Mattscheibenvorfall - Kommentare
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Alle Kommentare von Mattscheibenvorfall
Ein Film, der seine Geschichte sehr viel mehr über Bilder, Stimmung, Impressionen und Atmosphäre erzählt als klassisch narrativ über Inhalte und diffusen Gefühlen gegenüber klaren Worten eindeutig den Vorzug gibt. Sicherlich sind die Bezugspunkte in Goslings filmischen Koordinatensystem deutlich auszumachen, aber aus seinen Inspirationsquellen formt er lieber seine ganz eigene Vorstellung einer fieberhaft-surrealen wie märchenhaft-entrückten Welt. Bilder, Farben und Musik verschmelzen hier zu einer Art Rauschkino, welches einen nicht wieder loslassen wird, so fern man sich von etablierten Erzählstrukturen lösen kann. Lost River bedient sich einer geradezu aufreizend schönen wie nicht weniger fieberhaften und surrealen Bildsprache, ist visuell unglaublich kraftvoll und entführt in eine seltsam entrückte Märchenwelt, welche zudem noch die Schattenseiten des American Dream aufarbeitet.
All die Hypotheken, vergeben von Banken an Menschen, die sich dieses nur augenscheinlich billige Geld eigentlich nie leisten konnten, und letztlich die geplatzte Blase, der große Zusammenbruch, haben nicht nur in Detroit, dem großen Sinnbild der Finanzkrise, ganze Stadtteile in Geisterstädte verwandelt. Und so ist der kalkulierte Wahnsinn dieses Geschäfts mit menschlichen Existenzen nicht nur der ideale Ausgangspunkt für Goslings abgründige Version des American Dream, sondern auch dessen Triebfeder. Detroit dient Lost River als Kulisse, doch statt sich windend im Elend zu wälzen, nutzt der Film lieber sehr geschickt die surreale Atmosphäre, um ein schlichtes wie bedrückendes Drama von Verfall und Zusammenbruch zu zeichnen und entwirft eine Welt, die in ihrer Form zwar nicht existiert, uns aber dennoch sehr viel über unsere Gegenwart zu erzählen vermag wie ein düsteres Märchen voller comichaft übersättigter Farben und grotesker Auswüchse mit zweifelhafter Moral.
Der vielleicht schönste Weihnachtsfilm, der gar kein Weihnachtsfilm ist. Passt dennoch ausnehmend gut in diese Zeit. Herzerwärmend, witzig, zeitlos, toll gespielt und einfach wunderbar. Und zwar immer wieder aufs Neue ♥
"You know what makes you feel okay about losing? Winning."
Aaron Sorkins (als Drehbuchautor unter anderem verantwortlich für Filme wie The Social Network, Moneyball oder Steve Jobs) Regiedebüt Molly´s Game ist die Verfilmung der gleichnamigen Biografie von Molly Bloom und eine Geschichte, derart absurd, wie sie nur das Leben selbst so schreiben kann. Die Ereignisse sind echt, nur die Namen der Beteiligten wurden geändert. Molly ist tough. Molly ist hoch intelligent, ein Multitalent, das Wissen in sich aufnimmt wie ein trockener Schwamm Wasser. Molly ist zielstrebig und ebenso hartnäckig wie ehrgeizig. Aber vor allem: sie weiß sehr genau, was sie will, und wie es erreichen kann.
Nicht nur ist Molly´s Game wie eigentlich alle Drehbücher von Aaron Sorkin stark dialoglastig gehalten und extrem pointiert geschrieben, die Dialoge sind sogar trotz des tollen Cast rund um Jessica Chastain, Idris Elba und Kevin Costner das eigentliche Glanzstück und absolutes Highlight. Sorkin erzählt seinen Film enorm temporeich, manchmal beinahe schon zu temporeich, und ähnelt mit Molly als Off-Erzählerin und den smarten, eloquenten und scharfsinnigen Stakkato-Dialogen Werken wie Wolf of Wall Street oder The Big Short, ohne jedoch jemals deren Klasse zu erreichen. Molly´s Game gibt über seine volle Laufzeit von rund 140 Minuten Vollgas ohne Unterlass, glänzt sowohl mit seinem guten Erzähltempo als auch dem gelungenem Pacing, vermag nie zu langweilen und ist beinahe durchgängig hochgradig unterhaltsam. Nur gegen Ende geht Sorkin überraschender Weise ein wenig die Luft aus und Molly´s Game gleitet unnötig in deplatzierten Kitsch ab. Eine unglaubliche Geschichte, spannend verfilmt, witzig und temporeich erzählt und von großem Unterhaltungswert, aber in keinem Moment auf dem Niveau eines Wolf of Wall Street. Dennoch: klare Empfehlung und absolut sehenswert.
Zehn Jahre lag das Skript zu Passengers in den Giftschränken Hollywoods. Das Potential darin wurde wohl erkannt, jedoch scheute man immer wieder die Kombination aus kammerspielartigem Drama, Lovestory und teuren Sets, Kulissen und hohen Produktionskosten. Nun aber wurde der Stoff doch noch realisiert, oder vielmehr allenfalls halbherzig aufgewärmt, weil große Science Fiction-Stories kombiniert mit vermeintlich emotionaler Tiefe im Blockbuster-Kino aktuell angesagt sind, besetzt mit zwei momentanen Hollywood-Größen, inszeniert von einem lenkbaren Auftragsregisseur, ausgestattet mit einem halbwegs üppigen Budget, ins Rennen geworfen frei nach dem Motto: wird schon gut gehen.
Dabei liegt in der Grundidee hinter Passengers unglaublich viel Potential und der Gedanke einer als Kammerspiel angelegten Lovestory kombiniert mit bombastischer Science Fiction – das Intime und das Epische gleichsam Hand in Hand, das hat durchaus seinen ganz eigenen Reiz. Eine klassische Romanze, in ihren Grundzügen universell, die überall zu jeder Zeit spielen könnte, aber in ihrer Wirkung potenziert durch eine sehr spezifische, weitere Dimension, wenn es nicht nur um das Leben von Jim und Aurora geht, sondern eben auch um all die Siedler im Hyperschlaf an Bord der Avalon.
Zu dumm nur, dass es dem Film nicht gelingt, all das auch nur ansatzweise zu transportieren. Und das, obwohl Passengers zu Beginn, ja sogar im ganzen ersten Drittel, auf Kurs hält und atmosphärisch durchaus gelungen ist, wenn Jim allein nach dem Aufwachen durch die gigantische Avalon streift und nach und nach realisiert, dass er der einzige an Bord ist, der geweckt wurde. Seine beständig wachsende Angst und Verzweiflung sind spürbar, die zahlreichen Fluchtversuche aus der Isolation nachvollziehbar, ja, sogar ein nicht unbeträchtliches moralisches Dilemma wird aufgebaut.
Doch bereits das zweite Drittel, eingeleitet durch die Ankunft von Aurora in Jims kleiner Welt, nutzt das zuvor etablierte kaum noch bis gar nicht mehr und ergeht sich fortan lieber in einer kitschigen und vor allem arg erzwungenen Lovestory (nur weil die beiden als einzige wach sind bedeutet das noch gar nichts), garniert mit einem für romantische Komödien durchaus typischen Humor. Das hat zumindest noch den einen oder anderen Schmunzler zu bieten und kann einem gewissen Unterhaltungsfaktor nicht entbehren, seicht und allzu leicht ausrechenbar ist es dennoch. Doch spätestens mit dem letzten Drittel und dem Auftauchen von Laurence Fishburne kippt Passengers in eine beliebige wie unmotivierte, auf große Action und spektakuläre Bilder getrimmte Rettungsmission, die in ihrer aufgesetzten Dramatik geradezu albern wirkt. Das Problem ist: Jim und Aurora sind als Charaktere einfach zu egal, als dass man ernsthaft mit ihrem Schicksal mitfiebern könnte.
