Ichundso - Kommentare
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Alle Kommentare von Ichundso
Dann also mein dritter Haneke und es ist wie bei Wes Andersons Moonrise Kingdom. Das erste Mal habe ich den Eindruck, dass der Regisseur sich einem Thema widmet, dass seinem etwas ermüdenden Stil gerecht wird und das macht Caché wohl zum besten (was heißt: für mich am wenigsten nervenden) Michael Haneke-Film, den ich bis jetzt gesehen habe.
Ohne zu viel verraten zu wollen, geht es wohl um den Spuk der Vergangenheit in unseren Köpfen. Der genaue Plot, den Haneke dafür entworfen hat, wurde hier von ein paar Leuten kritisiert, ich persönlich halte es für einen intelligenten Schachzug, dass die Gefahr aus einer Vergangenheit kommt, für die sich der Hauptcharakter eigentlich überhaupt nicht mehr verantwortlich fühlt, weil sie eben doch so weit zurückliegt und er so wenig mit dem Menschen zu tun hat, der er damals war. Genau das macht die Situation so unangenehm, so unberechenbar. Wie soll man Reue für etwas zeigen, dass man als Kind getan und an das man jahrelang nicht gedacht hat? Dieses Thema erforscht Haneke in seinem unvorhersehbaren und hin und wieder überraschend wendigen Plot und erstmals scheint es mir, als wäre seine Art, die kältesten Filme der Welt zu drehen, tatsächlich dem Thema des Films angemessen.
Gleichzeitig scheitert der Film aber an eben der Machart. Caché hätte beispielsweise noch um einiges besser sein können, wenn Haneke sich nur einmal erbarmt hätte, seine Charaktere in einem Licht zu zeigen, das über die bloße Beobachtung ihrer Handlungen hinausgeht. Es scheint, als würde er einfach nur alles mit seiner Kamera verfolgen und zeigen, nüchtern, kommentarlos. Diese extreme Sterilität ist wohl das, was einige an ihm schätzen, ich kann es nicht ausstehen. Das Medium Film bietet so unendlich viele Möglichkeiten für interessante Kamera- und Schnitt-Techniken, Einsatz von Musik und Hintergrundgeräuschen, man kann, wenn man will, unglaublich viel in einem einzigen Shot aussagen, aber Haneke will nicht. Selbst das wiederholte Motiv der in dem Film eingebundenen Videoaufnahme (das Orson Welles schon 1941 deutlich besser verwendete), wirkt auf mich eher wie die ultimative Simplifizierung der Darstellung eines Videos und nicht wie etwas, das eine Relevanz für den Inhalt hätte und über das es sich lohnen würde, nachzudenken, obwohl damit anscheinend einige doch ihren Spaß haben.
Haneke weigert sich störrisch, auch nur zu versuchen, irgendetwas Neues zum Medium Film beizutragen und zeigt einfach alles, so wie es passiert, was in "Liebe" vielleicht seinen Reiz hat, in Caché aber jeglichen Zugang zu der Geschichte, der über bloßes Zugucken und "Aha, aha"-Denken hinausgeht, unmöglich macht. Und um damit irgendwelche Freude zu haben, ist der Film entschieden zu langweilig.
Wer nach Merida, The Hunger Games und The Dark Knight Rises nicht genug hatte, kann sich jetzt über Teil 4 der Reihe "Ichundso vergibt neun Punkte an Filme aus dem Jahr 2012, die andere zum Kotzen finden" freuen: Shame.
Denn gestern hatte ich ein Gefühl, dass sicher jeder kennt. Komm, lass ma Shame gucken. Jeder sieht doch gern, wenn er zwei Stunden frei hat, einen Film, in dem Michael Fassbender Sex hat... Stundenlang...
Ich bin mir selbst nicht sicher, ob Shame ein Porträt einer Zeit, einer Ideologie oder eben doch nur eines Mannes ist, ich bin mir auch nicht sicher, ob Steve McQueen die ganzen sterilen gläsernen Wohnungen, in denen sein Film spielt, so sehr hasst, wie es den Anschein hat.
Ich bin mir aber sicher, dass er von einer Welt erzählt, in der Scham sich auf eine psychologische Ebene zurückgezogen hat. Michael Fassbender spielt so gut wie kein anderer männlicher Schauspieler der letzten Jahre und porträtiert einen Mann, der seinen Körper so überbenutzt hat, dass er ernsthaft krank geworden ist. Und jeder Einblick, den ein anderer in seine Gefühlswelt erhalten könnte, ist für ihn so schlimm wie für die meisten anderen ein öffentliches Vorzeigen der Geschlechtsteile.
