Noergolas - Kommentare
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Alle Kommentare von Noergolas
[...] Der zweite Akt beginnt, und mit ihm ein gehetztes Schaulaufen unzähliger (Neben-)Figuren. Zuweilen sympathisch, aber auch etwas zu angestrengt auf die eigene Verkultung schielend, lädt der Film hier zum verspielten Selbstbezug und lässt seine Figuren das eigene Franchise infiltrieren. Im Rahmen des Marvel Cinematic Universe öffnen sich einmal mehr neue Türen zum irrwitzigen Comic-Wahnsinn. Dieser entspringt aber nicht einer Ausgelassenheit ob der unbegrenzten Anzahl an Möglichkeiten, sondern steht stets nur im Dienst umständlicher Plot-Verzweigungen. Avengers: Endgame ist genau das, was er sein möchte – der ultimative Film für die Fans – aber an seinem eigenen Einfallsreichtum scheint er selten Spaß zu haben. [...]
[...] Laut quietschende Drehbuchscharniere aber bringen eine jähe Dissonanz in diese wenigen Momente von Größe und Klarheit. Die Handlung des Disney-Originals wird von Qualitätsliterat Ehren Kruger (Transformers 2-4) zur hundertfach gesehenen Abhandlung über kommerzielle Hybris und familiären Zusammenhalt aufgeblasen, die sich nur mit ihrer kompromisslosen Empathie für Zirkustiere als konsequente, auch durchaus notwendige Weiterentwicklung behauptet. Die Darsteller chargieren hilflos, die großen Gefühle werden (nicht erfolglos) dem niedlich getricksten Elefantenbaby überlassen. Burtons ungebundener Stilwille, sein Drang Geschichten zu erzählen und Bilder zu erschaffen, die einer inneren Notwendigkeit entspringen, ist hier nur noch selten zu spüren. Dem gleißenden Sonnenuntergangslicht gleich, das rücksichtslos jedes zweite Bild des Films durchflutet, ist eine besorgniserregende Routine in Burtons Schaffen eingefallen, auch ein ästhetischer Schematismus, der seinen unverkennbaren visuellen Stil nicht länger Substantielles erzählen, sondern nur noch schale Selbstreferenzialität ausstellen lässt, ihn als Gimmick, Erkennungsmerkmal, hübschen Oberflächenreiz begreift. [...]
Ich fange immer fast an Zack Snyder zu mögen, aber dann höre ich ihn selbst über seine Filme reden.
Wenn Fritz Honka am Ende des Films von Polizisten in Handschellen gelegt und aus dem Bild gezerrt wird, sucht er die Kamera, wirft einen hilfesuchenden Blick in den Zuschauerraum - diese aufgeräumte Welt, die so fern erscheint, obwohl sie nur durch eine Leinwand von der seinen getrennt ist. Dieses Durchbrechen der vierten Wand ist ausnahmsweise nicht als platter Appell zur Selbstreflektion zu verstehen, sondern als Sehnsuchtsblick der Figur selbst, die erkennt, dass sie eingesperrt ist in den theatralisch anmutenden Studiobauten und versifften Wohnzimmern dieser Filmwelt. Eine moderne Horrorfigur, die aus ihrem eigenen Horrorfilm auszubrechen versucht hat und nun realisiert, dass sie gescheitert ist. Denn der perspektivlose Blick aufs Leben, der Horror des Goldenen Handschuhs, lauert in Fatih Akins Film nicht nur hinter faulzahnigen Fratzen und unter Bergen von Zigarettenasche, sondern ist schon längst eingezogen in den gediegenen Alltag, in den Honka sich zwischenzeitlich zu flüchten versucht. Akin inszeniert Honka als abscheulichen Protagonisten eines Gruselmärchens, dessen Tragik nie betont werden muss, sondern die sich wie von selbst ergibt, wenn man ihn motiviert bei Frühstückskaffee und Eierbrot in der Küche sitzen sieht, während im Nebenzimmer Leichenteile verwesen. Akins Film verachtet oder bemitleidet nicht, er stellt nur fest, bildet ab, zeigt, was nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist. Das macht ihn am Ende, trotz vieler Anklänge dunklen Humors, zu einer niederschmetternd hoffnungslosen Erzählung.
