JackoXL - Kommentare
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Alle Kommentare von JackoXL
[...] Nach einem vorgegaukelten Schimmer am Horizont – eine zweite Chance, die Wiedervereinigung zweier Liebenden, der mögliche Ruhestand in Reichweite (wenn auch durch ein Verbrechen hervorgerufen, welches im Idealfall aber ohne Gewaltopfer stattfinden sollte) - wird alles mit so einem Impact und für den sonst sehr Showdown-fixierten Peckinpah ungewöhnlich früh zerstört, dass sich die zweite Hälfte von The Getaway anfühlt wie ein Schlagbohrer mit Salzlake, der sich unermüdlich und mit sadistischer Wonne immer wieder in die gleiche, offene Wunde schraubt. Peckinpah zeigt bewusst das Hässlichste im Menschen. Alle die Missgunst, die Gier, die Niedertracht. Den Treppenwitz von einem Land, das sich Moral und Ethik ganz fett auf die Fahne schreibt und wo gleichzeitig die notwendigen Einbruchsutensilien und noch schlimmer auch geladene, großkalibrige Feuerwaffen wie Kaugummi über der Tresen gehen und nur halbherzig nachgefragt wird, was denn Sinn und Zweck davon sein soll. Als wenn es wen ernsthaft interessiert. So zu tun als ob, damit ist jetzt Schluss.
Männer sind gewaltbereite, in ihrer Ehre so leicht verwundbare, ungestüme Bastarde. Frauen manipulative, ihre gottgegebenen Reize als Waffen einsetzende, sich dem Rudelführer an den Hals werfende Luder, wie sollte es auch anders sein? Die Misogynie-Debatte à la Peckinpah wird dankend angenommen, aber gleichzeitig entwaffnet, da niemand in dieser an Zynismus und Verrohung ersaufenden Geschichte – egal ob Männlein oder Weiblein – besser wegkommt. Sie verwenden ihre Möglichkeiten und die armen Teufel, die noch an das glauben was ihnen der Werte und Normen-Unterricht vorgegeben hat und die sich versehentlich in dieses Schreckensszenario verirrt haben, baumeln früher oder später überm Klo. The Getaway ist neben seiner Funktion als hochspannende, knüppelharte und exzellent arrangierte Gangster-Heist-Roadmovie-Ballade ein giftiges Klagelied über den Verfall und die Doppelmoral einer Gesellschaft. Die sich mit biederen Werten brüstet und doch etwas ganz anderes vorlebt. Das ist ein Frontalangriff auf alle Moralapostel und Besserwisser, der seinen Hohn genüsslich mit der großen Kelle über diejenigen verteilt, die ihn vermutlich deswegen wieder als gewaltverherrlichenden, sexistischen Müll verteufeln wollten. Ein aufregendes, wildes Fuck You vom einem rüden, aber dahinter wesentlichen klügeren Anecker, als allgemein behauptet wird. [...]
[...] Der eigentliche Whodunnit-Krimi-Plot gerät bei dem stilsicher inszenierten, deutlich am klassischen Film Noir orientierten Drama von Regisseur Ulu Grosbard (Der Liebe verfallen) zusehend zur Nebensache, mündet ausschließlich unter diesen Gesichtspunkten bewertet gar in einer relativ schlichten Auflösung, die so nicht zwingend einen so ambitionierten und detailverliebten Film erklären würde. Darum geht es hier auch gerade mal sekundär. Viel spannender als die eigentliche Täter- und Tathergangsfrage ist doch, welche Lawinen dadurch ausgelöst werden. Welche lange gedeckelten, geduldeten Schweinerein und Machtspielchen dadurch drohen aufzufliegen, dass ein „einfacher Mord“ an einer unbekannten, dahergelaufenen Dirne nur die schlampige Spitze eines Eisberges mit wesentlich impulsiverer, politischer Qualität darstellt. Obwohl es das definitiv grausamste Verbrechen in einer Reihe von vielen ist, das aber letztlich am wenigsten interessiert. Es geht nur um das Resultat. Wer am Ende wen warum umgebracht hat, ist nur eine Randnotiz. Zumindest auf dem Niveau. Entscheidend ist: Alles bricht zusammen und reißt jeden mit in den Abgrund, der nicht rechtzeitig den Absprung schafft. Einen Schuldigen zu finden ist da recht einfach, lediglich die Anklageschrift ist variabel. [...]
[...] Vittorio De Sica gewährt einen entlarvenden, vielseitigen und ambivalenten Einblick tief ins Herz von sozialer Schieflage und gleichzeitig ungeschönter Realität eines Landes, das nach Jahren des Klassenkampfes zwischen Kommunismus und Faschismus fast brach liegt. In der sich die Gegensätze an jeder Ecke kreuz und quer über den Weg laufen und sich doch viele eigentlich auf Augenhöhe bewegen, da alle nur versuchen irgendwie über die Runden zu kommen. [...] Denn Fahrraddiebe verlässt sich nicht darauf, nur Mitleid für die im Mittelpunkt stehende Partei anzubieten, in einem Staat ohne echtes soziales Auffangnetz, erschütternder Perspektivlosigkeit und einer heillos überforderten Regierung, sondern eine Situation – eher eine daraus resultierende Kettenreaktion – zu reflektieren, an deren Ende es nur eine „logische“ Konsequenz geben kann. Das dieser Film genau dann seinen aus realistischen Fakten lange zurückgehaltenen Hoffnungsschimmer so wunderbar und herzlich anbietet, ist nicht gleichzusetzten mit einfacher Anbiederung, es entsteht tatsächlich aus dem Moment und bildet die durchaus versöhnliche Aussage des Gesamten. Wenn wir nichts haben, haben wir wenigstens noch uns. Auch wenn wir es lange nicht bemerkt, uns zwischenzeitlich sogar beinah aus den Augen verloren oder gar gegeneinander agiert haben, am Ende, wenn jeder falsche (männlicher) Stolz nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, ist das doch am wichtigsten. [...]
