huababuar - Kommentare
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Lässt man die hervorragende Fotographie, den authentisch pastoralen Flair und den folklastigen Soundtrack von „Small Town Murder Songs“ genüsslich auf sich wirken, weiß man schnell, wie die Uhren in der kanadischen Provinzialität Ontarios so ticken: Hier kennt Jeder Jeden, die Kirche ist noch eine echte Institution und kein reiner Touristenmagnet so wie in den weitestgehend glaubensbefreiten Großstädten und schon ein Mord bringt die kleine, mürrische und eher gestrige Gesellschaft ins Wanken. Das gibt natürlich ein adäquates Milieu, um die Kriminalgeschichte eines ermordeten und vergewaltigten Mädchens zu erzählen. Prinzipiell steht jeder unter Generalverdacht, der Täter befindet sich wahrscheinlich inmitten des kleinen Gemeinschaftskreises und für den ortsansässigen Sheriff Walter – hervorragend verkörpert vom kaum wiederzuerkennenden Peter Stormare - fungiert das ganze Dorf als Zeuge.
Doch geht es Jungregisseur Ed Gass-Donnelly nur vordergründig um den Mordfall – Tendenzen, die zum Täter führen, zeichnen sich schon früh ab. Vielmehr liegt ihm daran, die Psyche seines Protagonisten aufzudröseln, ihn durch die Ermittlungsarbeiten und die eng gebundenen Sozialstrukturen des Dorflebens mitten in seine düstere Vergangenheit zu manövrieren. Alte Narben reißen auf, parallel zur Verbrechensaufklärung geht es auch um Erlösung, um die lang ersehnte Katharsis.
Gass-Donnelly komprimiert diese zwiespältige Geschichte über Mord, Gewissensbisse, Selbstkontrolle, Vergangenheitsbewältigung und Religion in knackig kurzen 78 Minuten und schlägt dabei durchgängig ruhige Töne an: Ganz selten nur kommt Musik zum Einsatz, meistens dominieren Hintergrundgeräusche die Klangkulisse. Der Schnitt ist markant, das Bild statisch und mit wenigen Kamerafahrten gesegnet. In Sachen Mobilität und Schwung passt sich „Small Town Murder Songs“ erschreckend gut an die rückwärtsgewandte Landidylle an. Das ist alles andere als schlecht, ganz im Gegenteil, nur eben gewöhnungsbedürftig bei all dem Krawall, für den „moderne“ Thriller heutzutage stehen.
Aber was ist schon modern? Dann ist das alles eben altmodisch, dafür liebt der Film sein schmuckes Setting, seine Charaktere mit all ihren nebenwirksamen Lastern, hat aber ein großes Problem: So richtig mag er weder als Krimi noch als Charakterstudie funktionieren. Denn auch wenn beide Handlungsstränge sich gegenseitig brauchen, aufeinander aufbauen, so scheinen sie sich in gewisser Hinsicht im Weg zu stehen. „Small Town Murder Songs“ ist für einen Thriller größtenteils zu spannungsarm und zu früh aufgelöst, als gelungenes Psychogramm nicht tiefschürfend genug, gibt aber doch irgendwie trotz alledem einen inszenatorischen Leckerbissen mit interessanter Prämisse ab und macht vor allem Hunger auf Pancakes mit Ahornsirup – ein authentisches Stückchen Kanada.
Was beginnt, wie ein x-beliebiger Home-Invasion-Horrorthriller mit überaus schweißtreibender Gruselatmosphäre, bedächtig aufgebautem Suspense und einem aufwühlenden Synthie-Soundtrack und – wohl als Teil des parodistischen Gesamtkonzepts – keine Klischeehaftigkeit der üblichen Genrekonventionen auslässt, seien es nun die Blutbotschaften an Wänden und Spiegeln, Streitigkeiten und die fortschreitende (Selbst-)Dezimierung der Opfergruppe, die hysterische, schlagartig einsetzende Panik oder selbst der Twist, der bekannte Referenzen karikiert, wandelt sich plötzlich zur rigorosen Aufräumarbeit einer Frau mit unbändigem Überlebenswillen. Viel Blut fließt, sehr viel sogar. Es wird geschlitzt, gehackt, gestochen, gespießt und somit wohl jede Façon der klingenfreudigen Filetierkunst mustergültig und mit erschreckender Brutalität abgearbeitet.
Wenn Sharni Vinson urplötzlich – wie wenn man einen Schalter umgelegt hätte – die Empore zur Bad-Ass-Göttin hinaufsteigt und die Invasoren mit weiblicher Entschlossenheit niedermetzelt, sich die Rollen von Jäger und Gejagter aus dem Nichts verdrehen, dann konterkariert „You’re Next“ seine zuvor eher biederen, humoristischen Spitzen. Lange muss man sich als Zuschauer nämlich mit einer angsteinflößenden, wenn auch nicht sonderlich innovativen Horrorgeschichte abgeben, lange vermisst man den letzten, finalen Schritt der satirischen Konsequenz, weil viele parodistische Ansätze etwas ins Leere laufen, bevor Regisseur Adam Wingard mit seinem herrlich-fiesen Finale nach dem Ketchup-Flaschen-Prinzip alles zuvor Gesehene auf den Kopf stellt und einen echten Wirkungstreffer landet. Mit dem schwarzen Humor britischer Pendants und dem Klassiker der satirischen Horrorbewegung schlechthin, „Scream“, kann es „You’re Next“ aber nicht aufnehmen, auch, weil das Hauptaugenmerk vor allem in der ersten Hälfte stets auf Schauer, Schrecken, Schock und Schlitzorgien (Highlight: Tiermasken der Gangster) gelegt wird.
Um die vielen Charaktere angemessen einzuführen, bleibt im gering budgetierten „You’re Next“, das mit seinem verheißungsvollen Titel nicht zu wenig an Bedrohlichkeit verspricht, keine Zeit. Schnell wird die Familienfeier zum tragischen Landsitz-Massaker, tiefe Gräben im Geschlechterbund müssen gezwungenermaßen überwunden werden, um im Kollektiv zu überleben. Freilich geht das schief und ehe Wingard das wahre Motiv der blutigen Pampa-Party entblößt und man seiner Enttäuschung darüber Ausdruck verleihen kann, schwingt Vinson schon unwiderstehlich und besänftigend mit Beil und Küchenmesser oder zweckentfremdet den hauseigenen Mixer. So täuschend „schön“ kann Horror sein.
Zwei vom jungen Schlag – MaceWindu und Huababuar in den Wirren der weiten Filmwelt
Staffel 2: David Fincher
Folge 5: Albtraum im Panikraum – Finchers minimalistische Fingerübung
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Der Panikraum: flimmerndes Neonlicht, eine Monitorleinwand, hermetisch abgeriegelter Stahlkäfig und Hochsicherheitszentrale in einem, ein Produkt der amerikanischen Paranoia. Doch auch eine hundertprozentige Schutzgarantie?
Geschickt demontiert David Fincher im gleichnamigen Thriller das Bild der vermeintlich sicheren vier Wände, weckt Urängste in uns und dringt durch seine mobile Kameraführung fast schon chirurgisch in die privateste Stelle unseres Lebens ein: das traute Eigenheim. Viel braucht Fincher dabei nicht, um wirkungsvolle Treffer zu setzen: Die Story ist simpel, um nicht zu sagen äußerst oberflächlich gehalten, die Charaktere allesamt schematisch, was die Riege an hochkarätig besetzten Schauspielern (Jodie Foster, Kirsten Steward, Jared Leto, Forest Whitaker, Dwight Yoakam) zu überspielen weiß, und seine gewohnt düstere Atmosphäre verlagert der Regiemeister von der verwinkelten Metropole in ein Luxusapartment – der finchertypische Regen und die Dunkelheit sind trotzdem geblieben.
Nach provokanteren, weitaus komplexeren Werken wie „The Game“ „Sieben“ oder „Fight Club“ erweitert Fincher sein Œuvre mit „Panic Room“ um einen geradlinig-minimalistischen, dennoch hocheffektiv packenden Home-Invasion-Thriller. Doch macht Fincher Mainstream, dann ist das immer noch weitaus ansehnlicher als der Großteil der Genrekonkurrenz. Die gelenke Kameraführung wechselt schwungvoll und flüssig die Perspektive – sah man erst noch eine verzweifelte Mutter mit ihrer Tochter im Panic Room kauern, rätselt man schon eine Plansequenz später wie der lakonisch-fiese Raoul, der im tiefsten Herzen gutmütige Burnham und das geldgierige Möchtegern-Alphatier Junior in selbigen Bunker eindringen wollen.
Ein hochspannendes Kammerspiel in Katz-und-Maus-Manier, bei dem Jäger und Gejagter nur allzu oft die Rollen tauschen und mit immer durchdachteren Einfällen ihren Gegner zum Aufgeben zwingen wollen. Was vordergründig wie ein Rollback in Finchers Schaffen wirkt, ist eigentlich nur eine kastrierte und abgespeckte Rückbesinnung auf Altbewährtes, ein Fokus auf das, was er am besten kann: durchgehend Spannung generieren, diesmal eben ohne jeglichen Subtext und auf wenige Konstanten beschränkt: Ein Apartment, zwei Bewohnerinnen, drei Einbrecher und den Panic Room.
