huababuar - Kommentare

Alle Kommentare von huababuar

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    Für die Einen ist es ein Tag, an dem der lange gehegte, so hart erkämpfte Traum Profi-Football endlich Realität werden könnte, die finanziellen Probleme ein Ende hätten und die Plackerei der vergangenen Jahre einen richtigen Sinn bekäme. Für die anderen, die Teammanager, geht es um reinen Erfolgsdruck – sowohl persönlich als auch teambezogen. Es geht um Titel, um Glanz und Gloria, um den perfekten Deal. Die Rede ist vom Draft. Dem Ereignis, bei dem im amerikanischen Profisport aufstrebende Talente wie am Viehmarkt verschachert, ausgewählt und getauscht werden.

    „Draft Day“ gibt einen detaillierten und vielschichtigen Blick auf dieses stark vom europäischen Sport- und Kulturverständnis divergierende Scouting-System und tut damit genau das, was man in „Jerry Maguire“ schmerzlich vermisst hatte: Ein aufschlussreiches Portrait der Sportbranche hinter den Kulissen, fernab der Blitzlichtgewitter geben. Auch wenn Ivan Reitman mit seiner Hauptfigur Sonny Weaver jr. (Kevin Costner) und ihrer tragischen Geschichte genauso in die Klischee-Falle tritt und sich der Sogwirkung, die eine menschliche Tragödie beim Publikum hinterlässt, nicht erwehren kann, ist „Draft Day“ um einiges sportbezogener als das Spieleragenten-Schnulzen-Pendant um Tom Cruise. Manager telefonieren hektisch miteinander, Spieler bangen, zittern, biedern sich an und Vereinseigner scheinen ohnehin nur am lamentieren zu sein. Sämtliche Hierarchiestufen werden hier durchleuchtet. Flott, visuell einwandfrei und in seiner Erzählung äußerst wendungsreich.

    Gewiss muss man für diese spezielle Thematik ein gewisses Maß an Interesse aufbringen können. „Draft Day“ ist in unseren Gefilden ein Nischenprodukt. Kein Film für die breite Masse, dessen sollte sich jeder bewusst sein. Sportenthusiasten und Sympathisanten des amerikanischen Profisports ist dieser kurzweilige Film jedoch wärmstens zu empfehlen. Und wer (verständlicherweise) mit Jennifer Garner nicht so ganz klar kommt, der bewundert wie ich einfach nur den eleganten Kevin Costner.

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      huababuar 27.07.2015, 04:59 Geändert 31.07.2015, 01:12
      über Alien³

      Zwei vom jungen Schlag – MaceWindu und Huababuar in den Wirren der weiten Filmwelt
      Staffel 2: David Fincher
      Folge 1: Alien³ - ohwei, ohwei?
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      Die Sommerpause ist überwunden. Marc und ich braungebrannt, gut gelaunt und voller Elan mit unserer Bewertungsreihe in die zweite Runde zu starten und die Filmographie eines weiteren Regietalents genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Entscheidungsfindung fiel uns dabei zugegebenermaßen ziemlich schwer. Verschiedene Kriterien mussten ausgelotet werden. Welcher Regisseur ist reizvoll genug? Hat er ausreichend Material abgedreht, um daraus eine Reihe zu machen? Und vor allem: Wie und zu welchem Preis kommen wir an seine Filme? Ihr müsst wissen, Marc und ich sind ziemlich arme Schlucker. Er gerade mit der Schule fertig geworden, ich kurz vor meinem Studium. Da kann man sich nicht mal schnell zehn DVDs anschaffen, ohne dass das einen erheblichen Einfluss auf den Haushaltsplan nimmt. Also wurde fleißig die vorrätige Sammlung gecheckt, um einzelne Exemplare erweitert, auf Amazon Prime recherchiert und unter euren zahlreichen Vorschlägen, mit denen wir sicher noch bis zur Rente weitermachen können (danke dafür!), schließlich David Fincher ausgewählt. Heißt: Ab jetzt geht es jeden Montag in chronologischer Reihenfolge einem Werk des ehemaligen Werbe- und Musikvideofilmers an den Kragen. Bevor ich euch aber mit meinem nervigen Geschwafel langweile und ihr vermutlich noch wegklickt (was ich natürlich unter allen Umständen vermeiden will), gehen wir lieber gleich in die Vollen und starten mit seinem Spielfilmdebüt: „Alien³“

      Wenn ihr mich fragt, eine ziemlich unglückliche Auswahl für einen Erstlings-Film, wandelt man doch in Fortsetzungen immer auf einem schmalen Grat: Die Zufriedenstellung der Fans des Vorgängers, Eigenständigkeit und Kreativität, um keinen bloßen Abklatsch darzustellen, Erfolgsdruck und der hinter vorgehaltener Hand immer wieder aufkeimende Vorwurf – ob nun berechtigt oder nicht - ohnehin bloß ein Ausschlachtungsprodukt eines Franchise zu sein, das nichts Neues mehr zu erzählen habe. Fortsetzungen und auch Reboots schreiben im Box Office aufgrund ihres klangvollen Namens zwar oft eindrucksvolle Zahlen, haben es bei Kritikern aber meistens nicht leicht. Davor waren auch „Alien³“ und David Fincher nicht gefeit.

      Und vergleicht man den dritten Teil mit Scotts Sci-Fi-Horror-Essenzwerk aus den späten Siebziger Jahren („Die Rückkehr“ habe ich nicht gesehen), so ist das eher verhaltene Echo des Publikums auch durchaus verständlich. Finchers Interpretation weist bei Weitem nicht diese bedrückende und immerzu bedrohliche Atmosphäre auf, wie sie in Teil eins omnipräsent war. Zum Einen liegt das daran, dass ein mit recht schäbigen Kulissen ausgestattetes Endzeit-Gefängnis, das an sich aber ein doch überzeugend trostloses, verregnetes, postapokalyptisches Szenario bietet, selbstredend nicht dieselbe klaustrophobische Wirkung einer engen, kleinen Nostromo versprüht. Zum Anderen am seltsam animierten Alien, das wie ein Fremdkörper in seiner Umgebung wirkt und sich nahtlos in die Liste der doch recht mittelmäßigen visuellen Effekte einreiht. Vor allem aber ist dieser Zustand einem in der ersten Hälfte äußerst schläfrigem, inhaltlich leerem und nicht wirklich auf den Punkt kommenden Drehbuch, was angesichts der Tatsache, dass noch während der Dreharbeiten daran gefeilt wurde, nicht verwundert. Zu müßig ist der Spannungsaufbau, zu entbehrlich einige Szenen, zu deplatziert die religiöse Metaphorik, instrumentalisiert von den inhaftierten Glaubensbrüdern.

      Etwas Hoffnung gibt einem zu diesem Zeitpunkt lediglich Sigourney Weaver, die in ihrer wegweisenden Rolle als starke, emanzipierte Heldin Ellen Ripley aufblüht und ihr gesamtes Kollegium in den Schatten stellt. Einmal mehr findet sie sich in einem Mikrokosmos wieder, der ihr als weibliches Individuum zunächst feindselig gegenübersteht, ihr Geschick und ihre Führungskraft in Ausnahmesituationen dann aber nach und nach neidlos anerkennen muss. Dann aber, wenn mit einem geschickten Twist die Katze aus dem Sack gelassen wird, die Spannungs-schrauben endlich einmal angezogen werden und sich die Gänge und Kammern der Anstalt schließen, öffnen und zu einer labyrinthischen Todesfalle für die Protagonisten verwandeln, ist Weaver nicht der einzige Glanzpunkt in „Alien³“ und Fincher gibt einen Ausblick darauf, was in Sachen Thrill und Spannungsentladung noch in aller Regelmäßigkeit von ihm kommen sollte. Das Publikum beobachtet gebannt, die Lage spitzt sich immer mehr zu und schließlich kriegt Ripley im äußerst dick aufgetragenen Finale ihren verdienten und gelungenen Abgang. Ein Ende, das auf alle Fälle zufrieden stellt, die offensichtlichen Anlaufschwierigkeiten aber auch nicht vergessen machen kann.

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      Auch Marc war angesichts Finchers untypischer Anfänge äußerst erstaunt. Lest hier mehr: http://www.moviepilot.de/movies/alien/comments/1366723

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        huababuar 24.07.2015, 18:32 Geändert 24.07.2015, 19:20

        „Das ist mir alles nicht wichtig. Weißt du, wir haben noch viel Zeit. Ich kann dir auch noch mehr zahlen. Du kannst trinken, was du willst. Nur geh nicht. Das ist alles, was ich will. Unterhalte dich oder hör mir zur, nur geh nicht!“

        Es sind die Worte eines innerlich gebrochenen Mannes. Eines morbiden Menschen, der alles verloren hat - Familie, Beruf, den Sinn des Lebens – und für den Whiskey, Cognac und Tequila die letzte Ausflucht zur Trauerbewältigung und zur Bekämpfung seiner Einsam- und Erfolglosigkeit bedeuten. Da wo für den gescheiterten Drehbuchautor Ben Sanderson der amerikanische Traum ein jähes Ende nimmt, sein Leben und seine Existenz am Abgrund stehen, beginnt für ihn ein Lebensabschnitt des Verderbens: Vollkommene Lethargie und Selbstentfremdung in dauerberauschtem Zustand. In Las Vegas, der Stadt der Sühne, der menschlichen Laster, des Glückspiels und auch der käuflichen Liebe, die ihm in Person von Callgirl Sera ein wenig Licht im Dunkeln spendet, will er seinen verzweifelten Plan, sich zu Tode zu saufen in die Tat umsetzen.

        Dass Nicolas Cage sich nur allzu gerne in außergewöhnlichen Rollen sieht und diese in exaltierter Schauspielmanier verkörpert, gehört längst zu seinem Markenzeichen. Wie sehr er aber in „Leaving Las Vegas“ in der Figur des depressiven Alkoholikers aufgeht, ist fast schon erschreckend. Störendes Overacting? Fehlanzeige! Cage spielt gewohnt drüber, tut das aber so perfektioniert, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass auch der Schauspielstar selbst das Gefühl des volltrunkenen Zustands nur allzu gut kennt. Erschütternder wurde das Thema Alkoholismus wohl noch nie verbildlicht.

