Rocket Man - Kommentare

Alle Kommentare von Rocket Man

  • 8 .5
    Rocket Man: Filmtoast 06.11.2016, 00:04 Geändert 30.11.2016, 07:11

    - The Tree of Life-

    --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
    Zeitebene 1 (Vergangenheit):

    Um das 1535 reist ein spanischer Konquistador zusammen mit einem Priester und einem Dolch, der auch als Landkarte dient, in das Dschungelgebiet der Mayas, auf der Suche nach dem Baum des Lebens. Er ist auf der Suche nach der Möglichkeit, seine geliebte und wunderschöne Königing zu retten und auf ewig mit ihr zusammen leben zu können.

    Hier besticht Arronofski gerade durch die dunkel-düsteren/mittelalterlichen Elementen, die sich im Bild und Dialog wiederfinden. Die Dialoge, der er zusammen mit der Königin führt sind auf immens hohem Niveau, voller Metaphorik und gut pointierten Aussagen. Hier spielt eine große Sehnsucht, aber auch eine übliche Verwirrung mit rein. Dazu später mehr.

    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
    Zeitebene 2 (Gegenwart):

    Tom und Izzi befinden sich in der Gegenwart. Tom ist wissenschaftler, glücklich verheiratet mit Izzi Ceo und unerbittlich auf der Suche nach Heilung.
    Seine Frau hat einen Hirntumor und er sieht sich aufgrund dessen dazu bestimmt, mit allen Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen, das Leben seiner Frau zu retten. Dabei nutzt er jede Sekunde, die er entbehren kann. Izzi ist schon lange dabei ein neues Buch zu schreiben, dass den Namen 'The Fountain' trägt. Schon bald wird sich Tom auch in dieser sehr verzwickten und Bildgewaltigen Geschichte wiederfinden.

    Auch hier finden sich einzigartig trübe und dunkle Bilder, die die Krankheit von Tom's Frau und ihren baldigen Tod in den Vordergründ rücken.

    --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
    Zeitebene 3 (Zukunft):

    Spielt in der Zukunft und zeigt einen Mann in einer runden Kugel, die allem Anschein nach einen Stern in den weiten des Universums darstellen soll.
    Alles, was im Inneren der Kugel vorzufinden ist, ist Gestrüp, Wasser und ein Baum.
    Diesen Baum begleitet Tom in der Zukunft an einen Ort der Wiedergeburt.
    Der Baum stellt dabei eine Frau dar, die Tom an jenem Ort wieder zum Leben erwecken möchte um mit ihr leben und sie wieder lieben zu können.
    Bis in die Zukunft sind 500 Jahre vergangen, in denen Tom keine Antworten bekommen hat. Er jetzt offenbaren sich ihm die Antworten. Daraus ergibt sich das Verlangen danach, an jenen geheimnisvollen Ort zu reisen um das Leben seiner Frau zu retten.

    Hier überzeugt der Film durch stilvolle visuelle Bilder, die so noch nie gesehen worden sind.

    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

    Eine klare Struktur ist nach dem Sehen und auf sich wirken lassen erstmal schwer erkennbar. Grundsätzlich ist es wie gewohnt sehr schwer das Werk von Arronofski zu verstehen und zu deuten. Aber genau das macht den Film auch so außerordentlich spannend und außergewöhnlich.
    Wiederkehrende Symbole sind der Ring, den Tom von der Königin bekommt, der Baum des Lebens, der in jeder Zeitebene entweder gesehen oder auch blos beschrieben wird und die Sternenkonstellation, die vorallem in Tom's Arbeit (Gegenwart) und in im Universum (Zukunft) sichtbar wird.
    Aber nicht einfach nur die drei Zeitebenen verwirren, sondern auch die Verknüpfung bereits gesehener Szenen und Elemente, die immer wieder auftauchen und sich die Handlung mit Hilfe derer verknüpfen und einordnen lässt.
    Das Erlebnis dabei ist es zu deuten, zu raten und zu finden, weshalb ich meine Vermutungen oder meine eigene Sichtweise nicht in den Vordergrund stellen möchte.

    Was ist ewiges Leben? Und wer will ewig Leben? Im Vordergrund jeder Epoche merkt man die Angst vor dem Tod und einem möglichen Untergang. Das ist immer spürbar. Worin liegt das ewige Leben? In Wiedergeburt? In der Bestätigung des Todes? Fragen, die der Film stellt und es unseren Köpfen überlässt zu entscheiden und uns damit auseinanderzusetzen.

    Es ist ein Drama, dass vollkommen in Science-Fiction-Elemente eingebettet ist.
    So gibt es unglaublich facettenreiche Bilder und Konstellationen, die man noch nie gesehen hat und die vor künstlerischer Finesse und detailliertheit ganz klar aus der Hand von Darren Aronofski stammen müssen. Was er hier auf den Bildschirm zaubert ist schlicht unglaublich. Oft habe ich mich gefragt, was soll das? Wieso? Weshalb? Warum?
    Nach einem kurzen Moment des nachdenkens, nachdem ich eine kleine Pausen gemacht habe, erschloss sich mir allemal so einiges, was dem Verständnis auf die Sprünge half. Dass ich alles verstanden habe, bezweifle ich dennoch ganz stark.
    Dafür müsste ich ihn sehr wahrscheinlich nochmal sehen.

    Der Soundtrack ist genauso mysthisch, wie die ganze Geschichte. Es gibt zwar auch eine Zeitebene, die in der Gegenwart spielt, dennoch wird auch sie, durch das Buch, dass Izzy schrieb, genauso zu einem Teil der anderen Geschichte.
    Aber das ist genug Verwirrung für diesen Moment. Das muss jeder selbst sehen und erleben. Ich denke, jeder, der ''The Fountain'' sieht, sieht und nimmt etwas anderes darin wahr. So kann man sich wunderbar ergänzen.

    Rachel Weisz und Hugh Jackman sieht man die Mühe und Begeisterung in ihren Rollen sehr schön an. Hugh Jackman in seiner definitiv außergeöhnlichsten und fast stärksten Rolle und Rachel Weisz in einer ihrer facettenreichsten Rollen seit je her. Man sieht in sehr gerne zu und es verblüfft mich zuweilen etwas. Normalerweise erzählen mehrere Filme über mehrere Zeiten. Hier wird in 98 Minuten von drei verschiedenen Zeiten erzählt, was mit einer brillianten Charakterdarstellung der zwei Schauspieler verbunden ist. Das haben sie gut gelöst.

    Da ist Darren Aronofski wieder ein Werk gelungen, dass sehr schwer zu durchschauen ist, aber von Liebe, Verlust und der Frage nach dem ewigen Leben, erzählen möchte. Visuell einzigartig, storytechnisch nie dagewesen.
    Danke Darren Aronofski ♥

    12
    • 10
      Rocket Man: Filmtoast 01.11.2016, 16:58 Geändert 01.11.2016, 20:28
      über Maggie

      -Ein Bad aus Margeriten-

      Ich möchte mich in meinen Tränen und Gefühlen suhlen, die ich vergoss, während ich ''Maggie' sah. Ich möchte mich in ein Bad aus Margariten liegen und meinen Gefühlen freien lauf lassen. Dort draußen in der unendlichen Schönheit der Natur möchte ich liegen und es genießen einmal alles raus zu lassen. Ich möchte die Luft schmecken, die Natur riechen, sie genießen, die Blätter im Wind wehen sehen und die wundervollen Margariten bewundern, wie sie still und friedvoll dort auf der Wiese sind. Ich möchte sehen, wie sie wachsen und gedeihen. Wie sie zu etwas werden, was wunderschön ist. Wie sie zu etwas werden, dass nicht schön, nicht wunderbar, sondern viel mehr ist, als nur das.
      Ein Gefühl von Schönheit und Gelassenheit soll meinen Körper erfüllen.
      Ich möchte etwas spüren, dass mich Leben lässt und ich vergessen kann, was Trauer anrichtet, was sie in mir anrichtet und dass ich etwas von dieser seeligen Ruhe verspüren möchte, die mich glauben lässt, dass überall Liebe zu finden ist, überall etwas ist, für das man weiter leben muss, etwas das mir und meinem Tun einen tieferen Sinn gibt.
      Ich möchte die Betroffenheit, die Ich bei ’’Maggie’’ empfunden hab in einem Gefäß aufbewahren, dass ich jederzeit, wenn ich es brauche, wieder öffnen und dasselbe verspüren kann. Wenn ich gerade Trauer und Emotionen herauslassen muss und das der einzige Weg ist, etwas zu fühlen, etwas tiefes und verborgenes zu verarbeiten. Ich weiß nicht, was ich gerade schreibe, ich weiß nur, dass es sich jetzt gerade, in diesem Moment, richtig anfühlt, weshalb ich es genauso stehen lassen muss, wie es ist. Und es fühlt sich gut an. Ich möchte dieses Gefühl in meinem Herzen einschließen und es nicht mehr loslassen. So viel wundersames, dass in einem Film stecken kann, dass ich es nicht glauben kann, wie sehr ein Film doch auch als Hilfe wirken kann um unser tiefstes Inneres zu akzeptieren und unsere geballte Ansammlung an Gefühlen für einen kurzen Moment inne zu halten und verinnerlichen können.

      Ist es ein Horrorfilm, ich meine, ’’Maggie’’? Nein, das glaubt mir.
      Ist es ein Thriller? Nein, auch das glaubt mir.
      Ist es ein Drama, mit der tiefsten Menschlichkeit, die ich seit langem erleben durfte? Ja, und verdammt noch mal, dass könnt ihr mir glauben.

      Es ist ein Drama, eingebettet in einer Thematik, die wir leider viel zu oft im Genre Horror finden. Eine Thematik, die, wie ich feststellen muss, durch die Jahre und Jahrzehnte so ins Uninteressante und in die Belanglosigkeit mündete, dass ich vielen Filmen die Schuld daran geben muss, dass ich mich einige Zeit vor ’’Maggie’’ verschlossen und gedrückt habe. Darüber empfinde ich etwas, dass Trauer und Hass gleich kommt. Denn dieser Film beweist, dass man mit eben dieser Thematik um ’’Zombies’’, so verdammt viel machen kann. So viel, was schlicht wunderschön, herzzerreißend ist und Emotional so tief verankert ist, dass es eigentlich jedem bis ins Herz und ins Mark gehen sollte.
      Das tut es zwar leider nicht, was halt so ist, was ich aber zutiefst traurig finde. Gerade zu bestürzend, wenn mir dieser Gedanke durch den Kopf schießt.

      Der Film ist besonders stark, wenn mit er meiner langsamen und einnehmenden Kamera über die wichtigsten Punkte und Facetten der Gesichter geht, jede Emotion sichtbar, wie mit einem ’’Schärfe-Filter’’ und die Musik leicht hoffnungsvoll und leicht unbehaglich angehaucht ist.
      Die Bilder sind von einer besonderen Intensität, die ich leider nicht recht zu beschreiben weiß.
      Sie sind traurig, ziemlich trostlos, was die Handlung und das Schicksal von Maggie und Wade unterstreicht.

      Arnold Schwarzenegger in einer ( oder sogar der -) besten und tiefgründigsten Performances seiner gesamten Karriere. Es wird berichtet, dass er für diesen Film keinen müden Dollar angenommen hat, weil ihn das Drehbuch zu ’’Maggie’’ so faszinierte, dass es sich vermutlich einfach nicht richtig anfühlte. Eine Entscheidung für die ich Schwarzenegger heute wieder verehren muss. Denn er fand, nach der Rolle des ’’Governators’’ im echten Leben, nie wieder in sein früheres Schauspiel zurück. Es gab einige gute Versuche, aber in ’’Maggie’’ spielt er und vor allem Abigail Breslin absolut auf Oscar-Niveau und verdammt stark. So viele Szenen, bei denen ich aufrichtig weinen musste, kann ich an meiner einen Hand, an meinen beiden Händen, leider nicht abzählen. Sie waren großartig und weitere Worte spare ich mir, denn ich weiß es nicht weiter zu beschreiben.

      Der Film ist so voller Liebe und Zuneigung zwischen Maggie und Wade, die in der ’’Margariten-Szene’’ an Emotionalität und Aufrichtigkeit dann schließlich nicht mehr zu überbieten ist. Die wohl stärkste Szene, die ich seit langem sehen durfte. Und sie rührt mich noch immer zu Tränen. Allen Figuren wird eine sagenhafte Aspekt-Vielfalt zur Menschlichkeit gegeben, die vor allem in Folgenden Szenen dann richtig deutlich werden.

      Die Szene in der Wade, die zwei Kinder erschlägt. Letztlich hat er sie nur von ihren Leiden erlöst und sie in den Himmel entlassen, wo sie es schöner und friedvoller haben werden. Auf der anderen Seite: ’’ Da war noch etwas in ihren Augen’’, wie Wade es formuliert. Da war noch etwas in ihren Augen, dass nach Leben aussah. Irgendwo konnte Wade noch immer etwas von den wundervollen Kindern sehen, die er von früher noch kannte und er kann sich nicht davon lösen, sie getötet zu haben, obwohl er ihnen vermutlich einen Gefallen getan hat, weil sie später von jemand anderem erschossen worden wären oder in die ’’Quarantäne’’ gekommen wären, in der es, wie uns der Film verrät, wie in einem kleinen Konzentrationslager zugehen muss. Dass löst der Film aber nicht auf, genau wie er auch darauf verzichtet uns ein grausames Ende auf den Bildschirm zu zaubern, sondern es still und in der wahrhaftigen Schönheit des Films, zu beenden. Das perfekte Ende.

      Die Szenen, die Wade zusammen mit Maggie verbringt. Sie haben eine innige und tiefe Bindung zueinander und Wade möchte gar nicht daran denken, was mit Maggie geschehen muss in der Zeit der nächsten 8 Wochen. Und das ist ebenso wundervoll wie wunderschön anzusehen. Nicht in Worte zu fassen. Auch wenn es trotzdem immer offensichtlich, aber nicht überzeichnet und grausam wieder in den Vordergrund gerückt wird, dass Maggie nicht mehr lange auf dieser Welt bleiben darf…..Die Liebe zwischen den beiden, bricht trotzdem bis zum Ende des Films nicht ein. Nie…..

      -Ein Porträt der Liebe. Ein Bad aus Margariten-

      14
      • 8
        Rocket Man: Filmtoast 30.10.2016, 15:44 Geändert 31.10.2016, 09:32

        -Von Anarchie, Implosion und Explosion-

        Wieder einmal tischt uns Refn einen Film auf, der mehr durch Bild, Ton, Mimik, Gestik und Metaphorik überzeugt, als durch seine doch schlicht klein gehaltene Handlung von Rache, Ehre und Vergeltung.

        Die Hauptmotive des Films sind Folgende: Liebe, Sehnsucht, Gefühlskälte, Vergeltung, Erniedrigung, Implosion und Explosion.

        Ziemlich viele Hauptmotive für einen Film mögen viele sagen.
        Ziemlich wenig und doch so viel. So wenig Handlung und doch so viel Ausdruck.
        Die eigentliche Geschichte hinter den Bildern dreht sich um Julien, der einen kleinen Thai-Box-Club unterhält, zusammen mit seiner Mutter auch in Mafia- und Drogengeschäfte involviert ist und den Tot seines Bruder, der eine 14-Jährige Prostituierte umgebracht hat, rächen muss. Dazu gesellt sich seine Mutter, die, entschuldigt den Vergleich, exakt wie eine Gemma Teller Morrow daher kommt und als Mutter überall mitmischt. Sie hat das Sagen und hat Julien, der seinen eigenen Vater mit blosen Händen getötet hat und deswegen aus Amerika fliehen musste, vollkommen in der Hand. Sie demütigt ihn, erkennt ihn nicht als Sohn an und sorgt so dafür, dass Julien, wunderbar gespielt von Ryan Gosling, nachdem er implodiert folgerichtig explodieren muss. Er ist kalt. Er ist gebrochen. Er empfindet tiefste Sehnsucht, die Refn uns in einigen kalten Szenen, die dennoch voller Sehnsucht stecken, mit einer jungen Dame zeigt, für die Julien noch einige Empfindungen aufbringen kann. Die Bilder sind indes gewohnt verstörend, der Sound gewohnt eigenartig. Mal laut, mal wieder ganz leise, was die Knackpunkte des Films klar hervorhebt.

        Es ist ein Porträt, eine kleine Ballade von Anarchie und Unterdrückung, die ganz alleine von Julien ausgeht. Er ist der jüngere Bruder, der immer im Schatten seines Bruders steht, der uns in den ersten Szenen als das gezeigt wird, was er ist.
        Ein Psychopath, der Schmerz mit Schönheit verwechselt. Ganz die Mutter, wie man im Laufe der Handlung feststellen muss.

        ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

        Crystal: "Als ich mit Dir schwanger war, das war seltsam, Du warst anders. Sie wollten, dass ich abtreibe, aber ich wollte nicht."

        Crystal: "Du hast recht, ich versteh´ Dich nicht. Und ich werde Dich nie verstehen."

        Crystal: "Wäre es umgekehrt gewesen, hätte Dein Bruder den Killer gekriegt! Er hätte mir seinen Kopf serviert auf einem silbernen Teller!"

        ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

        In den angeführten Zitaten sind die Motive Erniedrigung und Gefühlskälte enthalten, die sich durch den ganzen Film ziehen. Wie ein roter Faden ziehen sie sich durch verstärkten Bilder, die Refn in alter Manier mit roten Neon-Röhren unterlegt. Wie auch in seinem neuesten Werk ''The Neon Demon'' konzentriert er sich bei seinem gerade einmal 89 Minuten langen Werk, mehr auf Bild, als auf Handlung. Und er kann sich bewusst darauf verlassen, dass eben diese Herangehensweise den stärkeren Eindruck und den wesentlich bitteren Geschmack bei uns hinterlässt, als es eine Thrillermäßige Story je könnte.
        Die Kamera ist ruhig, standhaft und das im Sinne des Wortes.
        Sie bleibt lange stehen, zeigt kunstvoll inszenierte und auf's Detail genau kalkulierte Bilder, die entweder vollkommen abschrecken und belanglos wirken oder einen gerade zu metaphorisch-philosophischen Beigeschmack und Eindruck hinterlassen.

        Es geht um Erniedrigung und das Ringen nach Anerkennung.
        Was einige von uns aus der Kindheit kennen, geht hier in die tiefsten Abgründe vor. Die Konkurrenz zwischen Geschwistern. Wer welche hat, wird damit eine Menge verbinden können. Hierzu aber nicht mehr, denn diese Art der Konkurrenz wird in Refn's Werk tabulos überzeichnet und es wäre überaus unangebracht hier weiter über andere Formen der Unterdrückung und der Konkurrenz zu sprechen.

        Das Gespräch mit der Mutter, im Beisein von Julien und seiner verehrten Freundin....
        Hier schafft es Refn auch, mit dem Tod der Mutter im letzten Drittel des Films, uns einen Genuss zu bereiten. Er serviert uns den Tod einer Mutter, die durch Intrige, Überheblichkeit und Arroganz nur so strotzt. Wer ehrlich ist, wird es ihr, bevor er überhaupt darüber nachdenken konnte, gegönnt haben und eine kleine Genugtuung verspürt haben. Die Szene in der Julien dann noch in ihren Gedärmen rumstochert, zeigt überspitzt die Verzweiflung und eben jene Genugtuung, die auch er jetzt verspürt. So kann er dem Tod mit Gelassneheit entgegentreten und dieses Leben verlassen.

        Weiterhin bedient sich der Film einiger schwerwiegender Kommunikationsprobleme, die durch Bild, Gestik und Mimik verstärkt hervorgehen.

        ''Man kann nicht nicht kommunizieren'' - 1 Axiom von Paul Watzlawick-

        Oft bleibt uns nur die Gestik und Mimik von Julien um Metaphorik oder Gefühlszustand zu erahnen bzw. deuten zu können. Dazu muss man auf seinen Blick und die Züge des Gesichtes achten, was nicht schwer ist, denn meist bleibt es bei dem einen und selben Gesichtsausdruck. Denn auch wenn sich das etwas komisch anhört, so ist seine Darstellung eine Mischung aus Blödheit, leichter Dummheit, teils wiederum aber auch sehr fokussiert und genau. Das kommt bei ihm gut heraus und seine Darstellung trifft genau ins Schwarze. Dieser Gesichtsausdruck verrät genug, wie ich finde.

        Ein Vergleich kann ich mir dennoch nicht nehmen lassen.
        Auch die Serie um die Sons of Anarchy lebt von dem selben Moralkodex, wie der der Mutter und der eigentlichen Familie. Auch hier werden alle Intrigen von der Mutter überwacht und ausgearbeitet und auch sie beide teilen sich in der Konsequenz dieses Kodex auch das selbe Schicksal. Der Kodex besagt, auf den Tod eines Familienmitglied oder eines Mitgliedes der Gruppe, muss Vergeltung folgen. An dieser Anarchie bedient sich der Film und zeichnet eine Ballade und ein Porträt der Brutalität, was eine intensivierte Wirkung durch Überzeichnung gewinnt. Wie bei Refn üblich, in kunstvoller, brutaler und gegensätzlicher Darstellung und Untermalung.

        Ein starkes Werk von Refn, dass wieder durch Bild, Ton und gestörte Kommunikation mehr beweist und darstellt, als es durch die Handlung je möglich wäre. Sie ist nur ein Anker, der dem Film seinen Stand gibt.

        14
        • 9
          Rocket Man: Filmtoast 29.10.2016, 16:01 Geändert 12.11.2016, 14:20
          über Nerve

          -Eine Backpfeife, eine Faust und ein Schlag in die Fresse für unsere heutige Konsum- und Mediengesellschaft-

          ''When I find myself next to the
          Don't forget about me (I Got What I Want von Lucky)''

          Von meiner Schwester kannte ich das Buch. Dieses mussten sie dieses Jahr lesen und ich war von der Idee mehr als angetan. Das so etwas möglich ist und unaussprechbare Ausmaße annehmen kann ist unbestritten, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr ich hier sitze und meinen Kommentar zu ''Nerve'' verfasse. Und damit in die Kritik zu einem Film, der sehr wichtig ist und uns allen vor Augen führen möchte, was in den nächsten Jahren oder Jahrzenten passieren könnte, denn der Film ist vieles, realitätsfern gewiss nicht.

          2016: Pranks, Challenges, Pokemon-Go-Zeitalter.
          Die Clowns, die seit einiger Zeit auch hier in Deutschland des nachts über unsere Straßen laufen, erwecken Aufmerksamkeit und diejenigen Individuen, die sich als solcher verkleiden, bekommen eben diese. Sie bekommen einen Adrenalinkick, fühlen sich besonders, mächtig. Sie herrschen über die Ängste der Menschen. Sie verkleiden als etwas worüber man schon als Kind gelacht hat und drehen das Schachbrett um. Um sich abzuheben und weiterhin mehr Aufmerksamkeit zu bekommen laufen sie mit laufenden Kettensägen herum und machen auch vor verletzten keinen Schritt zurück. Die Konsequenz in dieser Richtung von 'Nerve' ist zum Ende hin überzeichnet und es erscheint uns so, als würde wir so weit garnicht mitgehen.

          ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

          Das ist aber eine große Lüge und ich bitte genau über die heutige Zeit nachzudenken. Und ich bitte sich ein wenig Ehrlichkeit einzugestehen.
          Ich würde bei sowas nicht mit machen. Das ist eine Lüge. Ich bin kein Lügner.
          Vee ist schüchtern, natürlich, zurückhaltend und bekommt keinerlei Aufmerksamkeit. Ihre Freundin spielt 'Nerve'. Sie bekommt ihre Aufmerksamkeit und ist in der 'Watcher'-Community hoch angesehen und genießt großen Respekt, für das, was sie tut. Ich bin auch schüchtern, näher mich Menschen nicht schnell, baue nicht schnell neue Kontakte und Freundschaften auf und halte mich dahingehend sehr zurück. Mein bester Freund spielt 'Nerve'. Er ist beliebt und hat das Gefühl wahrhaftig zu leben. Er hat Spaß. Er ist glücklich und macht ständig und unaufhaltsam verrückte Dinge. Ich möchte so sein, wie mein bester Freund. Ich möchte etwas sehen und erleben. Ich möchte etwas von dieser sagenhaften Freiheit schmecken und einmal fliegen, wie ein wunderschöner Vogel im Antlitz der Skylines von New York. Ich möchte mehr Aufmerksamkeit, möchte glücklich sein und auch ganz oft verrückte Dinge machen. Ich bin kein Lügner. Ich gestehe mir ein, dass dieses Spiel etwas besonderes sein muss. Ich fange also an, lasse mich auf etwas neues ein, was mir unter normalen Umständen immer sehr schwer fällt. Ich lerne neue Leute kennen, bestreite Abenteuer...Erklär mir was daran falsch sein soll? Ich möchte verdammt nochmal etwas vom Leben haben, den Wind spüren, die Unendlichkeit der Dinge erblicken und wahrnehmen können..Aber ehe ich mich versehe, werde ich verrückt, die Grenzen verschwimmen, was ist nur los mit mir? Warum mach ich hier mit? Was soll ich tun? Ich kann es nicht aufhalten...Ich muss weiter machen...Der Ruhm verfliegt, ich fühle mich hilflos und verlassen....Das ergibt alles keinen Sinn mehr...Ich möchte glücklich sein.........................................................

          ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

          Wir leben in einer Welt voller Pranks, Challengeles und Pokemon Go.

          Schon bei Pokemon GO gab es verletzte, von Toten weiß ich zu diesem Zeitpunkt nichts, schließe es aber nicht aus und sage offenkundig, dass ich auch daran glaube.
          Sie laufen wie Blinde durch die Straßen auf der Jagd nach Pokemons. Wie Zombies mit ihren Handy's. Jetzt muss ich nicht lügen, wenn ich sage, dass ich dieses Spiel niemals angerührt habe. Denn es widert mich schlicht an. Ich hab als kleines Kind auch Pokemon geguckt, was nicht heißt, dass ich mit meinem Handy Pokemons nachjagen muss. Genug davon. Das ist meine bescheidene Meinung dazu und ich brauche keine Bestätigung.

          Wir leben in einer Welt voller Pranks. Pranks, die nicht selten dazu geführt haben, dass Menschen verletzt werden. Pranks, mit denen die Menschen versuchen, ihr kleines Selbstwertgefühl etwas aufzupolieren, nur um dann festzustellen, dass ihre 'Watcher' sie nur solange lieben, wie man genügend und möglichst verrückte Pranks produziert. Ruhm ist nicht für immer und Hochmut kommt vor dem Fall.
          Die Gefahr ist dabei nicht nur der Kick, sondern auch das, was Geld bringt. Je gefährlicher, desto mehr Klicks. Je mehr Klicks, desto mehr Geld.
          In was für einer Welt leben wir? Warum sind wir so? Werden wir langsam verrückt?

          ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

          Wir leben in einer Welt voller Challenges. Wir spielen 'Nerve' schon lange. Aber nicht in einem geheimen Netzwerk des 'Dark-Web', sondern auf Youtube, Clipfish oder MyVideo. Das ist nicht illegal und das ist (zumindest teilweise auch jetzt bereits) das Problem. Die Menschen konzentrieren sich zunehmend auf ihr Social-Media Leben und vergessen die Realität. Es ist wie in einer Parallelwelt, in der wir uns nützlich und wertvoll vorkommen, aber eigentlich von den Menschen abhängig sind, die uns bewundern, nur weil wir so tun, als wären wir verrückt und komplett bescheuert, wenn wir diese Videos aufnehmen und ins Internet setzen.
          Jeder möchte etwas besonderes sein. Aber unter Millionen Nutzern, die dasselbe versuchen, wirst du nie etwas besonderes sein können.

          ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

          Vee und Ian sind traumhaft. Sie sind ehrlich, herzhaft und herzvoll in ihrer Darstellung. Sie spielen sich nicht in den Vordergrund. Sie spielen normale Figuren, wie dich und mich und 'gelangen' so in den Vordergrund. Vee findet 'Nerve' eigentlich auch erbärmlich. Nichts ist ehrlich. Alles ist gespielt. Alles verfolgt den 'sieg' und den Ruhm, der mit jeder Challenge einhergeht.
          Es ist eine große Charakterstudie unserer Zeit, die sich vor allem auf die Realität bezieht. An der Realität, wie wir sie alle kennen und täglich im Internet oder in den Nachrichten verfolgen. Die Handyaufnahmen bei jeder Challenge, die verwackelte Kamera, die bunten Bilder. Alles erinnert an die moderne Zeit, in der wir ''Heute'' leben.
          'Nerve' wird schnell zu Sucht. Unaufhaltsam schreitet sie vorran. Anfangs ist es noch dieses 'Neuland', dass aufregend ist und dass das Gefühl zu leben in Vee erweckt.
          Doch ist die eine Challenge bestanden und mit dem eigenen Handy aufgenommen, folgt die Nächste und die möchte man auch bestehen und so nimmt alles seinen unaufhaltsamen und tempogeladenen Lauf.
          Tempogeladen eben deswegen, weil der Film garnicht erst versucht 120 Minuten ein spannende Geschichte zu erzählen, sondern mit Tempo und Spannung bei 97 Minuten bleibt und sehr viel zeigt, was bleibenden und mutigen Eindruck hinterlässt. Ich sehe hier eine Charakterstudie und ich sehe hier ein Satire und Kritik an unsere Konsum-Cyber-Medien-Gesellschaft. Und diese ist wichtig.

          Die Musik tut da ihr übriges. Sie ist von dem Techno-Klang erfüllt, der mir ständig den Korpf zerberstet und fügt dem Film Authentizität zu. Denn eben dieser Klang bringt das gewisse Cyber-Gefühl und die am Computer entstanden Töne perfekt ins Spiel mit ein.

          Vee wird sogar so gut, dass sie ihre beste Freundin abhängt, die von dem Spiel alles erlangt, was sie hat. Geld, Aufmerksamkeit und Ruhm.
          Es entsteht eine Konkurrenz, die in einem der tiefgehendsten Momente und Dialoge gipfelt, die ich dieses Jahr gesehen habe. Die darauf folgende und einhergehende Aktion nach dem 'Streitgespräch' sprengt dann endgültig den Rahmen und der Film ist noch lange nicht fertig. Das Spiel hat noch etwas mit Vee vor.

          Die Kamera nimmt indes atemberaubende und knallbunte Bilder auf, die sich in das Gesamtgemälde problemlos etablieren können. Es geht um ein Spiel, das nur und ausschließlich im Dark-Web existiert und gesteuert wird und das mit der Kamera und den bunten Bildern und Aufnahmen eine Wucht der Authentizität verbindet.
          Es ist realitätsnah. Einige mögen sagen, dass ist nur etwas für junge Leute, was vielleicht auch stimmt, aber eine andere Darstellung wäre schlicht nicht realitisch und schon garnicht authentisch gewesen. Das Internet lebt schließlich von jungen Leuten. Und junge Leute sind verrückt drauf, hören heutzutage verrückte Musik und sind pausenlos mit ihren Handy's beschäftigt.

          Das Ende ist, so weit es mich angeht, ein kleines und spannungsgeladenes Meisterwerk. Es hat mich zu Tränen gerührt und die Intention des Films auf ein Mal 10 fach vergrößert. Wie mit einer Lupe, die ich mithilfe der strahlenden Sonne, auf eine Ameise richte und sie verbrenne. Mit etwa der selben Intensität arbeitet das Ende und der unfassbar gelungene Schlusstwist. Zu keinem Zeitpunkt hätte ich daran gezweifelt, dass Vee stirbt. Denn die Welt ist und kann verrückt und unbegreiflich sein. Dass macht mir nicht nur selten große Angst.......Ich möchte mich nach diesem Ende gerne verkriechen, dieses Gefühl der Betroffenheit inne halten und die Bilder in nicht allzu ferner Zeit erneut wahrnehmen........'nerve'nzerreißend.

          ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
          ''Bevor das Leben mich zerstört, entscheide ich mich mein Leben anzupacken, zu genießen, was ich habe, zu genießen, was kommen wird und die Freiheit und die Unendlichkeit des Lebens zu entdecken. Ich möchte fliegen, mich drehen und wenden und das Glück festhalten. Festhalten bis es die Kraft in meinen Armen nicht mehr zulässt. Bis es vorbei ist.'' -Ich-

          10
          • 10
            Rocket Man: Filmtoast 28.10.2016, 23:23 Geändert 31.10.2016, 09:30

            -Das Gemälde-

            Die Bilder werden offen stehen gelassen. Es wird viel Zeit vergeben , dass Geschehene und die Bilder auf sich wirken zu lassen, sie zu verarbeiten und eigene Interpretationen einfließen zu lassen.
            Nichts ist zufällig. Alles ist genau pointiert und auf das kleinste Detail kalkuliert.
            Kein Gesichtsausdruck, kein Bild, kein Ton ist zufällig, sondern eine handwerkliche Fingerübung, wie bei einem Meisterwerk eines großen Künstlers, bei dem jeder Strich eine Bedeutung hat und erst der letzte Strich, ein ganzes und vollkommenes Meisterwerk offenbart.

            Jesse, gespielt von Elle Fanning überzeugt in ihrer Darstellung der natürlichen und unberührten Schönheit, mit der sie große Aufmerksamkeit auf sich zieht.
            Einer dieser pointierten Striche, die den Gegensatz zu den anderen zwei Models offenlegt, die durch ihre Unnatürlichkeit ihre Aufmerksamkeit bekommen und ihre Motivation erzielen. Sie konzentrieren sich auf das magere und scheußliche Äußere, was Refn oft genug und gekonnt in Szene setzt. Die Szene, in der wir einen großen Raum sehen, in dem viele junge Frauen sitzen und auf ihre Möglichkeit warten, ihren 'Walk' zu zeigen, untermalt die wenigen Aussagen, die der Film beabsichtigt aufzurufen. Dieser Walk war für die gehirn-amputierte andere 'Schönheit', mit ihren ganzen Schönheits-OP's, nämlich der letzte.

            Die Schönheit:
            Sie ist offenkundig das, was unberührt und wunderschön ist. Es ist ein abstrakter Begriff, der mit allen Aspekten des menschlichen Daseins verbunden werden kann.
            Unser Wesen, unser Charakter, unser Aussehen, unser Verhalten und das, was wir vorgeben zu sein. Jesse gibt nichts vor und ist somit ein großer Punkt der Unstimmigkeit, die der Film erzeugt. Der Gegensatz zu den anderen Models und der Darstellung und der Musik ist skurril und auf seine eigene Art und Weise bahnbrechend inszeniert.

            Die anderen Models die etabliert werden, stehen also im Gegensatz zu Jesse's Figur, die als neues, frisches und aufblühendes Model, mit ihrer natürlichen Schönheit und ihrem unschuldigen Gesicht auf sich aufmerksam macht und Akzente setzt.
            Die Kamera überzeugt durch eine skurrile, stille und ruhige Arbeit und zeichnet sich gerade durch ihre Kamerafahrten richtig aus.
            Kamerafahrten? Oft ist damit das schlichte und einfache Bild gemeint, von dem sich die Kamera ganz langsam entfernt, um ein Bild stehen zu lassen, die Wirkung zu erhöhen und das Bild gerade so in unser tiefstes Unterbewusstsein zu pflanzen.
            Die fast schon Paranoia auslösenden Lichteffekte der Kamera und der Bearbeitung und der Wechsel von Helligkeit und Dunkelheit in Millisekunden, ist schwere aber ebenso äußerst kunstvolle Kost, die auch noch lange danach paralysiert.

            Jede Szene ist in ihrer Farbe und ihrer Untermalung einzigartig. Satte Farben teilen und trennen sich in ruhige und bedrückende Farben ab.
            Diese Bilder sind nicht einzuordnen. Es gibt hier keinen Horror, kein striktes Drama und keinen erkennbaren Thriller, den wir anhand der Bilder auch nur ansatzweise identifizieren könnten. Es ist eine Vermischung verschiedenster Elemente. Wie der Künstler mit seinem Farbtopf. Oft sind gemischte Farben, die schönsten Farben.
            Die Darstellung wird außerdem davon unterstützt, dass in nahezu 80 % des Films keinerlei Tonuntermalung vorzufinden ist. So offenbart der Film seine Bilder und es bleiben oft nur die exakt gesetzten Gesichtsausdrücke, Gestik, Mimik, mit deren Hilfe wir einen kleinen Teil des Sinns erhaschen können.
            Als Zuschauer muss man also die Bedeutung des Deutens genau kennen.

            Das Deuten: Das konstruieren einer Bedeutung.

            Das Konstruieren eines imaginären Gemäldes. Denn genau das ist der Film. Eine Abfolge gesetzter Striche, imaginären Bedeutungen und verschiedensten Farben, die aus dem Farbtopf gegriffen werden.

            Warum gerade diese Farben? Warum gerade dieser Gesichtsausdruck der Protagonisten?.........

            Im Kontrast zu den Szenen ohne Tonuntermalung stehen die Szenen mit extrem überzeichneter und knallbunter Untermalung, wie auch die Bilder. Eine knallbunte Zeichnung von Schönheit, Konkurrenz und Wahnsinn.

            Was ist dieser Film also? Horror? Sicher nicht !
            Was ist dieser Film also? Thriller? Sicher nicht !
            Es ist ein Horrorfilm ohne Horrorelemente.
            Eine Zeichnung, mit einer bunten Mischung aus Horror und Thriller.
            Aber zu keinem Zeitpunkt eines von beiden, sondern Beides. Immer.

            Ich werde jedem zustimmen, der sagt, dieser Film besitzt keine strikte Handlung.
            Denn in der ersten Stunde gibt er vor eine zu haben, verfolgt aber in der 2 Stunde keine strikte Handlung mehr und konzentriert sich auf die Bilder.
            Er ist also abstrakt, skurril, makaber und schockierend.
            Aber vor allem ist er ein skurriles Konstrukt.
            Wie auch in einem gemalten Kunstwerk von vor Hunderten von Jahren, handelt es sich hierbei um eine durchdachte Zeichnung.
            Eine Zeichnung, die so künstlerisch und genau vorgeht, dass sie wie ein Meisterwerk scheint. Und das ist ganz große Kunst, denn die Story ist in ihren weiten Teilen unstimmig, belanglos und die Bilder erzeugen die ganze Spannung, aber auch den Eindruck mehr gesehen und verstanden zu haben, als es eigentlich zu verstehen gab. Denn vorder gründlich waren die Bilder die wichtigste Handlung.
            Der Film vergleicht lediglich Schönheit mit Wahnsinn. Das gipfelt in einer der beängstigendsten und widerlichsten Szenen der letzten Jahre, in der uns Refn eine Nekrophile Sexszene vorsetzt.

            Es ist ein Farbkasten, ein Gemälde, eine Horroshow, dass wie ein Kunstwerk, mit einer exakten Genauigkeit gezeichnet wird. Jeder Strich sitzt und fügt sich zu einem Gemälde zusammen.
            Dieses Mal bewerte ich also keine Handlung, als viel mehr Bilder, die den Zweck der Handlung ersetzen. Erwecken sie doch den Eindruck eine Handlung zu erzählen, was letztlich nur eine Illusion ist. Trotzdem hatte ich nach dem Film nicht das Gefühl etwas nicht verstanden zu haben, hatte aber auch das Gefühl, dass mir die Handlung nicht allzu viel zu erzählen hatte.

            Ein perfektes Gemälde, eine schlichte Fingerübung Refn's in der Kreation perfekter und einnehmender Bilder. Mir flackern noch jetzt die Augen.

            Ein werter Kollege meinte hier mal, bei Refn gibt es entweder 10 oder 0 Punkte.
            Ich denke er hat da verdammt Recht.
            In der künstlerischen Darstellung ist der Film ganz klar ein erstklassiger und besonderer Genre Beitrag (obwohl ich das Genre nicht klar zuordnen kann) und vermittelt durch seine Bilder eine Spannung, die selbst die Handlung ersetzt.
            Für diese Illusion gibt's ganz klar 10 Punkte.

            P.S. Dieser Kommentar könnte teilweise etwas so verwirrend sein, wie mich der Film verwirrte, darum will ich ihn genau so lassen......

            19
            • 10
              Rocket Man: Filmtoast 23.10.2016, 16:48 Geändert 23.10.2016, 19:19

              - Menschsein -

              Auf einen ganz besonderen Film habe ich dieses Jahr schon so lange gewartet.
              Heute war es dann endlich soweit und ''Swiss Army Man'' wurde zu einem unglaublich starkem und intensiven Erlebnis für mich.
              Ich möchte also ein paar Worte über die Geschichte und die Fragen schreiben, was die Handlung angeht aber nicht zu sehr ins Detail gehen.
              Der Anfang ist surreal, makaber und zeigt sofort, wie der Film seinen Weg gehen wird. Er ist makaber, lustig, geht über jegliche Grenzen und nennt die Dinge direkt beim Namen. Er steckt aber auch voller aufrichtiger Liebe zu seinen Charakteren und dem Menschsein. Dem einfachen und vollkommenen Menschsein. Meine Anteilnahme an diesem Film war, wie ich es erwartet habe, sehr groß. Manch Szene rührte mich zu tränen, erinnerte mich daran, wie schüchtern ich selber bin und wie viel ich mit Manny und Hank doch gemeinsam habe. Manchmal erscheinen einem die Dinge, die das Leben einem schenken möchte, unmöglich und man selbst traut sich nicht, sich etwas zu wagen, mal aus seiner eigenen Haut rauszukommen und die wunderschönen Gelegenheiten, die das Leben einem zu bieten hat, zu packen und festzuhalten. Genauso fällt es auch mir schwer Mut zu zeigen, ein Mädchen anzusprechen oder in der heutigen Zeit anzuschreiben oder wie auch immer. Das Leben stellt uns pausenlos vor Aufgaben, Erniedrigung, Barrieren, die es uns scheinbar nicht möglich machen, in diesen allen Dingen, etwas Schönheit zu sehen und zu erkennen.

              Was ist Freundschaft? Was ist Familie? Was ist Liebe? Wie vielen Menschen begegnen wir? Wie oft lassen wir Gelegenheit aus? Wie oft nehmen wir Möglichkeiten und Chancen nicht wahr? Warum ist es so schwer über seinen eigenen Schatten zu springen? Wieso können wir nicht über das glücklich sein, was wir haben? Weshalb halten wir uns immer zurück? Warum nennen wir die Dinge nicht beim Namen? Warum dürfen wir nichts? Warum gibt es so viele Regeln, die das wunderschöne Menschsein zu sehr erschwert? Weshalb so viele Regeln, die mich daran hindern, ein erfülltes und vollkommenes Leben zu führen?

              Der Film geht einen nie dagewesenen Weg und stellt seine Fragen auf eine verstörende, aber zutiefst ehrliche Art und Weise:
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
              Manny: ''If my best friend hides his farts from me then what else is he hiding from me, and why does that make me feel so alone?''
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

              Dabei stellt er die Fragen und bezieht sich auf das menschlichste, das natürlichste in unserer Natur und hinterfragt dabei Moral, Sitte und Anstand. Es ist genauso hinterfragend wie lehrreich, wie der Film mit den Fragen umgeht.
              So sagt Manny im eben angeführten Zitat blos, ''wenn mein bester Freund seine Fürze vor mir verbirgt, was verbirgt er noch vor mir und warum fühle ich mich deswegen so alleine?'' Diese Frage kommt uns tabubrechent und unmoralisches vor, dabei sagt der Film uns nichts, was nicht natürlich und einfach nur menschlich ist. So bekommt der Film stets, auch wenn es sich unangebracht anfühlt, eine riesen große Prise Kritik und Anstand in Bezug auf Regeln, Moral, Ethik und Verstand. Die Sinnbildliche Figur des Toten Manny, der Hank zu unverhofftem Glück verhilft, ist unglaublich und dazu vollkommen neu und ganz eigen erzählt.
              Die Szenen, in denen Hank Manny Sachen beibringt, sind herzerwärmend und durch die kompromisslose Ansprache vielfältiger und auch sinnlicher und intimer Themen, wie der Sexualität und der Liebe, stets auch philosophisch und hinterfragend angehaucht. Über diese Fragen kann man endlos schreiben, diskutieren, streiten und philosophieren.
              Es gesellt sich auch immer eine komisch große und stilvolle Portion Humor dazu, der unangebracht, unanständig und unangenehm daherkommt, aber nichts anderes meint, als das, was wir jeden Tag denken, tun, wie wir handeln und was wir verlieren.

              Immer dabei ist Sarah, ein Mädchen, dass sich Hank nie getraut hat anzusprechen.
              Dieses Sinnbildliche Ereignis steht für die Vergänglichkeit des Lebens und verpassten Chancen und Möglichkeiten, die wir nur mit Mut und Selbstachtung erreichen können. Wie schwer es ist solche Chancen beim Schopfe zu packen erkenne ich bei mir selbst so stark, dass ich gewillt bin, dem Film nichts weniger, als eine angemessene Wertung dafür zu geben, dass er mich an mich selbst erinnert und einige der lustigsten und emotionalsten Momente diesen Kinojahres schafft. Mir geht es ähnlich wie Hank, der schüchtern und unfähig ist, Mädchen und Menschen einfach offen und direkt anzusprechen. Zu groß ist die Angst davor zurückgewiesen, verspottet und erniedrigt zu werden. Ich sage mir dann immer, warum muss der Mann immer den ersten Schritt machen? Das ist altmodisch und passt nicht in die heutige Zeit, denke ich. Ich sage mir, dass war vor 30,40,50,60 Jahren so, heute sollte das anders sein. Die Zeiten haben sich geändert und es wäre so viel einfacher, wenn die Person auf der anderen Seite den ersten Schritt machen würde. Das ist alles, mehr brauch ich nicht. Sobald das getan ist, ist der Grundstein gelegt und die Nervosität kann sich legen. Das kennen wir alle und auch das ist das menschlichste, dass es gibt.
              Wir alle sind auf der Suche nach Liebe, nach Anerkennung und Respekt. Eben jene Werte, die uns daran erinnern, was wir sind. Dass wir Menschen sind und das jeder Tag, an dem wir nicht glücklich sind, ein verschwendeter Tag ist. Ein Tag ohne Glück ist ein Tag ohne Leben.