[...] Im Double-Feature mit Das Phantom der Oper – also einer ihrer typischen, eigenen Interpretationen von großen Horror-Klassikern – in die Kinos gebracht, im Original als Night Creatures betitelt und bei vielen Plakaten den Fokus auf die skelettierte Geisterreiter gelenkt , wurde nicht unbedingt versucht den Eindruck zu erwecken, es würde sich hier nicht um einen Gruselfilm handeln. Das könnte als leichter Etikettenschwindel angesehen werden, wobei es womöglich noch schwieriger gewesen wäre, das fertige Produkt als waschechten Piratenfilm zu bewerben um am Ende mit so einem Crossover weit weg von Meer und Totenkopfflaggen um die Ecke zu kommen.
So was Ähnliches hat selbst der große Alfred Hitchcock bereits 1939 mit Die Taverne von Jamaika gemacht. Und damals wie auch hier: Die Rechnung geht durchaus auf. Wenn sich von strickten Mustern, von dogmatischen Genrezugehörigkeiten gelöst werden kann, mit dem gleichzeitigen Zugeständnis, das daraus nicht mehr als ein amüsanter Mix herauszuholen sein dürfte. Viel mehr ist Die Bande des Captain Clegg neutral betrachtet auch nicht geworden, was so gesehen aber nicht negativ zu werten ist. Für knapp 80 Minuten kurzweilige Unterhaltung ist dieser kein Stück unheimliche, dafür flotte, liebevoll ausgestattete und vor allem prima besetzte Trockenschwimmer problemlos geeignet. [...]
[...] Heston fühlt sich offensichtlich wohl in der Rolle des starken, linientreuen Ehrenmannes, ist in seinem Handeln damit durchaus fragwürdig, aber das muss man ihm lassen, er verkörpert diesen Part enorm glaubhaft. Kommt wohl nicht von Ungefähr. In allen Belangen unumstritten ist Maximilian Schell, der mal wieder in die SS-Uniform schlüpfen darf/muss, aber sie erneut – auch wenn es komisch klingt – exzellent ausfüllt. Ein diabolisches Funkeln in den tiefschwarzen Augen ist genauso vorhanden wie ein ganz leichter Hauch von Menschlichkeit, der nur nie richtig aufblitzen darf, denn schließlich ist ganz klar, wer hier Gut und Böse verkörpert. Was auch richtig ist, nur Schell kitzelt mal wieder dieses gewisse Maß an Rest-Würde hervor, was über das oftmals bis zum Anschlag praktizierte Monstrum-Prinzip hinausgeht. Es ist in erster Linie das markante Duell zweier Alphatiere, was Der Befehl auf einem gewissen, einem ordentlichen Niveau Konstanz verleiht, unweigerlich gekoppelt an die Hauptdarsteller, die – vielleicht unbewusst – relativ viel von sich selbst in die Rollen einbringen. Authentizität ist manchmal auch eine Frage der Besetzung. Nicht oft, aber hier ganz bestimmt. [...]
„Sie hat sich nochmal übergeben. Ich dachte, sie wäre auf dem Weg der Besserung.“
Junge, wenn es so einfach wäre, müsste man Bruce Willis einfach John Cusack in den Hals stecken und beide würden nicht aus für Außenstehende immer noch unerklärlichen Gründe fast nur noch durch solche Wühltisch-Heuler geistern. In großen Produktionen werden inzwischen gerne alte B-Movie-Fratzen für launige Cameos eingesetzt, am anderen Ende der Nahrungskette sieht es genau anders herum aus. Die Rollen sind die gleichen in traurig. Hier halten ehemalige Topstars ihre verbrauchten Gesichter in die Kamera beliebiger DTV-Schleuderware. Während Bruce Willis im Vorbeihusten seinen Scheck abgreift und mit Ausnahme des ihm wohl inzwischen in Kauf genommenen Vita-Ramponieren keine richtig tiefen Furchen hinterlässt, muss man sich um Cusack langsam ernsthaft Sorgen machen. Sein erschütternder Zustand wirkt wie Nicolas Cage ohne Morgendröhnung und für den Karrierestatus förderliches Ei am Wandern, aber sie wachen wohl beim gleichen Hundefriseur auf. Übel. Fast verzweifelt bemüht strampelt sich der vergessene Jason Patric in der eigentlichen Hauptrolle ab, der weibliche Side-Kick namens Jessica Lowndes ist ätzend, Curtis Jackson bekommt nicht für 50 Pfennig die Zähne auseinander, aber die auf dem Level halbwegs ordentliche Inszenierung rettet der Gurke auf Existenzminimum-Niveau den Arsch.
