste für eine ganze Generation. Tragisch wird’s schließlich nur durch externen Einfluss. Denn sie wussten, was sie tun...
Das Holz atmet, folglich knarrt es in allen Ecken und Kanten. Ein altes Herrenhaus mit Garten. Nur stilecht mit Spannungs-fördernder Treppenarchitektur, dunklen Gängen, flackerndem Licht, wandelnden Schatten und – wie sollte es anders sein: – vernebelten Wäldchen. Die Bewohnerzahl ist überschaubar und Genrekonform: Undurchsichtige Bedienstete, ängstliche Mütter und – sie ahnen es: - psychedelische Kinder. Alejandro Amenábar wagt sich vier Jahre nach seinem Meisterwerk „Abre los ojos“ ins Horror-Genre. „The Others“ ist einerseits eine tiefe Verbeugung vor dem filmisch, wie literarisch etliche Male durch-exerzierten Haunted-House-Horror, wie auch dem klassischen Spuk eines Ambrose Bierce oder Stephen King mit dem „immanenten Ziel des Phantastischen“ (so Wikipedia). Originell oder gar neu ist das alles nicht, dafür aber mit spürbarem Sachverstand (Kamera) und viel Spaß am Zitieren bekannter Genre-Elemente umgesetzt.
Kranken tut der Film etwas an seiner Spannungsarmut. Denn so sehr sich Amenábar abermals als talentierter Drehbuchautor erweist und mit einigen guten bis sehr guten Einfällen aufwartet, so selten weiß er diese trotz der handwerklichen Tadellosigkeit auch auf die Leinwand zu transferieren. Spannungsmomente sind rar, er belässt es bei mysteriösen Geräuschen, plötzlichem Stimmengewirr und knarrenden Türen. Originär ist hier wenig, es bleibt beim Zitat. Daran kann auch eine sichtlich engagierte Nicole Kidman und die überraschend angenehm agierenden Kinderdarsteller nichts ändern. „The Others“ plätschert zu sehr vor sich hin, bleibt zu sehr seichter Spuk, als Herzrasen-verursachendes Schauer-Märchen und weiß erst gen Ende seine wahren Qualitäten auszuspielen.
Überhaupt: Das Ende ist ohnehin ein Thema, über das man gesondert reden muss, so offenbart es doch ein wenig, worauf die manchmal etwas planlos wirkende Regie Amenábars eigentlich die ganze Zeit zusteuerte. Zwar bleibt auch der schlussendliche und generell recht starke Twist nur ein Zitat, aber eines, das sich durch die Verlagerung in eben diesen Kontext als ein wahnsinnig pfiffiges erweist. Es ist der finale Perspektiv-Wechsel, der das Vorangegangene nochmal in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt, sodass man Amenábar schließlich doch noch ein ungeheures Maß an Cleverness unterstellen muss. Über die fortwährende religiöse Konnotation lässt sich sicherlich diskutieren, ebenso über die Qualität eines Filmes, der nur auf seinen Schlusstwist zugeschnitten ist („The Sixth Sense“), denn vorangegangene Schwächen macht Amenábar damit nur bedingt wett. Ein (gemischtes) Vergnügen.
Lahme Räuber-Pistole. Gefallen wird an diesem zigsten Aufguss bekannter und nicht einmal sonderlich gut funktionierender Genre-Elemente wohl höchstens jemand finden, der die letzten zehn Jahre keinen einzigen Action-Film gesehen hat. Soll's krachen ist es nur laut, einfallslos und unübersichtlich, versucht sich der Film an hintergründigen Dialogen wird’s platt und rührselig. Auf die sentimentale Hintergrundgeschichte Farrell's, dessen Spiel ohnehin hochgradig unmotiviert erscheint, hätte man darüber hinaus auch verzichten können. Der generell recht charismatische Terrence Howard ist als Gegenspieler verschenkt, die nervtötende Rapace versprüht in etwa den Charme einer kalten Herdplatte.
Trotz oberflächlicher Parallelen zum zeitnah gestarteten „Melancholia“, erweist sich Jeff Nichols' zweiter Langfilm sowohl als höchst eigenständiges Werk, als auch – gerade in Anbetracht tagespolitischer Gegenwart – als der interessantere Film. Und im Grunde ist „Take Shelter“ - obwohl natürlich unbeabsichtigt – die bessere Antwort auf von Trier's aufgeblasenes Weltuntergangs-Szenario. Inszenatorischer Wichtigtuerei setzt Nichols nämlich ein pointiertes und gesellschaftliche Ängste kongenial transferierendes Skript entgegen. Vor dem Hintergrund scheinbaren Wahnsinns, psychischer Fehlentwicklungen und persönlicher Katastrophe, die jedoch genauso gut zur wirklichen Naturkatastrophe geraten könnte, verhandelt Nichols immer wieder ganz reelle Ängste. Ängste, die unter dem Zusammenspiel der drastisch reduzierten Inszenierung, dem fantastischen Soundtrack und vor allem einer erneuten Glanzleistung Michael Shannon's auf einmal ganz unmittelbar werden und schlussendlich die Frage aufwerfen, welche Katastrophe denn nun tatsächlich die verheerendere sei. Zwischen finanziellem Ruin und psychischer Bewährungsprobe oszilliert der Film gekonnt zwischen den Genres und lässt die zentralen Fragen, nämlich jene nach getäuschter Wahrnehmung oder akuter Bedrohung, Jahrhundertsturm oder Lachnummer bis zum großartig arrangierten Finale bestehen. Ein Finale, das schließlich auch eine ganz konkrete Reflektion des eigenen Lebens ermöglicht.