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Marc leidet im Übrigen unter erheblicher Platzangst. Deshalb war "Panic Room" nicht ganz so sein Metier. Hier mehr dazu: http://www.moviepilot.de/movies/panic-room-2/comments/1400991
Uniforme Hollywood-Komödien über die Midlife-Crisis des gefestigten, amerikanischen Mittelständlers, der seine Spießigkeit mit aufgesetzter Coolness überspielen zu versucht, gibt es heutzutage wie Bierleichen ab Samstag auf der Theresienwiese, wenn sich in der bayerischen Landeshauptstadt wieder zum kollektiven Völkerverständigungsbesäufnis getroffen wird. Das Problem daran: Sie alle stellen nicht nur ein massenkompatibles Mittelmaß des zeitgemäßen Humorverständnisses, sondern auch einen extremen Kreativitätsmangel in den Köpfen der Drehbuchschreiber der großen Produktionsfirmen dar. Erwartungsgemäß macht da auch „Born to be wild – saumäßig unterwegs“ keine Ausnahme.
Vier Freunde, angekommen im Stillstand des Spießbürgerlebens und allesamt mit ganz verschiedenen Problemen, planen eine Biker-Tour quer durch die USA, um einen sehnsüchtigen Blick auf die Vergangenheit zu werfen, wieder Kind sein zu dürfen und den ganz besonderen Spirit der Freiheit des amerikanischen Highways genießen zu können. Das Motorrad fungiert dabei als maschinelle Schwanzverlängerung des frustrierten Mittvierzigers, Nacktbaden weckt den jugendlichen Rebellentrieb im Mann und am Ende wendet sich natürlich alles zum Guten.
„Born to be wild“ ist diese typisch seichte Slapstick-Komödie mit kindlich vorgetragenen Binsenweisheiten à la „Ich habe alles verloren, aber meine Freunde sind noch hier“ und einem Blödelhumor, der niemandem richtig weh tun will und über weite Strecken, was zündende Pointen betrifft, nach dem Zufallsprinzip funktioniert. Gelegentlich macht der abgedrehte Männerausflug nämlich verdammt Spaß, was nicht zuletzt am namhaft besetzten Cast um Stars wie John Travolta, Tim Allen, William H. Macy, Martin Lawrence und Ray Liotta, aber auch am solide eingefangenen Road-Trip-Charme liegt. Wenn vier alternde Darstellerstars in enger Ledermontur zu „Highway to hell“ durch die amerikanische Prärie heizen, dann gerät man als Mann schon mal in Wallung.
An anderen Stellen aber übertreibt es der unerfahrene Regisseur Walt Becker zu sehr mit seiner vorhersehbaren und auf ein junges Publikum ausgelegten Stupiditäten-Komik. Denn anstatt sich wenigstens für kurze Zeit einmal ernsthaft oder auch etwas anspruchsvoller gewitzt mit der Thematik des Älter-Werdens und der männlichen Selbstfindung auseinanderzusetzen, darf sich Allen mal wieder wegen seines Zahnarztberufs rechtfertigen oder aber Macy fährt zur Abwechslung einmal mehr gegen irgendein Straßenschild. Gelungene Comedy geht anders, unterhaltungsarme aber auch.
Was köstliches Sashimi, Kugelfisch, Diamanten und Quentin Tarantino gemeinsam haben? Wer „Sushi Girl“ sieht, bekommt die Antwort.
Fishi-Boy (Noah Hathaway), das psychopathisch-tuntige Elton John-Double Mark Hamill, Latino-Kokser James Duval, Hells Angels-Gruppenführer Andy Mackenzie und schließlich der Todesexperte aus „Final Destination“ Tony Todd versammeln sich an einem auf einem nackten Frauenkörper angerichteten Rohfisch-Büffet, um den Verbleib ihrer Diamantenbeute zu klären, den Überfall zu rekapitulieren, den Verräter in den eigenen Reihen ausfindig zu machen, vorher aber noch über belanglosen Mist wie die Wichtigkeit des Defäkierens vor dem großen Coup zu streiten.
Unweigerlich tut sich der Verdacht auf, Regisseur Kern Saxton hätte sich dreist an Tarantinos minimalistischem Kammerspiel „Reservoir Dogs“ bedient. Parallelen im Storyaufbau (Mexican Standoff, Frage nach dem Verräter, Einheit von Zeit und Ort nur unterbrochen von kurzen Rückblenden des Überfalls) und auch derselbe Hang zur Folter und Gewaltspitzen sind offensichtlich. Doch „Sushi Girl“ ist überzogener, mit schwächeren Charakteren bestückt und bei Weitem uncooler als Tarantinos Kultfilm, ohne dabei wirklich als bodenlos schlechter Abklatsch abgestempelt werden zu können.
Hamill und seine Quälereien sind genial, auch Todd mit seinem diabolischen Grinsen ordentlich fies, das Sushi-Girl, wie es da so im Evaskostüm ohne mit Wimper und Muskel zu zucken den Präsentierteller mimt, ein echter Augenschmaus, und auch der Twist ist Saxton äußert gut und überraschend gelungen. Den plagiatorischen Hintergedanken kann man dann aber doch nie wirklich beiseite schieben, dafür sind die Brücken, die „Sushi Girl“ zu „Reservoir Dogs“ schlägt einfach zu offensichtlich und noch dazu viel zu überspitzt und weniger genial ausgearbeitet. Insofern sollte man den Fugu auf Sushi-Girls Vulva lieber links liegen lassen und ganz bodenständig (und weniger gefährlich) zu Mr. Blondes Soda greifen. Ist auf jeden Fall bekömmlicher.
Zwei vom jungen Schlag – MaceWindu und Huababuar in den Wirren der weiten Filmwelt
Staffel 2: David Fincher
Folge 4: Mace und Hubi als Sklaven des Ikea Nestbautriebs
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Von der „Essenz des gesellschaftskritischen Kinos“ bis hin zum „besten Film aller Zeiten“ bekam „Fight Club“ wohl schon so ziemlich jeden Superlativ des Filmvokabulars verliehen. Für mich, der schon beim ersten Schauerlebnis nie so vor den Kopf gestoßen wurde wie wohl die meisten, weil er den sagenumwobenen Twist schon im Voraus kannte, und Finchers Kultfilm seit jeher für leicht überschätzt hält, ist er keines von beiden.
Eines ist natürlich klar: „Fight Club“ ist mit seinen kreativen Kameraschnitten, unzähligen kleineren Kniffen und der genialen Interaktion zwischen Publikum und Protagonisten (Stichwort Voice-Over sowie Durchbrechen der dritten Wand) nicht nur technisch auf einem ganz hohen Niveau und hat mit Edward Norton und Brad Pitt eine kongeniale Darsteller-Speerspitze zu bieten, es ist auch ein verdammt vielschichtiges Werk. Höchstzynisch, intelligent, witzig, hochexplosiv, grandios durchdacht, durchaus zum Nachdenken anregend und vor allem weltneu.
In gewohnt düsterer Großstadtatmosphäre erzählt Fincher vom buchstäblich müden Arbeiter in der Rückrufabteilung einer Automobilfirma. Ein kleiner Fisch im großen Kapitalismusteich, ein „Sklave des Ikea Nestbaubetriebs“, ein Elendstourist, der Selbsthilfegruppen für Krebs, Inzest und Tuberkulose als Ablassventil missbraucht. Viel schlimmeres Leid zur Bewältigung der eigenen Unzufriedenheit, weil man sich einfach mal öffnen kann: Menschenverachtend, respektlos, unmoralisch ist das und passt damit eigentlich genau in die Welt, die die langsam zum Rebell reifende Hauptperson so sehr verachtet. Es ist die Konsumgesellschaft, die ihn stört, die allgegenwertige Portionierung – der Güter, der Zeit, der Empathie - , der abscheulich monetäre Gedanke des größtmöglichen Kapitalgewinns, der mit vorgeheucheltem Interesse und verlogenen "Wir-wollen-doch-nur-das-Beste-für-Sie"-Gedanken wie eine nervige Wespe am Geburtstagskuchen verscheucht (bzw. vertuscht) werden soll.
Die scheinbare Lösung für ein Universum, das im Überdruss und vollkommener Besitzabhängigkeit seinen Charakter längst abgestreift hat? Der „Fight Club“ – ein Paralleluniversum, das keine gesellschaftlichen Grenzlinien von arm und reich oder jung und alt mehr kennt. Abseits des geregelten (oder im Kontext geschickter ausgedrückt wohl viel mehr reglementierten) Lebens dürfen sich hier der großkotzige Bürohengst-Veteran, die aufstrebende Arbeitsbiene und der kleingeistliche Geringverdiener im Eins-gegen-Eins-Kampf gehörig den Frust aus der Seele und ihrem Kontrahenten ordentlich die Scheiße aus dem Hirn boxen, sofern sie die Regeln des „Fight Club“ nicht missachten, versteht sich. Besitztümer, Hierarchie, Unterdrückung und Manipulation spielen (erstmal) keine Rolle mehr, Anarchie in Reinform.