[...] Als wäre das Fulci plötzlich auch bewusst geworden, jemand hätte ihn aufgeweckt oder ein halbfertiges Drehbuch hat nun den Punkt erreicht in dem nur noch steht „Ab jetzt bitte mit eigenem Input füllen“ wird der Film mit zunehmender Laufzeit merklich besser und definitiv um einiges interessanter. Inhaltlich bleibt es zwar immer noch reckt klar, linear und noch ein gutes Stück entfernt vom abstrakten, assoziativen und beinah unkontrolliert scheinenden Wahnsinn, aber allein inszenatorisch übernimmt Fulci nun zusehends wirklich die Kontrolle und sorgt spätestens in den letzten 25-30 Minuten für ein recht sehenswertes Durcheinander, zu dem Fabio Frizzi eine ebenso leicht chaotische, aber äußerst effiziente Musikuntermalung beisteuert. Die Gore-Gäule gehen mit dem alten Schweinepriester nicht so durch wie in seiner Sturm-und-Drang-Periode (also in den 3-4 Jahren davor), aber zumindest eine der letzten Einstellungen kommt auch dem recht nahe. Grundsätzlich ist das in der Masse kein Film für Splatter-Fetischisten. Was Stimmung und Atmosphäre anbelangt entwickelt es sich zwar schleppend, aber wenigstens konsequent in die richtige Richtung, bis man irgendwann verdutzt feststellt, dass dieser in seiner Gesamtheit betrachtet nicht richtig gute Filme auf einmal fast einer geworden wäre. [...]
Smarte, trotz der Hosentaschen-tauglichen Laufzeit erfreulich behutsam und ohne überflüssige (in dem Fall sogar schädigende) in die Hacken tretende Hektik aufgebaute, frisch-post-apokalyptische Independet-Anti-Hütten-Gaudi. Überraschung oder Innovation wird hier nicht so besonders groß geschrieben – weshalb die reflexartigen „Meisterwerk“-Rufe dann doch sehr euphorisch erscheinen, mag auch aus dem positiven Überraschungsmoment entsprungen sein -, aber wie geschickt und nachhaltig erschütternd dieser Film auf seine völlig logische und auch deshalb relativ durchschaubare Pointe hinarbeitet, ist schon ein starkes Stück. Das Grauen „da draußen“ als gesichtsloser, unsichtbarer Gartenzaun. Fast eine Allegorie, definitiv nur ein Macguffin. Was des Nachts kommt, kommt nicht zwingend von dort. Es hat dort seinen Ursprung, die Suppe wird daheim ausgelöffelt. Dort oder hier; rein oder raus; ich, er oder es; die oder wir. Der schlaue Effekt des nagenden Schauerstücks vom offenbar sehr talentierten Trey Edward Shults liegt darin, (un)gesundes Misstrauen, Beschützerinstinkt und menschliches Handeln in extrem angespannten Lagen so glaubhaft zu transportieren (aus jeder Perspektive), dass nicht mehr als nötig dazu gesponnen werden muss. Trifft sehr gezielt dahin wo er möchte, obwohl die Stelle von Anfang an mit einem fetten, roten X markiert ist, sogar mit ziemlicher Wucht.
Yorgos Lanthimos, auf dem Weg zum Next Big Thing im Business, wenn er dort nicht sogar schon angekommen ist. Griechische Mythologie als moderne, abstrakte und bitterböse Farce. In seinen Bildern glasklar, beinah aseptisch und nah am Kubrick-Perfektionismus, immer wieder durchbrochen von aufbrausenden Disharmonien, in seiner inhaltlichen Ausrichtung wiederum nie konkret festgelegt. Lanthimos erweist sich mal wieder als sezierender Beobachter sozialer, gesellschaftlicher und moralischer Strukturen, um sie anschließend als biestige Groteske einerseits ad absurdum zu führen, andererseits daraus trotzdem eine emotional ergreifende Tragödie zu schaffen. Zwischen enormer Anspannung, verstörender Bedrohung und erschütternder Grausamkeit finden sich so oft Momente pechschwarzer Ironie, dass man als Zuschauer fast schon in einen Gewissenskonflikt kommt, wenn man das Lachen gerade noch so mit dem Klos im Hals herunterschlucken kann…oder darf. Der Funny Games Effekt. Einer der besten Filme der letzten Jahre von einem der wohl spannendsten Regisseur dieser Zeit.
[...] Das Setting erinnert an Filme wie The Road oder Vampire Nation, die eigentliche Situation sogar etwas an Jeepers Creepers II und wenn sich der eindeutig nicht untalentierte Mathieu Turi genau darauf wirklich konzentrieren würde, womöglich wäre Hostile ein recht feines, kurzweiliges Endzeit-Survival-Stück geworden. Hätte, wäre, wenn, alles gut und schön in der Theorie, nur grätscht sich Monsieur Turi (vermutlich) hochambitioniert selbst in die Parade, da er sein an und für sich komplett ausreichendes, extrem stimmungsvoll begonnenes Szenario – für den Zuschauer lange nicht nachvollziehbar – gnadenlos zerfleddert. [...] Bis zum Schluss muss man ausharren, bis sich endlich erschließt warum dieser ganze Eiertanz so ausgiebig zelebriert wurde. Spitze…und jetzt? Da hat sich Mathieu Turi wohl gedacht, er arbeitet behutsam auf eine hintergründige, kluge und emotionale Pointe hin, die aber unterm Strich kitschig und beinah albern anmutet. Dafür hat er sich praktisch ohne Not das eigene Wasser durchgehend abgegraben? Einen interessanten, von der handwerklichen Umsetzung absolut überzeugenden B-Geheimtipp so pseudo-verkopft, dass es in der banalen Auflösung bald einer Parodie gleicht? Fast schon ärgerlich, zumindest fahrlässig. Oder eher ein Fall von falscher Selbsteinschätzung. [...]