Sperrig, zermürmend und auch ein bisschen anstrengend. Und doch scheint es so, als müsse ein Film zu diesem Thema genau so aussehen. Nächstes mal aber bitte wieder mehr für's Herz.
Ja sicher, Penn hätte gut und gerne die Hälfte des omnipräsenten Soundtracks einsparen können und das bemühte Zitieren literarischer Vorbilder bringt weder in irgendeiner Weise weiter, noch kann sich der bemühte Off-Kommentar einer gewissen Oberflächlichkeit erwehren, aber scheiße nochmal, irgendwie bewegt „Into the Wild“ dann doch. Emile Hirsch darf überzeugen, Hal Holbrook ist der pure, unfassbar bewegende Wahnsinn (der Abschied). Von den ebenso tragischen, wie höchst bewegenden Schluss-Szenen ganz zu schweigen.
Obwohl vordergründig als respektvolle Hommage an einen erst spät zur B-Movie-Ikone avancierten Träumer angelegt, letztlich doch vor allem eine inbrünstige Liebeserklärung an den Film selbst und daran auch gegen alle Widerstände an seine Träume zu glauben. Burton macht sich nicht lustig über seinen Protagonisten, sein fehlendes Talent und seine forsche, ganz den Regeln des Pragmatismus unterworfene Art des Filmemachens, sondern nähert sich Wood zutiefst empathisch, aber nie rührselig. Stilistisch sogar der vielleicht beste Burton, emotional leider etwas fern.
McQueen bleibt ein schwieriges Thema. Seine Filme tragen trotz ihrer verbalen und visuellen Reduktion den Anspruch von wahrhaftiger Größe in sich. Ein Anspruch, an dem McQueen wieder einmal scheitert. Trotz der angestrengten Inszenierung, die dem Geschehen fortwährend eine gesonderte Relevanz unterstellt, bleibt vieles banal und überraschend realitätsfremd. Es fällt schwer zu glauben, dass diese Welt, von der uns McQueen in steriler Perfektion berichtet, tatsächlich existiert und es fällt schwer zu glauben, dass „Shame“ ein wirklich großer Film ist. Zu sehr ist man damit beschäftigt dramaturgische Konventionen in erzählerische Exzentrik zu hüllen. Fassbender ist gut, aber nie herausragend, das musikalische Haupt-Thema, obwohl zweifelsohne zum Besten diesen Jahres gehörend, wirkt immer etwas deplatziert und mehr noch als im vorangegangenen „Hunger“ haben McQueen's Figuren nichts zu sagen. Worte bleiben leer, Posen affektiert. Und doch geht von „Shame“ ein unfassbarer Reiz aus.
Es steckt eine schöne Idee hinter Jonathan Levine's „Warm Bodies“. Quasi eine konsequente(re) Alternative zur endlos breitgetretenen „Twilight“-Saga. Besonders die vergnügliche Einführung, welche den ermüdenden Zombie-Alltag aus Sicht des frustrierten (Zombie)-Teenagers "R" schildert und mit einigen, überaus spaßigen Beobachtungen und Referenzen (Romero) zum Untoten-Genre aufwartet, schöpft das Potenzial, welches mit dem genialen Perspektiv-Wechsel einhergeht, fast vollkommen aus. Leider bleiben das die besten Szenen. Anschließend gelingt es „Warm Bodies“ nämlich nie so wirklich Tragik und Komik zufriedenstellend miteinander zu vereinbaren. Nicht selten wird es dann doch arg kitschig, wenngleich die Nachwuchs-Darsteller Nicholas Hoult und Teresa Palmer ein schönes Leinwand-Paar abgeben. Dass Levine allzu schnell bekannten dramaturgischen Mustern verfällt, die Gewalt angesichts der angepeilten Zuschauerschaft vergleichsweise zahm ausfällt und der Film schließlich in einem erst ziemlich redundanten Showdown (die blasse (höhö) Antagonisten-Schar) und dann klebrig-schmierigen Happy-End (Romeo und Julia) gipfelt, ist in Anbetracht des omnipräsenten, aber nichtsdestotrotz wunderbar nostalgischen Soundtracks eigentlich schon wieder vergessen. Fast.