Ein wenig ist es letzten Endes auch ärgerlich, wenn man bedenkt, welch großes Potential in der Prämisse von Passengers schlummert und wie wenig das dann auch genutzt wird. Die Möglichkeit einer packenden Inszenierung wird zu Gunsten von oberflächlichen Figuren, aufgesetzter Melodramatik, klebrigem Kitsch und einem Finale, das episch sein will, aber höchstens albern wirkt, über Bord geworfen und zurück bleibt kaum etwas erinnerungswürdiges außer Arthur, dem mechanischen Barkeeper und heimlichem Star des Filmes. Und dann wirft man auch noch das mitunter interessanteste am ganzen Film – nämlich Jims moralisches Dilemma – mit einem Hundeblick einfach so weg und geht nicht mehr weiter darauf ein.
Hail to the king, baby! Regisseur Sam Raimi verbindet etwas mit den Coen-Brüdern: seine leidenschaftliche Vorliebe für derben Slapstick in der Tradition der Three Stooges und Cartoons wie die von Tex Avery. So ist dann auch Army of Darkness eine vollkommen logisch konsequente Weiterführung von Evil Dead 2, wenn die im Mittelalter angesiedelte Fantasy-Horror-Slapstick-Kömodie von Beginn an ein enorm hohes Tempo geht, grell überdreht und sich für keine noch so grobe Pointe zu schade ist. Wie schon bei The Evil Dead und dessen mehr Quasi-Remake als Fortsetzung tritt auch hier die klassisch lineare Erzählstruktur zugunsten einer stark episodisch geprägten Narration deutlich in den Hintergrund, wenn ganze Sequenzen oft nur auf einer einzigen visuellen Idee basieren. Die traditionellen Regeln einer herkömmlichen Dramaturgie interessieren Raimi eindeutig ebenso wenig wie die Erschaffung eines gleichmäßigen Spannungsbogens und Army of Darkness ist ein Schelm von Film, schwankt immerzu freudig zwischen toll inszenierten Momenten und geradezu amateurhaften Szenen mit betont schlechten Effekten und spielt ganz bewusst und selbstsicher mit seinen Wurzeln.
Beinahe alles schreit regelrecht danach, so wenig ernst wie nur möglich genommen werden zu wollen und Army of Darkness macht sich besonders dann gnadenlos über sich selbst lustig, wenn man sich viel Mühe gibt, das damals eigentlich recht üppige Budget von rund 11 Millionen Dollar zu verschleiern. Ein Wolf im Schafspelz, der immer wieder vorgibt billiger zu sein als er es tatsächlich ist. Das schlagende Herz des ganzen Budenzaubers ist zweifellos die grandiose, zwischen irrem Slapstick, derbem Humor und reichlich Körpereinsatz pendelnde Performance von Bruce Campbell, der nun endgültig zu der B-Movie Ikone werden sollte, welche er ist, und dank ihm wird Army of Darkness zum regelrecht hysterischen Spektakel, wenn sein Ash uns immer tiefer in den chaotischen Einfallsreichtum von Raimi führt und all die losen Ideen und Versatzstücke zusammenhält. Dazu der tolle Score von Raimis Haus- und Hofkomponist Joseph LoDuca sowie die starke Kamera von Bill Pope und fertig ist der für mich stärkste Beitrag der Reihe und zugleich der Beweis dafür, was für ein einzigartiger Filmemacher Sam Raimi einst war.
8 von 10 Ray Harryhausen-Gedächtnis-Skelette
Sicher ist das alles eine Klischee-Parade sondergleichen und ja, die Figuren haben keine Tiefe und auch das Drehbuch grenzt mehr als einmal an Dummheit, aber Dogs of Berlin ist gut genug inszeniert um mich bei Laune halten zu können. Man kann Regisseur Christian Alvart sicherlich viel vorwerfen, nicht jedoch, dass er weder Sinn noch Herz für das Genrekino hätte. Insofern ist mir eine solche allenfalls mäßige Genre-Produktion deutlich lieber als der xte langweilige Tatort.
Die Vorschusslorbeeren für das Spielfilmdebüt von Ari Aster waren ja mehr als groß und Hereditary wurde vielerorts als die neue Hoffnung des Horrors angepriesen. Und tatsächlich darf sich sein Film durchaus zu den besseren Vertretern seines Genres zählen, wenn ein Trauerfall den Ausgangspunkt bildet und ein scheinbar glückliches Familienidyll schon bald brüchige Risse in seiner Fassade offenbart. Hereditary ist zweifellos deutlich mehr düsteres Familiendrama und menschliche Tragödie als Horrorfilm und nimmt sich ausgesprochen viel Zeit, um als Fundament für seinen Schrecken ein Netz aus familiären Verwicklungen auszubreiten, das nicht nur realistisch und glaubwürdig ist, sondern darüber hinaus sich, seine Figuren und deren Probleme sowie den Zuschauer überraschend ernst nimmt. Statt sich gleich in nacktes Grauen zu stürzen und einen plumpen Jumpscare an den nächsten zu reihen, ist der Schrecken in Hereditary zumeist psychologischer Natur und oft sehr leise, aber auch ungemein wirkungsvoll und nachhaltig. Die ausgereiften zwischenmenschlichen Konflikte stehen ebenso lange deutlich im Vordergrund wie die Kontrolle über das eigene Leben und der Verlust eben dieser.
Die Rechnung geht gerade deswegen auf, weil das Drama rund um Verlust, Schuld, Schmerz und Vorwürfe eben kein bloßes Ablenkungsmanöver und schnödes Blendwerk ist, sondern überhaupt erst den Nährboden für den späteren Horror bildet. Auf der inhaltlichen wie auch inszenatorischen und stilistischen Ebene ist Hereditary für ein Debüt erstaunlich selbstbewusst geraten, von starker filmischer Kraft und voller ausgefallener visueller Ideen sowie ausgesprochen smart geschrieben, wenn das Drehbuch immer wieder geschickt kleine falsche Fährten auslegt, genussvoll in die Irre führt und überhaupt insgesamt ungemein präzise konstruiert ist. Wirkt das Finale anfangs vielleicht noch seltsam aufgepfropft und die zuvor so sorgfältig aufgebaute und dichte wie packende, manchmal geradezu beklemmende Atmosphäre dadurch unterlaufen, so machen die Geschehnisse der letzten Minuten rückblickend und bei etwas genauerer Betrachtung mehr Sinn, als man zunächst vermuten würde. So ist Hereditary lange ein starkes, aber auch unbehagliches, einnehmendes und vor allem erschütterndes Familiendrama von großer Sogwirkung, welches erst nach und nach beginnt, mit Horrorelementen zu spielen und schleichend das Unwohlsein des Zuschauers immerzu steigert. Handwerklich in jeglicher Hinsicht große Klasse, aber mitunter auch richtig schwere Kost und mindestens einmal geradezu schockierend in seiner Konsequenz.
Outrage markiert nach rund zehn jähriger Pause Takeshi Kitanos Rückkehr zum Yakuza-Film, denn seit Brother (2000) hat der japanische Regisseur und Schauspieler nicht mehr in diesem Genre gewildert. In seiner oftmals drastischen Eskalation ist Outrage beinahe schon brüllend komisch, so brachial eruptiv bricht die Gewalt über die Protagonisten herein. Was mehr oder weniger als Bagatelle beginnt, das nimmt in seinem streng geschnürten Korsett aus Regeln, Pflichten, Tradition und Abbitte schnell geradezu groteske Züge an und entwickelt sich zu einem episodenhaften, leicht fragmentarisch erzählten Krieg zweier Familien, inszeniert als immer schneller wirbelnde Abwärtsspirale aus Rache und Ehrgefühl, die kaum zu durchbrechen ist. Dabei ist die Story selbst eigentlich noch minimaler angelegt als gewohnt, doch wie die einzelnen Parteien geradezu politisch taktieren, wie unbarmherzig Entscheidungen getroffen und Schicksale beschlossen werden, wie jeder Entschluss voll und ganz vom Einzelnen getrennt und allein der Familie untergeordnet wird, das ist auf eine sehr unterkühlte Art und Weise faszinierend.
