Kenduskeag - Kommentare

Alle Kommentare von Kenduskeag

  • 8 .5

    Ehe er mit „Bonnie und Clide“ (1967) seinen großen Durchbruch feierte, hatte Regisseur Arthur Penn schon einige ähnlich progressive Filme in die Kinos gebracht, die bei Kritikern und Publikum jedoch nur wenig Beachtung fanden. Zu diesen übersehenen Werken zählt auch die amerikakritische Gesellschaftsparabel „Ein Mann wird gejagt“, die Themen wie Sozialneid, Alltagsrassismus und Selbstjustiz mit einer packenden Thrillerhandlung verwebt.

    Als bekannt wird, dass der junge Charlie ‚Bubber‘ Reeves (Robert Redford) aus dem Gefängnis ausgebrochen ist, verbreitet sich die Nachricht in seinem Heimatort Tarl wie ein Lauffeuer. Schon bald machen Gerüchte die Runde, Charlie könne zu seiner Ehefrau Anna (Jane Fonda) zurückkehren und sich an den Bewohnern der texanischen Kleinstadt rächen wollen. Derweil setzt Sheriff Calder (Marlon Brando) alles daran, um eine Eskalation der Gewalt zu verhindern, findet unter den Ortsbewohnern jedoch kaum Gehör, da man in ihm nur eine Marionette des einflussreichen Öl-Magnaten Val Rogers (E. G. Marshall) sieht. Noch am gleichen Abend verwandelt die aufgeheizte Stimmung Tarl in ein Pulverfass, das jeden Augenblick zu explodieren droht…

    Penns Film zeichnet das Porträt einer amerikanischen Kleinstadt in der jeder jeden kennt, Gerüchte rasend schnell die Runde machen und Affären offen ausgelebt werden. Die Nachricht von der Gefängnisflucht sorgt entsprechend nur bei wenigen Ortsbewohnern für Angst und Schrecken, stellt sie für die meisten unter ihnen doch eine willkommene Abwechslung vom tristen Alltagsleben dar. Parallel zu den Vorgängen in der Stadt sehen wir den vom seinerzeit noch weitgehend unbekannten Robert Redford verkörperten Sträfling auf der Flucht, ehe beide Handlungsstränge im späteren Verlauf zusammengeführt werden.

    Trotz dieser aufregenden Ausgangslage ist Penns Film nicht ausschließlich auf Spannung und Action getrimmt, sondern lässt sich viel Zeit, um die Beziehungen und Motivationen der einzelnen Charaktere ausführlich darzustellen, was den späteren Ereignissen eine umso größere Dramatik verleiht. Da sich die gesamte Handlung an nur einem einzigen Tag abspielt, gewinnen die verzweifelten Versuche des Sheriffs, eine Spirale der Gewalt zu verhindern, zusätzlich an Dringlichkeit. Bei all der kritischen Auseinandersetzung mit bürgerlicher Doppelmoral findet Penn zudem auch immer wieder Zeit für auflockernde Momente. So etwa, wenn sich der halbe Ort am Abend bei feuchtfröhlichen Tanzpartys vergnügt.

    Neben der dichten Südstaatenatmosphäre und dem starken Score von „James Bond“-Komponist John Barry weiß zudem auch das prominente Darstellerensemble zu begeistern, zu dem in weiteren Rollen u.a. noch Angie Dickinson (Rio Bravo), James Fox (Die Stunde der Patrioten) und Robert Duvall (Apocalypse Now) zählen.

    31
    • 5

      87 Days till Halloween, Halloween, Halloween
      87 Days till Halloween
      Silver Shamrock!

      Nachdem die Geschichte von Michael Myers nach Meinung der Macher mit „Halloween II“ auserzählt war, entschloss man sich - beginnend mit „Halloween III“ - jedes Jahr ein neues Werk mit einer jeweils eigenständigen Geschichte über die Nacht des Grauens ins Kino zu bringen. Eine Entscheidung, die letztlich jedoch nur wenig Anklang bei den Fans fand, die eine Rückkehr ihres Lieblingskillers forderten. Und so ist der dritte Teil der langlebigen Slasher-Reihe bis heute der Einzige, der völlig losgelöst von den anderen Teilen funktioniert.

      Wenige Tage vor Halloween wird der Arzt Dr. Dan Challis (Tom Atkins) ins Krankenhaus gerufen, wo er sich um den soeben eingelieferten Harry Grimbridge (Al Berry) kümmern soll, der allem Anschein nach unter Verfolgungswahn leidet. Noch in der gleichen Nacht dringt eine in einen dunklen Anzug gekleidete Gestalt in das Krankenhaus ein und tötet Grimbridge auf grausame Weise. Dr. Challis versucht noch, die Verfolgung des Täters aufzunehmen, kann jedoch nicht verhindern, dass dieser sich in seinem Wagen selbst in Brand steckt. Da die Polizei bei ihren Ermittlungen nicht vorankommt, macht sich der Arzt zusammen mit Ellie Grimbridge (Stacey Nelkin), der Tochter des Ermordeten, daran, den mysteriösen Fall auf eigene Faust zu lösen…

      Für den dritten Teil der „Halloween“-Reihe übernahm Tommy Lee Wallace (Fright Night Part 2, Stephen Kings ES) Regie und Drehbuch, welcher schon am Original von 1978 als Editor mitgewirkt hatte. Wie schon die beiden Vorgänger startet auch „Halloween III“ mit dem Bild eines Kürbisses, unterlegt mit einem abermals recht markanten John Carpenter-Score. In Abgrenzung zu den vorherigen Teilen handelt es sich diesmal allerdings um eine Computergrafik auf einem Monitor, womit auch schon erstmals auf das Grundthema des Films angespielt wird, entwickelt sich „Halloween III“ doch alsbald zu einer sehr eigenwilligen und mitunter unfreiwillig komischen SciFi-Horrorgeschichte, die mit einigen bizarren Ideen aufwartet und mit ihrer mehr oder weniger subtilen Kritik an einer auf Gewinnmaximierung und Automatisierung ausgerichteten Arbeitswelt sowie übermäßigem TV-Konsum bisweilen an die Werke David Cronenbergs erinnert.

      Gestaltet sich die Handlung um einen geheimnisvollen Spielzeugkonzern und seine rätselhaften Aktivitäten zwar nicht sonderlich spannend, punktet der Film so doch zumindest mit seiner düsteren Atmosphäre, die jener der beiden Vorgänger schon relativ nahekommt. Als überraschend erweist sich zudem der Härtegrad des Films, gibt es doch trotz Michael Myers Abwesenheit ein paar verstörende Kills zu sehen.

      23
      • 7
        über Infam

        „Infam“ unter der Regie William Wylers (Ein Herz und eine Krone, Ben Hur) ist ein ebenso feinfühliges wie spannungsgeladenes Drama, dessen intensive Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Verleumdung und Rufmord auch heute noch aktuell wirkt.

        Karen (Audrey Hepburn) und Martha (Shirley MacLaine) sind Freundinnen seit Jugendtagen und führen gemeinsam ein privates Mädcheninternat, das sich allmählich zu rentieren beginnt. Während Martha noch keine Beziehung hatte, ist Karen schon längere Zeit mit dem Arzt Dr. Joe Cardin (James Garner) verlobt, der auf eine baldige Hochzeit drängt. Zu den Schülerinnen des Internats gehört auch die rebellische Mary (Karen Balkin), die schon mehrmals durch ihre Lügengeschichten und das Drangsalieren von Mitschülerinnen aufgefallen ist. Als Mary in Folge eines Streitgesprächs unter den Erwachsenen behauptet, dass ihre beiden Lehrerinnen eine sexuelle Beziehung miteinander hätten, tritt sie damit eine Lawine los, die alles zu zerstören droht, was sich die beiden Freundinnen aufgebaut haben…

        William Wyler hatte das zugrundeliegende Bühnenstück von Lillian Hellman schon bereits 1936 zum ersten Mal verfilmt, war jedoch seinerzeit aufgrund des behandelten Tabuthemas Homosexualität bei der Umsetzung derart vielen Restriktionen unterworfen, dass er sich mit dem Welterfolg seines Oscar-Abräumers „Ben Hur“ (1959) im Rücken an eine weitere Verfilmung machte. Entstanden ist dabei ein in stilvollen Schwarzweiß-Bildern gehaltenes Drama, das einerseits sehr viel über den Umgang mit gleichgeschlechtlicher Liebe zu seiner Entstehungszeit aussagt, dessen Darstellung von gesellschaftlichen Vorurteilen jedoch zugleich eine zeitlose Relevanz besitzt.

