lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

  • 8
    • 5

      Millionenschwere Fanfiction.
      In seinem Bestreben niemanden beleidigen zu wollen, ist „The Rise Of Skywalker“ eine Beleidigung geworden. Nein, das liegt definitiv nicht daran das Rian Johnson den vorherigen Teil verhunzt hat und J.J. Abrams kaum eine Chance hatte diesen Scherbenhaufen sauber zusammen zu fegen. Nein, es liegt daran, das er wie eine Spotify-Hitliste der besten Songs der letzten Jahre daher kommt und nur eine faule Geschichte generiert, die mit dem Holzhammer durch sein Skywalker-Familien-Stammbaum ackert. Das "Finale" ist auf die schlimmste Art und Weise eine Anbiederung an die durch den vorherigen Teil verstörten Fans, aber so ein angepasstes Spektakel wollen sie nun auch wieder nicht sehen...
      Mit Lichtgeschwindigkeit wird zur sicheren Landung des popkulturellen Raumschiffes angesetzt und letztlich die Reihe damit in den Treibsand gesetzt. Besonders der dritten Akt ist vom Storytelling eine Zumutung, wenn nicht schon eine Frechheit. Wie im Kasperletheater werden ständig (ob tot oder nicht) beliebte Figuren der Saga aus den Hut gezaubert, damit sie ihren Wiedererkennungsauftritt haben. Emotionale Resonanz entsteht dabei kaum noch (im Kino haben die Zuschauer über diesen unfreiwillig komischen Krampf nur noch gelacht). Die gewünschte Endgame-Katharsis, auf die Disney und Abrams sich verlassen haben, geht mangels Risiko baden.
      Ohne Frage ist der Film eine spektakuläre Space Opera, mit aufwendigen Fantasiewelten, wuchtigen Bildern und Spezialeffekten. Manch Nostalgiker, der diese Merchandising-Romantik noch nicht satt hat, wird auf seine Kosten kommen. Was Neues oder Aufregendes bietet Star Wars 9 aber nicht. Es ist schon eine Kunst, trotz der immensen Möglichkeiten die diese weit entfernten Galaxien bieten, mit so wenig Kreativität und Originalität nur an die bekannte Nebentür zu klopfen...
      Jetzt werden wahrscheinlich jahrelang auf der Disney+ verschiedene Serien-Konzepte ausprobiert, um dann einen Kinofilm zu drehen, der den Fans wieder nur in den Arsch kriecht.
      5 mal durch das Museum der Popkultur mit dem Millennium Falcon fliegen...

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      • 7
        über Sunset

        Lüften wir den Schleier... (oder eben nicht).
        Das wirre (politische) Treiben zwischen Österreich und Ungarn, zwischen Aristokratie und Pöbel, die Lebendigkeit von Budapest vor dem Ersten Weltkrieg, bleiben in „Sunset“ immer unscharf, spiegelt aber die Gefühlswelt der Protagonistin. Wirklich schlau wird der Zuschauer aus ihr und den gezeigten Geschehnissen aber nie. Der suggestiv-impressionistische Film-Ansatz des Autors und Filmmachers László Nemes, in langen, sehr langen, Kamerasequenzen der Hauptdarstellerin hautnah auf die Pelle zu rücken, ist gewöhnungsbedürftiges Arthouse-Kino, wo einem die Hutschnur platzen kann, bei all dieser gewollten Kunstfertigkeit und artifiziellen Gewähltheit. Ebenso unerbittlich, wie undurchsichtig, wie entschlossen entsteht ein Sog, einer Reise in das Herz der Dunkelheit. Nichts wird ausformuliert, besonders in den Dialogen, die oft unbeantwortet bleiben, mit bedeutungsvollen Aussparungen gefüllt werden. Die Inszenierung ist dagegen auf den Punkt präzise, fast schon akribisch. Kunstvoll arrangiert rauschen wir durch eine absurd-chaotische Handlung und Zeit, tauchen in (feministische) Konflikte ein, die kryptisch wirken und keine befriedigende Lösung bieten. Das ist ebenso faszinierend wie nervig. Dabei steigt in den fast zweieinhalb Stunden die Intensität, je nach dem wie viel Engagement man in diesen Film stecken will.
        7 missbrauchte Hutmacherinnen.