Ein beeindruckendes, kreatives und in seinen Eckpfeilern durchaus nachvollziehbares Konstrukt, das Fincher als Gegenbewegung, aber auch als hausgemachtes Resultat eines geld- und konsumgesteuerten Systems vorstellt, es am Ende aber ebenso wie die Stützen des Kapitalismus tosend zum Einsturz bringt. Fincher betreibt nicht nur subtile Gesellschaftskritik, sondern richtet sich eben auch gegen das entgegengesetzte Extremum. Das Gebilde der Gesetzlosigkeit zeigt er als zum Scheitern verurteilte Alternative.
Und da liegt meiner Meinung auch schon der klitzekleine Hund von "Fight Club" begraben: Das Geniale und Weltbewegende daran ist eben nicht die Kritik an der vorherrschenden Struktur – die geschieht meistens verbal, nicht immer ersichtlich und bei Weitem nicht bissig genug – sondern die kreative Lösung ihr entgegenzutreten und quasi ihren eigenen Gegenentwurf selbst ebenso als nicht tragbar hinzustellen. Die „Essenz des systemkritischen Kinos“ ist „Fight Club“ deshalb aber noch lange nicht, dafür reißt Fincher mit seiner Konsumschelte das große Ganze noch zu sehr an, verdeutlicht es zu wenig, der Nachklang verhallt schnell – bei mir zumindest. Und „der beste Film aller Zeiten“? Nunja, auch wenn Fincher mit diesem überaus beeindruckenden, psychologisch-philsophischen Stück maßgeblich zu seiner ausgezeichneten Filmographie beigetragen hat, ließe sich darüber natürlich vortrefflich und bekanntlich auch unsachlich diskutieren. Wir könnten uns aber auch einfach im Keller einer Bar zur zünftigen Schlägerei…obwohl, vergessen wir das! Führt nur ins Chaos...
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Wie Marc den Kampf gegen die Gesellschaft um den Ikea-Nestbaubetrieb erlebt hat? Hier lesen: http://www.moviepilot.de/movies/fight-club-2/comments/1396300
Ein toter Junge liegt am Ufer, sein Gesicht zur Hälfte im Sand vergraben. Die Armut, der Krieg, die Ungerechtigkeit des Lebens haben ihren Tribut gefordert. Ich spreche nicht über Aylan Kurdi, den im Mittelmeer ertrunkenen, syrischen Flüchtlingsjungen, der jüngst zum niederschmetternden Symbol der derzeitigen Flüchtlingstragödie, der lang anhaltenden Passivität der westlichen Industriestaaten und der daraus resultierenden humanitären Verantwortung geworden ist. Das Ufer liegt auch nicht an der europäischen Außengrenze, es befindet sich mitten in Zentralmexiko.
„Mexiko?“, wird sich so Mancher gerade bestimmt verwundert fragen. „Ja genau!“, ist die Antwort. Mexiko, das scheinbar so glückselige und temperamentvolle Schwellenland der Sombreros, Nachos und des Tequila. Wo bei uns tagtäglich über einen nicht zu bewältigenden Zustrom aus Syrien, Pakistan, Afghanistan, den Balkan-Ländern und Afrika berichtet, diskutiert und auch lamentiert wird, vergessen viele, dass es sich bei Flucht (ob nun aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen) um ein globales Problem handelt. Und während man hierzulande in diesem Jahr mit gut 800.000 Hilfesuchenden rechnet, überqueren auf der anderen Seite des Kontinents im selben Zeitraum gut 350.000 Mittelamerikaner die Grenze Mexikos zu den USA, die – ähnlich ruhmreich, solidarisch und weltoffen wie Magyarendespot Viktor Orbán – dem Ansturm mittels eines groß angelegten Schutzzauns trotzen wollen.
Sie alle sind auf der Suche nach einem besseren Leben. So auch Willy und Sayra im amerikanisch-mexikanischen Filmdrama „Sin nombre“. Er, ein ehemaliges Mitglied der berüchtigten Jugendgang „Mara Salvatruca“, muss nach einem Verrat an der Ersatzfamilie um sein Leben fürchten und will deshalb so schnell wie möglich mit seinem alten Leben abschließen. Sie, eine honduranische Schönheit, hofft zusammen mit ihrem Vater und ihrem Onkel durch die illegale Einwanderung in die USA auf eine erstrebenswerte Zukunft.
Regiedebütant Cary Fukunaga verwebt diese beiden Schicksale und die zwei ihnen anhaftenden, symbolisierten Brandherde in Mittelamerika – nämlich zum einen eben die Flüchtlingsbewegung in Richtung Norden, zum anderen die Überhand nehmende Banden- und Jugendkriminalität – geschickt und behutsam und zeichnet dabei ein bewegendes Portrait über marode Sozialstrukturen, eine verrohte Welt und die Ängste der Betroffenen.
Lösungen hat Fukunaga nicht parat. Bewusst vermeidet er es, zu politisieren und über die Ebene der bloßen Elendspräsentation hinwegzuschreiten. So ist „Sin nombre“ mehr gelungene Studie der vorherrschenden Bedingungen und Gefahren als tiefgreifender Diskurs, funktioniert aber auch oberflächlich betrachtet dank seiner so kraftvollen, nahbaren, authentischen und grandios verkörperten Charaktere ganz ohne moralisch-politische Komponente als Schicksalsdrama.
Und dennoch: Gewalt als legitimes Mittel, um Machtpositionen zu etablieren und den Lebensunterhalt zu bestreiten, Sehnsucht, Hoffnung und Liebe als helle Lichtstrahlen in einer sonst so düstere Welt, vor allem aber Armut als Ursache allen Leids, als Geißel der Menschheit – „Sin nombre“ lässt alltägliche Probleme wie wir sie in Europa haben plötzlich ganz nichtig, ja fast schon lächerlich erscheinen. Und auch wenn Fukunaga seine Anfangsprinzipien mit der Zeit ein wenig vernachlässigt, sich mit fortlaufender Spielzeit mehr um seine zwei fiktiven Einzelschicksale und weniger um die allgemeine Problematik kümmert und damit kaum merklich etwas ins gängige, leicht kitschige Blockbustertum abwandert, ist sein Erstlingswerk – obwohl es nun schon knapp sechs Jahre auf dem Buckel hat – zeitgemäßer und aufrüttelnder denn je. Aylans Schicksal - das Ende einer Reise, die der dunklen Seite des Lebens den Rücken kehren sollte und jäh in den Gewässern endete, die Krieg von Rettung trennten – ist kein Einzelfall. Die Schwachen und Unschuldigen, die, die ihre Zukunft noch vor sich hatten, trifft es tragischerweise immer als erstes. Nicht nur in Syrien, nicht nur in Afrika, auf der ganzen Welt.
Jake West lädt zum blutig-behämmerten Geschlechterkampf, bei dem sich ein klischeehaft verhaltendes, wild geiferndes, schwanzgesteuertes Männersextett mit einer ganzen Armee fleischeslüsterner Zombiebräute konfrontiert sieht. Eigentlich wollten die befreundeten Inselaffen, genial eingeführt und vorgestellt von West, aber doch irgendwie alle einem gleichförmig machohaften respektive nerdigen und wenig individuellen Losertypus entsprechend, bei ihrer Stippvisite im Provinznestchen Moodley nur das tun, was britische Hohlbirnen eben am besten können: Bei der Frauenjagd mehr Körbe sammeln als Kobe Bryant im Eins-gegen-Eins mit Danny DeVito und saufen wie eine Horde stinkender, unteralkoholisierter Wikinger nach just vollbrachter Weltumseglung. Blöd nur für die trink- und ficklüsternen Amigos, dass sich in ihrer Destination scheinbar die gesamte Aversion gegenüber der britischen Männerwelt angestaut hat.
Ein Affront gegen das Patriarchat in unserer Gesellschaft? Eine subtile Aufarbeitung geschlechtsspezifischer Gräben? Mitnichten! „Doghouse“ ist albern, schwachsinnig und absolut grenzdebil, macht daraus aber überhaupt keinen Hehl. Auch, dass man hier auf der Erfolgswelle des fabulösen „Shaun of the Dead“ mitschwimmen wollte, ist offensichtlich, was allerdings nur ansatzweise gelingt. Die Charaktere sind flach wie der Busen einer Achtjährigen, die Geschichte dramaturgisch etwa auf dem Level einer Haushaltsdebatte im Buxtehuder Stadtrat (ok, vielleicht nicht ganz, aber keineswegs wirklich hoch einzuordnen) und auch ganz allgemein kommt man sich bei der repetitiven Humpelorgie einer Schar verkrüppelter Weiber irgendwann verarscht vor, auch wenn die Prämisse des Films natürlich schon ihre Reize und auch einen witzigen Kernpunkt bietet.