        Neben Cage und dem starken Soundtrack, der abwechselnd in klassischen und jazzigen Klängen gehalten ist, rührt die unfassbar bindende Kraft von „Leaving Las Vegas“ aber auch von der herausragenden Elisabeth Shue, die als Sera mit Ben eine ziemlich einzigartige, wenn auch nicht immer ganz nachvollziehbare Beziehung eingeht und den zweiten, empathiebedürftigen Charakter stellt, der einen so leicht nicht loslässt. Beide haben ihre eigenen schwerwiegenden Probleme. Ben eben mit dem Alkohol, Sera mit ihrem Job als Prostituierte und der Gewalt und Missachtung, der sie dadurch täglich ausgesetzt ist. Beide wissen um die Macken des anderen, akzeptieren sie, stützen einander, machen Zugeständnisse, hören zu, vertrauen und geben Freiräume.

        Es ist diese mutige Andersartigkeit, die „Leaving Las Vegas“ weit über das Standartromanzenniveau hinaushebt, die Mike Figgis‘ Werk zu etwas ganz Besonderem macht. Er sinniert nicht über eine romantisierte, alles und jeden schönredende Liebelei mit Höhen und Tiefen und einem möglichst zufriedenstellenden Happy End. Das wäre zu einfach, klischeehaft und schlichtweg uninteressant. Viel lieber lässt er sein Publikum eintauchen in eine so tragische, äußerst pessimistisch gehaltene, aber auch sehr ehrliche Beziehung zweier Verlierertypen, zweier Ausgestoßener der Gesellschaft, die sich durch ihre Liebe zueinander versuchen hochzuziehen, früher oder später aber einsehen müssen, dass jede Hoffnung zu spät kommt. Denn am Ende, da läuten keine Hochzeitsglocken, da gibt es als letzte Szene keinen innigen Kuss zweier frisch Vermählter auf den ein glückseliges Geplänkel im Hintergrund folgt. Darauf deutet der deutsche Alternativtitel schon hin. Am Ende von „Leaving Las Vegas“ stehen noch immer Leid, Unerfülltheit und systematische Selbstzerstörung. Eine verkorkste Seele, wie Ben selbst sagen würde.

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          huababuar 21.07.2015, 01:06 Geändert 23.07.2015, 14:01

          Sylvester Stallone hängt mit braungebrannter Haut, aufgespritzten Oberarmadern und noch nicht ganz so ramponierter Botox-Fresse in einer Steilwand im Herzen der Rocky Mountains. Auf den ersten Blick ein irgendwie ungewohntes Bild, sieht man Sly in seinen Filmen meistens eher mit vollautomatischen Waffen oder Boxhandschuhen als mit Kletterhaken und Rettungsseil bewaffnet. Doch eigentlich geben der kantige Actionheld und die ebenso harte und schroffe Bergwelt gar keine schlechte Symbiose ab. Regisseur Renny Harlin katapultiert das übliche Procedere der sinnbefreiten No-Brainer Action ins eindrucksvolle Panorama der Peripherien Colorados und erzeugt so einen wahrlich erfrischenden Esprit, durch den „Cliffhanger“ zurecht zu einem absoluten Kultfilm der 90er gereift ist, selbst wenn sich die Storyline nicht großartig von vergleichbaren Actionthrillern mit klassischer Gut-Böse-Struktur unterscheidet: Auf der einen Seite die Kapitalistenschweine, die einem Koffer voller Geld hinterherjagen und – getrieben von ihrer Gier – alle Hemmungen fallen lassen. Auf der anderen Seite der stählerne Stallone in einer mehr oder minder tragischen Figur, die Dollar-Scheine schon gerne mal als Zündstoff für ein Lagerfeuer verwendet.

          Stallone, in der Blütezeit seiner Jahre, spielt verhältnismäßig gut und gehört neben dem herrlich overactendem Antagonisten John Lithgow zu den darstellerischen Glanzpunkten. Am Imposantesten aber ist der Drahtseilakt als Prolog, der inszenatorisch (hervorragende Kameraeinstellungen und –schwenks) und spannungsmäßig genreintern neue Grenzen überschreitet und unter Garantie nicht nur bei Akrophobikern für schweißnasse Hände sorgt. Es verwundert nicht, dass Harlin diese atemberaubende Brisanz nicht hochhalten kann und so wandelt „Cliffhanger“ nach anfänglich akutem Adrenalin-Überschuss so ein wenig in den genormten Actionthriller-Regionen, ohne sein zweifelsohne in großer Menge vorhandenes Maß an Grundspannung einbüßen zu müssen. Erst gegen Ende verliert Stallones Bergabenteuer merklich den Faden, flacht ab und endet in einem künstlich herausgezögerten 0815-Finale mit viel Tam-Tam und wenig Erinnerungswert. Hätte Harlin dieser Versuchung widerstanden, wäre "Cliffhanger" ein herausragender und nicht nur ein guter Beitrag in Stallones Klopperfilm-Portfolio geworden.

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            huababuar 20.07.2015, 02:49 Geändert 21.07.2015, 00:21

            Huababuar guckt SchleFaZ #6: Mega Python vs. Gatoroid

            Nüchtern betrachtet, sofern das bei Erzeugnissen der Beklopptengenossenschaft The Asylum überhaupt möglich ist, gibt „Mega Python vs. Gatoroid“ nicht nur einen weiteren, grenzenlos amateurhaften Beitrag in der Kategorie der Tierhorror-Kackfilme, sondern auch ein entlarfendes Abziehbild der White-Trash-Stars-and-Strips-Gesellschaft im Land der unbegrenzten Idiotie ab: Durch die Bank weg eher unterbelichtet und nicht gerade mit der größten Geistesgegenwärtigkeit, dafür aber allesamt mit dem hauseigenen Revolver, bewaffnet, geben sich großkotzige Megatittendespotinnen in Uniform, hungerhakige Pseudo-Tierschützerinnen und so manch anderer verblendeter Heini ein gemütliches Stelldichein in den Everglades und sagen den Gesetzen der Natur, der hiesigen, (mutierten) Tierwelt, dem guten Filmgeschmack und der allgemeinen Verträglichkeit an Hirnzellen zerstörendem Schwachsinn den knallharten Kampf an.

            Kann die Trashfilm-Branche allen Ernstes und mit vollkommener Bewusstheit einen gesellschaftskritischen Subtext mit dem Schwerpunkt ökologische Nachhaltigkeit, Tierschutz und exzeptionalistisch-verblendetes Gedankengut der Amerikaner in sein grenzdebil-schlechtes CGI-Gewixxe einbauen oder ist dieser recht negativ und äußerst unvorteilhaft gestaltete Querschnitt der US-Bevölkerung nur zufälliges Beiwerk (und damit höchstwahrscheinlich ein Ausdruck eigener Unfähigkeit)? Während so mancher Konsument mit Resthirnanteilen sich repititiv diese eine Frage stellt, wird die Libido des gemeinen Scheißfilm-Fanatikers mit genügend Alkohol im Blut vorbildlich befriedigt. Das Kapital der Hauptdarstellerin Tiffany beschränkt sich ausschließlich auf ihre beiden aufgeblasenen Melonen oberhalb des Bauchnabels und ihre fiese Gnadenlosigkeit beim gepflegten Bitchfight während einer feierlich-adretten Veranstaltung. Auch ihre Schauspielkollegen/-innen bemühen sich sehr, für die Grimasse einer Erstklässler-Strichmännchenzeichnung eine ernstzunehmende Konkurrenz darzustellen und passen sich auch dem sprachlichen Niveau dieser Altersgruppe hervorragend an. Da stößt der inflationäre Gebrauch des in den Staaten wohl geläufigen Fachterminus „Schlampe“ respektive „Bitch“ schon fast unangenehm sauer auf. Ein wahrlich erheiterndes und durch seine Tumbheit äußerst humoristisches Manifest des Asylum-Gesamtwerks. Und das ist ausnahmsweise mal nicht mit einem Augenzwinkern gemeint.

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              huababuar 15.07.2015, 01:06 Geändert 15.07.2015, 14:39
              über Xanadu

              Huababuar guckt SchleFaZ #5: Xanadu

              Ein Film mit X, das war wohl nix! Zum ersten Mal wendet sich das Tele5-Gütesiegel des schlechten Geschmacks der hollywoodesken Kinematographie zu und erlebt ein filmisches Fiasko der untersten Qualitätsstufe. In „Xanadu“ hilft Muse Kira (Olivia Newton-John) dem Schallplattenvergrößerer (?) Sonny (Michael Beck) aus einer Schaffenskrise und inspiriert ihn, stets umrandet von knallbunten Neonfarben, dazu, gemeinsam mit dem alternden Orchester-Spieler Danny (Gene Kelly) eine Rollschuhdisco zu eröffnen. Klingt hanebüchen, ist hanebüchen und obendrein noch absolut grenzdebil.

              Althellenische, mythologische Hochkultur badet sich zusammen mit einer kitschigen Musical-Lovestory im Zeitkolorit der 80er Jahre. Jener „funkigen“ Dekade der gepflegten, modischen Geschmackslegasthenie, der uniformiert-peinlichen Männerlanghaarfrisuren, der Nerdbrillen, Ganzkörpertrainingsanzüge, Synthesizer, der klassischen Discos, Karottenhosen und eben der im Film mehrfach zum Einsatz kommenden Rollschuhe. „Xanadu“ ist genau das in puristischer Reinform, ein Glitzergewitter verfeinert mit filmischer Inkompetenz.