        11
        • 4

          Dünne Figuren, dünnere Satire ...
          „Ready or Not“ weiss nicht, was es sein will. Unfokussiert nutzen die Regisseure Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett die Grundidee eines Kinderspiels für eine tödliche Menschenjagd. Aber sie können sich nie entscheiden welche Art von Film sie machen wollen. Nie wirklich bösartig-witzig, noch beängstigend genug, werden die klassische Genre-Tropen bedient, um einen blutgetränkten Abzählreim zu erzeugen. Das makaber-satirische Fest bleibt aber nur ein lahmer Versuch Reiche zu kritisieren.
          4 platzende Arschlöcher.

          23
          • 4

            Den hab ich bereits vergessen, bevor er vorbei war...
            Regel Nr. 1: Die meisten Fortsetzungen sind schwächer als ihr Original. Während sich das erste „Zombieland“ 2009 noch frisch und spritzig anfühlte, wirkt dieser (viel zu späte) Nachgang seltsam schlicht und distanziert mit seinem müden satirisch-selbstreferenziellen Zeigefinger. Sicherlich ist der zweite Teil immer noch streckenweise amüsant, da er aber exakt dieselbe Gebote seines Vorgängers strapaziert, schmecken die meisten Witze und schlampig erzählten Pointen abgestanden wie eine lauwarme Blut-Suppe. Als ob man eine Zusammenstellung von ungenutzten Szenen ansieht, die für den Originalfilm verworfen wurden. Dazu kommt der teilweise echt erbärmliche Retro-Humor, der sich über Pazifismus (Endzeithippies, lieb aber doof) und Frauen (Blondienchen, lieb aber doof) lustig macht, Waffen geil findet und seinen ach so lustigen Sarkasmus mit matschiger CGI-Gewalt auffüllt. Fertig ist eine Feelgood-Sitcom über eine dysfunktionale-Familie mit Untoten als Kanonenfutter, deren einzige Existenz ist, den offensichtlichen finanziellen Anreiz der Beteiligten zu befriedigen.
            4 Homers.

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            • 7 .5
              lieber_tee 17.12.2019, 19:54 Geändert 17.12.2019, 20:50

              Krank, aber grossartig.
              Zwei Stunden und 40 Minuten, ohne Eile, brennt der Film brutal-langsam und fies seine Versatzstücke des Cop-Thrillers ab und driftet in einen unvermeidlichen Abgrund. „Dragged Across Concrete“ ist ein Film ohne Helden. Seine amoralische Geschichte handelt von Menschen die sich als unterbewertete Opfer der neuen Zeit sehen. In ihrer Welt, wo Rassismus und vergiftende Männlichkeit herrscht, wo dekorative Frauen erniedrigt und zerstört werden, kennen sie nur nihilistische Witze und sprachliche Pyrotechnik, um mürrisch die Unmoral abzufeiern. Das ist ebenso anmassend, wie ausbeuterisch, wie clever. Regisseur und Autor Zahler lehnte es bislang ab seine Ideen und insbesondere seine politischen Ansichten zu diskutieren. Er überlässt es dem Publikum selbst herauszufinden ob dies reaktionäre Pisse, oder eine unangenehme, satirisch-grimmige Charakteruntersuchung über weisse, toxische Männer ist.
              Ich hab mich für letzteres entschieden...
              7,5 mal hinterm Auto verbluten.

              38
              • 7 .5

                Blau, Rot und Gelb.
                „Messer im Herz“ ist ein Thriller mit Liebeskummer, der in der schwulen Pornoindustrie der späten 70er Jahre in Paris angesiedelt ist. Wie bei einem guten Giallo ist hier die fiebrige Stimmung wichtiger als die logische Handlung oder Charakterentwicklung. Sowohl bösartig als auch fröhlich, ebenso nostalgisch wie ausgesprochen zeitgemäß, wird zwischen Kunst und Kitsch launisch Schmuddel-Kino zelebriert und die dunkle Seite des Verlangens erforscht. Farbenfroh taucht Filmemacher Yann Gonzalez in queeren Horror, eingebettet in eine avantgardistische Retro-Ästhetik. Ständig werden die Genre-Einflüsse untergraben, um etwas eigenes zu erschaffen. Das ist Postmoderne vom Feinsten.
                7,5 Dildos mit Schnappklinge.