Er ist kalt zu den Menschen, kalt zu sich selbst, er kennt es nicht anders, vermutet wahrscheinlich, er hätte es selbst nicht anders verdient. Es gibt nichts, was ihm Freude oder Optimismus verschaffen könnte, in der wahrscheinlich entscheidenden Szene des Films könnte man fast davon sprechen, dass er einen Orgasmus erleidet und auch in diesem Moment, wie in so vielen anderen, erzählt der Film so viel ohne ein einziges Wort des Dialogs.
Shame könnte ein astreiner Feel-Bad-Movie sein, wären da nicht die Momente, in denen wir daran erinnert werden, dass es tatsächlich noch etwas anderes gibt als die Welt der Sucht und der Einsamkeit. Wenn Carey Mulligan in bester Abendgesellschaft beginnt, "New York, New York" zu singen und tatsächlich alle fünf Minuten des Lieds ungekürzt zu sehen und hören sind, ist das gleichzeitig eine schrecklich ironische Einordnung des Filmsettings, aber auch eine Flucht aus der endlosen Wiederholung und Depression, fünf Minuten Pause von all dem, fünf Minuten reine Schönheit.
Diese und ein, zwei andere Szenen sind von außergewöhnlicher Wucht und machen Shame letztendlich nicht nur zu einem Film der Traurigkeit, sondern auch zu einem der Hoffnung. Das visuell darzustellen, indem ein Sonnenstrahl durch die endlos transparanten Apartmentwände der Protagonisten fällt, wäre vermutlich nicht McQueens Stil. Der kann sich nicht einmal dazu durchringen, die Hoffnung an das Ende des Films zu setzen. So ist Shame, insbesondere in Bezug auf die letzte Szene, für jeden der Film, den er darin finden will. Ob Tragödie oder (sehr deprimierende) Komödie. Ein ewiger Kampf des Menschen gegen sich selbst. Und ich kämpfe immer mit dem Film für die Richtung, die er am Ende einschlagen soll.
We saw your boobs
We saw your boobs
In the movie that we saw we saw your boobs
Tschuldigung, ich kann einfach nicht aufhören, dieses Lied vor mich hinzumurmeln. Worüber sollte ich denn besser nachdenken? Lawless, stimmt. Heute Nachmittag habe ich den gesehen, also sollte ich wohl noch etwas darüber wissen, was ich aufschreiben kann. Ein Film, keine Frage. Ein Film mit Schauspielern. Die Rollen spielen. We saw your boobs... Stimmt, Seth McFarlane wusste es, Jessica Chastain hatte Brüste. In Lawless konnte man sie sehen, anscheinend. Ich erinnere mich nur nicht mehr daran. Eigentlich erinnere mich an überhaupt nichts mehr. Oder war nicht Gary Oldman für zwei Sekunden da, ungefähr so lang wie Jessica Chastains Brüste eben? Und ist eigentlich irgendwas passiert in diesem Film? Ich meine, mich zu erinnern, dass Gangster darin gangsterige Sachen machen. Aber sonst... We saw your boobs, lalala, Hilfe, kriegt jemand bitte dieses Scheißlied aus meinem Kopf?
Jennifer Lawrence ist eines der größten jungen Talente in Hollywood und ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht ihr letzter Oscar war.
Außerdem: Zweitbeste Rede des Abends und wunderbare Momente abseits der Show. Bei der ganzen Veranstaltung ist jedenfalls niemand anders rumgelaufen, der so sympathisch war. Ein schönes Beispiel dafür: http://www.youtube.com/watch?v=1ACQpZW-eTg, mitcharts hat da noch einen schönen Link gepostet.
Der plötzlich ausbrechende Hate ist wahre Realsatire. Obwohl sie es (wie aber eigentlich alle ihre Mitnominierten) verdient hätte, freue ich mich, dass die wunderbare Emmanuelle Riva nicht gewonnen hat, denn so kann der Spontan-Mob, der eine gute Performance anscheinend nur erkennt, wenn sie in einer Szene vollkommen ohne Schnitte zu sehen ist, wütend auf ihren Michael Haneke-Boxsets herumkauen und vor sich hin grummeln, wie doof die Welt ist und was für Idioten die Amis doch sind und das ist mir sehr recht.
