SmooliEntertainment - Kommentare

Alle Kommentare von SmooliEntertainment

  • 5

    […] Das Doku-Drama „Fritz Lang“ beschäftigt sich nun mit der Entstehungsgeschichte von „M“ und rückblickend muss man anmerken, dass es derlei viel zu wenig Filme gibt. Es ist angenehm, dem Treiben zuzuschauen, angenehm, jenen Künstlern dabei zuzusehen, wie sie das erschaffen, was die Welt beeinflussen sollte. Ebenso angenehm ist es, dass der Film von Regisseur Gordian Maugg darauf verzichtet, Lang als eine Art Übergestalt, als Halbgott zu inszenieren. Stattdessen ist Fritz Lang in diesem Film, der bei weitem mehr Drama als Doku ist, ein Mann, der nicht wirklich greifbar scheint. Auf der einen Seite Genie, der mit seinen Filmen die Bevölkerung zu verstehen scheint und sich als Apostel darstellt. Auf der anderen Seite ein Mann, der unterkühlt zu Mitmenschen ist, der sich dem schamlosen Exzess widmet, während um ihn herum Deutschland zerfällt. […] Fritz Lang findet sich schon zu Beginn des Films in einer Schaffenskrise. Unzufrieden, grantig, er ist im Zugzwang. All die anderen großen Regisseure haben schon den nächsten Tonfilm angekündigt, Lang hingegen hinkt hinterher. Er hat seine alten Filme satt, er will keine monumentalen Filme mehr schaffen, mit tausenden von Menschen, die Gerechtigkeit suchen. Er will sich nur noch auf ein Leben konzentrieren, ein Leben erforschen - die Massen werden hier und in „M“ zum Feindbild. Lang wendet sich ab von der Gigantomanie und widmet sich einem kleinen knackigen Meisterwerk der (Un-)Menschlichkeit. Immer wieder wird Lang mit dem Mörder von Düsseldorf Peter Kürten, der das Vorbild für den Mörder in „M“ war, in Verbindung gebracht. Sei es ein Vergleich, eine Andeutung, eine ähnliche Haltung oder die gleiche Position im Bild. Sobald der Film aber auf Konfrontationskurs geht, verzettelt er sich immer wieder und überschätzt seine eigenen Fähigkeiten. Inhaltlich lässt das oft zu wünschen übrig, verwirrt gar bisweilen mit Nichtigkeiten und versucht mit Phrasendrescherei und der Holzhammer-Methode ans Ziel zu kommen. Gelingen tut das nur teilweise. […]

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    • 4

      Teil XVI der Skandalfilmreihe mit SoulReaver

      […] Dabei beginnt der Film ganz anders. Daniel Lugo wird dem Publikum vorgestellt, während er den Inbegriff des narzisstischen Exzesses darstellt. Er stählt seinen Körper, brüllt selbstverliebte Parolen. Wenn er könnte, würde er sich wahrscheinlich auch selbst befriedigen. Unterbrochen wird er von der Polizei, die auftaucht und Jagd auf ihn macht. Von Anfang an streut Bay hier und da immer wieder Einstellungen gefilmt aus der ersten Person mit ein. Schnell macht er klar, wer hier dargestellt wird - der Zuschauer. Der Zuschauer wird nicht nur Zeuge des Ganzen, er soll es leben, er soll den Figuren seine Identität übergeben und ihnen damit blind vertrauen. Er soll Spaß an der ganzen Gaudi haben, er soll mit den Protagonisten mitfiebern, hoffen, dass sie am Ende mit dem ganzen Geld davonkommen. Die Ego-Perspektiven sind tatsächlich das interessanteste formale Element, dass Bay hier findet. Momente, in denen Dwayne The Rock Johnson mit all seiner Wucht direkt auf die Kamera einschlägt, sind überraschend hochwertig - weil sie den Zuschauer aufschrecken lassen. Will Bay den Zuschauer aufwecken aus dem zynischen Dasein, das er fristet, wenn er solche Filmcharaktere wirklich gut finden kann? Ingmar Bergman ließe grüßen, wenn dem so wäre. […] Was allerdings überhaupt nicht funktioniert und dem Film irgendwann den Rücken bricht, ist die Kehrseite von Bays Bild der amerikanischen Kultur. Irgendwann machen sich nämlich nur die Figuren über andere Menschen lustig, sondern der Film selbst. Er macht sich über beleibte Menschen lustig und vergisst, eben dies als Satire zu verkaufen. Michael Bays Frauenbild hat sich eben kein Stück geändert und das ist ein elementarer Punkt dieses Films. Frauen sind hier entweder hohle Sexbomben oder fette und hässliche Plagen von Menschen, die ihre Umwelt anwidern. Zudem ergötzt Bay sich irgendwann am Leid der Menschen und nimmt seinen Protagonisten dabei Charakterzüge ab, die er lieber in Ruhe gelassen hätte. Und dann wäre da noch die Tatsache, dass er die Typen bis zum Ende nie wirklich verurteilt. Sie haben halt an ein Ideal geglaubt und dafür hart gearbeitet, so schlecht können sie ja nicht sein. Das ist fast schon herrlich, ist das passende Ende einer Satire, die sich irgendwann selbst zu Grabe trägt und einmal mehr zeigt, wie schmalspurig Michael Bay sein kann. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man fast dazu kommen, anzuzweifeln, dass das Teil überhaupt als Satire gemeint war.

      Zur Reihe: http://www.moviepilot.de/liste/bilder-des-zerfalls-soulreaver-smooli-im-klammergriff-der-kontroverse-smoolientertainment

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      • 8

        […] Pierrot heißt eigentlich Ferdinand (coolste Socke von Welt: Jean-Paul Belmondo, „Außer Atem“). Das betont er immer wieder, aber Marianne Renoir (schönste Socke von Welt: Anna Karina, „Alphaville“) kümmert das kein Stück. Sie nennt ihn immer wieder Pierrot, schließlich kann man den Namen besser in einem Lied verwenden. Ferdinand führt ein sprödes Leben mit seiner Ehefrau und seinen zwei Kindern, von denen nur fünfzig Prozent anwesend sind. Wirklich mögen tut er seine Familie nicht. Das klingt kaltherzig, ist aber mitnichten böse gemeint. Viel mehr lebt er mittlerweile in einer Art Dauerzustand, in dem niemand weiß, wie man Emotionen überhaupt buchstabiert. Seine Kinder gehen lieber ins Kino oder lauschen Ferdinand zwanghaft, wenn er ihnen aus einem Gedichtband für Erwachsene vorliest. Ein Leben so spröde, dass er ein T-Shirt mit seinem eigenen Namen trägt. Um sich selbst dran zu erinnern, wer er ist, sein sollte oder hätte sein können? Um der Welt etwas zu beweisen? Um seine Identität zu wahren? Oder, andersherum gedacht, um zu zeigen, dass sein Ich nur eine Hülle ist?