[...] Uff, kurz mal Luft holen, eigentlich sind die wilden Ronald Reagan-80er doch schon vorbei, da kam Navy Seals dann doch einen Hauch zu spät, aber macht prinzipiell nichts, Hirn wächst ja bekanntlicherweise nicht auf dem Baum und wer nach den ganzen befremdlichen Militär-Pornos der zurückliegenden Jahre den Schacht immer noch nicht voll hat, dieser Film hat den Kalender der NRA nach 1986 nicht mehr ausgewechselt. Da war die Welt auch noch in Ordnung. Gut, der Feind hat sich leicht verändert bzw. die Russkis stehen wegen deren mädchenhaften Kapitulation vor der zivilisierten Welt nun unter Naturschutz, aber da gibt es zum Glück noch das Pack mit dem Bart, das bevorzugt Zivilisten und unbewaffnete Rettungshubschrauber vom Himmel ballert und sich insgeheim zuhause über alte Folgen von Mr. Ed den Kaftan nass macht. Die haben ja sonst nichts, nur ihren Hass und schlechte Laune. Während der restliche Westen sich mit diplomatischen Unsinn nur den Arsch plattsitzt, kommt die härteste Boygroup der USA sofort zur Hilfe geritten, bekommt sonst ja niemand geschissen. [...] Vermutlich will hier niemand was „Böses“, das ändert aber wenig bis gar nichts an der Tatsache, dass auch Navy Seals ein kriegsbejahender, waffengeiler, primitiver Humpen Testosteron-Plörre ohne jeden wenigstens versehentlichen Witz und Charme ist, dem sein selbstverständlicher Rassismus vermutlich gar nicht bewusst ist. So stumpf ist der, sagenhaft.
„Wenn ich vorsichtig wäre, wäre ich bei der Küstenwache!“
Genau, die ollen Feiglinge! Wann haben die zuletzt was in die Luft gesprengt? [...]
[...] Atmosphärisch funktioniert Die Insel des Dr. Moreau einwandfrei und versteht es durchaus gekonnt, den Geist der literarischen Vorlage auf seine Weise neu zu interpretieren, auch wenn er deren gesellschaftskritischen Subtext etwas zugunsten der reinen Genre-Zugehörigkeit zurückschraubt. Der mahnende Grundton bleibt jedoch erhalten und neben dem klassischen, immer wieder faszinierenden da so wahrhaften und zeitlosen Mad-Scientist-Thema, bei dem ein genialer Geist mit der ursprünglichen Motivation im Wohle der Menschheit zu handeln sich zum gottesgleichen Herrscher aufschwingt und die Kontrolle über die eigene Schöpfung verliert (wie auch in Frankenstein), erweist sich der Film trotzdem noch als Extrembeispiel einer Sci-Fi-Horrorfabel, die ihre Aussagekraft hinter dem schlichten Genre-Anspruch nicht gänzlich einbüßt. [...] Die Darsteller sind für eine derartige Produktion beinah luxuriös gut, besonders Leinwandlegende Burt Lancaster nimmt die Rolle sichtlich ernst (nicht etwa wie der als absurder Knallcharge vor sich hin spinnende Marlon Brando in der Fassung von 1996), was dem Film guttut, ihn in seiner düsteren, kritischen, fast sogar fatalistischen Stimmung in die richtige Bahn lenkt. Schnell könnte das Ganze nämlich auch in eine ungewollt trashige Richtung kippen, das wird konsequent vermieden, wofür allen Beteiligten ein großes Lob auszusprechen ist. Das gelungene Finale bietet in seiner letzten Einstellung des brennenden Königreichs eines gefallenen Sonnengottes sogar viel Symbolträchtiges und stellt kurz zuvor auch die Irritation seiner Untertanen bezogen auf ihr eigene Identität besonders in den Vordergrund: Wer sind die, wer sind wir, wo ist der Unterschied? Die Natur lässt sich beugen, aber nicht komplett brechen. Am Ende ist auch der Mensch nur ein Teil von ihr und muss sich unterordnen. Oder alles wird versinken in Chaos, Flammen und Tod. [...]
[...] Dieser stille, aber stets enorm greifbare Konflikt der Figuren wird vordergründig im oft provisorischen Ring ausgetragen, wo kein Wort zu viel gesprochen werden muss. Mit enormer Körperlichkeit absolut beeindruckend artikuliert rückt der bereits angesprochene, eher zufällige Vergleich zu Wie ein wilder Stier wieder deutlicher in den Fokus, obwohl eine andere Geschichte erzählt wird. Dennoch definieren sich beide Filme nicht ausschließlich, aber ebenso nicht unwesentlich klar über den physischen Ausdruck. In seiner „einfachen“, oberflächlichen Dramaturgie mag Der Boxer und der Tod sogar als leicht schlicht wahrgenommen werden, was aber eher seinem Geschick geschuldet ist, seinen Zeit- Beziehungskontext zwischen den Zeilen (oder eher zwischen Stacheldraht und Ringseilen) zu erzählen. Im Gegensatz zu so manch anderen, klar als Propagandamaterial zu bezeichnenden Werken des kommunistischen Kinos aus Zeiten des Eisernen Vorhangs, ist dies eine sehr menschliche, überhaupt nicht politisch-manipulative Geschichte über die Illusion von Normalität, Fairplay und sogar eine Hauch von Freundschaft oder wenigstens Respekt, was angesichts des Grauens um einen herum kaum 10 Runde überstehen kann. [...]