Wäre da nicht dieser feine britische Humor, würde „Doghouse“ vermutlich dennoch im trashigen Mittelmaß der Zombiefilmgeschichte vermodern. Unsere eigenbrötlerischen Nachbarn von der Insel mögen vielleicht nicht Vieles können. Kulinarisch, optisch und auch elfmetertechnisch waren die Briten noch nie voll auf der Höhe, aber Humor? Das können sie. Und selbst wenn man aus UK schon ganz anderes, frequenter Lustiges erleben durfte, so ist „Doghouse“ vielleicht gerade auch wegen seiner permanenten und wacker durchgezogenen Absurdität absolut unterhaltsam, gewitzt und sehenswert, für Frauen aber nur bedingt (oder vielleicht nur unter starkem Alkoholeinfluss) zu empfehlen.
„Was für ein Virus sollte nur Frauen befallen?“ – „Die Vogelgrippe.“
Ungemach macht sich breit in den mittelalterlichen Straßen des beschaulichen Brügge. Dort, wo penible Kassiers pittoreske Kirchtürme bewachen, übergewichtige Ami-Touristen sich viel zu enge Wendeltreppen hochwuchten wollen und ein durchgeknallter Schauspiel-Gnom sich mit Nutten in einer Bar vergnügt, ansonsten aber so ziemlich alles in geregelten Bahnen verläuft, machen die beiden Profikiller Ray (Colin Farrell) und Ken (Brendan Gleeson) nach einem misslungenen Auftrag unfreiwilligen Betriebsurlaub. Lange geht das nicht gut, was nicht zwingend daran liegt, dass Ray im Gegensatz zu seinem Kollegen Ken so gar nichts mit der malerischen Kulisse der gotischen Stadt in Westflandern anfangen kann.
„Wenn ich auf einem Bauernhof aufgewachsen und geistig zurückgeblieben wäre, würde Brügge mich beeindrucken. Aber das bin ich nicht, also tut’s das nicht.“
Es ist schon erstaunlich, dass Regisseur Martin McDonagh schon bei seinem Langspielfilmdebut scheinbar seinen ganz individuellen Stil gefunden hat. Trockene, schwarz- und fäkalhumorige Dialoge, lakonischer Wortwitz und eine explizite Gewaltdarstellung. Der Ire packt so Einiges in seine Skurrilitätenschatulle und formt daraus ein Endprodukt, das für den Kultfilmstempel geradezu prädestiniert ist. Dabei sind es oft nicht einmal linguistische Meisterstücke, die sich Farrell, Gleeson und auch Ralph Fiennes als gewohnt fieser Antagonist da mit unnachahmlicher Schärfe und auch ein wenig Überspitztheit um die Ohren hauen.
„Ray, komm mit, gehen wir.“ – „ Am Arsch gehen wir, die filmen Gnome.“
Doch „Brügge sehen… und sterben?“ kann auch ganz anders. Schon vom melancholisch wirkenden Klaviergeklimper in den urigen Gässchen des „beschissenen Brügge“ angekündigt, offenbart McDonaghs aberwitzige Gangster-Groteske nämlich urplötzlich eine andere Seite, schlägt ganz diverse Töne an, wenn es um den Hintergrund der Auftragsmörder-Erkundungstour in der belgischen Provinz geht. Hinter der urkomischen Fassade stecken geschundene, schuldbehaftete Seelen, verletzliche Individuen, so lasterhaft und doch so sympathisch. Vor allem Farrell spielt sich in diesen Momenten mit einer äußerst ambivalenten Darstellung in den Vordergrund.
Und auch McDonagh ist sich der Dialektik des genialen Drehbuchs stets bewusst und weiß damit umzugehen. Das Pendel zwischen Tragik und Komik lässt er kontrolliert in beide Richtungen ausschlagen und findet dabei ein erstaunlich angenehmes Gleichgewicht, ohne je den Fokus auf seinen wirklich speziellen Sinn für Humor zu verlieren. „Brügge sehen… und sterben?“ sehen… und nicht begeistert sein? Das geht nicht! Ein komödiantischer Glanzpunkt des 21. Jahrhunderts mit wohl dosiertem, schwerfälligen Unterton.
Jedes Mal, wenn sich in „Band of Brothers“ Michael Kamens wundervoller Soundtrack (https://www.youtube.com/watch?v=Gec7OUrj87M) in verschiedensten Variationen, manchmal heroisch voluminös, manchmal ganz seicht, über die Bilder der Verzweiflung, des Schreckens, aber auch der Zuversicht und Brüderlichkeit legt, wenn die damaligen Veteranen am Anfang jeder Episode den Tränen nahe von ihren Erfahrungen berichten und sich Minuten später ihre Schauspieler-Pendants mit letzter Kraft den Weg durch Europa bahnen, erreicht die Kriegskinematographie eine nie zuvor dagewesene Intensität und Emotionalität, die man schlichtweg erlebt und gefühlt haben muss!
"From this day to the ending of the world... we in it shall be remembered. We lucky few, we band of brothers. For he who today shed his blood with me shall be my brother." - Henry V
Wie man Pathos und Heroismus ins rechte Licht rücken kann, das beweist HBO hier in Zusammenarbeit mit Tom Hanks und Steven Spielberg ganz eindrucksvoll. In erster Linie geht es nämlich nicht um Deutschland und die USA, nicht um die bösen Krauts und die gütigen Amerikaner, wie es in so vielen thematisch ähnlich angesiedelten Produktionen der Fall ist. Das zeigt diese rührende Aussage eines amerikanischen Kriegsveteranen über die unterlegenen Deutschen:
„I’ve thought that man and I might’ve been friends. We might’ve had a lot in common. We might’ve liked to fish. He might’ve liked to hunt. You never know. Of course they were doing what they were supposed to do, and I was trying to do what I was supposed to do. But under different circumstances we might’ve been good friends.“
„Band of Brothers“ hat einen viel breiteren, differenzierteren Horizont zu bieten als ein Großteil der glorifizierenden Propaganda, die aus den Staaten nur allzu oft herübergeschwappt kommt. Vielmehr geht es um Zusammenhalt, um Kameradschaft, um Aufopferungsbereitschaft und den Willen, für den Mann neben sich sein Leben zu lassen. Bewusst richtet sich der Blick auf eine eingeschworene Gruppe von Soldaten, die Easy Company, deren Weg wir – auf Tatsachenberichte gestützt – vom Ausbildungscamp in Georgia, über die Stationierung in England, die Normandie, die Ardennenschlacht und den Kampf um den Rhein im Elsass bis nach Deutschland ins Reich des Feindes begleiten dürfen. "Band of Brothers" funktioniert wie ein stringentes Tagebuch dieser Männer, wie eine fast schon reale Reise, der man als Zuschauer beiwohnt.
Für zehn Episoden darf man sich an die Fersen von Buck, Malarkey, Nix und all die anderen herausragend und individuell gezeichneten Charakterköpfen heften, ein Teil von ihnen sein, mit ihnen fühlen, leiden und lachen, sie in den erschreckend realistisch eingefangenen Gefechten begleiten und sehen wie ihre Bindung jeden Tag stärker und stärker wird. Denn so makaber es klingen mag: Der Krieg brachte nicht nur Leid und Tod, sondern auch Freundschaften fürs Leben mit sich. Die Befreiung eines Konzentrationslagers, monatelange Stellungskriege in den verschneiten Wäldern Belgiens, der D-Day. Momente, die sich einbrennen ins Gedächtnis, die zusammenschweißen, die einen nie mehr loslassen – das wird einem in den Interviews mit Major Winters und Co. klar. Wir sehen keine Soldaten, wir sehen Menschen. Und Brüder.
"I treasure my remark to my grandson who asked, ´Grandpa, were you a hero in the war?‘ Grandpa said, `No... but I served in a company of heroes‘.“ - Major Richard "Dick" Winters
Eine Kompanie voller Helden, ja das waren sie wohl. Und wenn man "Dick" Winters das mit glasigen Augen so sagen hört, eindrucksvolle Bilder folgen und man wieder mit den charakterstarken Figuren der E Company, die der Greis vor über 70 Jahren angeführt hat, mitfiebern darf, dann sind Tränendrüse und Nackenhaare meinerseits wieder voll auf Betriebsmodus gestellt.
Authentisch, packend, mitreißend, aufwühlend, niederschmetternd und gleichzeitig hoffnungsvoll, einfach superb. Für „Band of Brothers“ kann man gar nicht genügend Adjektive finden. Bewegender, näher und vor allem aussagekräftiger wird Krieg nie wieder verfilmt werden.
„Die drei Tage des Condor“ entlarvt und kritisiert gleichermaßen Amerikas streitbaren Geheimdienstapparat, der nach Watergate und Vietnam mit erheblichen Image-Problemen zu kämpfen hatte. CIA-Agenten waren in den Augen der aufgerüttelten Gesellschaft plötzlich keine ehrenhaften Verfechter von Staatssicherheit mehr, sondern Teil eines autoritären, korrupten, intriganten und amoralisch handelnden Regimes, dessen perfide Maßnahmen zur Geheimhaltung Kollateralschäden im eigenen Lager nicht immer ausschlossen. Natürlich ein gefundenes Fressen für Hollywood, das die aufgeheizte Stimmung „in the land of the free“ (denkste…) wohlwollend aufnahm, auf den Zug mit aufsprang und im Rahmen der New Hollywood-Bewegung eine Reihe solcher systemkritischer Paranoia-Thriller wie eben „Die drei Tage des Kondor“ publizierte.