        Hier und da mag Wylers Film zwar etwas dick auftragen – woran insbesondere die Soundkulisse ihren Anteil hat – und auch die Gefühlsausbrüche der Darsteller mögen trotz insgesamt ansprechender Performances ein wenig zu theatralisch erscheinen, doch fallen diese kleineren Makel dank der ebenso fesselnden wie emotional berührenden Handlung kaum ins Gewicht. Positiv hervorheben lässt sich zudem die einzige größere Männerrolle des Films, darf sich James Garner als Karens Verlobter doch von einer erstaunlich sensiblen und verletzlichen Seite zeigen.

        27
        • 4 .5

          „Mord nach Plan“ unter der Regie von Barbet Schroeder (Barfly, Desperate Measures) ist ein dröger, spannungsarmer Krimi, der von der Ermordung des 14-jährigen Bobby Franks durch die beiden Studenten Leopold und Loeb inspiriert wurde.

          Detective Cassie Mayweather (Sandra Bullock) und ihr neuer Kollege Sam Kennedy (Ben Chaplin) werden zu einem Flussufer gerufen, an dem die Leiche einer erwürgten Frau gefunden wurde. Ihre Untersuchungen führen die zwei Ermittler schon bald zu den ungleichen Schulkameraden Justin (Michael Pitt) und Richard (Ryan Gosling), welche der Wunsch verbindet, das perfekte Verbrechen zu begehen…

          Schroeders Krimi verfügt über einen recht merkwürdigen Aufbau. Einerseits wird dem Zuschauer von Beginn an deutlich gemacht, dass es sich bei Justin und Richard um die Mörder der gefundenen Frau handelt und der Film demnach davon handeln wird, ob und wie die Ermittler das Schülerduo dingfest machen können. Andererseits erfahren wir jedoch kaum etwas über das Mordopfer selbst und sehen – anders als etwa in den meisten „Columbo“-Folgen – auch bis zum Finale nichts von der genauen Planung und Durchführung der Tat.
          Statt sich also wie andere Krimis dieser Art den Wissensvorsprung der Zuschauer zu Nutze zu machen, um so für Suspense zu sorgen, lebt „Mord nach Plan“ fast ausschließlich vom immergleichen Frage-Antwort-Spiel sowie den Hintergrundinformationen über ein Trauma der Protagonistin, die nach und nach ans Licht kommen.

          Zwischendurch verliert sich Schroeders Film dann immer wieder in belanglosen Details. So etwa, wenn Cassie ihren neuen Kollegen schon kurz nach dem ersten Aufeinandertreffen regelrecht zum Sex drängt oder sie nach der Attacke durch einen Pavian im Krankenhaus landet. Dies hat zur Folge, dass die im Grunde sehr simpel gehaltene Story unnötig in die Länge gezogen wird.

          Unter den Darstellern vermag indes vor allem Michael Pitt als sich zwischen jugendlicher Unsicherheit und perfider Mordlust bewegender Killer einige Akzente zu setzen, während sein Mitstreiter Ryan Gosling in dieser frühen Rolle kaum etwas von seinem späteren Charisma erkennen lässt und auch Sandra Bullock nicht viel aus der Rolle der toughen Ermittlerin herausholen kann.

          24
          • 5

            Der vom genreerfahrenen Simon West (Con Air, The Expendables 2) inszenierte „The Mechanic“ ist ein ebenso konventioneller wie überraschungsarmer Actionthriller, der sich zahlreicher Klischees bedient und dem nach einem durchaus ansprechenden Start alsbald die Luft auszugehen droht.

            Der zurückgezogen lebende Killer Arthur Bishop (Jason Statham) gilt als Meister seines Fachs, der jeden noch so komplizierten Auftrag mühelos erledigt. So schreckt er nicht einmal davor zurück, seinen Freund und Mentor, den an den Rollstuhl gefesselten Harry McKenna (Donald Sutherland), umzubringen, da dieser allem Anschein nach Arthurs Auftraggeber Dean Sanderson (Tony Goldwyn) hintergangen hat. Als er am Grab seines Mentors auf dessen von Jähzorn und Rachegelüsten getriebenen Sohn Steve (Ben Foster) trifft, beschließt Arthur, den jungen Mann unter seine Fittiche zu nehmen…

            Wests Neuverfilmung von „Kalter Hauch“ (1972) bietet einige recht hübsche Aufnahmen von New Orleans und scheut sich nicht vor expliziten Gewaltdarstellungen, vermag aber aufgrund der wenig reizvollen Geschichte und den nur selten aufkommenden Spannungsmomenten kaum aus der Masse vergleichbarer Produktionen hervorzustechen. Neben Spannung und Thrill mangelt es „The Mechanic“ zudem auch an interessanten Charakteren. So bleiben besonders die Bösewichte des Films durchgängig blass, während die Frauenfiguren nur willige Betthäschen abgeben.

            Dank Wests passabler Regie in Verbindung mit der knappen Laufzeit sowie einem stark aufspielenden Ben Foster als sich zwischen Schuldgefühlen und unbändiger Wut bewegender Nachwuchskiller ergibt sich aber trotz aller Schwächen noch akzeptable Actionkost.

            23
            • 8

              Der auf Verhörprotokollen basierende „Der Totmacher“ unter der Regie von Romuald Karmakar (Manila, Die Nacht singt ihre Lieder) ist ein ungemein intensives Kammerspiel, das ein auf höchstem Niveau stattfindendes Schauspielduell in beklemmender Atmosphäre bietet.

              1924: Prof. Dr. Ernst Schultze (Jürgen Hentsch) sitzt in einem spartanisch eingerichteten Raum. Sein Gegenüber ist Fritz Haarmann (Götz George), dem er eine Vielzahl an Fragen stellt. Einige davon zielen auf Haarmanns Allgemeinwissen ab, andere sind persönlicher Natur. Ein Schriftführer (Pierre Franckh) hält jedes Wort der Befragung fest. Nach und nach ergibt sich für Schultze ein umfangreiches Bild seines Gegenübers und er beginnt, immer tiefer in dessen offenbar kranke Psyche vorzudringen…

              Karmakars Film lässt sich als am ehesten als nüchterne Fallstudie klassifizieren, die ebenso erschütternde wie grauenerregende Einblicke in das Denken und Handeln eines Mannes gewährt, dessen Taten ihn bis heute zu einem der berüchtigtsten Verbrecher der deutschen Kriminalgeschichte machen. Karmakar wählt dabei jedoch einen völlig anderen Ansatz als etwa Fatih Akin für sein Serienmörderporträt „Der Goldene Handschuh“ (2019), verzichtet er doch gänzlich auf eine Visualisierung der furchtbaren Morde. Diese hat „Der Totmacher“ auch gar nicht nötig, gelingt es dem Film doch allein durch Georges angsteinflößende Performance, jedes noch so grausige Detail vor den Augen des Zuschauers aufblitzen zu lassen. Über weite Strecken fühlt sich Karmakars Werk deshalb so an, als habe man sich an dem Psychoduell zwischen Clarice Starling und Hannibal Lecter in „Das Schweigen der Lämmer“ (1991) orientiert und dieses in die Zeit der Weimarer Republik verlegt.

              So ist „Der Totmacher“ nicht nur eine präzise Studie über einen Serienkiller, sondern gewährt auch Einblicke in Denkmuster und Rechtsgrundlagen in einem Land, das einerseits noch mit der Verarbeitung des ersten Weltkrieges beschäftigt war und dabei andererseits geradewegs auf einen Zweiten zusteuerte.

              27
              • 5
                über 2046

                Mit „2046“ inszenierte Wong Kar-Wai ein zwar visuell sehr ansprechendes, inhaltlich jedoch recht ereignisarm und belanglos anmutendes Melodram, das sich wie ein misslungener Versuch des Regisseurs anfühlt, den Erfolg von „In the Mood for Love“ (2000) zu wiederholen.

                1966: Vergeblich bittet der Schriftsteller Chow (Tony Leung) seine Freundin Su (Gong Li) darum, ihn nach Hongkong zu begleiten. Vor Ort bezieht er ein Hotelzimmer und beginnt einen in der Zukunft angesiedelten Roman zu schreiben, der den Titel ,2046‘ tragen soll. Als Inspiration dienen ihm dabei seine wechselnden Bekanntschaften mit Frauen aus dem gegenüberliegenden Hotelzimmer, das die Nummer 2046 trägt…

                Wong Kar-Wais futuristisch angehauchter Liebesreigen verfügt über sehr ästhetische Bilder, eine stilvolle Ausstattung sowie einen gut aufspielenden Cast, bewegt sich inhaltlich jedoch lange Zeit über kaum von der Stelle und erzählt fast ausschließlich von den verschiedenen Liebesaffären des Protagonisten. Statt immer neue Eroberungen des Hotelcasanovas zu zeigen, hätte sich „2046“ besser auf eine zentrale Lovestory konzentrieren sollen, bleibt doch kaum einmal genug Zeit, um die weiblichen Charaktere des Films näher kennenzulernen, ehe sich Chow schon wieder in die nächste Affäre stürzt. Entsprechend schwer fällt es als Zuschauer, eine Bindung zu den einzelnen Figuren aufzubauen und ihre Emotionen nachzuvollziehen.