        Wahrscheinlich sind alle Fragen gleichermaßen angebracht und komplett deplatziert. Eventuell geht es Godard bei dem Kleidungsstück Ferdinands nicht um die Wirkung auf die Außenwelt und Mitmenschen unserer Protagonisten, sondern um den Begriff der Identität und darum, wie weit man diesen Begriff eigentlich dehnen kann, bevor der Ursprung unkenntlich wird. Der Identitätsbegriff hat Ferdinand nie Sorgen bereitet, er wurde ja auch nie wirklich beachtet und kann sich nur wirklich über Dritte verständigen. Sobald er aber auf Marianne trifft und mit ihr Zeit verbringt, beweist Godard gleichzeitig dem Zuschauer, sich selbst und Ferdinand etwas - und all das vereint er so elegant, dass man einmal mehr nur den Hut ziehen kann. Ferdinand ist von einem langweiligen Abend bei seinen Schwiegereltern geflohen. Langweilig für ihn, nicht für den Zuschauer. Denn in diesem stilistisch äußerst interessant gestalteten Ort trifft Ferdinand auf den Samuel Fuller („Die Hölle von Korea“), der ihm erklärt, was Kino eigentlich ist. Emotion inmitten von Chaos, Herzrasen, Liebe und Hass ist die Antwort. Ferdinand scheint das nicht wirklich viel zu bedeuten, für „Elf Uhr Nachts“ ist es jedoch die ganze Welt. […] Setzte Godard sich in seinem ersten Langfilm „Außer Atem“ noch mit dem Genre des Film Noir auseinander, untersucht er hier die Beziehung zwischen Publikum und Film und Wahrnehmung. Als Einführung lässt Jean-Luc Godard seine beiden Helden des amerikanischen Kinos auftauchen. Nicholas Ray („Ein einsamer Ort“), indem sein Film „Johnny Guitar“ erwähnt wird und Samuel Fuller mit einem Cameo-Auftritt. Godard folgt alsbald Fullers Definition von Kino und überprüft eben jenes; cinéma. Ein Begriff, der kein wirklich getreues deutsches Äquivalent besitzt und eine gehobenere Art des Films bezeichnet. Film als Kunst, als Medium eben - als Mittel zur Kommunikation und ein Gegenstand der Wissenschaft. Um dem Begriff weiter auf den Grund zu gehen, stellt Godard Realität vs. Darstellung, Natur vs. Drama, Tat vs. Versprechen und Wort vs. Gefühl. Es gibt eine Divergenz zwischen dem Gezeigten und dem Bewirkten; Godards Kino ist seit jeher ein Paradebeispiel dafür gewesen. […]

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        • 8

          […] Es gehört quasi zum guten Ton, diesen Film gesehen zu haben. Diese Kritik stammt von einem Nachzügler. Und dennoch dauert es tatsächlich nicht lange, bis deutlich wird, dass dieser Film aus jeder Pore den gesamten Katalog der Qualitäten atmet, die zeitgenössische amerikanische Independent-Produktionen ausmachen. Der aktuelle Schwall an Indie-Coming-of-Age-Filmen wäre so ohne die Vorarbeit von Sam Mendes und seinem Team wohl nicht möglich. Das beginnt mit dem herrlichen narrativen Monolog, wird mit der sanften Inszenierung fortgeführt und endet mit der genüsslichen Demontage des amerikanischen Durchschnittslebens, die an Zynismus streckenweise nicht zu überbieten ist. Ein zweistündiger Blick hinter die glänzenden Fassaden amerikanischer Vorstädte, mit freundlicher Unterstützung von einem britischen Gespann.

          Und was ist der amerikanische Durchschnitt? Der perfekt getrimmte Rasen, die weiße Zähne der Ehefrauen, das penibel gesäuberte Haus, oder die Tatsache, dass nur hinter geschlossenen Türen und in aller Einsamkeit Gefühle (jedenfalls für ein paar Sekunden) zugelassen sind? Als Lester sagt, er wolle nicht mehr für den Teufel arbeiten, reagiert seine Ehefrau (Annette Bening) eher schnippisch und sagt ihm sinngemäß, er solle sich mal nicht so anstellen. Sam Mendes deckt einiges auf, manchmal zynisch, dann wieder herrlich ironisch, manchmal gar lässt er sanfte Ruhe walten. Und dennoch reißt er konsequent Schicht für Schicht die Fassade des Spießbürgertums ab und hört nicht auf, bevor nicht wirklich alles zerstört ist und jeder Stein umgedreht wurde. Lester stürzt in seine Midlife-Krise und wird erneut zum Teenager mit allen drolligen Eigenheiten, die man da erwartet. Er ist schüchtern am Telefon (obwohl Telefonieren sein Beruf ist) und rennt durch den Flur, wie ein Kind, das nicht erwischt werden will. Momente wie diese sind Gold wert. […]

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          • 8 .5

            […] Sein Regiedebüt mit Robert Mitchum („Goldenes Gift“) wurde ursprünglich eher blass wahrgenommen, zählt heute aber als einer der besten Filme aller Zeiten. Laughton hat nie wieder Regie bei einem Film geführt und das trotz seines augenscheinlichen Talents. Ob er wegen der gemischten Reaktionen eingeschnappt war oder einfach glaubte, dieses Werk nicht übertreffen zu können, bleibt für immer ein Geheimnis. Doch die Tatsache, dass „Die Nacht des Jägers“ Laughtons einzige Regiearbeit bleiben sollte, ist nur in erster Hinsicht traurig. Andererseits muss jedoch klar festgehalten werden, dass man sich an diesem Noir-Horror-Märchen ganz einfach nicht sattsehen kann. Ein Film von Laughton ist also mehr als genug - und zwar auf ewig. Denn es ist ein Film, der von einer unbeschreiblichen Weitsicht zeugt, der einen überraschenden Mix geschmackvoll vereint und nicht einen unbewussten Schritt bezieht. Der Film war ein Wagnis. Gegen Ende hält ein Mädchen ein Heft der Zeitschrift „Modern Movies“ in die Kamera und sagt in Sorge: „Ich war unartig.“ Laughton greift bereits auf die kommenden Reaktionen von Publikum und Kritik zurück.