Stilistisch nüchtern aber immer mit einem guten Gespür für seinen Handlungsort New York skizziert Regisseur Sydney Pollack eine bis ins kleinste Detail codierte, anonymisierte und doppelzüngige Welt, in der sich das Individuum höchsten Geheimhaltungsstufen und dem Wohle der innerstaatlichen Eliten unterordnen muss, selbst wenn das eine Kugel im Kopf und eine verfälschte Mordmeldung in den lokalen Nachrichten bedeutet. Pollack bricht dieses zeitlose, großflächig praktizierte Thema auf das Schicksal des Geheimdienstlers Joseph Turner (Robert Redford) herunter, der für die CIA in Büchern und Journallien nach versteckten, hilfreichen Strategien oder Hinweisen für die Regierung sucht und nach einem Anschlag auf seine Außenstelle, den er der Mittagspause wegen als Einziger überlebt, untertauchen muss.
Warum und weshalb wer wem jetzt eigentlich nach dem Leben trachtet, bleibt quasi bis zum Ende hin unklar. Bis das große und verworrene Netz an Intrigen entsponnen ist, setzt „Die drei Tage des Kondor“ mehr auf Indisposition als auf Konfrontation. Wir sehen den ängstlichen Turner, dem die mächtige Millionenmetropole New York trotz ihrer Größe keinen Schutz zu bieten scheint. Ein fortwährendes Gefühl des beobachtet seins und verfolgt werdens nagt am Zuschauer und sorgt für ordentlich Atmosphäre. Und sollte Turner dann doch einmal auf seine Widersacher treffen, lässt Pollack das ganz nüchtern, trocken und ohne großartig reißerische Aufmachung geschehen – in heutigen Zeiten von pompös inszenierten Actionszenen und Verfolgungsjagden unvorstellbar.
Doch genau dadurch überzeugt diese ultraspannende Hatz durch den Big Apple, die nach schlichtweg perfekter Exposition nur ganz wenige kleine Durchhänger und eine vermeidbare Klischee-Romanze zu verzeichnen hat. Latenter Thrill, gänzlich unspektakulär, fokussiert auf eine unwohlsame und packende Grundstimmung und seine gesellschaftskritische Haltung. Viele halten das für überholt und nichtmehr zeitgemäß, ich nenne es nostalgisch und absolut sehenswert! Geradliniges und gelungenens Anti-Konventions-Kino der 70er im Stile von „Die Unbestechlichen“ (1976).
Eigentlich hätte „The Book of Eli“ wunderbarste Voraussetzungen mitgebracht, um ein gelungener Blockbuster zu werden. Ein ödes Brachland als Kulisse mit dem trostlosen Charme eines Endzeit-Westerns. Eine stark an die „Mad Max“-Reihe angelehnte Postapokalypse, in der Anarchie, Frauenverachtung und Rohstoffknappheit vorherrschen und ein Despot und seine Armee auf die Jagd nach zwei einsamen Wanderern gehen. Und schließlich eine Phalanx an bekannten Schauspielern, die sich voll und ganz auf ihre Stärken beschrenken kann. Denzel Washington eben auf seine trockene Coolness, Mila Kunis aufs gut Aussehen und Gary Oldman einfach nur aufs verrückt sein.
Doch anstatt das Grundszenario vollstens auszunutzen, werden sich die Hughes-Brüder der Tragweite ihrer dystopischen Grundgedanken nie wirklich bewusst. Stets bleibt es bei einer oberflächlichen Herangehensweise an die durchaus komplexe Thematik - ob nun die Hauptfiguren oder aber die düstere Zukunftsvision betreffend. Motive, Hintergründe und tiefgehende Charakteristika der Protagonisten sucht man vergeblich. Viel lieber überspannt „The Book of Eli“ sein Leitmotiv Religion, schleudert unzählige Bibelzitate in die scheinbar ewige Weite der Wüste und verfällt somit in enervierende Glaubenslobpreisungen, um im Fachjargon zu bleiben. Glaube als vitalisierende Kraft, als einziger Lebenssinn. Gott, der Beschützer, Schöpfer und Führer in schlechten Zeiten. Und mittendrin der bibeltreue Eli (Denzel Washington), der störrig durch den Sand trottet und als tatkräftiger Gläubiger mal so eben schnell urchristliche Werte wie Nächstenliebe und Solidarität oder Gottes Gebot „Du sollst nicht töten“ in den Papierkorb seiner Matschbirne verbannt.
Nicht nur deswegen wirkt „The Book of Eli“ an vielen Stellen unrund. Die äußerst brutalen, gelungen abgedrehten und geschnittenen Actionsequenzen passen ebenso wenig zu einem Film mit derart religiösem Überbau wie die in selbigen Einstellungen immer wieder auftretende, deplatzierte Komik, die meist von einer kurzen, abgehakten und eigentlich ja auch äußerst gelungenen Dialogführung rührt, nur eben so gar nicht ins Gesamtkonstrukt passen mag. Am Ende hat man da nichts Halbes und nichts Ganzes. Einen passablen Actionfilm mit grandioser Szenerie und altertümlichen, penetrant und romantisiert transportierten und auch vollkommen realitätsfernen Botschaften. Früher, da sind die Kolonisten wenigstens aus verständlichen Gründen wie Gold, Wohlstand oder Wohnraum Richtung Westen gezogen, in „The Book of Eli“ reicht schon eine eindringliche Stimme im Kopf und ein dickes Buch in der Hand.
Will uns der alte Krawallkopf Uwe Boll etwas über die Probleme unserer Welt erzählen („Rampage“), so hat das zumeist etwas von der hochnotpeinlichen Naivität und Oberflächlichkeit eines Til Schweiger, wenn er sich mal wieder pressewirksam in dutzenden ZDF-Talkshows über braunes Gesindel, Kinderschänder und Co. echauffiert. Leicht ist es natürlich immer, stumpfsinnig und undifferenziert mit dem Finger auf „die Schuldigen“ zu zeigen – sei es nun mit emotionalen Wutreden à la Nuschelsepp Schweiger oder mit maßgeschneidert vorwurfsvollen, hölzern wirkenden Dialogen und regelrechter Gewaltpornographie wie in Bolls „Darfur“. So ganz wird man den Eindruck nie los, dass der Meister der Polarisation wichtige Themen instrumentalisiert und missbraucht, um sich an seiner übersteigerten Krudität zu bereichern. Doch trotz seiner simpel gestrickten Vorschlaghammer-Taktik nach dem Motto „Seht her, wie schlimm es da unten zugeht und wer daran Schuld hat“ packt dieses Werk über Rassenkonflikt, Leid, Verzweiflung und einen der schlimmsten Genozide der Weltgeschichte ungemein, es scheint ausnahmsweise mal eine Herzensangelegenheit von Boll gewesen zu sein.
Altbekannte Schwächen tun sich in „Darfur“ dennoch auf. Die obligatorische Wackelkamera rührt wohl einfach daher, dass Boll seinen Kameramann mittlerweile scheinbar in jedem seiner Werke mit Stromschocks ans Set zerren muss und auch der hektische Schnitt trägt mehr zu einem unübersichtlichen Gesamtbild und stechenden Kopfschmerzen als zu einer überzeugenden Doku-Optik bei. Genial wird die Kameraarbeit nur dann, wenn Boll die Augen seiner Protagonisten fokussiert – mal angsterfüllt, mal verzweifelt, mal voller Hass. Ein tiefer Einblick in die Seele traumatisierter Existenzen. Ohnehin hat „Darfur“ seine stärksten Momente in seinen ruhigeren Szenen, in denen Zivilisten den Journalisten ihre Leidensgeschichte diktieren, die Missstände ganz ohne Effekthascherei deutlich werden und Boll das mit einer – und das muss ich, auch wenn es schwer fällt, so sagen – wirklich perfekt ausgewählten Filmmusik unterlegt, wenngleich der explosive Gewaltausbruch ab etwa der Hälfte des Streifens seine angepeilte Wirkung auch keineswegs verfehlt. Babys werden den vergewaltigten Müttern aus dem Arm gerissen und aufgespießt, Kinder werden erschossen, Menschen zusammengetrieben und grausam ermordet. Packend, rau, ungeschönt, unerträglich und doch augenöffnend. Da ist dem renitenten Rüpel-Regisseur ausnahmsweise wirklich einmal ein „Bollwerk“ gelungen.
Gerade vielleicht auch deswegen, weil hier weniger subtil, durchdacht und artifiziell, sondern eher reißerisch, wenig anspruchsvoll und mit der Brechstange auf eine Problematik hingewiesen wird, ist „Darfur“ genau der richtige Film für jenes bildungsferne Publikum, das gegen die „schmarotzenden und kriminellen Flüchtlinge“ poltert. Boll gibt sich mal wieder als gewaltfetischistisches Enfant terrible. Doch diesmal geht die Rechnung größtenteils auf.
"Let's Marvin Gaye and get it on!"
