lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

  • 5

    Standard-Action zum üblichen Tarif.
    Wenn das Ziel darin bestand „Charlie's Angels“ für eine neue Generation Leben einzuhauchen, dann kann dieser flüchtige Quatsch, zwischen ursprünglicher 70er TV-Detektivserie und vermeintlich modern-feministischer Vision, als gescheitert betrachtet werden. Er ist ein Studio-Blockbuster mit nett anzuschauenden Mädels, in netten Outfits, die sich nett durch den Film prügeln. Dazwischen gibt es launiges Geplänkel, weder frech oder gewagt. Die Charaktere sind dabei nur (sexualisierte) Symbole und nicht als Menschen konstruiert. Lediglich Kristen Stewarts unerwartetes Casting und ihre deutliche Spielfreude verleiht dem Streifen manchmal eine gewisse Frische. Was als ein glamourösen Spaß mit Power-Girls hätte funktionieren können, ist eine mittelprächtige Party, wo es kein Problem ist sie vorzeitig zu verlassen, denn bemerken würde es keiner.
    5 Roundhouse-Kicks.

    19
    • 6 .5
      lieber_tee 24.04.2020, 14:10 Geändert 24.04.2020, 14:13
      über Beast

      Das Monster der Selbstverwirklichung.
      Stilvolle Mischung aus pech-schwarzer Coming-of-age-Story, Serienkiller-Thriller und Aussenseiter-Liebesdrama. „Beast“ ist wie ein fieberhaftes Märchen erzählt, das seine psychosexuellen Schattierungen besonders durch Jessie Buckleys Spiel intensiviert und dadurch eine frische, offene weibliche Perspektive in den dunklen Schrecken von verbotenen Wünschen bring. Die versierte Regie kann die Nischen der menschlichen Seele visuell gut erforschen, spielt gekonnt mit den verschiedenen Genre-Regeln. Erzählt ist das alles aber eher holprig. Die Spannung in der zweiten Hälfte lässt nach, weil die psychologischen Einsichten bzw. Wahrheiten bei weitem nicht so eine verstörende Intensität haben, wie sie der Film propagiert.
      6,5 mal mit dem Feind schlafen.

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      • 6 .5
        lieber_tee 23.04.2020, 13:25 Geändert 23.04.2020, 13:26

        Cast Away mit Ungeheuer.
        "Sweetheart" ist ein erfrischend knackiger Monster-Überlebensfilm aus der Blumhouse-Schmiede, der weiß wie er seine beiden Genre effektiv nutzt und schlichte Geschichte dabei filmisch sauber erzählt. Hauptdarstellerin Kiersey Clemons macht einen großartigen Job, wirkt ebenso verletzlich wie hart. Die Spannung baut sich gut auf und findet eine gelungene Mischung aus Jump-Scares und anhaltenden Schrecken. Allerdings nur weil im Mittelpunkt eine schwarze, starke weibliche Figur steht ist der Film noch lange kein sozialer Kommentar zum Empowerment von schwarzen Frauen, auch wenn das Kritiker gerne in dem Streifen erkennen wollen.
        6,5 mal ins schwarze Loch abtauchen.

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        • 6 .5

          "Die Kälte macht die Sache komplizierter …"
          Die Menschen und das Land sind eingefroren, nicht nur vom Wetter, sondern auch von der Anwesenheit eines Serienkillers. Die Isländische Kulisse von „Valhalla Murders“ spiegelt die Ängste wieder. Der klassischen Tradition einer Krimigeschichte folgend, folgen wir Geheimnis auf Geheimnis und einer klug handelnden Polizistin. Vielleicht hält sich die Show zu oft an den zu bekannten Regeln des Nordic-Thrillers, mit seiner Kälte, Depressivität, Nüchternheit und bereits ähnlich erzählten Storys über Serienmörder und Ermittlerteams mit privaten Problemen. Die komplexe und subtile Kunst, die Regeln des Genres mal zu brechen, beherrscht die Serie nicht. Sie weicht nie von ihrem Weg ab und schreitet klaren Schrittes in ihrer Mördersuche und in einigen Nebenhandlungen voran. Ich mochte diese kristallklare Klarheit, eingebettet in eine eisigen Atmosphäre und wunderschönen nordischen Landschaft.
          6,5 mehrdeutige Beweisstücke.