              ''Ich denke, also bin ich''. So sagte bereits Descartes, ein französischer Philosoph. Und sobald wir denken und leben, sind wir auch auf der Suche nach etwas, dass unserem Leben einen Sinn gibt. Unwiderruflich. Pausenlos. Atemlos.
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
              Manny: ''I have a lot of questions about all the things you just said.''
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

              Wenn der Film dann mal wieder ein Tabu nach dem anderen bricht, dann erninnert einen das immer an die Welt, wie sie heute ist. Wie sich die Werte und Ansichten geändert und erweitert haben und wie sich die Menschen von wichtigen Werten verabschiedet haben, die uns zu dem machen, was wir sind:
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
              Hank: ''Before the Internet every girl was a lot more special.''
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
              Manny: ''Girls must be so nice to let guys do all these things to them.''
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

              Oder wenn der Film die Fragen stellt, die uns alle am meisten beschäftigen oder er etwas anspricht, dass unausweichlich ist:
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
              Hank: ''The important, for now, is to find what was your life.''
              Manny: ''What is life?''
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
              Manny: ''We're gonna die. That's a thought. Everybody dies. I'm sorry if this makes me weird or you don't understand, but I wish I was dead again.''
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

              So viel Fragen und Antworten über das Leben und auf was für einer endlos langen Suche wir sind, um unser Glück zu finden, haben bisher sehr wenige Filme geschafft, dass alles näher zu bringen und an die tiefste Menschlichkeit und Liebe in uns, zu erinnern.
              Weiterhin ist die Entwicklung von dem zutiefst kuriosen Anfang, in der Hank auf Manny's totem Körper Jetski fährt und dann urplötzlich zum Schauplatz der Nachdenklichkeit und einer unverhofften Änderung der Erzählrichtung kommt, schlicht und einfach großartig. Hier wird gekonnt mit der Ahnungslosigkeit des Zuschauers gespielt. Denn dieser weiß vor dem Kinogang, falls er sich durch das Internet nicht zu sehr einnehmen lies, nur, dass der Film außergewöhnlich und anders werden könnte. Es ist deshalb ein unerwartet wendungsreiches und besonderes Werk geworden, dass ich für meinen Teil, lange in Erinnerung behalten möchte und werde.
              Die Frage nach Hank, der in einer Leiche einen neuen Freund glaubt, ob das wahr ist oder nicht und wie der Film diese Frage und dieses symbolische Bild, dieses metaphorische einsetzt und auflöst soll hier aber nicht erzählt werden.
              Versprochen ist aber, dass die Auflösung, genauso wie der ganze Film, außergewöhnlich und mitreißend ist.
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
              Hank: Because I'm just a scared, ugly, useless person.
              Manny: But maybe everyone's a little bit ugly. Maybe we're all just dying sacks of shit, and maybe all it'll take is one person to just be okay with that, and then the whole world will be dancing and singing and farting, and everyone will feel a little bit less alone.
              Hank: Manny, you have no idea how nice that sounds.
              -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

              Übrig bleibt ein Unikat, ein absolutes Einzelstück, dass sowohl für die Darsteller, alle Beteiligten und auch uns Zuschauer ein großes Wagnis darstellt. Trotzdem nehmen sich Radcliffe und Dano der Sache mit vollem Einsatz an. Man sieht ihnen an, dass sie an das Projekt geglaubt und sich dem voll hingegeben haben.
              Zum Schluss meine Wertung:

              10 ♥

              Jede Wertung ist auch ein eigenes Statement, eine eigene kleine Offenbarung und eine vollkommene Meinung, die symbolisch für das steht, was man damit verbindet und was man fühlt. Mehr als nur ein paar Worte und ein paar Bilder auf einem großen Bildschirm oder einer großen Leinwand.
              So ist meine Wertung ein Statement dafür, dass wir hier etwas vollkommen neues und gewagtes bekommen, dass entweder lange einen komischen, unverständlichen oder aber einen erstaunlichen, dankbaren und wundervollen Eindruck hinterlässt. Ich würde mir wünschen, so etwas öfter sehen zu dürfen.

              23
              • 8
                Rocket Man: Filmtoast 23.10.2016, 00:07 Geändert 23.10.2016, 17:28

                -Der O'Conner Moment-

                Seit dem 20.10.2016 läuft nun endlich der von mir heiß erwartete ''The Accountant''. Heiß erwartet, weil mich Gavin O'Conner bereits mit ''Warrior'' sehr beeindruckt hat. Auch dieser Film war bereits erfrischend anders, weil es nicht um einen ''Rocky'', sondern eine ganz andere Geschichte, rund um das Boxen ging. Gezeichnet von Konflikten und dem, von mir benannten, O'Conner Momenten. Diese sehen und fühlen wir, wenn mal wieder etwas vollkommen neues erscheint. In Warrior war das vorallem der Kampf der Brüder im Schlussakt. Etwas ähnliches finden wir nun auch in seinem neuen Werk, was mir sehr zugesagt hat.

                In ''The Accountant'' soll es nun aber um einen verhaltensgestörten Buchhalter gehen, der sozial zwar sehr eingeschränkt, dafür anderen Dingen jedoch sehr besonnen gegenübersteht. Seine Vergangenheit wird oft in Form von Flashbacks geliefert und die Figur bekommt sehr viel Farbe. Wie schwer es sein muss mit diesem Syndrom aufzuwachsen und wie schwer es für solche Menschen ist, Bindungen aufzubauen, Mimik und Gestik zu deuten, schlicht das 'normale' menschliche Verhalten wahrzunehmen, muss sehr schwer sein.
                Trotzdem geht O'Conner nicht den traurigen Weg und handelt alles eintönig ab.
                Ganz im Gegenteil, er findet genug Witz und Charme, sodass der Streifen durchweg spannend und lustig ist. Natürlich ist das ausschlaggebend Ben Affleck als 'The Accountant' zu verdanken, denn seine Präsenz mit dieser minimalistischen Mimik und der sehr begrenzten Gestik, die ihm das Syndrom möglich macht, sind nicht nur selten auch einfach brüllend komisch. Ein kleiner Teil Comedy ist also auch dabei. Der Film nimmt sich glücklicherweise nicht die ganze Zeit ernst und weiß Spannung, Thriller und Drama gut zu verbinden. Der Soundtrack ist passend und die Kamera stets gut gewählt. Mir hat es zumindest großen Spaß gemacht, ihn zu sehen.

                Es ist schön zu sehen, dass es Gavin O'Conner, wie schon beim grandiosen ''Warrior'', wieder gelungen ist, etwas anderes und eigenes zu kreieren. Desweiteren ist Affleck als Killer mit Neurosen ganz einfach grandios anzusehen. Die Kampfszenen machen riesen Spaß, der Sound bei den Schlägen einfach nur köstlich gemacht. Schön zu sehen, dass Affleck wieder ordentlich Schwung bekommen und sich an außergewöhnlichen Rollen versucht. Denn als Mathematik Genie und Betrüger als Buchhalter kann er mächtig gut aufwarten. Seine Darstellung hat mich regelrecht umgeworfen und unheimlich gut unterhalten. Die Physis, die er hier zeigt, ist erinnert natürlich etwas an Batman, denn sein hartes Training ist ihm selbstverständlich anzusehen. Aber als Christiann Wolff musste er ja auch schon früh hart trainieren, wie der Film erzählt. Seine Figur bekommt auch eine kleine Prise Besserung, durch die wundervolle Dana. Die Gespräche und Momente mit ihr sind auch nicht nur selten mächtig lustig.

                Der Film unterhält auf jeder Ebene. Er ist ruhig, präzise, spannend und lustig. In mancher Szene dachte ich mir, dass ist eine kleine Mischung aus A Beautiful Mind, Shooter und Liam Neeson :D Denn Christian ist Genie, Betrüger und Kampf-Künstler zugleich. Auch erinnert der Stil mich ein kleines bisschen an John Wick, der auch knallhart und mit gutem Tempo in die Kampfszenen ging. Hier geht's nicht nur ruhig zu, sondern auch ordentlich zur Sache.
                Ich sehe wie immer keinen Grund an dem Film große Abzüge vorzunehmen.Denn als Thriller/Drama funktionert er einfach sehr gut!
                Hier und da wurde etwas zu viel erzählt, so ging es mir zumindest in der Szene, in der Ray King etwas von der Geschichte erzählt, wie er 'The Accountant' schonmal getroffen hat und so weiter, denn hier wäre nicht alles wichtig und nötig gewesen.
                Ansonsten war die Szene der zwei Brüder gegen Ende für mich der absolute O'Conner Moment, der mich doch sehr überrascht und begeistert hat. Und der Moment macht eine ganze Menge wieder wett, denn das Wiedersehen der Brüder ist tragisch, komliziert und zugleich ein toller Abschluss und zeitlich irrwitzig. Jeder der ihn kennt, wird das verstehen. Man wartet die ganze Zeit auf den 'Endgegner' und dann diese Szene. Ein grandioser Moment.

                16
                • 8
                  Rocket Man: Filmtoast 21.10.2016, 22:50 Geändert 22.10.2016, 12:40

                  (Starke Spoiler enthalten. Mit Vorsicht genießen)

                  Wer schon unglaublich viele Horrorfilme gesehen hat, wie ich, der seine Horrorfilm-Zeit schon länger hinter sich hat, wird das Gefühl kennen, dass man einfach nichts neues mehr sieht und kennenlernt, was dieses Genre angeht.
                  Das Genre Horror ist bekanntlich so ausgelutscht, wie ein lausiger Lollipopp.
                  In diesem Genre kommen beinahe täglich neue low-budget Produktionen auf die Füße, die 'fast' allesamt Müll sind. Dazu gesellen sich ab und zu aber auch Ausnahmen.Es ist manchmal ungefähr so, wie es nach Saw 2 weitergin. Der erste Teil war anders, neu, innovativ und fesselnd, andere Teile danach vorhersehbar, uninnovativ und haben sich nicht neu erfunden. Sie haben auf altbekanntes gesetzt und sich auf sich selbst verlassen, ohne etwas neues zu wagen. Ich glaube hier wurde der erste Stein für den 'Torture-Porn' gelegt.

                  Ein Glück also, dass auch ich endlich in den Genuss von Don't Breathe gekommen bin. Ein Horrorfilm, der zu altem Wesen zurückkehrt. Angefangen mit der bedrückenden Musik, den guten alten, dunklen Klaviertönen des Grauens, einer perfekten Kameraarbeit und Darstellern, die zwar nicht bekannt sind, aber bravourös aufwarten können. Auf ihnen liegt schließlich immer die Hauptlast, die unsere Erwartungen stillen müssen. Da kann das Drehbuch und die Idee noch so gut sein, wenn aber die Darsteller allesamt nicht funktionieren, dann ist der Rest auch Mist.

                  Hierzu gesellt sich eine Idee, die angsteinflößend und was mich betrifft, nie dagewesen ist. Eine Bande von jungen Menschen will einen blinden Mann ausrauben, was einfach und vorhersehbar klingt, aber spätestens nach ein paar Minuten in seinem Haus, undenkbar und grausam endet.

                  ''It's kind of messed up to rob a blind guy, isn't it?'' -Alex-

                  ''Just because he's blind doesn't mean he's a saint, bro.'' -Money-

                  Die Atmosphäre ist bedrückend, leicht Klaustrophobisch angehaucht und zu jeder Zeit packend. Wer sich den Film alleine zu Gemüte führt wird umso stärker belohnt.
                  Den Eindruck den man bekommt, wenn kein Freund daneben sitzt oder jemand quatscht, schmanzt und quasselt, ist immer stärker.

                  Hat es das schonmal so gegeben? Einen Horrofilm, indem der Peiniger 'von Angesicht zu Angesicht' neben seinen Opfern steht? Er sie nicht sehen, sondern lediglich hören kann?
                  Wo man anfangs noch Mitleid mit dem blinden Mann hat, der ausgeraubt wird, das Geld, dass er bekommen hat, weil seine Tochter totgefahren wurde, wird man im Laufe der Handlung einen enormen angewiderten Beigeschmack empfinden.
                  Spätestens aber, wenn man die Frau, die seine Tochter totgefahren hat, sieht, die der Blinde Mann festhält, weil er ein neues Kind von ihr haben möchte, dann erfüllt der Horrorfilm seine volle Wirkung.
                  Was macht es aus einem Menschen, wenn man seine Tochter verliert?
                  Man wird wahnsinnig? Ja.
                  Entführt man die schuldige Frau, sperrt sie im Keller ein und schwängert sie? Nein.
                  Aber gerade hierdurch entfaltet der Film seine bedrückende, kompromisslose und erbarmungslose Physis, die auch nach Stunden noch einen bitteren, faden Beigeschmack hinterlässt. Der Film nimmt sich nicht zurück und geht auch über Grenzen des Guten Geschmacks. Das macht einen Horrorfilm aus. Er spielt zeitweise komplett im dunkeln, die Musik immer spannend und thrillermäßig angehaucht und die Darsteller für die Handlung über jeden Zweifel erhaben.

                  Der blinde Mann ist hier natürlich der ganz Große Fang und die größte Innovation, mit der Don't Breathe aufwartet.

                  ''There is nothing a man cannot do once he accepts the fact that there is no god.'' -Der blinde Mann-

                  Das ist mir etwas vollkommen neues und gibt dem Film eine unerwartete Ausstrahlunng. Wer denkt, Horrorfilme von heute haben doch sowieso nichts zu bieten, sollte sich an diesem Werk versuchen. Ich bin mir sicher, er wird euch nicht enttäuschen.
                  Es ist zwar nicht alles neu, Handlungen, die in einem Haus spielen, wenig in der äußeren Umgebung, beklemmend und angsteinflößend etc. pp. Alles nicht neu.
                  Aber das heißt noch lange nicht, dass man das altbekannte nicht innovativ, handwerklich perfekt und mit neuem Ideenreichtum füllen kann.
                  Ich finde, dass hat Alvarez famos gelöst. Ihm ist mindestens einer der besten Horrorfilme der letzten Jahre gelungen.
                  Eine echte Überraschung, wie ich finde. Denn ich dachte auch, das Genre kriegt garnichts mehr zu Stande.

                  17
                  • 8
                    Rocket Man: Filmtoast 18.10.2016, 18:05 Geändert 20.10.2016, 07:15

                    -Chocolat-

                    Schwarzenhass, Rassismus, Schokokuss, Neger, Negerkuss Bimbo, Lakai.....
                    Eigentilich meinen wir, nicht mehr in einer Zeit zu leben, in der diese Begriffe noch oft beutzt werden. Eigentlich denken wir, dass diese Zeiten längst der Vergangenheit angehören. Ebenso könnte man aber denken, die Zeiten des Judenhasses und Antisemitismus wären vorbei. Ganz falsch ist das nicht, ganz und garnicht. Nur komplett verschwunden ist weder der Rassismus gegenüber den ''Schwarzen'', mittlerweile auch gegen Ausländer und auch der Antisemitismus nicht. Sie alle sind noch immer allgegenwertig.
                    Auch wenn wir heute in einer Zeit leben, in der unsere eigene Nationalmannschaft gehäuft ausländische und ''Schwarze'' Fußballspieler beschäftigen, ist dem Rassismus kein Ende gesetzt. Ob er jemals verschwinden wird, gebe ich jedem von euch zu bedenken. Ich glaube nicht daran, zumal ein Malcolm X und ein Martin Luther King, trotz ihres Werkes, zwar etwas, aber nicht alles daran ändern konnten.
                    In Amerika ist der schwarzenhass und der Rassismus noch immer ein aktuelles und gesellschaftskritisches Machwerk der Menschen. Der Mensch ist nicht makellos. Der Mensch ist ein Tier. Manchmal denken Menschen auch so, obwohl uns etwas von allen anderen Tieren unterscheidet. Der Verstand. Und die Vernunft. Zwei Eigenschaften, die schon Immanuel Kant oft gegenüberstellte. Diese zwei Eigenschaften sollten uns Menschen eigentlich reichen, um zwischen richtig und falsch zu entscheiden. Trotzdem ist die Welt deswegen noch lange nicht schön und das Thema verliert niemals an Aktualität.

                    Um eben jenen Rassismus geht es auch in ''Monsieur Chocolat'', der die Geschichte eines farbigen Mannes, mit dem richtigen Namen Rafael Padilla erzählt, der zu den ersten und erfolgreichsten Clowns des vergangenen Jahrhunderts geworden ist.
                    Entdeckt wird er dabei von einem weißen Clown, der ihn aus einem Zirkus ''rettet'', in dem er für Unterhaltung sorgt, wenn er affenähnliche Geräusche macht. Schon hier zielt der Film mit Witz und Derbheit auf die Aussage und Intention des Films ab. Roschdy Zem nutzt die wahre Geschichte, erziehlt einige der besten und wunderschönsten Hochpulierten Bilder dabei, und zeichnet das Schicksal des Charakters von Anfang an. Man lacht zwar mit ihm, aber wenn man ihn als Urwaldwesen und Minderwertigkeit wahrnimmt und die Menschen im Zirkus lachen, dann läuft es mir kalt den Rücken runter und ich möchte mich schämen, denn lustig ist das ganz bestimmt nicht.

                    Eine Szene hat mich sowieso nicht mehr losgelassen. In ihr wird nicht viel gesprochen aber gerade dadurch eine hohe Wirkung erzielt. Wenn gerade ein kleiner Junge ein Autogramm von dem furchteinflößenden aber herzlichen ''Schwarzen'' haben möchte und ihm mit dem Finger über sein Gesicht streicht, weil er wissen möchte oder wirklich glaubt, es sei nur Schminke, dann macht mich das unglaublich traurig. Die Zeiten früher waren freilich noch anders, dass ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir Menschen zum Großen Teil auch heute nichts dazu gelernt haben. Dass macht mich ebenfalls traurig.

                    Inzwischen erzählt der Film in einem kleinen Hauch der Langatmigkeit die Geschichte von Aufstieg, Hochmut und Fall des 'Chocolat', der mit seiner Nummer als Clown, der nicht nur bildlich gesprochen verprügelt und zur finanziell sehr erfolgreichen Witzfigur wird, und seiner Suche nach der Möglichkeit seines wahres Ich den Menschen zu offenbaren. Und zwar, dass er nicht nur ein ''Schwarzer'' ist, der in dieser Zeit eben als Bimbo, Lakai und einfach etwas minderwertiges angesehen wurde, sondern ein Mensch. Ein Mensch, der leben möchte wie die weißen. Ein Mensch, der wahrgenommen und ernstgenommen werden möchte. Seiner Suche nach seiner eigenen Identität, seiner Anonymität und seiner Verwirklichung. Omar Sy spielt dabei die beste, überzeugendste und tiefgreifendste Rolle, die er je bekam. Er ist in diesem Film ein kleines Wunder und verkörpert die Figur mit unglaublichem Charme, Witz, Tiefgründigkeit und Menschlichkeit.

                    Wo der Film hingeht, dass offenbart er in einigen schmerzhaften Szenen, mit denen man niemals rechnen würde, wenn man etwas über diesen Film liest o.ä.
                    In einer Szene wird er eingesperrt, weil keine Papiere. Die Wärter möchten ihm mit einem Besen die ''Schwarze'' Farbe von seinem Körper kratzen. Diese Szene wird berechtigt nicht zu sehr ausgeschlachtet, bleibt dafür aber noch nach Tagen und Wochen im Kopf. Das werde ich so schnell nicht mehr vergessen.
                    Im späteren Verlauf werden ihm sogar Finger abgehackt, weil er im Hochmut und Ruhm der Stunde, den Hang zum spielen entdeckt hat. Und Hochmut ist eben die Eigenschaft, nicht mehr zu erkennen, wann man aufhören sollte. Eine schlimme Mischung, die in dem Drama eine Struktierung vollführt. Eine Exposition (Vorgeschichte) ist klar zu erkennen, es folgt die Steigerung, aber die Katastrophe und der Höhepunkt folgen zwischen den Teilen. Das ist eine ungewohnte Mischung aber sie funktioniert. Die Momente die Schocken, kommen oft aus dem Nichts. Man ahnt es schon, aber man weiß es nicht. Mir haben diese Momente, wo ich gerade noch gelacht habe und dann etwas so derbes passiert, die Sprache verschlagen.

                    ''Monsieur Chocolat'', einer der ersten und erfolgreichsten ''Schwarzen Clowns'', der trotz seines Erfolgs niemals von der Pariser Gesellschaft akzeptiert wurde und sein Leben lang dazu verflucht wurde, der oberflächliche, dumme ''Schwarze'' zu bleiben. Etwas anderes war ihm nicht gegönnt.
                    Der kritische Subtext, den dieser Film innehat ist dabei weitaus überragender und packender, als das eigentliche Biopic. Das Leben des 'Chocolat' ist ein Sinnbild für eine Nation, die immerzu mit Freiheit und Gleichheit pralt, damals wie heute!

                    Die Szene, die wohl als die schönste und bei mir als 'Tränenreichste' gilt, ist jene, in der Chocolat im Theaterstück ''Othello'' spielt, sich selbst und seine Fähigkeiten offenbart und Omar Sy Klasse zeigt, die man von ihm noch nie gesehen hat. Der großartigste Moment des ganzen Films!

                    .......Dennoch gibt es ein paar Längen und die lustigen und schrecklichen Momente hätten meiner Meinung nach etwas konkreter gegliedert bzw. strukturiert werden können.
                    Aufgrund des Themas, des äußerst gelungenen kritischen Subtextes und des famosen Omar Sy, dennoch 8 mehr als verdiente Punkte!

                    12
                    • 10
                      Rocket Man: Filmtoast 16.10.2016, 20:25 Geändert 19.10.2016, 07:11

                      - Pass mal auf-

                      Was ist es, dass mich dazu veranlasst, dem nächsten Film in Folge 10 Punkte und einen Artikel zu widmen? Ich weiß es nicht. Ich könnte hier nur Mutmaßen. Mutmaßen, dass ich mich in einem Zustand befinde, in dem mich jeder Film kriegen kann. Mutmaßen, dass vor einiger Zeit ''Raum'' die Liebe zum Film neu entfacht hat. Mutmaßen, dass mein Eindruck von L.A. Crash, den ich vor wenigen Tagen noch mal eine Sichtung schenken musste, mich verführt, Paul Haggis Werk verdammt viel Respekt entgegenzubringen.

                      Als das Ende in Sicht war, als es vorbei war, saß ich wütend auf meinem Sessel, denn ich hatte das Drama nicht gänzlich verstanden.
                      Ich hab mich also über mich selbst aufgeregt, denn ich verfolge Filme immer sehr achtsam und voller Konzentration. Warum hab ich es nicht verstanden?
                      Ich lies mir also alles lange, wieder und wieder, durch den Kopf gehen, recherchierte und führte mir sehr oft den Titel des Werks zu Gemüte.
                      Nach all dem kamen mir einige Offenbarungen und ich war unfassbar stolz, als ich in der Lage war, mir die ganze Handlung zu erschließen. Endlich hatte ich verstanden, was der Film sagen will und mit was sich der Film befasst und er das alles umsetzt.

                      Die ganze Geschichte basiert auf einem neuen Buch, dass Michael, ein preisgekrönter Autor, verfasst. Es fällt ihm schwer sich anderen Menschen zu offenbaren, sodass die Figuren gegen Ende symbolisch verschwinden und man sich fragt, warum? Weil Michael die Geschichte schreibt, geplagt von Schuld und auf der Suche nach wahrer Liebe, sodass er sein Leben und seine Geschichte beenden und neu beginnen möchte. Zu traurig und grausam ist das Schicksal der Personen, die er aus der ''Dritten Person'' erschafft.

                      Im Gegensatz zu L.A. Crash schreibt Haggis die Geschichte nicht von außen nach innen, sondern von innen nach außen. In L.A. Crash folgte man einer Person, bis sie unwiderruflich auf die nächste traf. So lernte man im Laufe alle Figuren und ihre Verbindung kennen. Hier geht er von innen nach außen vor, indem er Michael die Geschichte schreiben lässt und die Figuren der Möglichkeit beraubt, sich jemals zu treffen. Sie agieren in drei verschiedenen Städten, weit auseinander.
                      In manchen, nein sogar zahlreichen Momenten, scheint es so, als würden sie sich aber begegnen. Hier wird dann aber auf komplett anderen Ebene erzählt und unserer Deutung auf die Sprünge geholfen. Sie treffen sich keinsfalls. Der Regisseur versucht uns auf einer höheren Ebende Detail mitzuteilen, um die Geschichte auf die richtige Weise deuten zu können. Das ist einfach nur clever.
                      Der Ausraster von Julia beispielsweise ist nicht nur auf die Rosen und den Gedanken, eine Frau wird geliebt und verehrt, zurück zu führen, sondern auch auf kleine, manchmal kaum erkennbare Kameraführungen, die ein Bild eines Künsterls zeigen und das in diesem Moment auch in der Szene auftaucht. Es ist ein Bild ihres Ex-Mannes, mit dem sich in einem Kampf befindet, weil sie scheinbar etwas getan hat, was man ihr niemals verzeihen kann. Aber auch diese Frage wird nicht komplett aufgelöst. Auch hier bleibt es uns überlassen, was wir dem Charakter wünschen und welche Eigenschaften wir ihm zugestehen wollen. Ich bin immer im Glauben an as Gute, weshalb ich glaube, dass sie ihrem Kind niemals etwas angetan hat, geschweigen denn es jemals tun könnte.

                      Michael ist nur nach Außen offen, innerlich ist er verschlossen und begreift nicht, wie das alles, vorallem das Glück und die Liebe, funktioniert.
                      So befasst er sich auch viel lieber mit den Geschichten der Figuren, über die er schreibt, nicht aber mit den seinen.