              Angefangen bei vermeintlich kleineren, dafür umso nervigeren Aspekten wie den Überblenden mit den zugehörigen Soundeffekten, die genauso gut vom ersten selbstproduzierten Video eines Youtube-Greenhorns stammen hätten können, über Schauspieler mit der Überzeugungskraft einer einsamen Straßenlaterne im Bayerischen Wald (einzige Ausnahme unter Umständen Gene Kelly), bis hin zu viel zu langen, wenn auch nicht ganz dem bescheidenen Niveau des Films als solchem entsprechenden Musiksequenzen, die dafür sorgen, dass der Story eigentlich überhaupt keine Bedeutung zukommt.

              Irgendwie ist „Xanadu“ wie so ein schrecklich buntes und vollkommen geschmackloses Batik-Tunten-T-Shirt, das bei H&M ganz jungfräulich in den unteren Regalen verweilt. Knallig, ausgefallen und doch einfach nur scheiße. Der kurze Anflug von Kreativität, als Musikaufführungen der 40er und 80er Jahre miteinander verschmolzen werden, unterwirft sich dann auch schnell dem grundlegend dilettantischen Unterbau, der zugleich eine Masse an Filmfehlern mit sich bringt, die Peter Rütten und Oliver Kalkofe nur noch resigniert mit den Worten „Xanadu halt“ kommentieren.

              Ja, „Xanadu“ halt. Einzigartig. Psychedelisch. Eine über 96 Minuten verfilmte Drogenperversion. Wer schon immer einmal wissen wollte, wie LSD und Ecstasy im Einklang miteinander wirken, der kann mit diesem doof-dämlichen Discokugel-Dilemma einen wagemutigen Selbstversuch starten.

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                huababuar 14.07.2015, 15:47 Geändert 14.07.2015, 15:59

                „Ich bin Vollwaise. Mein Bruder ist schwul, meine Schwester hat ganz Chicago mit Tripper angesteckt, Mama säuft, Papa spuckt Blut und ich habe Ringerflechte, Fußpilz und unheilbare Hodenfäule! Und das Einrücken hat mich um die Chance gebracht, Gehirnchirurg zu werden! Leute, ihr habt kein Problem… außer mir!“

                Mit ostensivem Zynismus begegnet Regisseur John Irvin im recht unbekannten Vietnam-Kriegsdrama „Hamburger Hill“ der Unmenschlichkeit des Krieges. Die Nutten sind hübsch, Briefe in die Heimat umsonst, das Wasser im Dschungel warm genug zum Plantschen und der ein oder andere darf im subtropischen Dickicht seinem Rassismus freien Lauf lassen. Doch was anfänglich aussieht wie ein extravaganter Gruppenurlaub in Südostasien offenbart sich alsbald als Hölle auf Erden. Sexistische und prollige Mannsbilder mit stereotypischer Soldatenattitüde, Connaisseure der Vulgärlinguistik zerschellen mit ihrem Ego an der undurchdringlichen Wand des Krieges, bestehend aus Furcht, Drill, Verzweiflung und Grausamkeit, degenerieren zu ängstlichen Schulbuben mit unermesslicher Sehnsucht nach der Heimat.

                So einfach die Geschichte hinter „Hamburger Hill“ auch ist und man fortwährend eine Gruppe von Infanteristen beobachtet, die sich – einer Sisyphus-Arbeit gleichend – unter Beschuss einen matschigen Hügel heraufschleppen muss, dabei immer einen Schritt nach vorne und zwei nach hinten geht und schnell die Sinnlosigkeit ihrer Mission und allgemein dieses Krieges realisiert, so zielführend ist auch die bittere, augenöffnende Wahrheit und Botschaft hinter diesem Einsatz. Irvin gelingt die Mischung aus angesprochenem Zynismus und knüppelharter Kriegsrealität nur zu gut. Knackige One-Liner wissen ebenso zu gefallen wie eine nicht ganz makellose, weil gering budgetierte und doch äußerst authentische Inszenierung mit typischem 80er Jahre Kriegsfilm-Charme, auch wenn die Gefechtsszenen vor allem am Anfang recht dürftig ausgefallen sind.

                Mit seiner quasi non-existenten Charakterzeichnung, die gesichtslose Soldaten als Bauern auf einem riesigen, blutigen Schachfeld vorsieht, schießt sich Irvin dann aber mehrfach selbst ins eigene Knie. Vor allem Courtney B. Vance spielt groß auf, das ist unbestritten, doch sind die Figuren, die er und seine Schauspielkollegen ausfüllen müssen, allesamt viel zu flach, zu entbehrlich, hart gesagt schlichtweg zu uninteressant geraten, als dass „Hamburger Hill“ zu irgendeinem Zeitpunkt zugänglich, mitreißend und emotional wäre. Ein Umstand, der in diesem Genre schwer ins Gewicht fällt und angesichts der ansonsten wahrlich gelungenen Arbeit und das eben trotz geringer, zur Verfügung stehender Mittel, äußerst bedauernswert ist.

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                  huababuar 11.07.2015, 17:31 Geändert 11.07.2015, 18:18

                  In Athen soll ein Denkmal für interkulturelle Solidarität gebaut werden, was vier Kioskbesitzer – einer davon mit auffälligem Deutschland-Aufnäher auf dem Mantel - dazu veranlasst, auf die Barrikaden zu gehen. Das Geschäft läuft nicht gut, Kunden gibt es nicht und so mutieren die Eingänge ihrer Geschäfte zu Fußballtoren. An Sarkasmus ist „Kleine Wunder in Athen“ aus heutiger Sicht wirklich nicht zu übertreffen. Und so sehr man es sich auch wünscht: Hier geht es leider nicht um die Lösung der finanziellen Krise wie man angesichts des verheißungsvollen Titels vielleicht vermuten möchte, sondern um Stavros. Einen Mittfünfziger, der die Ressentiments gegenüber ausländischen Arbeitskräften noch nicht ganz überwunden hat, ein bescheidenes Leben mit seiner dementen Mutter führt, bis plötzlich ausgerechnet ein Albaner auftaucht und behauptet, sein längst verschollener Bruder zu sein.

                  „Griechenland hilft allen, in die EU zu kommen. Wir haben der Türkei geholfen und jetzt helfen wir auch noch Albanien?“

                  Es sind diese Stammtischparolen, in denen sich herauskristallisiert, dass der Grieche in Filipos Tsitos‘ Komödie auch noch ein echter Grieche sein darf: Emotional, patriotisch, philosophisch. Da wird am helllichten Tag über Musikgeschmack, Geld, Einwanderer und alles diskutiert, was den kleinen Arbeiter im maroden Athen mit seinen überfüllten Krankenhäusern, den heruntergekommenen Vierteln und den von latentem Rassismus durchfluteten Gassen bewegt. Auf lockere Art legt Tsitos das offen, transportiert ein Stück weit griechisches Lebensgefühl und kanalisiert es vor allem durch seine rohe, ungeschönte Atmosphäre Athens – eine zwar schmutzige und doch virale und charmante Stadt mit typisch südländischem Flair.

                  Komödiantischen Hochgenuss braucht man von „Kleine Wunder in Athen“ nicht erwarten. Dafür laufen zu viele Pointen ins Leere, dafür greifen nicht alle Zahnräder reibungslos genug, auch wenn die Darsteller allesamt auf hohem Niveau agieren. Was am Ende – und da lässt sich über den mittelprächtigen humoristischen Anteil zweifelsohne hinwegsehen – bleibt, ist der Aufruf zu Menschlichkeit, zur Toleranz, zur Ablegung von vor allem in Neid um den Arbeitsplatz begründeter Ausländerfeindlichkeit in einer Gesellschaft, die immer ein wenig mit überbordendem Nationalstolz und rechtem Gedankengut zu kämpfen hatte. Kleines Kino von aktueller Brisanz mit großer, mutiger Botschaft.

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                    huababuar 10.07.2015, 00:30 Geändert 10.07.2015, 00:34

                    „I never had any friends later on like the ones I had when I was twelve.“

                    Was war das schön, als man noch zwölf war. Da wurde noch mit dem kleinen Finger oder auf die Mutter geschwört, da wurde im Wald Soldat gespielt, da wurden auch mal Lausbubenstreiche gespielt. Gordie, Chris, Teddy und Vern treiben es vor allem mit Letzterem auf die Spitze. Sie tun Sachen, die man in ihrem Alter eigentlich nicht tun sollte: Black-Jack spielen, rauchen, fluchen, klauen und doch können sie die kindliche Abenteuer- und Entdeckungslust, die sie raus aus ihrem Prärienest mitten hinein in die Wälder Oregons treibt, um dem Geheimnis einer mysteriösen Leiche nachzugehen, nicht abschütteln. Es sollte eine ganz besondere Reise werden. Eine Reise, auf der sie Werte wie Zusammenhalt oder Loyalität neu kennenlernen, auf der sie, die meinen, sie hätten keinen Platz in der großen, weiten Welt, sich selbst entdecken und auf der sie nicht nur dem großen Unbekannten, sondern auch dem eigenen Ich mit seinen ganz eigenen Problemen entgegentreten.

                    „We talked into the night. That kind of talk that seemed important until you discover girls. [..]. Mickey’s a mouse, Donald’s a duck, Pluto’s a dog. What’s Goofy?“

                    Kindliche Unbekümmertheit trifft auf jugendlichen Leichtsinn, Freude und Leichtigkeit auf tief innewohnende Zukunfts- und Verlustängste. Rob Reiners „Stand by me“ ist ein herausragendes Werk über die Freundschaft, durchzogen von einer solch nostalgischen Melancholie, dass man stellenweise gefangen ist zwischen freudigen Kindheitsgefühlen und der Sehnsucht nach dieser Zeit. Es ist der beste Beweis dafür, dass es keine ausgefeilte Story braucht, um den Zuschauer vollends zu kriegen. Was genügt, ist eine kurze, aussagekräftige und liebenswerte Geschichte, ein toller und emotionaler Soundtrack (mit verschiedenen Arrangements des titelgebenden Songs „Stand by Me“), mit Oregon eine Kulisse, die Gefühle wie Freiheit und Unbeschwertheit perfekt transportiert und schließlich Jungschauspieler, die trotz geringer Erfahrung herzzerreißend spielen. River Phoenix, dem hiermit der Durchbruch gelang, liefert mit einer unfassbaren Nonchalance mal so eben nebenbei eine der wohl besten Kinderdarstellerleistungen aller Zeiten ab.