                Trotz seiner ansprechenden Bildkompositionen erweckt das fragmentarisch erzählte Melodram somit einen allenfalls mittelmäßigen Gesamteindruck und lässt sein Publikum mit einem Gefühl der Gleichgültigkeit zurück.

                27
                • 7

                  Der auf Jules Vernes Romanklassiker gleichen Namens beruhende „20.000 Meilen unter dem Meer“ ist ein fantastischer Abenteuerfilm unter der Regie Richard Fleischers (Die Wikinger, Soylent Green), der durch herrliche Tiefseeaufnahmen, kreatives Setdesign, bemerkenswerte Tricktechnik sowie eine zeitlos spannende Geschichte besticht.

                  1868: Gerüchte über ein gewaltiges Seeungeheuer, das ganze Schiffe verschlingt, versetzen Seefahrer in aller Welt in Angst und Schrecken. Der französische Professor Aronnax (Paul Lukas), der nicht an die Existenz einer solchen Kreatur glaubt, möchte gemeinsam mit seinem Assistenten Conseil (Peter Lorre) dem Geheimnis auf den Grund gehen und begibt sich hierzu an Bord eines Kriegsschiffes, welches das Ungeheuer ausfindig machen soll. Schon bald kommt es tatsächlich zu einer ersten Begegnung, in Folge derer das Kriegsschiff schwer beschädigt wird und schließlich untergeht. Nur Aronnax und sein Assistent sowie der Harpunier Ned Land (Kirk Douglas) überleben die fürchterliche Attacke. Das vermeintliche Ungeheuer entpuppt sich derweil als futuristisches U-Boot unter dem Kommando des rätselhaften Kapitän Nemo (James Mason), der einen tiefsitzenden Hass auf die Menschheit hegt…

                  Gestaltet sich die Anfangsphase des noch unter Walt Disneys persönlicher Aufsicht verwirklichtem Tiefseeabenteuers noch etwas holprig, gewinnt Fleischers Werk spätestens mit dem ersten Auftritt des undurchsichtigen Kapitän Nemo an Intensität, stehen doch von nun an nicht mehr die Jagd nach einem vermeintlichen Ungeheuer, sondern zwischenmenschliche Konflikte und gegensätzliche Weltanschauungen im Mittelpunkt.

                  Während Prof. Aronnax ein humanistisches Menschenbild vertritt, wonach alle Menschen von Grund auf gut sind, zeichnet sich Kapitän Nemo durch seinen pessimistischen Blick auf die Menschheit aus, die seiner Ansicht nach nur Krieg und Verderben über den Planeten bringt. Anders als Aronnax, der kaum wie ein dreidimensionaler Charakter wirkt, sondern lediglich über seine humanistische Haltung definiert wird, erweist sich Nemo jedoch auch abseits seiner Weltanschauung als faszinierende Persönlichkeit mit eigener Agenda. Daran, dass sich Kapitän Nemo etwa ab der Mitte des Films zum mit Abstand spannendsten Charakter entwickelt, hat zudem auch die starke Performance von James Mason einen entscheidenden Anteil, welche ein angenehmes Gegengewicht zum reichlich aufgedreht agierenden Kirk Douglas bildet.

                  Diejenigen Zuschauer, die mit den Streitgesprächen über Kriegsführung, den Bau von Massenvernichtungswaffen und den Raubbau an unserem Planeten wenig anfangen können, werden dann spätestens im letzten Drittel entschädigt, wenn zunehmend spektakuläre Actionsequenzen im Vordergrund stehen. Mag das Aufeinandertreffen mit einer Gruppe von Ureinwohnern noch eher skurril anmuten, erweist sich der Kampf mit einem Riesenkalmar nicht nur in tricktechnischer Hinsicht als absolutes Highlight.

                  So steht am Ende trotz kleinerer Durchhänger und einer etwas zu oberflächlich behandelten Antikriegsbotschaft mitreißende Abenteuerunterhaltung auf hoher See.

                  32
                  • 8 .5

                    Im Zuge des Kalten Krieges setzte die USA auf eine sehr aggressive Außenpolitik, um gegen linksgerichtete Strömungen und populäre kommunistische Parteien in anderen Ländern vorzugehen. Indonesien kam hierbei eine besondere Bedeutung zu, da die dort ansässige PKI Mitte der 60er Jahre zur drittgrößten kommunistischen Partei der Welt geworden war. Um die wachsende Einflussnahme der PKI zu unterbinden, wurde eine von der CIA unterstützte Medienkampagne gestartet, welche Parteimitglieder, Sympathisanten und chinesischstämmige Bürger zu Nationalfeinden erklärte. Nach einem vorgetäuschten Putschversuch durch Anhänger der PKI kam es schließlich zu systematischen Massentötungen durch Teile der indonesischen Armee sowie paramilitärische Todesschwadronen, welchen Schätzungen zu Folge über 500.000 Menschen zum Opfer fielen (andere Quellen berichten von etwa 3 Mio. Toten).

                    Der Dokumentarfilm „The Act of Killing“ von Joshua Oppenheimer nimmt sich des weitgehend in Vergessenheit geratenen Massenmords an, lässt die inzwischen zur Elite des Landes aufgestiegenen Mörder zu Wort kommen und ihre grausamen Taten von einst im Zuge eines Filmprojekts nachstellen. Dabei wird deutlich, dass die Mörder in einem sehr merkwürdigen Zwiespalt stecken, wollen sie doch einerseits ihr Image als mächtige und furchtlose Männer aufrecht erhalten und sich auch nicht ihre eigene Schuld eingestehen, hinterfragen andererseits aber dennoch ihre damalige Vorgehensweise und berichten von Alpträumen, in denen sie von den Geistern der Toten heimgesucht werden.

                    Oppenheimers Dokumentation gleicht somit einer eingehenden Erforschung menschlicher Abgründe, die tief in das Dunkel der Seele blicken lässt und dabei zur gleichen Zeit grotesk, widerwärtig und erschütternd ausfällt.

                    32
                    • 6

                      „Absolute Power“ unter der Regie von Clint Eastwood (Erbarmungslos, Gran Torino) ist ein geradlinig erzählter Thriller klassischer Prägung, der angenehm unaufgeregt daherkommt und auf billige Effekthascherei verzichtet.

                      Der alternde Meisterdieb Luther Whitney (Clint Eastwood) bricht in die Villa des schwerreichen Walter Sullivan (E.G. Marshall) ein, um ein Juwelenversteck in einer Geheimkammer neben dessen Schlafzimmer auszuräumen. Während er sich noch in der Kammer aufhält, wird Luther jedoch unerwartet Zeuge davon, wie Sullivans Ehefrau Christy (Melora Hardin) mit ihrem Liebhaber nach Hause kommt, bei dem es sich ausgerechnet um den amerikanischen Präsidenten Richmond (Gene Hackman) handelt. Als der Präsident die junge Frau zu vergewaltigen versucht, wird diese vor Luthers Augen beim Versuch sich zu wehren, von Agenten des Secret Service erschossen. Fortan setzt der Präsident alles daran, um auch den unliebsamen Zeugen mundtot zu machen…

                      Eastwoods Film bietet keine überraschenden Wendungen oder andere Kniffe, versteht es aber, aus der simplen Geschichte ein gutes Maß an Spannung und Nervenkitzel herauszuholen. Zudem erweist sich auch das recht langsame Erzähltempo als genau passend für diese Art von altmodischer Thrillerunterhaltung. Positiv hervorzuheben sind derweil außerdem die Leistungen der Castmitglieder, zu denen u.a. noch Laura Linney (Mystic River), Scott Glenn (Das Schweigen der Lämmer) und Ed Harris (Apollo 13) zählen.

                      Demgegenüber stehen allerdings einige Ungereimtheiten, die das Gesamtergebnis ein wenig trüben. Diese beginnen schon damit, dass die Polizeiermittler sich frühzeitig und ohne irgendeinen Hinweis auf Luther als Täter festlegen. Und auch das Vorgehen der Secret Service Agenten erscheint im weiteren Verlauf so einige Male wie das von unfähigen Amateuren.

                      Dank Eastwoods routinierter Inszenierung gelingt es jedoch, diese Schwächen halbwegs zu kaschieren, sodass „Absolute Power“ einen gelungenen Beitrag in der Filmografie des nimmermüden Regisseurs darstellt.