Kitano inszeniert diesen speziellen Mikrokosmos Yakuza wie unter einem Brennglas unter verschärften Bedingungen und zeigt mit nüchterner Präzision ein gnadenloses Haifischbecken, wenn jeder letztlich nur nach Höherem strebt, koste es, was es wolle, und die viel zitierte Ehre am Ende doch nur auf der Strecke bleibt. So entsteht auch ein Konflikt zwischen Moderne und Tradition, wenn Jüngere mit weniger Respekt nach oben drängen und sich eine Art Zeitenwechsel abzeichnet. Nach jeder weiteren Stufe der Eskalation werden die Karten neu gemischt, Positionen neu verteilt und Fronten gewechselt, so dass nur die rohe Gewalt als alleinige Konstante bestehen bleibt, wenn Aktion und Reaktion immerzu absurder werden. Das Outrage als eine Art Ensemble-Film angelegt ist und keine wirkliche Hauptfigur aufbietet, verstärkt nur noch dessen unpersönlich distanzierte Wirkung, wenn Kitano schonungslos Machtstrukturen nicht nur illustriert, sondern auch gleich dekonstruiert. Sicherlich keines seiner Meisterwerke, dennoch aber ein Film, mit dem Kitano seinen Kritikern lustvoll den Spiegel vorhält, wenn er eben gerade die Elemente grotesk überspitzt und genüsslich ausreizt, welche seinen Werken sonst nur zu gern vorgeworfen werden.
"People come to the Oasis for all the things they can do, but they stay for all the things they can be."
Der Roman Ready Player One von Ernest Cline (2011) galt für Hollywood-Maßstäbe kaum mehr als einen Wimpernschlag lang als unverfilmbar, bevor sich Steven Spielberg nun seiner angenommen hat und eine sowohl auf der audiovisuellen als auch der erzählerischen Ebene geradezu atemlose Hatz durch Jahrzehnte der Popkultur inszeniert, so sehr angefüllt mit lauter Gimmicks, Anspielungen und Referenzen, dass man gar nicht weiß, wohin man zuerst schauen soll. Seine Vision von Ready Player One gestaltet sich als ausgedehnter Trip nach Nerdistan in Form einer virtuellen Schnitzeljagd rund um ein Easter Egg. Spielberg adaptiert zusammen mit Cline den Roman allerdings nicht 1:1, sondern weitet die ursprünglich überwiegend die 80er Jahre zitierende Handlung aus bis ins hier und jetzt und wendet sich wohl schon auch aus finanziellen Aspekten einem deutlich breiteren Spektrum der Popkultur zu. Vollkommen legitim, dennoch stellt sich mir auch die Frage nach der Zielgruppe. Wo der Roman eher auf Leute Anfang/Mitte 30 und vielleicht noch junge Erwachsene abzielt, da scheint mir der Film eher ein kindliches Publikum zu adressieren.
Der Einstieg ist enorm rasant, das Tempo gerade zu Beginn ungemein hoch und liefert geballte Reizüberflutung, doch zum Glück schaltet Ready Player One danach mehrere Gänge runter und fährt erst im letzten Drittel den totalen, zu Weilen aber auch ermüdenden Overkill auf. Doch gerade der Mittelteil hat ein paar hübsche Ideen und Einfälle abseits von XY ist für ein paar Sekunden im Bild zu sehen und besonders die Shining-Sequenz ist in ihrem enormen Detailreichtum beeindruckend. Manche Idee ist wirklich schön und elegant in die Erzählstruktur eingeflochten, andere hingegen werden bloß um ihrer selbst willen ins Getümmel geworfen und regelrecht abgehakt. Auch die Story bietet durchaus interessante Ansätze und hält so manches spannende Thema abseits der Jagd nach dem Easter Egg bereit, doch Ready Player One bleibt da immer nur an der Oberfläche, setzt lieber auf seine zugegeben eindrucksvollen Schauwerte und zelebriert das Staunen und die Überwältigung des Zuschauers. Zudem sind mir die Figuren und ihr Schicksal zu sehr egal, so dass ich weder mit ihnen noch mit der eigentlichen Handlung wirklich mitfiebern könnte. Auf der technischen und handwerklichen Ebene ist das alles aller erste Sahne, da besteht gar kein Zweifel, aber letztlich fühle ich mich von Ready Player One nur bedingt abgeholt. Spielbergs Film ist vielleicht DAS Popkultur-Destillat unserer Zeit, doch Scott Pilgrim vs. the World ist mir am Ende des Tages lieber.
"So this is it? It's all been leading to this."
Vorab: ich bin weder glühender Verehrer des MCU, noch bin ich voller Ablehnung diesem gegenüber, sondern eher neutral positioniert. Im besten Fall bekomme ich einen unterhaltsamen Film zu sehen, im schlimmsten Fall einen meist egalen und beinahe nie ärgerlichen. Nun also kommt es mit Avengers: Infinity War nach bisher achtzehn Filmen in zehn Jahren zum vorerst großen Höhepunkt und erneut sitzen nach Captain America: The Winter Soldier und Captain America: Civil War die Russo-Brüder auf den Regiestühlen. Abermals nach Civil War jonglieren sie mit einer verblüffenden Leichtigkeit mit einer Vielzahl an Helden und zähmen gekonnt das beinahe schon megalomanische Figuren-Setup. Fast jeder bekommt mit mal mehr, mal etwas weniger Screen Time versehen seinen verdienten Moment. Trotz des gigantischen Ensembles und obwohl nun unzählige erzählerische Pfade aus den letzten zehn Jahren zusammengeführt werden, fühlt sich Infinity War erstaunlich homogen an, statt überladen oder überfrachtet zu wirken. Bereits die Exposition gibt die tonale Ausrichtung vor und die Atmosphäre ist durchgehend düster, oftmals hoffnungslos und selbst der immer wieder aufblitzende Humor funktioniert meist und steht keinesfalls im Kontrast zur Ernsthaftigkeit, sondern lädt als willkommene Pause immer mal wieder zum Durchatmen ein.
Thanos ist dann das Herzstück des Filmes, der vielleicht ambivalenteste und interessanteste Schurke des MCU bisher und sowohl erzählerische Konstante als auch emotionaler Ankerpunkt. Ein wirklich großartig geschriebener Bösewicht, der eigentlich gar nicht so böse ist, und dessen Agenda weder von abgrundtiefer Bösartigkeit oder größenwahnsinnigen Allmachtsphantasien angetrieben wird, sondern auf der rein rationalen Ebene absolut nachvollziehbar ist. Sicher sind seine gewählten Mittel und Methoden äußerst radikal und mögen grausam anmuten, doch tief in seinem Innern ist seine Motivation beinahe schon human. Die erzählerische Struktur gerät zwar manchmal ein wenig ins Wackeln, wirkt gelegentlich etwas ungelenk episodenhaft und ist vor allem durch und durch der seit nun mehr zehn Jahren perfektionierten Formelhaftigkeit des MCU unterworfen (warum auch nicht, großartig nennenswerte Innovationen erwarte ich ohnehin an anderer Stelle), unterm Strich jedoch wurde ich als weder Fanboy noch Hater dieses filmischen Universums von Infinity War überraschend gut unterhalten. Die durchgehend düstere Ernsthaftigkeit steht dem Film wirklich gut, wäre zumindest für mich allerdings ohne die nun nötige wie konsequente Standhaftigkeit rückblickend wertlos.