                      Genauso werden in der Geschichte drei Eltern mit drei Kindern verwoben. Hier wird der Gefühlszustand, die Reue, der Hass und die Suche nach wahrhaftiger Vergebung von Michael thematisiert, der die Geschichte schreibt und selber sein Kind nicht beschützen und vor etwas grausamen bewahren konnte.
                      Eben diese Verbindung wird mit wenigen Worten erfasst:

                      ''Pass mal auf''

                      Er projiziert sich selbst auf die Figuren und schreibt die Geschichte des Lebens und die Geschichte seines Lebens. Während wir ihm des öfteren beim Schreiben zusehen dürfen, sehen wir bereits seine Figuren, die in seinem nachdenklichen Antlitz, auf seinem Stuhl vor dem Laptop, entstehen.

                      "Es... es soll von einem Mann handeln, der nur durch die Figuren, die er erschafft, Gefühle entwickeln kann."
                      "Der Stoff müsste Dir ja total liegen."
                      "Dabei versucht er ständig, ein anderer zu sein." - "Wer denn?" - "Ich weiß es nicht. Keine Ahnung. Das ist das Problem!" -Michael und Anna-

                      "Du liebst die Liebe, doch für die Menschen hast Du keine Zeit." -Anna-

                      Genauso offenbart Michael die Frage aus seinem tiefsten Innern, wer ist Schuld? Wer ist Schuld an dem Schicksal der Kinder? Ist Julia an ihrer Situation Schuld, dass sie ihr Kind vielleicht nie wieder sieht?Ist Sean Schuls daran, dass seine kleine Tochter nicht mehr lebt?
                      Michael, Sean und Julia haben ihren Kindern, die Entscheidung ist dabei uns überlassen, vermeidlich etwas angetan, sie nicht beschützen können.

                      ''Sie alle versuchen, ein Kind zu retten.'' -Paul Haggis-

                      "Was willst Du, Julia?" - "Ich muss ihn berühren können, ...er ist mein Sohn!" -Julia zu Rick-

                      "Wie oft hat sie erwähnt, dass sie Dir zeigen will, wie gut sie schwimmt. Sie wollte immer nur Deine Aufmerksamkeit. Du hättest ihr ja nur mal zusehen müssen, doch nicht mal das konntest Du." -Elaine zu Sean-

                      Das nicht von dreien erzählt wird, was die Wahrheit ist, ist ebenso wirkungsvoll, wie es verdammt clever ist. So bekommen wir Entscheidungsfreiheit und der Film erzählt nichts, was ihm an Glaubwürdigkeit berauben könnte. Denn das könnte passieren, wenn der Film drei Geschichten über das Schicksal der Kinder und der drei Väter erzählt. Es könnte unpassend oder gar zu viel werden. Clever und wirkungsvoll. Nach '21 Gramm' und 'L.A.Crash' hielt ich es nicht für möglic noch ein so derart perfektes Puzzle zu sehen. Ich liebe es einfach, wenn ein Film einem viel abverlangt. Ebenfalls ist es spannend und mal ganz anders zu sehen, wie Paul Haggis als Autor, über einen Autor, über Michael schreibt. Michael will über einen Vater schreiben, der schlimmer ist als er....Denn Kontrolle und der Glaube, jemanden beschützem müssen finden im Film ebenfalls einen enorm großen Platz.

                      Die ganz große Frage, die uns nach dem Film noch bleibt, ist die Frage nach der Tochter von Monica.
                      Hier möchte ich euch sagen, fragt euch selber: Habt ihr denn je geglaubt, dass sie existiert? Dass das Kind festgehalten wurde?
                      Ebenso wie Sean verfiel ich dem festen Glauben, dass das Kind existiert, weil Sean Monica geglaubt hat, auch wenn sie nicht an sich selbst gelaubt hat. Ich sehe in allem etwas Gutes. Somit ist es für mich ein streckenweise lustiger, angenehmer Film, streckenweise auch dramatisch, traurig und niederschmetternd, aber dennoch überlässt mir Paul Haggis die Entscheidung, aus all dem ein kleines Happy-End für mich zu schaffen.

                      Dieses aufreibende Erlebnis ist mir die 10 Punkte Wertung wert....vielleicht sogar das Herzchen...

                      10
                      • 10
                        Rocket Man: Filmtoast 12.10.2016, 20:16 Geändert 14.10.2016, 22:50
                        über Snowden

                        -Whistleblower-

                        Was bedeutet Freiheit? Wer ist dazu bemächtigt sie zu kontrollieren?

                        Dieser Text enthält Spoiler. Alle Zitate sind vom echten Edward Snowden und wurden sorgfältig von mir recherchiert.

                        Edward Snowden sollte uns allen ein Begriff sein.
                        2013 machte er einen internationalen Skandal publik, der noch nie so eine einnehmende Aktualität besessen hat, wie heute.
                        Er ist nichts weniger als ein stiller Held, der der Welt zeigt, dass es immernoch Menschen gibt, die und das Gute und das Richtige glauben.

                        Oliver Stone beginnt sein Werk mit einer klaren Aussage, die es jedem, selbst wenn er es wollte, unmöglich macht, den Film wegen seiner Dramatisierung, wie es ein Film hat macht, zu kritisieren.
                        Er beginnt sein Meisterwerk mit der Aussage, die Folgenden Ereignisse und Geschehnisse, die er offen legt und offenbart, zu dramatisieren.
                        Der Film ist zwar teils Drama, teils Biopic und zeils Thriller, denn alle Elemente finden ihren Platz, aber dennoch führt er vorher an, dass er die Ereignisse dramatisiert darstellen wird. Und das ist es, dass an solchen Filmen immer am meisten kritisiert wird. Dass die Ereignisse verfälscht und dramatisiert werden. Aber vorallem will Stone eine Wahre Geschichte erzählen und dabei trotzdem mit den Erwartung und der Haltung des Zuschauers spielen. Ein Film muss bzw. sollte auch immer ein Stück weit unterhalten, Interesse wecken und eben auch Menschen gefallen, die dem Thema nicht viel abverlangen können oder sogar noch nie etwas davon gehört haben. Aber auch für jene Zuschauer gilt, schaut ihn euch ruhig an, denn Oliver Stone wird es euch erklären und ihr werdet es verstehen. Natürlich ist sein Werk für die am interessantesten, die die Affäre um Edward Snowden kennen. Aber für alle anderen arbeitet er das auf, dass vielen vielleicht noch nicht ganz klar ist.

                        Wer ''Citizenfour'' gesehen hat, wird wissen und verstehen, wie genial und verblüffend es ist, Joseph Gordon-Levitt in diesem Hotelzimmer in Hong Kong zu sehen, wie er mit den engagierten Journalisten Glenn Greenwald, Ewan MacAskill und der Dokumentarfilmerin Laura zu sehen. Er sieht dem echten Snowden einfach verdammt ähnlich und macht einen herausragenden Job. Der Film geht dabei Etappenweise vor. Man sieht ihn in jenem Hotelzimmer, aber wenn er anfängt über seine Geschichte und seine Vergangenheit zu reden, beginnt der Film mit seinem 'Biopic'. So sieht man immer in Sequenzen, die im Hotelzimmer spielen, aber dennoch am meisten, die Sequenzen seiner Vergangenheit. Dabei wird stets alles hinreichend erklärt, damit wir das Ausmaß des Skandals ausreichend verstehen und mitverfolgen können. Vorallem natürlich die Entwicklung, auch des Charakters. Oliver Stone trifft stets den richtigen Ton und weiß durch seine Dialoge und Bilder gleichermaßen zu schockieren und uns einzunehmen. Was er uns hier auf die Leinwand zaubert beweist, dass er seinen älteren Werken und überhaupt seinem künstlerischen Können in nichts nachsteht.

                        Und dennoch, wer ist Edward Snowden? Dieser stille, aufrichtige Held, der es als seine Aufgabe sah, der Welt die Wahrheit mitzuteilen und die Menschen selbst entscheiden zu lassen, ob es richtig oder falsch ist, was Geheimdienste in ihrem eigenen Land anrichten. Dass sie uns alle jederzeit ausspionieren und beobachten können, egal wo wir hingehen.

                        Edward Snowden: Von 1999 bis 2001 und 2004 bis 2005 studierte er auf einem College in Maryland Informatik. Zwischen 2001 und 2004 brach er sein Studium ab und meldete sich bei der U.S. Army, bei der er nur 4 Monate verbrachte. 2005 brach er sein Studium ab und wechselte als Techniker für die IT-Sicherheit zur Central Intelligence Agency (CIA).
                        Ab 2007 wurde er an die US-Amerikanische diplomatische Vertretung in Genf geschickt. Anschließend hieran wechselte er als freier technischer Mitarbeiter in eine NSA Einrichtung in Japan. Ab 2009 war er dann als Systemadministrator in einem NSA-Büro auf Hawaii tätig. Hier bekam Snowden Zugang zu streng geheim eingestuften Informationen, die die Überwachung der weltweiten Internetkommunikation (PRISM) und das britische Überwachungsprogramm Tempora umfasste. Alle Unterlagen, auf die er jetzt Zugriff hatte, kopierte er auf einen Stick und übermittelte sie an den Guardian Journalisten Glenn Greenwald. Greenwald veröffentlichte einige dieser Informationen im Juni 2013, ohne Angabe der Quelle. Hiermit löste er die Überwachungs- und Spionage-Affäre ''Snowden'' frei. Am 9.Juni.2013 gab der ''Whisteblower'' in Hong Kong offiziell seine Identität bekannt und gab der Affäre einen Namen und ein Gesicht. Am 14.Juni.2013 erwirkte das FBI einen Haftbefehl wegen Spionage gegen Edward Snowden. Seit dem ist er auf der Flucht. Gejagt, weil er seinen Job gemacht hat, selbst ausspioniert wurde. Selbst die Mitarbeiter der CIA werden ausspioniert.
                        Edward Snowden befindet sich momentan in Russland im Exil. Jedes Asyl, dass er beantragt, werden beleuchtet und streng unter die Lupe genommen. Ein aufrichtiger und stiller Held, der für die Wahrheit bezahlen muss.

                        Die NSA, CIA und andere Institutionen unterstehen alleine dem Präsidenten. Die Bürger der Welt bekommen davon nichts mit.

                        Ich könnte jetzt sagen, nicht schlimm, ich habe ja nichts zu verbergen. Aber ist es mir egal, dass man mich bei jedem meiner Schritte, bei jeder Nachricht, die ich sende, bei jedem Ausflug den ich unternehme, beobachtet werden könnte? Falls dieser Kommentar von ''jemandem'' mitgelesen wird, ich stehe zu Snowden. Ich verehre ihn und was er getan hat zutiefst.

                        ''Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich sage, alles, was ich tue, aufgezeichnet wird. Das ist nichts, was ich bereit wäre zu unterstützen.''

                        Wie einfach das geht verdeutlicht Oliver Stone in einer Szene, die mir kurz und gemacht hat, mich auf den Boden zurück holte und mich zutiefst eingeschüchtert hat. In dieser Szene sehen wir, wie schnell man beobachtet und ausspioniert werden kann, wenn man nur seinen Laptop aufgeklappt lässt. Ich zumindest schaue jetzt nicht länger gerne in die Vorderkamera meines Handys.
                        Auch so trifft Stone eine unbehagliche Atmosphäre. Jeder sympathische Charakter wird zunehmend unsympathisch. Jede Figur, wie die anfangs noch sympathische Figur des Corbin O'Brian, offenbart zunehmend sein wahres Gesicht.
                        Wie er mit Zeitsprüngen spielt ist gekonnt und vermittelte mir nicht nur das Gefühl von guter Recherche, sondern den Austausch mit dem echten Snowden, mit dem sich Joseph Gordon-Levitt auch persönlich getroffen hat. Umso stärker ist am Ende die Präsenz und einige wichtige und zutiefst ehrliche Worte von Edward Snowden höchst-persönlich. Kaum zu beschreiben wie Stone diesen Moment musikalisch, mit Einbezug von Gegenwart, echtem Nachrichtenmaterial und Vergangenheit, in Szene setzt. Ein unglaublich starker Moment. In allem hier steckt eine enorme Genauigkeit und Detailverliebtheit! Wie man es von Oliver Stone kennt.
                        Desweiteren hängt an dem Film noch ein besonders wichtiges Mittel, dass meinen Eindruck um das 10-fache verstärkt hat. Der Film nimmt die faden Nachrichten, die immer nur Halbwahrheiten offenbaren und fügt sie zusammen. Der Film ist ganz klar auf dem Buch, den echten Nachrichten aus aller Welt und persönlicher Recherche entsprungen.
                        Die Beziehung von Edward und Lindsay ist ebenso wichtig, wie die Darstellung seiner Arbeit, da hierin der mit wichtigste Konflikt des Menschen Snowden liegt.
                        Die ständige Geheimhaltung für einen Geheimdienst, der nicht davor zurückschreckt, dich und dein Leben auszuspionieren, ist moralisch nicht tragbar. Dennoch hat er knapp 8 Jahre für CIA und NSA gearbeitet. Die Zeiten waren nicht immer schlecht, das Gesamtbild fügte sich über die Jahre. So ist die Beziehung zu einer Frau immer belastet, sie müssen ständig umziehen und alles zurück lassen und er vergisst, dass es außer die Arbeit auch noch etwas gibt, für das man kämpfen sollte. Für die Frau und die Familie. Doch in seinem Leben kam der Zeitpunkt, an dem ihm das gleichgültig bzw. selbstverständlich vorkam. Seine Frau musste ihn aufrütteln. Nicht einmal, sondern sehr oft. Ein ´Konflikt, der im Film nicht hätte fehlen dürfen. Hierin liegen aber auch die herzhaftesten und glücklichsten Momente des Film. Wenn man Edward und Lindsay zusammen sieht, ihre wahrhaftige Liebe und seelenverwandtschaft.

                        Eigentlich steht im Gesetz der BRD und den Gesetzen der U.S.A. etwas von Menschenrechten und der Würde des Menschen.
                        Dadurch, dass heute so gut wie jeder ein Handy besitzt, modernisierte Autos, PC's, Laptops etc., ist es für Geheimdienste ein leichtes geworden, deinen Aufenthaltsort zu bestimmen und alles andere über ich, deine Freunde, deren Freunde suw. zu erfahren.Genau wie Snowden, könnte auch ich mit dem selben Wissen nicht leben.

                        Was ist Macht und was macht sie mit uns Menschen? Gebt einem Mensche zu viel Macht und er wird grauenvolles mit der Welt machen.
                        Edward Snowden --> Die Ausnahme bestätigt die Regel. Er hat gesehen und erlebt, was Macht mit Menschen machen kann.

                        ''Diese Leute - und das sind Regierungsbeamte, haben gesagt, sie würden mir nur zu gerne eine Kugel in den Kopf schießen oder mich vergiften, wenn ich aus dem Supermarkt komme, und zusehen, wie ich dann unter der Dusche sterbe. [...] Ich habe keine schlaflosen Nächte, weil ich getan habe, was ich für nötig hielt. Es war das Richtige und ich werde keine Angst haben.''

                        Aus der Rede des Präsidenen ging klar hervor, dass er kleinere Änderungen vornehmen will, um Behörden zu schützen, die wir nicht brauchen.Wir brauchen diese Art der Überwachung nicht, weil sie uns nicht sicher machen können.'' -

                        ''Ich würde sagen, ein entscheidender Punkt war, als ich gesehen habe, wie Geheimdienstkoordinator James Clapper unter Eid vor dem Kongress gelogen hat. Es gibt keine Rettung für einen Geheimdienst, der glaubt, Öffentlichkeit und Gesetzgeber belügen zu können, die ihm vertrauen und seine Handlung regulieren. Als ich das gesehen habe, bedeutete es für mich, dass ich nicht zurück kann.'' -

                        ''Es gibt keine Zweifel, dass die USA Wirtschaftsspionage betreiben. Wenn es bei Siemens Informationen gibt, von denen sie meinen, dass sie für die nationalen Interessen von Vorteil sind, nicht aber für die nationale Sicherheit der USA, werden sie der Information hinterjagen und sie bekommen.''

                        Oliver Stones Umsetzung und die atemberaubende Austattung und die unglaublichen Bilder, kurzum, diese Detailverliebtheit, ist grandios.
                        Mein allergrößter Respekt gilt aber auch Jospeh Gordon-Levitt, der sich bei mir frühestens nach ''The Walk'' und aller spätestens nach ''Snowden'' endgültig bewiesen hat.
                        Ich habe im Vorfeld viel gelesen und gesehen, wie sich Levitt auf die Rolle vorbereitet hat. Ich habe auch ''Citizenfour'' gesehen, die Dokumentation mit dem echten Edward Snowden und den echten Journalisten und der echten dokumentarfilmerin, die ihn Hong Kong geholfen haben, die Affäre öffentlich zu machen, und Levitt steht dem echten Snowden in seiner Ausstrahlung und seinem Schauspiel in nichts nach. Er sieht ihm unglaublich ähnlich, bewegt sich wie er. Grandiose Leistung.

                        Zum Abschluss noch ein paar Zeilen des Liedes ''The Veil'' von Peter Gabriel, der in der letzten Szene des Films zu hören ist. Unglaublich passend und lässig.

                        ''Underneath the sky where the cold winds cross
                        Theres an ocean where 'data' flows
                        One man in a boat out on the sea
                        A sea of little 'bits' of you and me

                        Some say you're a patriot
                        Some call you a 'spy'
                        An American hero
                        Or a traitor that deserves to die
                        In the heart of the free world
                        In the home of the brave
                        You gave up everything
                        To bring down 'the veil'

                        Theres no safe place to go
                        Now youve let that 'whistle blow'
                        Show Exactly what is going on
                        Show Exactly 'who was looking on''

                        Ich sehe keinen Weg und keinen Grund, diesem meisterhaften Biopic, seine 10er Wertung zu verweigern.
                        - 10 Punkte und ♥ für ''Snowden'' -
                        Danke Oliver Stone und Joseph Gordon Levitt für einen enorm wichtigen Film!

                        12
                        • 10
                          Rocket Man: Filmtoast 10.10.2016, 13:10 Geändert 11.10.2016, 00:24

                          -Kollision-

                          ''Der Tastsinn ist ausschlaggebend. In jeder anderen Stadt wird man beim Geben angerempelt und streift automatisch andere Passanten. In L.A. berührt dich niemand. Man befindet sich dauernd hinter Stahl und Glassbarrieren. Ich denke die Leute vermissen die Berührungen so sehr, das sie Kollisionen verursachen, nur um etwas zu spüren.''

                          In diesem Sinne konzipiert der Film sein eigenes Schweizer Uhrwerk. Dabei handelt es sich um einen Episodenfilm, bei dem es viele handelnde Personen braucht, die durch tragische Ereignisse zusammen finden.Wir tauchen in wenige Stunde des Lebens von 14 Personen ein. Davon stehen sich einzelne Personen sehr Nahe. Der Rest findet im Konstrukt der Handlung zusammen.

                          Eine Aneinanderreihung der Themen Mord, Humanität, Verzweiflung, Rassismus und zufälliger Begegnung finden im Film Platz.
                          Hierbei sehen wir Personen, wie Detective Graham Waters, der so etwas wie den roten Faden der Geschichte verkörpert.
                          Der Rassismus wird vermenschlicht, keinem aufgezwungen und dennoch ist er und die die Beleidigung an die Gleichheit der Individuen ein fortlaufendes Motiv des Films. So ist zum Beispiel Officer Ryan nicht von Natur aus ein Rassist.Er ist unzufrieden, muss sich um seinen kranken Vater kümmern, die Versicherung lässt sie dabei im Stich und er versucht für seine Situation schuldige zu finden. Da kommen die Vorurteile und rassistischen Züge gerade gelegen. Damit findet man schnell schuldige, mit denen man sich sein angekratztes Image aufpolieren kann.
                          So belästigt er im Film Christine und ihren Freund, den Regisseur, weil er unzufrieden ist und seine Unzufriedenheit auf jemanden projizieren muss. Dass andere Menschen glücklich sind erscheint ihm keineswegs gerecht.Wenn Christine und Ryan sich später bei einer Unfallstelle wieder begegnen und Ryan plötzlich der einzige ist, der sie aus dem Auto befreien kann, dann ist das herzzerreißend, denn sie will sich von ihm, der sie belästigt hat, nicht helfen lassen. Aber er ist der einzige, der sie noch vor der Explosion retten kann. So bekommt Ryan plötzlich Menschlichkeit und zunehmend humanitäre Charakterzüge.

                          Der Film zwingt einem die Konflikte keineswegs auf. Andere werden die Konflikte unberührt lassen. Aber es geht nicht einfach nur um Rassismus, Unzufriedenheit und Verzweiflung, sondern um die Humanität, die in dieser 113 minütigen Kettenreaktion manchmal nicht genug Platz findet.

                          Was bedeutet ''schwarz''? Was bedeutet ''weiß''?
                          Haben wir nicht alle die selben Strukturen, die selben Organe, die selbe Kraft in unseren Beinen, die uns trägt? Den selben Willen nach Anerkennung und Bestätigung? Die Suche nach Liebe?
                          Weshalb aber sind Menschen unterschiedlicher Kulturen und unterschiedlicher Hautfarbe sowohl gesellschaftlich als auch Ethisch anders einzuordnen ?
                          Sind wir alle gleich? Oder sind wir doch von Grund auf verschieden, nur weil wir einen anderen Glauben und eine durch unsere Kultur unterschiedlich gefestigte Meinung von Sitte und Moral haben?

                          Wer L.A. Crash gesehen hat, bekommt einen emotional aufreibenden und fein konstruierten Episodenfilm der anderen Art zu sehen. Jede einzelne Figur spielt eine wichtige Rolle. Jeder Charakter fügt der Geschichte einen roten Faden hinzu, bis alles ein großes Ganzes ergibt.

                          Keine der Figuren kommt dabei ungeschoren davon.
                          'Jean Cabot' ist hysterisch, übervorsichtig und paranoid und ist davon überzeugt, dass der ausländische Schlosser, der übersät ist mit Knast Tätowierungen, ein Betrüger und Krimineller ist. Ebenso wie Farhad, der selber ausländischer Abstammung ist. Und trotzdem muss sich Jean bei einer Mutmaßung ihrerseits ertappen, die ihr die Unmenschlichkeit ins Gesicht schreibt.
                          'Rick Cabot' ist Bezirksstaatsanwalt und versucht negative Presse, in der womöglich ein ''schwarzer'' involviert ist, von sich fern zu halten. Er ist ebenfalls kein schlechter Mensch, aber die Hautfarbe und Abstammung ist dennoch ein entscheidendes Mittel zum Zweck.
                          'Ria' ist eine ehrliche Polizistin, bekommt aber ständig Mexikaner-Witze entgegengebracht, obwohl ihre Abstammung eine ganz andere ist. Hier werden verschiedenste Abstammungen und Kulturen über einen Kamm gespannt.
                          'Officer Hansen' ist die meiste Zeit die einzige Figur, mit der man sich identifizieren kann, bis zum Schluss, an dem er selbst den Vorurteilen verfällt, die er im ganzen Film so gerne verneint hat und den Glauben an die Menschheit bewahrt hat.
                          'Detective Waters' schläft mit einer ''weißen'' und hat es ebenfalls schwer mit seiner Hautfarbe in der Gesellschaft klar zu kommen. Er verspricht des öfteren im Film seiner Mutter, dass er seinen Bruder, einen schwarzen, der schon öfter straffällig geworden ist, zu finden, nur um am Ende seinen toten Bruder an einem Tatort zu finden, dessen Tot von Officer Hansen ausgeht, da dieser gedacht hat, der ''schwarze'' hat grundsätzlich eine Waffe dabei. Das mag Klischehaft vorkommen, ist es wahrscheinlich auch, aber es wird einem nach wenigen Minuten klar, welche Karten der Film austeilt um auch eine Konsequenz zu erzielen.
                          Farhad, der selber Vorurteile gegen andere kulturelle Gemeinschaften hegt, macht den Schlosser Daniel für die Plünderung seines Ladens verantwortlich. Dieser hat ihm empfohlen, die Tür reparieren zu lassen. Auf diesen Vorschlag stieg Farhad nicht ein, er wird ausgeraubt und alles was er hat geht verschwunden. Die Versicherung will ihm natürlich nichts erstatten, weil er aufgrund seiner Vorurteile nicht auf den Schosser hören wollte, der ihm nur helfen wollte. In der Konsequenz will er Daniel konfrontieren und hätte im Affekt des Streits beinahe Daniels kleine Tochter umgebracht. Eine Szene, die mir urplötzlich Tränen in die Augen katapultierte. Urplötzlich und vollkommen ungeahnt.