[...] Die gestählten Körper der einstigen Kontrahenten sind vom Alter gezeichnet, hinter müden Blicken lodert aber immer noch Kampfeslust. Zumindest legt Stallones und Lundgrens einzige gemeinsame Szene, ein grimmiges Gespräch im "Adrian's", das nahe. Das heimelige Restaurant wird zum Schauplatz des erneuten Aufeinandertreffens der Giganten, der ergraute Ivan ein Vorbote der blanken Gewalt, die im Boxring darauf wartet, entfesselt zu werden. Betreten wird der aber von Söhnen, die ihrer Väter Konflikte auszufechten bereit sind. Beide aus unterschiedlichen Gründen, aber im Irrglauben verbrüdert, es ihrer Väter wegen tun zu müssen. Vielleicht hat der Live-Kommentator gar nicht so unrecht, wenn er hier von Shakespeare spricht. [...]
[...] Adam McKay gelingt es nicht, ein glaubhaftes Interesse für die Figuren aufzubringen, von denen er erzählt. Als würde er sich nur mit schlechten Witzen aus der Unmenschlichkeit ihrer Taten zu entwinden wissen, bläst er seinen Film immer wieder zur ironisierten Groteske auf. Die ist aber nie komisch, sondern stets nur ein befremdliches Vakuum aus wirr zirkulierenden Bildfragmenten, das sich allem Menschlichen entsagt zu haben scheint. Die Liebe zu seiner Ehefrau Lynne, die aber stets nur Anhängsel sein darf, könnte die treibende Motivation hinter den politischen Übeltaten gewesen sein, legt der Film nahe. Das Bedauern selbstverschuldeten familiären Versagens möchte man in Cheneys Gesicht ablesen, wenn er die Entzweiung seiner Töchter im Fernsehen mitverfolgt. Die wenigen Ansätze inhaltlicher Auseinandersetzung mit den Menschen seiner Geschichte aber werden erdrückt von McKays belehrend anmutendem Sarkasmus und Faible für Kostüm- und Perücken-Ulk. [...]
[...] Mit Traumata auf sich allein gestellt zu sein, ist ein Kraftakt, den zu bewältigen in sich schon eine Heldentat bedeutet. Seine schönsten Momente gelingen Glass dahingehend in der Wiedervereinigung von Kevin und Casey (Anya Taylor-Joy, Split). Trost, vielleicht auch Erlösung, scheint in Shyamalans Superheldenuniversum nur zwischen Figuren möglich, die dazu gezwungen sind, im gemeinsamen Schmerz die stärkste menschenmögliche Bindung auszumachen - während die Welt um sie herum, und dort entwickelt der Film seine Vorgänger vielleicht etwas zu überdeutlich weiter, stets nur darum bemüht scheint, sie ihrer wahren Identität zu berauben. [...]
In Bumblebee gibt es nichts Neues zu entdecken. Die aus vergleichsweise besseren Filmen entlehnte Beziehung von Kind zu Alien, das es vor der Familie zu verstecken und gegen bösen Regierungsmenschen zu verteidigen gilt, ist der zärtlich brummende Motor der Geschichte. Die Freundschaft zwischen Charlie und Bumblebee entwickelt sich zur emotionalen Beziehung gegenseitiger Abhängigkeit, die der Film ernst nimmt und die ihn in Momenten, in denen das Spektakel droht überhand zu nehmen, immer sanft auffängt. Das Drumherum, eine Klischee-Melange aus trivialen Figurenschicksalen, albernen Popkultur-Referenzen und wenig interessanter Action, ist fast vergessen, wenn Bumblebee sein Gesicht in Hailee Steinfelds Hand vergräbt. Der chaotische, tonal stets unberechenbare Wahnsinn Michael Bays weicht kaum origineller, aber zumindest warmherziger Spielberg-Emulation. In Bumblebee gibt es nichts Neues zu entdecken. So richtig böse sein kann man deswegen nicht.