Kalt erwischt. BuyBust brachte mich hierher, weil er mein Interesse sowohl an seinem Regisseur Erik Matti als auch am jüngeren philippinischen Actionkino generell geweckt hat. Und On the Job kann sich mehr als nur sehen lassen und mühelos mit westlichen Genre-Vertretern mithalten. Ähnlich wie bereits in BuyBust zeichnet Matti auch hier ein sehr düsteres, dreckiges Bild von Manila als regelrechten Sündenpfuhl, als verkommenen urbanen Dschungel im glänzenden Neonlicht nächtlicher Straßen mit Abschaum an jeder Ecke. Ein durch und durch korrupter Moloch voller Niedertracht, Intrigen, Verrat und undurchdringlichem Filz ohne Moral, wo ein Menschenleben kaum mehr Wert ist als die Kugel, die es beendet. Passend dazu ist die erzählerische Prämisse von On the Job perfide wie genial und simpel, aber auch ungemein effektiv. Tatang und Daniel versuchen auch nur zu überleben und nutzen dafür jede Gelegenheit. Verhalte dich unauffällig, passe dich an, spiel das Spiel mit: das gilt sowohl für den harten Knastalltag als auch für das Leben außerhalb.
Erstaunlich selbstbewusst treibt Matti zwei Handlungsstränge zielstrebig, aber sanft voran, welche dann im weiteren Verlauf geschickt zusammen geführt werden. Das braucht anfangs vielleicht etwas an Geduld, doch das zahlt sich aus. Dazu versteht Matti es immer wieder ausgesprochen spannende Momente zu kreieren, lässt On the Job manchmal sogar seltsam berührend wirken und findet seinen Schlusspunkt auf einer bitterbösen Note, wenn klar wird, dass das System letztlich immer schmutzig spielt und immer gewinnt. Das alles ist auf der handwerklichen Ebene tadellos inszeniert und die wenigen Actionszenen sind sehr dynamisch geraten, von roher Energie und ihre Seltenheit lässt sie nur noch pointierter wirken. Etwa zur Hälfte der Laufzeit gibt es eine tolle Parallelmontage, welche von einem pumpenden, treibenden Score unterlegt in eine kurze, aber packende Actionsequenz mündet, nur um kurz darauf nach kleiner Verschnaufpause ausgedehnt nochmals einen Gang höher zu schalten. On the Job ist auch noch deutlicher als BuyBust in einen Actionthriller gehüllte Sozialkritik am bestehenden System und dessen korrupter Politik, verkommt aber nie zum reinen Vehikel für seine anklagende Message. So hat mir der Film auch deutlich besser gefallen als zuletzt BuyBust und ist zweifellos ein weiterer gelungener Beweis dafür, dass auch abseits etablierter Filmmärkte sehenswerte Streifen von starker Qualität entstehen können und ein Actionthriller auch mal ein wenig anspruchsvoller sein kann ohne gleich sein Genre aus dem Fokus zu verlieren.
Eben noch kredenzte uns der indonesische Regisseur Timo Tjahjanto mit The Night Comes for Us einen Körper zerfetzenden Actionfilm von beispielhaft kompromissloser Härte, nur um jetzt mit Sebelum Iblis Menjemput (May the Devil Take You) einen erstaunlich uninspirierten und erschreckend ideenlosen Horrorfilm abzuliefern, der in den eher flachen Gewässern rund um Evil Dead wildert. Tatsächlich bedient der Film die nahezu ganze Palette an übernatürlichem Hokus Pokus und reiht ein Klischee ans nächste: dämonische Besessenheit, geisterhafte Erscheinungen, platte Jump Scares, ein dramatisch dröhnender Score, ein bisschen Gekröse, die böse Stiefmutter, ein dunkles Familiengeheimnis, okkulte Rituale, wackelnde Betten und wahnsinnig viel Geschrei. Das ganze folgt dann einer abgenudelten Dramaturgie, bietet meist eher mäßige Effekte sowie schlechte Masken, kann auch auf der darstellerischen Ebene kaum überzeugen (selbst die eigentlich wunderbare Chelsea Islan kann da nicht mehr allzu viel retten) und ist mit rund 110 Minuten Laufzeit eindeutig zu lang. Action scheint Tjahjanto deutlich besser zu liegen, diesen Ausflug ins Horror-Genre jedenfalls kann man getrost auslassen.
Wer hier öfter mal reinschaut, dem dürfte eigentlich kaum entgangen sein, dass die Coen-Brüder zum engen Kreis von mir hoch geschätzter Regisseure zählen. The Ballad of Buster Scruggs ist die nun mehr achtzehnte Regiearbeit des Brüderpaares und angeblich doch nicht ursprünglich als Netflix Mini-Serie geplant, sondern vielmehr über Jahrzehnte hinweg immer mal wieder als Sammelbecken für Ideen genutzt, aus denen nun ein sechsteiliger Episodenfilm rund um den Mythos Wilder Westen entstanden ist. Wo bereits Hail, Ceasar einen eher episodenhaften Charakter hatte und lediglich durch ein Mindestmaß an rotem Faden mühsam zusammen gehalten wurde, da verzichtet The Ballad of Buster Scruggs gleich vollkommen auf erzählerische Kontinuität und fasst seine sechs Episoden lediglich als lose Sammlung von Kurzgeschichten in einem Buch zusammen.
Unterschiedlich in Tonalität und vor allem auch in Qualität reicht hierbei die Ausrichtung von vertraut schwarzhumorig über absurd und morbide bis hin zu ausnehmend tragisch, wenn jede Folge einen bestimmten Aspekt der Coen-Handschrift besonders herausarbeitet. Allerdings schwankt The Ballad of Buster Scruggs gerade in puncto Qualität der einzelnen Episoden mitunter gewaltig, nicht jede vermag auch vollends zu überzeugen und mindestens eine verpufft für mich im erzählerischen Nichts, so ganz ohne schelmisch böse Pointe oder überhaupt irgendeiner narrativen Auflösung mit Mehrwert. Das alles ist zwar überwiegend wunderbar gefilmt und voller liebevoller Details, der Cast ist stark und namhaft besetzt, es gibt die eine oder andere tolle Idee zu bewundern und auch der Score von Carter Burwell erfüllt seinen Zweck, und dennoch will der Funke nicht so recht überspringen. So bleibt letztlich eine lose Sammlung diverser Kurzgeschichten mit unterschiedlichem Anspruch, wenn zwar immer mal wieder die filmische Brillanz der Coen-Brüder aufblitzt, das Gesamtergebnis jedoch eher unrund wirkt und The Ballad of Buster Scruggs als Ganzes nicht stärker ist als einzelne Episoden.
Diesmal die Philippinen statt Indonesien. BuyBust von Regisseur Erik Matti ist eine Art The Raid light in den verwinkelten, unübersichtlichen und manchmal geradezu klaustrophobisch engen Slums von Manila statt einem Hochhaus in Jakarta, ohne jedoch jemals dem offensichtlichen Vorbild das Wasser reichen zu können. Zwar ist das beinahe schon urwaldartige, dreckige und kaum zu überschauende Labyrinth aus Sperrmüll, Plastikplanen und Wellblech voller potentieller Gefahren und BuyBust versteht es stellenweise immer mal wieder Spannung aufzubauen, doch der Film ist für seine Laufzeit von rund zwei Stunden mit so wenig Inhalt vor allem zu lang geraten, und auch das erzählerische Tempo gerät immer wieder ins Straucheln. Besonders zu Beginn braucht BuyBust zu lange, um richtig Fahrt aufzunehmen, bietet im Gegenzug aber auch kaum brauchbares Identifikationspotential.