                    Die Hauptcharaktere von Steven Kings angeblich leicht autobiographischer Buchvorlage zeichnen sich durch stark unterscheidbare Typik aus und passen wunderbar zusammen: Der ruhige, besonnene, introvertierte und intelligente Gordie. Chris, der mutige und selbstlose Redeführer mit dem Herz am rechten Fleck. Mit dem aufgedrehten und aufbrausenden Teddy einen Unsympathen in der Gruppe, wenn man so will. Und den dicklichen, tollpatschigen und doch so knuffigen Vern, der es nicht leicht im Leben hat und doch alles mit Humor zu meistern vermag. Eine Clique, die einen einfach zurückzieht in die Zeit, als man selbst noch zwölf war, die einen mitnimmt auf ihr Abenteuer, noch einmal Kind sein lässt. „Stand by Me“ weckt ganz spezielle Gefühle, auch wenn meine Kindheit noch keine Ewigkeit zurückliegt.

                    Und dann, wenn Reiner seine Freundschaftsparabel auf tragische Weise zu Ende erzählt hat, wenn er seine harte, wahre Botschaft, dass Freunde kommen und gehen, nicht für ewig bleiben müssen, dass jeder seinen eigenen Weg gehen wird, vermittelt hat, wenn nach der Schlusssequenz Ben E King seinen Welthit zum Besten gibt, dann bekomme ich die volle Breitseite ab. Aus einem Auge kullert die ein oder andere Träne, das andere strahlt verkrampft. Es ist irgendwie eine Ambivalenz aus Freude, Sehnsucht, Wehmut, und ja, auch die gleichen Verlustängste, die unsere vier Pappenheimer hatten, kommen auf. Ein schöner und gleichwohl durch seine Schlussaussage unglaublich bewegender und traurig stimmender Film, der sich schon nach der ersten Sichtung den Weg in mein Filmherz erkämpft hat. Und das kommt wahrlich selten vor.

                    „When the night has come and the land is dark
                    and the moon is the only light we’ll see.
                    No, I won’t be afraid, oh, I won’t be afraid,
                    just as long as you stand, stand by me.

                    So darling, darling, stand by me, oh, stand by me.
                    Oh, stand, stand by me, stand by me.

                    If the sky that we look upon should tumble and fall
                    or the mountain should crumble to the sea.
                    I won’t cry, I won’t cry, no, I won’t shed a tear
                    just as long as you stand, stand by me.
                    And darling, darling, stand by me, oh, stand by me.
                    Oh, stand now, stand by me, stand by me. [..]“

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                      Das Spiel des Lebens gleicht eigentlich einer Runde Monopoly: hart umkämpft ist es, kapitalistisch – jeder will ein Stück vom Kuchen abhaben, sprich so viele Straßen wie möglich kaufen, und manchmal eben auch unfair. Nicht jeder kann auf „Frei Parken“ kommen und den Jackpot in der Mitte abkassieren. Am Ende, da gewinnt vielleicht nicht der beste, sondern der glücklichere Spieler. Das Sportgeschäft kann dafür als perfektes Extrembeispiel herhalten. Es geht um Millionendeals, um Sponsorenverträge, um die Versorgung der Familie, um Ehrgeiz, Respekt, Ruhm, aber eigentlich doch nur um Geld. Ein Mikrokosmos, in dem mit harten Bandagen gekämpft werden muss, in dem Kleinigkeiten über Triumph oder Misserfolg entscheiden und in der schlichtweg kein Platz ist für dünnheutige Menschen und ihre privaten Probleme. Sportagent Jerry Maguire scheint auf den ersten Blick perfekt in dieses Business zu passen: Mit Kalkül und Profitgier hat er es in seinem Beruf weit gebracht, über 70 Klienten aus den Top-Ligen der USA an Land gezogen. Doch auch er merkt: Der Kunde braucht Wärme, Zuneigung, Vertrauen. Er braucht das, was Maguire selbst immer gefehlt hat: Ein offenes Ohr und Mitmenschen, die sich für einen interessieren.

                      Die Prämisse von Cameron Crowes mehrfach oscarnominiertem Sportdrama ist mehr als brauchbar, stellenweise herzerwärmend umgesetzt, dramatisch und tragisch auf der einen und dann wieder humorvoll auf der anderen Seite, doch fehlen „Jerry Maguire – Spiel des Lebens“ mindestens 30 Yards, um als wirklicher Ausnahmefilm betrachtet zu werden. Crowe verfällt mit der Zeit schnell dem Kitsch, bauscht die Romanze des Films zu sehr auf, obwohl ihre Existenz natürlich notwendig ist, um den geistigen Wandel von Maguire darzulegen, und gibt am Ende nur einen rudimentären Einblick in das Leben eines Sportagenten. Es ist mehr eine Tragikomödie mit Rom-Com Anleihen im Sportlermilieu als ein echtes Sportdrama, das uns Crowe hier präsentiert und das Ganze breitgewalzt auf nicht immer kurzweilige 133 Minuten.

                      Mit einer anderen Erwartungshaltung hätte „Jerry Maguire“ vielleicht einen Touchdown bei mir landen können. Tom Cruise, der mich gelinde gesagt nicht immer überzeugt, spielt großartig und auch Cuba Gooding jr. und Renée Zellweger überzeugen auf ganzer Linie. Der Film hat das Herz einfach am rechten Fleck, ist mit seiner Botschaft und dem Appell an die Menschlichkeit, die Liebe in uns und die kritische Haltung der kapitalistischen Leistungssportgesellschaft gegenüber äußerst charmant, schließlich dann aber doch zu klischeehaft, zu unspektakulär in seiner Handlung und zu weit weg von einem aufschlussreichen Portrait einer Branche, in der der Mensch eine Marke, ein Objekt und somit nicht viel mehr als das ist, was er anstrebt und was er seiner Familie, seinem Agenten und seinem Verein einbringen soll: Geld.

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                        Wenn der Segeltörn von sechs Freunden, von denen mindestens zwei eine verborgene, sexuelle Zuneigung zueinander entwickelt haben, schief geht und auch die obligatorische Vollzeit-Hysterikerin in der Gruppe nicht fehlt, dann wähnt man sich ganz in den gängigen, schon unzählige Male uniform vorgetragenen Horror-Konventionen. Auch „Triangle“ beginnt wie jeder beliebige Genrefilm von der Stange, nur dass Christopher Smith seinen Slasher mitsamt der üblichen von Heiterkeit geprägten Exposition und seinen klischeehaften Charakteren von der ansonsten gerne verwendeten Prärie oder wäldlichen Gegenden auf die hohe See verfrachtet. Das Meer als weites Nichts, auf dem es kein Entkommen gibt und dem man schutzlos ausgeliefert ist.

                        Dann aber begeht Smith andere Wege, beginnt jegliche Zeitebenen und Handlungsversionen zu verschränken und formt aus einem atmosphärischen und durch seinen Schauplatz bestechenden Horrorfilm einen psychotischen Mysterythriller, der gezielte Verwirrung und Stirnrunzeln beim Konsumenten hervorruft und durch sein extravagante, intelligente und arg komplexe Täterauflösung aus dem Einheitsbrei heraussticht. Alle Fragen vermag dieser irreführende Boottrip letzten Endes nicht zu beantworten. Auch die fehlende Greifbarkeit ist bei einem solchen filmischen Paradoxon unvermeidlich und doch hinterlässt „Triangle“ trotz vieler Fragezeichen, die noch nach den Credits im Kopf herumschwirren, einen insgesamt guten Eindruck. Die geschickte Konstruktion lädt zu ausgiebigen Interpretationsansätzen ein. Wahrscheinlich begreift man den Film in seiner Gänze erst bei einer Zweitsichtung, denn rückblickend erkennt man erst, wie die gesamte Lauflänge über mit subtilen Fingerzeigen auf die zukünftliche Handlung nur so um sich geworfen wird.

                        Auch abseits seines andersartigen Handlungsverlaufs weiß Smith wie ein gelungener Mix aus Slasher, Horror, Survival, Mystery und Psycho zu drehen ist. Der Cast ist durch die Bank weg gut besetzt, Hauptdarstellerin Melissa George mit ihrem facettenreichen Spiel der so dringend benötigte Halt für den verwirrten Zuschauer. Für die nötige Portion an bedrohlichem Momentum sorgt eine mobile, perspektivreiche Kamera, die sich gewandt durch die labyrinthischen Gänge des verlassenen Kreuzfahrtschiffs schlängelt. „Triangle“ braucht keine Jump-Scares, keine Monster, Mutanten oder sonstiges, um (zumindest meistens) bedrückend und schaurig zu wirken. Ein vielschichtiger Schocker, der bei all der Stumpfsinnigkeit, die seine filmischen Brüder im Geiste verbreiten, auch mal für ordentlich Betrieb in unseren grauen Zellen sorgt.

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                          huababuar 06.07.2015, 03:24 Geändert 07.07.2015, 01:17

                          Huababuar guckt SchleFaZ#3: "Pudelnackt in Oberbayern"

                          Servus, Griasds eich, Habedere und willkommen bei der wohl unerotischsten Schmuddelfilmschmonzette aller Zeiten!