            Dass der Film eher argwöhnisch aufgenommen wurde, liegt sicherlich zu Teilen auch daran, dass er sich so schwer klassifizieren lässt. Noir-Horror-Märchen, wie weiter oben steht, ist dabei bloß eine Aneinanderreihung der offensichtlichsten Einflüsse des Werkes. Laughton selbst sagte, er wollte eine schaurige Gute-Nacht-Geschichte inszenieren. Mit Verlaub, das ist ihm beeindruckend gelungen. Formale Elemente des Märchens sind vorhanden, wie die umklammernde Narration einer Frau, die im Prolog vor falschen Propheten warnt oder die Tatsache, dass zwei Geschwisterkinder die Protagonisten dieses Werkes sind und versuchen, vor dem bösen Stiefvater (Robert Mitchum, großartig und ähnlich furchteinflößend wie Robert De Niro in „Kap der Angst“, der von diesem Werk immens beeinflusst wurde). Dazu gesellen sich ästhetische Merkmale des deutschen Expressionismus, der später zum Haupteinfluss des Film Noir werden sollte, vermischt mit Mystery- und einer Prise Horror-Kino. Wie Tropfen eines Rasensprengers greifen Laughtons Einflüsse um sich, benetzen ein breites Feld und fusionieren lückenlos, als würden alle Elemente von Natur aus zusammengehören. […]

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            • Ich sitz hier nur und warte darauf, dass Absurda an die Decke springt.

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              • 1
                • 6

                  […] Die Protagonisten des Films, namentlich Shiro, Katako und Keita, scheinen die einzigen aus ihrem Dunstkreis zu sein, denen es nicht gelungen ist, einen Platz an einer Universität zu bekommen. Die einzigen, die noch zuhause wohnen, in dieser ansonsten recht leeren Stadt. Die einzigen, die immer noch im Park Baseball spielen, während alle anderen aufgebrochen sind, um ein Leben zu führen. Die drei Jugendlichen haben es schwer mit sich selbst, mit ihrer Antriebslosigkeit und dem ersten großen Scheitern, das man eben in der Adoleszenz erlebt. Vor allem aber haben sie es schwer, mit dem, was nach dem Scheitern kommt. Die Niederlage ist mitnichten das Ende einer Angelegenheit, sondern viel mehr ein retardierendes Moment. Eine Brücke zum nächsten Höhepunkt, oder, wie hier, zur nächsten Katastrophe. Shiro, Katako und Keita stecken im ewigen Trott fest. Sie strampeln auf ein und derselben Stelle, wackeln müde herum, kommen aber nie aus dem kräftezehrenden Treibsand heraus, der ihre Heimatstadt ist. Das geht so weit, bis sich jemand irgendwann vor dem Abgrund wieder findet. Um Gleichgewicht ringend, seinen eigenen Namen schreiend, in der Hoffnung sich selbst Glauben schenken zu können, dass er existiert.

                  Immer wieder unterbricht Sono die Handlung des Films, um sich Zeit für ein Film-im-Film-Segment zu nehmen. Die beiden Freunde Shiro und Keita haben nämlich während ihrer Schulzeit einen Film zu drehen begonnen. Während der eine sich aber gefälligst anzustrengen hat, doch noch auf eine Uni zu kommen, will der andere unbedingt den Film beenden. Immer wieder sieht man so Ausschnitte des Werkes und anderer Aufnahmen, die die beiden jungen Männer eingefangen haben. Und immer wieder sagen diese Teile des großen Ganzen mehr als jede Dialogzeile. So baut Sono ein interessantes Verhältnis zwischen Film-im-Film, „Bicycle Sighs“ und auch Sonos eigenem Leben auf; die Elemente kommentieren sich gegenseitig, fangen das nicht erklärbare auf, lassen den Zauber des Vergangenen aufleben. Der eingerostete Spielplatz, auf dem die beiden sonst immer Baseball spielen, wird in ihrem Filmprojekt zum Hauptquartier futuristischer Bösewichte. Bösewichte, die mit ihrer Superwaffe Menschen verschwinden lassen können und einen großen Bogen zwischen der Kindheit und der unheimlichen, weil ungewissen Zukunft spannen. […]

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                  • 4 .5

                    […] Die Theateradaption des Buches soll ein wahres Meisterwerk für sich sein, ob ein Vergleich generell angebracht ist, darf aber bezweifelt werden. Von einem Meisterwerk weit entfernt, ist der Film eher ein tragisch gescheiterter Film, der nachdenklich stimmt. Nicht bezüglich des Inhaltes des Werkes selbst, das wäre dem Streifen wahrscheinlich zu viel der Ehre. Viel mehr denkt man darüber nach, weshalb der Film vor allem auf komischer Linie derart versagt. Der Humor ist da, er ist klar definier- und erkennbar. Und zwar insofern, dass man bei jeder Pointe denkt, dass man dort hätte lachen sollen. Zum Lachen selbst kommt es hingegen nicht und der Grund dafür ist nicht so leicht ersichtlich, wie die Witze selber. Irgendwann aber, nach reiflichem Nachdenken, wird klar, dass der nie zündende Humor an dem Rest des Films liegt. Der ist nämlich derart nüchtern und staubtrocken, dass sogar der britische Humor dadurch keine Chance mehr zur Entfaltung bekommt. Ein Film wie ein ausgetrocknetes Flussbett.

                    „The Lady in the Van“ mit Maggie Smith hätte sich direkt in die Schlange der reifen und formvollendet kathartischen Filme über den Lebensabend einreihen können, wenn er denn was geworden wäre. Und hätte der Film seine verspielte Ader nicht erst auf den allerletzten Metern gefunden, wäre daraus auch sicherlich was geworden und hätte Sympathien en masse verdient gehabt. So hingegen bleibt der Konjunktiv erschlagend. Der Film erzählt zwar über das Miteinander von Menschen, über das Geschnatter in Nachbarschaften und Familien, hinter den Rücken der Betroffenen und der Unehrlichkeit desgleichen. Ankommen tut davon aber herzlich wenig, weil der Film nie aus dem Tritt kommt, sich immer wieder selbst ausbremst und seinen Humor ersticken lässt. Da hilft auch nicht, dass Maggie Smith die ganze Zeit alles und jeden anpampt.