Zwar versucht Matti den Fokus zunächst auch auf die Figuren zu legen, doch wirklich gelingen will ihm das nicht. So braucht es rund eine halbe Stunde, bis der Film seine eigentlichen Qualitäten demonstrieren kann: die Action. Die Shootouts können sich wirklich sehen lassen, sind druckvoll in Szene gesetzt und lassen es ordentlich krachen. Leider können die Kampfszenen da nicht so ganz mithalten, lassen Druck, Tempo und vor allem Können ein wenig vermissen (oder ist man da inzwischen durch Bretter wie The Raid, Headshot oder The Night Comes for Us etwas verwöhnt?) und auch der manchmal etwas unübersichtliche Schnitt macht das nur bedingt besser. Dafür ist BuyBust insgesamt erstaunlich kompromisslos und stellenweise ist es fast schon unangenehm, mit welcher Kaltblütigkeit Kollateralschäden in Kauf genommen werden. So bleibt unterm Strich ein durchaus ansehnlicher Actionreißer von den Philippinen mit Höhen und Tiefen, der zwar nie in die Oberklasse vorstoßen kann, aber dennoch in seinen besten Momenten ordentlich Gas gibt, vor allem ein nicht ganz so verbrauchtes Setting vorzuweisen hat und visuell interessante Punkte setzen kann.
Heinz Klett, der zweifellos räudigste Bankräuber des deutschen 70er Jahre Kinos, Schrecken des Spießbürgertums, Feind des Establishments und nicht einmal im Ansatz Sympathieträger. Sein Motto: Hemmungen? Null. Rücksicht? Null. Eröffnet von einem fluffigen Stück Funk aus der Feder von Francesco De Masi lässt Regisseur Rolf Olsen hier eine buchstäblich entfesselte Gewalt auf den Zuschauer los, schonungslos, dreckig, schmutzig und in höchstem Maße politisch unkorrekt, aber eben auch mit ordentlich Haaren am Sack. Blutiger Freitag hebt sich in der deutschen Kinolandschaft der frühen 70er Jahre überdeutlich von den endlosen eher zahmen Produktionen jener Zeit ab und steht in prall gefüllten Lederhosen in seiner radikalen Andersartigkeit auf Augenhöhe mit den Filmen von Roland Klick. Ähnlich wie Klett selbst aus der tauben Masse der Gesellschaft ragt und sich von moralischen Fesseln befreit hat, so macht es auch Blutiger Freitag.
Olsen beweist eindrucksvoll, wozu das deutsche Genre-Kino schon damals fähig war und macht im Vorbeigehen einen zwar eher oberflächlichen, aber dennoch eindeutig vorhandenen gesellschaftspolitischen Diskurs aus dem eigentlich eher flachen Stoff und liefert zudem ein gelungenes filmisches Bild jener Zeit voller Lokalkolorit. Blutiger Freitag besticht durch eine enorm zynische, geradezu nihilistische wie konsequent garstige Atmosphäre und ein ausgesprochen düsteres Menschenbild. Klett, dieses fleischgewordene Fuck You, ist der zerstörerische Mittelpunkt eines der wohl tollsten und schönsten deutschen Actionfilme, voller unbändiger Energie und schmierigem Charme, ungehobelt, schmutzig, anstößig und voller Ecken und Kanten, wie man sie heute kaum noch finden kann. Krautploitation par excellence. Blutiger Freitag kommt aus dem Bauch, ignoriert den Kopf und zielt voll auf den Sack. Ziemlich toll, das alles.
Die angeblich zwanzig Minuten längere Ursprungsfassung von Outlaw King würde mich doch sehr interessieren, denn vielleicht würde sich dann die erste Hälfte des neuen Filmes von David Mackenzie etwas weniger gehetzt anfühlen. Erst etwa zur Mitte finden dann Rhythmus, Inszenierung und Erzählstruktur wieder besser zu sich und wirken insgesamt runder als noch zu Beginn. Dennoch vermochte mich Outlaw King zu überzeugen und gefiel mir letztlich besser als Braveheart - mit dem ich noch nie wirklich warm geworden bin - weil er dankenswerter Weise auf ausgestellten Kitsch und Pathos weitest gehend verzichtet. Ausladend große Gesten und geschwungene Reden wie einst bei Mel Gibson lassen sich nicht finden, wodurch Outlaw King angenehm zurück genommen und bodenständig daher kommt. Auch die Schlachten und Kämpfe sind aufwendig in Szene gesetzt und ansehnlich choreografiert, geizen jedoch auch nicht gerade mit Gewalt und Blut und bewegen sich jederzeit in nachvollziehbaren Dimensionen. Überhaupt kann Outlaw King auf der handwerklichen Ebene überzeugen, denn die gesamte Ausstattung, das Setdesign und die Kostüme sind allesamt sehr hochwertig. Nur die Narrative kämpft immer mal wieder mit Problemen und kann holprig werden. Auch der Cast kann sich zumindest sehen lassen, doch obwohl Chris Pine nominell das stärkste Glied ist, so ist aber Barry Ackroyd mit seiner entfesselten wie zugleich fokussierten Kamera der heimliche Star und das schlagende Herz von Outlaw King, findet dieser doch immer wieder wunderschöne Bilder und Einstellungen. Trotz seiner Schwächen kann ich letztlich mit dem ruhigeren und spröderen Film von David Mackenzie mehr anfangen als mit dem vor Pathos triefendem Braveheart.
"A thousand year Reich needs thousand year soldiers."
Mit einer eindringlichen Eröffnungssequenz wirft sich Julius Avery mit seiner zweiten Regiearbeit Overlord direkt und ohne Umschweife ins (Schlacht)Getümmel ohne jedoch gleich zu Beginn all sein Pulver zu verschießen. Was nämlich noch als geradliniger Kriegsfilm zu beginnen scheint, dass soll schon bald andere Genrepfade betreten. Sadistische SS-Offiziere, größenwahnsinnige Nazi-Wissenschaftler, grausame Experimente und unmenschliche Kreaturen: Overlord bietet so ziemlich alles, was ein guter Exploitation-Reißer brauchen könnte und Avery erschafft daraus einen herrlich reinrassigen, kantigen und schmuddeligen Genre-Film mit äußerst ansehnlichem Budget, verzichtet im Gegenzug jedoch dankenswerter Weise auf ätzend ausgestellte, augenzwinkernde Ironie. Stattdessen nimmt sich Overlord angenehm ernst, tappt eben gerade nicht in die Funsplatter-Falle und kommt wie eine Spaß befreite Verfilmung der Videospiel-Reihe Wolfenstein daher.
Sicherlich vermag Avery mit seinem Film auf der inhaltlichen Ebene nichts grundlegend Neues zu erfinden oder könnte gar intellektuell fordern, doch das will er auch gar nicht, wenn er sich viel lieber seiner straighten B-Movie Herkunft vollkommen bewusst ist und sich gerade daran ergötzt. Overlord ist geradlinig wie kompromisslos und effektiv inszeniertes Genre-Kino, das eine dichte Atmosphäre zu erschaffen vermag und es ausgesprochen gut versteht, mit seinen Effekten zu haushalten, statt den Protagonisten Monsterwelle um Monsterwelle entgegen zu schleudern. Hier gilt Qualität statt Quantität, wodurch sich Overlord auch nie der Lächerlichkeit preisgibt. Einen solch pulpigen Film dieser Tage mal wieder auf der großen Kinoleinwand erleben zu können, mit toller Ausstattung und einem wahrlich famosen Sounddesign, welches den Saal geradezu beben lässt, und der sich dazu noch so erfrischend ernst nimmt und auf Ironie verzichtet, das hat mein Genre-Herz über alle Maßen erfreut. Am liebsten wäre ich beim Abspann aufgesprungen und hätte applaudiert.
Könnte Spoiler beinhalten!