Kuriose Beziehungsgeflechte, angeschmierte Apartment-Besitzer, repetitive Großraum-Büros, monotone Arbeitsabläufe und Treuebruch in Reihenschaltung. Es ist wieder eine glanzlose Welt; eine mit Gewinnern und Verlieren, mit Gebern und Nehmern, mit guten und schlechten Typen – also kurz: die Realität. Zwischen untreuen Abteilungsleitern und sehnsüchtigen Liftgirls ist es immer der selbe Kerl, der verliert. Dieser Kerl mit dem Apartment, dessen Karriere ihn in ungewohnte Höhen kapituliert – selbstverständlich nicht ohne Gegenleistung, versteht sich. Dieser Kerl also, er hätte alles Recht sich zu beklagen. Stattdessen macht er einfach weiter, schwebt mit traumwandlerischer Gelassenheit durch diese wundervollen Sets, begleitet von diesen wundervollen Kompositionen. „Das Appartement“ ist aber kein trauriger Film; auch kein komischer. Er ist keine Satire und keine Liebesgeschichte, weder Genre-Beitrag, noch Genre-Revision. Er ist von Billy Wilder - und damit fernab jeder Norm.
Zugegeben: Hier wird schon mit zweierlei Maß gemessen. Denn im Grunde hat hier niemand wirklich etwas zu erzählen, stattdessen wird sich viel und ausgiebig verbeugt vor jenem und diesem und größtenteils ein Subgenre abgefeiert, dessen Existenz mich bislang auch nur peripher tangierte. Aber wie bereits angedeutet: Der 80er Jahre – Bonus rettet „Fright Night“ dann doch noch ins solide Mittelfeld. Die abgefahrenen Maskenkreationen, die bescheuerten Föhnfrisuren, die Jahrzehnt-getreue Jugendzimmer-Einrichtung. Alles ist so 80er Jahre, einfach weil es die 80er Jahre sind. Ein kleiner, großer Spaß, mit sinnlich-blutiger Sexyness und teils sehr heftigem Gore. Sarandon ist köstlich, Ragsdale der geleckte Musterknabe und Bearse schwankt zwischen verrucht-verbotener Sinnlichkeit (die Szenen mit Sarandon) und brav-nervigem Vorstadt-Balg (der ganze Rest). Also: Herbst? Regen? Sonntag? „Fright Night“!
„Django Unchained“ macht Spaß, keine Frage. Er ist stark inszeniert, überraschend witzig und Waltz rockt tatsächlich auch den zweiten Tarantino in Folge. Gerade während des ersten Drittels legt Tarantino ein ungeheures Maß an Tempo vor und differenziert auch überaus passend zwischen zwei Formen der visuellen Gewalt. Anschließend macht sich vor allem die immense Laufzeit von 160 Minuten, als auch diverse, ungewohnt schwache Drehbuch-Entscheidungen bemerkbar. Darunter hat in erster Linie DiCaprio's seltsam gehemmt geschriebener Antagonist zu leiden, der selten dem Anspruch einer echten Bedrohung gerecht wird und gerade in den Szenen mit Waltz mehr oder weniger deutlich den kürzeren zieht. Dieser ist sowieso eine Sensation für sich und weiß der immer-präsenten Landa-Figur einige neue Facetten hinzuzufügen.
Der Sklaverei als dunkles, historisches Kapitel weiß Tarantino meistens mit der nötigen Ernsthaftigkeit zu begegnen. Die Auseinandersetzung bleibt zwar über die gesamte Laufzeit hinweg oberflächlicher Natur, doch gerade in den richtigen Momenten nimmt sich Tarantino's überbordende Inszenierung im richtigen Maße zurück. Die Gewalt an Sklaven ist hier nüchtern und bitter, während ihre Peiniger (eine von vielen Parallelen zu „Inglourious Basterds“) blutige Vergeltung erfahren. In gewisser Weise ist es aber auch ein etwas billiges Vergnügen; Tarantino schürt gezielt Empathie für die Opfer, baut klare Feindbilder auf und gibt uns schließlich genau das, was wir sehen wollen. Der Zuschauer bleibt unangetastet und Tarantino macht es ihm (zu) leicht, sich vom hier gezeigten Rassismus zu distanzieren. Aber vielleicht ist genau das sein Weg und solche Ansprüche bei dem hier gezeigten Fun-Splatter unangebracht.
