Kenduskeag - Kommentare

Alle Kommentare von Kenduskeag

  • 5

    Der von Jung Byung-gil (Confession of Murder, Carter) inszenierte „The Villainess“ ist ein unausgewogener Mix aus Actionthriller und Liebesdrama, der sich nach vielversprechendem Beginn in Klischees verliert und mit seinen zahlreichen Rückblenden für reichlich Verwirrung sorgt.

    Nach langer Suche glaubt die von Kindesbeinen an zur Kampfmaschine ausgebildete Sook-hee (Kim Ok-vin) endlich den Mörder ihres Ehemanns gefunden zu haben und metzelt diesen und dessen Gefolgsleute auf brutale Weise nieder. Daraufhin wird der Geheimdienst auf sie aufmerksam, nimmt sie gefangen und unterzieht sie einer plastischen Chirurgie, um ihre wahre Identität zu verschleiern. In den folgenden Jahren wird Sook-hee zur Attentäterin ausgebildet und bringt in dieser Zeit auch ihre Tochter Eun-hye (Kim Yeon-woo) zur Welt. Nachdem sie ihren ersten Auftrag erfolgreich erledigt hat, darf Sook-hee schließlich das Gelände des Geheimdienstes zusammen mit ihrer Tochter verlassen und ein Apartment in Seoul beziehen. Dort trifft sie auf Hyun-soo (Sung Joon), der vom Geheimdienst auf sie angesetzt wurde, um sie zu überwachen und beginnt nichtsahnend eine Beziehung mit ihm…

    „The Villainess“ startet mit einer im Stile eines Ego-Shooters gefilmten Sequenz, in der die zierliche Protagonistin Dutzende Männer mit unterschiedlichen Waffen niederstreckt. Dabei vollzieht die Kamera jede ihrer Bewegungen mit und sorgt so dafür, dass der Zuschauer sich mittendrin in diesem blutigen Gemetzel wähnt.

    Nach diesem starken Auftakt beginnt allerdings die große Verwirrung, springt die Handlung doch von nun an mit hohem Tempo vor und zurück, zeigt Ausschnitte aus Sook-hees Kindheit, der Zeit mit ihrem Ehemann (Shin Ha-kyun) und dem Ausbildungsprogramm beim Geheimdienst. Aufgrund der zahlreichen Charaktere, die teils nur für eine Szene im Film auftauchen und dann wieder aus der Geschichte verschwinden sowie den schnellen Wechseln zwischen diesen Szenen, verlangt „The Villainess“ seinem Publikum sehr viel Aufmerksamkeit ab, um bei all dem nicht den Durchblick zu verlieren. Unverständlich bleibt in dieser Phase vor allem, warum Sook-hee überhaupt noch ein jahreslanges Training benötigt, wenn sie ohnehin schon alle Kampffertigkeiten seit Kindertagen beherrscht.

    Im Anschluss an diese Phase nimmt Jung Byung-gil dann überraschend das Tempo aus der Erzählung und zeigt die allmähliche Annäherung zwischen Sook-hee und ihrem neuen Nachbarn. Die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen beiden wird dabei zum großen Knackpunkt des Films, wirkt Hyun-soo doch auf das Publikum wie ein unheimlicher Stalker, soll aber nun als die große Liebe der bisher so vorsichtig und clever agierenden Protagonistin etabliert werden, die sich für ihn von jetzt auf gleich von der toughen Kämpferin zur braven Ehefrau wandelt.

    Glücklicherweise besinnt sich „The Villainess“ nach diesem völlig missratenen Mittelteil gegen Ende wieder auf seine eigentlichen Stärken und bietet ein gelungenes Finale in Fischaugenoptik, welches allerdings nicht ganz mit dem furiosen Auftakt mithalten kann.

    28
    • 6 .5

      „The Trip“ ist eine rabenschwarze Komödie des Norwegers Tommy Wirkola (Dead Snow, Violent Night), die einen ausufernden Rosenkrieg als Startrampe für ein blutiges Splatterfest nutzt.

      Lars (Aksel Hennie) ist ein desillusionierter TV-Regisseur, seine Ehefrau Lisa (Noomi Rapace) eine erfolglose Werbeschauspielerin. Erscheint ihre Beziehung nach außen hin noch harmonisch, brodelt es unter der Oberfläche gewaltig. Unter dem Vorwand, sich mit ihr aussöhnen zu wollen, fährt Lars daher übers Wochenende mit seiner Frau zum idyllisch gelegenen Ferienhaus seines Vaters (Nils Ole Oftebro), wo er sie erschießen und ihre Leiche im See versenken will. Im Ferienhaus angelangt, kommt jedoch alles ganz anders als geplant…

      Wirkolas Wochenendtrip wartet mit galligem Humor, einigen harten Gewalteinlagen sowie einem gut aufgelegten Hauptdarstellerpärchen auf, dessen sarkastische Wortgefechte für eine wunderbare Dynamik sorgen. Das kammerspielartige Szenario erinnert dabei anfangs noch an eine derbe Variation von „Mr. & Mrs. Smith“ (2005), während die späteren Entwicklungen Assoziationen zu „Thursday“ (1998) wecken. Mittels erklärender Rückblenden lenkt Wirkola das Geschehen zudem immer wieder in eine andere Richtung und liefert so die eine oder andere Überraschung, die dem mörderischen Ehekrach zusätzliche Würze verleiht.

      Angesichts dieser Vorzüge lässt es sich auch verkraften, dass nicht jeder Gag ins Schwarze trifft und „The Trip“ zwischendurch immer mal wieder an Tempo verliert. Bemängeln lässt sich zudem, dass die Fronten spätestens ab der Mitte abgesteckt sind und sich in dieser Hinsicht keine weiteren Wendungen mehr ergeben, wodurch auch das Ende des Films vorhersehbarer wird, als es hätte sein müssen.

      Durchweg gelungen sind dagegen die kleinen, bissigen Seitenhiebe auf das Filmbusiness, auch wenn diese sich nicht ganz organisch in die Handlung einfügen und eher wie ein amüsantes Anhängsel wirken.

      33
      • 5

        Obwohl ihm an den Kinokassen zunächst kein allzu großer Erfolg beschieden war, konnte sich die von Jay Roach (Meine Braut, ihr Vater und ich, Bombshell) inszenierte Agentenparodie „Austin Powers“ aufgrund der rentablen Heimkinoauswertung über die Jahre einen gewissen Kultstatus erarbeiten, sodass später noch zwei Fortsetzungen mit dem von Mike Myers verkörperten Titelhelden folgen sollten.

        Großbritannien in den 60ern: Ehe Geheimagent Austin Powers (Mike Myers) seinen Erzfeind Dr. Evil (Myers in einer Doppelrolle) erwischen kann, schafft es dieser mit einer Rakete in die Erdumlaufbahn zu flüchten. Daraufhin lässt sich Powers einfrieren, um auf die Rückkehr seines Widersachers zu warten. Als Dr. Evil dreißig Jahre später tatsächlich zurückkehrt, lässt Geheimdienstchef Basil Exposition (Michael York) den Superspion auftauen, damit er gemeinsam mit Vanessa Kensington (Elizabeth Hurley), einer ihm zur Seite gestellten Mitarbeiterin des Verteidigungsministeriums, dem Bösewicht endgültig das Handwerk legen kann…

        Roachs schrille Komödie versteht sich in erster Linie als Parodie auf die „James Bond“-Filme und hält sich hinsichtlich der Figurenkonstellation, der Ausstattung und des Plots sehr nah an die frühen Vertreter der Agentenreihe. So sind die Charaktere nicht nur in ihrer Verhaltensweise und ihrem äußeren Erscheinungsbild ihren Vorbildern nachempfunden, es werden sogar ganze Szenen aus den frühen „Bond“-Teilen nahezu 1 zu 1 nachgestellt. Dementsprechend ist Roachs Komödie vor allem auf Fans der „Bond“-Reihe zugeschnitten und dürfte ohne Vorkenntnisse weit weniger interessant sein.