„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“
Frontiers, Hitman, The Divide und The Crucifixion: so richtig überzeugen konnte mich der französische Regisseur Xavier Gens noch nie und seine Verfilmung des mir unbekannten Romans Im Rausch der Stille vom katalanischen Schriftsteller Albert Sánchez Piñol vermag das ebenso wenig. Zwar findet Gens für diesen gewaltsamen Kampf zweier Menschen gegen die Kräfte der Natur immer wieder auch schöne Bilder voller karger Anmut, dennoch mangelt es der Fantasy-Parabel mit voran schreitender Dauer vor allem an Abwechslung. So packend das zu Beginn noch erscheinen mag, wenn sich Leuchtturmwärter und Wetterbeobachter Nacht für Nacht immer neuen Angriffswellen erwehren müssen, so repetitiv und ermüdend wird das schnell. Dazu hat Cold Skin ja auf der erzählerischen Ebene durchaus interessante Ansätze, macht letzten Endes aber zu wenig mit ihnen, kratzt immer nur an der Oberfläche ohne jemals ernsthaft in die Tiefe vorzudringen und bleibt somit erschreckend unbefriedigend. Selbst der sexuelle Missbrauch verkommt zu kaum mehr als einem reinen Genre-Mechanismus und fügt der Erzählung nichts hinzu außer platter Eifersucht. Zudem ist Cold Skin auch wegen der teils stark wiederholenden Szenen zu lang geraten und will inhaltlich so manches Fass zu viel aufmachen, statt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und hat einen gelinde gesagt eigenwilligen und seltsamen Spannungsbogen. So bleiben rund 110 zugegeben toll gefilmte Minuten, ein gelungenes Creature-Design und ein stark aufspielender Ray Stevenson als Leuchtturmwärter, viel mehr aber leider auch nicht.
Punisher: War Zone von der in Deutschland geborenen Regisseurin Lexi Alexander ist bereits der dritte Anlauf einer filmischen Aufarbeitung des erbarmungslosen Vigilanten und endlich auch die erste, welcher es gelingt, den Kern der Vorlage auch wirklich zu treffen. War Zone zeigt Frank Castle als genau das, was er ist: eine effiziente, erbarmungslose, skrupellose und alles andere als heldenhafte Tötungsmaschine mit ganz eigenem moralischen Kompass, erfüllt von Todessehnsucht und auf einer niemals enden wollenden Mission mit dem alleinigen Ziel endlich sterben zu dürfen. Zwar blitzen immer mal wieder zersplitterte Fragmente eines früheren Lebens auf, doch all das ist schon viel zu weit weg. So ist dann letztlich auch der eigentliche Star die absurd hohe Gewalt, mit welcher der Abschaum in einer Flut aus Blut aus den Straßen und Städten gespült wird.
Ideologisch darf man das nicht hinterfragen, denn da lässt sich kaum etwas schön reden, wenn mehrfach betont wird, wie ineffektiv das Rechtssystem ist, wenn Gnade und Resozialisierung keine Option darstellen und wenn Kriminelle lieber an Ort und Stelle gleich hingerichtet werden. Doch so brutal der Film auch ist, in der extrem überhöhten Comicästhetik wirkt das alles nur selten wirklich grausam und kann kaum ernst genommen werden. War Zone versteht sich vielmehr als B-Movie der 80er Jahre, kommt total überzogen und absurd überzeichnet daher und erliegt nicht dem Fehler, die Figur des Punishers allzu ernst zu nehmen, wenn stattdessen genau diese gnadenlose Überhöhung geradezu zelebriert wird. Auch die hochgradig stilisierte Optik ist ein klarer Verweis auf den comichaften Ursprung des Punishers und zugleich eine visuelle Abkehr vom noch halbwegs realistisch gehaltenem Film von Jonathan Hensleigh aus 2004.
Letztlich ist dann War Zone auch stimmiger im Gesamtbild als der tonal doch sehr wankelmütige Vorgänger. Lexi Alexander und ihr Team sind sich völlig im Klaren darüber, was sie da tun, wie sie es tun und was sie wollen. Der Punisher wird hier ernst genug genommen, aber gerade nicht zu ernst. War Zone ist nicht tiefgründig, intelligent oder gar moralisch valide, aber er ist in seinem ureigenem Genre-Verständnis geradezu ehrlich. Dazu ist Ray Stevenson als Frank Castle/Punisher eine hervorragende – meiner Meinung nach die bisher beste – Besetzung und glänzt wortkarg durch grimmigen Stoizismus der ganz besonderen Art, zynisch, skrupellos und brutal effizient in seinem Tun. Und auch das zweiteilige Gegenstück bestehend aus dem gestörten Billy Russoti/Jigsaw und seinem noch viel mehr gestörten Bruder Loony Bin Jim kann mehr als überzeugen, wenn Dominic West und Doug Hutchison in diesem immer weiter eskalierendem Wahnsinn geradezu aufgehen und sich immer wieder gegenseitig in neue Höhen des Irrsinns pushen. Alles in allem ist War Zone eine Mordsgaudi, die moralischen Blickwinkeln zwar zu keiner Sekunde stand halten kann, sich dem aber auch sehr wohl bewusst ist und sich als reine und ursprüngliche Verfilmung einer ultra brutalen Comicreihe sieht. Nicht mehr und nicht weniger.
Nach erneuter Sichtung
Könnte Spoiler beinhalten!!!
Zach und Josh sind zwei ganz normale Teenager, die sich in den 90er Jahren in irgendeiner amerikanischen Kleinstadt mit ihren BMX-Rädern, Videospielen, verschlüsselten Pornos und allerhand anderem Unfug die Zeit vertreiben. Eines Tages jedoch kommt es zu einem äußerst tragischen Unfall, der ihr Leben für immer verändern und ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellen wird.
Es ist ein Unfall, eine Unachtsamkeit, welche den Erwachsenen kaum zu erklären sein wird. Panik wallt auf. Fehlentscheidungen werden getroffen, die alles nur schlimmer machen. Ein Schweigegelübde beschlossen, welches alle schnell überfordern wird. Lügen gebraucht, welche sich nur schwerlich aufrechterhalten lassen. Am Anfang steht ein schrecklicher Unfall, am Ende bleibt nur Wut und Verzweiflung, dazwischen liegen Angst, Misstrauen und Paranoia. Das Erwachsenwerden, welches Regisseur Kevin Phillips seinen Protagonisten mit seinem Spielfilmdebüt in Aussicht stellt, ist wahrlich kein angenehmes, seine Vision eines Coming of Age-Dramas alles andere als freundlich. Die Spirale der Eskalation in Super Dark Times ist – erst einmal richtig in Gang gesetzt – gnadenlos, kann nur in einem furchtbaren Schlusspunkt ihr Ende finden und nimmt in ihrem Verlauf immer mehr Horrorelemente an ohne ins Übernatürliche abzugleiten. Was als Abbild der Pubertät beginnt, das verfällt schon bald in eine bittere Tragödie und nimmt letzten Endes einen Umweg hin zu blankem Entsetzen.
Diese Jugend, vielleicht Anfang/Mitte der 90er Jahre, welche der Film leicht nostalgisch aufarbeitet, die war auch meine Jugend: die Fahrräder, die ersten Heimcomputer, Spielkonsolen, die Langeweile, das ungelenke Auftreten, der merkwürdige Musikgeschmack, das draußen Rumhängen, die dummen Ideen, das waren auch wir. Das Zeitkolorit ist gut getroffen und übertreibt es nicht mit Referenzen und Anspielungen. Phillips nimmt sich Zeit, um Zach und Josh einzuführen und wir lernen sie als typische Teenager kennen, welche in einer Mischung aus orientierungslosem Maulheldentum und schlecht überspielter Unbeholfenheit zwar von sexuellen Abenteuern fantasieren, sich bei ihren scheinbar endlosen Gesprächen über Comics aber doch noch viel wohler fühlen, eklige Essenswetten versuchen durchzustehen um sich untereinander zu beweisen und auf jede Menge dumme Ideen kommen. Die jugendlichen und unverbrauchten Darsteller Owen Campbell und Charlie Tahan sind eine der ganz großen Stärken von Super Dark Times und agieren überwiegend auf einem sehr hohen schauspielerischen Level, so dass sämtliche Charaktere ausgesprochen authentisch wirken und dem Szenario ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit geben. Kevin Phillips beweist ein unglaublich feines Gespür für diesen oftmals so verwirrenden Lebensabschnitt, in welchem sich seine Protagonisten befinden und beleuchtet die Irrungen und Wirrungen der Pubertät äußerst präzise. Tempo und Timing sind nahezu perfekt ausbalanciert und hervorragend auf das Drama zugeschnitten, welches Super Dark Times letztlich ist: mit fortschreitender Handlung wird auch die Atmosphäre immer dichter und düsterer, nur um sich im aufwühlenden Finale eruptiv zu entladen.