                          Wenn man „Pudelnackt in Oberbayern“ Glauben schenken mag, dann sind wir Bayern ja so etwas wie die deutschen Italiener. Gastfreundlich, temperamentvoll und wenn es um Frauen geht eher, nennen wir es einfach einmal reaktionär gepolt. Da wird nicht groß auf Smalltalk gesetzt. Ein beherzter Griff vom Burschen mit Sepplhut und Lederhosn unters eng sitzende Dirndl des anvisierten Madls reicht, um Paarungsbereitschaft zu signalisieren. Nach Feierabend wird das Weib am eigenen Hof gelassen, sich am Stammtisch mit den Spezln kräftig einer eingeschenkt und die neue Bedienung angegafft. Um es kurz zu sagen: Wie unsere geliebten Spaghettimampfer denkt der gemeine Bayer bevorzugt mit seinem Wanderstock in der Hose, träumt am Liebsten von zwei wohlgeformten Knödln und die Frau? Ja die ist zwischen Donau und Zugspitze nicht mehr als ein Begattungsobjekt mit integriertem Bierhalter.

                          Und auch sonst glänzt der Handlungsort Oberkreuzberg als Ballungsraum gängig bayerischer Klischees: Saupreißn gegenüber ist man erst einmal eher skeptisch eingestellt (es sei denn der Neuankömmling hat zwei ansehnliche Euter), der strunzhagelvolle Xaver wird von der standhaften Frau per Schubkarre direkt von der Wirtschaft ins Eigenheim gefahren und am Ende, da plant das undankbare Weibsvolk dann auch noch eine Revolte gegen die abtrünnige Männerbelegschaft und es kommt zur zünftigen Saunakeilerei. Der Heuhaufen im Stodl fungiert als umfunktionierte Spielwiese und der Franzl, der Vinzenz und der Fritz sind seit jeher scharf auf die chronisch vögelbedürftige Bürgermeistertochter. Bajuwarische Filmkunst der ganz untersten Schublade.

                          Nichts für Feministinnen und ebenso nichts für dauergeile Böcke, die beim Titel „Pudelnackt in Oberbayern“ erregt aufhorchten und mal wieder ordentlich an ihrem Dudelsack spielen wollten. Dieser schlüpfrige Komödiantenstadl für Arme ist mehr imageschädigender und schlichtweg amateurhafter Heimatfilm als eine 90-minütige Einladung zur Autoerotik. So aufgeilend und reizvoll wie ein zügelloser Schlabberer zweier zahnloser Zehn-Zentner-Kolosse in „Bauer sucht Frau“. So handzahm wie ein gut dressierter Chihuahua und einfach kläglich an seinen Verheißungen scheiternd.

                          Hinzu kommt, dass man die Darsteller wohl selbst alle als Schnapsleichen des hiesigen Stammlokals in Inzuchthausen aufgegabelt hat und das spielen hat lassen, was sie an einem gelegentlichen Mittwochabend auch tun würden: Saufen, gaffen, saufen, blöd daherreden, zum Abschluss noch einen saufen und dann gemütlich über die Dorfmatratze rutschen. Dementsprechend bildungsfeindlich sind übrigens auch die Dialoge gestaltet und vorgetragen. Bei dieser grenzenlosen Ansammlung von Insuffizienz rückt die Asynchronität von Film und Ton sowie die eigentlich so urbayerische, urig-gemütliche Atmosphäre mitsamt den stereotypisch bäuerlich-dummen, aber irgendwie gerade deswegen oft amüsanten Schenkelklopferzoten enorm in den Hintergrund. Da können wirklich nur ein gut aufgelegtes Moderatoren-Duo à la Kalkofe und Rütten und ein frisch Gezapftes aus dem Freistaat Abhilfe leisten. (Diese Krombacher-Bitburger-Becks-Scheiße bitte sofort entsorgen!)

                          In diesem Sinne: Prost mitanand!

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                            huababuar 05.07.2015, 02:12 Geändert 05.07.2015, 19:05

                            „Das ist doch nur Mord man. Alle Kreaturen Gottes tun das.“

                            Ein salopp ausgespuckter Satz, den man exemplarisch für den ganzen Film in zweierlei Hinsicht interpretieren kann. Zynisch-verharmlosend auf der einen, bitterböse gesellschaftskritisch auf der anderen Seite. Natürlich beabsichtigte Oliver Stone Zweiteres, doch - missverständlich aufgefasst – ist der ultrabrutale und blutig dargestellte Streifzug des Mörderpärchens Mickey und Mallory nahe an der Grenze zur Gewaltverherrlichung. Das ist gefährlich und diente sogar angeblich als Vorbild für das Columbine Highschool Massaker, simultan dazu aber auch ziemlich intelligent, zehrt Stone doch quasi selbst von der monierten Gewaltgeilheit der Öffentlichkeit und strapaziert sie bewusst über.

                            „Niemand wird böse geboren“ heißt es einmal im ursprünglich von keinem Geringeren als Quentin Tarantino geskripteten Streifen. Und doch wird eine Welt voller lasterhafter Individuen gezeichnet. Mickey und Mallory selbstverständlich mit ihrer von sexuellen Übergriffen und schweren Schicksalsschlägen geprägten Kindheit, der sensationslüsterne, amoralisch handelnde und egomanische Reporter als Exempel für die manipulative Medienwelt, ein gewalttätiger, selbst krimineller Cop und schließlich die breite Masse, die einen regelrechten Kult um zwei Massenmörder entwickelt. Eine pessimistische Gesellschaftsvision, die – auch im Kontext zur überzeugenden Gangster-Roadtrip-Story - seine Daseinsberechtigung hat, deren Aussagekraft in Stones gewollt artifiziell wirkendem, visuellen Verspieltheitswahn allerdings größtenteils untergeht.

                            Wie ein kleines Kind, das verwirrt an einem Computerbearbeitungsprogramm spielt, changiert er in höchster Affektiertheit, vollkommen systemlos und allzu verschnörkelt zwischen Schwarz-Weiß, Farbe, Grün- und Rotfilter, Grobkörnigkeit und Cartoon. Zusammen mit dem Schnittfestival und der oft schräg situierten Kameraeinstellung gibt das eine Bildsprache, die die Grenze der ertragbaren Skurrilität zumindest für mein Befinden oftmals überschreitet, zwischen einerseits genial und anderersseits absolut albern schwankt und die Frage aufwirft, warum man diese Story nicht etwas nahbarer und aufs Wesentliche fokussierter hätte erzählen können.

                            Der exorbitant grandiose Cast um Woody Harrelson, Juliette Lewis, Robert Downey jr., Tom Sizemore und Tommy Lee Jones, das gelungene Ende und der schroffe, dialoglastige Humor können Stones (in visueller Hinsicht) fast schon blasierte und viel zu überkandidelte Herangehensweise an Tarantinos Filmstoff noch so weit wie eben möglich überspielen, mich aber letzten Endes nicht vollkommen von „Natural Born Killers“ überzeugen. Etwas weniger ist dann in manchen Fällen eben doch mehr.

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                              huababuar 01.07.2015, 20:58 Geändert 01.07.2015, 22:12

                              Ohne Limit verzückt Regisseur Neil Burger hier mit ekstatisch-experimentellem, illusionistischem und überaus stylischem Farbenspiel, in welches er seinen Protagonisten Eddie Morra, einen heruntergekommen Literaren mit Schreibblockade, dank der neuen Superdroge NZT wirft. Vom versoffenen, dudeistisch angehauchten Penner nur eine Pille später zum hyperintelligenten Spekulanten und Frauenhelden. Die Gehirngefäße öffnen sich, das Bewusstsein wird erweitert, die zerebralen Fähigkeiten steigern sich. Bradley Cooper, wandelbar wie ein Chamäleon und genauso täuschend in einer Welt der korrupt-kriminellen Wirtschaftseliten, des manipulativen Börsenuniversums und des skrupellosen, mafiösen Dealertums, spielt eine der überzeugensten Rollen seiner bisherigen Laufbahn und macht neben der solide performenden Schauspiellegende Robert De Niro stets eine gute Figur.

                              Dass nach dem zwischenzeitlichen Aufstieg (sowohl wirtschaftlich als auch als wahrgenommenes Individuum innerhalb der Gesellschaft), schnell der Fall, die Abhängigkeit, das Verderben, die Paranoia und auch der Wahnsinn kommt, ist hinlänglich bekannt, ein altbewehrter Handlungsverlauf des klassischen Dramas (Fallhöhe) und passt zur propagierten Anti-Rauschgift Moralität des Streifens, wenngleich die überraschende, glattgebügelte und äußerst fragwürdige Schlussaussage von „Ohne Limit“ nicht so recht in diesen Kontext passen will. Wo „Lucy“, ein Film mit ähnlicher Prämisse (intelligenzsteigernde Droge), am Ende zum tumben und vollkommen überdrehten Actionmumpitz verkommt, driftet „Ohne Limit“ ins genau diametrale Extremum mit großem Fragezeichen zum Schluss ab und hinterlässt dadurch ebenso einen etwas enttäuschenden Nachgeschmack.

                              Und dennoch is Morras dualistisches Versager-Genie-Leben um einiges gelungener inszeniert als das letztjährig erschienene, französische Quasi-Pendant aus dem Hause Besson. Zwar etwas subplotüberladen und mit so manchem Logikloch angereichert, behält Burger aber stets einen flotten Erzählduktus bei, stützt die Last seines Films auf die elementaren Säulen „gezielte Spannungsspitzen“, „rar gestreute, aber sehenswerte Action“, „optischer Hochglanz“ und „spitzer Humor“ und errichtet so ein äußerst solides und einsturzsicheres Gesamtkonstrukt der mittleren Thriller-Oberklasse.

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                                huababuar 01.07.2015, 19:41 Geändert 01.07.2015, 20:59

                                Huababuar guckt SchleFaZ #2: "Battle of Los Angeles"

                                Gepflegter (und vor allem gekonnter) Trash sorgt bei mir zumeist für einen aufheiternden Wochentagabend. Schlechtes Filmemachen mit einem gewissen Maße an Stil und Eigenständigkeit ist zur Abwechslung wirklich nicht schlecht. Doch „Battle of Los Angeles“, diese auf DVD gebrannte Netzhautvergewaltigung, komprimiert in 86 Minuten Volldilettantismus, entlockte mir keinen einzigen Lacher, ja noch nicht mal ein Schmunzeln (außer wenn Kalkofe und Rütten sich mal wieder die Blöße gaben, um über den wohl scheißigsten Scheißfilm des gesamten Scheißfilmkosmos herzuziehen). Es blieb immer nur beim ungläubigen Kopfschütteln.