        Als etwas gelungener als die zumeist eher platten Anspielungen auf die „Bond“-Filme erweisen sich dagegen jene Gags, die sich aus den gesellschaftlichen Veränderungen ergeben, mit denen der aus den ‚Swinging Sixties‘ kommende Geheimagent in den 90ern zurechtkommen muss. Da „Austin Powers“ jedoch sehr häufig auf den jeweiligen Zeitgeist anspielt, dürfte dieser Kontrast für ein Publikum, welches Roachs Film heutzutage zum ersten Mal sieht, kaum noch zur Geltung kommen. Darüber hinaus mangelt es Roach bisweilen an Gespür für das richtige Timing, sodass einige im Grunde gelungene Pointen ihre Wirkung verfehlen und der Film immer wieder an Tempo einbüßt.

        Diese offensichtlichen Schwächen können auch durch das spielfreudige Ensemble, welchem u.a. noch Mindy Sterling (Der Grinch), Carrie Fisher (Star Wars) und Robert Wagner (Der rosarote Panther) angehören, nicht vollständig kaschiert werden.

        31
        • 7
          Kenduskeag 14.01.2024, 12:20 Geändert 15.01.2024, 10:30

          Im Zuge der Vorbereitung für „Der Exorzist“ (1973) traf Regisseur William Friedkin auf den Röntgenassistenten Paul Bateson, von dessen Fachwissen er derart beeindruckt war, dass er ihm eine kleine Rolle in dem Film anbot. Einige Jahre darauf erfuhr Friedkin, dass der homosexuelle Bateson wegen Mordes an einem Reporter verurteilt worden war und für den Tod von sechs weiteren Männern verantwortlich gemacht wurde. Friedkin, der einen Film über eine Mordserie an Homosexuellen plante, besuchte Bateson im Gefängnis und nutzte dessen Geschichte als Inspirationsquelle für seinen neuen Film. „Cruising“ war geboren.

          Der aufstrebende New Yorker Polizist Steve Burns (Al Pacino) erhält vom Kriminalbeamten Edelson (Paul Sorvino) den Auftrag, undercover in die schwule Leder- und SM-Szene der Stadt einzutauchen und den Lockvogel zu spielen, um einen Serienkiller dingfest zu machen, der es offenbar auf Homosexuelle abgesehen hat. Mit dem ungewöhnlichen Auftrag eröffnet sich Burns eine neue, ihm bisher unbekannte Welt, die schon bald eine starke Faszination auf ihn ausübt…

          Friedkins Werk lässt sich als Milieustudie mit Slasher-Elementen verstehen und ähnelt damit in gewisser Weise dem im gleichen Jahr erschienen „Maniac“ – obgleich die brutalen Morde bei Friedkin insgesamt etwas weniger Raum einnehmen als bei William Lustig. Passenderweise tritt auch der Hauptdarsteller aus „Maniac“, Joe Spinnell, hier in einer kleineren Nebenrolle auf.

          Die Geschichte, die „Cruising“ erzählt, gestaltet sich zwar simpel, profitiert jedoch von der dichten Atmosphäre der nächtlichen Millionenstadt mit ihren verruchten Etablissements, in denen sich verschwitzte Leiber aneinanderreiben. Hinzu kommt außerdem die starke Performance des Hauptdarstellers Al Pacino, dessen Figur aufgrund der neuen Erfahrungen in ihrer eigenen Sexualität verunsichert wird. Da „Cruising“ diese Welt der schwulen Untergrundclubs in erster Linie als aufregend und faszinierend darstellt, erscheint Friedkins Film somit – gerade in Anbetracht seiner Entstehungszeit – als sehr mutig und wegweisend.

          Obwohl „Cruising“ nur in Einzelmomenten die obersten Sprossen auf der Spannungsleiter erklimmt, steht doch am Ende ein sehenswerter Milieuthriller, der mit einem ambivalenten Finale aufwartet, welches mehrere Deutungsmöglichkeiten zulässt.

          32
          • 7

            Der auf den Jugenderinnerungen der Autorin Marguerite Duras basierende „Der Liebhaber“ unter der Regie von Jean-Jacques Annaud (Der Name der Rose, Sieben Jahre in Tibet) ist ein in ästhetische Bilder gehülltes Liebesdrama vor dem Hintergrund der französischen Kolonialherrschaft.

            Französisch-Indochina in den 1920er Jahren: Auf der Fähre über den Mekong begegnet eine 15-jährige Schülerin (Jane March) einem wohlhabenden Chinesen (Tony Leung Ka-Fai). Schon bald entwickelt sich zwischen dem Mädchen und dem mehr als doppelt so alten Mann trotz aller Unterschiede und gesellschaftlicher Widerstände eine leidenschaftliche Affäre…

            Annauds Buchverfilmung verfügt über keine sonderlich komplexe Handlung, versteht es jedoch, das von Zweifeln und dem Wunsch nach Selbstständigkeit geprägte Gefühlsleben der jungen Protagonistin einzufangen und so für eine Achterbahnfahrt der Emotionen zu sorgen.

            Neben seinen malerischen Bildern, der exotischen Ausstattung und dem einnehmenden Score punktet „Der Liebhaber“ zudem auch mit starken Darstellerleistungen, wobei insbesondere die junge Jane March hervorsticht, die hier ihr Spielfilmdebüt feierte und in deren Augen sich die Erfahrung eines ganzen Lebens widerzuspiegeln scheint. Ohnehin besteht der Reiz der Geschichte auch darin, dass die junge Protagonistin für ihr Alter sehr reif und abgeklärt erscheint, während ihr deutlich älterer Liebhaber bisweilen eher wie ein unbeholfener Teenager wirkt, der sich zum ersten Mal im Leben verliebt hat.

            Beanstanden lässt sich neben der etwas zu häufig eingesetzten Erzählerstimme, die an vielen Stellen nur das Offensichtliche wiedergibt, dass die Erzählung so gut wie keine Überraschungen bereithält und auch den politischen Hintergrund weitgehend ausklammert. Allein schon aufgrund der erlesenen Bilder in Kombination mit der knisternden Erotik zwischen den beiden Hauptfiguren lohnt es sich jedoch, dieser Geschichte über eine verbotene Liebesbeziehung eine Chance zu geben.

            34
            • 6 .5

              Mit „Mäusejagd“ gelang Regisseur Gore Verbinski (The Ring, Fluch der Karibik) gleich mit seinem Debütwerk ein erster Kassenerfolg, spielte die familienfreundliche Slapstick-Komödie bei vergleichsweise geringem Budget doch weltweit immerhin rund 122 Mio. Dollar ein.

              Nach dem Tod ihres Vaters erben die zerstrittenen Brüder Ernest (Nathan Lane) und Lars (Lee Evans) sowohl dessen vor dem Ruin stehende Garnfabrik wie auch eine alte Villa außerhalb der Stadt. Zunächst gehen die Brüder noch davon aus, dass das baufällige Haus keinerlei Wert besitzt, stoßen dann jedoch auf dem Dachboden auf Dokumente, die es als verloren geglaubtes Anwesen eines berühmten Architekten aus dem 19. Jahrhundert ausweisen. Um die Villa möglichst gewinnbringend zu verkaufen, wollen die Brüder daher eine Auktion veranstalten. Dabei haben sie die Rechnung jedoch ohne die Maus gemacht, die das Anwesen ihr Zuhause nennt und sich nicht so leicht vertreiben lässt…

              Der Kampf um die Vormachtstellung in der alten Villa erinnert hinsichtlich des körperlichen Humors ein wenig an „Kevin – Allein zu Haus“ (1990), während die winterliche, mit dezenten Gothic-Elementen versehene Atmosphäre Assoziationen zu den Tim Burton-Filmen aus jener Zeit weckt. Darüber hinaus lassen sich Parallelen zu „Dick und Doof“ sowie „Tom und Jerry“ ausmachen. Speziell für jüngere Zuschauer dürfte Verbinskis Langfilmdebüt somit ein großer Spaß sein, doch auch Erwachsene kommen dank des hohen Tempos und der charmanten Machart durchaus auf ihre Kosten.