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                • 7 .5

                  Klein, aber gefährlich.
                  Zwischen kreischender Verzweiflung, zuschlagenden Wutmanagement und dem Wunsch bei der überforderten Mama zu Hause zu leben zerreibt sich die 9 Jährige Protagonistin und das Jugendhilfe-System. Sehr weit von ausbeuterischer Elendspornografie entfernt, nicht nach kathartischen oder psychologischen Lösungen suchend, nicht predigend, ohne Schuldzuweisungen, wirft Filmmacherin Nora Fingscheidt in ihrem saustarken Debüt einen sorgfältigen und komplexen Blick auf ein junges Aggro-Mädchen, das dringend etwas braucht, was ihr die Erwachsenen nicht geben können. Und der Zuschauer muss mit dieser Hilflosig- und Ratlosigkeit aller Parteien leben. Diese schmerzhaft-offene und dennoch mitfühlende Auseinandersetzung mit einer wütenden Kindheit hat trotz aller emotionaler Grausamkeiten eine gewisse Leichtigkeit und ist so angenehm fern deutschem Betroffenheitskinos.
                  7,5 mal das Baby nicht hergeben wollen.

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                  • 2 .5
                    lieber_tee 15.12.2019, 14:02 Geändert 15.12.2019, 15:21

                    Pornofiziertes Unfallkino, ohne cineastische Rettungsgasse.
                    Bay bumst uns wieder... Wenn er aufgeblasen nach Zahlen malt und mit 1000 Schnitten pro Sekunde durch den Streifen fegt, dann nennt das Netflix stolz „kreative Freiheit“. So darf BumBum seinen zynisch-ironisierten Menschenhass ausleben und ihn in ein, zugegeben beeindruckendes, Actionkorsett pressen. Der Betrachter torkelt orientierungslos durch das erzählerische und visuelle Chaos. Für manch einem ist dieses brachiale Kino faszinierende Filmkunst, postmoderner, auteurhafter Wahnsinn. Ich kann dagegen wenig mit diesem nach Exzess schreiende Psychopathen-Kino anfangen. Bay`s x-mal gesehener Waffen-, Militär-, Auto- und Reizwäsche-Fetischismus anzuschauen ist nur noch schrecklich öde. Sein penetrantes Product-Placement nervt peinlich, seine Kunst-, Frauen- und Fremdenfeindlichkeit ist ärgerlich und unangenehm.
                    „6 Undergrund“ ist Bayhem ungefiltert. Ein Brandstifter des widerwärtigen Films. Aber es gibt halt Leute, die sich diesen rattengiftigen Cocktail mit bunten Sonnenschirmchen gerne schön saufen, die ihr Geschmack und Hirn stolz beim Streaminganbieter abgegeben. Prost auf diese Gülle, sie brummt so schön laut im Schädel, da man ja sonst nix mehr merkt.
                    2,5 Nonnen in Italien fast umfahren (hohoho).

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                    • 6 .5
                      lieber_tee 24.11.2019, 21:54 Geändert 24.11.2019, 23:46

                      Mal ordentlich Backpfeifen verteilen...
                      "The Gangster, the Cop, the Devil" ist ein straff erzählter und schnittig inszenierter Thriller, der sich trotz seines nihilistischen und brutalen Grundtons nie zu ernst nimmt. Subtil ist hier ein Fremdwort, voll in die Fresse (im wahrsten Sinnes des Wortes) heißt die Devise. Die zahlreichen, testosterongesteuerten Szenen bedienen dabei das bekannte Œuvre des südkoreanischen Actionfilms. Ein Volltreffer ist Ma Dong-Seok, ein Art asiatischer Bud Spencer, der mit seinem voluminösen Körperbau den unantastbaren Mafioso charismatisch und selbstsicher verkörpert. Das der Film aber keinen so richtig bleibenden Eindruck hinterlässt liegt an seinem arg simplifizierten Skript. Die Figuren bleiben alle Genre-Stereotypen, die nur die Funktion haben den Plot voranzutreiben. Die durchscheinenden Themen, wie der Zusammenhang von Gerechtigkeit und Rache, oder die dadurch entstehenden Graubereiche zwischen Gut und Böse, erreichen nie eine nennenswerte Tiefe, der Film holzt sich durch sein flottes Tempo. Anspruchsvoll ist das nie, gut wegzuschauen schon.
                      6,5 Zähne heraus brechen.