[...] Die sich um die beiden rivalisierenden Alpha-Männchen Hackman & Borgnine rankende Zweckgemeinschaft – die so manch bekannte Gesichter wie Shelley Winters (Die Nacht des Jägers) oder Roddy McDowall (Planet der Affen) beinhaltet – wird glaubhaft und sympathisch charakterisiert, so das ein Mitfiebern mit ihnen nicht nur ein frommer Wunsch eines im Genre leider oftmals recht hohl ausgefallenen Drehbuchs rund um das große Spektakel bleibt. Poseidon Inferno ist neben seiner zackigen und (so weit man das annehmen kann und es die Gegebenheiten eben zulassen) realistischen Inszenierung besonders durch eben so ein überraschend gutes Skript auffällig, das seine Figuren nicht nur als Mittel zum Zweck in regelmäßigen Abständen einen nach dem anderen der See übergibt. So kommt echte Survival-Stimmung auf und wenn es doch (natürlich) mal jemanden erwischt bedauert man es als Zuschauer mit ungewohnt aufrichtigem Mitgefühl. Und auch wenn sich Gene Hackman hier nicht gerade aufführt wie der wohl durchschnittliche Pastor vom Kirchenbasar nebenan: Es ist kein Katastrophen-Jahrmarkt aufgepumpter Supermänner. Mal ehrlich, wer würde denn ernsthaft glauben, dass Dwayne Johnson (San Andreas) einfach so absäuft? Der könnte den Kahn doch fast alleine an die Küste paddeln. Ein nicht unwichtiger Grund dafür, dass dieser Film weitaus besser und „echter“ funktioniert als der übliche Krach-Bumm-Mumpitz heutzutage (was durchaus auch seinen Unterhaltungswert haben kann). [...]
[...] Großwild-Safari im Großstadtdschungel. Als Herrscherin über Leben und Sterben erweitert sie ihren Radius und das Beuteschema, tötet nicht mehr nur noch „gerechtfertigt“ aus Angst und Selbstschutz, schmückt sich und ihre weiblichen Reize (erstmals) aus, damit ihr noch mehr potenzielle Opfer ins Netz gehen. Und wenn dabei eben nicht nur abscheuliche Subjekte kleben bleiben, wird halt genommen was übrig bleibt. Denn mit Rache und der ausschlaggebenden Vergewaltigung(en) (weshalb Rape & Revenge hier maximal der Aufhänger ist) hat das schon längst nichts mehr zu tun. Ferrara unterwandert die „Regeln“ des eh schon kontroversen Sub-Genres und verwandelt seine verletzte und gepeinigte Protagonisten vom zierlich-zerbrechlichen Mauerblümchen mit Alabaster-Puppengesicht in eine grausame, radikale Exploitation-Pseudo-Feministin, deren scheußlicher Amoklauf als höchst provokanter Edel-Reißer in garstiger Überstilisierung einen schockierenden Höhepunkt findet. Stetig begleitet und akustisch-methodisch geschickt mitaufgebaut von Joe Delia’s grandiosen wie unbehaglichen Score wird der Verfall einer einst integren, nun völlig außer Kontrolle geratenen Seele geschildert, die kurz vor dem verstörenden, bizarren bis schon leicht surreal Showdown das Nonnenkostüm über die Reizwäsche streift, bevor sie die vielleicht finalen Patronen liebkost. Aus Verzweiflung ist Wut, ist Obsession und nun purer Genuss geworden, wer braucht da schon noch Männer? [...]
[...] Mit einem für damalige Verhältnisse ungewöhnlich reflektierten und halbwegs selbstkritischen Blickwinkel fällt Zwischen zwei Feuern angenehm auf, versucht er wenigstens die Rolle der Weißen und die Lage der Ureinwohner, deren durchaus verständlichen, dadurch im Umkehrschluss eben nicht immer bis ins Letzte kompromissbereiten Motive darzustellen und nicht als plumpes Gut/Böse-Schema zu missbrauchen. [...] Vom grundsätzlichen Handwerk ebenfalls als überdurchschnittlich zu betrachten - neben dem guten Cast strahlt das farbenprächtige, aber nie zu bunte Cinemascope-Bild bis über beide Ohren und findet dabei durchgehend feine Aufnahmen - ist Zwischen zwei Feuern ein recht kurzweiliger, vom eigentlichen Plot schlichter, dennoch absolut zufriedenstellender Western seiner Zeit, bei dem aber eines besonders aktuell (#MeToo) ganz übel aufstößt: Das „Begattungsritual“ vom grinsenden Kirk Douglas, was quasi eine verhinderte Vergewaltigung ist und am Ende selbstverständlich trotzdem dazu führt, dass man(n) bekommt was verlangt und verdient ist, wäre selbst ohne diese ganze aufgeheizte und aus gutem Grund endlich mal wirklich thematisierte Debatte unter aller Sau. [...]
[...] Speziell Ustinov ist prädestiniert für die Rolle eines leicht tapsig-tollpatschigen, hasenfüßigen und zu gutgläubigen Windhundes mit konstant Scheiße am Hacken, der jedoch über ein gutes Herz verfügt und im entscheidenden Moment doch zu mehr in der Lage ist, als ihm jeder – inklusive er sich selbst – wohl zutraut. Missbraucht als Ping-Pong-Ball zwischen Geheimdienstspitzel, dusseligem Wasserträger und letztlich aus der Not geboren dann plötzlich doch Vollzeitverbrecher könnte daraus eine richtig turbulente, flotte Sause werden. Könnte, und das genau ist das riesengroße ABER bei Topkapi. Trotz seiner guten Besetzung, der für eine Krimikomödie ordentlichen Ausgangslage und einem routinierten Regisseur am Ruder nimmt der Film erstaunlich wenig Tempo auf, treibt relativ unaufgeregt dahin und vermag die unangenehme Situation seines Protagonistin nie wirklich schadenfroh auszunutzen. [...] Merklich steigt die Qualität im Schlussdrittel, wenn es nach der zu schleppenden Planungsphase nun endlich zum eigentlich Einbruch kommt. Dank der erstklassigen Kameraarbeit von Henri Alekan (Spion zwischen zwei Fronten) und dem unverkennbaren Erfahrungsschatz wie der eindeutigen Kompetenz von Jules Dassin bezogen auf solche Momente (Rififi lässt hier durchaus grüßen) ist Topkapi in diesen Situation durchaus sehenswert geraten. Dass sie letztlich aber nicht den Hauptteil des Films ausmachen und mehr ein schmückendes Beiwerk zu einer insgesamt mittelprächtigen Komödie darstellen ist dahingehend höchst unvorteilhaft. [...]