              Neben der mehr als soliden Effektarbeit, Alan Silvestris verspieltem Score sowie einigen ungewöhnlichen Kameraperspektiven, die dem Zuschauer die Lage des kleinen Nagers näherbringen, weiß auch das angenehm unverbrauchte Schauspielensemble zu gefallen, zu dem – als mit Abstand prominentester Name – auch Christopher Walken als schräger Kammerjäger gehört.

              Auch wenn längst nicht jeder Gag zündet und sich „Mäusejagd“ phasenweise zu sehr in übertriebenen Albernheiten verliert, ist das Gesamtergebnis doch ebenso stimmig wie unterhaltsam.

              36
              • 6

                Der von Shion Sono (Love Exposure, Prisoners of the Ghostland) inszenierte „Tag“ ist ein surrealer Splatterfilm mit feministischer Botschaft, der von gesellschaftlichen Erwartungen und weiblicher Selbstermächtigung erzählt.

                Die stille Mitsuko (Reina Triendl) befindet sich mit ihren Mitschülerinnen auf Klassenfahrt, als ihr Bus von einem mysteriösen Wind buchstäblich in zwei Hälften geteilt wird. Mitsuko überlebt als Einzige das grauenerregende Ereignis und ergreift in panischer Angst die Flucht. Schon bald jedoch muss sie feststellen, dass es aus dem Alptraum kein Entkommen zu geben scheint…

                Sonos von rasanten Kamerafahrten begleiteter Film bewegt sich irgendwo zwischen wahnwitziger Horrorgroteske und psychedelischer Emanzipationsgeschichte, verbindet blutige Gewalteinlagen mit Meta-Spielereien über das Verhältnis von Mann und Frau. Wer sich auf diese eigenwillige Mischung einlassen kann, bekommt ein durchaus kreatives Filmerlebnis geboten, bei dem man nie ganz sicher sein kann, in welche Richtung sich die Erzählung als nächstes entwickelt.

                Das hohe Tempo des ersten Drittels kann „Tag“ allerdings in der Folge nicht ganz aufrecht halten, sodass sich im weiteren Verlauf auch einige weniger interessante Passagen einschleichen. Die Leistungen der Castmitglieder und auch die Effektarbeit lassen sich hingegen als solide bezeichnen, ohne in besonderer Weise hervorzustechen.

                Das Finale dieses surrealen Alptraumtrips bringt schließlich noch einmal eine spannende Wendung mit sich, doch rückt der Film hier zugleich auch von seiner subtilen Erzählweise ab und vermittelt seine Botschaft nun per Holzhammer-Methode.

                31
                • 7
                  über Julieta

                  Das spanische Drama „Julieta“ unter der Regie von Pedro Almodóvar (Zerrissene Umarmungen, Leid und Herrlichkeit) erzählt auf feinfühlige Weise eine mehrere Jahrzehnte umspannende Geschichte von Verlust, Einsamkeit und Depression.

                  Julieta (Emma Suárez) plant aus ihrer Wohnung in Madrid auszuziehen und ihren Lebensabend mit ihrem Lebensgefährten in Portugal zu verbringen. Nach einer unerwarteten Begegnung auf der Straße wirft sie ihre Pläne jedoch über den Haufen und zieht stattdessen allein in ein Appartement in der Nähe, um endlich ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Hierzu schreibt sie einen langen Brief an ihre Tochter Antia, die sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat. Sie beginnt mit der ersten Begegnung mit Antias Vater Xoan (Daniel Grao), den sie als junge Frau (Adriana Ugarte) während einer Zugfahrt kennengelernt hat…

                  „Julieta“ ist das leise, unaufgeregt erzählte Porträt einer Frau, die durch mehrere Schicksalsschläge in ihrem Leben aus der Bahn geworfen wird, sich zugleich jedoch auch immer wieder aufrappelt und neue Hoffnung schöpft. Die in Rückblenden erzählte und mit Symbolen aus der griechischen Mythologie versehene Geschichte, welche einen Zeitraum von etwa dreißig Jahren umfasst, bietet zwar nur wenige Überraschungen, gestaltet sich aber dennoch abwechslungsreich und unvorhersehbar.

                  Getragen von zwei stark aufspielenden Hauptdarstellerinnen, die Julieta in verschiedenen Stadien ihres Lebens verkörpern, entwickelt sich so eine berührende Familientragödie, deren farbprächtige Bilder einen interessanten Kontrast zum düsteren Seelenleben der Protagonistin bilden. Kritisieren lässt sich derweil allenfalls, dass Almodóvars Vorhaben, eine halbe Lebensspanne in nur 100 Min. Laufzeit abzudecken, ein wenig überambitioniert wirkt, und „Julieta“ weitere Verweilmomente gutgetan hätten, um den Beziehungen der Figuren untereinander noch mehr Tiefe zu verleihen.

                  34
                  • 6

                    Der tragische Tod des Schauspielers Lee Sun-kyun, der spätestens seit dem Oscar-Erfolg von „Parasite“ (2019) auch im Westen über einen gewissen Bekanntheitsgrad verfügte, schlägt derzeit in seinem Heimatland Südkorea hohe Wellen und hat eine Debatte über Vorverurteilung, mediale Hetzkampagnen und psychische Formen der Polizeigewalt ausgelöst. Im Thriller „A Hard Day“ unter der Regie von Kim Seong-hun (Tunnel) verkörperte Lee Sun-kyun seinerzeit selbst einen Polizeibeamten, der auf die schiefe Bahn gerät und sich mit den Folgen seines Handelns auseinandersetzen muss.

                    Auf dem Weg zur Beerdigung seiner Mutter fährt der betrunkene Detective Ko Gun-su (Lee Sun-kyun) einen Mann tot. Aus Angst davor, dass seine Tat ans Tageslicht kommt, sucht er nach einem Weg, um die Leiche loszuwerden und versteckt sie schließlich im Sarg seiner Mutter. Damit jedoch gehen die Probleme für den Polizeibeamten erst richtig los…

                    Ohne lange Einführung wirft Regisseur Kim Seong-hun sein Publikum sogleich in das mit morbidem Humor verfeinerte Thrillerszenario, dessen genaue Hintergründe sich dem Zuschauer erst nach und nach erschließen. Speziell im ersten Drittel weiß der Film dabei durch hohes Tempo und eine gute Portion Spannung zu überzeugen, wenn der Protagonist verzweifelt versucht, den tödlichen Unfall zu verschleiern.

                    Ab der Mitte wird die Geschichte dann in eher konventionelle Bahnen gelenkt und bedient sich zahlreicher Elemente, die man bereits aus vielen US-Vertretern des Genres kennt – Ungereimtheiten und ein gewisser Hang zur Übertreibung inklusive. Ohnehin setzt „A Hard Day“ kaum auf Lokalkolorit und könnte in ganz ähnlicher Form auch an jedem anderen Ort auf der Welt spielen.

                    Dank der mehr als soliden Leistungen der Castmitglieder, der guten Kameraarbeit sowie ein paar packenden Actionsequenzen bleibt man als Zuschauer trotz mancher Schwächen aber dennoch gerne bis zum überraschend harten Showdown am Ball.

                    37
                    • 4

                      Nach dem großen Erfolg des Vorgängers war es nur eine Frage der Zeit, bis die Geschichte um Gaylord Focker und seinen grantigen Schwiegervater in spe eine Fortsetzung erhalten sollte. Herausgekommen ist dabei mit dem abermals von Jay Roach (Austin Powers, Bombshell) inszenierten „Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich“ jedoch nur fader Klamauk, dessen abgestandene Gags kaum einmal zünden wollen und der vor allem unter seiner Ideenarmut in Kombination mit der viel zu langen Laufzeit leidet.