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                    • 4

                      […] Die dritte Regiearbeit von Peter Sollett („Nick und Norah - Soundtrack einer Nacht“) ist sich der Aktualität der Thematik durchaus bewusst, nicht aber ihrer Brisanz und der wichtigen Möglichkeiten, die sich in diesem Feld auftun. Anstatt nämlich die Geschichte von Hester (Julianne Moore, „Still Alice“) und ihrer Lebensgefährtin Stacie (Ellen Page, „Juno“) mit Gefühl zu erzählen, wird die Geschichte breitgetreten und auf ihre politisch-liberale Aussage reduziert. Die Figuren bleiben leere Hüllen und das muss man erst einmal schaffen, wenn es sich um Charaktere mit realen Vorbildern handelt. Hier zeigt sich schnell die unsympathische Herangehensweise, die diesem Film so sehr schadet. Der Film nutzt sein Thema für eine Prestige-Tour, für unehrliches Ergriffenheits-Kino, das sich nicht um seine Figuren schert, aber immer zum ganz großen Publikum schielt. […] Sollett drückt stilistisch viele Knöpfe. Leider begnügt er sich mit denen, die am ehesten zu erreichen sind, sodass ihm weder eine große emotionale Resonanz gelingt, noch eine intellektuelle Errungenschaft oder gar ein filmisch interessantes Werk. Strandspaziergänge, Gefühlschaos inklusive „Schämst du dich für mich?“-Momenten und den bösen Buben, die diese „Scheißlesben“ aus der Stadt jagen wollen. Das ist von Anfang an derart sperrig und zäh inszeniert, dass der Film nie tief genug dringt, um den Zuschauer an Hirn und Herz zu berühren. […] Wenn eine Reihe von weißen Männern in Anzügen sich über Lesben lustig machen, wenn Schematik jegliches Gefühl unterdrückt, wenn ein Cast von Superstars als „anwesend“ zu kommentieren ist und einzig Ellen Page gut ist, wenn ein Film ein einziges Luftloch darstellt und eine wahre und ergreifende reale Begebenheit bis zur Schmerzensgrenze trivialisiert wird. Dann flimmerte „Freeheld“ über die Leinwand. Film-Vergleiche mögen ungerecht sein, da dieser hier jedoch keinerlei Einfluss auf die Wertung hatte, soll er genannt werden: „Freeheld“ ist ein Film, der einem die wahren Stärken von Todd Haynes’ „Carol“ vor Augen führt.

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                      • 4 .5

                        Teil XV der Skandalfilmreihe mit SoulReaver

                        […] Verfechter des Werkes zeigen immer wieder auf, dass es sich bei dieser expliziten Tortur um einen Kommentar bzgl. eines faschistischen Regimes handelt und Allmachtsphantasien und Unterdrückung nachdrücklich bebildert. Und in dieser Hinsicht findet Pasolini sogar ein paar gute Momente. Einer davon ist der Vorspann selbst. Pasolini beginnt den Film mit lässiger Musik, er möchte den Zuschauer einlullen, während die Macher des Werkes auf dem Bildschirm erscheinen. Damit bildet er zum ersten einen Kontrast zwischen gezeigtem und dem bevorstehenden. Und zum zweiten setzt schon hier die Faschismus-Kritik ein. Faschismus, der vor allem dank Propaganda funktioniert, also eine Überhöhung der Verantwortlichen. Genau das betreibt Pasolini hier in dem Vorspann ganz genüsslich. […] Eine besonders radikale filmische Abrechnung mit Faschismus und Unterdrückung ist dieser Film also. Jedoch eine, deren Problemzone nicht in der expliziten Darstellung von ekelerregenden und bestialischen Taten zu finden ist, sondern darin, dass der Film selbst keine Entwicklung zeigt. Die massive Unmenschlichkeit des Films ist bereits nach einer Viertelstunde etabliert. Ändern wird sich daran nichts über die folgenden gut 100 Minuten. Keine neuen Aspekte kommen hinzu, stattdessen wird genannte Unmenschlichkeit bloß immer weiter ins Extreme gesteigert, ohne neue Facetten in dieser Steigerung zu finden. Eine Steigerung um ihrer selbst Willen, sodass man über den Film bereits nach kurzer Zeit alles erfahren hat, was es zu erfahren gibt. Es ist also gar nicht mal die extreme Visualisierung der Vorgänge, die dem Film den Rücken bricht, sondern viel mehr die Tatsache, dass Pasolini gar nicht recht weiß, was bei all dem Wahnsinn noch mal genau der Punkt war. Die Moral von der Geschicht’ ist bereits nach zwanzig Minuten deutlich, sonderlich viel ändern wird sich danach nichts, wichtige Punkte hinzukommen werden ebenfalls nicht. […] 

                        Zur Reihe: http://www.moviepilot.de/liste/bilder-des-zerfalls-soulreaver-smooli-im-klammergriff-der-kontroverse-smoolientertainment

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                        • 3

                          […] Die Geschichte über einen abgehalfterten Musikproduzenten, der in Afghanistan versucht, sein Geschäft wieder auf Vordermann zu bringen, hat durchaus ihren Reiz. Erstens bietet sich so die Möglichkeit, mit Vorurteilen aufzuräumen, die Chance zur Völkerverständigung zu nutzen und die Kultur in Afghanistan zu beleuchten. Alle drei Aspekte werden von Levinson gekonnt ignoriert. Die plumpen Szenen werden mit allseits bekannten Songs hinterlegt, damit auch ja nichts langweilig wird und der Zuschauer bloß nicht mit neuartigen Dingen konfrontiert wird. Wo kämen wir denn da auch hin? Die Charaktere sind einem alsbald egal, emotionale Szenen bestehen nur auf dem Papier (teilweise nicht einmal da) und das dramatische Potenzial ist derart rar gesät, dass „Rock the Kasbah“ nach einer halben Stunde bereits sehr ermüdend ist. Aber da hat man nicht einmal ein Drittel hinter sich. Und damit auch nicht genug; alsbald wird das Projekt zur reinsten Fremdscham-Rakete für Bill Murray, der zwar versucht, irgendwie witzig zu sein, aber dann wohl doch eingesehen hat, dass Hopfen und Malz verloren sind. […]

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                          • 7