Wer schlecht drauf ist, anhören. Nach oben gezogene Mundwinkel garantiert. Achja, Meghan Trainors Hintern ist jetzt auch nicht von schlechten Eltern :)
https://www.youtube.com/watch?v=igNVdlXhKcI
„Gut“ und „Böse“ – zwei Eigenschaften und regelrechte Eckpunkte der menschlichen Charakteristik, die uns in der Filmwelt tagtäglich plakativ vorgekaut werden . In Clint Eastwoods „Perfect World“ gibt es so eine Augenwäscherei nicht. Da ist unter den Hauptfiguren kein auf dem Präsentierteller serviertes Feindbild, das den Argwohn des Zuschauers ertragen muss. Da ist kein klassischer Held ohne Ecken und Kanten. Jener, der der Einfachheit halber oft nur allzu gerne eine klare Trennlinie sucht, um sich daran festzuhalten, wird in diesem so tiefsinnigen und feinfühligen Road-Movie-Drama, das sich fast schon melancholisch im wohligen Flair der 60er Jahre suhlt, irgendwann resigniert aufgeben. Die meisten von Eastwoods Hauptcharakteren fallen nämlich durch das klassische Schwarz-Weiß-Raster. Sei es nun der mitunter unkontrolliert aggressive und dennoch gutherzige Kindesentführer Butch (Kevin Costner), die strenge, herrische, aber auch liebende Mutter seines Opfers Phillip oder aber der störrisch-harte Chief Red Garnett (Clint Eastwood), der seiner Arbeit doch irgendwie pflichtbewusst nachgeht. Allesamt befinden sie sich in einer nicht messbaren Grauzone auf der Sympathie-Skala.
Es ist aber nicht nur diese Ambivalenz der Figurenzeichnung, die „Perfect World“ weit über das gängige Modell einer klassischen Kriminalgeschichte hinaus hebt. Eastwood baut vordergründig nicht besonders auf oberflächliche Merkmale wie sichtbare Brutalität, Action oder andere Eye-Catcher. Seine Arbeit ist subtiler, lebt mehr von Emotion, Sympathie und erheiternder Skurrilität, ist aber gleichzeitig absolut packend und mitreißend. Der Altmeister erzählt von einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einer verkorksten Seele und seiner Geisel. Kein Stockholm-Syndrom etwa, nein, es ist eine echte, eine tiefgründige Bindung, die den kleinen Phillip und seinen Entführer Butch vereint. Vater-Sohn-Komplexe werden langsam aufgedeckt, ein Blick ins Innenleben der Protagonisten nach und nach gewährt und kurz vor dem herzzerreißenden Finale offenbart Eastwood schließlich seine zum Nachdenken anregende Botschaft: Gewalt hat ihren Ursprung oft in der Kindheit und den dort erlebten Ereignissen. Die Jugend ist verletzlich, ist formbar und eine Vaterfigur in dieser Zeit unentbehrlich. Dieser Gedanke ist es, der Butch und Phillip so zusammenschweißt.
Eastwood stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass ihm neben der standesgemäßen Verkörperung des griesgrämigen, Kautabak spuckenden Sheriffs auch die Rolle des Regisseurs ausgezeichnet steht. Ruhig und nahezu poetisch langsam baut er seine Geschichte auf, füllt seine Charaktere behutsam mit Leben und fokussiert vor allem das mimische Spiel von Kevin Costner und T.J. Lowther in den Hauptrollen.
„Perfect World“ ist sehenswert, lädt aufgrund seiner bedrückenden Grundstimmung aber nicht wirklich zum wiederholten Konsum ein, ist herzerwärmend und dann wieder niederschmetternd, ist so wunderschön und am Ende doch fast unerträglich, ist im Grunde genommen genauso dualistisch und zwiespältig wie die Personen, über die er erzählt.
Die Sprache zu befremdlich, die Duschen zu klein, die Menschen zu freundlich und wahrscheinlich auch die Leuchtreklamen zu hell. Tokio, du fleischgewordener Kulturschock! Wenn Jetleg, eine vollkommen andersartige Lebensweise und das frustrierende Anhängsel namens Ehepartner zwei völlig differente Individuen zusammenbringt und eint. Getrieben von Einsamkeit, innerlicher Leere und dem Gefühl des Verlorenseins entsteht eine vor Individualität und Magie nur so strotzende Beziehung zwischen einem abgehalfterten Schauspieler (Bill Murray) und einer noch jungen, die Reisebegleitung für ihren Gatten gebenden Ehefrau (Scarlett Johansson). Altruismus im Großstadtdschungel quasi. Keine Liebe. Keine wirkliche Freundschaft. Eher eine zweckorientierte, auf viel Sympathie und Zuneigung basierende Seelenverwandtschaft, die Halt gibt, die triste Alltäglichkeit ihrer Reise vereinfacht, aber auch seelische Gräben offenlegt und die Reflexion über das eigene Dasein fördert.
Melodramatisch, magisch, menschlich. „Lost in Translation“ ist in jeder Hinsicht etwas Besonderes. Zwischen die legere Atmosphäre von Zigarre und Whiskey in der hoch über der Millionenstadt thronenden Hotelbar, den verruchten Charme der Clubs und Restaurants dutzende Stockwerke weiter unten und dem nüchtern eingefangenen, wuseligen Treiben der pulsierenden Ader Japans mischt sich eine Menge Melancholie, Authentizität und gleichsam eine gewisse den wehmütigen Grundtenor durchbrechende Leichtigkeit. Diese Reise bietet nicht nur Tragik, sondern auch reichlich (Situations-)Komik, hat nicht nur Elegie, sondern auch viel Frohsinn und Lockerheit in sich.
Gemächlich lässt Sofia Coppola den herrlich selbstironischen Murray und die so mitleidserregend-zerbrechliche Johansson aufeinandertreffen und zueinander finden, schwelgt gerne und ausschweifend in trübseligen Momenten, um nur Augenblicke später die gedrückte Stimmung mit lässigem Culture-Clash-Humor wieder aufzutauen. Und wenn „Lost in Translation“ zur ultimativen Krönung seiner so echten Geschichte kommt, wenn die Reise kurz vor dem Ende steht, der Abschied unvermeidlich ist, dann zählen kleinere Widrigkeiten wie die unverständlichen Schriftzeichen und die zu kleine Duschkabine nicht mehr. Dann geht es nur noch um die beiden Menschen, die da auf der belebten Einkaufsstraße in Tokio stehen, verloren und doch irgendwie am richtigen Platz, um ihre Gefühle, ihre Probleme und ihre Beziehung zueinander.
Dirk, der alte Wolkenwegschieber! :) Äußerst sympathische Antworten, amigo!
Da freut man sich nach einem stressigen Arbeitstag und hartem Eistraining auf ein kühles Bier und gutes Essen auf der elterlichen Couch und dann läuft sowas im TV :o
Rettet mich!
Es ist ein immer wieder vorkommendes, filmisches Stilmittel, das ich wohl nie so richtig begreifen und in den meisten Fällen höchstwahrscheinlich stets kritisieren werde: Das Ende seiner Geschichte schon in der ersten Szene als Quasi-Prolog zu verwenden. Robert Rodriguez tat es in „Sin City“, ohne jedoch irgendwelche Details der Story vorzugreifen. Christopher Nolan ging in „Memento“ mit gänzlich anderer Façon an dieses Phänomen heran, indem er eine neue Erzählweise begründete und eine Geschichte in zwei verschiedenen Zeitebenen – eine davon eben rückwärts laufend – vortrug. Beides gleichwohl genial und den kommenden Handlungsverlauf nicht behindernd. Kari Skogland aber setzt dem Zuschauer schon in der ersten Szene von „50 Dead Men Walking“ vor, wie der Werdegang des Protagonisten voraussichtlich zu Ende gehen wird, nur um seinen Weg danach komplett linear bis zum sich eben dann wiederholenden Ende weiterzuerzählen.
Ganz so tragisch ist das nicht, schlägt„50 Dead Man Walking“ ganz zum Schluss doch noch einmal einen kleinen Haken, weiß trotz kleinerer inszenatorisch unsauberer Marginalien, weitestgehend mitzureißen und mit seiner authentisch anmutenden Kulisse der nordirischen Hauptstadt Belfast und ihrer suburbanen, in Folter, Terror und Krieg versunkenen Ausläufer zu überzeugen. Ein Schmelztiegel in den ausgehenden 80er Jahren als Sinnbild für Gewalt, Diskriminierung und Unzufriedenheit, ungefiltert, rau und schonungslos bebildert. Ob Skogland den Dreiparteienkonflikt zwischen katholischer IRA, protestantischen Unionisten und der britischen Polizei wahrheitsgemäß widergegeben hat, ist schwer einzuschätzen. Fesselnd ist die angeblich wahre Geschichte über den Doppelspitzel Martin, den keine Sympathien, sondern vielmehr das Elend und die Perspektivlosigkeit vor dem Hintergrund seiner noch jungen Familie in die simultane Dienstschaft für IRA und britischer Staatsmacht getrieben haben, aber allemal.