                      Nachdem der misstrauische Jack Byrnes (Robert De Niro) endlich sein Einverständnis gegeben hat, dass Krankenpfleger Gaylord (Ben Stiller) seine Tochter Pam (Teri Polo) heiraten darf, will der Ex-CIA-Agent nun auch Gaylords Eltern kennenlernen. Da die Familienzusammenführung in Miami, dem Wohnort der Fockers stattfinden soll, macht sich Gaylord zusammen mit den Byrnes‘ in Jacks neuem Wohnmobil auf den Weg nach Florida. Unglücklicherweise hat Gaylord Jack jedoch vorenthalten, dass seine Eltern Bernie (Dustin Hoffman) und Roz (Barbra Streisand) zwei Alt-Hippies sind, deren Weltbild so gar nicht mit Jacks konservativen Ansichten übereinstimmt…

                      Zwar gewinnt Roachs Komödienfortsetzung mit Streisand und Hoffman gegenüber dem Vorgänger zwei weitere charismatische Stars hinzu, verpasst jedoch die Gelegenheit, aus dem Aufeinandertreffen der gegensätzlichen Charaktere mehr herauszuholen als eine bloße Aneinanderreihung der immergleichen Pointen, die sich zumeist auf das skurrile Verhätscheln Gaylords durch seine Eltern oder auf die Arbeit seiner Mutter als Sexualtherapeutin beziehen. So geschieht über weite Strecken des Films kaum mehr, als dass die beiden Familienclans zusammenhocken und sich über das Verhalten der jeweils anderen empören.

                      Die fehlende Dynamik in der lahmen Erzählung versuchen die Drehbuchschreiber schließlich dadurch auszugleichen, dass sich alle zu einem gemeinsamen Football-Spiel im Garten einfinden, bei dem sich natürlich jemand eine ach so komische Verletzung zuzieht. Zuschauer, die bis hierhin tapfer durchgehalten haben, werden nun mit einem entsetzten Blick auf die Uhr feststellen, dass noch eine weitere Stunde voller Belanglosigkeiten mit den Familien Focker und Byrnes folgen wird.

                      27
                      • Meine Highlights 2023:
                        (zum ersten Mal gesehen)

                        Ein Mann wird gejagt (1966)
                        The Act of Killing (2012)
                        Die Frau im Nebel (2022)
                        Texas Chainsaw Massacre (1974)
                        Der Zug (1964)
                        Schloß des Schreckens (1961)
                        Die Nacht hat viele Augen (1987)
                        Mad Max 2 (1981)
                        Die Spur des Fremden (1946)
                        Incident...und sie kannten kein Erbarmen (1967)
                        Badlands (1973)
                        Der Totmacher (1995)

                        24
                        • 6

                          Der auf einem Theaterstück basierende „Zoff in Beverly Hills“ ist eine sympathische, locker-leichte Komödie mit sozialkritischem Einschlag unter der Regie von Paul Mazursky (Harry und Tonto, Moskau in New York).

                          Nachdem ihm sein Hund weggelaufen ist, will sich der Obdachlose Jerry Baskin (Nick Nolte) das Leben nehmen und versucht daher, sich im Pool des wohlhabenden Kleiderbügelherstellers David Whiteman (Richard Dreyfuss) zu ertränken. David jedoch rettet den Obdachlosen und nimmt ihn – sehr zum Missfallen seiner Ehefrau Barbara (Bette Midler) – bei sich auf. Schon bald stellt der Hausgast das Leben der neurotischen Familie gehörig auf den Kopf…

                          Mazurskys Komödie stand seinerzeit stellvertretend für einen Kurswechsel bei Disney und war der erste Film des Mäusekonzerns, der in den USA ein R-Rating erhielt. Aus heutiger Sicht kommt „Zoff in Beverly Hills“ zwar nicht mehr sonderlich derb oder freizügig daher, sorgt dank des gut aufgelegten Casts um Nolte, Dreyfuss und Midler sowie des eingängigen Soundtracks, zu dem auch der in einer Nebenrolle auftretende Little Richard beiträgt, nach wie vor für vergnügliche Unterhaltung.

                          Die recht simple Geschichte, die anfangs noch ein wenig an „Die Glücksritter“ (1983) erinnert, später aber andere Wege beschreitet, lebt dabei in erster Linie vom Aufeinanderprallen der beiden so unterschiedlichen Welten. Da ist auf der einen Seite das zwar von Armut bestimmte, jedoch auch von Freiheit und einer gewissen Sorglosigkeit geprägte Leben auf der Straße, welches Jerry führt. Und andererseits das durchgeplante, festen Regeln folgende Leben der schwerreichen Familie Whiteman in ihrem luxuriösen Anwesen.

                          Aus diesem Aufeinandertreffen entwickelt „Zoff in Beverly Hills“ zwar nicht den gleichen gesellschaftskritischen Biss wie es später etwa „Parasite“ (2019) gelungen ist, doch gelingt es Mazursky dennoch an einigen Stellen, die Scheinheiligkeit des Spießbürgertums aufzudecken.

                          Brüllend komisch ist Mazurskys Komödie insgesamt sicherlich nicht, punktet dafür aber mit reichlich Charme und passt – da an Weihnachten und Silvester spielend – sogar gut zur Jahreszeit.

                          29
                          • 5

                            (Gesehen in der Kinofassung)
                            Nachdem er auf den zum Schulkanon gehörenden Roman von Susan E. Hinton aufmerksam geworden war, brachte Francis Ford Coppola (Der Pate, Apocalypse Now) mit „Die Outsider“ eine mit seinerzeit vielversprechenden Jungschauspielern besetzte Verfilmung des Bestsellers in die Kinos, welche zwar über recht stimmungsvolle Bilder verfügt, sich dabei aber ebenso klebrig anfühlt wie die Haare der Protagonisten.

                            Oklahoma in den 1960ern: Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Teenager Ponyboy Curtis (C. Thomas Howell) lebt nach dem Unfalltod seiner Eltern allein mit seinen älteren Brüdern Darrel (Patrick Swayze) und Sodapop (Rob Lowe). Die Brüder sind Teil einer Jugendbande, die sich ‚Greasers‘ nennt, und sich häufig mit den wohlhabenden ‚Socs‘ anlegt. Als Ponyboy und sein bester Freund Johnny (Ralph Macchio) eines Nachts von Mitgliedern der ‚Socs‘ überfallen werden und Johnny aus Notwehr deren Anführer ersticht, fühlen sich die beiden Jungen gezwungen, vor den auf Rache sinnenden ‚Socs‘ zu fliehen…

                            Zugutehalten kann man Coppolas Coming of Age-Drama, dass es ihm gelingt, die rebellische Jugendkultur der 60er mit ihren chicen Sportwagen, den vor Pomade glänzenden Haaren und den engen Jeanshosen wiederauferstehen zu lassen. Doch täuschen die hinsichtlich des Lichteinsatzes an den Klassiker „Vom Winde verweht“ (1939) angelehnten Bilder sowie die stimmige Ausstattung nicht darüber hinweg, dass die Geschichte, die in „Die Outsider“ erzählt wird, trotz vereinzelter Spannungsmomente nur sehr wenig zu bieten hat und noch dazu in übermäßigem Pathos zu ertrinken droht. Letzteres beginnt schon bei Stevie Wonders schmalzigem Titelsong, der ebenso gut aus einer kitschigen Disney-Romanze stammen könnte.

                            Obwohl zahlreiche interessante Ansätze vorhanden sind, mangelt es der von Rührseligkeiten geprägten Geschichte an Tiefe und den austauschbaren Figuren an Profil. Würden die Mitglieder der verfeindeten Banden nicht von späteren Stars wie Diane Lane (Der Sturm), Matt Dillon (Wild Things), Emilio Estevez (The Breakfast Club) und Tom Cruise (Mission: Impossible) verkörpert, könnte man sie wohl kaum auseinanderhalten.

                            Auch schafft es der Film nicht, ein Gefühl dafür zu vermitteln, mit welchen Formen von sozialer Ausgrenzung die ‚Outsider‘ zu kämpfen haben und wie sehr die Armut ihren Alltag bestimmt. Vielmehr ergeht sich Coppolas Werk in verklärenden Dialogen, in denen die jungen Protagonisten Gedichte zitieren und über den Sonnenuntergang philosophieren. Und eben als die Handlung doch noch Fahrt aufzunehmen scheint, setzt plötzlich der Abspann ein und der Zuschauer bleibt mit ratloser Miene zurück.