Nicht ganz unähnlich und doch Grund verschieden zu Stand By Me ist es die Konfrontation mit einer Leiche, welche die Freundschaft von Zach und Josh zu zerreißen beginnt und sie dazu zwingt, viel schneller erwachsen zu werden, als es ihnen lieb ist, als es gesund ist für sie. Es kommt, wie es kommen muss: das Geheimnis ist zu groß, der Druck auf die Jungs noch größer. Misstrauen entsteht, Paranoia breitet sich aus. Die Freundschaften zerbrechen und aus Opfern werden Täter, der furchtbare Unfall wird andere Tragödien nach sich ziehen. Am Ende haben alle verloren – und zwar sehr viel mehr als nur ihre Unschuld.
Ich bin ein großer Fan von Pacific Rim (2013), denn das Herzensprojekt von Regisseur Guillermo Del Toro hat deutlich mehr zu bieten als einfach nur Spektakel getreu dem Motto „riesige Roboter schlagen noch größere Monster zu Klump“. Die Film gewordene Kindheitsfantasie des Mexikaners hat nämlich etwas zu bieten, dass vielen ähnlichen Blockbustern abgeht: Herz und Seele. Dazu entwirft Del Toro eine ganze Welt voller teils winziger, aber deswegen nicht weniger wichtiger Details rund um die Kaiju, die Jaeger und die Drifts. World building. All das lässt die Fortsetzung Pacific Rim: Uprising schmerzlich vermissen, wenn Del Toro nur noch als Produzent mit an Bord ist und stattdessen Steven S. DeKnight Regie führt, der bisher mit kaum mehr als einer handvoll Folgen für Serien wie Angel, Smallville oder Daredevil aufzufallen vermochte. Gemeinsam mit Drehbuchautor T.S. Nowlin (Maze Runner) verabschiedet sich DeKnight von vielen Elementen des Vorgängers und interessiert sich kaum noch für dessen etablierte Mythologie.
Uprising ist eine in beinahe allen Belangen gescheiterte Fortsetzung, seelenlos, lieblos, blutleer. Von der überbordenden Fantasie eines Del Toro ist hier nichts mehr zu spüren. Keine Magie, kein Zauber mehr, sondern nur noch Figuren vom Reißbrett der Autoren-Hölle, unpassender Humor und eine durchsichtige, vollkommen vorhersehbare und uninspirierte Geschichte irgendwo im erzählerischen Niemandsland zwischen Transformers und Power Rangers, welche dem geneigten Zuschauer zu allem Überfluss die Kaiju viel zu lange vorenthält. Nicht einmal das CGI weiß zu überzeugen, sondern scheint vielmehr seit 2013 Rückschritte gemacht zu haben, und auch auf der darstellerischen Ebene ist da nicht viel zu holen. John Boyega als Filmsohn von Idris Elba macht da noch die beste Figur, kämpft aber auch massiv mit einem selten platten Abziehbild von Charakter, Rinko Kikuchi ist nur kurz zu sehen und Scott Eastwood ist... naja, hübsch anzusehen. Überraschend war da noch die charmante Performance von Cailee Spaeny als junges Technik-Genie Amara Namani und immerhin durften Burn Gorman und Charlie Day als Hermann Gottlieb und Newton Geiszler nochmals auftauchen. Letztlich ist Uprising eine traurige Angelegenheit, welche nur noch selten an den Charme und Reiz von Pacific Rim erinnert und in der Fantasie und Einfallsreichtum höchstens noch kurz aufblitzen.
Könnte Spoiler beinhalten!
Schade, schade da wurde doch viel Potential liegen gelassen. Regisseur Kim Jee-woon (A Tale of Two Sisters, Bittersweet Life, I Saw the Devil) versucht sich hier an einer Realverfilmung des legendären Animes Jin-Roh aus der Feder von Mamoru Oshii. Grundsätzlich ist die zeitliche wie örtliche Verlagerung des Settings von einem fiktiven Japan der 50er Jahre hin zu einem ebenso fiktiven Korea in naher Zukunft kurz vor der Wiedervereinigung zunächst mal interessant, aber Kim Jee-woon nutzt das bei weitem nicht in dem Maße, wie es möglich gewesen wäre. Illang gelingt es über weite Strecken nicht, sich von seiner Vorlage zu lösen, ist phasenweise sehr schwerfällig und behäbig erzählt und vermag erst im Mittelteil ein wenig Tempo und Eigenständigkeit zu entwickeln. Schlimmer noch: vor allem zu Beginn ist der Film Jin-Roh geradezu sklavisch ergeben und betreibt schlimmsten Fan-Service, wenn ganze Szenen 1:1 übernommen und übertragen werden. Dazu erlaubt sich der Film, bestimmte Aspekte des eigentlich ja spannenden und hoch politischen Katz-und-Maus-Spiels zwischen Spezialeinheit, Geheimdienst und Polizeikräfte deutlich früher zu offenbaren, welche in der Vorlage länger verborgen bleiben und die Handlung so etwas undurchsichtiger gestalten. Im Finale dann löst sich Kim Jee-woon vollkommen von Jin-Roh und schlägt eigene Wege ein, indem er das eigentlich bittere Ende der Vorlage nicht nur in ein Happy End umdeutet, sondern gleich auch noch einen finalen Endkampf inszeniert, der grundlegende Aussagen des Animes unterläuft. Illang ist zwar zweifellos und in jeglicher Hinsicht handwerklich absolut kompetent in Szene gesetzt, vermag aber ebenso wenig die Qualitäten seiner Vorlage zu erreichen wie sich weit genug davon zu lösen, um einen gewissen Grad der erzählerischen Eigenständigkeit erlangen.
Mit seinem neuesten Film begibt sich der Waliser Gareth Evans (Merantau, The Raid I&II) nun auf komplett anderes Terrain und nimmt sich dem naturverbundenem Okkultismus-Thriller der 70er an. Bei Evans war ich mir lange nicht sicher, ob er außerhalb seiner bisher angestammten Ecke würde funktionieren können, ausgereizt jedenfalls hat er mit The Raid I&II so ziemlich alles, was das Genre wohl herzugeben vermag, insofern scheint ein Tapetenwechsel sinnvoll. Und tatsächlich kann sich Apostle mehr als nur sehen lassen, besticht vordergründig durch großartige Bildkompositionen und kühle, präzise Bilder in entsättigten Farben, und liefert uns eine packende Geschichte rund um Glauben, Zweifel, Gewalt und Erlösung. Wenn Evans allerdings die Narrative noch etwas mehr im Griff hätte, dann wäre hier vermutlich großes entstanden, denn Apostle verliert sich manchmal ein wenig zu sehr in Nebenhandlungen und Figuren, ohne all seine teils wirklich tollen Ideen auch immer so ganz auszuformulieren und wirkt dadurch stellenweise etwas überladen. Wenn der Film erzählerisch ein wenig fokussierter und inhaltlich etwas kompakter geraten wäre, hätte ihm das vielleicht gut getan.