Unter der Orientierungslosigkeit des ungewohnt schwammig geschriebenen Skripts hat schließlich auch das wunderbar harmonierende Duo Waltz/Foxx zu leiden. Tarantino scheint nie so wirklich zu wissen, wohin die Reise denn nun eigentlich gehen soll, verbaut befremdliche Cameos, spult nur noch seinen größtenteils fantastischen Soundtrack zu redundanten Splatter-Orgien ab und weiß das fast vollkommene Fehlen einer wirklichen Bedrohung nie wirklich zu kompensieren. „Django Unchained“ gerät zum Klischee, hakt nur noch Stationen ab und mündet schließlich in einem ebenso vorhersehbaren, wie gut zwanzig Minuten zu spät kommenden Showdown. Doch keine Sorge: Es bleibt dennoch ein guter Film - aber eben auch „nur“ ein mittelmäßiger Tarantino.
Spirituelle und fleischliche Metamorphose im Schwanen-Gewand. Aufmerksame Milieu-Studie auf der einen, pompös arrangiertes Bühnenstück auf der anderen Seite. Schon alleine deshalb absolut sehenswert, weil kaum etwas vergleichbares existiert. Manche sagen Ideen-Verwertung, andere Ideen-Klau. Ein Film der ganz großen Gesten. Selten subtil, aber immer interessant. Portman opfert sich auf für ihre Rolle, Mansell interpretiert altbekannte Klänge neu und Aronofsky erweist sich einmal mehr als der Mann für's Gro(ß/b)e. Lob gibt es vor allem für eine wie entfesselt agierende Kamera. Da folgt eine herausragende Choreographie auf die nächste, ein effektiv eingestreuter Effekt auf den nächsten. Immer von einer ebenso konzentrierten, wie passenderweise zum etwas platten Pathos neigenden Regie begleitet. Und „Black Swan“ hat sie auch - die ganz großen Momente. Er findet sie - die ganz großen Gesten. Ein filmgewordenes Bühnenstück eben und deshalb natürlich nicht subtil. Immer auf der Suche nach dem nächsten theatralischen Blick, der nächsten pathetischen Geste. „Black Swan“ ist kein Film der großen Dialoge, Aronofsky's Weg ist ein nonverbaler, einer der alle Worte erübrigenden Bildsprache. Eben einer, der der Sprache des Balletts entspricht.
Mickey Rourke spielt sich selbst. Sein Gesicht ist aufgedunsen, sein Blick mal trüb, mal hellwach. Die Haut braungebrannt, die Haare blondiert, die Muskeln noch da. Der abgefuckte Hollywood-Star spielt einen abgefuckten Wrestler. Ein bisschen Ode, ein bisschen Abgesang auf eine lebende Legende. Und Rourke: Immer in der ersten Reihe und nuschelt seine vergleichsweise wenigen Dialogzeilen vor sich her. Dennoch ist das alles weniger Milieu-Studie, als der eindringliche Blick auf gescheiterte Existenzen. Eine Momentaufnahme, der Einblick in das Leben eines Egomanen und Loosers. Aronofsky's Regie ist zurückhaltender, seine Präsentation reduzierter und einzig allein auf seinen Hauptdarsteller zugeschnitten. Es ist in gewissermaßen der inszenatorische Gegenentwurf zum zwei Jahre darauf folgenden Oscar-Gewinner „Black Swan“; die absolute Besinnung auf den Realismus und damit auch der Verzicht auf jedwede filmtechnische Verfremdung. Wir sollen ganz nah dran sein an unserem Protagonist. Wir sollen daneben stehen und nicht selten dahinter (Trademark!). Bis zum bitteren Ende. Ein intensives, brutal-ehrliches Stück Schauspiel-Kino. Intim, hart, toll gespielt und immer authentisch. Und doch so sensibel, traurig und wahrhaftig. Applaus.
Weder Genre- noch Franchise-Revolution, als vielmehr zügellose Vorgänger-Exploitation. Selbstreferentieller, ironischer Edeltrash eben: Mal in ernst, mal in weniger ernst. Und lange nicht so dumm, wie mancherorts behauptet. Ein ganz großer Spaß, eine finale Alien-Sause sozusagen. Wahnsinnig flott erzählt, astrein inszeniert, sogar mit ein, zwei interessanten Charakteren ausgestattet und nach dem Totalausfall „Alien³“ ein mehr als versöhnlicher Franchise-Abschluss. Dass Ripley plötzlich nicht mehr Ripley ist, macht die Sache umso interessanter. Den einstiegen Interessenskonflikten (ES wollte töten, SIE einfach nicht sterben) wurde zumindest ein ambivalenter Aspekt hinzugefügt (ES gehört plötzlich zur Verwandtschaft). Support gibt’s in Form einer überraschend angenehm konzipierten Söldner-Truppe (Ryder macht sich formidabel als vierte Androiden-Generation). Und so geht es diesmal gegen größenwahnsinnige Unternehmer, schwangere Alien-Mütter und schließlich gegen den abgrundtief hässlichen Albino-Sprössling. Auf blöde CGI-Aliens verzichtet Jeunet glücklicherweise fast gänzlich und während der dramaturgisch rasanten Flucht zum rettenden Raumschiff, wartet der Franzose mit einigen krassen Leckerbissen auf. Die Geburt eines Alien durch zwei Körper, inklusive abgefahrener Digital-Kamerafahrt ins Körper-Innere darf sich jedenfalls schon jetzt zu den erinnerungswürdigsten Momenten innerhalb des „Alien“-Franchise zählen und auch die Unterwasser-Sequenzen, mitsamt schwimmender (!) Aliens dürfen es sich gerne im kollektiven Cineasten-Gedächtnis bequem machen. Und zum herrlichen Over-the-Top-Finale wird’s dann nochmal richtig schön eklig. So mit Saug-Geräuschen und – na klar – Paris.