                            31
                            • 7 .5

                              „Kanonenboot am Yangtse-Kiang“ unter der Regie von Robert Wise (West Side Story, Star Trek – Der Film) ist eine spannende Geschichtsstunde über eine selten behandelte Epoche, die sich zugleich als Allegorie auf die Rolle der USA im Vietnamkrieg deuten lässt.

                              China 1926: Um ihren Einfluss in dem von wechselnden Allianzen bestimmten Land zu sichern, hat die US-Marine Kriegsschiffe zum Yangtse-Kiang entsandt. Maschinist Jake Holman (Steve McQueen) wird auf das zur Patrouille eingesetzte Kanonenboot ‚USS San Pablo‘ unter dem Kommando von Lieutenant Collins (Richard Crenna) versetzt, wo die üblicherweise den Amerikanern zugedachten Arbeiten von chinesischen Tagelöhnern verrichtet werden. Holman wehrt sich gegen die Untätigkeit an Bord und eckt dadurch bei den anderen Besatzungsmitgliedern an, findet in dem Matrosen Frenchy Burgoyne (Richard Attenborough) jedoch auch einen Freund. Als einer der Tagelöhner bei einem Unfall ums Leben kommt, zieht Holman weiteren Unmut auf sich…

                              Wise‘ Kriegsdrama ist ein sehr ambitioniertes Werk, das viele unterschiedliche Problematiken unter einen Hut bringen möchte. So beleuchtet der Film nicht nur die politischen Wirren rund um den Chinesischen Bürgerkrieg, sondern schneidet auch Themen wie Völkerverständigung, Fremdherrschaft und Rassismus an. Darüber hinaus enthält der Film gleich zwei Liebesgeschichten und findet bei all dem sogar noch die Zeit, einen längeren Boxkampf zu zeigen.

                              Möglicherweise hätte es Wise‘ Werk gutgetan, die rund dreistündige Laufzeit etwas zu kürzen und sich auf einige wenige Themenkomplexe zu konzentrieren. Gleichzeitig sorgt diese Themenfülle jedoch auch dafür, dass sich das Drama zu Wasser und zu Lande sehr abwechslungsreich gestaltet und nie vorherzusehen ist, in welche Richtung sich die Geschichte als nächstes entwickeln wird.

                              Neben der aufwendigen Ausstattung und dem großartigen Score von Komponistenlegende Jerry Goldsmith sind zudem auch die ausgezeichneten Leistungen der Castmitglieder hervorzuheben. Besonderes Lob gebührt dabei „Rambo-Boss“-Richard Crenna in der ambivalenten Rolle des Schiffskapitäns. Doch auch kleinere Nebenrollen sind mit u.a. Candice Bergen (Das Wiegenlied vom Totschlag), Simon Oakland (Psycho) und Mako (Die Killer-Elite) gut besetzt.

                              So ist „Kanonenboot am Yangtse-Kiang“ ein mit fantastischen Bildern aus Fernost aufwartendes, nur ein wenig überambitioniertes Kriegsepos, das die Spannungsschrauben im letzten Drittel auch noch einmal deutlich anzuziehen versteht.

                              31
                              • 8

                                Polizeikomödien und Buddy-Movies hatten in den 80ern Hochkonjunktur, doch sind einige dieser Vertreter inzwischen ein wenig in Vergessenheit geraten. Zu diesen übersehenen Perlen gehört auch der von John Badham (WarGames, Drop Zone) inszenierte „Die Nacht hat viele Augen“, der auf gekonnte Weise die bekannten Zutaten des Genres miteinander kombiniert.

                                Die Kriminalbeamten Chris Lecce (Richard Dreyfuss) und Bill Reimers (Emilio Estevez) sollen das Haus der jungen Maria McGuire (Madeleine Stowe) observieren, die als mögliche Kontaktperson ihres Ex-Freundes Richard Montgomery (Aidan Quinn) gilt. Bei diesem handelt es sich um einen gesuchten Kriminellen, der kürzlich aus dem Gefängnis ausgebrochen ist. Als Chris unter einem Vorwand in Marias Haus gelangt, kommt es jedoch zu einer unerwarteten Annäherung zwischen der attraktiven Frau und ihrem heimlichen Beobachter, die alsbald die gesamte Ermittlung zu gefährden droht…

                                Badhams Komödie begeistert vom Start weg mit ihrer temporeichen Mischung aus charmantem Wortwitz, ein paar packenden Actionsequenzen sowie einem Hauch Romantik. Eingehüllt in stimmungsvolle Bilder der nächtlichen Wohnsiedlung und mit einem mitreißenden Soundtrack unterlegt, ergibt sich so ideales Unterhaltungskino, das aus der simpel gehaltenen Story, welche entfernt an den Hitchcock-Klassiker „Das Fenster zum Hof“ (1954) erinnert, das absolute Maximum an Spannung und Vergnügen herausholt.

                                Besonders hervorzuheben ist dabei auch der exzellent harmonierende Cast, zu dem in kleineren Nebenrollen u.a. noch Dan Lauria (Wunderbare Jahre) und Forest Whitaker (Panic Room) zählen. Speziell die Chemie zwischen Dreyfuss und Stowe weiß zu begeistern, sodass das romantische Knistern zwischen ihren beiden Figuren für den Zuschauer geradezu hörbar wird. Emilio Estevez bekommt dagegen etwas weniger zu tun, doch auch die Kabbeleien zwischen Dreyfuss und ihm können überzeugen.

                                So steht am Ende eine ausgezeichnete Actionkomödie, die schließlich in einen fesselnden Showdown mündet und die mit „Die Abservierer“ (1993) später auch eine Fortsetzung spendiert bekam.

                                33
                                • 7

                                  Waltzing Matilda, Waltzing Matilda,
                                  You’ll come a-Waltzing Matilda with me…

                                  Der auf einem Roman von Nevil Shute basierende „Das letzte Ufer“ ist ein recht ungewöhnlicher, dialoggetriebener Endzeitfilm, der auf emotionale Weise von den letzten Tagen der Menschheit erzählt und dabei von einem großartigen Schauspielensemble getragen wird.

                                  In Folge eines verheerenden Atomkriegs sind weite Teile der Erde radioaktiv verseucht. Letzte Zuflucht für die Überlebenden ist Australien, das bislang weniger hohe Strahlungswerte verzeichnet. Auch der Kapitän des U-Boots ‚623 Sawfish‘ Dwight Towers (Gregory Peck) hat sich mit seinen Männern dorthin zurückgezogen. Bei einer Zusammenkunft von Vertretern von Wissenschaft und Militär wird beschlossen, dass die ‚Sawfish‘ unter Towers‘ Kommando nach Nordamerika aufbrechen soll, um die dortigen Strahlungswerte zu messen und ein aus der Gegend von San Diego kommendes Morsesignal zu überprüfen. Ehe er aufbricht, lernt Towers auf einer Party des neuen Lieutenant Commanders Peter Holmes (Anthony Perkins) die alleinstehende Moira Davidson (Ava Gardner) kennen und beginnt eine Beziehung mit der attraktiven Frau…

                                  Das von Regisseur Stanley Kramer (Flucht in Ketten, Urteil von Nürnberg) inszenierte Drama verzichtet vollständig auf Action und Spektakel und beleuchtet stattdessen anhand von einzelnen Schicksalen das Leben der verbliebenen Menschen vor dem endgültigen Untergang. Insofern ist „Das letzte Ufer“ vor allem als ein Charakterporträt zu verstehen, das der Frage nachgeht, wie sich die Menschen im Angesicht des bevorstehenden Endes verhalten und ihre verbliebene Zeit gestalten.