[...] Jenseits von affektiertem Tränenzieher-Wischiwaschi-Kino schildert Andreas Dresen mit nüchterner, realitätsorientierter Stilistik eine glaubhafte Familientragödie, die jeden von uns genauso jederzeit treffen kann, egal was wir bis dahin mit unserem Leben veranstaltet haben. Welchen Status wir (meinen zu) besitzen und woher wir kommen, für manche Situationen gibt es keinen Ausweg. Genauso wenig wie einen klugen, allgemeingültigen Ratgeber, wie damit umzugehen ist. Man kann Tipps und Ratschläge von Fachleuten annehmen (von denen dieser sich sehr nahe am Leben befindender Film wirklich viele sehr brauchbare bereithält), letzten Endes ist aber jeder Einzelfall nicht zu pauschalisieren. Auch das schildert Halt auf freier Strecke, frei von belehrender Besserwisserei. Die Hürden, Probleme und auch die Wut die entstehen kann, auch wenn der Betroffene oft selbst am wenigsten dafür kann. Es ist ein Film der zwischen fast objektiver, ehrlicher (trotzdem natürlich noch fiktiver, aber kaum als solches wahrzunehmender) Berichterstattung und erschütternder Tiefschläge immer noch rührende, hoffnungsvolle und jederzeit lebensbejahende Momente findet; der trotz seiner ungeschönten Dramaturgie und dem kaum gelinderten Schmerz keine Angst vor dem Tod schürt. Nur eben das Sterben nicht verharmlost, so paradox das im ersten Moment klingen mag. [...]
[...] Ausgiebig als verrucht-geiernde Nackedei-Revue genutzt und gelegentlich mit ein paar expliziten, aber (wie alles hier) recht billigen Mordsequenzen garniert ist Stripped to Kill nun wirklich alles andere als ein guter Film, macht aber gerade weil er stellenweise so unverschämt und mit voller Absicht offensiv daneben ist manchmal noch einen Hauch von Spaß. Der hält sich im Gesamten freilich in Grenzen, ist eher eine Randerscheinung, verhindert jedoch den kompletten Schiffbruch. Mit seinem grunzenden, wahnsinnig chauvinistischen Schweineton, der Männer ausschließlich auf notgeile, schmierige Assis reduziert und ein absurdes Frauenbild zwischen taffer Heldin und verklemmter Emanze an die Klowand klatscht, die sich durch das Zwangs-Strippen endlich weiblich fühlt und dabei so lustvoll die Möpse kreisen lässt, dass sie beinah ihre Mission aus den Augen verliert, ist so abstrus-lächerlich, dass es unmöglich nicht als augenzwinkernd selbst-ironisch aufgefasst werden kann. Gerade, da von einer Frau (Katt Shea, drehte auch das Sequel) inszeniert, glaubt man so wohl auch nicht sofort.
Subtil, clever oder selbst als reiner Slasher gar qualitativ hochwertig ist das selbstverständlich niemals, Stripped to Kill ist schon eine derbe Ranz-Veranstaltung, die zwingend leicht schöngejubelt werden muss. Wie so viele Gialli, die im Gegenzug aber oft echtes Talent an entscheidenden Stellen erkennen ließen. Daran scheitert hier jede Lupe, in seiner dummdreisten Art ist diese Peep-Show mit Sparwitz-Aroma („Was ist der Unterschied zwischen Mädchen und Sushi? Der Reis!“) und trashiger Gore-Soße immerhin – mit etwas guten Willen - grob zu ertragen. [...]
[...] Der hauptsächlich TV-erfahrene Regisseur Rodrigo Sorogoyen (Stockholm) ist trotz seiner dezent konstruiert (nichtsdestotrotz interessant) wirkenden Figurenkonstellation offenkundig sehr bemüht darum, einen möglichst authentisch auftretenden Krimi zu inszenieren. Thematisiert zwar extrem schockierende Verbrechen, schlachtet sie aber nicht reißerisch aus, was nicht einige direkte Bilder und Momente konsequent ausgrenzt. Zunächst ausschließlich konzentriert auf die Ermittlerperspektive erscheint Die Morde von Madrid in der ersten Hälfte gelegentlich leicht spröde, erreicht nicht die subversive, angespannt-knisternde Spannung grob vergleichbarer Filme wie La isla mínima – Mörderland oder – um mal den US-Markt heranzuziehen – Zodiac – Die Spur des Killers, nutzt allerdings auch den selbstgewählten Kontext nicht effektiv aus. [...] Sobald das Whodunnit-Prinzip (überraschend früh) fallengelassen wird und nun auch der Täter einen Namen, ein Gesicht und eine Geschichte bekommt, aktiv mitmischen darf wird Die Morde von Madrid zwar eine nicht mehr sonderlich auf Authentizität bedachte, dafür stellenweiser fast hochklassige Genre-Kost, getragen von kompetenten, engagierten Darstellern. Über das wenig aussagekräftige, da betont viel im ungeklärten Raum baumeln lassende Finale lässt sich wohl streiten; ist in der Form vielleicht zu gering mit Details bestückt (die sind ohnehin nicht die ganz große Stärke des Films, siehe auch einige Logik- und Verständnislücken im Plot), diese kleine Ansammlung von Kritikpunkten ist aber nur in der Quantität etwas störend. Qualitativ tendiert das schon Richtung oberes Drittel, im Gesamteindruck auf jeden Fall. [...]