Erneute Standortverlagerung. Nun also ein rostiger Gefängnisplanet. Aus Aliens wird wieder Alien, aus Blei-haltigen Schießorgien dreckiger Nihilismus und aus schlichten Kampfmaschinen notgeile Fundamentalisten mit kriminellem Hintergrund. Franchise-Evolution in verkehrt herum: Nach hochintelligenten Akademikern und schießwütigen Elite-Soldaten darf nun also auch der "Abfall der Gesellschaft" den kollektiven Qualentod sterben. Fincher erreicht den Tiefpunkt - in zweierlei Hinsicht. Denn so richtig weiß er mit dem Franchise, in dem er sich bewegt, nicht wirklich etwas anzufangen. Das ist zwar alles solide inszeniert, annehmbar bis passabel gespielt und die ersten dreißig Minuten lang sogar ganz interessant, über sehr, sehr weite Strecken aber nur sterbenslangweilig. Die problematische Entstehungsgeschichte wird daran vermutlich ihren nicht unerheblichen Anteil gehabt haben. „Alien³“ hat nichts, wofür es sich so richtig zu interessieren lohnt. Von einem schludrig konzipierten Figurengefüge, sensationell schlecht gemachtem CGI bis hin zu fortwährend inkohärenten Plot-Versatzstücken quält sich Fincher zu einem ebenso gezwungenen, wie akut zur Überlänge neigenden Showdown. Fincher's Karriere hat's trotzdem nicht geschadet – glücklicherweise.
Nebelschwaden, spärlicher Lichteinfall und wieder die unendlichen Weiten des Alls. Weaver gibt kurz das Aschenputtel, anschließend folgen mühselige Diskussionen. Sie lüge, die fortdauernd sabbernde (!) Kreatur habe keine biologischen Spuren hinterlassen und so geht’s kurzerhand zurück. Diesmal mit einer Gruppe Marines, die Nostromo ist einer scheinbar menschenleeren Kolonie gewichen und das Alien ist nicht weiter alleine. Optisch hat die ganze Chose hier und da deutlich gelitten, einige Effekte sind cheesy, andere immer noch ansehnlich. Waffentechnisch wurde auf-, IQ-technisch abgerüstet. Reiser gibt das Arschloch vom Dienst, Henn muss als überflüssiges Balg herhalten und Weaver schlüpft plötzlich in die Mutterrolle. Ansonsten wird viel geschossen, ein paar gute und viele schlechte Sprüche geklopft und ganz zu Beginn sogar mächtig Atmosphäre aufgebaut. Einige Bonbons und ein straightes Finale – inklusive taffem Mutter-Fight - reißen schließlich noch eine Menge raus, auch wenn Cameron seine Franchise-Fortführung ebenfalls an einigen Stellen deutlich hätte kürzen können. Zugute halten muss man ihm dennoch, dass er einen ganz eigenen Weg beschreitet: Der Neudefinition eines Genres setzt er muskelbepackte Rambos entgegen, dem atmosphärischen Terrorkino eines Scott begegnet er mit schweißtriefendem Körperkino. Der subtile Horror weicht hochwertigem Action-Handwerk, das Unbekannte dem Bekannten und das einstiege Kammerspiel einer Jahrmarkt-Attraktion. Cameron's Gegenentwurf ist das, was er eben ist: Entertainment – durch und durch.