Auch wenn es der brillante Hauptcast um Jim Sturgess und Sir Ben Kingsley vermuten lässt, „50 Dead Man Walking“ ist wahrlich kein großer Film, sondern vielmehr ein durch seine Thematik äußerst interessantes Werk mit B-Movie-Charakter und vielen kleinen Mängelchen, das durch die sich immer weiter zuspitzende Lage seiner tragischen Hauptfigur und seine ungeschönte Brutalität einiges kompensieren kann. Schockierend wird so manchem blinden Europäer vor Augen geführt, dass sich die hässliche Fratze des Menschen in Form von kriegerischen Auseinandersetzungen in der jüngsten Vergangenheit nicht nur in der arabischen Welt, in Afrika und in der ehemaligen Sowjetunion gezeigt hat. Auch „der Westen“ wusste vor noch nicht allzu langer Zeit, was es heißt, wenn Menschenrechte ausgehebelt und Leute mit Gewalt diskriminiert, verfolgt, gefoltert und getötet werden, vor allem aber wie eigenbrötlerisch unsere Spezies naturgemäß in Ausnahmezuständen agiert: Jeder will angeblich nur das Leben der Seinigen retten. Der Zweck heiligt alle Mittel und somit sind jegliche Auswüchse des Konflikts legitimiert. Im Endeffekt aber geht es neben der Sicherung der eigenen Interessen vor allem um die Rettung eines ganz bestimmten Körperteils. Und das - nur um einen kleinen Hinweis zu geben - sieht die auf den britischen Inseln ohnehin raren Sonnenstrahlen nicht allzu oft.
Zwei vom jungen Schlag – MaceWindu und Huababuar in den Wirren der weiten Filmwelt
Staffel 2: David Fincher
Folge 3: Ahnungslos durch San Francisco
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Investmentbanker Nicholas van Orten (Michael Douglas) ist reich. Sehr sogar. Ein patentierter Anzugträger, Sesselpupser und Großkotz eben. Angekommen im Leben, möchte man meinen. Doch was jemandem zum Geburtstag schenken, der augenscheinlich schon alles (Materielle) besitzt? Sein Bruder Conrad (Sean Penn) entscheidet sich für ein obskures Spiel einer ominösen Firma, das dem Beschenkten Dinge geben soll, die er zuvor nie hatte, und stellt damit nicht nur Nicholas, sondern auch den stillen Zuseher vor die Grenzen der psychischen Belastung.
Denn dieses verquere Rätsel ist so einfach nicht zu entwirren. Protagonist und Zuschauer befinden sich stets auf dem gleichen Wissensstand. Nur ein Spiel oder plötzlich bitterböser Ernst? Albtraum oder doch der Weg zur lang ersehnten Katharsis? Realität oder Einbildung? Nichts ist so wie es scheint in „The Game“. Der Weg ist das Ziel, heißt es immer so schön. Nur ist der Weg zur Wahrheitsfindung für Nicholas und uns ein sehr weiter und steiniger. Eine knapp zweistündige Achterbahnfahrt voller Schrauben, Loopings und wild geschlagener Haken.
David Fincher drückt dabei eigentlich nur sehr behäbig aufs Tempo und findet dennoch dank kontrolliertem wie stetigem Spannungsaufbau einen fast perfekt feinjustierten Erzählduktus, der nur ganz selten winzige Durchhänger zu verzeichnen hat. Finchers Trumpf ist sein perfektes Timing und das Gefühl dafür, wann die Spannungsschrauben gehörig angezogen und wieder leicht gelockert werden müssen. „The Game“ strahlt eine enorme Intensität gepaart mit einem omnipräsenten Gefühl der Ahnungslosigkeit aus und hat zudem noch mit Douglas einen Hauptdarsteller zu bieten, der den zwielichtige, nach außen hin souveränen, innerlich aber zerrissenen, einsamen und traumatisierten Millionär brillant verkörpert.
Bis zum Ende spannt Fincher Pfeil und Bogen, lässt den Zuschauer gebannt auf die Auflösung warten, verfehlt schlussendlich dann aber durch ein totgetwistetes und etwas zu glattes Finale leider das Bull’s Eye. Die dauerhafte Angespanntheit muss einem leichten Hauch von Enttäuschung weichen. Und dennoch ist „The Game“ mit einzelnen Abstrichen ein überaus sehenswerter Thriller geworden. Extrem spannend, verwirrend und unterhaltsam auf der einen, durch seine tragische Hauptfigur subtil kritisch und an die Moral appellierend auf der anderen Seite. Denn was bringt schon Geld, was bringt Erfolg und was bringt Intelligenz, wenn man charakterlich und psychisch ein einziges Wrack ist?
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Bevor Marc für zwei Wochen im hohen Norden Deutschlands in See sticht, hat er noch einen kurzen Abstecher zu van Orten nach San Francisco gemacht: http://www.moviepilot.de/movies/the-game-3/comments/1380909
Ahoi, Matrose! Wir lesen uns dann im Rahmen unserer Reihe in zwei Wochen wieder :)
Über Tim Burton lässt sich wahrscheinlich genauso viel sagen wie über Sleepy Hollow, jenes kleine Nestchen, gelegen in düsteren Wäldern, das nicht gerade zum hausieren einlädt und ein unwohles Gefühl versprüht. Einzigartig sei der Regisseur, bunt, bizarr und von den meisten Filmfans geliebt. Warum, das weiß ich nach meiner ersten Erfahrung mit dem amerikanischen Exoten auch nicht wirklich. Ja, die Liebe zum Detail und gelungene Kostümierung sind gleichsam anerkennenswert. Ja, das neblig-trübe Bild von Sleepy Hollow ist äußerst überzeugend. Und ja, Johnny Depp als skurriler, rechtschaffener Polizist in einer archaischen Zeit der Folter und der kriminalistischen Unachtsamkeit und auch Christopher Walken als sagenumwobener kopfloser Reiter passen mit ihrem gewohnt extravaganten Auftreten in Burtons schrulliges Schauermärchen wie der böse Wolf in Großmütterchens Kleider.
Doch wird man (oder zumindest ich) den Eindruck nicht los, dass „Sleepy Hollow“ in jeder Pore standardisiert und glattgebügelt ist, dass man hier eine in groben Zügen gruselige, blutige, aber irgendwie auch leicht naive, auf pure Unterhaltung getrimmte Kindergeschichte mit ironischem Unterton vorgesetzt bekommt, die zu jedem Zeitpunkt schreit: „Seht her, ich bin ein Fantasy-Blockbuster!“ Ein in seiner Machart und dem Schauspiel eher der Familienunterhaltung angelehntes Werk mit nervig-überfrachteter Filmmusik. Für Genrefans (zu denen ich mich wohl selbst in 100 Jahren nicht zählen werde) mag Burtons märchenhaftes Gebilde aus Mythos, Realität, Zwischenwelt und Traumsequenz eine wahre Offenbarung sein. Ich allerdings hätte mir etwas mehr Mut und Entschlossenheit gegen den Mainstream, gegen die kindliche Verspieltheit und zu mehr echtem Horror und Grusel gewünscht.
Zwei vom jungen Schlag – MaceWindu und Huababuar in den Wirren der weiten Filmwelt
Staffel 2: David Fincher
Folge 2: Sieben Sünden – und zwar nicht nach DJ Ötzi
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„Ernest Hemingway once wrote: The world is a fine place and worth fighting for. I agree with the second part.“
Sieben Tage, sieben Todsünden und sieben Morde. Der perfide Plan des selbstgekrönten Messias John Doe raubt dem Morddezernat einer amerikanischen Großstadt den Atem. Ein Moloch wie es im Buche steht. Regnerisch, dreckig, düster. Ein Sumpf aus Lastern, Perversion und Brutalität. Trägheit, Völlerei, Habgier, Wollust, Hochmut, Neid und Zorn spielen hier eine zentrale Rolle. Jeden Tag, an jeder Straßenecke und jeder toleriert es.
Doch David Fincher kanalisiert seine pessimistische Gesellschaftsansicht nicht ausschließlich durch John Does Taten. Auch Detective Somerset (Morgan Freeman) hat längst erkannt, dass sich die Gewaltspirale im amerikanischen Großstadtkosmos immer schneller drehen, die Straßen mit Blut getränkt sind und solch eine Welt nicht lebenswert ist.
„It’s easier to lose yourself in drugs than it is to cope with life. It’s easier to steal what you want than earn it. It’s easier to beat a child than raise it.“
„Sieben“ ist zum Einen ein subtiles Klagelied auf die marode, abgründige Urbanität, ihr minderwertiges Leben darin und das Paradoxon der Einsamkeit und Anonymität trotz hoher Menschendichte. Zum Anderen – und das dürfte für den Großteil des Publikums wohl viel mehr von Belangen sein – ist Finchers Zweitlingswerk wohl der beste Psychothriller aller Zeiten. Ein Manifest der Spannung, des Schauers und des Nervenkitzels. Eine zweistündige Ermittlungsarbeit mit Gänsehautfaktor, der wohl genialsten Täterauflösung der Filmgeschichte (sofern man den Namen des Schauspielers nicht gespoilert bekommt) und einem Finale, das man schweißtreibender nicht auf Leinwand hätte bannen können.