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          • 5
            lieber_tee 21.04.2020, 16:19 Geändert 15.10.2020, 11:05

            21 Handlungslöcher.
            Der Film gewinnt sicherlich keine Preise für Originalität oder kreative Wendungen. Mit seiner Prämisse Manhattan zu isolieren, um so ein verdichtetes Katz-und Mausspiel zu erschaffen, kann er gar nichts anfangen, vertrödelt stattdessen seine Zeit mit müden Klischees über eine Verschwörung von korrupten Cops. Als altmodischer 90er Jahre Großstadt-Krimi mit guter Besetzung, der wie ein Western erzählt ist, funktioniert er besser. Das Tempo und der Rhythmus sind zwar nicht stimmig, die Actionsequenzen knallen aber gut rein. Leider gehört "21 Bridges" zu der Art von Filmen, die man schon beim Abspann vergessen hat, weil sie kein Alleinstellungsmerkmal besitzen.
            5 mal ordentlich drauflos ballern.

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            • 7

              Sicario 2 auf Koks.
              ZeroZeroZero ist ein wuchtig erzähltes, reines Drogenepos, das deutlich mit dem Stereotypen des Mafia-Films verschnitten wurde. Fachmännisch, aufwändig und bildgewaltig gedreht, begleitet von einem talentierten Schauspieler-Ensemble, wird der mehr-perspektivische Ansatz zwischen Kauf, Handel und Verkauf im Netzwerk des internationalen Kokaingeschäfts betrachtet. Nicht immer entsteht dabei eine dramaturgische Geschlossenheit, manch Folge ist offensichtlich ein Füller. Die unbarmherzige Verzweiflung im kapitalistischen Kampf auf Leben und Tod mündet in ein nihilistisches Finale, das großes Kino ist.
              7 Container voller Konserven.

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              • 6

                Unterwasser hört man dich nicht schreien...
                Irgendwo zwischen „The Descent“ und „Jaws“ angelegter B-Monsterfilm. In dieser Fortsetzung wird der Käfig mit einem von Haien befallenen Maya-Labyrinth ausgetauscht und wirkt dabei wie eine Geisterbahnfahrt unter Wasser. Allerdings sind die Schocks, Action- und Terrorszenen durchweg effektiv abgestimmt, funktionieren tatsächlich, so das, trotz aller Dummheit und kaum vorhanden Charakterzeichnung, der Streifen über weite Phasen angenehm schaurig in seinem klaustrophobischen und panik-orientierten Ansatz ist. Ich mochte den, habe aber auch nicht viel erwartet.
                6 leere Sauerstoffflaschen.

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                • 7
                  lieber_tee 19.04.2020, 11:54 Geändert 24.10.2022, 11:45
                  über Bacurau

                  Orte, die von der Landkarte verschwinden...
                  "Bacurau" führt uns in einen seltsamen und lebendigen Teil einer Welt, die zur Hölle geht. Der Film ist eine mentale Machete, die blutig in den Kopf gehauen wird. Sicherlich ist dieser psychedelische und hyperstilisierte Genre-Hybrid nicht jedermanns Sache. Man weiß nie wohin dieser Streifen geht und als wildes Stück Agitprop, wo David gegen Goliath kämpft, gibt es Längen und (tonale) Ungleichmäßigkeiten. Aber der Film funktioniert als faszinierendes Experiment, als eine krude Parabel über imperialistische Politik und Korruption mit hinterhältigen Sinn für Humor. Seine halluzinatorische Opulenz, sein Mut für trashige Kunst in Breitbild-Format, ist die verdammt passende Methode zu zeigen wie Unterdrückte aufhören höflich zu sein, ihre Menschenwürde zurückholen und wie verwestliche Sehgewohnheiten torpediert werden dürfen.
                  7 Einschusslöcher im Wasserwagen.