                                Verwunderung über so viel Inkompetenz, die sich in diesem elendigen Häufchen von Film ansammelte. Effekte so grauenhaft, so schlecht, wie man es noch nie gesehen hat. Mit CGI-Explosionen, die jeder Vorschüler besser zeichnen hätte können. Ein nervtötender, redundanter und eintöniger Soundtrack vom Reißbrett, der für unerträgliche Dauerbeschallung sorgt. Konversationsunfähige Schauspieler mit stupiden Dialogen, die man als Alltagsszene genauso gut in jedem beliebigen Ghetto der Welt abdrehen hätte können. Ja und schließlich ein Drehbuch, bei dem man sich schwer tut, es als solches zu bezeichnen. Auf billigste Weise wird man einfach in die „Story“ hineingeworfen, um dann eine Alien-Invasion im Tedi-Format zu erleben. Nie war Daueraction lahmer, nihilistischer und ermüdender.

                                Personenzeichnung ist quasi nicht vorhanden. Die durchsichtigen Figürchen, die sich völlig überfordert mal mit einfachen Pistolenkugeln, mal mit Samurai-Schwertern (!) gegen die außerirdischen Invasoren zur Wehr setzen wollen, sind austauschbar, bieder, gesichtslos, nur Vehikel für ein Filmprojekt des Grauens. Um mich mal an kalkofe-rüttschen Alliterationen (im Bauer sucht Frau-Stil) zu versuchen: Da hätte man auch die treuherzige Trulla Traudel aus Traunstein oder den inkontinenten Ingo aus Ingolstadt hinstellen können. Das hätte allerdings noch einen Hauch von Einfallsreichtum gehabt.

                                Einziger Wehrmutstropfen: Wenigstens das Trinkspiel sorgte von Anfang an für klare Verhältnisse und bewirkte, dass der Alkohol schon früh gegen diese mutwillige Verdummungsorgie anzukämpfen versuchte. Mit der Betonung auf versuchte, denn besser hat es diesen Schund auch nicht gemacht und mein Verlangen dannach, Regisseur/Drehbuchautor/Cutter und Kameramann Mark Atkins eigenhändig zu knebeln, zu foltern und seinem grauenhaft animierten Mutanten-E.T. selbst zum Fraß vorzuwerfen, bleibt weiterhin bestehen. Hätte er sein Produkt nicht reißerisch „Battle of Los Angeles“, sondern lieber „Battle of being the most unimaginative, graceless and incompetent movie ever made“ getauft, dann wäre das wenigstens ehrlich gewesen.

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                                  huababuar 29.06.2015, 16:37 Geändert 29.06.2015, 17:33

                                  Antikriegsfilme, die ihren verblendeten Protagonisten nach und nach die verabscheuungswürdige Seite des Krieges aufzeigen, gibt es wie Waffen in amerikanischen Haushalten. Soldaten, die aus blindem Patriotismus heraus begeistert in die Schlacht ziehen, brechen langsam. An den menschenunwürdigen Bedingungen, den psychischen Belastungen, ja letztendlich auch an sich selbst. In „Tigerland“ offenbart uns Joel Schumacher diese hässliche Fratze, ohne je in wirkliche Kriegsgefilde vorstoßen zu müssen.

                                  Denn Tigerland, dieses abgelegene Bootcamp in den sumpfigen Wäldern Louisianas, das ist reinster Kriegsrealismus, das ist Schweiß, Blut und Schlamm, das ist der Vorbote der Hölle. So authentisch, dass plötzlich keiner mehr wirklich Bock darauf hat, im vietnamesischen Dschungel „Schlitzaugen“ und „Ratten“ wie Reissäcke zu stapeln. Verständlich, wenn man vom hiesigen Drill-Instructor behandelt wird wie ein homosexueller Demokrat im russischen Arbeitslager. Liegestütze, Märsche im Laufschritt, Nachtpatrouillen, perfide Rollenspiele, Androhung von Folter, Schlafentzug. Tagein, tagaus. Weichgekocht, klein und manchmal sogar tot geredet. Die Soldaten als Kriegsgefangene ihrer eigenen Ausbilder schon bevor sie überhaupt in Richtung Saigon abgehoben sind. Brutal, unglaublich zynisch und leider wahr.

                                  Natürlich hat „Tigerland“ bei Weitem nicht den Nachdruck anderer Vietnam-Klassiker wie „Full Metal Jacket“, „Die durch die Hölle gehen“, „Platoon“ oder wie sie alle heißen. Dafür ist die menschliche Tragödie um den blendend spielenden Colin Farrell, den aufmüpfigem Rekruten mimend, am Schluss zu klein gehalten, die Bilder nicht episch und Eindruck schindend genug. Und trotzdem darf man hier einfach einen kleinen, aber feinen Streifen erwarten, der seine Antikriegs- und Antiarmyhaltung trotzdem wirksam anbringt. Die Inszenierung koaliert dabei gut mit der gezeigten Handlung. Rau, grobkörnig, dreckig, ungefiltert eben. Immer nah am Geschehen dran, das vor allem anfänglich etwas an der mangelnden Charakterzeichnung und dem erst langsam in Schwung kommenden Spannungsfluss leidet.

                                  Es gibt nie die ganz großen Szenen in „Tigerland“, über die man noch ewig reden wird. Schumacher bringt seine Ablehnungshaltung vielmehr durch Subtilität an, die sich vor allem in der Personenkonstellation und –beziehung sowie einzelnen Dialogen widerspiegelt:

                                  „Früher war jeder stolz auf sein Land und was ist jetzt daraus geworden?“, sagt der Sergeant einmal.

                                  Ja, was ist zu Zeiten des Vietnamkriegs daraus geworden, Sergeant? Ein Land, das zwar immer noch von unheimlich tief verankertem Patriotismus gelenkt wurde, allerdings mit einer Bevölkerung, die nach dem Zweiten Weltkrieg, Koreakrieg und Kubakrise schön langsam stutzig wurde und endlich anfing, (in größerem Maße) die Außenpolitik seiner Regierung zu hinterfragen. Ein Zustand, der heutzutage leider wieder etwas abhanden gekommen ist.

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                                    huababuar 25.06.2015, 22:45 Geändert 26.06.2015, 18:30

                                    Salut, buon giorno und marhaba, meine Freunde!

                                    In „Fasten auf Italienisch“ verschmelzen südfranzösisches savoir vivre, italienischer Charme und arabische Mentalität zu einem amüsanten „culture clash“ konzentriert auf eine einzige Person: Dino Farbizzi bzw. Mourad, ein algerischer Autohänder aus Nizza, der sich - um ausländerfeindlichen Ressentiments zu entgehen - als echter Italiener ausgibt, durch einen Krankheitsfall in der Familie allerdings zum Abhalten des Ramadans gezwungen ist und so vor das ein oder andere Alltagsproblem gestellt wird. Da ist das Tiramisu der zukünftigen Schwiegereltern, der obligatorische Morgenkaffee im Büro oder der so dringend benötigte Schluck aus der Wasserpulle beim Fußballspielen plötzlich Tabu.

                                    Klingt nett, ist nett. Für eine Komödie, die Themen wie Rassismus oder Chancenungleichheit in der Berufswelt spitz hätte ausformulieren können, sie jedoch nur am Rande und ganz selten mit der nötigen Eindringlichkeit anschneidet, leider aber fast schon etwas zu nett und zahnlos. Anstatt dem anscheinend schon zur Pflicht gewordenen Friede-Freude-Eierkuchen-Happy-End, hätte man auf der Zielgeraden noch einmal richtig auf die Kacke hauen und unserer vorurteilsbelasteten Gesellschaft den Spiegel vorsetzen können.

                                    Doch statt auf bissige Kritik setzt „Fasten auf Italienisch“ mehr auf einen locker-leichten, auf Situationskomik bauenden Humor, der auch gut funktioniert, selbst wenn nicht jede Pointe zu ausufernden Jubelstürmen meinerseits führt und Regisseur Olivier Baroux manchmal vergisst, etwas aufs Tempo zu drücken. Ein gutes Gespür für Rhythmik und Musik hat der gute Mann aber, setzt die drei eingangs erwähnten Kulturkreise tonal immer wieder in den Hintergrund und zaubert auch dank des Mittelmeerflairs der Provence eine wunderbare Atmosphäre, in der Kad Merad seine ganze Ausstrahlung ausspielen darf.

                                    Eine Geschichte über Selbstfindung, die Verleumdung der eigenen Herkunft, Enttäuschung, Stolz und die Rückbesinnung auf alte Traditionen, über die kleinen Hindernisse des alltäglichen Lebens, die sich zu einer großen Lüge aufstauen können. Multikulturell, stilvoll, nett, bedauerlicherweise aber eben auch etwas mutlos.

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                                      huababuar 24.06.2015, 22:03 Geändert 24.06.2015, 23:52

                                      Uwe Boll, die Stradivari unter den Arschgeigen, lädt mal wieder zum Konzert und spielt uns, wenn man dem Tenor des Kritikerwesens Glauben schenken mag, mit „Rampage“ sein angeblich virtuosestes Meisterstück vor. Und ja: Verglichen mit dem unharmonischen Gekrächze von „Dungeons Siege“, „House of the Dead“ oder ähnlichen Vollkatastrophen sticht dieser Film wirklich heraus. Doch ist das in etwa so, als wird einem erst „Bruder Jakob“ und „Hopp, hopp, hopp, Pferdchen lauf Galopp“ vorgesetzt und dann kommt etwas für fortgeschrittene Anfänger wie „Stille Nacht“.