"Ja!"-Momente: Brave, immerhin ein halbes Mal Zero Dark Thirty und Jennifer Lawrence (obwohl ich mich eigentlich für jede der nominierten Hauptdarstellerinnen gefreut hätte).
"Warum nicht"-Moment: Argo
Rest eigentlich ganz okay. Jeder einzelne Gewinner war Teil eines guten Films. Chill mal, Kommentarbereich.
Zach Galifianakis in seiner übergenialen Show "Between Two Ferns" zu Sally Field:
"So, I read that you gained 25 pounds for the movie Lincoln. How did you do that, eat Anne Hathaway?"
Und auf einmal bin ich mir sicher, dass das der lustigste Mann der Welt ist...
http://www.funnyordie.com/videos/f8242b3b15/between-two-ferns-oscar-buzz-edition-part-2
Von allen Nominierten der zweitbeste. Natürlich ohne Chancen, da er mehr oder weniger stellvertretend für die Indiefilmszene nominiert wurde, aber von all den Filmen die nominiert sind, ist es vielleicht der mit dem meisten Potential, eines Tages ein echter Geheimtippfilm mit einem Kern großer Fans zu werden. Und das ist, wenn man den Film einfach nur sieht, ohne sich Gedanken über mögliche Auseinanderpflückungsmechaniken zu machen, wirklich keine Überraschung. Fantastischer Film. Für die Bedingungen, unter denen er gedreht wurde, ein Meisterwerk.
Außerdem: Captain Phillips von Paul Greengrass, Gravity von Alfonso Cuaron und The Butler von Lee Daniels.
Peter Jackson ist ein Exploitation-Regisseur. Zumindest hatten alle seine besten Filme ihre Wurzeln in diesem Gebiet und bevor ich Heavenly Creatures kannte, war mein Lieblingsfilm von ihm King Kong, den ich immer noch für eine Art Citizen Kane des Blockbusterkinos halte, da er alles was Kino bieten kann in einen Film verpackt.
Und so merkwürdig es klingt, Heavenly Creatures ist keine Ausnahme. Auch dieser Film zeigt klare Merkmale von Exploitationkino, setzt diese aber auf eine Weise in den Kontext einer mitreißenden wahren Geschichte, die wahrscheinlich zu den größten künstlerischen Leistungen der letzten Jahrzehnte gehört.
Heavenly Creatures vereint nicht nur Exploitation mit Arthouse, sondern auch die schönsten menschlichen Gefühle mit den schlimmsten, zeigt Liebe, die so stark ist, dass sie auf der anderen Seite der Emotionenskala wieder herauskommt und in Wahnsinn mündet.
Pauline und Juliet sind anders. Ihre Gedanken, ihr Verhalten und ihre Gewohnheiten sind für ihre Außenwelt vollkommen unverständlich und so sind sie viel mehr fasziniert von ihren eigenen Welten, die sich selbst in ihren hochintelligenten Köpfen zusammengesammelt haben. Es ist nicht, als würden sie sich in Fantasiewelten flüchten, sondern (und dieser Unterschied wird hier brillant dargestellt) die tatsächlich existierende Welt verändern, upgraden, sich zurechtmachen. Und der schiere Schock darüber, jemanden zu finden, der genau so denkt wie sie selbst und ihnen ermöglicht, ihre beiden Welten zu verbinden und ein Universum der Liebe und des Wahnsinns daraus zu machen, treibt die beiden in eine zum Himmel führende Spirale sämtlicher Emotionen.
Dass Adolf Hitler in "Der Untergang" nicht als simples Monster, sondern als Mensch dargestellt wurde, hat hin und wieder für Verunsicherung gesorgt, war jedoch ein sehr interessanter Schritt. Denn man kann sich gut einfach ein Konzept des Bösen vorstellen, dass die Ermordung von sechs Millionen Menschen veranlasste. Der Gedanke aber, dass ein Mensch mit eigenständigen Gedanken dazu in der Lage war, ist noch viel schockierender.
Und so ähnlich ist es auch hier. Jacksons Entscheidung, die wahre Begebenheit nicht durch Fakten, Zahlen und Daten zu erzählen, sondern als Geschichte mit Wurzeln in einer Vielfalt menschlicher Emotionen, die jedem bekannt sind, macht Heavenly Creatures zu einem kraftvollen psychologischen Meisterwerk, ohne Grenzen, ohne Angst, ohne auch nur eine Sekunde den Schwanz einzuziehen. Die Hölle im Kino, Kino im Paradies.