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                      • 4
                        lieber_tee 24.11.2019, 16:45 Geändert 24.11.2019, 16:53

                        Splatterfun, geh du voran...
                        Tony D'Aquinos Debütfilm will ein unkonventionelles Katz und Maus – Spiel ums Überleben sein. Seine bekannten Backwood-Slasher-Motive werden in den geschlechtsspezifischen Klischees untergraben um die wahre Bosheit in den Menschen zu suchen... Leider verschwenden die Furien ihr Potenzial, weil sie auf eine allzu vertraute Abfolge von Ereignissen vertrauen, die zig ähnlich gelagerte Horrorstreifen schon erzählt haben. So wirkt die ganze Chose auf dem Papier cleverer als sie letztlich ist und befriedigt lediglich nur die Gore-Hounds mit hausgemachter Blutwurst aus dem Hinterland.
                        4 Augen auslöffeln.

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                        • 5
                          lieber_tee 16.11.2019, 16:53 Geändert 16.11.2019, 16:55

                          Chucky 2.0.
                          Bemüht zeitgenössische Neuinterpretation des Horrorklassikers von 1988, wo jetzt die Teufelspuppe zu einer KI mit kaputten Schaltkreisen mutieren darf. Diese unbeholfene Mischung aus Nostalgie, Alexa-Troll und fies-grimmigen Splatterfun kann sich nie entscheiden ob sie technik-kritisch, gesellschafts-satirisch oder einfach nur dämlich sein will. Letztlich gewinnen die konventionellen Slasher-Moves, deren infantilisierten Bösartigkeiten fast schon absurd wirken. Vielleicht wäre es besser gewesen den Film als eigenständiges Werk zu verkaufen, so hat das Teil wenig Nährwert.
                          5 mal den Stecker ziehen.

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                            lieber_tee 03.11.2019, 21:53 Geändert 03.11.2019, 23:28

                            Im letzten Herbst der Kindheit...
                            Wenn Alvin Schwartzs Bücher die Grusel-Folklore als gut bekömmliche Anthologie präsentierten, so ist die Verfilmung der entsprechender Fan-Service. Die PG-13 Lagerfeuer-Geschichten bieten allerdings nichts Originelles, bleiben brav ihrem Ausgangsmaterial treu. Narrativ skizzenhaft, flach in seinem politischen Bezug (Vietnamkrieg), wird die Versinnbildlichung von Ur-Ängsten zu einer episodischen Kleinstadt-Spukshow, die sich offensichtlich im "It" und "Stranger Things" Fahrwasser bewegt. Nie wirklich gruselig, nie wirklich abgründig, gibt es nur halbherzigen Schrecken für Zuschauer, die noch nie zuvor einen Horrorfilm gesehen haben. Regisseur André Øvredal versucht die bekannten Genre-Tropen lebendig werden zu lassen. Der Film sieht großartig aus. Bei allem Elan Horrortraditionen abzufeiern bleibt aber nur ein Nostalgie-Spaß übrig, dessen milder Grusel niemanden mehr vom Hocker haut. Vielleicht wäre eine Netflix-Miniserie besser gewesen.
                            5 knarrende Dielen.

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                              lieber_tee 02.11.2019, 23:49 Geändert 03.11.2019, 14:52

                              „Vergeltung ist ‘ne Fotze, du Wichser!“
                              Diese erzwungen wirkende Fan-Service-Fortsetzung um die ikonische Firefly-Familie erscheint wie eine geriatrische Leiche eines Filmemachers, der mit einem Bein in seinem künstlerischen Grab steht, aber am Rand immer noch irre tanzt. Für eingefleischte Rob-Zombie-Fans ist „3 From Hell“ sicherlich eine grelle Party, wo sie ihre niederen Instinkte mit einem manischen Bilderstrom abfeiern können, Normalsterbliche bekommen dabei nur Kopfschmerzen. Hier wird die ranzige Sahne aus exploitiven Versatzstücken heraus gequetscht. Hier hinterlässt das unkultivierte und unmoralische Amerika eine blutige Spur aus zynischer Medienkritik, sadistischer Home-Invasion und schrulliger Frauenknastgeschichte, um ganz südlich, an der Grenze des Italo-Westerns, seinen Showdown zu finden. Das hat alles einen bösen Style, aber nie Substanz. Der nihilistische Abgesang auf die Menschlichkeit ist gefüllt mit reaktionären Klischees und Gewaltfantasien. Optisch ist das weitaus faszinierender als der Plot.
                              Jedes Mal 5 Kurze saufen wenn „Bitch“ gebrüllt wird.