[...] Jean-Jacques Beineix bewegt sich bei Mortal Transfer zunächst eindeutig auf den Spuren von Hitchcock (Bei Anruf: Mord), De Palma (Dressed to Kill) sowie dem Film Noir; erschafft die Basis für einen hochspannenden, verwinkelten Suspsense-Thriller um dann mit voller Absicht in Richtung skurriler Krimi-Farce abzudriften, die an Werke der Coen-Brüder (Fargo) oder auch ansatzweise Paul Thomas Anderson’s sträflich unterschätzen Inherent Vice – Natürliche Mängel erinnert. Die ursprüngliche Frage nach Täter, Tathergang, Schuld oder Unschuld wird zwischenzeitlich beinah völlig ignoriert oder zumindest deutlich in den Hintergrund geschoben. Viel mehr konzentriert man sich mit ausgiebiger Schadenfreude darauf, den Protagonisten leiden zu lassen, in dem er von einer unangenehmen, brenzligen Situation in die nächste schlittert…wie eine Leiche auf spiegelglatter Straße. [...]
Wie und sogar ob das Ganze am Ende überhaupt noch eine schlüssige Lösung im kriminalistischen Sinne parat hat, es ist irgendwann fast egal, zumindest sollte es das sein, wenn man als Zuschauer an Mortal Transfer richtig Freude haben will. Beineix ist es bei seiner mit eleganter Raffinesse und visueller Experimentierfreude vorgetragenen Thriller-Groteske nicht daran gelegen, sich in ganz klassischen Schubladen einsortieren zu lassen. Das mag nicht jedermanns Sache sein, erweist sich jedoch als sehr angenehme Abwechslung mit hohem Wiedererkennungswert. [...]
[...] Für ein drahtiges B-Movie ist das gar keine verkehrte Prämisse und siehe da, sogar die prominenten Darsteller geben sich erstaunlicherweise richtig Mühe. Besonders Adrien Brody kann ja unmöglich als einziger nicht bemerkt haben wie sehr seine Karriere vor die Hunde (haha) gegangen ist und trotzdem – ehrlicher Respekt - wirft er die Brocken nicht unmotiviert hin; scheint ernsthaft interessiert daran sich weiterhin für höhere Aufgaben zu bewerben, in dem sich bietenden Rahmen. Bullet Head vermag es leider nicht, sein auf dem Papier schlichtes, aber schmissiges Grundkonzept durchgehend Leine zu geben, kettet sich unnötig selbst viel zu oft im Vorgarten an. Wenn der traumatisierte, verletzte und dadurch nur noch gefährlichere, zur Kampfmaschine „erzogene“ Wut-Köter gar keine hütenden Hand mehr akzeptiert und wild drauflos hetzt, dann ist hier richtig was los. Diese Dynamik funktioniert in einem Film immer, wenn gut gemacht, und in den verhältnismäßig wenigen (und dementsprechend zu geringen) Hund-gegen-Mensch-Jagdszenen gelingt Paul Solet ein kurzfristig packender, gut abgefilmter wie getimter Reißer mit einem ordentlichen Schlag Hektik, Panik und essentieller Survival-Stimmung.
Dass diese Situationen einen etwas zu einsamen Highlight-Charakter haben und nicht durchgehend den Takt bestimmen ist sicherlich eines der Hauptprobleme des Films, der quasi zu wenig aus seiner Idee schält, obgleich er partiell unter Beweis stellt, dass er dazu absolut in der Lage ist. Bezeichnend wird sich zu oft in Rückblenden geflüchtet, die mal einen narrativen Sinn verfolgen, öfter aber schlicht eine pseudo-effektive Charakterisierung aufgrund der persönlichen (Hunde-)Vergangenheit vorgeben, um unterm Strich lediglich die Laufzeit auf die befriedigende 90 Minuten Marke zu strecken. Was mühelos auch so machbar gewesen wäre, auf dem hier kurzzeitig geschilderten Niveau könnte man dann beinah von einem richtig flotten Mini-Geheimtipp reden. Davon ist Bullet Head summa summarum noch ein gutes Stück entfernt, zieht sich aber relativ anständig aus der Affäre, womit man grundsätzlich schon recht zufrieden sein kann. [...]
[...] Dass die Figur des Erik sichtlich angelehnt ist an die von James Dean in …denn sie wissen nicht was sie tun ist mehr eine Hommage als ein Problem, wird dieser Film doch sogar direkt erwähnt und letztlich dessen Konflikt in seinem lokalen und zeitlichen Kontext sogar wesentlich realer (und radikaler) dargestellt als in dem Klassiker von Nicholas Ray. Zumindest aus heutiger Sicht greifbarer, brachialer.