                                  Speziell im ersten Drittel ist dies überraschend humorvoll, sorgen doch etwa die Flirts zwischen dem U-Boot Kapitän und der einsamen Moira für einige sehr amüsante Situationen. Im späteren Verlauf jedoch wird die Stimmung des Films immer bedrückender, da nunmehr auch die letzte Hoffnung schwindet. Da Kramers Film nicht den Überlebenskampf als solchen zeigt, sondern hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, diese besondere Endzeitstimmung einzufangen, muss allerdings auch der Zuschauer sich auf diese ruhige Herangehensweise einlassen können, zumal die Handlung nur ganz langsam voranschreitet.

                                  Erleichtert wird dies durch das hervorragende Darstellerensemble, dem u.a. noch Donna Anderson (Wer den Wind sät) und Tanz-Legende Fred Astaire (Swing Time) angehören, und das mit seinen nuancierten Darbietungen die komplexe Gefühlslage der Protagonisten zu transportieren versteht.

                                  Aus heutiger Sicht lässt sich Kramers Werk zudem gar als prophetisch einstufen, wurde hier dem Publikum doch bereits drei Jahre vor der Kubakrise die Gefahr des nuklearen Holocausts auf erschreckende Weise vor Augen geführt.

                                  32
                                  • 5 .5

                                    Der Martial-Arts-Klopper „Bloodsport“ bedeutete seinerzeit nicht nur einen der größten Erfolge für die auf Low-Budget-Produktionen ausgerichtete „Cannon Group“, sondern verhalf auch dem jungen Jean-Claude Van Damme zum Durchbruch als Actionstar.

                                    Der in der Kunst des Kampfsports ausgebildete Frank Dux (Jean-Claude Van Damme) verspricht seinem kranken Lehrmeister Senzo Tanaka (Roy Chiao), diesen zu ehren, indem er das in Kürze startende Kumite in Hong Kong gewinnt, bei dem die besten Kämpfer der Welt gegeneinander antreten. Verfolgt von Agenten der Army, welche ihn unter Arrest gestellt hat, reist Frank nach Fernost und wird nach einer beeindruckenden Demonstration seiner Fähigkeiten tatsächlich für das blutige Turnier zugelassen…

                                    Die recht banale Geschichte, die in „Bloodsport“ erzählt wird, ist im Grunde kaum der Rede wert, doch hält der von Newt Arnold (Regieassistent bei „Der Pate 2 und „Blade Runner“) inszenierte Wegbereiter des amerikanischen Martial-Arts-Kinos doch zumindest, was sein Titel verspricht, und bietet teils sehr brutale und gut choreografierte Kampfeinlagen, die dank der völlig unterschiedlichen Stile der Turnierteilnehmer auch recht abwechslungsreich ausfallen. In Kombination mit dem stimmungsvollen 80er-Soundtrack sorgen die blutigen Duelle somit trotz der Schwerfälligkeit einiger Kämpfer für launige Unterhaltung.

                                    Deutlich weniger gelungen hingegen ist die Darstellung des Geschehens abseits der Matte. So ist schon die längere Rückblende zu Beginn, die Franks Ausbildung zum Vorzeigekämpfer beleuchtet, recht ungelenk eingebaut. Als wenig überzeugend erweist sich zudem der Versuch, durch die Verfolgungsjagden mit den Army-Agenten, der Liebesgeschichte mit der Journalistin Janice (Leah Ayres) sowie der schweren Verletzung von Franks Freund Ray (Donald Gibb) zusätzliche Dramatik zu erzeugen. Während die Bemühungen der Agenten, Frank aufzuhalten, ebenso halbherzig erscheinen wie die Sorgen der Journalistin, stellt sich im Falle des grobschlächtigen Ray die Frage, warum sich Frank überhaupt mit diesem abgibt, scheint Ray doch anders als sein Freund keinem Ehrenkodex zu folgen.

                                    31
                                    • 4
                                      über Red

                                      Der auf dem gleichnamigen Roman von Jack Ketchum basierende „Red“ ist eine in biederer TV-Optik gefilmte Mixtur aus Charakterdrama und Rachethriller, die nach einem vielversprechenden Auftakt reichlich unentschlossen vor sich hindümpelt und einzig von der überzeugenden Performance ihres Hauptdarstellers getragen wird.

                                      Witwer Avery Ludlow (Brian Cox) befindet sich mit seinem Hund Red an einem See, um Fische zu angeln, als er unversehens von drei Jugendlichen bedroht wird, die ihn zunächst berauben wollen und dann aus Frust über die geringe Beute seinen Hund erschießen. Avery, der sehr an dem alten Tier hing, welches er einst von seiner Frau zum Geburtstag geschenkt bekam, stellt daraufhin Nachforschungen an, um die Identität der Jugendlichen festzustellen. Der Vater des Haupttäters (Tom Sizemore) erweist sich allerdings als einflussreicher Geschäftsmann, der zu keiner Entschuldigung bereit ist und seine Söhne deckt. Entgegen dem Rat seines Anwalts bleibt Avery jedoch hartnäckig und setzt alles daran, um die Jugendlichen doch noch zur Rechenschaft zu ziehen…

                                      Anders als in dem auf einer sehr ähnlichen Prämisse aufbauenden „John Wick“ (2014) ist der Protagonist in „Red“ kein eiskalter Racheengel, der seine Feinde gewaltsam zur Strecke bringen will. Stellt diese besonnene Herangehensweise der Hauptfigur anfangs noch eine willkommene Abwechslung dar, driftet die Geschichte - nachdem alle juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind - allerdings doch noch in typische Rachethriller-Gefilde ab. Statt der bisherigen Linie treu zu bleiben, wird nunmehr eine krude Geschichte aus der Vergangenheit des Protagonisten hinzugedichtet, die seine Äußerungen und Taten in der Gegenwart mit einem Mal reichlich unglaubwürdig erscheinen lassen.

                                      So ist es letztlich allein der souveränen Darbietung von Brian Cox als sturer Eigenbrötler zu verdanken, dass „Red“ nicht zum Totalausfall wird.

                                      29
                                      • 6 .5

                                        Der in prächtigen Technicolor-Bildern erstrahlende „Robin Hood, König der Vagabunden“ unter der Regie von Michael Curtiz (Casablanca) und William Keighley (Der Prinz und der Bettelknabe) ist ein charmanter Abenteuerklassiker über den kühnen Helden vom Sherwood Forest, der seinerzeit mit drei Oscars prämiert wurde und spätere Verfilmungen des Stoffes maßgeblich beeinflusste.

                                        England im 12. Jahrhundert: Als König Richard Löwenherz (Ian Hunter) auf dem Rückweg vom Kreuzzug in feindliche Gefangenschaft gerät, reißt dessen tyrannischer Bruder Prinz John (Claude Rains) die Macht an sich. Wer Widerstand zu leisten versucht, wird von Johns Schergen um den bösartigen Sir Guy von Gisbourne (Basil Rathbone) gefoltert und ermordet. Nur der furchtlose Robin Hood (Errol Flynn) wagt es, sich gemeinsam mit seinen Gefährten den Unterdrückern in den Weg zu stellen. Unerwartete Unterstützung erhält er dabei von Lady Marian (Olivia de Havilland), dem Mündel des Königs…

                                        Die altbekannte Geschichte um den mutigen Bogenschützen bietet temporeiche Unterhaltung mit diversen Actioneinlagen und sehr viel Humor. Die Grundstimmung des Films ist dabei von Beginn an heiter und beschwingt. So wird etwa auf das Leid der verarmten Bevölkerung nur am Rande eingegangen und stattdessen flotte Sprüche und Schwertduelle in den Vordergrund gestellt. Da ohnehin von Anfang an klar ist, dass sich der Held aus jeder noch so brenzlichen Lage befreien wird, gestaltet sich das Geschehen nie sonderlich dramatisch, sorgt dafür aber auch dank des gut aufgelegten Casts für kurzweiliges Vergnügen.

                                        Mögen die Protagonisten in ihren bunten Strumpfhosen aus heutiger Sicht auch ein wenig albern erscheinen und einige Kulissen zu sehr nach Pappmaché aussehen, wird „Robin Hood, König der Vagabunden“ seinem Ruf als eine der besten Umsetzungen des Stoffes auch über achtzig Jahre später noch gerecht.