Klaustrophobische Ganggeflechte, kaltes Metall, verschwitzte Gesichter, endlose Weiten, flackernde Lichter, eine blinkende Monstrosität von Bordcomputer. Hohe Luftfeuchtigkeit, mechanisches Summen, grelle Schreie, Intern-/Extern-Zerfleischung. Akribische Sezierung, fataler Irrtum, gigantomanische Raumschiffe und Emanzipation im Weltall. Psychedelischer Fiebertraum in dreckig. Aseptische Behandlungsräume, ätzende Säuren, ätzende Situation. Auch über dreißig Jahre nach seinem Erscheinen ein ebenso beklemmender, wie außergewöhnlicher Genre-Ausflug, der irgendwie gar keiner ist. Statt fröhlich-bunter Weltraum-Unterhaltung gibt’s organisch-klebrige Gesichtsvaginas, statt kernig-cooler Sprüche nur sorgenvolle Mienen und statt Testosteron-geladener Männer-Action eine Frau mit Zündel-Werkzeug. Überlebenskampf in scheinbar endlosen Metallschläuchen, mitsamt pfeifender Ventile. Der ikonische Killer fährt die Kauleiste aus. Zeitloses Giger-Design trifft auf atmosphärische Goldsmith-Komposition, schwerelose Kamerafahrten auf angenehm authentisches Schauspiel. Hier und da hätte das Ganze eventuell ein Stück kürzer sein können und die Protagonisten ein wenig pfiffiger, seinen Nachfolgern, samt räudigem Prequel, ist dieser Klassiker dennoch in jedem Aspekt überlegen. Ein großer Film und ganz wichtiges Genre-Kino.
Andauernder Regen. Die Stadt vergraben unter einer dunklen, immerwährenden Wolkendecke. Chronische Überbevölkerung gesellt sich zu moralischen Grundsatzdebatten. Die Welt ist verloren, die Technik längst auf ihrem Zenit angelangt. Die Bauten verkümmert, die Reklameschilder hell erleuchtet. Eine dunkle Stadt, ebenso heruntergekommen wie das soziale Gefüge, welches es beherbergt und ständiger Regen begleiten den Blade Runner (Harrison Ford) bei seinen Ermittlungen. Ein klassischer (Anti)-Held im Noir-typischen Trenchcoat. Wortkarg, manchmal verschmitzt lächelnd, meistens konzentriert.
Fernab aller Genregrenzen und doch so sehr Genrefilm. „Blade Runner“ bedeutet ein sich allen dramaturgischen Mustern und herkömmlichen Konventionen versagendes Erlebnis. Stilistisch irgendwo zwischen schillernd-schmuddeliger Noir-Referenz und unablässig pulsierender Zukunftsversion angelegt, die trotz ihrer Reduktion auf wenige Charaktere den Anspruch von epischer Größe in sich trägt. Der Cyberpunk ist geboren. So essenziell, wie unfassbar. Konträr zu allem, was seinerzeit die Kinokassen und damit die Massen beherrschte und so anders in seiner Konzeption, dass das letztliche Scheitern vor einer Vielzahl von Zuschauern gerade zu logisch erscheint.
Avantgardistische Set-Konstruktionen treffen auf das reduzierte Schauspiel eines jungen Wilden, sinnlich-betörender Score auf makellos schöne Unschuld (Sean Young) und die nie wieder so zurückhaltend-geduldige Regie eines Ridley Scott auf einen wie entfesselt agierenden Rutger Hauer. „Blade Runner“ wird geboren aus der Zusammenkunft großer Talente und dem Zusammenspiel glücklicher Umstände.
Hoffnung existiert in diesem Großstadtmoloch nicht. Schöpfer und Konstruktion sind begriffen vom menschlichen und substanziellen Zerfall. Die Städte sind überbevölkert, Einzelschicksale sind bedeutungslos. Es existieren ungeahnte technische Möglichkeiten und doch geht die Erde und damit gleichbedeutend das Individuum dem Ende hinzu. Metropolen sind ethnisch-religiöse Slums, zerfressen von Egoismus und abhanden gekommener Empathie. Die Umwelt ist ausgebeutet, Hoffnung spendet einzig allein die Aussicht auf ein neues Leben, auf einem anderen Planeten. Grenzen verschwimmen innerhalb einer Wissenschaft, die keine Grenzen mehr kennt und Moral tritt ins Abseits in einer von individueller Geltungssucht dominierten Gruppierung schattenhafter Seelen.
Eine amoralische Gesellschaft spielt Gott. Aus dem Zusammenspiel von wissenschaftlichem Größenwahn und kollektiver Sehnsucht nach Menschlichkeit gehen schließlich die Replikanten hervor. Ebenso synthetisch, wie die Welt, die sie hervorgebracht hat; eine abermalige Reproduktion göttlichen Ebenbildes. Schöpfer und Kreation begegnen sich auf ein und derselben Ebene. Verantwortung übernimmt letztlich gerade jene vermeintlich nicht achtenswerte Kreatur, die im Grunde nur für das kämpft, was ein jeder Mensch begehrt: Leben. Ein Replikant sorgt für das prägende Moment in "Blade Runner"; ein Satz, der die Intention eines Meilensteins des Science Fiction-Genres perfekt zusammenfasst:
"It's too bad she won't live! But then again, who does?"