                            […] Am Anfang geht das Licht an, die Kulisse erscheint. Die Kamera fährt zurück vom Fenster, aus dem man die Skyline einer anonymen Stadt erkennen kann, die komplett aus Quadern aus Pappmaché besteht. Der erste Protagonist kommt ins Bild, Niederländer heißt er, wird von Sebastian Bromberg gespielt und fährt in seinem Hotelzimmer auf der Stelle Fahrrad. Vor ihm steht ein Laptop, der das Entlangfahren auf einer Straße visualisiert. Die Realität wird von Naber hier in den ersten paar Sekunden direkt weggeschoben, in kleine Kästen gesperrt und zum Sterben zurückgelassen. Niederländer und sein Kollege Öllers (großartig: Devid Striesow, ebenso großartig in „Nichts passiert“) bauen sich ihre eigene Welt auf, in der es keine Grenzen und Regeln gibt. Sie nehmen sich die Einzelheiten und kleine Teilchen, die ihnen am besten passen und verwenden sie, ohne auf das Schlachtfeld zu achten, das sie hinter sich lassen. […] Johannes Nabers „Zeit der Kannibalen“ ist ein atemloser 90-Minüter geworden, der auf kleinstem Raum seine minimale Besetzung komplett durch die Decke gehen lässt. Der Humor reicht von verachtend über skurril bis albern und zutiefst schwarz und trifft eigentlich jeden Ton zielgenau - bei der Dialogdichte ist das schon bemerkenswert. Einen hektischen Sturm braut Naber hier von Beginn an auf, bedient sich bei Polanskis „Gott des Gemetzels“ und Paul Thomas Andersons „There Will Be Blood“, lässt sein Werk dennoch zu jeder Sekunde eigenständig wirken. Das ist schon oberster Güte, wie die Geschäftsmänner jedes Maß für Moral und Ethik verlieren, Cunnilingus in Afrika als Entwicklungshilfe und Respekt vor Frauen als eigentlich frauenfeindlich verkaufen wollen und dann über die eigenen Füße fallen. […]

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                            • 8

                              […] Die Handlung spielt in Tokio in den späten 40er Jahren des letzten Jahrhunderts, während die Bevölkerung unter der brennenden Hitze des überraschend heißen Sommers zu zerfließen droht. Es ist diese Hitze, die einem jegliche Feuchtigkeit aus dem Körper saugt, die Seele brät und jeglichen Antrieb aus dem Körper verbannt. Einer dieser Tage, an denen man nicht zu lange aufrecht stehen kann, sich die Haut verbrennt und einem die schwüle Luft das Blut aus dem Kopf und den Sauerstoff aus der Lunge saugt. Der Protagonist heißt Murakami (Toshiro Mifune, „Die sieben Samurai“) und ist den ganzen Film hindurch schweißgebadet. Alle anderen schwitzen zwar, wischen sich aber regelmäßig mit einem Tuch trocken oder fächeln sich Luft zu. Murakami nicht, er schwitzt sein Hemd und sein Jackett durch, ihm scheint nicht aufzufallen, dass seine Haare in langen Strähnen sein Gesicht verdecken. Irgendwann lässt sich nicht mehr sagen, ob der Schweiß bloßes Produkt der Hitze ist, oder nicht doch von dem Stress herrührt, dem der Polizist ständig ausgesetzt ist, nachdem ihm seine Dienstwaffe im Bus gestohlen wird. […] Akira Kurosawas Kriminalfilm „Ein streunender Hund“ aus dem Jahr 1949 gehört sicherlich zu seinen besten Arbeiten. Der Regisseur zeigt sich in Bestform und beweist mit großartiger Bildregie und Beleuchtung sein ganzes Können. Der Stress, unter dem Murakami in der ersten Hälfte des Films leidet, vermischt sich zusehends mit blankem Entsetzen und purem Wahn. Immer wieder werden hier Schuhe in Großaufnahmen gezeigt, aber wenn Murakami die Ausmaße seines Fehltrittes bewusst werden, dann scheint er der einsamste Mensch der Welt zu sein, der nur darauf wartet, dass alles über ihm hereinbricht. Nun sehen wir nicht mehr seine Füße, sondern den dunkelgrauen Himmel, der bedrohlich über ihm steht. Der Sternenhimmel der letzten Nacht ist bereits vergessen als hätte er nie existiert. Ein ungewöhnlich düsterer Kurosawa ist das geworden, ein Film Noir mit Klasse, Stil einer zerreißenden Spannung und ungemein viel Druck auf der Brust.

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                              • 7 .5

                                […] „Götter der Pest“ ist Fassbinders Entwurf des Gangsterfilms - eine trostlose Welt, in der die Figuren dem Untergang geweiht sind, aus dem sie, wenn überhaupt, nur kurz entfliehen können. Diese versuchte Flucht wird hier teilweise bebildert. Und wenn einem klar wird, dass diese jämmerlichen Versuche das beste sind, was den Figuren seit langer Zeit widerfahren ist und widerfahren wird, dann möchte man sich gar nicht ausmalen, was für eine Hölle auf die Charaktere wartet. Die Figuren leben in diesem Film in einer konstanten Fremde zueinander. Das ist wohl auch anders gar nicht möglich in dieser anonymen Großstadt, die nur aus dunklen Türen, zu langen Straßen und leeren Zimmern zu bestehen scheint. Leere Zimmer, in denen vielleicht ein bekanntes Gesicht wartet, vielleicht aber auch die Leere. Wahrscheinlich beides gleichzeitig. „Here we go again“ singt eine wunderbare Frauenstimme im Vorspann und lässt offen, ob das Freude oder Erschöpfung impliziert.

                                Die Figuren um Franz Walsch (gespielt von Harry Bear und gleichzeitig ein Pseudonym von Fassbinder) sind untereinander verfremdet. Gefühl und Intimität existieren nicht, was in einer großartigen Szene deutlich wird, in der Franz sich von seiner Schwägerin ausziehen lässt, bis er ganz nackt vor ihr auf dem Bett liegt. De facto eine Szene von hoher Brisanz, Fassbinder gelingt das jedoch mittels einer tollen Bildkomposition so sehr abzuschwächen, dass statt Knistern und Sensibilität nur deutlich wird, wie weit entfernt diese Menschen voneinander sind. Einem Kind nicht unähnlich liegt Franz da, später wird er noch Kinderlieder hören und Fassbinder in der Wohnung eine am Hals aufgehängte Puppe baumeln lassen - die Kindheit ist hier vorbei, nur noch eine vage Erinnerung. Zurück gibt es nicht, es bleibt nur das, was vor einem ist. Das Verderben dieser zynisch-korrupten Welt, in der nicht einmal Rache eine kathartische Relevanz besitzt. […]

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                                • 8