                      29
                      • 6

                        Der von Stephen Hopkins (Der Geist und die Dunkelheit, Under Suspicion) inszenierte „Explosiv – Blown Away“ ist ein simpel gestrickter Actionthriller, der zwar nicht durchgängig für Hochspannung sorgt, dafür aber mit einem spielfreudigen Cast sowie einigen spektakulären Pyroeffekten auftrumpft.

                        Bombenentschärfer Jimmy Dove (Jeff Bridges) plant beruflich kürzer zu treten und zukünftig den Polizeinachwuchs auszubilden, um mehr Zeit für seine neue Freundin Kate (Suzy Amis) zu haben. Als Boston jedoch von einer mysteriösen Serie von Bombenattentaten erschüttert wird, sieht sich Jimmy gezwungen, seine alten Kollegen weiterhin zu unterstützen. Schon bald steht fest, dass hinter den Attentaten der kürzlich aus dem Gefängnis ausgebrochene Terrorist Ryan Gaerity (Tommy Lee Jones) steckt. Und dieser hat mit Jimmy noch eine persönliche Rechnung offen…

                        Hopkins Actionthriller verfügt über keine sonderlich raffinierte Handlung und auch der im späteren Verlauf aufgegriffene Nordirlandkonflikt dient lediglich als Aufhänger, um die beiden Hauptfiguren in ein tödliches Duell Mann gegen Mann zu schicken. Zudem ergeben sich immer wieder kleinere Längen, da recht viel Zeit darauf verwendet wird, das Familienleben des Protagonisten sowie sein Verhältnis zu Freunden und Kollegen zu zeigen.

                        Dem gegenüber stehen mehrere durchaus fesselnde Szenen, in denen Dove gegen die ausgeklügelten Sprengfallen seines Gegenspielers angehen muss. In Verbindung mit einigen schönen Bildern der amerikanischen Ostküste sowie ansprechenden Leistungen der Castmitglieder, zu denen u.a. auch Forest Whitaker (Panic Room) und Lloyd Bridges (Hot Shots!) gehören, ergibt sich somit trotz der genannten Defizite insgesamt gelungene Actionunterhaltung.

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                        • 5

                          „Wie angelt man sich einen Millionär?“ ist eine recht angestaubte Liebeskomödie mit Starbesetzung, die sich mit der Sehnsucht nach einem Leben in Wohlstand sowie der Suche nach dem passenden Ehepartner befasst. Der von Jean Negulesco (Schweigende Lippen, Der Untergang der Titanic) inszenierte Film gefällt durch einige schön anzusehende CinemaScope Bilder von New York und der verschneiten Berglandschaft, enthält jedoch auch zahlreiche altbackene Pointen, von denen nur wenige zünden wollen.

                          Die drei Freundinnen Tschicki (Lauren Bacall), Pola (Marilyn Monroe) und Tütü (Betty Grable) bewohnen gemeinsam ein luxuriöses Apartment am Central Park. Da ihr Geld jedoch kaum noch ausreicht, um die Miete zu bezahlen, sehen sie sich gezwungen, fast alle Einrichtungsgegenstände zu verkaufen. Alle drei verbindet, dass sie unbedingt einen reichen Mann kennenlernen wollen, der ihnen ihren Lebensunterhalt finanziert. Die Suche nach geeigneten Kandidaten erweist sich jedoch als äußerst kompliziert…

                          Negulescos Komödie startet mit einer minutenlangen Orchester-Ouvertüre, die womöglich gut zu einem großen Monumentalfilm gepasst hätte, für solch eine simple Komödie aber viel zu pompös wirkt. Mit dem wunderbaren Auftakt des im gleichen Jahr erschienen „Blondinen bevorzugt“ (ebenfalls mit Monroe) kann dieser lahme Beginn definitiv nicht mithalten und auch die Einführung der drei Hauptcharaktere gestaltet sich recht dröge und uninspiriert.

                          Ein wenig Schwung kommt erst in die Sache, als jede der Frauen einen potenziellen Heiratskandidaten ausgemacht hat und die Geschichte fortan in drei Handlungsstränge aufgeteilt wird. Während Tütüs Ausflug in die Berge recht amüsant ausfällt, erweist sich der Handlungsstrang um die von Monroe verkörperte Pola als Enttäuschung, baut doch nahezu jeder Gag auf der Kurzsichtigkeit ihrer Figur auf. Dabei zuzusehen, wie Monroe permanent gegen Türrahmen läuft oder Leute nicht wiedererkennt, mag zwar anfangs noch halbwegs erheiternd sein, entpuppt sich aber auf Dauer als reichlich nervige Angelegenheit.

                          Trotz ansprechender Darstellerleistungen des mit reichlich Sexappeal ausgestatteten Damentrios sowie eines charmanten 50er Jahre Settings erweist sich Negulescos Komödie somit als allenfalls mittelmäßiges Vergnügen.

                          25
                          • 7 .5

                            Im siebenten Teil der langlebigen Actionreihe mit dem sperrigen Titel „Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil 1“ schickt sich der inzwischen sichtlich in die Jahre gekommene Tom Cruise in der Rolle des Agenten Ethan Hunt ein weiteres Mal an, die Welt vor ihrer Vernichtung zu retten. Herausgekommen ist dabei ein sehr unterhaltsames Blockbusterspektakel, das seine Helden auf eine waghalsige Mission rund um den Globus entsendet.

                            Der neueste Auftrag des IMF-Agenten Ethan Hunt (Tom Cruise) sieht vor, seine alte Bekannte, die abtrünnige MI6-Agentin Ilsa Faust (Rebecca Ferguson), ausfindig zu machen, da diese sich im Besitz einer Hälfte eines zweiteiligen Schlüssels befinden soll, der seinem Besitzer die Kontrolle über eine ‚Entität‘ genannte künstliche Intelligenz ermöglicht, die so mächtig ist, dass sie sich in die Sicherheitssysteme sämtlicher Nachrichtendienste hacken konnte. Ethans Vorgesetzter Eugene Kittridge (Henry Czerny) möchte unbedingt beide Schlüsselhälften in seinen Besitz bringen, um so die Vormachtstellung der USA aufrecht zu erhalten. Ethan jedoch sieht in der K.I. eine unkontrollierbare Gefahr und setzt deshalb mit seinen Freunden Luther (Ving Rhames) und Benji (Simon Pegg) alles daran, um die ‚Entität‘ zu vernichten…

                            Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis das Thema K.I. Einzug in das „Mission: Impossible“-Franchise hält, erscheinen die typischen Maskenspielchen der Reihe doch geradezu prädestiniert für ein zeitgemäßes Update rund um verrücktspielende Gesichtserkennungssoftware und ähnliche Tricksereien. Standesgemäß beginnt Teil 7 dann auch mit einer packenden Auftaktszene an Bord eines russischen U-Bootes, in der die ungeheure Macht der ‚Entität‘ ein erstes Mal aufgezeigt wird.

                            An diesen gelungenen Einstieg schließt sich allerdings eine längere Phase an, in der das Geschehen nicht so recht Fahrt aufnehmen will, was vornehmlich daran liegt, dass zunächst sehr viel Exposition nötig ist, um die genauen Fähigkeiten der K.I. sowie die Beweggründe der den Schlüsselhälften hinterherjagenden Parteien zu erläutern. Generell leidet Teil 7 mitunter ein wenig unter seinem extrem großen Figurenensemble, sind doch in weiteren tragenden Rollen u.a. noch Hayley Atwell (Captain America: The First Avenger), Vanessa Kirby (Pieces of a Woman), Pom Klementieff (Der schwarze Diamant) und Esai Morales (Rapa Nui) mit von der Partie.

                            Sobald jedoch erneut eine halsbrecherische Actionsequenz ansteht, besinnt sich der abermals von Christopher McQuarrie inszenierte Film der eigenen Stärken und sorgt mit rasanten Verfolgungsjagden, atemberaubenden Stunts sowie bemerkenswert vielen Zweikampfduellen für bestes Popcorn-Kino. Die stimmige Chemie zwischen Cruise und Atwell bei einer turbulenten Jagd durch Rom lässt Teil 7 zudem zum bisher mit Abstand witzigsten Eintrag der Reihe werden.

                            Wer sich von den teils pathetischen Dialogen sowie der etwas zu lang geratenen Laufzeit nicht abschrecken lässt, bekommt somit einen bildgewaltige Actionthriller geboten, der die Vorfreude auf das (vermeintliche) Finale der Reihe in die Höhe treibt.