Skyfall war gerade der erfolgreichste Bond aller Zeiten. Über eine Milliarde Dollar hat er eingespielt. Ohne 3D. Klingt angemessen, dass das die Lösung für die alten Filme ist.
Vielen Dank an guggenheim für die Bearbeitung und Anpassung des Ganzen und die freundliche Unterstützung während des Entstehungsprozesses. :)
Hab grade nochmal drübergeguckt und natürlich prompt ein paar Grammatikfehler gefunden. Naja, wie auch immer.
Ich sollte noch erwähnen, dass ich den Artikel vor der Bekanntgabe der BAFTA-Gewinner geschrieben habe und er deshalb nicht zu hundert Prozent auf dem neuesten Stand ist. Im Wesentlichen hat sich dadurch aber auch nichts geändert.
Die Serie ist tatsächlich viel toller, als sie von außen aussieht. Und die zweite Staffel übertrifft die Erste noch. Immer einen Blick wert, schöner Artikel demensprechend. :)
Skyfall hatte ein paar kleinere Probleme, aber die lagen sicher nicht bei Sam Mendes, sondern am Skript. Gute Wahl natürlich.
There Will Be Songs. Viele Songs. Les Misérables ist ein Vollblutmusical und ein Äquivalent zu Peter Jacksons King Kong. Eine klassische Geschichte, auf dem neuesten Stand der Technik und Starbesetzung, in Eposlänge. Das Problem war, während der Stellen, bei denen King Kong einen Riesengorilla zeigte, der zwei Tyrannosaurier auf einmal verprügelte (immer noch eine fantastische Szene), wird in Les Misérables gesungen. Wie eigentlich die gesamte Zeit über.
Das hat immerhin den Vorteil, dass das klassische Woody Allen-Musicalproblem, Leute reden und irgendwann stoppt die Handlung für einen Song und man will eigentlich nur zurück zum eigentlichen Film, kaum auftritt. Im Gegenteil, die Konzeption der Songs ist teilweise wirklich außergewöhnlich gut (ich nehme an, dass diese Elemente direkt aus dem Live-Musical, das ich nie gesehen habe, übernommen wurden), Hugh Jackmans Lied am Ende des Prologs beispielsweise. Viele Close-Ups, viel Gerenne und am Ende eine klare Entwicklung. Wunderbar.
Leider gibt es auch den Nachteil, dass man nach einer gewissen Zeit ein wenig davon angeödet ist, dass die Songs fast alle gleich klingen. "Do you hear the people sing?" ist der wesentliche Ohrwurm, der Rest sind sich wiederholende und im Kreis drehende Themen und bei zweieinhalb Stunden erwartet man eigentlich ein wenig Abwechslung. Hier und da. Nur ein bisschen.
Dazu kommen natürlich die Schauspieler. Hugh Jackman ist sympathisch in der Hauptrolle, Russel Crowe hat mir überraschenderweise sehr gut gefallen, vielleicht auch weil er der Einzige war, der nicht so aussah, als würde er die Rolle für einen Oscar spielen und Anne Hathaway zeigt eine klassische Oscarperformance nach der perfektionierten Lehre des Leonardo DiCaprio, das heißt, sie gibt sich wirklich, wirklich Mühe, doch anders als DiCaprio sieht man es ihr nicht an.
Es ist eben Les Misérables, die Elenden. Am Ende sind fast alle tot und alle elend. Zwischendurch eigentlich auch. Es wird allgemein sehr viel gelitten und geweint. Nur eben in Reimen. There Will Be Sobbing.
Spoiler, in gewisser Weise
Ich bin mir sicher, dass es gute Gründe dafür gibt, dass "Liebe" der beste Film des letzten Jahres war. Ich glaube aber auch, dass er genauso gut einer der schlechtesten sein könnte. Die Wertung ist mehr oder weniger nur dazu da, damit der Film in meiner Bewertungsliste auftaucht, ich habe immer noch keine Ahnung, wieviele Punkte es sein sollten. Eigentlich gingen nur 10 oder 0. Die 5 ist die Mitte, zufrieden bin ich mit dieser Lösung auch nicht. Ich muss mich wirklich zurückhalten, nicht "Hassfilm" zu drücken.