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                              • 7 .5
                                lieber_tee 12.10.2019, 17:08 Geändert 12.10.2019, 18:16

                                Grimmige Traum(a)therapie als Folk-Horror.
                                Ari Asters doppelbödiger Gruselterror lässt zweieinhalb Stunden lang moderne Beziehungen und Individualität auf heidnische Rituale treffen. Nicht mit Jump-Scares aus dem Geisterbahn-Mainstream, sondern mit der Bedrohlichkeit des obskuren und grotesken Humors erzeugt er eine zunehmend halluzinogene Stimmung, die die Dysfunktionalität von Freundschaften, mit ihren Abhängigkeiten, festen Geschlechterverhältnissen und Manipulationen offenbaren. Angesichts einer archaischen Hippie-Sekte, die von Selbstaufgabe, Zusammenhalt und krude erscheinenden Ritualen geprägt ist, zerbröselt das heuchlerische Beziehungsgeflecht der amerikanischen Gäste im schwedischen Wunderland. Visuelle und emotionale Räume werden in Midsommar mit langen, kreisenden Kamerafahrten erkundet. Die Grenzen zwischen Horror und Absurdität verfließen. Unter dem blendenden Sonnenlicht entstehen toxische Alpträume. Im immer währenden Tageslicht liegt die Dunkelheit, aber auch die Erlösung aus der Trauer.
                                7,5 Schamhaare verspeisen.

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                                • 6

                                  Die „Pornobande“ trifft auf „Kids“ in der flämischen Provinz.
                                  Ja, ja diese pornofizierte, gelangweilte Jugend von heute… Nur Unsinn im Kopp… Was noch relativ harmlos und frivol anfängt wird eine Spirale aus übelster Gewalt und Unmoral, die einher geht mit dem Verlust von Freundschaften. Coming of Age in die Dunkelheit. Der niederländische Filmemacher René Eller versucht den grenzüberschreitenden Hedonismus einer Generation einzufangen. Die Demoralisierung wird in 4 Schritten und aus 4 Perspektiven erzählt. Empathie ist dabei sowohl bei den Jugendlichen wie auch beim Filmemacher ein Fremdwort. Wer sich von dieser zunehmenden Entgleisung schockieren lassen will, extreme Szenen gibt es genügend, der kommt auf seine Kosten. Woher der moralische Niedergang herkommt wird nur angedeutet und diese Andeutungen sind plakativ. Mit den Mädels und Jungens zu sympathisieren ist unmöglich. Diese Distanz ist gleichzeitig die Schwäche und Stärke des Films. Denn so wirken die gnadenlosen Gräueltaten, eingebettet in einem sonnendurchfluteten, idyllischen Dorf, verstörend. Als düsteres Porträt einer Generation ist das Ganze aber zu banal. „Wir“ funktioniert eher wie eine grimmige Karikatur über die Verrohung von Jugendlichen, ist halt dabei nicht wirklich lustig.
                                  6 anale Eiszapfen…

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                                    lieber_tee 09.10.2019, 00:10 Geändert 09.10.2019, 04:39

                                    Durch digitalen Kunstrasen herum irren.
                                    Wogende Halme und kannibalische Gewalt. Ein Grasdschungel, aus dem es offenbar kein Entkommen gibt und in dem das Teuflische lauert, ist eine ebenso schlichte wie vielversprechende Idee. Und gerade im ersten Akt kann Vincenzo Natali seine Begabung klaustrophobische Szenarien stimmungsvoll zu generieren nutzen. Die verwirrende und zyklische Reise in Mythen und Sinnestäuschungen trifft den Tonfall der Vorlage von Stephen King und Joe Hill. Im steinernem Herzen von Amerika lauert die Dysfunktionalität von Familien, der religiöser Wahn. Er offenbart sich in einen kosmischen Irrsinn, der an H. P. Lovecraft erinnert. Aber "In the Tall Grass" wiederholt sich zunehmend, die Ideen gehen aus, alles wirkt gedehnt, bis der Film in eine spackige Erlösungsfantasie mündet, die der inneren Filmlogik nicht entspricht. Wirklich in die düsteren dunklen Abgründe Amerikas zu schauen traut sich Natali nicht, dazu sind die Figuren zu flach.
                                    Letztlich ist der Film so packend, wie Kühen beim Wiederkäuen zu zuschauen...
                                    5 Gras-Knoten

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                                      lieber_tee 08.10.2019, 19:23 Geändert 10.10.2019, 11:27