Dennoch überzeugt Apostle auf vielen anderen Ebenen dafür um so mehr und allein wie der Film sich im letzten Drittel komplett seinem Wahnsinn hingibt, im Blut watet und im Chaos explodiert ist ziemlich toll. Ein paar hübsch kranke und verdrehte Einfälle dürfen auch schön hemmungslos ausgelebt werden und sind visuell durchaus drastisch in ihrer explizit grafischen Darstellung geraten. Dazu gehen der schneidende Score und das dröhnende Sounddesign Hand in Hand mit der dichten wie packenden Atmosphäre und kreieren zusammen immer mal wieder geradezu beklemmend spannende Szenen. Dan Stevens spielt sich hier eigentlich wie immer den Arsch ab und überzeugt durchweg als stoischer Eindringling von außen, doch so richtig begeistert hat mich die sehr einnehmende Performance von Michael Sheen als Prophet Malcolm und Mitbegründer der Gemeinschaft von Erisden sowie das beinahe schon urgewaltig bedrohliche Schauspiel von Mark Lewis Jones als Quinn, der gerade im letzten Drittel so richtig aufdrehen darf.
Unterm Strich ist Apostle eine in kühlen Bildern erzählte und mit gnadenloser Härte wütende Absage an blinde Gläubigkeit, falsche Propheten und dumpfem Mitläufertum, welche mit ein wenig mehr Fokus und einer etwas kompakteren Narrative eine deutlich stärkere Wirkung hätte erzielen können. Deswegen ist Apostle allerdings kaum weniger sehenswert und immer noch ein gelungener, fesselnder und zuweilen drastischer Film rund um die tiefen Abgründe verwirrter wie verzweifelter Seelen.
"I don't like it, I don't agree with it, but I accept it."
Die Produktionsgeschichte rund um Solo: A Star Wars Story hat ja Schlimmstes vermuten lassen: die Gerüchte über einen Schauspiel-Trainer am Set für Alden Ehrenreich, die Entlassung von Phil Lord und Christopher Miller (21/22 Jump Street, The Lego Movie) als Regisseur-Duo, Ron Howard als vermeintliche Rettung in der Not und unzählige Nachdrehs. Dazu kam Solo zu einem Zeitpunkt ins Kino, als zumindest ich noch mit Episode VIII zu kämpfen hatte und noch gar nicht so recht wieder in Star Wars-Stimmung war. Aber rückblickend muss ich zugeben, dass die erwartete Katastrophe letztlich ausblieb. Sicherlich hat Solo mit so manchen Problemen zu kämpfen, wenn gerade das erste Drittel erzählerisch eher holprig und verhalten daher kommt und das Drehbuch von Lawrence und Jonathan Kasdan zu sehr damit beschäftigt ist, all die bekannten Plot-Points der Vita von Solo nach und nach abzuhaken. Das ist Fan-Service der plumpen Art und dazu noch nicht mal immer wirklich zündend.
Es dauert zwar etwas, doch mit dem Einführen neuer, frischer Figuren zieht auch im Film das Tempo merklich an und Solo beginnt sich mehr und mehr von seinem erzählerischen Korsett zu lösen und auf eigenen Pfaden zu wandeln, auf denen dann auch meist dessen Stärken liegen. Ein paar Wendungen gerade gegen Ende sind vielleicht etwas zu viel des Guten, nicht jeder Gag zündet auch, das Finale gestaltet sich als merkwürdig unspektakulär und es braucht seine Zeit, doch letztlich findet Solo seinen Rhythmus und seine Balance und unterm Strich bekam ich ein unterhaltsames, kurzweiliges Gauner-Abenteuer im Star Wars-Universum, welches manchmal mehr Firefly als Star Wars ist. Und der Zug-Heist war wirklich toll inszeniert und Donald Glover als Lando Calrissian mit seiner lässigen wie charmanten Eleganz eine Wucht. Wenn man sich selbst ein wenig von Erwartungshaltungen und dem Star Wars-Universum lösen kann und Solo spätestens ab der Hälfte auch zu sich selbst findet, dann kann das alles schon echt Spaß machen.
Kann Spoiler beinhalten!
"The oldest and strongest emotion of mankind is fear, and the oldest and strongest kind of fear is fear of the Unknown."
Mit diesem Lovecraft-Zitat beginnt The Endless und gibt zugleich ein klein wenig die Richtung vor. Wie auch schon bei Resolution stammen erneut Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt und visuelle Effekte allein aus der Feder von Aaron Moorhead und Justin Benson und dieses Mal spielen sie auch gleich beide Hauptrollen. Wo Resolution buchstäblich noch eine Low-Low-Budget-Produktion war, da ist The Endless nur noch Low-Budget und eine merkliche Steigerung in allen Bereichen. Man könnte den Film vielleicht als eine Art Quasi-Fortsetzung zu Resolution bezeichnen, aber so ganz trifft das nicht den eigentlichen Kern. Eher ist es eine Rückkehr in das von Resolution etablierte Universum, die auch dessen Mythologie aufgreift und weiter ausbaut, wenn es zu Überschneidungen kommt und bestimmte Elemente auch hier eine Rolle spielen. Ich glaube zwar schon, dass The Endless auch gut für sich allein bestehen kann, aber die Kenntnis von Resolution erhöht zweifellos sowohl Verständnis (beider Filme) und Sehvergnügen und potenziert den Mindfuck.
Erneut ist die Inszenierung von Moorhead und Benson in jeder Hinsicht makellos und The Endless ist auf der erzählerischen, visuellen und akustischen Ebene absolut fantastisch, unglaublich kreativ, enorm einfallsreich und zeugt abermals von großem Selbstbewusstsein. Sie haben eine klare künstlerische Vision und wissen diese auch gekonnt umzusetzen. Zwar ist The Endless zugänglicher und strukturierter als Resolution, deswegen aber keineswegs weniger faszinierend oder packend und setzt einen potentiellen Schlusspunkt, welchen der Vorgänger noch konsequent verweigerte. Die Atmosphäre ist enorm dicht und die Geschichte entfaltet schnell einen stark einnehmenden Sog, wenn Stück für Stück das rätselhafte Geheimnis rund um Camp Arcadia entschlüsselt wird. Zunächst erweckt es noch den Anschein, als würden Moorhead und Benson kaum mehr als eine weitere Geschichte rund um eine Sekte erzählen wollen. Die falsche Fährte ist zwar eher schnell entlarvt, so ganz lässt The Endless die Katze jedoch erst im letzten Drittel aus dem Sack, dreht dann allerdings dafür nochmals so richtig auf, suhlt sich genüsslich im unerklärlich Übernatürlichen und spielt unheilvoll mit der diffusen Angst vor dem Unbekannten.
Der famose Score stammt aus der Feder von Jimmy LaValle und dessen Projekt The Album Leaf und unterstreicht zusammen mit einem tollen Sounddesign ganz wunderbar diese schwammige, rätselhafte und permanent unterschwellig bedrohliche Atmosphäre, welche The Endless auszeichnet. Auch das Schauspiel von Moorhead und Benson ist überraschend gelungen und intensiv geraten, wenn diverse Konflikte glaubwürdig dargeboten werden. Die besonders im Finale jedoch eher dürftigen Spezialeffekte sollte man den beiden jungen Filmemachern dann aber vielleicht etwas nachsehen, arbeiten sie immerhin mit extrem niedrigen Budgets und beweisen Film um Film aufs Neue ihr unglaubliches Talent, immer wieder Beachtenswertes daraus zu erschaffen. Resolution ließ bereits ordentlich aufhorchen, doch The Endless ist eine wahre Perle im Mainstream fernen Independent-Kino wie sie nur selten zu finden ist und Moorhead und Benson empfehlen sich nun endgültig für Größeres. Man darf gespannt sein, was da noch alles kommen mag.