Christopher McQuarrie schöpft so beherzt aus dem visuellen und thematischen Fundus von Christopher Nolans Batman-Trilogie wie zuletzt vielleicht Sam Mendes in Skyfall: Stürme ziehen auf, Autotunnel werden zum Schauplatz bleihaltiger Evakuationen, Hauptprotagonist Ethan Hunt operiert an den Grenzen seiner körperlichen und moralischen Grenzen. Nach dem operettenhaften Vorgänger injiziert Mission: Impossible - Fallout nun Ernst und Epik in die Reihe, was sich bereits in Lorne Balfes leichter Variation des weltbekannten Musik-Themas ankündigt. Der fast schon unverschämt exzessive Film ist ein schweißtreibendes Actionkonzentrat, die waghalsigen Stunts und Setpieces von noch nie dagewesener Ambition. Hier handelt es sich um absolut virtuoses Überwältigungskino, das es nur noch zu erleben und mit perverser Faszination zu bestaunen gilt. Neben Brad Birds Beitrag sicherlich der bisherige Höhepunkt der Reihe.
Schreckensbilder und -situationen aus ihrem jeweiligen Kontext zu lösen, sie in ihrem nachgestellten Arrangement zu begreifen und zu verarbeiten – das hat Ari Aster sich in seinem Regiedebüt zum Thema gemacht. Eingerahmt von klugen, dieses Motiv schaurig visualisierenden Kamera-Spielereien erzählt er in Hereditary von der teuflischen Abwärtsspirale familiären Versagens, aus deren radikaler Zuspitzung sich nur noch die Beschwörung eines Höllengotts als logisches Happy End ergeben kann. Aster stellt abscheuliche Dinge mit seinen Figuren an, zermürbt und zerstückelt sie bis an die Grenze des aushaltbaren Sehgenusses, pervertiert ihren Heilungsprozess mit leidenschaftlicher Häme. Der Umschlag in okkulten Trash bricht so weniger mit der psychologischen Bodenhaftung der ersten Hälfte als dass er sie konsequent zu Ende denkt. Schade, dass so viele Zuschauer ihm dorthin nicht folgen wollten. Einen schockierenderen, gruseligeren, schlichtweg böseren Film hat es dieses Jahr nicht gegeben.
Todd Haynes' Kino der Blicke findet dort zu sich selbst, wo die Sprache wortwörtlich verschwindet und die ausdrucksvollen (Kinder-)Gesichter nur noch von Musik begleitet und unterstützt werden. Der hierzulande leider nur über Amazon veröffentlichte Wonderstruck gleicht einem zauberhaften Tagtraum, der seinen Figuren abwechselnd durch kräftige und farblose Bilderwelten folgt, ein bewegendes Generationsdrama entwirft, dem Stummfilm auf kongeniale Weise huldigt und am Ende - und damit spiegelt er ironischerweise Hereditary, den bösesten Film des Jahres - im liebevollen Arrangement von Puppen und Modellen eine sanfte Katharsis und Aufarbeitung der Vergangenheit ermöglicht. Eine musikalische Odyssee zwischen Carter Burwell und David Bowie, ganz ohne falsche Gefühle.