Deutlicher scheinen alle anderen Figuren sehr zweckdienlich und eindimensional ausgestanzt: Vom wehrlosen Zimmergenossen Pierre bis hin zu den versnobten, aber wenn es hart auf hart kommt weinerlichen Peinigern mit hoch erhobener Nase und adrettem Scheitel, die gegen die tickende, aber stets auf die versprochene Contenance bedachte Zeitbombe Erik an sich völlig chancenlos wären. Evil ist kein Film der Innovationen, behandelt er doch altbekannte und gerne verwendete Plot-Bausteine, generische Figuren und wirkt (vielleicht auch wegen des autobiografischen Einschlags) sehr parteiisch, um nicht zu sagen leicht manipulativ, aber eindeutig aus einer sehr vertretbaren Perspektive. Der Film funktioniert so einwandfrei, wirft nicht nur nebenbei einen kritischen Blick auf eindeutig falsch ausgelegte Disziplin, Willkür und Machtmissbrauch, legitimierte Demütigungen und brutale Folter, die damals an der Tagesordnung und im rechtsfreiem Raum dem Status quo entsprach. Ein Land, immer noch gefangen im erprobten Prozess des Wegsehens- und hörens, ob man sich nun ans Klavier setzt oder schweigsam vom Balkon Zeuge der Gewalt wird, von der man sich ganz pazifistisch angeblich total distanziert. Passivität ist manchmal nicht weniger verwerflich, besonders so selbstgerecht gedeckelt. [...]
[...] Beginnend als eine Art anarchistischer, post-apokalyptischer Fallout-Western werden System- und Regierungs-pessimistische Dystopien angerissen, um letztlich in einem minimalistischen Setting Cyberpunk-Survival-Kino abzuliefern. Da steckt viel drin, vom Italo-Western (die Protagonistin Jill ist tatsächlich nach Claudia Cardinale in Spiel mir das Lied vom Tod benannt), der Mad Max-Reihe, Soylent Green, Terminator, den Alien-Filmen, dem Schaffen von John Carpenter (Die Klapperschlange) und sogar Dario Argento (Suspiria), denn Richard Stanley und sein Kameramann Steven Chivers sichteten im Vorfeld gezielt Werke des Giallo-Meisters, um sich dessen Farbgebung und Beleuchtungsstilistik zum Vorbild zu nehmen, was während des in flackernden Rottönen getauchten, klaustrophobischen Überlebenskampfes in Jill’s Apartment durchaus zu erkennen ist. [...] Die interessanten Rahmenbedingungen werden nur grob skizziert, spielen letztlich kaum eine Rolle, da sich das Geschehen eh zu 90% nur in einer Wohnung abspielt und die Kulisse nur als schmückendes, aber nutzloses Beiwerk fast ausschließlich in der Theorie stattfindet. Irgendwie sollte das wohl untergebracht werden, übrig bleibt nur ein verhallendes Echo davon. Für einen Low-Budget-Film ist die Begrenzung auf einen Handlungsort und den essentiellen Überlebenskampf natürlich total legitim, dafür sollten aber bitte nicht 2/3 der 90 Minuten Netto-Laufzeit aufgebraucht werden, bis das Geschehen entscheidend aus dem Schuh kommt. Dazu dann noch mit losen Gedankengängen und leicht surrealen, assoziativen Improvisationsfetzen von Spiritualität und Religiosität angereichert (bei denen Stanley wohl auch eigene Drogenerfahrungen mit einfließen ließ), die für das Geschehen nicht dienlich sind und das Ganze eher befremdlich ausbremsen, beinah einen komischen Beigeschmack haben. [...]
[...] In eiskalten, frostig-erschaudernden Blautönen auch optisch ausgepresst von jeder Wärme und Optimismus. Unterlegt vom mechanischen, unnachgiebig pumpenden Rhythmus der Eisernen Lunge, die in seiner lebenserhaltenden Art beinah zum Folterinstrument wird. Vollständig ausgeliefert, gar angewiesen auf seinen Peiniger wird das Täter-Opfer-Gefüge auf verquere, orientierungslose und durchaus auch irritierende Weise durcheinander gebracht. Man meint als Zuschauer beinah eine Form von Gerechtigkeit oder gar Karma hineininterpretieren zu wollen, wenn ein verabscheuenswürdiger, pädophiler Folterknecht statt seiner erlösenden, feigen Flucht in den Freitod nun ohne Möglichkeit zur Gegenwehr mit den eigenen Leichenbergen im Keller konfrontiert wird und diese gar am eigenen Leib miterleben muss bzw. live und in Farbe nachgestellt bekommt. Oder noch weiter gedacht auch wie ein Vorhof der Hölle, ein persönliches Fegefeuer moderiert von einem selbstgeschaffenen, außer Kontrolle geratenen Monster - war der Selbstmord womöglich doch erfolgreich? Eine Theorie, die Villaronga durch seine Inszenierung selbst stützt, wenn sich sein Film gen Ende noch mehr in einen entrückten, nun bald surrealen Albtraum verwandelt, der beinah wirkt wie ein Brainstorming beim Abendessen von Pasolini, Kafka, Lynch, Freud & sogar Fulci.
Gleichzeitig ist aber nichts an diesem Film gerechtfertigt, fair oder selbst mit der ganz schlichten Auge-um-Auge-Brille auch nur im Geringsten eine zu unterstützende Form von „Ausgleich“. Im Glaskäfig hat keine Gewinner, hinterlässt nur Opfer, viele davon gar völlig unschuldig. Aufgefressen von perversen Machtphantasien und einem krankhaft-dominanten (Selbst)Zerstörungstrieb. So beängstigend, furchtlos und konsequent dargestellt wie in nur ganz wenigen Filmen. [...]