                                      Verwundern wollte Boll laut eigenen Aussagen, Satire auf die Finanzkrise betreiben und zeigen, „dass wenn man rücksichtslos genug ist, man heutzutage ziemlich weit kommt“. Fragwürdige Aussage im Kontext eines gezeigten Amoklaufs, doch das ist eben der Provokateur wie man ihn kennt: Hauptsache Aufmerksamkeit, Hauptsache anecken. Egal wie.

                                      Bei „Rampage“ muss man unserem exportierten enfant terrible auf jeden Fall zugute halten, dass er mit seiner äußerst blutigen, gar nicht mal so schlecht inszenierten Gewaltorgie natürlich Voyeurismus und Sensationslüsternheit in uns, die sich vor der gewissen magisch-schockierenden Anziehungskraft, der Faszination eines Amoklaufs nicht verschrenken können, weckt. Boll schafft es irgendwie, dass man seinen Blick nicht abwendet igentlich immer recht gebannt sitzen bleibt. So erstaunt auch das durchaus intelligente Ende der Geschichte des misanthropen Amokläufers Bill (recht gut gespielt von Brendan Fletcher), bei dem es nur zu wenig Schaum im Kaffee oder den bevorstehenden Auszug aus dem Elternhaus braucht, um das Fass zum Überlaufen zu bringen und den perfiden, bis ins Detail auskonstruierten Plan in die Tat umzusetzen.

                                      Und genau da hapert es bei „Rampage“: Anstatt in den ersten 20 Minuten ein glaubhaftes Psychogramm des Täters zu erstellen und ernste Gesellschaftskritik zu üben, füllt Boll seine Exposition mit viel unnützem Blabla und verkauft einem dann eine Nachrichteneinspielung, einen Spinner im Internet und ein „ernstes“ Männergespräch im Fast-Food-Restaurant als eben solche Kritik. Das läuft ins Leere, wirkt viel zu gewollt und oberflächlich, weil einfach zu schemenhaft und breitgefächert. Hier werden alle Missstände wie in Stichpunkten runtergeleihert. Lieblos und uninspiriert. So als hätte Boll gesagt: „Gesellschaftskritik – Check. Damit sind die Kritiker auch bedient, jetzt kann ich ja mit meinem Ballerspektakel anfangen.“ Tja, denkste.

                                      „Rampage“ ist äußerlich unbestritten einer der besseren, intelligenteren, ja ich möchte sogar behaupten sehenswerteren Streifen von Boll. Doch wirft man einen Blick hinter die Fassade, so wirkt der angeblich so tiefsinnige Subtext wie ein schlecht konstruiertes Vehikel, das nur dazu da ist, um den Blutrausch eines kranken Regisseurs irgendwie zu rechtfertigen. Womit wir wieder beim alten Lied wären: Arschgeige bleibt Arschgeige. Wenn die Arschgeige ihr Sujet dann auch ernsthaft behandelt und nicht einfach missbraucht hätte, dann wäre „Rampage“ ein ziemlich guter und kein mittelprächtiger Film geworden. Dass Boll nie eine Beethoven-Sonate spielen wird, dessen sollten wir uns aber mittlerweile bewusst sein.

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                                        huababuar 24.06.2015, 17:39 Geändert 24.06.2015, 17:43

                                        Selten wurde ein Katz-und-Mausspiel in der Einöde so geradlinig, so simpel und doch so spannend in Szene gesetzt wie in "Mörderischer Vorprung". Hier trifft nicht nur ein Doppelmörder und Diamantenräuber aus San Francisco auf eine Wandergruppe irgendwo in den amerikanisch-kanadischen Grenzgefilden der Rocky Mountains, nicht nur Großstadtcop Warren Stantin (Sidney Poitier) auf Naturbursche Jonathan Knox (Tom Berenger), um jenen aufzuspüren. Nein, hier gehen das Verbrechen und die Natur eine atemberaudende Symbiose ein. Die Idylle als Schauplatz einer mörderischen Hatz. Die Weite der verwinkelten Wälder und Berge als pittoreskes Versteck mit ganz eigenen Tücken. Ein altbewährtes Konzept, dessen sich Regisseur Rogar Spottiswoode hier eindrucksvoll angenommen hat und es gelegentlich durch rauen Humor und Buddy-Anteile selbst erweitert. Bei der Schönheit seiner Bilder und der nervenzerreißenden Spannung vergisst man auch schnell mal das ein oder andere Logikloch oder den hämmernden Synthesizer-Soundtrack, der aber irgendwie zum Charme der 80er dazu gehört. Dass die Identität des Täters innerhalb der fünfköpfigen Touristengruppe schon nach gut der Hälfte der Laufzeit offenbart wurde, ist zwar überraschend, keineswegs aber spannungshemmend. Vielmehr ist Nervenkitzel bis zum Finale garantiert. Ein Film, der nicht nur seine gut agierenden Darsteller, sondern auch seinen Schauplatz als eigene Figur etabliert und ihn quasi als zweiten Bösewicht in die Handlung integriert. Einfach, keineswegs neu, aber dennoch genial umgesetzt und leider viel zu unbekannt!

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                                          Angeblich inspiriert von seinem Kurzurlaub hinter schwedischen Gardinen lässt Kinderschänder-Regisseur Victor Salva ("Jeepers Creepers") die beiden zwielichtigen Gestalten Jack (Lance Henriksen) und Adrian (Eric) im ostkalifornischen Hinterland aufeinandertreffen, während die Polizei gleichzeitig nach einem Millionendieb und einem Serienkiller sucht. Dass mindestens einer von beiden Dreck am Stecken hat, ist offensichtlich und so entwickelt sich innerhalb der zweiköpfigen Reisegemeinschaft wider Willen eine Beziehung aus Argwohn, Misstrauen und Antipathie.

                                          Aus einer interessanten Grundszenerie zwirbelt Salva eine ansehnliche, wenn auch nicht durchgehend packende Mischung aus Psychothriller und Road Movie, dessen Klimax aus einem äußerst intensiven Finale mit einem leider etwas zu abrupt getwisteten und nicht ausreichend erläuterten Ende besteht. Motivationserklärungen bleiben auf der Strecke und das biblische Zitat vor dem Abspann (über die Abgründe des Menschen) hinterlässt vor allem mit dem Hintergrund von Silvas Vergangenheit schon einen leicht bitteren Nachgeschmack, den dieser ansonsten äußerst gelungene B-Movie gar nicht nötig gehabt hätte. Das Schauspiel ist passabel, der Grundtenor stets beklemmend und die Atmosphäre mit der staubigen Ödnis der kalifornischen Wüste, den verrauchten Diners auf dem Highway und den abgefuckten Motels verdammt gut getroffen.

                                          Fazit: Kein Highway des Todes wie der Alternativtitel verspricht, auch keine Kaffeefahrt der Langeweile wie man vielleicht vermutet hätte, sondern eher eine Reise des fortwährenden Unwohlseins.

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                                            huababuar 22.06.2015, 22:45 Geändert 23.06.2015, 15:12

                                            Bewertung #600: Ein Wiedersehen mit den Corleones

                                            „There are many things my father taught me here in this room. He taught me: keep your friends close, but your enemies closer.“

                                            Einst da wollte Michael Corleone sich von seiner Familie loslösen, der Army beitreten, seinem Land dienen und nichts mit den Machenschaften seines Vaters zu tun haben. Doch seine Zukunft war schon lange vorbestimmt. Nach dem Tod des großen Don Vito galt es eine große Lücke zu schließen, ein monumentales Erbe anzutreten und nun findet sich Michael, ganz wie der Papa, selbst bei Familienfeiern in Hinterzimmern sitzend und seine Angelegenheiten klärend wieder. Rational, kühl und manchmal in seiner ganz eigenen Art aufbrausend. In der Welt angekommen, in der er eigentlich nie sein wollte und nun doch so gut hinein passt. Der Welt der Mantel- und Hutträger, der Begierigen, der Machtbesessenen. Der Welt, in der fast ausschließlich Sizilianisch gesprochen wird und in der Loyalität, Vertrauen und nur das Beste „for the family“ die Basis des Geschäfts bilden.

                                            In dieser Hinsicht knüpft der zweite Teil von Francis Ford Coppolas Mafiaepos „Der Pate“ nahtlos an seinen Vorgänger an. Ein Generationswechsel wurde vollzogen, ein neuer Godfather ist da und auch der hat wieder den Spagat zwischen Familienleben und Mafiaalltag zu meistern. Dabei vernachlässigt Coppola wie schon im Erstling keine der beiden Aspekte, behandelt sie äquivalent und gleichwertig. Und auch Vito Corleone dürfen wir wieder sehen und in Rückblenden seinem Wandel vom wortkargen und engelsgleich singenden Flüchtlingskind zum charismatischen, mächtigen Paten beiwohnen. Auch dieser Handlungsstrang wird gekonnt parallel erzählt, ja fast schon virtuos mit dem Hauptplot verwoben, ohne sich mit diesem zu beharken. Leider, und das ist neben den etwas spärlicheren ikonischen Szenen verglichen mit dem ersten Teil und der etwas zu langen Lauflänge der einzige winzige Kritikpunkt an „Der Pate 2“, fehlt Marlon Brando. Es fehlt diese einzigartige Stimme, das Kratzen an der Wange, die Orangenschale unter der Lippe. Das soll keine Kritik an Robert De Niro sein, der Corleone sr. auch toll verkörpert, aber eben eine Kleinigkeit, die es (zumindest aus meiner Perspektive) anzumerken gilt.