Michael Haneke ist kein Mann der großen Töne. Den ganzen Film über wird praktisch keine Musik eingesetzt und seine ruhige und unaufdringliche Art, mit der er ein Paar in der schwersten Zeit ihres Lebens begleitet, ist makellos, auch wenn der Fehler vielleicht eine Ebene darüber liegt. Emmanuelle Riva spielt wie ihre Oscarmitbewerberin Jessica Chastain eine Frau, die während der Laufzeit des Films in ein Feld der Dunkelheit eintritt. Und Haneke inszeniert das alles so auf den Punkt, so natürlich und frei von Klischees, dass er mit seinem Endergebnis vielleicht näher an einer realen Situation dran ist als jemals irgendjemand vor ihm.
Aber ein Problem gibt es. Und eigentlich ist er mit einem Wort zusammengefasst. "Liebe". Dadurch, dass der Film "Liebe" heißt und nicht "Sterben" oder "Alte Leute", geht Haneke den einen Schritt, den er sich mit diesem Drehbuch und dieser Art, zu inszenieren, nicht erlauben kann.
Denn ab einem gewissen Punkt in der Handlung wird die Liebe der Figuren einseitig. Ab einem gewissen Punkt ist Anna praktisch handlungsunfähig und kein aktiver Teil der Geschichte mehr. Und die fehlende Präsenz wird auf Georges übertragen, der nun der alleinige Hauptcharakter ist, Hauptcharakter in einem Film darüber, dass seine Frau stirbt. Und hier geht Hanekes bewusst gewählte Nüchternheit, sein kompletter Verzicht auf alles, was irgendwie nach Melodrama aussehen könnte, nach hinten los. Er könnte sich jetzt eigentlich alles erlauben, wer seine Figuren so liebevoll und klar eingeführt hat und die Geschichte auf diese brutale und gleichzeitig sanfte Art in Richtung des unvermeidlichen Tods gelenkt hat, kann jetzt auch eine Musicalnummer einbauen und es wäre okay. Aber er geht seinen Weg weiter und dieser Weg zeigt Jean-Louis Trintignant ohne eine einzige Träne, ohne eine einzige Gefühlsregung, ohne einen einzigen Hinweis darauf, dass er das, was er vor der entscheidenden Szene alles macht, aus irgendetwas anderem als Pflichtbewusstsein, Angst oder Selbstrespekt tut. Er verfolgt den Tod seiner Frau beinahe wie ein Erbschaftskiller, der ihr nach vielen Jahren Vertrauensbildung etwas in den Kaffee geschüttet hat und sie jetzt in ihren letzten Zügen begleitet, um den Schein zu wahren.
Und die letzte Wendung in der Handlung, der letzte Schritt, den er geht, ist die logische Fortführung des Problems, das Haneke sich selbst angehäuft hat. Nichts, was Georges tut, sagt oder zu fühlen scheint, gibt mir irgendeinen Anhaltspunkt darauf, dass er seine Frau aus Liebe ersticken könnte.
Ein Freund von mir arbeitet in einem Krankenhaus und berichtete mir einmal von einer Versuchsreihe, in der durch die Messung von Gehirnströmen oder etwas ähnlichem Fragen an Komapatienten gestellt wurden. Und dabei kam heraus, dass viele Menschen, die sich selbst nicht mehr artikulieren und bewegen können, viel zufriedener mit der Tatsache sind, überhaupt am Leben zu sein, als man vielleicht meint. Verwandte und Partner neigen in diesen Situationen oft dazu, etwas ähnliches zu tun wie das, was Georges an dem Verhalten der bemutternden Krankenschwester so stört. Sie übernahmen selbst die Position des Entscheidungsträgers und entscheiden stellvertretend für den, der in der schlimmen Lage ist. Sie stellen sich in gewisser Weise über die geliebte Person und dazu gehört die Entscheidung darüber, ob sie am Leben bleiben sollte.
In diesem finalen Moment, in dem Georges Anna erstickt, hat er die Kontrolle und die Macht über ihr Leben übernommen. Er reduziert sie auf einen Faktor in seinem Leben und dadurch, dass die Szenen vorher furchtbar darauf hinzuweisen scheinen, dass er das tut, weil er es selbst nicht mehr aushält, weil er nicht mehr will und weil sie ja sowieso nicht widersprechen kann (die letzten Worte, die er ihr gegenüber spricht, sind eine schlimme Geschichte, die ihm widerfahren ist, während sie todkrank vor ihm liegt. Er erwähnt weder ihr Befinden, noch ihre Lage, noch ihr Leben, noch ihre LIEBE mit einem Wort), wird die Szene zu einem Akt der Grausamkeit und des Egoismus.