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                  • 5

                    Lady Bond.
                    Der Versuch ein neues (weibliches) Action-Franchise zu generieren, wirkt in seiner Dringlichkeit eher wie der Pilot einer mittelmäßigen TV-Serie. Fast schon dreist wird die Grundidee von „Nikita“ geklaut. Die pseudofeministische Ermächtigung muss sich durch einige exotische Orte prügeln, um eine potenziell interessante Erzählung über Rache, den internationalen Terrorismus und bösen Geheimdienst zu erzählen. Einige harte Action-Sequenzen sind gelungen, aber die fadenscheinige Handlung springt von Klischee zu Klischees ins Tal der Banalität. Der Funken will nie so recht überspringen. Das liegt auch an dem mürrischen, irgendwie leer wirkenden, Spiel der Protagonistin, die das Durcheinander emotional nie zusammenhalten kann.
                    5 schlechte Perücken.

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                    • 7 .5
                      lieber_tee 17.04.2020, 13:13 Geändert 17.04.2020, 16:16

                      Widerspenstige Weiblichkeit.
                      Auch in der zweiten Staffel leidet die Hauptfigur auf vergnügliche Weise für den Zuschauer an ihrem verkorksten Leben, es kommen aber mehr hoffnungsvolle Gefühle ins Spiel. In einer Unterhaltungslandschaft, wo herausfordernde weibliche Charaktere selten zu finden sind, ist dieses tragikomische Format eine Besonderheit. Phoebe Waller-Bridge kann feministisch geprägte Dialoge und Situationen erschaffen, die ebenso schmerzhaft, wie selbst-reflexiv, wie humorvoll sind. Selbstbewusst zwischen Süßlichkeit und Bitternis wird nie eine Szene oder Zeile für einen blöden Kalauer verschwendet, einfühlsam bleibt die Serie ihrer erschaffen Figur treu, führt sie nie vor. Denn selbst die unmöglichsten und peinlichsten Momente haben eine menschliche Note, eine sehnsüchtige Süße und innere Melancholie.
                      7,5 Cafés mit Meerschweinchen-Dekor.

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                      • 7 .5
                        lieber_tee 16.04.2020, 16:07 Geändert 16.04.2020, 16:07

                        Wer unten steht, leidet mehr. Die Hierarchie der Not.
                        Solidarität oder Scheiße. Während die Corona-Krise soziale Ungleichheit verdeutlicht und verschärft haut Netflix eine Parabel zu diesem Thema raus. Aus dem dystopischen High-Concept von Cube und Snowpiercer entwickelt Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia eine sardonische Allegorie über die albtraumhafte Manifestation des Klassensystems. „Der Schacht“ ist dabei so ​​subtil wie ein Tritt in den Arsch, aber auch so effektiv. Zwischen galligen Humor der Sinnlosigkeit und tiefer Verzweiflung, garniert mit unappetitlichen Bildern, ist der Diskurs über Individualismus versus Kollektivismus, Kluft zwischen Arm und Reich, universell zu betrachten. Dabei steht weniger eine schneidende politische Kritik im Vordergrund, sondern mehr die Spiegelung der Unmenschlichkeit in kapitalistischen Systemen. Der Film offenbart die monströsen Seiten der Gesellschaft zu Zeiten von Krisen, trotz Hoffnungsschimmer am Ende.
                        7,5 Großpackungen Toilettenpapier hamstern.

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                        • 2

                          Ausgesprochen unterdurchschnittliches Filmemachen...
                          Unfassbar wie scheiße der ist... Zu gleichen Teilen schlecht gespielt, schlecht inszeniert und verzweifelt-schlecht geschrieben, ist dieser Versuch eines Neustarts einer klassischen TV-Serie so misslungen, das einem von ratlosen Kopfschütteln der Nacken schmerzt. Sowohl künstlerisch als auch intellektuell eine Bankrotterklärung. „Fantasy Island“ will Horror-/Action-/Abenteuerfilm, (unfreiwillige) Komödie und Melodram in einem sein. Die hilflose Aneinanderreihung der Genre-Motive, in Verbindung mit einer lächerlichen Seifenoper-Geschichte, die mit unsinnigen Wendungen irgendwie an der Aufmerksamkeit des Zuschauers zerren will, ist so peinlich, dass sie nicht mal als irrer Trash funktioniert. Hier wird Dummheit nur durch Langeweile übertroffen. Mit sirupartige Sentimentalität übergossen und vom moralischen Holzhammer erschlagen kotzt der Zuschauer die Wand an.
                          2 Fehlzündungen für Blumhouse.