Billy Wilder's verspielt-schlüpfrige Maskerade. Sinnlich, elegant und sexy wie eh und je ist die Diva Monroe; scharfsinnig, smart und ironisch ihre beiden Verehrer. Dem Eskapismus seiner Epoche entzieht sich Wilder bereits in der Einleitung: Rachsüchtige Gangster, erbarmungslose Tötungskommandos und komische Razzien - ein ausgiebiger Flirt jenseits der vermeintlichen Genre-Grenzen. Trotz des Zugeständnisses an gewisse Hollywood-Mechanismen bleibt die Realität der primäre Bezugspunkt. Schmerzhafter Realismus im goldenen Hollywood-Gewand quasi. Armut, Kriminalität und moralische Verkommenheit in aller Leichtfüßigkeit präsentiert, aber nie verklärt. Scharfsinnige Dialogzeile folgt auf scharfsinnige Dialogzeile, rasante Inszenierung auf stille Genre-Erweiterung. Unter all dem Glanz, hinter der zum brüllen komischen Fassade verbirgt sich aber nicht mehr als die Realität selbst. Die beiden Verehrer leben in Armut, die Straßen sind korrumpiert von skrupellosen Gangster-Organisationen, das so anmutig erscheinende Divchen hat Alkoholprobleme. Wer gefallen will, muss lügen. Wer akzeptiert werden will, verleumdet seine wahre Identität – zumindest bis zum optimistischen Schlussakt. Verpackt ist alles in Glitzerfolie und hoch ironischen Humor in Verkörperung des überragenden Darsteller-Duos Curtis und Lemmon. Musikalisch ebenso nostalgisch, wie sinnlich arrangiert. Marilyn Monroe spielt gekonnt mit ihrem eigenen Image, singt im tief ausgeschnittenen Abendkleid ihren Klassiker „I wanna be loved by you“ und verzaubert mit jeder Dialogzeile und jedem scheinbar willkürlichen Lächeln. Billy Wilder's Genre-sprengender Genre-Beitrag ist seiner Zeit voraus und endet in der perfekten Schluss-Sequenz mit dem oft zitierten Satz „Nobody's perfect“. Ein Satz, dem im Kontext seiner Zeit eine immense Bedeutung zukommt. Verneigung.
Herbstliche Wälder, knirschendes Holz, alles umfassende Dunkelheit, Lichtspendende Kamera, seltsame Stimmen, plötzliche Laute, leise Schritte, nihilistisches Rascheln, mysteriöse Steinformationen, panische Ausflüchte, wandelnde Schatten, verängstigter Zuspruch, Verschwinden, Haus, Ende. Meisterwerk.
Nach wie vor eine ebenso kraftvolle, wie mutige Meditation über Existenz und Sinnfragen, sowie voraussichtlich Fincher's Opus Magnum für alle Ewigkeit. Die große Stärke von „Fight Club“ liegt dabei primär in seiner Deutungs-Vielfalt. Man es also nicht für bare Münze nehme, wenn Tyler Durden zum gewaltsamen Aufstand gegen den Turbo-Kapitalismus aufruft und es auch ganz und gar nicht in der Intention des Filmes liegt, nach Feierabend den wütenden Revoluzzer heraushängen zu lassen. Hinter der herausragend inszenierten Fassade von „Fight Club“ verbirgt sich vielmehr der Aufruf zur kritischen Betrachtung von Medien, seiner Strahlkraft auf gesellschaftliche Gruppierungen und die Instrumentalisierung eben jener zur Erhaltung von profitablen Machtstrukturen. Oder in wenigen Worten: Fincher übt Gesellschaftskritik. Und das mit der nötigen Radikalität.
In einer nie wirklich ernst gemeinten Alternative, in der Männer zwischen schwitzenden Körpern, angeknacksten Rippen und von Blut verschmierten Fratzen das Gefühl des Schmerzes als Befreiung verstehen, verhandelt Fincher gesellschaftliche Missstände, die in der Definition von Anzugtragenden Ökonomen eigentlich gar nicht existieren dürften. In einem Leben im Überfluss, der finanziellen und materiellen Sicherheit, in Zeiten ohne Kriege und ohne große Krisen, sehnt sich eine Generation ohne Aufgaben nach einem Sinn in einem von Repetition und scheinbarer Sorglosigkeit geprägten Dasein. („No purpose or place. We have no Great War. No Great Depression. Our Great War's a spiritual war... our Great Depression is our lives.“)
Der Dekadenz der westlichen Wohlstandgesellschaft – scheinbar versunken unter Burger-Portionen und chronischer Dauermasturbation - setzt Fincher die Rückkehr zu den Ursprüngen entgegen. Der inszenierte Überlebenskampf ist nur Teil einer Besinnung auf das animalische, auf das primitive. Schmerz ist ein unmittelbares Gefühl. Ursache und Wirkung sind offensichtlich. Zum Nullpunkt gelangen bedeutet letztlich also nicht mehr, als sich von all jenem loszusagen, was uns medial seit unserer Geburt mit einer perversen Penetranz suggeriert wird. Zu sich finden bedeutet, sich zunächst von allem anderen zu lösen. Befreit von der gesellschaftlichen Zwangsjacke und damit befreit von allen damit einhergehenden Tabuisierungen, Reglementierungen und Bestimmungen, Gesetzen und Auflagen, als auch von materiellem Besitz. Die ironische Lösung bedeutet das Auflösen der bestehenden Ordnung in Chaos und Anarchie.