                          Der Film führt Personen ein, führt sie zusammen und verändert im Laufe des Films ihre eigene persönliche Weltanschauung und setzt maßgebliche Aspekte und Gefühle. Gefühle die natürlich rüber kommen, eben weil wir es nicht mit schlechten Menschen zu tun haben, sondern mit Menschen, wie du und ich.

                          ''Ich nenne so etwas eine 'graue' Komödie. Sie ist nicht völlig schwarz. Ich liebe solche Filme, weil sie zum Nachdenken und Lachen anregen, und man sich dennoch eingestehen muss ''Ich bin einer von denen''.'' - Produzent Mark R. Harris

                          Tatsächlich sehen wir nichts, was wir nicht auch von uns selber kennen. Auch wenn ungewollt ertappen wir uns oft genug dabei, wie uns etwas rausrutscht, dass einen rassistischen Hintergrund hat. Manchmal verharmlosen wir es, weil es einfach normal ist. Auch wenn es nichts schlimmes ist, vielleicht nur ein kleiner ''Schwarzen-Witz'. Dennoch hat dieser gesellschaftlich anerkannte Rassismus einen Ursprung und kein sichtbares Ende.
                          Rassismus kann überall gebraucht werden. Um Bezirksstaatsanwalt zu werden, Morde schnell aufzuklären oder einfach ein paar ''schwarze'' loszuwerden, ohne dafür eine Strafe erwarten zu müssen.
                          Der Film kritisiert gekonnt und pikant sein eigenes Land. Ein Land, indem schwarze noch heute diskriminiert und herabwürdigend behandelt werden.

                          Es scheint irgendwo in unserer tiefsten Natur verankert zu sein, Macht auszuspielen und vor nichts Halt zu machen.
                          Im Film sehen wir Klischeehafte Gangster und Klischeehafte weiße ''gelackte'' Bürger der Gesellschaft. Auf beiden Seiten findet Rassismus und Ungleichheit gleichermaßen Platz. Und das führt zu einer unaufhaltsamen Kettenreaktion.

                          ''L.A. Crash'' ist ein Episodenfilm mit grandiosem Drehbuch von Paul Haggis (Million Dollar Baby), der an tiefste Menschsein appelliert, dabei ein Thema aufgreift, dass auch nach Ghandi, Malcolm X oder Martin Luther King, nicht mal das kleinste bisschen an Aktualität verloren hat. Gerade das Entstehungsland des Films ist gezeichnet von den Gesellschaftsschichten, den unterprivilegierten und des Rassismus. Betrachtet die aktuellen Ereignisse in der U.S.A. Die Menschheit bessert sich einfach nicht. Und das wird sich auch in nächster Zukunft nicht ändern.

                          Was fällt uns Menschen so schwer, in jedem Menschen, einen Menschen zu sehen?

                          ''Man kann den Film in kleine Schubladen stecken, weil er sich auch jeder Stimmungskategorie entzieht. Der Film dreht sich um das wahre Leben. Aber er besitzt auch Elemente der Fabel und der Sittenbeschreibung. Darüber hinaus verbreitet L.A. Crash Hoffnung. Wir erleben Leichtsinn und Herzschmerz, Tragik, Schönheit und Komik. All diese Elemente rufen Anklänge an verschiedene Genres wach, verhindern aber auch eine klare Einordnung.'' -Cathy Schulmann Produzentin-

                          '' Wer nach diesem Film aus dem kino geht und sich nicht selbst in den Protagonisten wiedererkennt, ist ein absoluter Lügner''-Sandra Bullock''.

                          15
                          • 8 .5
                            Rocket Man: Filmtoast 07.10.2016, 19:00 Geändert 07.10.2016, 20:30

                            - Das Fenster -

                            Kennst du das Fenster? Hast du jemals das Fenster mit deinen eigenen Augen gesehen? Was verdammt verbirgt sich hinter diesem Fenster? Ich hab schon viele Gruselgeschichten von Fenster gehört? Er muss gruselig sein. Dieser alte Mann mit seinem Messer. Dieser gruselige Mann, der sich seit über 20 jahren hinter der Fassade seiner Wohnung verbirgt? Habt ihr ihn schon jemals gesehen?

                            Was verbirgt sich hinter Fenster? Was verbirgt sich hinter Worten?

                            Was verbirgt sich hinter deinem Gesicht, wo wir schonmal dabei sind? Vielleicht ein aufgefressener Rest, deines alten und lebensfrohen Charakters? Aber was ist mit dir passiert, dass du dich so verändert hast? Warum gehst du nicht raus? Warum lässt du dich in der Welt nicht mehr blicken und harrst in einer Wohnung, im Ghetto von New York aus und teilst dich nicht mehr mit? Warum trittst du nicht mehr in Interaktion mit den Menschen in deiner Umgebung? Warum nur, hast du aufgegeben?

                            William Forrester, ein Schriftsteller, der mit seiner einzigen literarischen Veröffentlichung seines Lebens, Maßstäbe gesetzt hat. Kein geringer verbirgt sich hinter Fenster. Die Schulen von heute lesen sein Buch. Die anspruchsvollsten Schulen von heute lesen sein Buch.
                            Das Buch beeinhaltet Wörter. Unzählige davon. Man sagt, ein Bild sagt mehr, als tausend Worte. Manchmal, da sagt ein Wort mehr, als es tausend Worte je könnten.
                            Und genau in diesem Moment muss ich darüber nachdenken, was ich gerade schrieb. Du, der du das gerade liest, hast bestimmt schon gemerkt, was ich meine, nicht? Würdest du mir gegenüber stehen, könnte ich mit dir niemals so reden, wie ich dir das hier schriftlich mitteilen kann. Wir würden ja sprechen wie vor 300 Jahren. Aber warum? Weil mir dieses (virtuelle) Stück Papier das Recht gibt, so zu schreiben, wie ich mich fühle, die Dinge so beim Namen zu nennen, wie sie sind. Dieses Stück Papier nimmt keine Wertung vor, schreibt mir nicht vor, was ich zu sagen habe und was nicht. Dieses Blatt kennt keine Regeln, außer die, die ich befolge. Das Blatt tut nichts Weiter, als meine Wörter in sich aufzunehmen.

                            Das ist es aber, was der Film klar macht. William Forrester lebt alleine, ruhig und abhängig von der Welt da draußen. Er beobachtet die Jugendlichen, die Natur, die wunderschönen Vögel und definiert so seinen Charakter. Er steht für ein Symbol, dass uns allen geläufig ist. Er steht für den stillen Beobachter, der alles analysiert und im Laufe der Handlung wieder zu sich selbst findet und den jungen Jamal in seine Magie des Schreibens einweist. Er unterrichtet den armen Jungen aus der Bronx, der es nach Meinung der Gesellschaft, niemals zu etwas bringen wird.
                            Er ist schwarz, kommt aus der Bronx, dem Ghetto von New York und ist ebenfalls ein Symbol. Sie beide sind das Symbol der Hoffnung und der Freiheit in der Entfaltung des Charakters, der zumindest mir sehr bekannt vorkommt.
                            Der junge Jamal verschlingt Bücher, gibt sich nach außen aber gerne als Basketball Freak. Er versteckt sich hinter einer Fassade, die Forrester sofort aufknackt. Er lässt aus dem jungen eben das raus, was er wirklich sein will, was er wirklich tun will. Er muss sich nicht verstecken. Und das, in seiner eigenen Art, die Forrester in über 20 Jahren zu dem machten, was er jetzt ist:

                            „Warum haben sie das alles gesagt, dass ich schwarz bin und so ?“ - „Es hatte nichts damit zu tun, dass du schwarz bist. Es hatte nur damit zu tun, dass ich rausfinden wollte, wie viel Schwachsinn du dir gefallen lassen würdest.“

                            Auf eine eigenartige Weise gibt er dem jungen, unerfahrenen Jamal zu bedenken, was die Gesellschaft über ihn und seines Gleichen denkt. Jamal ist belesen, er ist klug, so klug, dass er durch seine Leistungen, auf eine ganz besondere Schule gehen darf. Die Lehrer sind streng, die meisten Schüler priviligiert und überschätzt. Er steht ihnen in nichts nach. Durch die Vergangenheit ist er wesentlich erwachsener und erfahrener, als es diese priviligierten, verwöhnten Kinder, je sein werden. So entdeckt Forrester in dem 16-jährigen, schwarzen jungen, etwas von sich selbst. Er unterweist ihn, bringt ihm das wichtigste dabei. Darunter das, worauf es beim Schreiben ankommt.

                            „Fang an !“ – „Was anfangen ?“ – „Schreib !“ – „Was machen sie da ?“ – „Ich schreibe, wie du auch, wenn du mal anfängst, in die Tasten zu hauen. ... ,,Gibt´s ein Problem ?“ – „Ich denke nur.'' Nein, nicht denken, das kommt später. ... Die erste Fassung schreibt man mit dem Herzen und überarbeitet sie mit dem Kopf. Der erste Schritt zum Schreiben besteht darin, zu schreiben, nicht zu denken.“

                            Dieses Zitat ist maßgeblich. Ich merke es selber. Ich denke nicht viel nach, jetzt, wo ich diese Worte nieder schreibe. Vielleicht werde auch ich danach schauen, ob die erste Fassung dieses Kommentars reif ist, für die Veröffentlichung, die unwiderruflich folgen wird. Erst schreiben, nicht nachdenken, alles rauslassen, was es zu sagen gibt. Darüber nachdenken kannst du auch noch, wenn du fertig bist. Wenn der Kopf leer ist und du weißt, dass es nichts mehr zu sagen gibt.
                            Forrester unterrichtet den jungen weise und mit Disziplin. Man ist zu jederzeit interessiert, was hinter dem Charakter des Forrester steckt. Gekonnt lässt der Film die Figur aber mysteriös und geheimnisvoll wirken. Seine Vergangenheit bekommt zwar einige Facetten, dennoch hat er für mich das maßgeblich geheimnisvolle und die Weisheit seines Charakters bis zum Ende behalten.
                            Auch in den oft schon lustigen Einwänden von William steckt etwas Weisheit:

                            "Nicht grad ne Suppenfrage, oder!?"

                            „Du hättest bei der Suppenfrage bleiben sollen. Das Ziel einer Frage besteht darin, Informationen zu erhalten, die uns betreffen, und sonst niemanden.“

                            Und was fürchten wir Menschen eigentlich am meisten?

                            „Weißt du, wovor die meisten Menschen Angst haben ?“ – „Wovor ?“ – „Vor dem, was wir nicht verstehen. Und wenn wir etwas nicht verstehen, dann greifen wir zu Mutmaßungen. Crawford kann nicht verstehen, dass ein schwarzer Junge aus der Bronx so schreiben kann wie du. Also mutmaßt er, dass du´s nicht kannst.“

                            Diese Art der Erklärung ist weise und wahr. Der Film erziehlt das meiste an erstaunlicher Magie ganz klar in Aussagen und Dialogen, wie diesen. Sie liegen oft auf der hand, die Antwort kennt man eigentlich schon, aber dennoch ist diese Art der Kommunikation, eben eine ganz andere. Solche Zitate bleiben bei mir immer hängen, wie Klebstoff auf Papier!

                            Jamal macht indes Schauspielerisch einen ausgeprochen tollen Job, obwohl er noch sehr jung ist. Neben der Legende Sean Connery, auf den man sich schon freut, als er noch durch sein Tür-Spion schaut, büßt er natürlich einiges ein. Sean Connery ist charismatisch und mimt den alten, weisen Herrn, als wäre die niedergeschriebene Figur im Skript, seine eigene bescheidene Perönlichkeit. Man sieht ihm einfach unglaublich gerne zu. Diese Rolle gehört definitiv zu seinen besten.
                            Und auch wenn das Thema Rassismus schon x-mal behandelt wurde, tut das dieser wunderschönen Geschichte eines jungen und seines Mentors, keinen Abbruch.
                            Der Rassismus ist gegenwärtig, wird aber nicht ausgeschlachtet, wie bei vielen anderen Filmen. Man merkt es, aber der Film zwingt einen nicht dazu, sich damit endlos auseinander zu setzen. Er überlässt es dem Zuschauer und fokussiert sich an der titelgebenden Geschichte. Forrester, der in einem jungen, etwas von sich selber sieht, seinen Charakter wieder neu formt und zu längst vergangener Persönlichkeit findet.
                            Das Ende ist natürlich der Höhepunkt und das Prunkstück des Films und einfach nur wunderschön. Das Ende unterlegt mit dem zeitlosen Klassiker ''Somewhere over the rainbow''. Der Abschluss einer wunderschönen Geschichte voller Weisheit und der Suche nach Freiheit und dem eigenen Ich!

                            13
                            • 10
                              Rocket Man: Filmtoast 25.09.2016, 15:29 Geändert 27.09.2016, 07:04

                              Schwanensee ist nicht etwa einfach nur ein Ballett-Stück, es verbindet Trauer, Glück und Wahnsinn zugleich. Besonders die Musik von Tschaikowski entfacht dabei eine psychodramatische und zugleich in die tiefsten Abgründe des Menschen gleitende Musik. Bitte nicht wundern, es gibt schon eine Kritik zum Film von mir, nur fehlten einige Punkte noch. Ich musste noch etwas mehr loswerden...

                              Dieser Beitrag enthält Spoiler!

                              Lange hab ich mich vor diesem Werk gedrückt, weil mich das Thema ''Ballett'' zu sehr abschreckte. Typisches Vorurteil aller Männer. Denn bei dem ''reinen'' Vorurteil ist es letztenlich bei mir geblieben. Ein reines Vorurteil ist es, zu denken, dass Ballett nichts kunstvolles, nichts emotionales und nichts außergewöhnliches vorzuweisen hätte, dass sich in einem Psycho-Drama-Thriller verwerten ließe. Haltet also einen großen Abstand von diesem Vorurteil und überzeugt euch einfach selbst, denn euch erwartet ein Darren Aronofski, wie ihr ihn schon lange nicht mehr gesehen habt!

                              Darren Aronofoski beweist mal wieder, wie er seine einzigartige Darstellung und Bebilderung eben so einsetzt, dass einem so manche Szenen schlicht im Halse stecken bleiben und erst nach längerer Zeit wieder in einen klaren Verstand übergehen. Die Atmosphäre, stark angetrieben durch den Hang zu dunklen und wenig farbreichen Bildern bis hin zu hellen und überschwelligen Farben, tragen maßgeblich zur Wirkung des Films bei. Ist im einem Moment der farbreichtum hell, schon fast grell, so erwacht die Faszination, die Liebe und gleichzeitig der Wahnsinn unseren Verstand. Aronofski weiß, helle, grelle, dunkle und unheilvolle Farben gleich auf mehreren verschiedenen Ebenen zu interpretieren. Dabei sind helle und dunkle Farben unterschiedlich zu deuten. Nicht immer ist grell Wahnsinn, nicht immer dunkel auch unheilvoll. So verschreckt der Film den Zuschauer gleichermaßen, als das er ihn klar verstehen lässt. Aber das ist die Kunst des Psycho-Thrillers. Die Musik belässt Aronofski im Ballett-Stil, was ganz besonders im letzten Drittel des Films die ganze Melancholie und ''Die Metamorphose'' der Hauptprotagonistin ausmacht. Sie trägt ''die Verwandlung''. Hat die Musik von Pjotr Iljitsch Tschaikowskis doch die Fähigkeit Schönheit und Wahnsinn gleichzeitig zu vermitteln und ''Die Metamorphose'' zu tragen. Keine andere Musik wäre passend gewesen. Ist das Ballett doch gekennzeichnet von Kunst und der wahrhaftigen Schönheit, durch Musik, Kostüm, Darstellung und Choreographie, zudem dies alles den Hauptprotagonisten des Stücks alles abverlangt. Die Darstellung seitens Natalie Portman ist Oscarreif und verdient gewonnen. Von Anfang an sieht man ihr bereits das Leid an, dass man in den nächsten 108 Minuten erlebt und verarbeiten muss. Blass bleibt sie dabei, bis auf die Tatsache, dass sie sich körperlich sehr zurücknehmen musste, niemals. Wie sie sich auf grauenhafte Weise abgemagert hat und diese unheilvolle und schon erschreckende Physis ihrer Figur erschaffen hat, läuft mir eiskalt, wie -40° kaltes Wasser den Rücken herunter. Wie sie die Ausgestossene ohne überzogen aufgesetzte Mine offenbart und ''Die Metamorphose'' des weißen Schwans bis hin zum schwarzen Schwan darstellt ist vollkommen beispiellos. An dieser Stelle sei gesagt, dass ich viele ihrer Filme kenne. Allerdings keinen mit einer solchen Schauspielerischen Intensität wie sie in ''Black Swan'' brilliert. Hier kommt Portman zu einer Physis, die ich von ihr überhaupt nicht kenne. Entsprechend überzeugend und faszinierend ist es also, sie in der (mMn) Rolle ihres Lebens zu sehen und erleben zu dürfen.

                              Bebilderung, Wahrnehmung, Musik, Darstellung und Psyche sind hierbei so markant und unumgänglich, dass sie alle zusammen den Zuschauer in ihren Bann, ihre eigene Welt zieht und so mitnimmt und nachdenklich zurück lässt. Der Film ist ebenso ein wichtiges Statement an die menschliche Psyche. Die wird in der Beziehung Nina-Thomas sehr deutlich. Anfangs ist man noch dazu hingezogen Thomas als den schlimmsten Peiniger zu sehen, werden ihm zum Ende hin aber einige Sympathien zugesprochen. Es bleibt trotzdem schwer seinen Charakter zu mögen. Diese Ambivalenz seines Charakters bleibt immer unheilvoll und gruselig. Cassell's Leistung ist ebenfalls grandios. Stehen ihm (gerade bei Betrachtung seines Aussehens) solche Rollen am besten. Er hat das richtige Gesicht für einen kontrollsüchtigen Irren. Ob passend oder nicht, sei hier ein kleiner Vergleich zu ''Whiplash'' anzumerken, da hier der selbe Konflikt zum tragen kommt. Auch hier wusste man am Ende nicht ob Terence Fletcher nun im eigenen Sinne ein Held ist oder schlicht ein überzeichneter, unberechenbarer und skrupelloser Sadist. Auf diese Frage habe ich bei Thomas keine Antwort parat. Es ist schlicht etwas von beidem. Er ist für die Verwandlung Nina's zu jeder Zeit verantwortlich, ebenso wie Lilly. Ohne die zahlreichen Mittel, denen sich ein Darren Aronofski annimmt, wäre es dem Film um einiges schwerer gefallen, seine Geschichte, die sich mehr oder weniger in 3 Akte einteilen lässt, nachvollziehbar und authentisch zu vermitteln.

                              Eine Geschichte, die sich in 3 Akte einteilen lässt. Wie bei einem echten und wahrhaftigen Drama. 1. Intro 2. Erste Auswirkungen und Wahnvorstellungen bis hin zu 3. Höhepunkt, Wendung und Schluss. Der Film verliert nie seinen Ton und geht keinerlei Kompromisse ein. Schnitt und Kameratechnik sind brilliant. Zu jeder Zeit fiebert man mit Nina mit und kann bei mancher Szene nur schwer auf den Bildschirm gucken. So viel Leid, Verzweiflung und Demütigung. Das alles verpackt Portman in einer einzigartigen Darstellung aus wahrer Liebe zum Ballett und purem Wahnsinn in der Konsequenz ihrer Aufgabe im Ballett und ihrer Darstellung. Und das Ende in seiner unglaublichen Konsequenz ist zwar hart aber wunderschön und darüber hinaus nur logisch. Das ist das Ende einer unglaublich stilvoll erzählten Geschichte über Liebe, Sehnsucht, Verzeiflung und Wahnsinn. Einzigartig in Szene gesetzt, unglaublich gespielt und Konsequent eingefangen und beendet. Auch die intimen Szenen sind gekonnt eingesetzt und unterstreichen stilvoll die Gestaltung der Sehnsucht. Das alles in 108 Minuten unterzubringen ist schlicht die Kunst des Films !

                              Was die Handlung jederzeit dabei unterstützt sind die Ambivalenzen in allen Charakteren. Ihre Mutter, die anfangs einfach nur voller Sorge ist, wird zunehmend auch einnehmend, komisch und gruselig, genauso wie Lilly. Sie wird einem zwar nie sympathisch, erschien aber auch sie anfangs nicht krank im Sinne des Films, sondern eigentlich nur billig und arrogant. So erleben alle Figuren, mit zunehmenden Verlauf der Handlung einen Bruch, der sich durch das Verhalten bemerkbar macht und sich auf den Charakter der Nina auswirkt. Schwer zu beschreiben, aber des einen Leid, ist des anderen Wahnsinn und umgekehrt.

                              Ein anderes ist dann noch die Kamera. Was in Aronofskis Filmen immer auffällig ist, ist und bleibt die sagenhaft gute Kamera-Arbeit. Sie hängt sich stets an die Charaktere und ''verfolgt sie''. Meist sitzt sie dem Protagnonisten direkt im Nacken und folgt ihr, wie ein Gefährte, der sich ihr nicht entziehen kann, was die ganze Darstellung an sich noch viel imposanter macht. Außerdem ist es schlicht auch einfach wunderschön anzusehen. Genauso, wie die Kamera in allen Ballett Szenen und ganz besonders im Opening mich vollkommen eingenommen hat, wenn sie rund um die Charaktere dreht und läuft, während sie gerade ihren Tanz vollführen. Es ist schon beinahe romantisch, die Kamera weiß in schnellen Umkreisungen aber auch hektisch und sagenhaft verführerisch zu wirken. Die Kamera-Arbeit ist maßgeblich für den Film und drückt die Verführung, die Sehnsucht und das Verlangen aus, dass wir im Film erfahren. Sie ist hektisch, sie ist langsam, die Kamerafahrten in den Ballett Szenen einfach einnehmend. Ich konnte meinen blick nicht davon abwenden. Und wenn ein Film das schafft, verdient er eine ordentliche Würdigung. Und er war mir wichtig genug, meinen kommentar neu aufzurollen!

                              Würde ich Wertung für den Beitrag zum Genre und eine Gesamtwertung vergeben, so komme ich nach sehr kurzer und komlexer Rechnung auf satte 10 Punkte. Gekonnt, kunstvoll, spannend, einnehmend und atemberaubend !

                              16
                              • 9
                                Rocket Man: Filmtoast 24.09.2016, 23:45 Geändert 26.09.2016, 06:38

                                Heute bei meinem spontanen Besuch in das DVD-Land, stoß ich auf einen Film, der mich für garnicht viel Geld, voller Liebe ansah und sagte: ''Du magst diesen Typ kein Stück. Aber der Film bekommt doch so viel tolle Kritik. Preise hat er auch gewonnen. Wie wäre Mickey Rourke wohl in so einer Rolle? Als Schauspieler? In einer Rolle, mit der er selbst sich nur zu gut identifizieren kann und die Abgründe authentisch und verständnisvoll darstellen könnte? Was fällt dir ein, ihn dir nicht einfach anzuschauen, statt ihn hinter dir herzuschieben. Irgendwann wirst du ihn dir ja trotzdem anschauen !^^''

                                Und so kam ich heute in den puren Genuss von ''The Wrestler'' mit einem authentischen, überraschenden, starken und bewundernswerten Mickey Rourke in der Rolle seines Lebens.
                                Was macht wohl das Leben aus einem Menschen, der seit so vielen Jahren seine Aufmerksamkeit und seine Bestätigung aus etwas zieht, zu dem wir wohl zum Großteil sagen würden:'' Sach mal, wie krank, wie arm, wie lebensmüde kann man eigentlich sein?'' oder ''Klar zusehen ist okay, auch wenns natürlich trotzdem nicht in meinen Verstand passen will, dass es immernoch Menschen gibt, die so ihr Geld verdienen müssen''.
                                Und tatsächlich...Viele von euch werden ''Der Gladiator'' mit Russel Crowe kennen. Wie hieß es da noch? ''Brot und Spiele''. Klar beim Wrestling muss keiner sterben, passieren könnte es trotzdem. Und wozu? Weil Menschen so sind. Weil Menschen darin eine Belustigung sehen. Weil Menschen vielleicht im eigenen Leben frustriert zurückblicken müssen und es gerne sehen, wie Menschen sich gegenseitig, wenn auch oft abgesprochen, ihre Körper zermalmen. Und da gibt es natürlich diejenigen, die es einfach geil finden.