                                        36
                                        • 7 .5

                                          Mit „The Limey“ schuf Regisseur Steven Soderbergh (Ocean’s Eleven, Logan Lucky) einen ebenso packenden wie stilistisch ambitionierten Rachethriller, der sich einerseits wie eine simple Fingerübung anfühlt, sich zugleich jedoch auf berührende Weise mit Themen wie dem Altern und der Vergänglichkeit auseinandersetzt.

                                          Nach einem mehrjährigen Gefängnisaufenthalt reist der Brite Wilson (Terence Stamp) nach Los Angeles, um den rätselhaften Tod seiner Tochter (Melissa George) aufzuklären, die bei einem Autounfall auf dem Mulholland Drive ums Leben gekommen sein soll. Schon bald wird er auf den schwerreichen Musikproduzenten Terry Valentine (Peter Fonda) aufmerksam, mit dem seine Tochter ein Verhältnis hatte und der offenbar in Drogengeschäfte verwickelt ist. Der Beginn eines erbarmungslosen Rachefeldzugs…

                                          Soderberghs in kunstvolle Bilder gehüllter Thriller hebt sich vor allem aufgrund seiner ungewöhnlichen Schnitttechnik von vergleichbaren Genrevertretern ab, baut „The Limey“ doch auf unorthodoxe Bildmontagen und springt zeitlich immer wieder vor und zurück. Diese achronologische Erzählweise geht so weit, dass wir Bilder sehen, die mit Stimmen aus der Vergangenheit oder der Zukunft unterlegt sind, was Soderberghs Film zu einem Werk über das Wesen und die Bedeutung der Zeit selbst werden lässt. Auf diese Weise regt „The Limey“ den Zuschauer immer wieder dazu an, das Geschehen zu hinterfragen und in einen überzeitlichen Kontext zu betten.

                                          Gleichzeitig lässt sich Soderberghs Film jedoch auch als schnörkelloser Revenge-Reißer in der Tradition der alten Charles Bronson-Filme konsumieren, wartet „The Limey“ trotz seiner eher ruhigen Gangart und des melancholisch angehauchten Diskurses über die verlorene Zeit doch auch mit ein paar fesselnden Actionszenen sowie einer Prise trockenen Humors auf.

                                          Nicht zuletzt sind auch die starken Darbietungen der Castmitglieder zu loben, zu denen u.a. noch Lesley Ann Warren (Victor/Victoria), Luis Guzmán (Carlito’s Way) und Barry Newman (Fluchtpunkt San Francisco) zählen.

                                          34
                                          • 6

                                            Bei „Die Insel des Dr. Moreau“ handelt es sich um die zweite von bislang drei Leinwandadaptionen des Romanklassikers von H. G. Wells. Das von Regisseur Don Taylor (Flucht vom Planet der Affen, Damien – Omen 2) inszenierte SciFi-Abenteuer zehrt vor allem von der faszinierenden Grundgeschichte, die von unheimlichen Experimenten auf einer einsamen Pazifikinsel erzählt.

                                            Zu Beginn des 20. Jahrhunderts strandet der Schiffbrüchige Andrew Braddock (Michael York) auf einer abgelegenen Insel im Südpazifik, wo er nach kräftezehrenden Tagen auf dem offenen Meer vom Wissenschaftler Dr. Moreau (Burt Lancaster) und dessen Bediensteten gesund gepflegt wird. Schon bald bemerkt Braddock, dass Moreau, der auf dem kleinen Eiland eine umzäunte Forschungsstation errichtet hat, mysteriöse Experimente durchführt, die in irgendeinem Zusammenhang mit den seltsamen Wesen zu stehen scheinen, denen Braddock immer wieder im Dschungel begegnet…

                                            Mit seinem pompösen Score und der gut eingefangenen Atmosphäre der bewaldeten Insel verströmt Taylors Romanadaption von Anfang an einen klassischen Abenteuercharme, der an Genrewerke früherer Jahrzehnte erinnert. Trotz einiger eher schwacher Dialogzeilen und vergeudeten Potenzials ist es jedoch in erster Linie die ebenso schaurige wie mit gesellschaftskritischen Anklängen aufwartende Erzählung, die den Zuschauer bei Laune hält und über weniger interessante Passagen hinwegsehen lässt.

                                            Unter den Darstellern sticht derweil Burt Lancaster als wahnsinnig gewordener Wissenschaftler hervor, der sich zum Alleinherrscher über die Insel aufgeschwungen hat. Michael York dagegen bleibt in der Rolle des Protagonisten relativ blass und vermag kaum Akzente zu setzen. Darüber hinaus fühlt sich auch die Liebesbeziehung zwischen Braddock und Moreaus Gefährtin Maria (Barbara Carrera) nach einem unnötigen, wenig glaubwürdigen Anhängsel an.

                                            Als Entschädigung für die diversen Schwächen des Films bekommt man jedoch ein recht spektakuläres Chaosfinale geboten, das einige einprägsame Bilder hervorbringt.

                                            30
                                            • 5

                                              Der von Gregory Jacobs (Criminal, Magic Mike XXL) inszenierte „Der eisige Tod“ ist ein solider Gruselthriller, der mit seiner winterlichen Atmosphäre und einem gut harmonierenden Hauptdarstellerpaar punktet.

                                              Eine junge Studentin (Emily Blunt) will die Weihnachtsfeiertage bei ihrer Familie in Delaware verbringen und sucht daher nach einer Mitfahrgelegenheit. Ein Aushang am Schwarzen Brett bringt sie mit einem ihrer Kommilitonen (Ashton Holmes) zusammen, der vorgibt, aus der gleichen Gegend zu stammen. Während der langen Fahrt verstrickt sich der Fahrer jedoch immer mehr in Widersprüche, sodass die Studentin misstrauisch wird. Als die Beiden deshalb in Streit geraten, kommt es zu einem Unfall, infolgedessen sie auf einer verschneiten Waldstrecke liegenbleiben. Während die Studentin fürchtet, die Nacht mit einem psychopathischen Irren verbringen zu müssen, tauchen aus dem Dunkeln mit einem Mal seltsame Gestalten auf…

                                              Jacobs Film zeichnet sich durch stimmungsvolle Bilder der verschneiten Winterlandschaft aus, die auch beim Zuschauer ein leichtes Frösteln heraufbeschwören. Darüber hinaus weiß auch die ausführliche Einführung der Charaktere zu gefallen, nimmt sich der Film zunächst doch genügend Zeit, um die kleine Fahrgemeinschaft vorzustellen und das stetig wachsende Misstrauen der Studentin gegenüber ihrem Kommilitonen zu verdeutlichen. Dass dieser Part der Geschichte trotz des letztlich bedeutungslosen Abschnitts an der Raststätte noch am besten funktioniert, ist auch den überzeugenden Darstellerleistungen zu verdanken. Insbesondere Emily Blunt lässt zu diesem frühen Zeitpunkt ihrer Karriere bereits erkennen, warum sie heute zu den gefragtesten Schauspielerinnen in Hollywood zählt.

                                              Sobald allerdings die Nacht über die beiden Verunfallten hereinbricht und das eigentliche Mysterium etabliert werden soll, offenbart „Der eisige Tod“ gravierende Schwächen. Von nun an wirkt die Handlung wirr und unzusammenhängend, vermischen sich doch zunehmend Traumbilder mit der Realität. Mag dahinter auch eine recht interessante Idee stecken, so ist diese zu holprig umgesetzt und nicht ausreichend unterfüttert, um beim Zuschauer die gewünschte Wirkung zu erzielen.

                                              Entsprechend lässt auch das Ende den Betrachter - im wahrsten Sinne des Wortes – kalt.

                                              30
                                              • 7 .5

                                                Dem um Themen wie Freiheitsdrang, Selbstbestimmung und Toleranz kreisenden „Pleasantville“ von Regisseur Gary Ross (Seabiscuit, Free State of Jones) gelingt der schwierige Spagat zwischen leichtfüßiger Komödie und geistreicher Sozialparabel und kann dabei mit einer originellen Geschichte, starker Effektarbeit sowie einer gut ausgewählten Darstellerriege aufwarten.