Nach außen von massiger Präsenz, nach innen nur noch eine lose Ansammlung düsterer Gedankensplitter: der brillante Joaquin Phoenix als Joe. You Were Never Really Here mag sich einer bewährten Plot- und Figurendynamik bedienen, durch Lynne Ramsays behutsame Inszenierung aber, die vor allem durch kluge Auslassungen besticht, entwickelt der Film eine ganz eigene Sogkraft; ein Gefühl für Zärtlichkeit und Brutalität gleichermaßen. Gerade für letztere findet Ramsay verstörende Bilder der Auswirkungen, ohne den Gewaltakt selbst dabei je zu zeigen. Inmitten all dieser blutigen Hammerschläge gelingen ihr aber auch immer wieder Momente großer Fürsorge, unter anderem das tragischste musikalische Duett des Jahres. Ein freigelegter Nerv von Film, der seine Hauptfigur lehrt, nicht im Tod nach Trost zu suchen - sondern die Kraft zu finden, immer weiterzumachen.
Wie es Alfonso Cuarón immer wieder aufs Neue gelingt, seinen Formalismus ganz ungeniert auszustellen und damit trotzdem nicht zu nerven, ist ein kleines Wunder. Vielleicht liegt es daran, dass er auch in Roma - der mit wunderschöner Schwarz-Weiß-Fotographie und komplexen Plansequenzen gefallen möchte - diesen Technizismus nicht um seiner selbst Willen geschehen lässt, sondern in den Dienst nicht weniger komplexer Figurenschicksale und -konstellationen stellt. Der Film sträubt sich gegen eine plumpe Erzähldramaturgie und lässt zwei emotionale Schlüsselmomente so plötzlich ins Bild krachen, dass sich einem die Kehle zuschnürt. Abseits dieser Zuschaueroffensiven profitiert der Film dabei einmal mehr von Cuaróns großer Detailverliebtheit, durch die sich seine Welt mit beinahe spielerischer Beiläufigkeit im Hintergrund wie von selbst zu erschaffen scheint.
Wie sich Luca Guadagnino in diesem üppigen Wunderwerk an Argentos Klassiker des Horrorkinos annähert, ihn adaptiert, aufbricht, umkehrt, erweitert, pervertiert, und gleichzeitig sehr liebevoll referenziert, sucht im oft sinnlosen Remake-Irrsinn der Gegenwart seinesgleichen. Suspiria (2018) ist völlig regelbefreites, ausuferndes Filmemachen, zugleich herrlich altmodisch und verunsichernd modern, ein wüster und wunderschöner Albtraum voller umherwirbelnder Körper und brechender Knochen. Nicht ganz der beste, mit Sicherheit aber der meiste Film 2018 - im bestmöglichen Sinne.
Christian Petzold dreht seit jeher Filme über Gespenster. In Transit verortet er Anna Seghers' gleichnamigen Roman aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs in eine fiktionalisierte, politisch undefinierte Gegenwart. Die Schauplätze sind Paris und Marseille, aber inszeniert werden sie nur als Zwischenwelten voller verwinkelter Geisterstraßen, als Sammelort für verlorene, ziellos umherstreifende Seelen. Inmitten dieser Perspektivlosigkeit: Franz Rogowski, das neue Gesicht deutscher Melancholie, auf der Straße ins Nirgendwo. Von Matthias Brandt lässt der Film aus dem Off von flüchtigen Begegnungen berichten, stets der unzuverlässigen Natur des Erzählens gemahnend, wenn Bild und Voice-Over plötzlich im Widerspruch münden. Es wird gelitten, geliebt, geraucht und gestorben. In der Schlusseinstellung bleibt nur endloses Verharren. Und die Erinnerung an Petzolds bisher vielleicht schönsten Gespensterfilm.
[...] Die Filme des DCEU tun weiterhin gut daran, in Bilderwelten vorzustoßen, die sich in ihrer digitalen Eigenwilligkeit mehr in Gefilden teuren Edeltrashs als am Standard des modernen Blockbusterkinos bewegen. In den fluoreszierenden Weiten und schillernden Hallen des Unterwasserkönigreichs Atlantis, durch die silbriges Sci-Fi-Gefährt und allerlei mobilisierte Meereskreaturen strömen, erschaffen die Effektkünstler des Films eine Welt, die vom ersten Anblick an vom Exzess zeugt, den James Wan im Folgenden zu entfesseln gedenkt. Die Stärke der DCEU-Beiträge scheint mittlerweile darin gefunden, den gestalterischen Einfallsreichtum der ihnen zugrunde liegenden Comicbücher, samt Idiosynkrasie und Idiotismus, ohne einen Hauch von Scham ins Medium Film zu übersetzen. [...]