                                  Teil XIV der Skandalfilmreihe mit SoulReaver

                                  […] Basieren tut der Film auf einer Geschichte, die Harmony Korine geschrieben hat, ein Mann, der - die aufmerksamen Leser werden es wissen - bereits mit zwei Filmen in unser Kolumne vertreten ist. Korine, dessen frühere Filme stets natürlich und unstilisiert sind, die bittere Wahrheit zeigen, ins Extreme gehen und damit nicht selten verschrecken. Aber eben auch Filme mit einer immensen Wirkung, die Hoffnung entziehen, zutiefst berühren und doch irgendwie abstoßend sind. Damit schlich Korine sich langsam aber sicher zu einem unerkannten Helden des zeitgenössischen amerikanischen Kinos - schade, dass nur so wenige Menschen ihm die Ehre geben, die ihm gebührt. Gus van Sant hat das getan, „Elephant“ ist quasi ein Harmony Korine-Film. […] „Elephant“ verweigert dem Zuschauer klare Antworten auf den Amoklauf an der Columbine High School, der Film selbst ist vier Jahre nach dem Vorfall erschienen. Hat das Land Antworten auf das Massaker gefunden? Vorschläge für die Gründe waren Marilyn Manson, Rammstein, Hitler und „das waren halt Verrückte“. Seit Columbine hat es in den Vereinigten Staaten von Amerika 50 Massenschießereien oder Versuche von Amokläufen an Schulen gegeben - in 17 Jahren. 50. Hat das Land Antworten gefunden? Nach jedem Blutbad ist der politische Diskurs der gleiche. Was für ein Unglück, das sind halt Verrückte, aber sowas muss man nun wirklich nicht auf die armen Waffen schieben. Van Sant liefert keine Antworten auf das Massaker, weil erstens den Geschehnissen kein Sinn zuzuordnen ist und zweitens, weil „Elephant“ kein Film über das Massaker ist, sondern einer über den unveränderten Zustand in dem das Land damals steckte und bis heute noch steht. Weiter entfernt von einer Trivialisierung kann ein Film gar nicht sein. So ein Film gehört in den bildungsorientierten Kanon für (junge) Erwachsene.

                                  Zur Reihe: http://www.moviepilot.de/liste/bilder-des-zerfalls-soulreaver-smooli-im-klammergriff-der-kontroverse-smoolientertainment

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                                  • Überaus wichtig: Ingmar Bergmans "Die Zeit mit Monika". Bergman nutzte das Durchbrechen der Vierten Wand dort zum "Aufwecken des Publikums".

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                                    • 4

                                      […] Zunächst zum offensichtlichen: Die junge Lea van Ancken, die bereits in Dietrich Brüggemanns „Kreuzweg“ überzeugen konnte, ist eine ziemlich gute Wahl für die Protagonistin. Die pure Lebensfreude, der kindliche Optimismus, der strahlende Witz, was man aus den Büchern herauslesen kann, wird von van Ancken gut verkörpert. Die Gegenpole aus dem menschlichen Sonnenschein und dem todtraurigen weil „ungeliebten“ Kind meistert die junge Schauspielerin mit Bravour - die Facetten dazwischen hingegen scheinen eher unwichtig gewesen zu sein. […] Was jedoch sehr ins Gewicht fällt, ist die Art und Weise, wie der Film mit dem Dokument der Tagebücher umgeht. Wie in der Einleitung erwähnt, handelt es sich bei der Schrift um ein äußerst wichtiges, wenn nicht gar um das Schreiben schlechthin, das sich dieser unvergesslichen Zeit auf ebenso unvergessliche Art nähert. Anne Franks Niederschreibungen sind fest im heutigen Weltgedächtnis verankert und werden es für immer bleiben, die Signifikanz der Schriften sind schlicht nicht zu überschauen. Da ist es schlicht unverständlich, dass der Film sich um eben diese Wirkung des Werkes, auf dem er beruht, gar nicht kümmert. Das Interesse an der Wichtigkeit des Werkes geht gegen Null, ebenso wird nie deutlich, was für eine immense Bedeutung das Schreiben für Anne Frank selbst hatte. Stattdessen ist der Film eher daran interessiert, auf plakativste Art Mitgefühl zu schinden. Dass dem Zuschauer die Figurenkonstellationen bereits vor dem Sehen des Films glasklar sind, scheint keiner der Beteiligten zu wissen. Deshalb muss man Zeuge von Momenten werden, in denen Hitlerjungen sie grundlos als „Judenschlampe“ bezeichnen. Diese Szenen der widerlichen Entmenschlichung sind das eine Extrem, das andere hingegen tritt viel häufiger auf; Einstellungen, in denen Anne mit großen verweinten Kulleraugen direkt in die Kamera guckt. Was will der Film einem da beweisen? Dass die Nazis doof und Anne Frank ein unschuldiges junges Mädchen war? Sonstigen Mehrwert haben diese Szenen nicht. Durch diese krassen Verfehlungen wird ein Gefühl, dass der Film zuvor in einem anderen Kontext aufbaut, schnell auf den Film selbst weitergeleitet. Was „Das Tagebuch der Anne Frank“ nämlich (vor allem dank Lea van Ancken) bravourös gelingt, ist es, den Zuschauer eines fühlen und denken zu lassen: Was für eine Vergeudung von genialem Leben die Nazis in Kauf genommen haben. Dem Film gelingt in dieser Hinsicht der Effekt, den auch die Tagebücher selbst haben. Man möchte Anne Frank kennenlernen, man wünscht sich, dass sie nicht mit fünfzehn gestorben, sondern entkommen ist. Man möchte wissen, wo ihre Reise hingegangen wäre. Leider verspielt der Film diese Emotionalität schnell durch erwähnte Unzulänglichkeiten, sodass dieser Vorwurf der vergeudeten Brillanz auch an den Film selbst zu richten ist. […]

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                                      • 7