                            30
                            • 7 .5

                              Innerhalb des Schaffens von Regisseur Sergio Leone fristet der bildgewaltige Revolutionswestern „Todesmelodie“ ein Schattendasein und erhält deutlich weniger Aufmerksamkeit als die Mehrzahl seiner anderen Werke. Dabei weiß die ungewöhnliche Kombination aus Buddy-Movie, Kriegsaction und klassischer Tragödie für ebenso clevere wie mitreißende Unterhaltung zu sorgen.

                              Mexiko 1913: Nach einem Überfall auf eine Kutsche trifft der Bandit Juan Miranda (Rod Steiger) mit seinen sechs Söhnen auf den irischen Terroristen John Mallory (James Coburn), der aus seiner Heimat geflohen ist und sich der mexikanischen Revolution angeschlossen hat. Miranda hindert Mallory an der Weiterfahrt mit seinem Motorrad, da er sich mit dem Sprengstoffexperten verbünden will, um die Bank von Mesa Verde auszurauben. Mallory zeigt zunächst kein Interesse an einer Zusammenarbeit, muss jedoch bald einsehen, dass er den hartnäckigen Banditen nicht so einfach loswird…

                              Leones Western startet mit einer grandiosen Eröffnungssequenz, die den Zuschauer sogleich zu fesseln weiß und die Vorfreude auf das Kommende weckt. Wie von seinen anderen Filmen gewohnt, arbeitet Leone auch hier mit imposanten Weitwinkelaufnahmen in Kombination mit extremen Nahaufnahmen von Augen (und Mündern!). Dazu erklingt abermals ein markanter, wenngleich auch etwas gewöhnungsbedürftiger Score seines Stammkomponisten Ennio Morricone.

                              Speziell im ersten Drittel erinnert „Todesmelodie“ aufgrund des recht heiteren Tonfalls in Verbindung mit einer einnehmenden Abenteueratmosphäre an Leones Dollar-Trilogie. Mit zunehmender Laufzeit entwickelt sich sein Film jedoch immer mehr zu einem gesellschaftspolitischen Kriegsepos, in welchem Themen wie Freundschaft und Verrat sowie die Kluft zwischen Arm und Reich, Intellektuellen und Arbeiterklasse behandelt werden.

                              Trotz seiner stolzen Laufzeit von knapp 160 Min. erweist sich Leones Film dabei als sehr abwechslungsreich und kurzweilig, zumal sich nur selten vorhersagen lässt, in welche Richtung sich die Geschichte als nächstes entwickeln wird. Tatsächlich hätte eine noch etwas längere Laufzeit dem Film womöglich sogar gutgetan, da sich Mirandas Wandlung vom skrupellosen Banditen zum Anführer der Revolution doch sehr schnell vollzieht und der Film generell den Eindruck erweckt, als habe man an einigen Stellen nachträglich Kürzungen vorgenommen.

                              Unbedingt positiv hervorzuheben sind neben der explosiven Action und dem charismatischen Hauptdarstellerduo auch die Rückblenden in Mallorys Vergangenheit. Diese sind allein schon deshalb bemerkenswert, da sie vollkommen ohne Dialoge auskommen und Emotionen hier ausschließlich durch die nuancierte Mimik der Darsteller in Verbindung mit der grandiosen Bildkomposition transportiert werden.

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                              • 5

                                Bei „Der Unsichtbare“ unter der Regie von Leigh Whannell (Insidious: Chapter 3, Upgrade) handelt es sich um eine moderne Adaption des weit über hundert Jahre alten Romans von H.G. Wells, die die klassische Gruselgeschichte in unsere von der MeToo-Bewegung und dem Weinstein-Skandal geprägte Zeit versetzt.

                                Nur mit großer Mühe gelingt es Cecilia (Elisabeth Moss) ihrem gewaltbereiten und kontrollsüchtigen Ehemann Adrian (Oliver Jackson-Cohen) zu entkommen, der als Erfinder und Optik-Ingenieur ein Millionenvermögen angehäuft hat. Zuflucht findet die verängstigte Frau bei einem befreundeten Polizisten (Aldis Hodge) und dessen Teenager-Tochter (Storm Reid), in deren Haus sie vorerst wohnen darf. Als Cecilia bald darauf die überraschende Nachricht erhält, dass Adrian Selbstmord begangen hat, scheint der Terror endgültig vorbei zu sein. Dann aber mehren sich plötzlich unerklärliche Vorfälle im Haus, die Cecilia daran zweifeln lassen, dass ihr Ehemann tatsächlich tot ist…

                                Die Idee, die altbekannte Horrorgeschichte mit dem Kampf um weibliche Selbstbestimmung zu verknüpfen und aus dem Unsichtbaren einen wahnhaften Kontrollfreak zu machen, klingt zumindest auf dem Papier äußerst vielversprechend und bietet sehr viel Potenzial für einen packenden Gänsehautschocker. Whannells Umsetzung dieser spannenden Ausgangsidee kann dann aber leider nicht einhalten, was der allein schon aufgrund des Strandhaus-Settings stark an „Der Feind in meinem Bett“ (1991) erinnernde Auftakt verspricht.

                                Dies hängt vor allem damit zusammen, dass Whannell die psychologische Komponente des Films etwa ab der Mitte mehr und mehr zugunsten von effektreicher Action opfert, was jedoch überhaupt nicht zu der so düster und bedrückend gestarteten Geschichte passen will und dafür sorgt, dass das Geschehen an einigen Stellen unfreiwillig komisch wirkt, wenn etwa der Antagonist im Stile eines übermenschlich starken Comic-Bösewichts durch die Reihen seiner Gegner fegt. Erschwerend hinzu kommt, dass Whannell, statt sich weiterhin voll auf die Angst und Paranoia der Protagonistin zu fokussieren, im weiteren Verlauf einige abstruse Wendungen einbaut, unter denen einerseits die Glaubwürdigkeit des Geschehens leidet, und die andererseits den mit einer Laufzeit von über zwei Stunden ohnehin schon deutlich zu lang geratenen Film noch weiter unnötig in die Länge ziehen.

                                So erweist sich diese Neuadaption als nur in Ansätzen gelungener Horrorthriller, der seine durchaus vorhandenen Stärken nicht konsequent weiterverfolgt und mit fortschreitender Laufzeit massiv abbaut.

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                                • 6 .5

                                  Anders als es der Titel vermuten lässt, ist „Bank Job“ kein reinrassiges Heist-Movie, sondern geht deutlich über die bloße Planung und Durchführung eines Bankraubs hinaus. So greift der von Roger Donaldson (Species, Thirteen Days) inszenierte Thriller Themen wie Korruption, Erpressung und Spionage auf und vermengt diese zu einer unterhaltsamen Verschwörungsgeschichte, in der teils real existierende Charaktere aus dem Londoner Untergrund, der ‚Black Power‘-Bewegung und des britischen Königshauses auftauchen.

                                  London 1971: Der kleinkriminelle Werkstattbesitzer Terry Leather (Jason Statham) wird von seiner Jugendliebe Martine (Saffron Burrows) angeheuert, um gemeinsam mit einigen Freunden eine Bank in der Baker Street auszurauben. Terry erhofft sich auf diese Weise, seine Schulden mit einem Schlag loszuwerden und seiner Familie ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Er ahnt jedoch nicht, dass Martine vom Geheimdienstagenten Tim Everett (Richard Lintern) erpresst wird, der an den Inhalt eines bestimmten Bankschließfachs kommen will, in welchem sich kompromittierende Fotos befinden, die die Schwester der Queen beim Gruppensex zeigen. Schon bald müssen die Bankräuber sich deshalb nicht nur gegen die Zugriffsversuche der Polizei, sondern auch gegen Gangster aus dem Londoner Rotlichtmilieu sowie MI 5 Agenten mit Verbindungen in die höchsten Regierungskreise erwehren…

                                  Wieviel von dieser abenteuerlichen Räuberpistole tatsächlich auf wahren Begebenheiten beruht, und wieviel davon womöglich der blühenden Fantasie der Drehbuchschreiber entsprungen ist, lässt sich letztlich nur schwer feststellen. In jedem Fall bietet „Bank Job“ nur wenig von der typischen Jason Statham-Action und hat speziell in der ersten Hälfte mehr mit seinen Zusammenarbeiten mit Guy Ritchie gemein. Der charmant-heitere Tonfall der Anfangsphase weicht jedoch mit fortschreitender Laufzeit zunehmend düsteren Klängen, wenn dem Zuschauer nach und nach offenbart wird, in welch schmutzige Machenschaften Terry und sein Team durch ihren Bankraub hineingeraten sind. Entsprechend ist Donaldsons Thriller auch kaum als leichte Kost für Zwischendurch geeignet, muss man bei der Vielzahl an Charakteren und Handlungssträngen doch stets aufmerksam sein, um dem teils recht verworrenen Geschehen folgen zu können.