01. Half-Blood Prince
02. Deathly Hallows: Part 1
03. Prisoner of Azkaban
04. Order of the Phoenix
05. Deathly Hallows: Part 2
06. Chamber of Secrets
07. Philosopher's Stone
08. Goblet of Fire
Die Eröffnungsszene aus John Woos Windtalkers ist berauschend. Auf den sonnendurchfluteten Prolog, der den Navajo und "Codetalker" Ben Yahzee (Adam Beach) einen Bus besteigen und in den Krieg ziehen lässt, folgt die Einstellung einer Libelle auf den sanften Wogen eines Teichs. Ein Bild von trügerischer Idylle, das es zu zerstören gilt: Erst mischt sich ein roter Blutnebel in die Strömung, dann treibt der zerfetzte Kadaver eines Soldaten vorbei, schließlich drängt sich der feuerspeiende Lauf eines Maschinengewehrs ins Bild. Was folgt, ist ein Inferno apokalyptischen Ausmaßes: Feuerbälle, die den Dschungel verschlingen. Ohrenbetäubende Explosionen, die menschliche Körper in Stücke reißen. Und mittendrin: wilde, schmutzige, schreckverzerrte Gesichter.
Eines dieser Gesichter gehört Joe Enders (Nicolas Cage), der das Gemetzel als einziges Mitglied seiner Soldatentruppe überlebt - schwer verwundet und mit der Gewissheit, dass er seine Brüder im Kampfe hätte retten können, wenn er militärische Befehle nicht über Menschenleben gestellt hätte. Das Sterben seiner Kameraden, die ihn mit ihren letzten Atemzügen noch verfluchen, ist ein sinn- und ehrloses Sterben, frei von Glorie und Heldentum. Die nüchterne Erbarmungslosigkeit dieser Auftaktsequenz bleibt unerreicht im Rest des Films, der mit ihrem Ende - und damit eigentlich erst dem Anfang der Geschichte - bereits alles über Krieg gesagt hat, was es zu sagen gibt. [...]
Es ist schwer, ein Kolonialist zu sein.
Eine Verschnaufpause – sehr viel mehr musste der erste Ant-Man seinerzeit nicht sein, um den erstickenden Dimensionen des zweiten Avengers-Abenteuers entgegenzuwirken. Eine Rechnung, die für Marvel scheinbar aufgegangen ist. Auch die Rückkehr von Ant-Man, dieses Mal mit weiblichem Pendant The Wasp an seiner Seite, ist ein Luftholen nach (und vor) dem Finale, das sich weitestgehend von den Kontinuitätszwängen seines filmischen Universum freimacht. Pflichtschuldige Verbiegungen, um sich möglichst konform in die bestehende Reihe einzufügen, weichen der losgelösten wie attraktiven Idee, eine lockere Superheldenkomödie zu erzählen, in der alle paar Minuten etwas Großes klein und etwas Kleines groß wird. Und in der Paul Rudd mal wieder Paul Rudd spielen darf.
Ein geglücktes Unterfangen, auch wenn die Fortsetzung ein Problem ihres Vorgängers übernimmt und sogar intensiviert. Während alle Figuren, darunter gleich drei Widersacher, für das Finale in Stellung gebracht werden, erstickt die erste Filmhälfte beinahe an ihrer Redseligkeit. Immerzu finden sich die Figuren in Situationen wieder, in denen sie sich gegenseitig ihre Motivation erklären, von ihrer Vergangenheit berichten oder über komplizierte Technologie fachsimpeln. Selbstverständlich sind diese Momente von Humor durchsetzt, den Rudd und seine Co-Stars durchaus zu liefern imstande sind, aber trotz des harmonischen Zusammenspiels bildet sich dabei keine Dynamik heraus, die Geschichte bleibt gefühlt bis zum Beginn des dritten Aktes in den Startlöchern hängen.