Schlussendlich ist Michael Hanekes neuer Film eine Geschichte über ein Paar, das im Angesicht des Todes zerbricht und ein Film über das Scheitern von Liebe. So gesehen fügt er sich perfekt in Hanekes Filmographie ein. Und hieße er "Alte Menschen" oder "Verzweiflung", wäre alles in Ordnung. Doch er heißt "Liebe". Und das ist anmaßender als alles, was Haneke bereits gedreht hat und dazu gehören immerhin ein paar der anmaßendsten Filme der Filmgeschichte.
Jar Jar Binks, trollololol.
Ganz ähnlich wie es kein Vergnügen ist, den Filmtitel am Ticketschalter zu sagen, so ist der dazugehörige Film "Der Geschmack von Rost und Knochen" auch wahrlich kein Vergnügen. Er hat seine bewegenden Momente, er hat tolle Wale (viel zu kurz leider, ich wollte mehr Wale) und eine fantastische Leistung von Marion Cotillard. Zwischendurch ist er fast ein bisschen Horrorfilm und dann eine Art Extrem-Arthouse-Version von Ziemlich beste Freunde. Nur ein guter Film ist er, bei allem guten Willen der Welt, nur in Ansätzen.
Jacques Audiard ist ein sehr visueller Regisseur und er pflegt seinen eigenen Stil und in dem filmt er jede einzelne Szene, von Faustkämpfen über Sexszenen bis zu normalen Dialogen und die (hin und wieder wohl absichtlich) grauenhafte Kamera stört da durchaus ein wenig. Ist es heutzutage Kunst, Menschen out of Focus zu filmen?
Aber all das ist nicht das, was mich wirklich daran stört. Was mich wirklich stört, ist folgendes: In diesem Film steckte ein guter Film. Der Film über den Charakter von Marion Cotillard. Den bekommen wir aber nicht. Stattdessen bekommen wir einen Film über einen Idioten mit Sohn, der die Sachen tut, die einen Idioten auszeichnen und der bis zum Schluss ein Idiot bleibt, nur ist er dann Idiot mit Sohn und Marion Cotillard als Freundin. Warum? Wen interessiert das schon...
Wenn ein Charakter so unglaublich negativ aufgeladen ist wie der von Matthias Schoenaerts, MUSS es (und hier sollte es eigentlich keine zwei Meinungen geben) einen Handlungsbogen geben, der etwas mit ihm anstellt. Ob etwas Gutes oder etwas Schlechtes, wie auch immer, es muss Konsequenzen in der Handlung geben. Die gibt es nicht. (SPOILER AB HIER). Er ist vom Anfang des Films (nach etwa 20 Minuten wurde mir klar, dass der Regisseur von mir verlangte, mich mit ihm zu identifizieren, ich war milde schockiert) bis zum Ende des Films ein verantwortungsloses Arschloch ("Hey, lasse ich mal meinen Sohn allein auf dem Eis rumturnen, warum auch nicht?"). Von mir aus kann er das gerne sein. Aber dann ein SOLCHES Ende dranzuklatschen, in dem er einfach mal eben Stéfanie anruft und die ist natürlich nach sechs Monaten einfach zur Stelle ist, um ihr Leben mit ihm zu verbringen oder was auch immer, was sollte das? Was ist mit ihrer Geschichte? Warum soll ich einem Typen dabei zusehen, wie er pausenlos versagt, nie über sich nachdenkt und am Ende dann kurz heult und zufrieden mit sich ist, wenn ich Marion Cotillard dabei zusehen kann, wie sie mit ihrem Leben und mit ihrer Situation klarkommt?
Alle Szenen, die mich in DGvRuK irgendwie berührt haben, waren Szenen mit ihr. Alle Szenen, die wirklich funktioniert haben, waren Szenen mit ihr. Sie waren komisch, traurig, immer gefühlvoll und zum Teil auch wirklich schockierend. Und ihre Seite der Geschichte wird nicht einmal zu Ende erzählt, sondern einfach mittendrin fallengelassen und Stéphanie wird zu einer Nebenfigur einer an sich todlangweiligen Geschichte degradiert. Es gehört mehr zu einem Ende einer Geschichte als ein "Ich liebe dich" und fröhliche Musik.