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                          • 6
                            lieber_tee 15.04.2020, 11:41 Geändert 09.04.2023, 00:46

                            Sexualität und Superkräfte.
                            Dieses doch sehr nach dem trendigen Markt schielende Mashup aus The End of the Fucking World, Stranger Things und Carrie lädt in seiner Kurzweiligkeit zum Binge-Watching ein. Vertraut, aber auch erfrischend, nimmt sich die erste Staffel Zeit Unzufriedenheit jugendlicher Mädchen zu erforschen, um dann mit übernatürlichen Elementen die Charakterentwicklung voranzutreiben. So wird die Formel der Superhelden-Herkunftsgeschichte als wütendes Coming-of-Age-Garn etwas verdreht und mit grimmigen Humor angereichert. Aber letztlich hat man das alles schon einmal gesehen. Etwas verzweifelt versucht die Show irgendwie anders und angesagt zu sein, bedient aber dann doch nur Klischees. Der Ansatz könnte sich allerdings in einer zweiten Staffel als interessanter erweisen.
                            6 Mobbingopfer.

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                            • 7 .5

                              Schmutzige Version von "Bridget Jones Tagebuch".
                              „Fleabag“ ist ein bösartig-komisches Comedy-Format, mit nuancierten und schneidenden Dialog-Witz. Phoebe Waller-Bridge als trauriger Clown, die zwischen zügelloser Eigennützigkeit und selbst-zermalmenden Zweifel ständig ihr Leben an die Wand fährt, ist eine Wucht. Ihr Kampf gegen Trauer und Verzweiflung, ihre Versuche Einsamkeit mit wahllosen Sex zu kompensieren, haben einen beachtlichen Lebenswillen und eine hilflose Wut. Um so verwunderlicher ist es, das die Serie dabei so amüsant bleibt. Das liegt an der Darstellerin und Autorin, die es immer wieder schafft, das sie ebenso liebenswert wie nervig erscheint und der Zuschauer Sympathie für sie entwickelt, weil sie die offensichtliche Tragik-Komik der Geschehnisse selbst immer zu spät erkennt.
                              7,5 Masturbation-Witze.

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                              • 7
                                lieber_tee 13.04.2020, 11:54 Geändert 13.04.2020, 11:59
                                über Klaus

                                Der wahre Geist vom heiligen Abend...
                                „Klaus“ fängt das altmodische Weihnachtswunder in der altmodischen Pracht einer traditionellen Animation ein. Der hochkarätige visuelle Stil ist schön retro, wird mit einigen digitalen Zaubereien ergänzt. Dabei fällt die Geschichte und der Humor nicht so flach aus wie in vergleichbaren Produktionen. Für alle Altersgruppen geeignet, gibt es sarkastische Witze, die mit losen Gags und Slapstick-Humor an anderer Stelle ausgeglichen werden. Die typischen Christmas-Klischees werden clever durcheinander gerüttelt, die Mythologie ironisch hinterfragt, um nicht zu sentimental zu erscheinen. Die Ideen des Gebens, der Freundlichkeit und Großzügigkeit bleiben aber erhalten.
                                7 zurückgezogen lebende Spielzeughersteller.

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                                  lieber_tee 12.04.2020, 12:27 Geändert 12.04.2020, 19:32

                                  Spionagethriller für die # MeToo-Ära.
                                  Phoebe Waller-Bridge, bekannt für das Schreiben und die Hauptrolle in der großartigen Dark-Comedy-Serie "Fleabag", adaptiert die Bücher von Luke Jennings zunächst mit skurrilen Humor und untergräbt somit süffisant die Motive des typisch-männlichen Agenten-Genres. Sie stellt zwei außergewöhnliche Frauen in den Mittelpunkt. Das schwarz-humorige Katz-und-Maus-Spiel zwischen einer Bürokrat-Geheimagentin und Jet-Set-Auftragsmörderin ist von der gegenseitigen Faszination dieser Figuren angetrieben und wird zu einem psychosexuellen Krimi, der zusehend immer düsterer wird.
                                  7 beiläufige Morde.