Erst wenn im überbordenden Finale alle Fäden zusammenlaufen, triumphiert der Film. Peyton Reed versteht Actioninszenierung nicht als Aneinanderreihung standardisierter Spektakelbilder, sondern wahrt das schmale, figurenorientierte Ausmaß seines Vorgängerfilms. Das Tempo ist flott und die Bilder ertrinken nicht im Wust digitaler Wundertaten, sondern erfreuen mit Bodenhaftung und sauberen Farben. Die Rolle des Überbrückungsfilms wird hier mit großer Hingabe und irgendwann auch Ausgelassenheit gespielt – und das Ergebnis ist luftiges Sommerkino. Nie ein großer, aber zumindest ein kleiner Spaß – ganz im Sinne seiner Superhelden.
Also doch Geschwister???
[...] Einigen dem Genre scheinbar inhärenten Klischees, schwule Perspektive hin und her, kann sich der Film dabei nicht entziehen - der Plot um Erpressung und die Liebeleien innerhalb von Simons Freundeskreis wirken schon reichlich routiniert. Dass seine Coming-Out-Erfahrung als weißer, durchaus beliebter Wohlstandsbursche (an den Nick Robinson entsprechend seinen athletischen Körper und sein keimfreies Gesicht verleiht) eine privilegierte ist, stößt zuweilen etwas sauer auf, wird vom Film aber auch klug auf den eigenen Diskurs um Angst und Ausgrenzung angewendet. Letztere äußert sich nicht nur in den Verhöhnungen homophober Mitschüler, sondern auch in ahnungslosen Witzeleien des eigenen Vaters oder Lügengeschichten der Mutter über imaginäre Freundinnen, wie Simon im Gespräch mit dem einzigen offen schwulen Jungen an seiner Schule erfährt. [...]
[…] Die mit unermüdlicher Leidenschaft für den ganz großen Pathos inszenierten Bilder strafen die Geschichte Lügen, wenn Soldaten wegen ihrer Starrköpfigkeit in Blutlachen liegen, noch bevor eine humane Konfliktlösung überhaupt erst zustande kommen konnte, und Sean Connery dem Schurken ins Gesicht sagt, dass Patriotismus die Tugend der Bösartigen ist. Für die Anzugträger, die Telefonate führen und Knöpfe drücken, hat dieser Film keine Sympathien übrig – vor allem aber nicht für ihre Politik, unter der alle Figuren zu Opfern werden, ob nun Geisel oder Geiselnehmer. Dieser bittere Zynismus, ironisch herausgekehrt durch Bays üppigen Einsatz von pathetischen Zeitlupenbildern, erreicht seinen Höhepunkt, wenn am Ende auch noch in den Reihen der Bösewichte Zwist aufflammt. Wie nah am Abgrund muss dieses Land stehen, wenn noch nicht mal mehr Schurken an ihre Überzeugungen glauben, sondern gegen Geld für Massenmord bereit sind? Natürlich ist Bay nie ein Autorenfilmer gewesen, und es ist anzuzweifeln, ob er in The Rock je mehr gesehen hat als eine Verkettung spektakulärer Set-Pieces. Aber dieser Film hat spürbar Wut im Bauch. Wut auf das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, dem Bay in seinen späteren Filmen so treu ergeben ist. Es handelt sich bei The Rock also tatsächlich um seinen besten Film, woran aber natürlich auch Sean Connery, Ed Harris und eine gesunde Portion wohltemperierter Cage-Crazyness ihren Anteil haben. Wenn Bay jemals Bae war, dann hier. […]