                                      High Frame Rate Plätschern.
                                      Ang Lee möchte (laut Interviews) eine neue digitale Sprache für das Kino entwickeln. Sie soll helfen Geschichten zu erzählen. Seine Idee das geklonte jüngere ich von Will Smith am Computer zu klonen ist eine spannende filmische Idee. Aber so sehr der Regisseur hier auch 4K-Digital-3D mit einer höheren Bildrate ausgereizt, beeindruckend einen Menschen komplett am Computer erzeugt (im halbdunklen), das Ganze wirkt seltsam antiquiert, bei aller inszenatorischen Raffinesse. Denn der modern-technologische Aufwand des Filmemachers kann nicht verhindern, dass die Geschichte und die Figuren so platt wie aus einem 90er Jahre B-Movie erscheinen. Der künstlerische Ansatz geht nicht mit dem inhaltlichen Bezug einher. Die Themen um Vaterschaft, der Wert von Menschen und die moralischen Konsequenzen von Gentechnologie bleiben an der generischen Oberfläche. Mit angezogener aber hochtechnisierten Handbremse entstehen tiefen-scharfe Bilder ohne Tiefe.
                                      „Gemini Man“ kann man gut nachmittags nebenbei auf seinem 4K Fernseher beim Bügeln anschauen, um dann sagen, hui sieht das alles im Film sauber aus, ich müsste auch mal wieder meine Wohnung putzen.
                                      5,5 Väter, die man nicht haben will.

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                                        Triptychon einer Rachsucht.
                                        In naher Zukunft bringt sich der Polizist Lao Zhang selbst um. „Cities of Last Things“ ist die trostlos-fatalistische Geschichte eines rachsüchtigen Mannes, die in umgekehrter Reihenfolge von der nahen Zukunft bis in die Vergangenheit erzählt wird. Durch Schlüsselmomente erfahren wir nach und nach, welche Motivationen ihn zum Freitod antreiben haben. Es entsteht ein Profil, das auch immer von der anonymen Stadt, in der er sein ganzes Leben lang gelebt hat, geprägt ist. Urbanität als psychologischer Raum ist der wesentliche Bestandteil des Films. So wie sich Zhang verändert, verhärtet und erkaltet so tut es auch seine Stadt. Das überzeugt nicht unbedingt als vollständiges Porträt einer „gequälten Seele“, ist aber durch die famose Bildsprache des französischen Kameramannes Jean-Louis Vialard stimmungsvoll eingefangen. Mit Mitteln des Cop-Thrillers, Melodrams und Science-Fiction-Films taucht der taiwanische Regisseur Ho Wi-Ding in tiefe Schmerzen des Verlustes und der Rache ein, die gebrochene Zeit wird als wesentliche Triebkraft einer Selbstzerstörung verordnet. Am Ende lässt uns „Cities Of Last Things“ mit warmen und ergreifenden Momenten zurück, die in der kalten Ferne der Zukunft begonnen haben.
                                        7 Handschellen.

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                                          lieber_tee 31.07.2019, 00:45 Geändert 17.11.2019, 18:02
                                          über Anna

                                          Modeln und morden.
                                          Es ist bedauerlich, dass Luc Bessons „Anna“ mit kaum Werbung in den Kinos gestartet ist. Das mag daran liegen, das der Verleih den Regisseur, wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch und weil seine Produktionsfirma EuropaCorp pleite ist, fallen gelassen hat. Leider verpassen so die (wohlwollenden) Freunde von Old-School-Aktion einen sehenswerten Film. Auch wenn Besson sein eigenes Material recycelt (Nikita), auf der Körper betonten John Wick-Welle mit schwimmt und man die zentrale Figur aus ähnlichen Filmen (Red Sparrow oder Atomic Blonde) kennt, die Lebendigkeit des Streifens kann nicht ignoriert werden. In Form eines Actioners werden Rollen-Geschlechter und ihre Beziehungen zueinander (durchaus ironisch) überzeichnet. Und ob weibliche Ermächtigung in einer ausschließlich männlichen Welt überhaupt möglich ist. Das ist, wie auch die Genre-Story, nicht auf psychologisch ausgereiftem Niveau, sondern auf den reinen Schauwert zielgerichtet. Mit vielen Rückblenden und Flash-Forwards erzeugt der Film ein hohes Tempo, kaschiert seine eigentlich recht schlichte Geschichte. Das russische Model Sasha Luss ist dabei Bessons purer Fetisch, er zelebriert diese Frau.
                                          Anna gehört zu den besten Actionfilmen des Jahres, schade das er so ignoriert wird.
                                          7 Elite-Attentäterinnen für den KGB.