Fincher's Roman-Adaption verweigert sich aber schon deshalb einer dogmatischen Lesart, weil er letztlich nicht einmal seinem eigenen Werk eine vorsätzliche Manipulation des Publikums versagt. Man sieht für kurze Zeit den Penis, den Durdem an anderer Stelle im Film thematisiert. Er manipuliert ebenso, wie es Industrien und Regierungen tun. Es ist der finale Aufruf zur kritischen Betrachtung von allem, was uns präsentiert wird. Die Ermutigung hinter die Kulissen, hinter das Offensichtliche zu blicken. Ein großes Meisterwerk also und nichts anderes.
Betroffenheits-Kitsch der aller übelsten Sorte. Schon so sehr Hollywood-Klischee, dass es beinahe karitative Züge annimmt. Eine grauenhafte Krankheit nimmt Nichtskönner Cassavetes zum Anlass selten so deplatzierter Dramatisierung: Pausenlos wird ein fürchterlich beliebiger Klangteppich über synthetisch anmutende Breitwandbilder und "dramatische" Slow-Motion-Einstellungen gestülpt. Keine Sekunde hält er ohne sein abartig sentimentales Pop-Gedudel aus. Ständig klimpert jemand auf der Gitarre herum oder prügelt betroffen auf die Klaviatur ein. Gefühlskino grandios missverstanden: Denn Kitschnudel Cassavetes scheint unfähig Figuren und deren Emotionen vor dem Hintergrund des hier gezeigten Schicksals zu erforschen und annähernd adäquat auf die große oder kleine Leinwand zu transferieren. Seine mehrperspektivische Erzählung bleibt ein narratives Gimmick, Emotionen bleiben pure Affektion und Bildsprache bleibt hoffnungslos pathetisch. Das ist alles so traurig und doch so falsch.
Haneke's Filme bleiben bei aller Intelligenz, aller Bedeutung und aller handwerklichen Akribie ein distanziertes Erlebnis und damit auch überaus schwer zugänglich. Haneke-Kino ist immer mehr kühle Lehrstunde als Emotion. Damit steht er diametral zu meinem Verständnis von Kino. Seine Protagonisten wirken wie Marionetten, die lethargisch den hochkomplexen Lehrplan abspulen; aber sie tun es ohne Gefühl, ohne Regung, ohne Emotion. Oder konkret: Er versagt seinen Figuren, Mensch zu sein.
Inhaltlich bleibt sein Film alles andere als ein Anachronismus: Seine Gesellschaftsanalyse und akribische Aufarbeitung von historischem Gruppenverhalten ist ein wichtiges Arbeitszeugnis im Zuge einer noch sehr lange andauernden Aufarbeitung des Nationalsozialismus, seinen Ursprüngen und darüber hinaus. Eine zentrale Rolle spielt in Haneke's Film dabei die Erziehung von Kindern durch ihre zu kühlen Instanzen sterilisierten Väter. Statt autonomen Individuen, wird hier perfide ein gehorsames Kollektiv geformt. Es wird damit der Nährboden für (faschistische) Ideologien bereitet.
In der finalen Äußerung des äußerst wahrscheinlichen Verdachtes und der darauf folgenden Reaktion, lässt sich darüber hinaus eine mögliche Parabel erkennen, die direkten Bezug zum später folgenden Nationalsozialismus und dem damit einhergehenden Holocaust nimmt. Sowohl das Opfer (eine Randgruppe), als auch die Täter (ein eigen-dynamisches und größtenteils "harmloses" - sprich: schweigendes Kollektiv) könnten dabei stellvertretend für spätere historische Ereignisse stehen. Dass der Pastor die Verdrängung, statt der lückenlosen Aufklärung sucht, ist ein weiterer Wesenszug, der die Deutschen unter Führung eines kranken Geiste zu solch guten Faschisten werden ließ.
Man kann von Haneke also vieles behaupten, aber nicht, dass er seinen Zuschauer nicht ernst nehme. Und doch haben seine Filme neben der bitteren Humor- und Freudlosigkeit, sowie ihrer vollkommenen emotionalen Impotenz, auch einen kaum an konkreten Aspekten festzumachenden, überheblichen Tonfall. Das ändert jedoch kaum etwas an der Wertigkeit dieses überaus wichtigen Filmes, der darüber hinaus auch endlich einmal das deutsche Kino glänzen lässt – auch wenn es dazu diesmal die Unterstützung eines Österreichers bedurfte.