                                Dies ist warlich und unumstritten das Werk eines Darren Aronofski (Und sowieso ein Stoff, ein Kraftakt eines Dramas, dem sich Aronofski mit Leichtfertigkeit hingeben kann). Woran man das unwiderruflich erkennen kann? Spontan gesagt, an der Kamera. Wer Black Swan gesehen hat wird über das Folgende wohl ein Liedchen singen können. Die Kamera, die über die Schulter und generell immer auf kürzester Distanz zum Protagonisten bleibt, ihn anvisiert und ihn ''verfolgt''. Das ist so dermaßen stark in Szene gesetzt, dass es sich manchmal wie eine regelrechte Verfolgung anfühlt. Aus Gründen, die ich nicht Recht in Worte fassen kann, muss ich sagen, diese Kameraführung beeindruckt mich jedes mal auf ein Neues. Was Aronofski in alt gewohnter Manier ebenfalls gekonnt einsetzt sind die Farben. Von dunkel, für ''traurig, depressiv und auch auf der Suche nach Zweisamkeit mit der Stripperin Cassidy (Pam)'' bis hin zu grellen Farben, für ''ex- und implodieren der Hauptperson, sowie auch die Zerissenheit und Verzweiflung von Randy the Ram Robinson''. Deutlich wird dies dargestellt und deutlich in den Kampf-Sequenzen. Hier lässt Aronofski Blut, Schweiß und Tränen fließen. In Sachen Brutalität verkennt ein Aronofski sein Handwerk nicht und stellt es nicht harmlos und beschönigend, sondern gewusst (und bewusst) überspitzt und brutal dar. In diesen Szenen wird deutlich, wie brutal das ist, was viele schlicht lustig, bei Popcorn und Bier, genießen. Sicher, das ist meist nicht so schlimm, wie es aussieht, Das sagt uns der Film auch. Die Kämpfe sind zum Großteil abgesprochen, jeder kennt die ''Moves'' und die Choreographie. Untereinander haben sie ihre ''Special-Moves'', die jeder gerne macht. Andere haben auch krasse Vorlieben und so kommt es, dass nicht nur manchmal auch echtes Blut mit in die Show ''fließt''.

                                Was das mit einem Menschen macht, sehen wir in der Figur selbst. Er hat seine Tochter verlassen, sich dem Ruhm hingegeben, gekämpft, Spaß gehabt und nicht mehr zwischen allem, was richtig und falsch ist unterschieden. Jetzt ist er ein abgehalfteter Looser und Versager, wie ihn nur das Leben selbst schreiben kann. Geliebt, solange er die Menschen unterhält, vergessen, als er alt und gebrochen ist. Voralllem nach seinem Herzanfall mit Beipass-OP. Was soll ein Mensch dann tun. Er versucht sich durch minderwertige Arbeit über Wasser zu halten, ''The Ram'' verliebt sich in eine Stripperin, er versucht noch einmal ein Verhätnis zu seiner Tochter aufzubauen..... All das gelingt ihm nicht. Er ist fertig und kaputt. Dieses Jahre lange Tische, Stühle und Schläge auf den Kopf bekommen und Stacheldraht zwischen die Rippen, hinterlässt körperlich, also physisch und psychisch seine Spuren. Wie soll ein Mensch damit zurecht kommen? Wie?

                                Das es schlicht nicht geht, wird allerspätestens in der Szene deutlich, in der Randy sich letzlich doch nicht mehr selbst unterdrücken kann. Sein einstiger Ruhm, der dazu führt, dass ihn ständig Leute wiedererkennen und er einfach nicht damit abschließen kann , führt erst zur Implosion und dann zur Explosion. Er kann sich nicht mehr halten und kann letzendlich auch nichts anderes machen, als er kennt. Und er kennt den Ring. Hier bekommt er die Bestätigung, die er zum Leben braucht...Die er im echten und kalten Leben dort draußen nicht bekommen kann. Er begibt sich auf seinen (vermutlich) letzten Tanz in den Ring und verabschiedet sich mit dem Bild seines (vermutlich) letzten Sprung im Ring, in einer Perspektive, die man für das Ende des Films nicht besser hätte auswählen können.

                                Alles in allem ist dies ein Film über einen verlorenen gegangen Menschen, der außerhalb des Rings keine Liebe, Zuneigung oder Bestätigung mehr bekommt. Niemand, der ihn liebt. Es gibt zwar jemanden, die er liebt, Cassidy. Aber sie nimmt ihn nicht richtig wahr. Ihm bleibt kein Ausweg. Er muss zurück. Er muss in seinem Ring tanzen. Danke Darren Aronofski für dieses Kampf-Drama der Extraklasse!
                                9/10.

                                14
                                • 10
                                  Rocket Man: Filmtoast 23.09.2016, 12:22 Geändert 23.09.2016, 13:52

                                  (Dieser Beitrag enthält Spoiler)

                                  Wie viele andere sicherlich auch, habe auch ich mich viel zu lange verschlossen und gedrückt vor ''Brokeback Mountain''. Warum? Offen und ehrlich? Natürlich wegen dem Thema, was sonst? Aber was ist bei diesem Thema so schlimm? Was ist daran so furchtbar? Warum ist die sexuelle Neigung aller Menschen nicht gesellschaftlich anerkannt? So wie Alkohol und manch Droge gesellschaftlich anerkannt sind? Und damit kümmert sich der Film um die Humanität und das Verlangen nach Offenbarung, aber ebenso um das Recht, seine eigene sexuelle Identität anzuerkennen, statt sie zu verstecken und sich zu schämen. Aber etwas anderes gab die damalige Zeit leider nicht her, woraufhin sich ein erstklassiges Drama erschließt, dass mit seinen Charakteren alles aufzuzeigen weiß.

                                  Was wir hier bekommen ist nichts mehr, als pure Ehrlichkeit. Pure ''Liebe'' zwischen zwei Männern, die sich zwischen ihrem Leben mit ihren Frauen und Kindern und dem Leben als Liebhaber nicht entscheiden können. Alles, was sie haben ist der ''Brokeback''. Alles, was sie haben, sind die nach Jahren, gelegentlichen Ausflüge zum ''Angeln'' am ''Brokeback Mountain''. Sie lieben ihre Frauen und Kinder, haben aber einst, als sie Schaafe hüten mussten, für etwas Geld, das Verlangen zum männlichen Geschlecht kennengelernt. Sie sind also nicht hetero, aber auch nicht nur homosexuell. Gewissermaßen also Bi-sexuell. Aber wie trägt man diese Identität der Sexualität in der Gesellschaft und voralllem in der Zeit herum. Garnicht. Weshalb man es so lange mit sich rumtragen muss, bis es irgendwann mal zu spät ist. Das ist (theoretisch und kurzgefasst) die ganze Geschichte hinter diesem Film.

                                  Aber daneben gesellen sich 2 der charismatischsten Schauspieler unserer Zeit hinzu. Was Jake Gyllenhal und Heath Ledger hier in Gestik, Mimik und Worten ausdrücken ist nahezu perfekt für den Film, die Handlung und alles andere, was hier Wirkung und Ursache zeigt und zeigen soll. Auch die Musik, so zurückhaltend und manchmal gar nicht vorhanden....Aber diese Gitarre, die sich in dramatischen Momenten und in traurigen Momenten entschließt sich zu melden, dann ist das ganz großes Kino, ganz große Gefühle und bei mir pure Bewunderung. Diese langsame, gar nicht Laute Abfolge von gar nicht mal vielen Tönen...Das macht auf mich großen Eindruck und unterstreicht vehement den Film dabei, sich diesem Thema ernsthaft zu widmen.

                                  Bisher war mir Ang Lee kein Name und ist es auch jetzt noch nicht, aber das spielt keine Rolle. Mit diesem Film hat er ein entscheidendes und berührendes Denkmal an die Homosexualität und die ganze Abneigung und das Unverständnis hinter diesem Thema, erschaffen. Die meisten wissen ja bereits, das solche Werke bei mir und gerade mit sensiblen Themen der Gesellschaft, gut ankommen. Ich möchte mich in aller Deutlichkeit dafür entschuldigen, dass ich mich selbst dabei ertappt habe, wie ich mich diesem Thema verschlossen habe und es so Jahre dauerte, bis ich es endlich getan habe. Was nicht heißt, dass ich diesem Thema kritisch gegenüber stehe, ganz im Gegenteil, aber Hand auf's Herz....Manchmal ertappen wir uns dabei, dass wir etwas schlechtes über homosexuelle denken. Aber Warum? Ich kann es wirklich nicht sagen. Aber ich bin ehrlich. Es ist das natürlichste auf der Welt. Die sexuelle Identität. Ob ''schwul'', hetero oder bi-sexuell. Vollkommen egal. Das ist es, was dieser Film aufzeigen möchte. In dem Denken der Menschen muss etwas stattfinden. Toleranz ist das Stichwort.

                                  Was den Film von anderen, mit dem selben Thema ganz Fett abhebt, ist die Art, wie er kritisiert. Ich würde schon fast sagen, garnicht. Er zeigt und verweist, kritisiert aber nicht direkt, eher indirekt. Das ist klug, denn so bleibt es dem Zuschauer überlassen, ob er jetzt Hass empfindet oder er mit dem Geschehen eher doch gut klar kommt. Der Film zeigt nicht mit dem Finger auf uns, auf die Gesellschaft, aber aufjedenfall möchte er mit dem Finger auf Moral, Ethik und Humanität anspielen. Wie menschlich können wir sein, wenn wir anderen die sexuellen Interessen, zu denen man sich hingezogen fühlt, ausreden, schlecht reden oder verbieten wollen.
                                  Dann sind wir keine Menschen. Da hört die Humanität auf.
                                  Der Kontrast zwischen den Familien von Jack und Ennis und ihrer persönlichen Liebe, die am ''Brokeback'' entflammt ist, setzt zusätzliche und prägnante Akzente. Bebildert in gekonnte Abfolge und Chronologie.

                                  Ein interessanter, aber vorallem wichtiger Film über eine Zeit (auch Heute noch mehr als Aktuell), in der die sexuelle Identität von homosexuellen nicht anerkannt wurde und so Leben zerstörte. Ein Film, der den richtigen, feinfühligen Menschen, nicht egal sein kann. Ein Film, der nicht vorgibt menschlich zu sein, sondern sich zurecht Humanitisch nennen darf. Hut ab und 10 Punkte für Jake Gyllenhal, Heath Ledger und Brokeback Mountain.

                                  15
                                  • 10
                                    Rocket Man: Filmtoast 17.09.2016, 21:06 Geändert 17.09.2016, 23:49

                                    Es gibt nur ein Unterfangen. Einen Akt. Eine Kunst, die von Seele und Herz erfasst und kontrolliert wird. Eine Balance, die aus Lebensbejahenden Elementen, Seele, Herz und Lebenswillen besteht. Eine Balance, ohne die das eine ohne das andere, nicht existiert. Der Drahtseilakt. Der Drahtseilakt, der vor vielen Jahren bereits eine Faszination inne hatte, die sich in Worten nicht ausdrücken lässt. Es ist also schwer für mich den Film zu beschreiben....wenn man es in Worten garnicht ausdrücken kann. Ich möchte trotzdem versuche, etwas von der Faszination, die ich während des Films erleben durfte, auch in meine Kritik mit rein nehmen zu können.

                                    Das Leben von Philippe könnte traumhafter nicht sein. Und damit meine ich, wie ein einziger verdammter Traum. Bodenständigkeit und fester Wille an eines, für das sich das Leben lohnen soll. Was wünsche ich mir so sehr, wie Philippe. Diese Frage kann ich nicht beantworten. Wünsche ich mir doch dasselbe, was sich ''jeder vernünftige Mensch'' wünscht. Eine Frau, oder zumindest eine Freundin, jemand in meinem Leben, mit dem ich die schönsten aller Momente erleben darf. Eine Familie, vielleicht einen Sohn und eine Tochter....Einen festen Arbeitsplatz, denn das eine kann ohne das andere nicht existieren....''Ohne Moss nichts los''...einen festen Halt in Freund und Familie...Was man sich halt so wünscht, wenn man nicht, wie Philippe von klein auf, nichts anderes kennt, als das jonglieren, den Drahtseilakt, um den es wohl auch gehen soll und das schiere Verlangen, nach etwas, das zuvor kein Mensch gewagt hat und das wundervoll, wunderschön ist.

                                    Nun, ich bin Philippe. Ich komme aus keinem adligen Hause, nein, eher aus etwas armen, ''bescheidenen'' Verhältnissen. Als ich jung war, sah ich in einem Zirkus zum ersten mal, dass Drahtseil-Akrobaten, wie kleine Engel, mit einer Balance, die die Seele und das Herz beschreibt, über ein Seil gingen, über ein Seil balancierten. Die Schönheit, die darin verborgen lag, veranlasste mich, mich diesem strengen, fokussierten und gefährlichen Akt zu widmen. Ich begann in jüngsten Jahren damit, lernte Papa Rudy kennen, der all sein Wissen an mich weitergab, wie ich meine Seile sichere und später meinen großen Coup reißen kann. Der Traum, zwischen den Trade-Centern im wundervollen New York meine Seile zu spinnen und ''The Walk'' zu verwirklichen. Jahre vergingen zwischen dem Traum und seiner Verwirklichung. Es gab so viel zu beachten. So viel Pläne und Logistik. Aber weg davon. Das interessiert euch nicht. Euch interessiert ''Der Gang'' über das Seil, dass mich 400 Meter über dem Boden, von der einen Ecke des Nordturms und dem anderen Ende des Südturms gehalten hat. Gesichert, wie viele andere ihr Leben durch eine große Liebe sichern. Ein Traum, gefestigt und beständig wie ein Turm, der 400 Meter nach oben ragt, so wunderschön, wie die größte Liebe. Aber nun, bevor ich zu viel abschweife. Es war das größte aller Gefühle, das ich je verspührt habe, als ich da oben, bei meinen großen Coup, über mein Seil ging. Ich überquerte es mehrmals, die Polizei forderte mich später sogar mehrmals auf, herunter zu kommen, doch ich verpürte nach dem ersten Gang, das mein Lauf noch nicht vorbei war. Ich musste zurück. Ich musste mein Seil erneut überqueren. Ich verpürte plötzlich ein Gefühl, dass mich noch nie überkam. Ich sah den Abgrund, ich ging, ich legte mich auf das Seil, ich sah die Leute, mein Publikum, und machte eine Verbeugung, wie es mir Papa Rudy beigebracht hatte. Ein ''Compliment''. Ich war glücklich. So glücklich, dass ich auf dem Seil hätte ausharren können. Doch dann begannen die Holzklötze, die ich in meiner sorgfältigen Sicherung eingebracht hatte langsam zu brechen und ein weißer, wunderschöner Vogel kündigte mir an, dass mein Gang vorbei war. Es war der richtige Zeitpunkt. Ich hab es geschafft. Ich teilte der Polizei natürlich sofort meinen Namen mit und das ich Drahtseil-Akrobat bin ^^. Ich fand das sollten sie wissen. So etwas haben sie bestimmt auch noch nicht gesehen. Es war unglaublich. [...]. Am Ende blieb mir ein wunderschönes Gefühl, das ich mein ganzes Leben nicht vergessen werde. Wisst ihr?... Es ist nicht einfach nur ein Drahtseilakt. Ein Gang. Ein paar Schritte auf einem dünnem Seil. Es ist Ballett, es ist ein Stunt, es ist gefährlich, ja, aber voralllem ist es ein Unterfangen, dass meinem Traum den nötigen Halt gegeben hat. Es schien unmöglich, aber das war es garnicht.Der nötige Wille steckt in mir und steckt in uns allen. Denkt an meine Worte. Ihr werdet euch an sie erinnern. Und nur damit ihr es wisst: ''Ich heiße Philippe und ich bin Drahtseil-Akrobat!''

                                    ''Wenn ich vor dem Abgrund stehe weiß ich nicht, ob ich für den ersten Schritt bereit bin.''

                                    ''Der Abgund ist meine Domäne, nun, nicht dieser Abgrund, und trotzdem nehme ich meinen Mut zusammen und flüstere. Ich flüstere, damit mich die Dämonen nicht hören: Ich flüstere: Es ist unmöglich, aber ich tue es trotzdem.''

                                    ''Ja, es ist wahnsinnig, niemand bei gesundem Menschenverstand würde das tun. Deshalb muss ich es versuchen, weil es noch niemand getan hat. Also ja, ich geb's zu. Ich bin verrückt.''

                                    Der Film nimmt sich zu keinem Zeitpunkt zu ernst und erziehlt das wunderschöne an der Geschichte, indem er die Geschichte und das Leben von Philippe genauso wunderschön erzählt, als würde es sich um ein Märchen handeln. Es ist lustig, die Erzähl-Szenen von besonderer Anmut auf der Freiheits-Statue, von der aus man immer die zwei Türme sehen kann. Seine Geschichte ist abwechslungsreich. Der Gedanke, wie zum Teufel wollen die diesen Drahtseilakt auf 120 Minuten ziehen vollkommen irrelevant. Mir war klar, dass es sich sowohl um eine inspirierende als auch biographische Verfilmung handelt, die freilich nicht 2 Stunden ''The Walk'' zeigt. Weshalb dieser Mensch auf die Idee kam, was in seinem Leben passiert ist und wie das alles vorbereitet und gemanaget werden muss, ist hinreichend und auf fröhliche Art und Weise abgearbeitet worden. Die Story verliert sich nicht in Belanglosigkeit, sondern zeigt die Motivation und das Verlangen des Haupcharakters auf, der seinen Traum auf biegen und brechen verwirklichen will und nicht locker lässt. Es ist zwar eine wahre Geschichte aber ebenso auch eine Metapher an uns. An uns, die wir oft viel zu schnell aufgeben, unsere Träume weiter ziehen lassen und uns mit dem zufrieden geben, was unausweichlich scheint und was manchmal ungeachtet dem, was wir uns am meisten wünschen, passiert. Eine Hommage an einen Traum. Eine ''Verbeugung'', ein ''Compliment'' an den ''Traum''. An die Bedeutung dieses Begriffs.

                                    Die Bilder sind indes atemberaubend. Immer wieder unglaublich zu sehen, was heute möglich ist. Einfach nur wundervoll. Ich las bei Saturn nur den winzigen Text auf der Rückseite des Steelbooks und schon war er in der Tüte. Zemeckis fängt hervorragendes ein. Atemberaubende und wundervolle Bilder.

                                    Die Musik ist langsam, hoffnungsvoll, im richtigen Moment heroisch und aufrüttelnd. Ganz klar das Werk von Alan Silvestri. Sie rundet das Werk nicht nur ab, sondern passt das traumhafte aus Philippes Vorstellung und Tat in etwas gar wunderschönes ab.

                                    Robert Zemeckis beweist einmal mehr, was er kann und das er sich gerne an wunderschöne und inspirierene Werke traut. Hut ab.
                                    Bitte nicht von der Geschichte, die klein wirken mag, täuschen lassen. Denn es gehört immer das wieso?, weshalb?, Warum? mit dazu. Ansonsten hätte man einen 20 Minütigen Kurzfilm daraus machen können. Aber der ''echte'' Philippe hat bedeutend an dem Werk teilgenommen und an Joseph-Gordon Levitt die wichtigsten Zutaten für die Darstellung weitergegeben. Sowohl seine Biographie als auch seine Präsenz beim Set, bieten den Stoff an, und Zemeckis hat ihn verfilmt.
                                    Ich hätte ungerne auf etwas verzichten wollen. 10 Punkte für ''The Walk'' !

                                    12
                                    • 9 .5
                                      Rocket Man: Filmtoast 17.09.2016, 13:07 Geändert 21.09.2016, 21:27

                                      -Wie lange kann ein Mensch das Leben aushalten?-

                                      Wie lange kann ein Mensch das Leben aushalten, wenn ihm sein wichtigster, sein innerster Lebenswille genommen wird? Wie lange, bis der Lebenswille schwindet? Wie lange bis es unmöglich ist die Wege des Lebens weiter zu gehen? Wie lange bis der Drang nach dem Ende den Lebenswillen überragt? Wie lange?...

                                      Ich komme wieder nicht drum herum meine Kritik unverzüglich 1 Minute nach der Sichtung zu schreiben. Ich kann nicht anders. Die Eindrücke überwältigen mich.
                                      Das ''Drama'' ist immernoch das Genre mit dem meisten Herz, den meisten Eindrücken über Leben und Tod, über Liebe, Trug, Verzweiflung und die tiefste Gerührtheit für die Figuren. Eindrücke über das Leben selbst. Dieses Drama spiegelt nichts weiter, als das Leben selbst wieder. Das Leben, das aus Verzweiflung, Chaos, Enttäuschung und auch Liebe und Geborgenheit besteht.

                                      Wie viele schon, bin auch ich gezwungen, für alle Personen innigste Liebe und Verständnis aufzubauen. Das ist ein Drama.
                                      Bis zur Mitte des Films, erlebt man Ben Kingsley als Colonel Behrani, der seiner Familie, auf trügerische und ausbeuterische Art und Weise ein neues und glückliches Leben ermöglichen will. Wie er versucht unter der Facette seiner früheren Person als Colonel in Israel, mit seiner Persönlichkeit und Kaltblütigkeit, ein gutes Geschäft zu machen. Ein Geschäft, das sich aus dem Haus von Jennifer Connely, hier Kathy Nicolo, ergibt, indem Ihr Haus, das ihr Vater ihr veerbte, für das er 30 Jahre lang hart arbeiten musste, von ihm genommen und gekauft wird, aufgrund der Möglichkeit die sich ergab, da Kathy fäschlicher Weise Zahlungen angelastet werden, für etwas, das nie gehabt hat. Und zwar ein Gewerbe. Und Gewerbesteuern. So kann der Colonel das Haus billig aufkaufen und kurze Zeit darauf für das 4-fache weiter verkaufen. In der zwischenzeit steht Kathy ohne alles da. Sie lernte aber bereits einen Polizisten kennen, Deputy Lester Burdon, der als Figur genauso trostlos und bitter mit seiner Geschichte agiert und somit bravourös in dieses Kammerspiel passt. Er verlässt seine Familie, kommt mit Kathy zusammen, sie lernen sich zu lieben, er lernt das er nicht mehr glücklich ist mit seiner Familie....Und damit bekommt Kathy's Persönlichkeit noch mehr Abhängigkeit, noch mehr Tiefgang, noch mehr Verzweiflung und tiefste Emotionen, die sie einzigartig, wie noch in keiner ihrer Rollen zuvor, darstellt. Ihre Darstellung mutet an. Sie haut um und berührt das tiefste unserer Herzen.

                                      Ebenso wie die natürliche Darstellung Kingsleys, die in der zweiten Hälfte an Tiefgang (noch sowas von untertrieben) rasant zulegt, da ess uns an den Armen packt, bis sie grün und blau werden. Bis der erste Bluterguss sichtbar wird. Das Konstrukt aus Kathy, die ihr Haus wieder haben will, gebrochen ist und mit ihrem neuem Freund Lester, die einzige Möglichkeit sieht ihr einziges Stück vom Leben, das sie noch hat, wieder zu bekommen und dem Colonel der sich als Einwanderer weigert, genauso gequält und ausgenutzt zu werden, wie in der Heimat Israel, der seiner Familie wie selbstverständlich ein besseres und schöneres Leben ermöglichen will, beweist aller tiefste Emotionen, die tief in uns allen schlummern. In diesem Drama kommt niemand ungeschoren davon, jeder verliert etwas, jeder geht an seinen Verlusten zugrunde und wir sehen dabei zu. Jedoch ohne dabei gekünstelt oder gar gezwungen auf unverständliche Emotionen hinaus zu wollen.
                                      Ich glaube bisher ist die Kritik fast Spoilerfrei, weshalb ich ohne Spoiler oder gar dem Verraten der Verluste anfangen möchte....