                                  Bemängeln lässt sich neben der etwas überladen wirkende Geschichte auch ein gewisser Mangel an Zeitkolorit. So hätte man mit mehr Detailliebe bei der Ausstattung und vor allem mit einem weniger generischen Soundtrack für deutlich mehr 70er Jahre-Flair sorgen können. Auch dank des guten Casts, dem u.a. noch James Faulkner (Atomic Blonde) und David Suchet (Einsame Entscheidung) angehören, steht am Ende jedoch überzeugende Thrillerunterhaltung bei der auch Fans des klassischen Heist-Movies auf ihre Kosten kommen.

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                                  • 6

                                    Junge, schüchterne Frau verliebt sich in reiferen Casanova. Diese klassische Grundkonstellation bestimmt auch die Romanze „Ariane – Liebe am Nachmittag“, eine der eher weniger beachteten Regiearbeiten von Billy Wilder (Sunset Boulevard, Zeugin der Anklage), die aber dennoch einen gewissen Reiz besitzt.

                                    Die junge Musikstudentin Ariane (Audrey Hepburn) wohnt mit ihrem Vater Claude (Maurice Chevalier), einem auf Affären und Seitensprünge spezialisierten Privatdetektiv, in einem Apartment in Paris. Beim heimlichen Durchstöbern der Akten ihres Vaters stößt Ariane auf den Amerikaner Frank Flannagan (Gary Cooper), der zahlreiche Liebschaften auf der ganzen Welt unterhält, und ist sogleich sehr angetan von dem wohlhabenden Womanizer. Als sie hört, dass ein betrogener Ehemann (John McGiver) auf dem Weg in Flannagans Hotelzimmer ist, um den verhassten Nebenbuhler zu erschießen, setzt Ariane alles daran, um diesen zu warnen…

                                    Wilders Romanze startet sehr schwungvoll und amüsant und verfügt über einige humorvolle Einfälle rund um das Zusammenleben der Studentin mit ihrem Detektivvater. Darüber hinaus sorgt auch die übertriebene Performance von John McGiver als gehörnter Ehemann für sehr viel Heiterkeit. Schon nach dem ersten Drittel erscheint es jedoch, als habe der Film einen Großteil seines Pulvers verschossen. Fortan steht die Liebesgeschichte zwischen Ariane und dem deutlich älteren Frank im Vordergrund und es werden zunehmend melancholische Töne angeschlagen. Die Entwicklung der Romanze gestaltet sich zwar weiterhin recht unterhaltsam, kann aber nicht mit der starken Anfangsphase mithalten.

                                    Ursächlich hierfür ist auch die zum Teil fehlende Chemie zwischen Hepburn und Cooper. Insbesondere Cooper agiert zu steif und unterkühlt, als dass man ihm den charmanten Verführer so richtig abnehmen könnte. Bezeichnenderweise zählen stattdessen Hepburns Szenen mit ihrem Filmvater Chevalier zu den Highlights des Films.

                                    Positiv hervorzuheben sind außerdem die schön eingefangenen Schwarzweiß Bilder, die detailreiche Ausstattung sowie die gelungene Musikuntermalung, sodass „Ariane – Liebe am Nachmittag“ noch einen recht guten Gesamteindruck hinterlässt.

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                                    • 7

                                      Für den Spätwestern „Man nannte ihn Hombre“ nach einer Romanvorlage von Elmore Leonard kam seinerzeit abermals das Erfolgsduo bestehend aus Regisseur Martin Ritt (Der Wildeste unter Tausend, Norma Rae) und seinem ehemaligen Schauspielschüler Paul Newman zusammen, welches schon zuvor mehrere gemeinsame Filmprojekte realisiert hatte. Entstanden ist dabei ein von den gängigen Genrekonventionen abweichendes Werk, welches sich um eine differenzierte Darstellung der Beziehungen zwischen Indianern und Weißen bemüht und dabei anhand seiner ambivalenten Hauptfigur Themen wie Identität und Zugehörigkeit in einer durch den Völkermord zerrütteten Gesellschaft anspricht.

                                      John Russell (Paul Newman) wurde vom Stamm der Apachen aufgezogen und betrachtet sich selbst als einen der ihren. Erst durch seinen Bekannten Mendez (Martin Balsam) erfährt er vom Tod seines leiblichen Vaters und dass dieser ihm eine Pension vererbt hat, welche derzeit noch von der Pächterin Jessie Brown (Diane Cilento) verwaltet wird. Mendez hofft, dass John die Nachfolge seines Vaters antritt und zu einem Leben unter den Weißen zurückkehrt. John jedoch hält nichts von diesen Plänen und will stattdessen das Haus verkaufen, um mit dem Geld die Apachen zu unterstützen. Um den Handel in der nächstgelegenen Stadt abzuwickeln, schließt sich John einer Reisegesellschaft an, zu der auch Mendez und die Pächterin gehören. Schon bald jedoch kommt es zu ersten Spannungen unter den Passagieren der Kutsche und die Reise entwickelt sich zu einem Kampf auf Leben und Tod…

                                      „Man nannte ihn Hombre“ spielt vornehmlich in einer kargen und staubigen Wüstengegend, die so gut wie nichts mehr mit dem romantisierenden Blick auf das Leben im Wilden Westen gemein hat, welcher die meisten früheren US-Western auszeichnete. Und auch inhaltlich fühlt sich Ritts Film wie ein düsterer Abgesang auf das Genre und seine Helden an.

                                      Hierzu passt dann auch, dass sich der von Newman verkörperte Protagonist die meiste Zeit über nicht sonderlich heroisch verhält, seinen Mitmenschen mit Gleichgültigkeit begegnet und ihnen mehrmals die Hilfe verweigert. Da auch die anderen Charaktere zumeist nur den eigenen Vorteil im Sinn haben und damit quasi das Gegenstück zu den Reisenden in John Fords „Stagecoach“ (1939) bilden, lebt Ritts Western hauptsächlich von dieser spannenden Figurendynamik und weniger von der Action, obgleich es im weiteren Verlauf auch zu ein paar Schießereien kommt.

                                      Aufgelockert wird diese bedrückende Grundkonstellation dabei vor allem durch die von Cilento gespielte Pächterin, die als selbstbewusste Frau den oftmals feige und egoistisch agierenden Männern den Marsch bläst. Darüber hinaus weiß auch der restliche Cast, zu dem u.a. noch Richard Boone (Der letzte Scharfschütze) und Fredric March (Wer den Wind sät) zählen, vollauf zu überzeugen.

                                      Trotz einiger kleinerer Längen und einer im Kern recht simpel gehaltenen Handlung steht somit am Ende ein packender Spätwestern, der seinen Reiz in erster Linie aus der Konfrontation der so unterschiedlichen Charaktere und ihren konträren Ansichten über das Zusammenleben der Völker bezieht.

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                                      • 6
                                        über Lola

                                        Das philippinische Drama „Lola“ unter der Regie von Brillante Mendoza (Kinatay, Captive) gewährt einen intimen Einblick in das von Armut und Kriminalität geprägte Leben Manilas und wartet neben einigen atmosphärischen Aufnahmen auch mit einer eindringlichen Versöhnungsbotschaft auf.

                                        Die gemeinsam mit ihrer Familie in einem Slum in Manila lebende Lola Sepa (Anita Linda) ist untröstlich, als ihr Enkel bei einer Auseinandersetzung mit dem Taschendieb Mateo (Ketchup Eusebio) getötet wird. Fortan setzt die alte Dame alles daran, um das nötige Geld für die Beerdigung aufzutreiben. Da begegnet sie auf dem Polizeirevier erstmals Lola Puring (Rustica Carpio), der Großmutter des Mörders, die wiederum alles versucht, um ihren Enkel aus dem Gefängnis zu bekommen…

                                        „Lola“ erzählt in dokumentarisch wirkenden Bildern vom Alltagsleben zweier alter Frauen, die jeden Tag um ein würdiges Dasein im Dauerregen der philippinischen Hauptstadt kämpfen müssen und sich dabei mit extremer Geldnot und lästigen Behördengängen herumschlagen. Dabei legt Mendozas Drama von Beginn an ein sehr gemächliches Tempo vor. Gerade so, als wolle er den Handlungsfortschritt den langsamen Schritten der beiden Großmütter anpassen.

                                        Wer sich auf dieses langsame Tempo einlassen kann, bekommt eine durchaus berührende Milieustudie zu sehen, in der Begriffe wie Recht und Gerechtigkeit, Vergebung und Schuld im Angesicht bitterer Armut neu gedacht werden müssen. Besonders hervorzuheben sind zudem die starken Leistungen der beiden Hauptdarstellerinnen, in deren vom Leben gezeichneten Gesichtern sich die ganze Last der Welt widerzuspiegeln scheint.