                                        […] 
Der Film setzt ein, wenn die zukünftigen Protagonisten auf dem Weg zu einer Feier in einem französischen Bordell sind. Ihr Auto kurvt sich durch den schmalen Weg, betrunkene Soldaten stehen am Straßenrand, grölen und pullern gegen das Auto. Das scheint zwar für die Passagiere befremdlich zu sein, für die Täter aber folgenlos zu bleiben - Regeln gibt es nicht mehr. Jedenfalls keine für Benimm und Anstand. Und Humor? Von dem wurde sich schon vor Äonen verabschiedet. Auf der Feier selbst sind bereits alle betrunken, als der Kapitänleutnant (Jürgen Prochnow) und der Journalist Leutnant Werner (Herbert Grönemeyer) eintreffen. Alle sind am eskalieren, das Urinieren vor der Hütte war nur der Anfang. Bald fliegen Fäuste, bald werden Frauen belästigt, kurz darauf schießt ein betrunkener Soldat durch den Raum und verunstaltet ein Kunstwerk an der Wand. Eine ausgelassene Partystimmung war das noch nie, die Menschen sind dort nicht in feucht-fröhlicher Stimmung sondern sind im Versuch begriffen, ihren sicheren und sinnlosen Tod zu akzeptieren - ein Vorgang, der das Ablegen jeglicher Rationalität und Sinnhaftigkeit zeigt. […] Dennoch muss man leider feststellen, dass der Film sich in einer Hinsicht teilweise arg verzettelt. Bei einem (für deutsche Verhältnisse) so übergroßen Budget und derart epischen Stoff hat Petersen natürlich versucht, sich an den US-amerikanischen großen Kriegs-Epen zu orientieren. Kein Wunder also, dass der Erfolg in Übersee so immens war. Aber amerikanisch ist nicht immer besser und überhaupt muss amerikanisch erst einmal richtig gemacht werden. Dabei schießt der Film deutlich über das Ziel hinaus und lässt so ein paar Sequenzen entstehen, die nicht ganz schmecken mögen. Das zeigt sich vor allem in den Kriegsszenen. Denn obwohl der Film seine Charaktere eine deutliche Position zum Krieg beziehen lässt (vor allem auch in der großartigen Endszene, in der deutlich wird, dass das Grauen niemals die Leben dieser Männer verlassen wird), inszeniert der Film die Angriffe und Kriegsszenen mit einer immensen Faszination, mit Spaß an der Sache, mit einem Leuchten in den Augen, wenn die feindlichen Boote in Flammen aufgehen. Die U-Boote sind dabei keine Todesengel, sondern Geheimagenten auf einer wichtigen Mission. […]

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                                        • 6 .5

                                          […] „Die Niklashauser Fart“ war eine TV-Produktion, die als Verfilmung eines historischen Stoffes vorgesehen war. Namentlich geht es um den Viehhirten Hans Böhm (hier gespielt von Michael König), der im 15. Jahrhundert bekannt wurde, weil er soziale Gleichheit predigte und innerhalb kurzer Zeit abertausende Anhänger fand - bis er vom Bischof aufgrund von Ketzerei verurteilt und hingerichtet wurde. Nun wäre aber Rainer Werner Fassbinder nicht eben jener, wenn er es dabei belassen würde. Stattdessen hat er - nach eigener Aussage recht kurzfristig - entschieden, die Geschichte nicht im 15. Jahrhundert spielen zu lassen, sondern in einer nicht identifizierbaren Gegenwart. So tragen zwar manche Figuren traditionelle Trachten, jedoch finden sich auch Autos, Maschinengewehre und Lederjacken wieder. Fassbinder wollte keine temporäre Geschichte erzählen, sondern eine zeitlose. Eine Parabel quasi, wie sie das epische Theater von Bertold Brecht berühmt machte. Das gelingt ihm. […] Doch auch damals wurden schon schnell Stimmen laut, die Fassbinder vorwarfen, „Die Niklashauser Fart“ sei ein „Aufruf zum Klassenkampf“ - ein Vorwurf, der eindeutig zu verneinen ist. Denn selbst wenn die Figuren hier letztendlich in den Krieg ziehen, werden sie als tragische Revoluzzer gezeigt, als Menschen, die erst zu spät erkennen, wie einsam sie am Ende sind. Einmal mehr passt hier ein Zitat von Fassbinder, der sich anscheinend stets selbst erklären musste, um nicht von den verängstigten Massen gelyncht zu werden: „Für Anarchie bin ich nur wenn sie friedlich ist - eine Anarchie der Phantasie.“ Ein Satz, der sich sinngemäß in dem Epilog des Films wiederfinden lässt. Gerechtigkeit durch eine gewalttätige Revolution ist unwahrscheinlich, das zeigt Fassbinder hier deutlich, stattdessen setzt er auf eine der friedlichen und intellektuellen Instanz. […]

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                                            […] Die Stadt ist zwar zivilisiert aber karg, leer, ruhig und mit einem offenem Geheimnis ausgestattet. Jeder weiß um es, niemand redet darüber. Wortlose Männer kommen und rollen die wortlosen Leichen in eine Grube neben einer Straße. Die Menschen, die dort leben schauen schon gar nicht mehr auf, wenn sie an der Grube vorbeigehen. Manche Menschen sterben halt und irgendwo müssen sie dann ja hin. Also wieso nicht dort. In Bad City also wird die Handlung spielen, ein Ort, dem man einen Charakter zuschreiben würde, wenn er einen hätte. Stattdessen dominiert die Leere. Die Einwohner sind zwar von der Präsenz der Stadt beeinflusst, aber insofern, dass sie sich nicht kümmern. Es herrscht quasi Anarchie, nur dass sich niemand deshalb aufregen würde. Amirpour nutzt diesen Ort überaus geschickt, um die Figuren und die Vampir-Thematik einzuführen. Die Parallelen zu Klassikern der Postmoderne werden schnell deutlich, wenn Amirpour Marcellus Wallace aus „Pulp Fiction“ zitiert und sich generell einem Hauptmerkmal der Postmoderne annimmt; dem Rückbezug auf die klassische Ära.

                                            Dieser Rückbezug funktioniert vor allem über allerlei Witz und Nostalgie. Der Protagonist ist überaus stark an James Dean angelehnt, er fährt ein altes und sehr gepflegtes Auto, hat wuschelige Haare, trägt eine Sonnenbrille und ein weißes T-Shirt. Ebenso deutlich wird diese Retro-Ansicht der Geschichte über das Schwarzweiß des Bildes und der Gut-Böse-Schematik: Der Bösewicht hat sich das Wort „SEX“ auf den Hals und ein zerbrochenes Herz auf den Nacken tätowieren lassen. Zudem hebt er Gewichte, als er die Protagonistin beeindrucken möchte. Sein Anrufbeantworter plärrt dem Anrufer „Hinterlass `ne Nachricht, du Schlampe!“ entgegen. Derartige plakative Schematik ließe sich dem Film bestimmt negativ anrechnen, wenn man den Humor darin nicht sehen würde. Humor, der nicht immer so brachial, sondern auch überaus elegant und genial daherkommt. Die Vamp (gibt es ein Wort für einen weiblichen Vampir?) fährt nachts auf einem Skateboard durch die Straßen, Amirpour lässt damit verschmitzt das Klischee des schwebenden Vampirs auflaufen. […]