[…] Drei Jahre zuvor mag ein US-Bürger with the power of Aerosmith den Planeten gerettet haben, am Ende von Armageddon stand aber nicht zwingend ein nationaler Sieg, sondern sogar eher ein menschlicher – ein beinahe schon humanistischer Optimismus, der in Bays Karriere einzigartig bleiben sollte. Auch am Ende von Pearl Harbor steht, so bitter er vom Tod einer seiner Hauptfiguren auch gezehrt sein mag, ein Sieg. Nur dieses Mal handelt es sich um einen vergifteten und blutgetränkten. Drittelt man den Film in jede seiner sehr langen Stunden, so ist der erste Teil größtenteils nur Liebesgeplänkel vor Sonnenuntergangskulisse, mit dem der vergebliche Versuch einhergeht, ein love triangle zu entwerfen, in dessen Ausgang der Zuschauer emotional zu investieren bereit ist. Miteinander geschlafen wird bei Kerzenlicht hinter weißen Seidenvorhängen, Liebesbriefe zur heraufspritzenden Gischt am Strand gelesen, Blicke mit gequälter Schmachtmiene in die Ferne geworfen. Es ist ein einziger Graus. [...]
[...] Immerhin gelingen inmitten des Effektgewitters zumindest kleine denkwürdige Momente, nicht zuletzt mit John McClanes rätselhaftem Blink-and-you-miss-it-Gastauftritt. Eine wirklich abstoßende Qualität entwickelt der Film tatsächlich erst in seinem letzten Drittel, wenn er sich mithilfe der Japaner, deren Dämonisierung er bis dahin peinlichst vermied, ein Feindbild konstruiert und der militärische Rückschlag Amerikas zum todbringenden Triumph einer ganzen Nation wird. Patriotische Selbstertüchtigung, die den Krieg, zu dem der Film bis dahin ein zwiespältiges Verhältnis aus Verdammung und Verherrlichung pflegte, endgültig zu einer glorreich gerechtfertigten Mannestat erhebt. Sehr viel schlimmer sollte das Kino von Michael Bay in folgenden Jahren nicht mehr werden. [...]
Anders als noch Colin Trevorrow hat J.A. Bayona ein wahnsinnig gutes Gespür dafür, seine Dinosaurier in Szene zu setzen. In den Schauplätzen, Situationen und Lichtverhältnissen von Jurassic World: Fallen Kingdom erscheinen sie uns als überlebensgroße Wandschatten oder schemenhafte Umrisse in Blitzlicht und Feuerqualm, gleichermaßen erhaben und mystisch. Er inszeniert sie als Horrorkreaturen, aber nichtsdestotrotz aus einem (verschreckten) Staunen heraus. Als könnten wir diese Geschöpfe gar nicht anders begreifen als mit einer Mischung aus der ehrfurchtgebietenden Ekstase des ersten und grauenerregenden Panik des zweiten Spielberg-Films. Ähnlich wie damals The Lost World erzählt Fallen Kingdom von einem eingerissenen Traum, aus dem sich folgerichtig ein neuer erheben muss. The kingdom is dead, long live the kingdom. Verlagert wird die Geschichte hierzu in den kleinsten Spielraum aller bisherigen Jurassic-Filme, zumindest nachdem etwas konfus und spektakellastig mit dem direkten Vorgänger aufgeräumt wird. Der Horror der eigenen Kreation lauert jetzt nicht mehr zwischen Blättern und Bäumen, sondern in grell ausgeleuchteten Kerkern und heimeligen Hotelfluren. Dass sich die dort hindurchflüchtenden Menschen nie blöder verhalten haben, ist vergessen, wenn im Finale der Regen zu fallen beginnt. Dann zerstampft die neue Gruselzucht das Kinderzimmermobiliar und auf dem Hausdach erhebt sich eine in Mondlicht getauchte Dino-Silhouette. Welcome, uh, to Jurassic World.