                                      (Spoiler folgend, ging doch nicht anders)

                                      Dennoch möchte ich noch ein, zwei Sachen loswerden. Ein, zwei Sachen, die bedeutend zur Authentizität beitragen und genannt werden müssen. Das wären zum einen die Farben. Ganz besonders in der Nähe des Hauses sind die Farben oft grau, neblig (Titel verräts schon), trostlos. Die Energie der Verzweiflung kommt zum vorscheinen und kündigt tragische und nahegehende Ereignisse an. Die Musik ist eben so ruhig, wie sie unangenehm ist. Sie kündigt ebenfalls tragische und dramaturgische Momente an. Dies trägt insofern zur Wirkung bei, als das mir die Tränen, wie so oft, bereits bei der Musik kamen und der Verlauf einer Szene an Emotionalität um das 3-fache zugenommen hat. Solche Erlebnisse entfachen die pure ''Liebe'' zum Film. Sie lässt einen erkennen, zumindest, wenn man sich solch einem Film alleine und in Ruhe widmet, wie verletzlich und Emotional veranlagt wir sind. Zumindest ich. Die Szenen, als der Colonel seinen Sohn verliert und Kathy sich das Leben nehmen will, haben mich getroffen, wie ein Pfeil mit Sprengstoff vorne dran, der direkt ins Herz eindringt, wie so ein Pfeil, den man es aus einem Rambo-Film kennt.....

                                      Noch nie habe ich eine Jennifer Connely, noch nie habe ich einen Ben Kingsley, in einer solch tiefsinnigen, allerhöchst-emotionalen Rolle gesehen. Diese Emotionen können an niemandem spurlos vorbeigehen. Wer, wie ich, auf allertiefste und ehrlichste Emotionen aus ist, auf eine Reise des Lebens und der innigsten Liebe und Trauer ist, einem Film der nicht nur ans und ins Herz geht, sondern ins Mark, der sollte sich diesem Werk widmen...10 Punkte für ein echtes, aufrichtiges und zutiefst trauriges Drama mit einer unvergesslichen Jennifer Connely, einer Geschichte, die nah geht und einem unvergesslichen Ben Kingsley in den Hauptrollen!

                                      19
                                      • 9

                                        Nach einer erholsamen Nacht und einigen Gedanken am heutigen Morgen auf der Arbeit bin ich glaube ich bereit einige Worte über den Film zu verlieren. Von Jake Gyllenhal war ich schon immer sehr angetan, aber eine seiner ersten Rollen bekam ich bis gestern nicht zu sehen. Den kranken Donnie Darko in seiner dunklen und atmosphärischen Darstellung verleiht er den nötigen Halt. An Glaubwürdigkeit mangelt es ihm nicht. Er trägt die Konflikte des Films und weiß immer ernt zu bleiben und die richtigen Gesichtsausdrücke zum richtigen Zeitpunkt zu vermitteln. Tagsüber recht normal, manchmal sogar feucht-fröhlich, wenn er beispielsweise seine Freundin sieht, und abends tiefgründig, bitter und böse. Unkontrolliert offenbart er sein zweites Gesicht, dass unter seiner eigentlich zurückhaltenden Art, einen besonders starken Eindruck bündelt.
                                        Die Musik geht dabei ebenfalls ganz unterschiedliche Wege. Und die Bilder sind dazu komponiert. Das brummen, immer wenn es gerade Nacht wird, immer wenn gerade ''Frank'' wieder erscheint, immer wenn Donnie seinen humanoiden Hasen sieht. Das Spiel ''Tag-und-Nacht'' ist dabei sehr gekonnt, dunkel und manchmal sehr verwirrend eingefangen. Große Klasse. Hier steckt eine große Vision hinter. Denn die dunklen und beinahe gruseligen (Beinahe??) Bilder hinterlassen einen bleibenden Eindruck.

                                        So ziemlich alle Figuren unterstützen die dunkle und kaputte Atmosphäre. Viele Figuren erscheinen dümmlich, haben sie vielleicht einen Knax? Hier stimmt einfach alles, weil niemand wirklich normal ist. Die einzige Person, die normal erscheint ist tatsächlich Gretchen Ross. Sie ist die einzige auf die Donnie noch hören kann und die er lieben lernt. Eine besondere Machart muss dem Film zugesprochen werden.
                                        In einzelnen Szenen, passte mir aber dennoch die Musik nicht recht und die ein oder andere Szene wollte zu mystisch und besonders sein. Dennoch weiß der Film mit einer Szene und vielen Bildern mehrere Konflikte gleichzeitig zu vermitteln. Das ist nunmal Kunst. Mich hat er definitiv erwischt und überrascht.

                                        Der Endtwist mit dem wundervollen (WUNDERVOLLEN) Endsong war grandios.
                                        Hat man doch zwischenzeitig drüber nachgedacht, ob alles nach diesem mysteriösen Flugzeug-in-Donnies-Zimmer-Unfall passiert ist, doch nur noch reine Fiktion ist, ein Traum womöglich ....Ich für meinen Teil dachte es zwischenzeitig, vergaß es aber auch gleich wieder. Es gab zu viel auf das man achten konnte und musste um das Werk richtig schätzen zu können. Also keine Zeit um über diese Frage nachzudenken. So hab ich es in der letzten Szenen zwar kurzzeitig, Sekunden davor, kommen sehen, wollte und musste aber darauf warten, dass der Film ein eindeutiges Zeichen an mich sendet, dass nichts nach diesem Unfall zu Anfang die Wahrheit war. Und dieser Moment war brilliant und man war so froh, dass man alles wohl doch richtig verstanden hat. Zwischendrin fragte man sich öfter mal, ob man das alles gut verstanden hat oder nicht. Eine starke Wirkung.
                                        Trotzdem....Der beste Moment ist und bleibt für mich die letzte Szene mit ''Mad World'' von Gary Jules !!!!! Wundervoll !

                                        13
                                        • 9
                                          Rocket Man: Filmtoast 03.09.2016, 16:52 Geändert 28.09.2016, 17:29

                                          ''There will be blood'' erzählt die Geschichte von Daniel Plainview, der vom kleinen hart arbeitenden Mann mit Fleiß, Zielstrebigkeit und Skrupellosigkeit in die höheren Reihen der ''Ölmänner'' gerät, Geld scheffelt, berüchtigt wird und in einem großen Bogen, den der Film spannt, letzlich größenwahnsinnig wird und letzten Endes in der Schlusssequenz und Schlüsselszene eskaliert und druchdreht.
                                          Was der Film hierbei in kleinster Feinarbeit behandelt sind vorallem die Themen Öl, Religion und Kapitalismus. Ohne diese direkt und frei auszusprechen belässt es der Film dabei, genannte Konflikte zu umschneiden, sie zu zeigen aber eben nicht direkt anzusprechen und die Themen in langweiliger Art abzuhandeln.
                                          Der Zuschauer bekommt also, so zumindest ich, dass Gefühl, dass man sich tatsächlich nicht zu viel mit den Themen auseinandersetzen muss, da der Film diese Konflikte keineswegs aufzwingt. Trotzalledem kann der Film, je nach dem, wie man sich darauf einlassen will, zum nachdenken anregen.
                                          Was passiert, wenn ein Mensch zu viel Macht hat? Wenn er Menschen sagen kann, was sie zu tun und zu lassen haben?

                                          Das natürliche Verlangen des Menschen nach mehr Macht, mehr Anonymität, und vernab von Menschlichkeit, führt zur unmittelbaren Konsequenz des Krieges. Des physischen, psychischen oder des verbalen Krieges. Oder das Vorkommen an Ressourcen, dass man sichern möchte. Das man nicht teilen möchte. Ein gewisser Grad der Unmensschlichkeit steckt vermutlich in einem jeden von uns. Wo Macht ist, da ist auch fast immer eine gewisse Ungerechtigkeit zu erkennen. Wenn ein Mensch viel Macht hat oder erhält, damit geboren wird, oder sie sich sogar erkämpft, ist es selten genug, etwas verlangt nach mehr. Etwas das wir vielleicht bei uns selbst noch nie gesehen, noch nie erkannt haben, verlangt plötzlich nach mehr. Weil Macht oft ein gutes Gefühl darstellt. Die Grenze zwischen Menschlichkeit und Unmenschlichkeit verschwimmt zunehmens.

                                          Es heißt, je mehr Lebensfreude wir haben und pflegen, dass wir länger leben. Hiernach haben die ärmeren oder die Bescheidenen ein deutlich längeres Leben. Diese Menschen erzeugen Gerechtigkeit, während die Macht und Habgier anderer Menschen diese wieder zerstört. Weil sie eine Sternschnuppe sind, sich für eine wunderschöne halten und geradewegs die Erdlaufbahn überqueren, in die
                                          Erdathmosphäre eintreten und mit großer Geschwindikeit einen Krater auf der Erde und in uns hinterlassen und nichts als Staub, Verwüstung und Enttäuschung übrig bleibt.

                                          Der Konflikt der Hauptfigur erzeugt für gewisse Zeit eine Identifikation. Eine Figur, die man bis zu einem gewissen Punkt verstehen kann. In der ersten Hälfte wirkt Daniel noch wie ein Mann, der sich sein ganzes Leben lang abgerackert und gekämpft hat (Berachtet man hier einmal die ersten 10-20 Minuten) und jetzt einen Weg gefunden hat etwas Wohlstand und Ruhe zu erfahren. Das alles zusammen mit seinem Sohn, bzw. seinem treuren Gefährten und Geschäftspartner H.W.. Als er das Land in Little Boston aufkauft erscheint er als durchaus guter Mensch. Er beteiligt alle (Schon hier ist aber zu sehen, dass seine großzügigen Angebote an die Menschen und ihr Land in Relation zum Ölvorkommen und dessen Gewinn, dann doch bescheiden und kalkulierbar sind) und verspricht viel. Ähnlich wie wir es alle von unseren bescheidenen Politikern kennen. Er verspricht Wohlstand, eine Verbesserung der Lebensqualität usw. und sofort. Man nimmt es ihm noch ab, bis die erste Hälfte, die Explosion und das damit verbundene Wissen um ein riesiges Ölvorkommen gelüftet ist. Dazu kommt der tragische Unfall seines Sohnes während der Explosion, dass ihn für kurze eit vollkommen kalt lässt als er erkannt hat, dass dort ein Vermögen auf ihn wartet. Die Grenze ist gesponnen und darf ab jetzt zunehmens verschwimmen.

                                          Die nächste hörere Hürde erreicht der Film mit Paul Sunday, der Prediger, mit dem Daniel sich in einer Art Machtkampf befindet. Dieser Konflikt verbirgt sich im Ende und muss an dieser Stelle nicht gelüftet werden.

                                          Die Bruder-Geschichte um einen nie dagewesenen und unbekannten, der vorgibt Daniel's Bruder sein, lässt die bereits verschwommenen Grenzen ins Daniels Kopf verschärft erkennen. Er mistraut ihm, trinkt und ist geplagt von Rache-Fantasien und Verschwörung gegen ihn selbst. Der Konflikt endet mit einer klaren Botschaft.
                                          In der letzten Partie des Films erkennt er auch seinen Sohn nicht mehr an und verweigert den Glauben an sein eigenes Kind. In aller Hoffnung das Folgende ist okay, zitiere ich eine Überschrift eines alten Beitrages hier von MP, der mit wenigen Worten weiß, das gesamte Drama ''There will be blood'' zu beschreiben:

                                          '' 'There Will Be Blood' - Sinnbild des menschlichen Zerfalls ''

                                          Eine tragische Geschichte über einen Mann und seine Psyche, der immer hart gearbeitet hat, sich doch nur gewünscht hat auch mal etwas zu erreichen und letzlich an der Macht, die er erschafft und bekommt und seinem Verlangen nach mehr, scheitert und ''zerfällt''. Der Film ist die Konsequenz pur und zeigt das Leben, wie es sein Kann und wie es ist. Er schneidet dabei natürlich auch das Thema ''Öl'' an, dass in Amerika immerhin schon immer, nicht nur zu dieser Zeit, ein großes Thema darstellt. Paul Thomas Anderson und sein Komponist Jonny Greenwood finden dabei eine ausgewogene und, ich weiß es nicht anders zu sagen, ''etwas andere Art'' der Darstellung und Inszenierung. Die Musik ist stets bedrückend und weiß schlimme Szenarien der Handlung einzuleiten. Man könnte fast sagen, die Musik bewahrt einen vor einem kleinen ''Jump-Scare''. So ist der Einsatz von teils übertriebenen teils spannend klingenden Geigen-Spiel sehr passend. Ein rundes Paket, dem, wie ich erst im Nachhinein sah, auch viele Preise vergönnt sind.
                                          Eine klare 9/10 gibt's von mir für Daniel-Day Lewis und ''There will be blood''!

                                          11
                                          • 8 .5
                                            Rocket Man: Filmtoast 27.08.2016, 14:44 Geändert 27.08.2016, 14:49
                                            über Horns

                                            Horns- Ein Film der anderen Art. (Vor etwaigen Spoilern sei gewarnt)

                                            Ich weiß nicht, wie es anderen mit diesem Film geht, aber für mich strotzt er vor Ethik, Moral und Veränderung. Etwas in dieser Art und Weise habe ich noch nicht gesehen und ich mag die Botschaft und die Geschichte. Eine innige Liebe, die vermeidlich zerstört wird und der aufrichtig Liebende ''Ig Perrish'' fälschlicher Weise des Mordes verdächtigt wird und er in der symbolischen Rolle des Teufels die Wahrheit offenbart und auch die traurige Wahrheit über die Menschen und Dinge, die sie selbst niemals aussprechen dürfen.

                                            Bekanntlich ein Gefühl, dass wohl jeder kennt. Ich spreche vermutlich für jeden der in der Schule ist, der arbeiten geht, eine Familie oder Freunde hat, ach wisst ihr was, für jeden, wenn ich sage, dass wir oft nicht das aussprechen können und aussprechen dürfen, was wir wirklich über manche Menschen denken. Böse Gedanken hat jeder mal. Aber sie auszusprechen ist oft eine Kritik an Moral und Sitte, weshalb wir es uns selbst verbieten.

                                            Wenn uns erstmal Hörner wachsen, sagt uns plötzlich jeder, was er wahrhaftig von uns hält. Das ist ein stylistisches Mittel, das für mich über kleine Lücken, vielleicht kleine verpatzte Logik o.ä. hinwegtröstet, da es für mich den ganzen Film ausmacht. Anfangs noch glauben die Eltern ihm, dass er den Mord an seiner Geliebten nicht begangen hat, es garnicht hätte tun können, nur damit wir im weiteren Verlauf die Wahrheit hören dürfen. Jeder glaubt, dass er seine einzige Liebe getötet hat, er also nicht von allzu menschlicher Natur ist und so eher einem Teufel ähnelt. Diese Symbolik ist überall mal zu sehen, wenn man genau hinschaut. Die Schlangen tauchen auf, solange er nicht die Kette seiner wahrhaftigen Liebe um den Hals legt, sich vom Dasein des Teufels löst und sich Gott hingezogen fühlt. Dabei fiel es mir zugegebenermaßen in der ersten halben Stunde schwer, Radcliffes Darstellung etwas abzugewinnen, es war schlicht nicht gut genug. Die Emotionen noch zu hölzern, die Ernsthaftigkeit noch wenig überzeugend. Was sich aus seiner Darstellung danach ergibt und offenbart habe ich ihm garnicht zugetraut, was wohl auch dem Vorurteil, das verständlicherweise vermutlich jeder hat, in seiner gefestigten und berüchtigten Rolle des ''Harry Potter's'' liegt. Die Betrachtung ist hiebei selbstverständlich und gerade wegen diesem Vorurteil von etwas subjektiver Überzeugung, da ich seiner Darstellung sehr viel mehr abgewinnen konnte. Seine Darstellung war nach einigem warm werden überaus überzeugend, wobei hier natürlich die Handlung, die moralischen Fragen und bekanntlich auch die Liebesgeschichte sehr großen Anklang mit rein gebracht haben und seine Darstellung gefestigt haben. Die Frage nach der Menschlichkeit, nach der Wahrheit und nach dem Denken der Menschen hat mich nicht nur streckenweise vom Hocker gerissen.

                                            Vermutlich aber, weil ich solchen Themen, solchen Fragen nach dem Wie ? und dem Warum? überaus großes Interesse entgegenbringe. Das Wagnis, den Film mit seiner einzigartigen Idee der Geschichte, der Hörner und der Symbolik dahinter, findet bei mir schon deswegen große Begeisterung, weil es etwas neues ist und weil es meiner Meinung nach sehr gelungen ist. Es ist eine durch und durch eigenständige Idee und so kommt es, dass der Film vor Tragik, Liebe, Verzweiflung, Rache und Vertrauen nur so strotzt. Alles Themen, die ich in einem Film sehr Liebe. Begriffe mit denen ich mich während eines Films und darüber hinaus gerne und lange beschäftige. Darüber hinaus untermalt der Film seine Handlung und die Geschehnisse mit unterschwelligen, dunklen Bildern und oft einer hektischen und aufreibenden Kameraarbeit. Das Bild ist gut, ist es mir freilich aber oft auch zu ''nass, monoton und gleich'' geblieben. Aber das ist es ebenfalls etwas über das man streiten kann , denn im Großen und Ganzen, sollte dieser Film diese Farben ausspielen, weil es eine tragische Geschichte über Liebe, Lüge, Wahrheit und Verzweiflung ist.

                                            Eine große Identifikation meinerseits mit dem Film liegt aber dennoch in etwas, dass ich weiter oben bereits ansprach. Der Mut, den der Film zeigt, wenn er die Menschen endlich sagen lässt, was sie wirklich denken. Oft wäre es befreiend für uns selbst zu sagen, was wir denken, statt zu sagen, was wir ''dürfen''. Wäre das aber der Fall, wäre die Welt vermutlich um einiges schlechter. Es gäbe keine Regeln und alles was uns aufregen würde oder gar der Hass der oftmals in uns schlummert käme einfach herraus. Sei es nun, dass eine Flasche umgefallen ist, uns jemand Unrecht getan hat, beschimpft, hintergangen oder angelogen hat. Wenn wir immer sagen würden, was uns gerade so durch den Kopf schießt, dann wäre Moral und Sitte und die damit verbundenen Normen einer Gesellschaft funktionslos. Das würde gewissermaßen Chaos bedeuten.
                                            Und trotzdem liegt gerade hier die Stärke des Films. Und zwar eben das mal zu tun. Zu sagen, was keiner aussprechen sollte. Das erzeugte bei mir große Verwunderung. Und die Szene mit dem Brief seiner Geliebten erzeugte ein paar Tränen und rührte mich.

                                            Jeder sieht etwas anderes in Filmen. Manche sehen vermutlich nicht viel in ''Horns''. Aber das ist die Kunst und Leidenschaft von jedem hier.Individuell. Während der eine nur einen hässlichen oder unspektakulären Punkt auf einer Wand sieht, sieht jemand anders ein großes und farbreiches Erlebnis.

                                            Einzigartige Idee. Fragen, die über Moral hinausgehen und auch das Innenleben des Menschen (der Menschen) behandelt. Von mir gibts daher 8,5 Punkte für einen vielleicht nicht perfekten aber durchaus außergewöhnlichen Film.

                                            11
                                            • 9
                                              Rocket Man: Filmtoast 25.08.2016, 17:34 Geändert 25.08.2016, 21:22

                                              Auf der Reise ''Into The Wild''.

                                              (Dieser Beitrag enthält Spoiler und ist stellenweise möglw. etwas ausufernd)

                                              Nach einiger Verdauung ist das Gemüt bereit seine Worte über dieses Werk zu verlieren.
                                              Vorweg möchte ich sagen, dass ich immer schon von der Perfomance und der Schauspielerei von Sean Penn sehr angetan war. Nicht selten kommt es vor, dass Schauspieler sich auch in der Position des Regisseurs wiederfinden. Bei einigen funktioniert es, bei einigen nicht. Sean Penn's Werk sprudelt vor Philosophie und Gefühl. Es sprudelt eine große Faszination und Identifikation darin, die jeden Menschen überzeugen kann, die jeden Menschen ansprechen kann und die jeder Mensch verstehen kann. Dabei bleiben die Dialoge immer philosophisch angehaucht und regen sehr zum nachdenken an.

                                              Eingeleitet wird das Werk mit einigen eingeblendeten Dialogen, die die Handlung erahnen lässt aber dennoch nicht zu viel verrät und somit auch stark das Interesse ankurbelt. Im Ganzen Film finden wir Naturpanoramen, die ähnlich wie in ''The Revenant'' eine erstaunliche Wucht hergeben. Das besondere an der Kameraarbeit liegt ganz klar in der Verwendung von Vogelperspektive und Zoom. Oft werden Ereignisse verdeutlicht und untermalt in dem die Kamera fast schon ruckartig heranzoomt, oft gleich im Gesicht von ''Alexander Supertramp''. Natur und Handlung wechseln sich dabei ausgewogen ab und ermöglichen ab und an, bei der Betrachtung wunderschöner Klippen, Flüsse oder schlicht eines riesigen Waldes, eine kleine Pause. Hier bekommt man kurz Zeit zum nachdenken, bevor es zum nächsten Ort der Reise gehen soll.

                                              Der Film nimmt sich vieler wichtiger Mittel an, so zum Beispiel das einfließen lassen von literarischen Größen in die Handlung. Daher kommt auch der oft schon philosophische Eindruck zu Stande, der in den Monologen von ''Alexander'' geführt werden. Gerade in diesen appelliert Penn an die Humanität, die Anonymität und die Freiheit, nach der sich jeder von uns sehnt, ob bewusst oder unbewusst und mittlerweile sogar verdrängt. Sie stecken voller Weisheit, junger Naivität, Hoffnung und Vertrauen in sich selbst. Wie viele Regeln gibt es? Für wen tun wir, was wir tun...Tag für Tag?

                                              Das Leben steckt nicht voller Gewissheit...es besteht mehr aus Zufall, Schicksal, Glück, Freude und Zweifel, Ungewissheit, Trauer und Schmerz.
                                              Woran wächst man?
                                              Woran scheitert man?
                                              Gibt es Gerechtigkeit?
                                              Wo sie anfängt, wo sie endet und wo sie an der Grenze zur Ungerechtigkeit schwebt ist nicht immer ganz klar.

                                              Viele Fragen stellt der Film, ohne zu nah auf sie eingehen zu müssen oder sie gar zu rechtfertigen oder zu erklären. Er beschreibt viel mehr die für uns auf dem Bildschirm sichtbare und außerdem auch innerliche Reise des ''Christopher McCandless'', der sich auf die Suche nach Glück und Freiheit begibt. Das Gefühl von Freiheit liegt in der Flucht.
                                              Diese unternimmt er, weil er in seiner Familie, ausgenommen seiner Schwester, keinen Rückhalt finden kann. Eine tragische Vergangenheit liegt hinter ihm. Und sollten wir uns einmal klar ins Gedächtnis rufen, wie wichtig Familie, wie wichtig Freundschaft ist und wie wichtig das alles zum Leben ist und zur Lebensqualität beiträgt?....

                                              Eine Familie soll aus Zusammenhalt, Rückhalt und Vertrauen bestehen.
                                              Sie soll dich und das Gewicht deiner Sorgen und Ängste halten. Das Gewicht deines Kummers und das Gewicht deiner Schmerzen.
                                              Sie soll helfen alles zu verarbeiten und aus den schlechten Dingen, den Ängsten und dem Kummer etwas schönes erschaffen. Das gleiche gilt für eine Freundschaft. In einer Freundschaft soll man lachen, Dinge erleben, Überwindungen meistern und das Leben genießen. Man soll aber auch weinen können und sich nicht verstecken, wenn das Leben gerade eine Facette deines Selbstbewusstseins untergräbt. Wenn etwas gerade einen Teil deiner Freude oder deines Glückes in dir raubt. Lachen ist
                                              einfach und schön. Weinen ist schwer und respektvoll. Es erfordert mehr Kraft und Stärke. Eine Freundschaft und eine Familie zeichnet sich also durch die Fähigkeit aus, deine Facetten und Kräfte aufrecht zu erhalten, dein Glück nicht nur für kleine Momente zu genießen, aber auch, deinen Stolz zu überwinden, weinen zu können, wenn du es gerade am meisten brauchst und so Stärke zeigen kannst und all deine Sorgen wie mit einem Umhang aufgefangen werden, der das Gewicht deiner Sorgen
                                              und deines Kummers tragen kann.