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                                  • 11
                                    • 4 .5

                                      Geister als Ablenkung.
                                      Der Wunsch des Filmemachers Chad Archibald hier ein Mash-up aus trostlos-melancholischer Charakterstudie, Horrorfilm und Home - Invasion-Flick zu generieren funktioniert als Summe seiner Teile nicht. Die einzelnen Komponenten behindern sich ungeschickt gegenseitig und die rachsüchtigen Gangstergeister sind eine selten dämliche Idee, die den Film nur noch ins Lächerliche driften lassen.
                                      4,5 untergehende Sonnen.
                                      (Die deutsche Synchronisation meiden, sie ist unter aller Sau)

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                                      • 6 .5

                                        New York Negro Neurose...
                                        Spike Lees Frühwerk über einen exzentrischen Freigeist, ist eine weibliche Emanzipationsgeschichte, die in ihrer vergnüglichen und selbst-beobachtenden Art an Woody Allen-Klassiker erinnert. Sie gehört zu den ersten Vertretern des „New Black Cinemas“ und spielt ebenso schroff wie locker-sprunghaft mit verschiedensten Stilmitteln. Das vordergründiger Flippige trifft auf hintergründigen Humor, wirft einen Blick auf die moderne Sexualität in einer urbanen Männer- und Frauenwelt. Seltsam krude Ideen werden mit seltsamer Leichtigkeit serviert, nicht widerspruchsfrei, aber immer mit ernsthaften Schalk.
                                        6,5 mal den Wachs abkratzen.

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                                        • 7 .5

                                          Wo Träume ihrer eigenen Logik folgen...
                                          "Undone" ist die Geschichte über eine Frau, die gelangweilt von ihrem Alltagsleben einen emotionalen Zusammenbruch erfährt, der so schwerwiegend ist, dass die Realität für sie aus den Fugen gerät und wie ein Trip wirkt, der sie quer durch Raum und Zeit stolpern lässt, aber zugleich eine Reise der Selbstbestimmung ist. Mit humorvollem und präzisem Storytelling wird die rotoskopierte Welt zu einem Spiegel ihrer Wirklichkeit, wo die mentale Gesundheit bzw. Krankheit der Protagonistin fließend zu einem bewusstseinserweiternden Abenteuer wird. Ob dies ein fantastisches Motiv im Rahmen einer Zeitreise, oder als Darstellung von Schizophrenie zu verstehen ist, kann der Zuschauer selbst entscheiden. Aber es ermöglicht „Ver-rückt-sein“ als eine Welt zu zeigen, wie sie psychisch kranke Menschen erleben. Und die ist ebenso zärtlich wie bissig, voller Charaktere mit fehlerhaften Widersprüchen, die sich sehr herzlich und menschlich anfühlen.
                                          7,5 Pillen gegen Schizophrenie.

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                                          • 7
                                            lieber_tee 08.04.2020, 17:08 Geändert 15.04.2020, 01:44

                                            Kreuzenden Loyalitäten.
                                            Das Motiv des gerechten älteren Bruders und des jüngeren Verbrechers (manchmal auch umgekehrt) steht im Mittelpunkt der Serie. Es bestimmt die Dynamik und unvorhersehbaren Wendungen, verbindet zwei sehr unterschiedliche Kulturen miteinander. Der ständige Wechsel, von Tokio nach London und zurück, bietet eine kontrastreiche Kulisse. Auch der Tonfall ist dabei bewusst unterschiedlich gehalten. Er balanciert mutig zwischen emotional-pathetisch, knarzig-herb, mal blutgetränkt grausam, findet dann überraschend einen ironischen Sinn für Humor. Unvorbereitet befindet sich der Zuschauer in einem Familiendrama, dann Polizeikrimi und Gangsterepos, oder alles verschmilzt in ausufernden Randgeschichten zu eine Coming-of-Age-Story. Mal wird der Bildschirm geteilt, mal gibt es Zeichentrick-Animation im Stil einer Graphic Novel, um dann in einer Performance zu kumulieren. Das ist nicht frei von Längen, oft verwirrend, auch unfokussiert, aber die dreiste Unberechenbarkeit bleibt immer bewegend und originell.
                                            7 mal auf dem Dach tanzen.