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                                            lieber_tee 25.07.2019, 20:18 Geändert 25.07.2019, 20:28

                                            Empörung – die Serie.
                                            Ava DuVernays vierteilige Miniserie ist makellos gefilmt und gespielt. Und sie dient einer lohnenden Sache: Emotional schockierend auf die Ungerechtigkeit des strukturellen Rassismus (und deren Folgen) in den USA aufmerksam, ja wütend, machen. Mit didaktischer Absicht und manipulativen Mitteln wird mit über-offensichtlichen Bildern, Symbolen und Dialogen, einem typischen Gut (schwarz)-/ Böse (weiß)-Schema, eine maximale Wirkung an Betroffenheit generiert, inklusive Trump-Bashing.
                                            Aber mehr als Weichzeichner-Betroffenheit löste die Serie bei mir nicht aus. Die gesellschaftlichen Zusammenhänge, das rassistische Umfeld das bis in das (bürokratische) System geht, werden weniger betrachtet. Das Leiden der Opfer steht im Mittelpunkt. Und so darf man schimpfend wegen der Ungerechtigkeit im sicheren Sessel vor dem Fernseher sitzen, aber an die eigene Nase muss man sich nie packen. Sind die anfänglichen (Kinofilm-langen) Episoden noch ein bitteres Dokument über ein kaputtes (Justiz-) System, das Blutopfer und Sündenböcke fordert, wird die zweite Hälfte ein zwischenmenschliches Drama, das den anonymen „Central Park Five“ ein humanistisches (und leidendes) Gesicht gibt. Es hagelt Pathos mit großen Gestiken. Der emotionale Holzhammer schlägt auf die Netflix-Gemeinde erbarmungslos betäubend ein. Etwaige Zusammenhänge müssen dann die Abspann-Textzeilen richten. Mich hat, trotz der definitiv guten Absicht, dieses Predigen genervt. Mein Wunsch nach Subtilität übernahm die Oberhand. „Chernobyl“ hat z.B. gezeigt, das es auch anders und ebenso wirkungsvoll geht.
                                            5 (symbolische!!!!!!) Ratten in der Gefängniszelle.

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                                              lieber_tee 23.07.2019, 16:57 Geändert 26.07.2019, 15:15

                                              Der GAU als Serie...
                                              „Chernobyl“ ist die Anatomie eines nuklearen Worst Case. Sie schafft es tatsächlich den unsichtbaren Horror der zerstörerischen Radioaktivität als ein stetig schleichendes Ungeheuer darzustellen, spürbar zu machen. Hier ist die Kernschmelze auch eine menschliche Kernschmelze. Mit den Mitteln des Katastrophen-, Spionage- und Horrorfilms, als Politthriller und Drama, schaffen es die Macher, das sich das Dokumentarische sehr real, sehr unangenehm anfühlt. In düster-kränklichem Licht getaucht, erleben wir einen unfassbaren Albtraum, der (filmisch) ebenso die Schönheit wie das Unfassbare bedient. Indem die Serie immer wieder die handelnden Menschen im Mittelpunkt stellt, die verheerenden vielen menschlichen Opfer, die diese Katastrophe verursacht hat, bekommen die Machenschaften des sowjetischen Systems, mit ihren sanktionierten Verschleierungen, eine bittere Note. Der hyperrealistische Ansatz kann durchaus als ausbeuterisch gesehen werden, gerade dann wenn er mit Motiven des Horrorfilms spielt. Er erzielt damit aber eine suggestive Wirkung, die angesichts des Grauens notwendig ist. Seine Helden sind dabei nie glamourös, sondern ganz normale Menschen. Das zementiert den zutiefst humanistischen Blick, den die Serie hat. Und auch den warnenden Charakter.
                                              "Chernobyl" ist ein echtes Serien-Juwel mit hoher Halbwertszeit. Die Darstellung der Katastrophe wirkt zu jedem Zeitpunkt ehrlich, sachlich und ergreifend.
                                              8 tragische Helden in oranger Kleidung.