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                                        • 7

                                          Mit „Die Caine war ihr Schicksal“ schuf Regisseur Edward Dmytryk (Der Berg der Versuchung, Die 27. Etage) ein abwechslungsreiches Kriegsdrama nach dem preisgekrönten Roman Herman Wouks, das sich auf intensive Weise mit moralischen und psychologischen Konflikten im Angesicht größter Not auseinandersetzt.

                                          1943: Der junge Willie Keith (Robert Francis) ist sehr enttäuscht, als er nach seinem erfolgreichen Abschluss an der Marineakademie statt auf eines der großen Kriegsschiffe auf den heruntergekommenen Minensuchzerstörer USS Caine abkommandiert wird. Hinzu kommt, dass der Neuling immer wieder mit dem befehlshabenden Commander DeVriess (Tom Tully) aneinandergerät, der wenig Wert auf Disziplin und Ordnung zu legen scheint. Umso glücklicher ist Willie, als DeVriess von Lt. Commander Queeg (Humphrey Bogart) abgelöst wird, der von Beginn an ein sehr hartes Regiment führt. Schon bald nach Queegs Übernahme befällt die Männer an Bord der Caine jedoch ein furchtbarer Verdacht…

                                          „Die Caine war ihr Schicksal“ gehört zu jener Sorte Film, die recht geradlinig ihre Geschichte vorantreiben und sich dennoch lange Zeit über kaum in die Karten gucken lassen. So vergeht etwa eine ganze Weile, ehe der von Bogart verkörperte Kapitän, der fortan zur zentralen Figur der Handlung werden wird, überhaupt das erste Mal auf der Bildfläche erscheint. Entsprechend bleibt bis zur Mitte des Films unklar, wohin genau die Reise gehen wird, zumal im letzten Drittel noch einmal neue Charaktere in den Fokus rücken und auch nochmal ein anderes Genre bedient wird.

                                          Obwohl Dmytryks Werk menschliches Drama, Kriegsaction und auch eine Prise Humor unter einen Hut bringen muss, fällt das Gesamtergebnis doch überraschend stimmig und unterhaltsam aus. Lediglich die reichlich schmalzige Lovestory zwischen Willie und seiner Verlobten (May Wynn) bremst das Geschehen einige Mal aus und ist für die Haupthandlung letztlich ohne Bedeutung.

                                          Unter den Darstellern sticht derweil besonders Humphrey Bogart in einer für ihn sehr ungewohnten Rolle hervor. Doch auch die weiteren Castmitglieder um Van Johnson (Kampf in den Wolken), Fred MacMurray (Frau ohne Gewissen) und José Ferrer (Der letzte Musketier) zeigen sehr ansprechende Leistungen. Einzig der junge Robert Francis wirkt bei seinem Leinwanddebüt noch etwas profillos.

                                          Trotz dieser kleineren Makel steht jedoch am Ende ein packendes Weltkriegsdrama auf hoher See, das sich anders als es die einleitende Texttafel befürchten lässt, durchaus kritisch mit den Belastungen und der Autoritätshörigkeit in der US-Marine befasst.

                                          Funfact: Der Schauspieler Maurice Joseph Micklewhite jr. hat seinen Künstlernamen in Anlehnung an diesen Film gewählt. Man kennt ihn seither als Michael Caine.

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                                          • 5

                                            „Ein Mann sieht rot“ unter der Regie von Michael Winner (Chatos Land, Kalter Hauch) ist ein seinerzeit kontrovers diskutierter Selbstjustizthriller, der das Subgenre für die breite Masse zugänglich machte und aufgrund seines überraschenden Erfolges an den Kinokassen vier Fortsetzungen nach sich zog.

                                            Während Architekt Paul Kersey (Charles Bronson) für seinen Arbeitgeber ein Immobilienprojekt plant, werden seine Frau Joanna (Hope Lange) und seine Tochter Carol (Kathleen Tolan) nach dem Einkauf von drei Kriminellen überfallen. Frustriert über die nur sehr geringe Beute, zwingen die Männer Carol zum Oralverkehr und treten auf die am Boden liegende Joanna ein. Dabei erleidet diese schwere Kopfverletzungen, an denen sie kurz darauf verstirbt. Kersey hofft darauf, dass die Täter bald gefasst werden, doch die Ermittler machen ihm in dieser Hinsicht wenig Hoffnung. Als einige Zeit später einer seiner Kunden ihm eine Schusswaffe schenkt, zieht Kersey los, um das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen…

                                            Winners Thriller, der als Vorreiter für ähnliche Werke wie etwa „John Wick“ (2014) oder „The Equalizer“ (2014) angesehen werden kann, versteht das schmuddelige und verruchte New York der 70er gekonnt einzufangen und bietet so die passende Atmosphäre für einen düsteren Rachefilm. Statt jedoch auf der erschütternden Überfallszene vom Anfang des Films aufzubauen und den Protagonisten auf einen Feldzug gegen die Peiniger seiner Frau und seiner Tochter zu schicken, versucht Winner zunächst Kerseys Wandel vom überzeugten Pazifisten zum gewaltbereiten Amokläufer zu erklären, was jedoch eher schlecht als recht gelingt. Unglaubwürdig erscheint zudem, dass der zunächst noch als fürsorglicher Familienvater gezeichnete Kersey sich alsbald überhaupt nicht mehr für das Schicksal seiner traumatisierten Tochter interessiert und stattdessen lieber nachts durch New York streift, um Raubüberfälle zu provozieren, bei denen er blutig zurückschlagen kann.

                                            Obgleich diese kleinen Actionszenen über einen gewissen Unterhaltungswert verfügen, sorgt das immergleiche Muster der Überfälle doch speziell in der zweiten Filmhälfte dafür, dass sich „Ein Mann sieht rot“ reichlich monoton und einfallslos anfühlt. Daran vermag auch der insgesamt solide agierende Cast, dem u.a. auch der junge Jeff Goldblum (Jurassic Park) in einer seiner ersten Rollen angehört, wenig zu ändern.

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                                            • 7 .5

                                              Basierend auf John le Carrés gleichnamigen Bestseller schuf Martin Ritt (Der Wildeste unter Tausend, Man nannte ihn Hombre) mit „Der Spion, der aus der Kälte kam“ einen packenden Kalter-Krieg-Thriller, der sich durch eine clevere Story, geschliffene Dialoge sowie hervorragende Schauspielleistungen auszeichnet.

                                              Alec Leamas (Richard Burton) ist als Agent für den britischen Geheimdienst tätig. Von West-Berlin aus koordiniert er alle wichtigen Operationen – sowohl im Westen wie auch im Osten Deutschlands. Schon seit längerer Zeit macht ihm jedoch der Abwehrchef des Staatssicherheitsdienstes, Hans-Dieter Mundt (Peter van Eyck), zu schaffen, der die Pläne der Briten regelmäßig durchkreuzt. Leamas wird daher zum Schein aus dem Geheimdienst entlassen und soll seinen eigenen sozialen Abstieg inszenieren, um sich anschließend von der Gegenseite als vermeintlicher Überläufer anwerben zu lassen. Und tatsächlich scheint Fiedler (Oskar Werner), ein jüdischer Mitarbeiter Mundts, der schon seit längerer Zeit einen Groll gegen seinen Chef hegt, den Köder zu schlucken…

                                              Ritts in stilvollen Schwarzweiß-Bildern gehaltener Thriller lässt den Zuschauer tief eintauchen in die Hochphase des Kalten Krieges, in der sich Geheimdienste aus Ost und West gegenseitig belauerten und einander Fallen stellten, um an wertvolle Informationen zu gelangen. Anders als die zur gleichen Zeit entstandenen Bond-Filme stellt Ritt das Leben als britischer Spion jedoch nicht als actionreiche Vergnügungstour dar, sondern wählt vielmehr einen realitätsnahen Ansatz, der das Dasein als Geheimagent als entbehrungsreiche und freudlose Arbeit zeigt, bei der der Protagonist kaum mehr als eine Schachfigur auf dem Spielfeld der Mächtigen darstellt.

                                              Getragen wird diese fesselnde Geschichtsstunde dabei von einem groß aufspielenden Ensemble, dem in weiteren Rollen u.a. noch Claire Bloom (The King’s Speech), Robert Hardy (Harry Potter Reihe) und Bernard Lee (James Bond Reihe) angehören. Speziell Richard Burton als dem Alkohol verfallender Agent und Oskar Werner als misstrauischer Stasi-Mitarbeiter wissen mit ihrem nuancierten Spiel zu begeistern.

                                              Angesichts dieser Vorzüge verzeiht man Ritts Thriller auch das etwas holprig inszenierte Finale, zumal dieses dennoch emotional zu berühren weiß.