                                              Aufgrund der Tragik der Geschichte, ohne Familie und Freundschaft, liegt das Hauptaugenmerk auf ''Mr. Supertramps'' Figur und seinem Innenleben . Und so ist es einfach besonders, wenn die Hauptfigur alle Regeln für einen Moment beiseite lässt und tut, was sich gut anfühlt, tut, was sich richtig anfühlt. Es kommt fast schon Neid auf, wenn wir die Dialoge und Taten verfolgen. Aber Warum? Weil wir gerne genauso sein wollen. So mutig, überzeugt und mit dem Hang zur eigenen Jagd auf etwas Freiheit und freien Willen.

                                              Das Schauspiel bleibt dabei stets natürlich. Emile Hirsch spielt seine Rolle hingebungsvoll und verständlich. Wenn er gerade mal wieder etwas auf seiner Reise tut, was verboten ist oder etwas tut, was er sich von Herzen wünscht, so ist das bewundernswert. Man braucht gar nicht viel mitfiebern, als sich mehr für die Person zu freuen. So viele neue Menschen, die er kennenlernt. So viele Orte die er besucht auf seiner Reise der Glückseligkeit.

                                              Auf der Treppe des Lebens gibt es unendlich viel zu entdecken. Unendlich viele Stufen. Zum Beispiel Erfolg und Genugtuung und Liebe und Freiheit.... Oder auch kleine Niederlagen. Ich möchte die meisten dieser Treppen im Laufe meines Lebens gehen. Ich denke, sich immer mit den wenigstens Stufen zufrieden zu geben, ist nicht richtig, wenn man noch so viele mehr gehen kann. Auch wenn ich vielleicht mal ein paar Stufen falle oder auf einer Stufe ausrutsche, ist es mir die Erfahrung doch wert, vielleicht sogar auf der selben Stufe nochmal auszurutschen.
                                              Manche Stufen möchte aber auch ich überspringen. Zum Beispiel jene Stufe, auf der man auf Ungewissheit trifft. Ungewissheit, die einen nervös macht. Die einem vielleicht etwas unmögliches offenbart, dass eigentlich nicht unmöglich ist, es einem aber so erscheint....

                                              Das Geld nicht gleich ''Leben'' ist verdeutlicht Folgendes Zitat sehr gut: '' Geld macht Menschen vorsichtig''. Alexander stellt sich den Herausforderungen, seinen Ängsten und zeigt Mut, denn reine Hilflosigkeit stellt für ihn das Gefühl ''schlichten menschlichen Daseins'' dar, mit dem er sich nicht identifizieren kann. Manchmal wirkt der Film sogar wie eine riesengroße Metapher an den Enthusiasmus, die Innovation, aber auch die Unzufriedenheit, die nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch wahrscheinlich in jedem von uns steckt.

                                              Aber nicht nur schöne Momente sind im Film zu finden, sondern auch die tragischen. Nicht nur wenn es etwa um seine Eltern geht und wir etwas aus seiner Vergangenheit erfahren, sondern auch, wenn Beispielsweise das dritte Kapitel eingeleitet wird. Momente die kurz aufrütteln und bitter sind.
                                              So ist auch der Auftritt von Vince Vaughn's Figur zwar größtenteils lustig, hinterlässt am Ende aber ein wenig faden Beigeschmack.
                                              Und auch erst nachdem ''Christopher'' lange Zeit verschwunden ist, erkennen die Eltern, was sie angerichtet haben.

                                              Die kleine Liebesgeschichte mit Tracy und der herzhafte Kontakt mit Ron runden den Film als solches unglaublich gut ab....Wenn er den Wunsch äußert ihn gerne zu adoptieren, damit sein Name nicht gänzlich verschwindet, dann ist das ein großartiger Moment.

                                              ''Wenn du vergibst, dann liebst du...Und wenn du liebst, dann scheint das Licht Gottes auf dich!'' -Ron-

                                              Wenn man sich nun nochmal persönlich fragt, warum der Film gefällt, wird man wohl zu dem Ergebnis kommen, dass man eben das gleiche ''langweilige'' Leben führt, von dem ''Mr. Supertramp'' so oft erzählt. Und das wir nicht so viel erleben. Ich persönlich kann dem Film also so viel abgewinnen, weil wir nie Geld für einen richtigen Urlaub hatten, ich noch nicht viel gesehen habe und der Film durch eine wunderschöne Reise und wunderschöner Bilder wundervoller Orte besticht. Die Geschichte ist authentisch, sie ist rasant, aber auch traurig, lustig und voller Herz.

                                              16
                                              • 10
                                                Rocket Man: Filmtoast 19.08.2016, 23:34 Geändert 20.08.2016, 01:20

                                                Lange hab ich mich vor diesem Werk gedrückt, weil mich das Thema ''Ballett'' zu sehr abschreckte. Typisches Vorurteil aller Männer. Denn bei dem ''reinen'' Vorurteil ist es letztenlich bei mir geblieben. Ein reines Vorurteil ,zu denken, dass Ballett nichts kunstvolles, nicht emotionales und nichts außergewöhnliches vorzuweisen hätte, dass sich in einem Psycho-Drama-Thriller verwerten ließe. Haltet also einen großen Abstand von diesem Vorurteil und überzeugt euch einfach selbst.

                                                Darren Aronofoski beweist mal wieder, wie er seine einzigartige Darstellung und Bebilderung eben so einsetzt, dass einem so manche Szenen schlicht im Halse stecken bleiben und erst nach längerer Zeit wieder in einen klaren Verstand übergehen. Die Atmosphäre, stark angetrieben durch den Hang zu dunklen und wenig farbreichen Bildern bis hin zu hellen und überschwelligen Farben, tragen maßgeblich zur Wirkung des Films bei. DIe Musik belässt Aronofski im Ballett-Stil, was ganz besonders im letzten Drittel des Films die ganze Melancholie und ''Die Metamorphose'' der Hauptprotagonistin ausmacht. Hat die Musik doch die Fähigkeit Schönheit und Wahnsinn gleichzeitig zu vermitteln und ''Die Metamorphose'' zu tragen. Keine andere Musik wäre passend gewesen. Die Darstellung seitens Natalie Portman ist Oscarreif und verdient gewonnen. Von Anfang an sieht man ihr bereits das Leid an, dass man in den nächsten 108 Minuten erlebt und verarbeiten muss. Blass bleibt sie dabei, bis auf die Tatsache, dass sie sich körperlich sehr zurücknehmen musste, niemals. Wie sie die Ausgestossene ohne überzogen aufgesetzte Mine offenbart und ''Die Metamorphose'' des weißen Schwans bis hin zum schwarzen Schwan darstellt ist vollkommen beispiellos. An dieser Stelle sei gesagt, dass ich viele ihrer Filme kenne. Allerdings keinen mit einer solchen Schauspielerischen Intensität wie sie in ''Black Swan'' brilliert.

                                                Bebilderung, Wahrnehmung, Musik, Darstellung und Psyche sind hierbei so markant und unumgänglich, dass sie alle zusammen den Zuschauer in ihren Bann, ihre eigene Welt zieht und so mitnimmt und nachdenklich zurück lässt. Der Film ist ebenso ein wichtiges Statement an die menschliche Psyche. Die wird in der Beziehung Nina-Thomas sehr deutlich. Anfangs ist man noch dazu hingezogen Thomas als den schlimmsten Peiniger zu sehen, werden ihm zum Ende hin aber einige Sympathien zugesprochen. Es bleibt trotzdem schwer seinen Charakter zu mögen. Ob passend oder nicht, sei hier ein kleiner Vergleich zu ''Whiplash'' anzumerken, da hier der selbe Konflikt zum tragen kommt. Auch hier wusste man am Ende nicht ob Terence Fletcher nun im eigenen Sinne ein Held ist oder schlicht ein überzeichneter, unberechenbarer und skrupelloser Sadist. Auf diese Frage habe ich bei Thomas keine Antwort parat. Es ist schlicht etwas von beidem. Er ist für die Verwandlung Nina's zu jeder Zeit verantwortlich, ebenso wie Lilly. Ohne die zahlreichen Mittel, denen sich ein Darren Aronofski annimmt, wäre es dem Film um einiges schwerer gefallen, seine Geschichte, die sich mehr oder weniger in 3 Akte einteilen lässt, nachvollziehbar und authentisch zu vermitteln.

                                                3 Akte schlicht beschrieben bei mir spontan als 1. Intro 2. Erste Auswirkungen und Wahnvorstellungen bis hin zu 3. Höhepunkt, Wendung und Schluss. Der Film verliert nie seinen Ton und geht keinerlei Kompromisse ein. Zu jeder Zeit fiebert man mit Nina mit und kann bei mancher Szene nur schwer auf den Bildschirm gucken. So viel Leid, Verzweiflung und Demütigung. Das alles verpackt Portman in einer einzigartigen Darstellung aus wahrer Liebe zum Ballett und purem Wahnsinn in der Konsequenz ihrer Aufgabe im Ballett und ihrer Darstellung. Und das Ende in seiner unglaublichen Konsequenz ist zwar hart aber wunderschön und darüber hinaus nur logisch. Das ist das Ende einer unglaublich stilvoll erzählten Geschichte über Liebe, Sehnsucht, Verzeiflung und Wahnsinn. EInzigartig in Szene gesetzt, unglaublich gespielt und Konsequent eingefangen und beendet. Auch die intimen Szenen sind gekonnt eingesetzt und unterstreichen stilvoll die Gestaltung der Sehnsucht. Das alles in 108 Minuten unterzubringen ist schlicht die Kunst des Films !

                                                Würde ich Wertung für den Beitrag zum Genre und eine Gesamtwertung vergeben, so komme ich nach sehr kurzer und komlexer Rechnung auf satte 10 Punkte. Gekonnt, kunstvoll, spannend, einnehmend und atemberaubend !

                                                20
                                                • 8
                                                  über Liebe

                                                  Hart ist es bei einem Streifen wie diesem, den richtigen Ton zu treffen und mit der Zukunft, die uns alle irgendwann ereilen wird, gerecht zu werden. Der Film ist ruhig. Sehr ruhig. Die Kamera hat keine große Arbeit. Meist steht sie einfach nur mitten im Raum. Das ist beklemmend. Konsequent. Es liegt also an den Schauspielern, Handlung und Emotionen zu tragen. Und das tun sie. Sie tragen den Titel des Films. Als Ehepaar vollkommen überzeugend und liebevoll. Später die Liebe des Ehemanns zu seiner Frau. Liebe. Eine Bindung, eine Macht, ein Band, das zusammenhält wie nichts anderes auf unserer Welt. Das hebt der Film hervor. Nichts weniger. Konsequent und teilweise schonungslos. Aber nicht unnötig grausam. Ist nicht mehr als die Wahrheit. Der letzte Akt von George apelliert an die Sterbehilfe. Das Gespräch mit der Pflegerin deutet ebenfalls eine starke Kritik an. Bedient werden wichtigste Themen. Berührend. Stark. Gefühlvoll. Keine Angst davor, zu zeigen, was man zeigen will und muss. Musik hat mir etwas gefehlt. Die Stille ist authentisch. Aber Musik untermalt wunderbar. Ich weiß nicht. Tagträume von George tolles stylistisch Mittel. Stark. George spielte etwas hölzern. Resigniert vielleicht. Irgendwie hätte ich stärkere Emotionen gebraucht. Vielleicht mal ein Tränchen....oder ein Gefühlsausbruch. Kann unterschiedlichst gedeutet werden. Thema des Films ist mutig. Wichtig. Nachdenken. Überdenken. Das Leben zu Schätzen wissen. Ein wichtiger Film. Ein wichtiges Thema. Fertig.

                                                  Nicht wundern, diese Kritik entstand wenige Minuten nach der Sichtung. Eine schlichte Abfolge einer Reaktion.

                                                  9
                                                  • 10
                                                    Rocket Man: Filmtoast 05.08.2016, 11:56 Geändert 08.08.2016, 13:50

                                                    Das Leben der ''unterpriviligierten'' Jugendlichen in ''Short Term 12''

                                                    Die Vergangenheit holt uns alle irgendwann ein. Was sie mit uns machen kann, kann man in diesem Film sehen. Der Film zeigt das Leben ''unterpriviligierter'' Jugendlicher in einem Jugendheim und ihre jeweils individuelle Vergangenheit. Jeder einzelne von ihnen mit einer eigenen, traurigen und tragischen Vergangenheit und nicht zuletzt die Figur von Brie Larson, der Jugendarbeiterin, die zwiegespaltener nicht sein kann!
                                                    (Dieser Beitrag enthält Spoiler)

                                                    Ich bin wirklich sehr dankbar, dass ich vor langer Zeit von einem Film namens ``Raum´´ gehört habe und so auf die unverwechselbare, faszinierende und vollkommen einzigartige Schauspielerin Brie Larson gestoßen bin!!!

                                                    Ich erkenne jetzt, was für ein Ausnahmetalent diese wundervolle Schauspielerin ist und hoffe, dass man von ihr in Zukunft noch mehr von solch bewegenden Filmen sehen darf!
                                                    Ich weiß ich schwärme schon, aber ich bin wirklich der Meinung (Nur meine Meinung), dass dies die beste und herausragendste Schauspielerin ist, die ich je gesehen habe. Noch nie hat mich eine Frau so berührt und ihren Bann gezogen wie Brie Larson! Und dass soll nicht heißen, dass es nicht noch andere gute weibliche Darstellerinnen gibt, sondern nur, dass sie für mich eine bedeutend bessere darstellt. Sie ist atemberaubend und gilt für mich schon jetzt als aufleuchtender Stern am Schauspielhimmel!

                                                    Nicht umsonst bekam sie für Ihre Rolle der Ma (Joy) in ``Raum´´ den Golden Globe und den Oscar. Und auch dieser Film hätte es verdient gehabt in den Kinos zu laufen und auch eine Nominierung wäre drin gewesen. Definitiv. Nur gehört dieser Film nicht zum typischen Mainstream, obwohl er einzelne Elemente aufweist, die viele Menschen erreichen können.

                                                    Die Darstellung der Schauspieler in diesem Film, allen vorran Brie Larson, bestechen mit ihrer Natürlichkeit des Schauspiels. Nichts wirkt aufgezwungen oder überzogen, nicht einmal die Leistung der Jugendlichen, was in gewissem Maße ja vollkommen okay gewesen wäre. Der Regisseur, der, wie ich laß, selbst mit einer solchen Einrichtung zu tun hatte und bereits vorher einen Kurzfilm unter dem gleichen Namen filmte, macht den Film für mich noch besonderer. Denn es heißt, es ist authentisch und die Marterie hat den Regisseur nicht losgelassen. Das ist dem Film auch anzumerken. Die Ereignisse, Eigenschaften und Charakteristika der Personen sind schön herausgearbeitet und die Traumata und schlimmen Vergangenheiten aller Personen werden hervorragend inszeniert und bleiben glaubwürdig. Zum Beispiel die Geschichte von Marcus, die bereits zu Anfang angedeutet wird, als er sich zum Geburtstag wünscht, den Kopf rasiert zu bekommen. Als es dann später im Verlauf des Films dazu kommt und man plötzlich erfährt warum ihm das so wichtig ist, gerade weil man es am Anfang schlicht lustig fand, bleibt es einem kurz im Hals stecken und seine Geschichte ergreift uns. Ebenso die Szene, in der er rappt.....Wenn man Text da schon verstanden hat, wusste man um seine Vergangenheit. Aber auch Jayden's Geschichte ist ergreifend. Sie ist sozusagen das Fundament des Films und spiegelt auch den Charakter der Joy wieder. Ähnlich ist das Schicksal der beiden und Joy kann sich voralllem mit ihr und durch sie über ihre Vergangenheit unterhalten und abschließend sogar hinwegsetzen und verarbeiten. Der Film ist voller ergreifender, voller wunderschöner Momente....Jeder glückliche Moment ist ein Geschenk. Der Moment, in dem Jayden vollkommen ausrastet.......und später trotzallem unendlich viele Geburtstagskarten, von den anderen im Heim, auf ihrem Bett liegen sieht, so ist das schlichtweg emotional, packend und wunderschön.

                                                    Der Film ist und bleibt konstant berührend, ernst, hart, gefühlvoll, lustig und wunderschön. Eine Mischung, die auch später in ``Raum´´ brilliert!!
                                                    Alle traurigen Momente, alle schlimmen und ernsten Momente, werden so natürlich und überzeugend gespielt, wie es nur geht. Diese Momente werden aber nicht (meine Meinung) Hollywood-typisch ausgeschlachtet, sondern sind nie länger als sie sollten. So empfand ich es zumindest. Ich war oft gezwungen zu weinen, wollte es sogar. Bei vielen Szenen. Nicht viele Filme berühren durch so eine natürliche Darstellung. Und Filmmomente in denen man heult, weil einer Person etwas wunderschönes wiederfährt, sind pure kleine Momente Glückseligkeit. Das ist Film, das ist Kino. Für manche ist vielleicht gerade die 2 Hälfte oder die letzten Minuten zu ''schön'', aber ich finde es schlicht passend. Ohne ein Gutes Ende hätte ich mir den Film nicht vorstellen können. Und auch wenn ich kein Fan von Liebesfilmen bin, so passte die komplizierte und tiefgründige Liebesgeschichte in diesem Film einfach nur toll und hat zu keiner Sekunde irgendwie gestört. Ganz im Gegenteil. Gerade weil Brie Larsons Figur ihren Raum zur Entfaltung in dem Jugendheim braucht, aber auch in ihrem Privatleben etwas von ihrem ''wahrem'' Gemütszustand durchblicken lassen muss. So ist sie stets selbst gebrochen von ihrer Vergangenheit, hilft ihren Jugendlichen aber mit so einer Präsenz und Fürsorge....Das ist einfach wunderschön gemacht.

                                                    Wie auch in ``Raum´´ schafft es Brie Larson mit verschiedenen, ja zahlreichen Gesichtsausdrücken, die Emotionen ihrer Vergangenheit und ihrer Arbeit zu zeigen.
                                                    Ich weiß nicht ob das verständlich ist, aber mir ging es oft ganz einfach so, dass ihre Gesichtsausdrücke in wenigen Sekunden eine echte Geschichte erzählen. So ging es mir auch schon in ``Raum´´ und das ist einfach atemberaubend. Sie trägt so ziemlich jede Emotion und jeden Konflikt im Film. In ihren Augen kann man einfach den ganzen Schmerz sehen, den ihre Person durch(ge)macht hat. Einzigartig.

                                                    Aber nun zu den restlichen Punkten, zu denen man nicht viel sagen muss. Der Plot steht hier auf MP und ich hoffe ich habe nicht zu viel verraten. Die Musik ist, ich würde sagen, simpel und absolut passend. Die Kamera ist noch deutlich hervorzuheben, ist sie doch immer sehr nah am Geschehen, aber nicht unnötig aufdringlich. Anders weiß ich es nicht zu beschreiben. Aber die Kameraarbeit ist absolut beeindruckend!

                                                    * Auch nach einer 2 Sichtung bin ich noch immer voll überzeugt und fasziniert von diesem Film und allen voran Brie Larson. Ich wusste bis jetzt nicht wie ich es sagen soll, aber sie besitzt einen so unglaublichen Gesichtsausdruck und noch ausdruckstärkere Augen, die ihr einfach eine unglaubliche Ausstrahlung ermöglichen. Jeder nachdenkliche oder gar traurige Gesichtsausdruck bei ihr ist einfach nur unglaublich. Noch nie gesehen!
                                                    Nach der zweiten Sichtung ist mir aber auch die Musik sehr viel mehr aufgefallen. In ihrer Schlichtheit verleiht sie dem Film ein unglaubliches, manchmal ruhiges, manchmal rasantes und manchmal trauriges Ausdrucksvermögen. Sie passt sich einfach jeder Szene an. Wenige Instrumente, teilweise wenige Töne und doch so viel, was zu hören ist. So viel was Musik ausdrücken kann.
                                                    Aber auch die anderen Darsteller, vorallem John Gallagher Jr. spielen ihre Rollen ebenso großartig.

                                                    So ist es zwar eine Geschichte, die einem etwas bekannt vorkommt, doch so und in dieser Weise, mit teilweise großartigen Dialogen (Anfang,Schluss) und mehr als hervorragenden Darstellern, wird aus diesem Film etwas besonderes und mit der Arbeit von Brie Larson letzlich ein Meisterwerk!
                                                    Weiterhin bedient sich der Film vieler rhetorischer Mittel. Beispielsweise die Art der Kameraarbeit, sie gibt dem zuschauer das Gefühl mittendrin zu sein, die Musik, der Anfang und der Schluss, was wirklich einen tollen Effekt und einen bleibenden EIndruck hinterlässt...., die Darstellung der Jugendarbeiter, ihre Aufgaben und die Zimmer der Jugendlichen. Da der Regisseur selbst mit solchen Einrichtungen vertraut ist, ist viel Wert auf die realistische Darstellung der Ereignisse gelegt worden. Großartig. Für mich macht der Film alles richtig.

                                                    Im Großen und Ganzen ist es kein großer Film. Kein Film, der eine Handlung auf 120 Minuten oder mehr bringt. Dafür macht er in den 96 Minuten alles richtig. Und das ist gerade das, was ich dem Film zugute halten muss. Viele Filme mit der Länge wollen oft viel erzählen, aber sagen tun sie meist nichts. Jede Komödie hat eine so kurze Laufzeit. Jeder Horror/ Splatter hat so eine Laufzeit. Trotzalledem erzählt der Film, in knapper Laufzeit, eine wunderschöne und tragische Geschichte, die zu jedem Zeitpunkt fesselt. Menschen mit viel Herz werden ihn lieben. Das soll natürlich nicht heißen, dass ihn folglich jeder lieben wird. Ich denke ihr wisst, was ich meine. Wer emotionale Filme und Filme mit Konflikten mag, wird dem Film mehr als einiges abgewinnen können. Ein echter Geheimtipp, der direkt auf DVD rauskam. Dennoch gewann er bei zahlreichen Festivals Preise. Eine Frechheit, dass der nicht im Kino lief. Er hätte es verdient gehabt. Und Schande über mich, dass ich erst dieses Jahr auf diesen Film kam ;D Aber es ist sichtlich auch ein tolles Gefühl, wenn man wegen einer Darstellung in einem anderen Film, dazu verleitet wird weiter zu suchen und auf etwas ebenbürtiges zu stoßen. Ich kann allen diesen Film ans Herz legen, weil ich (so bin ich eben) nicht glaube, dass jemand gänzlich unberührt den Film beendet oder vorzeitig ausschaltet. Gibt dem nicht ganz so bekannten ''Short Term 12'' eine Chance und lasst euch überzeugen und überraschen. Aber jetzt genug der Worte, das Ende naht :)

                                                    P.S. Alles nach dem * da oben ist unmittelbar nach der zweiten Sichtung hinzugefügt worden, da die Eindrücke direkt danach am stärksten sind!

                                                    Fazit: Eine tolle, eindringliche und sehr gefühlvolle Geschichte über eine Einrichtung für schwere Jugendliche und deren Gefühle und Vergangenheit, die in diesem Film teilweise schon poetisch dargestellt wird und vollkommen überzeugt. Mit Brie Larson in der Rolle der Grace, ist diesem Film ein bedeutendes Meisterstück gelungen. Ein kleines Meisterwerk, dass leider direct-to-dvd veröffentlicht wurde und so weniger Menschen erreicht hat. Schade !
                                                    10/10 verdiente Punkte! ♥
                                                    (Und sry falls diese Kritik nicht immer objektiv war, Brie Larson fasziniert mich mit ihrer Darstellung einfach :). )

                                                    13