Die Perfektion und das Gespür für die effektvollsten Momente in Finchers noch jungen Regiejahren sind dabei verblüffend. Schon früh kristalisiert sich ein ganz eigener, unnachahmlicher Stil heraus: Verregnete, trostlose Städte, eine beeindruckende Intensität, ein relativ geringer Anteil an actionlastigen Szenen. „Sieben“ ist der beste Beweis dafür, dass es für einen packenden Thriller nicht unbedingt ein schnelles Tempo und eine übertriebene Rasanz in einzelnen Szenen braucht, dass auch akribische Investigativarbeit fesselnd visualisiert werden kann.
Fincher setzt neben der packenden Serienkiller-Story im Neo-Noir-Stil und den so charakterisierenden, musikalisch wie auch visuell perfekt untermalten Spannungsspitzen vor allem auf eine bedrückende, nervenaufreibende Atmosphäre und vielschichtige Hauptcharaktere mit Profil. Morgan Freeman und Brad Pitt stellen nicht nur (in zu erwartend großartiger Manier) ein diametrales Detective-Duo da. Sie sind zwei Individuen mit eigenen Sorgen, mit eigenen Zukunftsplänen und vor allem mit einem eigenen Blick auf ihre von Fincher so angeprangerte Umgebung.
„Sieben“ vor seinem Ableben nicht gesehen zu haben, das wäre die achte Todsünde der katholischen Theologie. Thrill, Horror, Ekel und Gesellschaftsanklage im wirkungsvollen Einklang. Ein Film, der mitreißt, schockiert und auch irgendwie wachrüttelt. Denn die Aussage dieses Meisterwerks ist nicht zu leugnen. Und um dieses Statement auszudrücken, handelt Fincher überspitzt formuliert nach dem gleichen Credo wie John Doe: Der einzige Weg, den Menschen ihr sündenhaftes Leben aufzuzeigen, ist, etwas zu tun, das nicht ignoriert werden kann. Und „Sieben“ kann nicht ignoriert werden.
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Marc war weniger begeistert von Finchers Thrilleressenzwerk. Warum, lest ihr hier: http://www.moviepilot.de/movies/sieben/comments/1371627
Kleine Info am Rande: Nächste Woche wird es aus urlaubstechnischen Gründen keine Folge geben. Auch ein Langzeitarbeitsloser wie ich muss mal ordentlich und vor allem alkoholreich ausspannen und sich auf Kreta mit den Jungs eine schöne Zeit machen. Bis dahin wünsche ich euch eine schöne Sommerwoche, genießt das Wetter, schaut gute Filme! Wir lesen uns dann ab Ende nächster Woche wieder :)
Huababuar guckt SchleFaZ #7: Der Dampfhammer von Send-Ling
Asiaten lachen bekanntlich rund um die Uhr. Situationsunabhängig und dauerhaft. Doch „Der Dampfhammer von Send-Ling“, die Speerspitze des hirnverbrannten Hongkong-Schmierentheaters muss doch selbst dem letzten hundefutternden Individuum (Achtung: Humor!) die Schamesröte ins Gesicht treiben lassen und für tief sitzende Merkel-Mundwinkel sorgen. Dieses miese Martial-Arts-Malheur sudelt sich so sehr im karikativen Klamauk, dass mir die Peking Ente von heute Mittag glatt wieder hoch kommt.
Die Schauspieler hat man mal so eben vom Reisfeld aufgegabelt und sie im Handumdrehen die Kampfchoreographien einer chinesischen Kong-Fu-Vorschulklasse einstudieren lassen. Ein genialer Schachzug! Zumindest, wenn man den billigsten Schrott aus Fernost seit den Tamagotchis produzieren will. Die überkandidelte, absolut lächerliche Mimik der Darsteller im Stile eines Maddin Schneiders auf Halluzinogenen enerviert ebenso wie das desaströs-dilettantische Drehbuch. Da hilft dann auch die lediglich in Ansätzen erheiternde, parodistische Synchronisation auf Bayerisch, Kölsch, Schwäbisch, Berlinerisch, Sächsisch und Tuntisch herzlich wenig. Ein Chinese, der in bajuwarischer Offenheit ein zünftiges „Sie san für mi bloß a Würzlsepp!“ ausruft? Zum letzten Mal hab' ich so gelacht, als ich mit Darmverschluss auf der Kloschüssel saß.
In dem Moment, als Koenigsegg, Bugatti, McLaren, Lamborghini und Co. zum fulminanten Finale auf der spontan und natürlich illegal zur Rennstrecke umgezüchteten Landstraße aufeinandertreffen, hat der Autorennfilm (das zweite 'n' ist hier signifikant) der vergangenen Jahre seinen beeindruckenden Höhepunkt erreicht. Reifen drehen durch, der Asphalt quietscht, die Motoren brüllen und ein auf mehrere Millionen Dollar dotierter Pulk an Luxusvehikeln schlängelt sich elegant und rasend schnell durch die Kurven Westkaliforniens. Gefilmt in innovativen und immerzu gelenkigen Kameraeinstellungen kann der Zuschauer den Anpressdruck der vierrädrigen Monster fast schon spüren, den Benzingeruch förmlich riechen.
Bedauerlicherweise steht diese perfektionierte, leider viel zu selten zum Vorschein kommende Automobilästhetik, auf sehr dünnen Beinen, die unter der schweren Last der Eindruck schindenden Inszenierung verdächtig zu ächzen und zu knarzen beginnen. Wie ein Lincoln Town Car wird „Need for Speed“ im Stile einer Stretch-Limousine künstlich ausgeweitet. Regisseur Scott Waugh begeht damit einen der elementarsten Fehler des Filmemachens und wälzt seine magere, schmeichelhaft umschrieben wenig charakterfördernde und partiell wirklich holprig vorgetragene Story auf ganze 131 Minuten aus. Warum, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Leerlaufphasen und Sand im Getriebe des Erzählduktus sind dadurch allerdings vorprogrammiert.
Dass man bei der Verfilmung eines Car-Racing-Computerspiels nicht Motorengeräusche brummend und vollends mitfiebernd vor dem Fernsehgerät in psychedelischer Ekstase verfallen würde, war zu erwarten. Etwas mehr als ein talentierter Hauptdarsteller, eine gut aussehende Begleitung und die Stilsicherheit in den viel zu raren Rennszenen hätte es dann aber schon sein können.
Mit zweischneidiger Klinge spaltet Brett Ratner in seiner Hercules-Neuinterpretation Gemüter und lässt die Träume derjenigen, für die der uneheliche Sohn des Zeus seit der erfolgreichen Disneyverfilmung ein persönlicher Held war, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken wie Seifenblasen zerplatzen. Mit Hercules‘ Entmystifizierung und Degradierung zum einfachen Söldner, dessen göttliches Geschlecht stets infrage gestellt wird und sich einzig und allein in The Rocks stählernem Körper und seiner Statuen zerberstenden Kraft wiederspiegelt, geht der erfahrene Actionregisseur („Rush Hour“) ein bewusstes Wagnis ein, dem man auf jeden Fall Respekt entgegenbringen muss, das einigen aber verständlicherweise auch sauer aufstoßen wird. Zu bewusst lässt er seinen imposanten Wrestling-Hünen von einer martialischen Schlacht in die nächste ziehen, zu lapidar hakt er die Vergangenheit seines Helden samt seiner sagenumwobenen zwölf Aufgaben ab, um sich so schnell wie möglich den Konformitäten der etablierten und leider auch sehr tumben Actionneuzeit zu widmen: Der frequentierten Gewalt, den knackigen Sprüchen und auch dem ziemlich einfallslosen Drehbuch sowie flachen, aber auch ganz amüsanten Charakteren.
Der Halbgott der griechischen Mythologie ist filmtechnisch voll im Zeitalter des 21. Jahrhunderts angekommen, prügelt, schlitzt und schießt sich durch ganz Thrakien und weiß dabei trotz aller berechtigter Kritik verdammt gut zu unterhalten. Die Actionchoreographien sitzen ebenso gut wie die eindrucksvollen Rüstungen der Soldaten, die Teil einer wirklich großartigen Kostümierung sind. Wer durch „Hercules“ auf die Reinkarnation des Sandalenfilms gehofft hat, würde die Macher sicherlich nur zu gerne in Hades‘ Totenreich sehen, sollte aber gleichzeitig einmal seine eigene Naivität bedenken. „Hercules“ erfüllt nämlich genau das, wofür er konzipiert wurde: Blutiges Gemetzel mit einer Menge Testosteron-Überschuss und einer schön ausformulierten Binsenweisheit am Ende. Das darf jeder anklagen, verurteilen und legitimerweise ankreiden, dass er den Wunsch nach weitaus Größerem, Epischerem und Mitreißenderem einmal mehr nicht erfüllt bekommen hat. Ob diese hohen, auf bloßer Begierde basierenden Maßstäbe einem Film, der das alles gar nicht sein will, sondern sich selbst nur auf sein Spektakel reduziert, gerecht werden, sei allerdings mal dahingestellt.