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                                              • 5

                                                Der von Sydney Pollack (Die drei Tage des Condor, Die Firma) inszenierte „Mit eisernen Fäusten“ ist ein recht ereignisarmer Western mit komödiantischem Einschlag, der sich eher halbherzig mit Themen wie Gewalt und Rassismus auseinandersetzt.

                                                Der Trapper Joe Bass (Burt Lancaster) wird auf seinem Weg zum Pelzhändler von Kiowas überfallen, die ihm seine Felle rauben und ihm dafür im Gegenzug den schwarzen Sklaven Joseph Lee (Ossie Davis) überlassen. Gemeinsam nehmen die beiden ungleichen Männer die Verfolgung der Indianer auf, die wiederum jedoch von einer Bande von Skalpjägern um den skrupellosen Jim Howie (Telly Savalas) und dessen Geliebte Kate (Shelley Winters) überfallen werden. Fortan heften sich Joe Bass und sein Sklave Howies Bande an die Fersen…

                                                „Mit eisernen Fäusten“ ist ein in seiner Tonalität sehr wechselhafter Western, in dem sich dramatische und ulkige Szenen gegenseitig ablösen. Die meisten der humorigen Ideen werden jedoch viel zu sehr in die Länge gezogen, sodass etwa der Kampf der beiden Protagonisten in einem Schlammloch oder der Anblick eines in rosa Unterwäsche umherlaufenden Telly Savalas beim Zuschauer alsbald eher Gähnen statt Lachen hervorruft.

                                                Ohnehin geschieht in Pollacks Western abseits der heiteren Wortgefechte viel zu wenig, um die fast zweistündige Laufzeit zu rechtfertigen, zumal auch die Antirassismus-Botschaft angesichts der Beleidigungen, die sich Herr und Sklave an den Kopf werfen, nur phasenweise durchblitzt. So können weder der überzeugende Cast noch die schönen Prärieaufnahmen darüber hinwegtäuschen, dass „Mit eisernen Fäusten“ letztlich nur ein mittelmäßiger Beitrag zum sich seinerzeit im Umbruch befindenden Westerngenre geworden ist.

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                                                  Kenduskeag 27.06.2023, 09:37 Geändert 27.06.2023, 09:38

                                                  Schon viele Jahre bevor er seinen wohl berühmtesten Roman „Jurassic Park“ schrieb, hatte Autor und Regisseur Michael Crichton (Coma, Der große Eisenbahnraub) die Idee zu einem futuristischen Freizeitpark, der außer Kontrolle gerät. So entstand das Drehbuch zum SciFi-Western „Westworld“ mit dem Crichton 1973 sein Kinodebüt feierte.

                                                  Die beiden Freunde Peter (Richard Benjamin) und John (James Brolin) befinden sich auf dem Weg in den aus drei Themenwelten bestehenden Vergnügungspark ‚Delos‘, wo Besucher wahlweise in die Zeit des antiken Rom, des europäischen Mittelalters oder des Wilden Westens eintauchen können. Peter und John entscheiden sich für den Wilden Westen, der von zahlreichen Androiden bevölkert wird, mit denen die Gäste auf jede erdenkliche Art interagieren können. Als es jedoch aufgrund eines Systemfehlers zu diversen Fehlfunktionen bei den Robotern kommt, bricht mit einem Mal Panik und Chaos im Park aus. Speziell ein dunkel gekleideter Revolverheld-Android (Yul Brynner) scheint es auf die beiden Freunde abgesehen zu haben…

                                                  Schon früh im Film offenbaren sich die Parallelen zwischen Crichtons Kinodebüt und seinem späteren Kassenhit über die amoklaufenden Dinos, geht es doch in beiden Fällen um die Kritik an profitgierigen Unternehmen, die ihre eigenen Schöpfungen nicht kontrollieren können und damit Menschenleben aufs Spiel setzen. Die Ausgangsidee ist dabei derart visionär, dass sie den mit einer Laufzeit von weniger als 90 Min. ohnehin recht kurz gehaltenen Film locker trägt und über die mitunter etwas holprige Dramaturgie sowie ein paar wenige schwach geschriebene Dialoge hinwegsehen lässt.

                                                  Das ganz große Spektakel sollten moderne Zuschauer allerdings nicht erwarten, stand Crichton seinerzeit doch nur ein vergleichsweise schmales Budget zur Verfügung, weshalb die drei Themenwelten in diesem Film nicht die gewaltigen Dimensionen des Dinoparks erreichen und sich „Westworld“ über weite Strecken auf die fesselnde Verfolgungsjagd mit dem von Yul Brynner gespielten Androiden konzentriert.

                                                  Brynners stoische Performance, welche später Arnold Schwarzenegger als Inspiration für seine Darstellung des T-800 dienen sollte, bildet dann auch das schauspielerische Highlight des Films, während Richard Benjamin und James Brolin als Protagonistenduo eher ein wenig blass bleiben und auch der restliche Cast nur selten Akzente setzen kann.

                                                  Als besonders lobenswert erweisen sich indes die für die damalige Zeit innovativen Spezialeffekte, die auch heute noch zu überzeugen wissen. Diese in Kombination mit einer Prise Action sowie den spannenden gesellschaftskritischen Ansätzen sorgen dafür, dass Crichtons SciFi-Western auch Jahrzehnte nach seinem Erscheinen nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat.

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                                                    Regisseur George A. Romero (Night of the Living Dead, Dawn of the Dead) wird heutzutage hauptsächlich mit seinen Zombiefilmen in Verbindung gebracht, weshalb seinen anderen Werken vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt wird. Zu diesen weiteren Werken zählt auch das düstere Psychodrama „Martin“, welches Elemente des Serienkillerfilms mit dem Vampirmythos verbindet.

                                                    Der junge Martin (John Amplas) hat verstörende Neigungen. Diesen gibt er sich hin, indem er attraktive Frauen betäubt, um anschließend sexuelle Handlungen an ihnen vorzunehmen, ihnen die Pulsadern aufzuschneiden, ihr Blut zu trinken und sie schließlich sterbend zurückzulassen. Auch auf der Zugfahrt nach Pittsburgh, wo er bei seinem alten Verwandten Tateh Cuda (Lincoln Maazel) unterkommen soll, sucht er sich ein weiteres Opfer. Der streng religiöse Cuda, der allein mit seiner Enkelin Christina (Christine Forrest) in einem ärmlichen Vorort wohnt, glaubt an einen uralten Familienfluch und hält Martin für einen Vampir, den er mit Kruzifixen und Knoblauch in Schach halten will. Martin macht unterdessen Bekanntschaft mit der Hausfrau Mrs. Santini (Elayne Nadeau), die sich ebenso allein und deprimiert fühlt wie er…

                                                    Romeros Film ist ein über weite Strecken eher ruhig angelegtes Charakterporträt, enthält jedoch auch ein paar blutige Gewaltspitzen und Schockmomente. Auf nähere Erläuterungen zum Hintergrund der Hauptfigur wird dabei überraschenderweise nahezu vollständig verzichtet, sodass der Zuschauer weder genauere Informationen zu Martins Familie noch zu den Anfängen seiner erschreckenden Aktivitäten bekommt. Lediglich einige eingeschobene Schwarzweiß-Szenen deuten eine größere Hintergrundgeschichte an, doch wird bei diesen nicht ganz klar, ob es sich um Erinnerungen oder bloße Fantasien des Protagonisten handelt.

                                                    Zu den großen Stärken des Films zählen neben seinem ungewöhnlichen Umgang mit dem Vampirmythos vor allem die rohe 70er Atmosphäre, spielt sich ein Großteil der Handlung doch in einem von Armut und Kriminalität geprägten Vorort von Pittsburgh ab, welcher in beinahe dokumentarisch anmutenden Bildern eingefangen wird. Auch enthält "Martin" die für Romero so typischen gesellschaftskritischen Spitzen, welche etwa anhand eines sensationsgeilen Radiomoderators zu Tage treten.

                                                    Ankreiden lässt sich Romeros Werk derweil vor allem der bereits erwähnte Mangel an Hintergrundinformationen. So wird etwa nicht klar, wieviel Cuda über Martins Morde weiß und warum er lange Zeit über nichts dagegen unternimmt. Hinzu kommt, dass auch die Leistungen der Castmitglieder, zu denen u.a. noch der auch für die Effektarbeit zuständige Tom Savini (From Dusk Till Dawn) sowie Romero selbst gehören, eher mittelmäßig ausfallen. Eine Ausnahme stellt dabei lediglich John Amplas dar, welcher in der Rolle des schüchternen Außenseiters auf der Suche nach Zuneigung insgesamt zu überzeugen vermag.

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