                                            Ansonsten ist dieser filmische Hochgenuss wohl eine der besten Fortsetzungen der Filmgeschichte, wenn nicht sogar die Beste. Neben DeNiro und dem genialen Al Pacino, dessen Paraderolle für mich immer die des Tony Montana bleiben wird, brillieren vor allem Robert Duvall, John Cazale, Diane Keaton und Lee Strasberg. Inszenatorisch ist man hier seiner Zeit um Längen voraus. Eine flüssige, oft mobile Kamera mit warmen, scharfen Bildern sorgt zusammen mit der berühmten Streichermusik, den vielen Kulissen und der rohen Gewaltdarstellung für ein stimmiges, raues Gesamtbild. Der langsame, fast schon entschleunigende Erzählstil wird immer wieder von ausufernden Spannungsspitzen unterbrochen. Und das ist auch ein ganz großer Punkt, der den Paten zu diesem Meisterwerk macht, das er zweifelsohne ist. Nie weißt du, wann ein Kuss auf den Handrücken ein ernstgemeintes Zeichen von Respekt ist, wann eine freundliche Umarmung im nächsten Augenblick durch den Tod des gerade Geherzten revidiert wird, wer denn nun eigentlich der Abtrünnige und wer der herzensgute Partner ist.

                                            „Der Pate (2)“ zu sehen hat immer etwas Verruchtes an sich. Denn wo Vertrauen und Zuwendung ist, da sind auch Intrigen und Verrat und genau das sorgt für den Thrill, der in den drei Stunden immer wieder aufkommt. Coppola versucht erst gar nicht, ein romantisiertes Bild des Mafiadaseins abzugeben. Er weiß um die Unmöglichkeit der koexistierenden Werte von Liebe und Geldgier. Er weiß, dass illegale Geschäfte und die Frau mitsamt Kind nicht simultan und voneinander unbeeinflusst unter einen Hut zu bringen sind. Und so ist auch Michael Corleone dem moralischen Untergang geweiht. Er verliert nicht nur seine Menschlichkeit, sondern auch seine Familie. Wie der Vater, so der Sohn.

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                                            • huababuar 22.06.2015, 02:25 Geändert 22.06.2015, 02:27

                                              Schon kontrovers wie Schmitt hier über die mangelnde Achtung vor der Form parliert, obwohl er sie in seinen Analysen ironischerweise selbst fast immer vernachlässigt und ausschließlich Ideologiekritik, die ja zum größten Teil (wenn auch subtextuell) auf der ach so überbewerteten Handlung basiert, betreibt.

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                                                huababuar 21.06.2015, 20:47 Geändert 21.06.2015, 22:03

                                                Huababuar guckt SchleFaZ #1: „Hulk Hogan – Der Hammer“

                                                Hulk Hogan verbrüdert sich im Tag-Team mit Regisseur Thomas J. Wright und schickt sich an, seinen Gegner, also uns Zuschauer, bis zum letzten Gongschlag mit diesem unsäglichen Machwerk aufs Übelste zu malträtieren. 1, 2, 3, DING DING DING!!! Wenn man nicht schon nach 10 Minuten puristischer Verblödungsorgie zur Aufgabe gezwungen wurde, dann ist man spätestens anderthalb Stunden später heilfroh diesen rüstigen Rentnerringer, diesen ekelhaft bärtigen Budenboxer nicht mehr sehen zu müssen. Denn Hulk Hogan, wie er da ästethisch wie Angela Merkel beim Salsakurs im Ring balanciert oder die Augen aufreißt wie Werner Lorandt bei einem 0:5-Rückstand seines Teams in der Halbzeitansprache, ist wirklich der beste Beweis dafür, dass der Mensch vom Affen abstammt. Da verwundert es auch nicht, dass seine nicht minder von Gottes Intelligenzkanone ignorierte Tochter Brooke in Filmmeilensteinen wie „Sand Sharks“ oder „2-Headed-Shark Attack“ herumhopsen darf wie ein Playboy-Bunny, das sich aus Blödheit Bräunungscreme ins Auge geschmiert hat. (Auch wenn ihr das mit Sicherheit schon mal gelungen ist.)

                                                „Der Hammer“ ist im wahrsten Sinne des Wortes niederschmetternd und nimmt einem alten Wrestling-Opi das letzte Fünkchen Würde. Über „Wutzelwürstchen“ bis hin zu „Ich, ich Kaka in Hose“ wird hier mit linguistischen Scheißhaufen um sich geworfen, die auch noch garniert werden mit einer konzeptlosen, klischeebehafteten Story und dilettantischen Actionchoreographien, die man genauso gut im tadschikischen Ableger von „Rocky“ erwartet hätte. Das Beste aber ist, wie dieser Film versucht, einem aufzuschwatzen, Wrestling habe doch allen Ernstes etwas mit Sportsdenken und Leistung zu tun, sich dann aber gnadenlos selbst als grenzdebile, nach Schweiß stinkende Männerkuschel-Seifenoperette enttarnt. Würde sich „Der Hammer“ etwas weniger für voll nehmen und uns keinen heulenden, familienverbundenen und einfühlsamen Hulk Hogan am Krankenbett seines schwer verletzten Bruders präsentieren, dann hätte man abseits seiner abwechselnd homoerotischen und psychopathischen Erscheinung, der allgemeinen Lächerlichkeit dieses Films sowie dem herrlichen Overacting von Kurt Fuller als quotengieriger, fies besessener Medienmogul noch andere Gründe gehabt, herzhaft zu lachen. So aber heißen die einzigen Auswegmöglichkeiten Alkohol, SchleFaZ oder der Griff zur Fernbedienung.

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                                                  huababuar 20.06.2015, 17:10 Geändert 20.06.2015, 17:12
                                                  über Taxi

                                                  Kurz und prägnant: Seichte Komik, französischer Klamauk und mehr oder minder unterhaltsamer Slapstick treffen auf banale, manchmal auch dümlich-witzige Dialoge, eine gewöhnliche Buddy-Cop-Geschichte (mit dem ehrgeizigen Polizisten und dem sich am Rande der Legalität befindlichen Kollegen) und eine belanglose Lovestory. Eine Actionkomödie nach Usus, die es trotz ihrer ungelenk agierenden Hauptakteure, vor allem dank der Besson-typisch atmosphärisch inszenierten Straßen Marseilles und dem anarchisch anmutendem Finale noch als ordentlich einzustufen gilt.

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                                                    „Warum sterben die Glühwürmchen bloß so schnell, Seita?“

                                                    Es gibt Filme, die meidet man eine ganze Zeit lang. Nicht weil sie einen nicht interessieren, nicht weil man sie für schlecht hält. Nein. Weil man Angst hat. Angst vor der depressiven Sogwirkung des Films, dem Gefühl der Ausweglosigkeit danach. Und „Die letzten Glühwürmchen“ ist genau so ein Film. Gestern Nacht war es dann so weit und ich hab mich endlich rangetraut. Und was soll ich sagen? Am Ende saß da ein 18-jähriger Junge mitten in der Nacht im Vorgarten, Zigarette qualmend, den Vögeln lauschend, über das Leben und geliebte Personen sinnierend. Zutiefst in seinen Grundfesten erschüttert, ohne Boden unter den Füßen. Gerührt, niedergeschmettet und doch irgendwie leer. Denn dieser Film ist so qualvoll, so schwerfällig, dass man sich davon erstmal erholen muss.

                                                    „Am 21. September 1945 bin ich gestorben.“

                                                    Schon der erste Satz in „Die letzten Glühwürmchen“ impliziert, dass es kein Happy-End geben wird, dass keine Hoffnung besteht und dass das Verderben unausweichlich ist. Erzählt wird fortan die rührende Geschichte der Geschwister Seita und Setsuko, die im zerbombten Japan auf sich alleine gestellt sind und – von Verlustängsten und schmerzenden Hungergefühlen geplagt – um ihr Leben kämpfen müssen. Doch wie, wenn in der absoluten Notlage jeder nur an sich selbst denkt und es dann meist diejenigen trifft, die für die kriegerischen Umstände am Wenigsten können, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben?

                                                    Regisseur Isao Takahata weiß genau, wie er dem Zuschauer die Tränen aus den Augen ziehen kann. Hier einmal eine verbrannte Leichen, dann wieder glückliche Kinder, die am Strand spielen. Da mal ein hungerndes Mädchen, das kurz zuvor noch mit Glühwürmchen gescherzt hat. Es ist diese Ambivalenz, die deutlich macht, wie sehr sich doch das Leben von Seita und Setsuko mit der Zeit wandelt. Wie aus einem unbeschwerten Dasein eine zerstörte Welt werden kann, in der nur noch ein Kinderlachen einen kleinen Moment der Zuversicht bringt, obwohl die Lage doch so ausweglos zu sein scheint. Das alles verpackt in eine tadellose, oft poetische Bildkomposition, die die Gefühlsregungen der Figuren so echt erscheinen lässt, geht einem – unterstützt von unglaublich eindringlichen Synchronstimmen – wirklich sehr nahe. (Dabei bin ich beileibe kein Anime-Fan.) Mit einer Musik, die so gefühlvoll ist, dass sie einen mitten ins Herz trifft, auch wenn sie in Verbindung mit den dramatischen Bildern selten auch etwas befremdlich, überstilisiert und unausgewogen daherkommt.

                                                    Es ist aber auch dieser kindlich-naive Blick auf den Krieg, der „Die letzten Glühwürmchen“ ein Alleinstellungsmerkmal gibt und von ähnlichen Werken abhebt: Krieg als etwas Böses, etwas Schlechtes, das einem Mama und Papa wegnimmt, das Eigenheim zerstört und heimatlos macht. Und obwohl der Film laut eigenen Aussagen des Regisseurs nicht als reiner Anti-Kriegsfilm, sondern als eine Kritik an den Handlungen von Seita, die manchmal wirklich etwas schwer nachvollziehbar sind, und die damit symbolisierte Sturheit und Leichtsinnigkeit der Jugend verstanden werden soll, bleibt am Ende vorwiegend vor allem eines hängen: „Die letzten Glühwürmchen“ ist in der Tat viel mehr als nur ein Anti-Kriegsfilm. Es ist ein Manifest. Für die Menschlichkeit. Für den Zusammenhalt. Für die Liebe. Ein aussagekräftigeres, ehrlicheres und erschütternderes Statement über den Krieg, seine Auswirkungen und seine oft ungesehenen Opfer hätte man nicht tätigen können.

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