                                                High School-Schüler David (Tobey Maguire) und seine Schwester Jennifer (Reese Witherspoon) sind grundverschieden und können einander nicht sonderlich leiden. Während Jennifer gerne ausgeht und wechselnde Jungsbekanntschaften pflegt, ist David ein stiller Außenseiter, der eine große Leidenschaft für die 50er Jahre-Sitcom ‚Pleasantville‘ hegt. Als bei einem abendlichen Streit zwischen den Geschwistern die Fernbedienung kaputt geht, bringt ein mysteriöser Fernsehtechniker (Don Knotts) ihnen unangekündigt eine neue, welche die Geschwister geradewegs in Davids Lieblingsserie versetzt, wo sie die Rollen der Kinder des braven Ehepaares Betty (Joan Allen) und George Parker (William H. Macy) einnehmen. Schon bald stellt das ungleiche Geschwisterpaar die Welt der biederen Kleinstadtbürger von Pleasantville gehörig auf den Kopf…

                                                Ross‘ Regiedebüt versprüht von Beginn an sehr viel Charme und gefällt durch seinen unaufdringlichen Humor sowie seine einnehmende Feel-Good-Atmosphäre. Was im Stile einer Teeniekomödie beginnt, nimmt nach und nach dramatischere Züge an, geht mit dem Wechsel in den TV-Mikrokosmos der 50er Jahre doch auch der Blick unter die Oberfläche dieser scheinbar heilen Welt einher, in der schlechtes Wetter und Niederlagen beim Basketball ebenso fremd sind wie Selbstverwirklichung und eigenständiges Denken.

                                                Mag das Aufmischen der 50er durch die beiden Teenies somit zunächst noch Assoziationen zu „Zurück in die Zukunft“ (1985) erzeugen, werden im späteren Verlauf vor allem Parallelen zum im gleichen Jahr erschienen „Die Truman Show“ deutlich. Dabei bringen die beiden unangepassten Neuankömmlinge sogar im wörtlichen Sinne Farbe ins Spiel, sorgt ihr Eingreifen doch dafür, dass die zuvor in Schwarzweiß gehaltene Kleinstadtwelt ganz allmählich in bunten Farben erstrahlt.

                                                Neben seinem visuellen Einfallsreichtum gefällt „Pleasantville“ jedoch auch durch Kreativität auf der inhaltlichen Ebene, wenngleich einige Metaphern und Bezüge zur Nazidiktatur recht plakativ ausfallen und Ross seine Moralbotschaft wenig subtil an die Zuschauerschaft bringt. Dem Filmgenuss schadet dies aber letztlich ebenso wenig wie einige nicht ganz zu Ende gedachte Handlungselemente – wozu insbesondere der rätselhafte Techniker und die genaue Funktionsweise der Fernbedienung gehören.

                                                Nicht zuletzt ist auch das gut aufgelegte Ensemble zu loben, zu dem in weiteren Rollen u.a. noch Paul Walker (Fast & Furious), Jeff Daniels (Arachnophobia) und J. T. Walsh (Breakdown) zählen.

                                                30
                                                • 7

                                                  Der auf realen Begebenheiten beruhende „Rescue Dawn“ unter der Regie von Werner Herzog (Fitzcarraldo, Bad Lieutenant) ist ein packendes Survivaldrama über einen Kampfpiloten, der während des Vietnamkriegs aus einem laotischen Gefangenenlager zu fliehen versucht.

                                                  Der deutschstämmige US-Navy Pilot Dieter Dengler (Christian Bale) wird bei einem Einsatz über Laos abgeschossen und gerät in die Gefangenschaft der Militärmiliz, die ihn in ein Kriegsgefangenenlager sperrt. Dort lernt Dengler eine Gruppe weiterer Gefangener um die Amerikaner Duane (Steve Zahn) und Gene (Jeremy Davies) kennen, die sich allmählich schon mit ihrem Schicksal abgefunden haben. Dengler jedoch animiert die Gruppe dazu, einen Fluchtplan zu schmieden…

                                                  „Rescue Dawn“ besticht durch atmosphärische Bilder des dichten Dschungels, die mitunter eine beinahe dokumentarische Wirkung erzielen. Lobenswert ist außerdem das große Engagement der Darstellerriege, die mit vollem Körpereinsatz dabei ist und die sich im Vorfeld für ihre Rollen nahezu bis auf die Knochen herunterhungerte.

                                                  Gestaltet sich die Story um den Ausbruch aus dem Gefangenenlager auch sehr simpel, gelingt es Herzog dennoch, von Anfang an eine gewisse Spannung aufzubauen, die seinen Film bis zum Ende trägt und den Zuschauer mit dem Protagonisten und seinen Gefährten mitfiebern lässt. Von ähnlich gelagerten Ausbruchsfilmen grenzt sich „Rescue Dawn“ derweil auch aufgrund des eigenwilligen Charakters seiner Hauptfigur ab, scheint sich der Kampfpilot doch selbst im Augenblick größter Gefahr und ungeachtet aller körperlichen und psychischen Strapazen seinen schelmischen Humor sowie seinen unerschütterlichen Überlebenswillen zu bewahren.

                                                  Angesichts all dieser Vorzüge lässt es sich auch verschmerzen, dass das Ende allzu pathetisch ausfällt und Dengler insgesamt ein wenig zu sehr glorifiziert wird.

                                                  32
                                                  • 6

                                                    Mit seinem Regiedebüt „Eighth Grade“ legte der als YouTube-Star bekannt gewordene Bo Burnham ein von einer hervorragenden Jungdarstellerin getragenes Coming of Age-Drama vor, welches uns einen detaillierten Einblick in das Aufwachsen der Generation Z gewährt.

                                                    Kayla Day (Elsie Fisher) ist eine schüchterne Achtklässlerin, die unmittelbar vor dem Wechsel auf die High School steht und ihre Gedanken und Gefühle in selbstgedrehten YouTube-Videos äußert. Ihr alleinerziehender Vater Mark (Josh Hamilton) betrachtet den Social Media Konsum seiner Tochter mit Sorge und fürchtet, sie könne sich von ihm distanzieren. Unerwartet wird Kayla zur Poolparty einer Mitschülerin eingeladen, mit der sie sich eigentlich überhaupt nicht versteht…

                                                    „Eighth Grade“ verfügt über keinen klassischen Handlungsbogen, sondern reiht mehr oder weniger zusammenhängende Episoden aus Kaylas letzter Woche an der Middle School aneinander. Burnhams Vorhaben, das Leben der jungen Außenseiterin in all seinen Facetten zu zeigen, sorgt dabei einerseits dafür, dass sein Film recht abwechslungsreich daherkommt, führt andererseits aber auch dazu, dass einzelne Szenen tonal derart unterschiedlich ausfallen, dass man als Zuschauer zuweilen das Gefühl bekommt, man sehe sich eine Collage aus gleich mehreren Filmen auf einmal an.

                                                    So könnte etwa die Szene, in der Kayla mit einer Banane einen Blowjob üben möchte, ebenso gut aus einer derben Teeniekomödie im Stile von „American Pie“ (1999) stammen, während ihre extrem verstörende Begegnung bei einer Autofahrt eher einem harten Psychothriller entnommen zu sein scheint. Zusätzlich verstärkt wirkt dieser uneinheitliche Eindruck durch einige stark überzeichnete Nebenfiguren, die nicht so ganz in das auf Authentizität setzende Gesamtwerk passen wollen.

                                                    Dass das Fazit zu Burnhams Regiedebüt trotz dieser Schwächen dennoch positiv ausfällt, ist indes vor allem der fantastischen Hauptdarstellerin zu verdanken, gelingt es der jungen Elsie Fisher doch, die Schüchternheit und das damit verbundene Wellenbad der Gefühle der Protagonistin glaubhaft zu transportieren und darüber hinaus aufzuzeigen, welchem inneren und äußeren Druck die Generation Z durch Social Media ausgesetzt ist.

                                                    33