Oh Boy auf Platz 1? Ich habe keinen Film mit vergleichbaren Werten gefunden, vielleicht war ich aber auch zu oberflächlich. Es wäre jedenfalls klasse.
Ein großartiger Auftakt. Das einzige Problem ist vielleicht die Tatsache, dass er für mich bisschen für zu sehr nur Auftakt war. Die gesamte erste Staffel wirkt ein wenig wie eine einzige große Pilotfolge, vielleicht täusche ich mich aber auch gewaltig und in der zweiten geht es gerade so weiter mit den ständigen Richtungsänderungen. Teil des Spaßes an Homeland ist auf jeden Fall die Ungewissheit, dass jede Folge anders sein kann und die Story in eine komplett andere Richtung kippen.
Bis jetzt fehlte mir nur ein klein wenig der rote Faden, vielleicht hätte ich mir etwas mehr Fokus auf Claires Psyche gewünscht. Ob das wohl noch besser wird? Wie auch immer, ich meckere auf verdammt hohem Niveau. Homeland ist eine durch und durch fantastische Serie und ich freue mich gewaltig auf Staffel 2.
Würd ja gern rein, aber ich hab den ersten Teil nicht gesehen.
http://redlettermedia.com/half-in-the-bag-sucker-punch/ ab 7:20
Eigentlich wurde doch wirklich schon alles gesagt.
Viele Leute mögen den Film sehr, was mich freut. Aber emanzipatorisch? Wirklich?
Übrigens: Auf der Seite 3 der Süddeutschen Zeitung von heute gibt es einen wirklich ausgezeichneten Artikel über das reale Vorbild von Jessica Chastains Charakter. Sehr lesenswert und interessant.
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Once! :)
Ich hatte Angst, keinen Film mehr zu finden, der mich absolut und vollkommen begeistert. Ich hatte Angst, dass ich bei den ganzen Kommentaren, die ich schon geschrieben habe und der Analyseroutine etwas verloren gegangen war. Dass ich dazu verdammt sein würde, in Zukunft immer auf verkehrte Schnitte und Dialogunstimmigkeiten zu achten und gegenüber neuen Filmen immer zu skeptisch gegenübertreten würde.
Ich hatte sagenhaft Unrecht.
Ich liebe Liberal Arts. Ich liebe diesen Film, wie ich zuvor eigentlich nur Juno geliebt habe, jede Minute, jede Zeile, jedes Detail. Die Angst, dass das zweite Mal Schauen nur eine Enttäuschung sein könnte, war ebenfalls unbegründet. Josh Radnors Film lässt in mir die Muskeln zucken und die Endorphine explodieren und hinterlässt mich jedes Mal mit einem der wunderbarsten Gefühle der Welt. Dass ich jetzt auf die Straße laufen könnte und wildfremde Leute umarmen, mir fünfzig Orangen kaufen, weil Obst ja gesund ist oder dass ich alternativ auch einfach hier sitzenbleiben und mich darüber amüsieren könnte, dass eine der Danksagungen im Abspann an "Jeff Hobensack" geht. Ich stelle fest, dass es Liebe in meinem Leben gibt. So viel Liebe, so gut verteilt. So dass es noch für viel länger reicht.
Ich weiß nicht genau, warum Liberal Arts diese Wirkung auf mich hat. Vielleicht, weil es ein Film genau für mich ist. Für mich, wie ich gerade so vor mich hin lebe. Vielleicht kommt er bei mir aber auch einfach zur richtigen Zeit. In der Zeit, in der man den letzten Satz des Films das erste Mal richtig begreifen kann. Und ich hoffe wirklich, dass das nicht langweilig klingt, auch wenn es nahezu unmöglich ist, schöne Dinge zu sagen, ohne dass es nach Kitsch klingt. Kitsch ist fiktionalisiertes Glück. Leider. Gegen die Fiktion. Für einen frischen Atemzug und Orangensaft und Kuss nach dem Aufstehen. Und das alles durch einen Film, der die Twilight-Bücher und Unendlicher Spaß von David Foster Wallace auf solche Art miteinander vergleicht.
"Die Wahrheit macht dich frei. Aber vorher ████████████████████████████."