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                                                lieber_tee 23.07.2019, 01:18 Geändert 23.07.2019, 01:50

                                                Post-Faktischer Superheldenfilm.
                                                Der freundliche Nachbarschaft-Spider-Teen schwingt sich in die zweite Solo-Runde und wieder menschelt es nerdig. Die ironischen Risse, die für Marvel-Filme wesentliche Bestandteile sind, bekommen hier tatsächlich so was wie eine luftige Meta- bzw. Reflektion-Ebene. Die emotionale bzw. kitschig-seifige Wucht von Endgame wird dazu genutzt, um (wie im Spider-Vorgänger) zwischen Coming-of-Age und Superheldenverantwortung zu pendeln. Und um dazwischen eine sanft ironische Liebesgeschichte zu erzählen. Dem jugendlichen Zielpublikum angemessen, werden neckisch die genannten Motive mit den Krawall-Konventionen des Genres gemischt, etwas sprunghaft, aber durchaus schwungvoll. Es gibt wieder einen Bösewicht den Iron Man selbst verschuldet hat (dieses Thema müsste mal genauer betrachtet werden), aber so bekommen wir einen Fake-News-Gegenspieler, der uns (nicht auf Arthouse-Niveau) einen Spiegel vorhält, das wir jeden, aber auch jeden (Superhelden-) Scheiß glauben möchten. So ist „Far from Home“ nicht nur eine Klassenfahrt mit herrlich dämlich-klischeehaft dargestellten Reisezielen als Tummelplatz für Teenagerangst und CGI-Krieg, sondern ein selbst-satirierender (das Wort habe ich gerade erfunden) Blockbuster.
                                                6,5 ungeschickte Flirts.

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                                                  lieber_tee 23.07.2019, 00:29 Geändert 23.07.2019, 00:40

                                                  Blitzdings-Kino. Gesehen und vergessen.
                                                  Mir ist klar, dass sich der erfrischende Charme des 90er Originals nicht mehr kopieren lässt, aber musste der 4. Teil so ein belangloses Hollywoodfilmchen werden? Da hätte ich mir eher ein „21 Jump Street“-Crossover vorstellen können. Die Idee ist wenigstens so doof, das sie kreativ ist. Aber stattdessen bekommen wir ein feminisiertes Soft-Reboot, das nur wie ein fader Aufguss der vorherigen Teile wirkt. Mut oder neue Ideen sind im Fehlanzeigen-Modus. MIB 4 wirkt wie ein abgedroschener Bond-Streifen mit Außerirdischen. Natürlich werden immer dann die (nachträglichen) Stimmen laut, das die Produktion eine einzige Katastrophe war (wegen Studioeinmischung), wenn ein Film floppt . Das dies nicht die Vision des Regisseurs sei. Blablabla. Das klingt wie eine Entschuldigung für Scheiße wenn man nix kann. Und F. Gary Gray hat schon vorher bewiesen dass er nix kann. Denn selbst mit wohlwollender Fantasie ist hier kein gutes Konzept oder ein kreativer Film zu erkennen. MIB 4 ist und bleibt ein uninteressanter Langweiler…
                                                  4 Metawitze mit dem Hammer.

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                                                    lieber_tee 22.07.2019, 23:39 Geändert 22.07.2019, 23:42
                                                    über Shazam!

                                                    Mit gepolsterten Anzügen herum fliegen.
                                                    „Shazam!“ ist sicherlich nicht das Heilmittel gegen den übersättigten Superheldenmarkt und auch nicht die versprochene Frischzellenkur für das DC-Universum. Er wirkt eher wie ein bezahltes Selfie mit einem Mann im Ganzkörperkondom. Frech, locker und albern, angetrieben mit Nerd-Energie, steuert David F. Sandberg unbekümmert, zwischen Pseudo-Indie-Film und Hochglanzblockbuster, durch ernste und unernste Themen, um voller Überschwang den Film gegen Ende an die Wand zu fahren. Im selben Maß wie die Jugendlichen Superkräfte bekommen, also das Kind-im-erwachsenen Körper-Thema verfolgt wird, verliert der Streifen seine Gehirnzellen und rettet sich wieder einmal in einen ewig langen Endkampf mit mäßigen Effekten und kitschigen Eskapismus. Die ironischen Metakommentare zum Genre sind nicht wirklich neu, das es Helden nicht alleine schaffen, eine Fast and Furious-Familie brauchen und es immer ganz toll ist ein Kind im Herzen zu haben, auch nicht. Teenager-Probleme inklusive Mobbing hat der Zuschauer ebenfalls tausendmal gesehen. Das ist alles recht amüsant und charmant, aber letztlich doch immer der gleiche alte Scheiß.
                                                    5 Handys aufladen.

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