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                                            • 4 .5

                                              Killerhunde und eine Machete.
                                              So schön-nostalgisch auch die Ästhetik den grobkörnigen, urbanen Schmutz einfängt, so kraftvoll manch Moment auch ist, der Versuch hier einen rüden Thriller zu erzählen erstickt oft in seinen vulgären Klischees und arg konstruierten Story. Das Amnesiethema für einen Großstadtkrimi mit zwielichtigen Gestalten zu nutzen ist im Prinzip eine spannende Idee, nur synthetisiert Regisseur Malik Bader seine offensichtlichen 70er und 80er Einflüsse nie zu etwas Innovatives. Zu lang, zu vorhersehbar, zu sehr wird die Glaubwürdigkeit auf Schritt und Tritt strapaziert. „Killerman“ ist ein von Männern für Männer gemachter B-Streifen, die sich nach männlich-veralteten Filmen sehnen. Also gibt es für den Zuschauer verzerrtes Alpha-Gehabe, coole Menschenfeindlichkeit und Tussies, die mal ordentlich durchgevögelt werden müssen.
                                              4,5 Männer in der Krise.

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                                              • 7
                                                lieber_tee 07.04.2020, 11:31 Geändert 16.04.2020, 20:57

                                                Metaphysisches Spaghetti-Gericht.
                                                Italo-Western-Fans, die mysteriöse Männer erwarten, die gegen mythische Landschaften ballern, werden von diesem langsam getakten, trostlosen Streifen enttäuscht sein. Dabei gehört „Verdammt“ (nicht nur stilistisch) sicherlich zu den besten Fulci-Filmen, die der Meister gemacht hat. Er fängt die bittere Gnadenlosigkeit des Landes in melancholischen Bilden ein, kaut auf grausigen Exzessen herum, schluckt die Seelen seiner Männer und spuckt dabei kaum Hoffnung aus. Die Odyssee der apokalyptischen Reiter wirkt wie ein giftiger Hippie-Film unter LSD, ist ein episodischer Trip ins jüngste Gericht. Die ruhige Gangart muss allerdings akzeptiert werden.
                                                7 Fetzen Fleisch aus dem Körper eines Mannes schneiden.

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                                                • 7

                                                  Mama ist die Beste!
                                                  Ein überraschend ambivalenter Blick auf (konservative) Weiblichkeit, Mütterlichkeit und Machtmissbrauch, wenn auch nicht frei von Rollenstereotypen. "I Am Mother" ist von Skepsis gegenüber (künstlichen) Autoritäten geprägt, eine emanzipatorische Coming of age Geschichte, die sich zu einem interessanten soziale Kommentar über Mutterschaft als patriarchales Konzept entwickelt, erzählt als visuell imponierender, clever konstruierter und präzise gespielter Indie-SF-Film. Die ebenso einfache wie faszinierende Prämisse wird wie in besten Black-Mirror-Zeiten mit überraschenden Enthüllungen garniert und wartet mit einem herausfordernden moralischem Ende auf. Stark.
                                                  7 Helikopter-Mamas.

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                                                  • 4

                                                    Pilzmenschen und Miniaturfeen.
                                                    War der erste Film eine alternative Betrachtung des klassischen Gut gegen Böse – Motivs in Märchen aus latent feministischer Sicht, ist die Fortsetzung nur noch ein lärmender Moral-Hammer, so unoriginell wie eintönig. Dem klassischen Aufbau mit Helden und Schurken folgend, schwelgt der Film in fotorealistischen Bildern, voller bunter Kreaturen und endlosen Kriegssequenzen zwischen Feen und Menschen. Die Subtexte wie vergiftete Machtstrukturen, Feminismus und Rassismus werden besonders im letzten Drittel erbarmungslos aufdringlich ins Gewissen des Zuschauers gekeult, ohne Rücksicht auf Verluste. Der Film erblödet sich sogar deutliche Bezüge zum Genozid, inklusive Vergasung, in ein poppiges Märchen zu integrieren.
                                                    „Maleficent 2“ ist wie so viele Disney-Filme. Sieht hübsch aus, ist garantiert überraschungsfrei und immer narrativ klischeehaft. Eine kommerzielle Kalkulation mit CGI-Magie.
                                                    4 vergrößerte Wangenknochen.

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