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                                              […] Diese Ausgangssituation klingt allein schon wahnwitzig, wie Material für eine große Satire - und dem ist wohl auch so, aber ist dies mitnichten Lanthimos’ primäres Ziel. Eigentlich wird hier eine recht schwarze romantische Komödie erzählt und mit beißender Gesellschaftskritik verbunden. Satirisch und humorvoll geht es hier natürlich zu, aber nicht für die Figuren im Film, sondern nur für den Zuschauer. Lachen tut hier keiner der Charaktere, nie. Nicht, bei all den Sprüchen und absurden Situationen, bei denen der Zuschauer sich kringelt und nicht in den Situationen, in denen es nichts mehr zu lachen gibt. Freude ist hier Stille, weil sie Ruhe bedeutet. Und Ruhe bedeutet Sicherheit. Liebe allerdings ist Hingabe, Liebe ist Gemeinsamkeit, der Wille zur Veränderung. In der Liebes-Einrichtung sieht das etwas anders aus. Da ist Liebe nichts anderes als ein berechenbarer Algorithmus. Die Einzigartigkeit wird damit als unnütz weggeworfen, Risiken werden ausgeschlossen, Emotionen ebenso. Rationale Entscheidungen sind das höchste Gut, das einzige Gesetz, in einer Welt, in der man in ein Tier verwandelt wird. Man solle aber aufpassen, welches Tier man sich wünsche, weil man als Tier nur mit seinesgleichen verkehren kann - schließlich wäre alles andere absurd. […] „The Lobster“ gibt sich sichtlich Mühe, um seine zwei Stunden immer weiter mit schrulligen Dialogen, absurden Situationen und (mit fortschreitender Laufzeit) zutiefst tragischen Gefühlen anzureichern. Mehrmals gehen die „Patienten“ der Liebeseinrichtung auf die Jagd, wo sie Menschen mit Betäubungspfeilen abschießen können, die von der Einrichtung geflohen sind und als Gruppe leben, in der jegliche Romantik und Liebe untersagt ist. Immerhin droht aber hier nicht die Verwandlung. Sobald ein Patient einen der Einsamen betäubt, bekommt er einen weiteren Tag in der Einrichtung gut geschrieben. Der Jagd wird hier eine fast schon episch-religiöse Bedeutung beigemessen. Lanthimos inszeniert sie mit poetischer Kraft und mystischer Tragik, wenn in diesem saftigen Walde Menschen rennen, stolpern und fallen, dumpfe Schüsse abgefeuert werden und die gerötete Haut in Zeitlupe unter der Kraft der Fäuste erschüttert. Das Gezeigte sind hier jedoch keine Endzeiten, es ist viel mehr die Renaissance der Barbarei. […]

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                                              • 5

                                                Teil XIII der Skandalfilmreihe mit SoulReaver

                                                […] In seinem ersten Werk verwechselt Noé Nihilismus mit Leere, bis sein Film einer zu langen Busfahrt ähnelt, auf der man von einem verkappten Nazi über seine Ansichten zugelabert wird - ein Film vom „Wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Format. Allerdings auch ein Film, so viel sei ihm zugestanden, der Noés visuelles Talent immer mal wieder durchschimmern lässt. Die Art, wie er seine Schauspieler in Szene setzt, vom Bildrand abschneiden lässt, wie er Bild an Bild reiht und seine Kamera führt - das hat durchaus Hand und Fuß. Außerdem sei angemerkt, dass der Film sich in den letzten zehn Minuten wieder fängt und sogar in ungeahnte Höhen vorstößt. Der Schlachter zu einer tragischen Gestalt, wenn er den Hass aus sich verdrängen kann, Liebe findet und sogar zu ihr stehen kann - obwohl er weiß, dass die Gesellschaft ihn weiterhin mit Verachtung strafen wird. Das ist herzzerreißend bis meisterhaft, jedoch ein prozentual kleiner Anteil an dem Film, der ansonsten aus sehr viel ermüdendem Leerlauf besteht. Sind die Vorwürfe gegenüber des Films angebracht? Nicht wirklich. Macht ihn das zu einem guten Film? Leider auch nicht.

                                                Zur Reihe: http://www.moviepilot.de/liste/bilder-des-zerfalls-soulreaver-smooli-im-klammergriff-der-kontroverse-smoolientertainment

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                                                • 4 .5

                                                  […] David Oyelowo ist tatsächlich eine Übermacht in diesem kurzen Kammerspiel (Handlungsort ist lediglich das kleine Haus, in dem der einzige Charakter Peter Snowden lebt) und tatsächlich ist das alles nicht so doll. Aber durchschnittlich zu sein, das gelingt dem Film ganz knapp nicht. Dabei gelingt es Oyelowo scheinbar mühelos, den Film weitestgehend zu tragen. Die größte Qualität seines Spiels liegt stets darin, dass er nicht nur jegliche Gefühlsregungen und Ausdrucksform schulisch korrekt beherrscht (von Gesangseinlagen zu absoluter Stille, von depressiver Einsamkeit zu überbordender Lebensfreude), sondern dass er vor allem stets den Ursprung seines Gefühlszustandes verschleiern kann. Der Zuschauer wird dadurch ebenso zum Opfer von Peters Verstand wie der Charakter selbst. Das ist Schauspiel seltenster Qualität. […] Der gespaltene Gemütszustand Snowdens (dessen Nachname kein Zufall ist, er versucht stets, seinen Freund Edward anzurufen) wird durch Spiegel und Jump Cuts dargestellt - Hitchcock und Woody Allen haben das vor Jahrzehnten gemacht und ihren Figuren so und Handlungen eine ambivalente Aura der Gefahr und Orientierungslosigkeit verpasst. Snowden hingegen scheint mit jedem Blick in den Spiegel vor allem einen Gedanken in den Kopf des Zuschauers pflanzen zu wollen: „Mann, ist der Typ verrückt!“ Keine Zwischentöne, kein Garnichts, nur ein plattes Brett vor den Latz geknallt. […] Oyelowo bekommt einen Daumen nach oben, ansonsten ist „Nachtigall“ sehr effekthascherisch und bei näherer Betrachtung recht leer.

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                                                  • 6 .5

                                                    […] In den ersten Minuten noch wird der Zuschauer Zeuge einer dieser sanften Morde werden. Nie springt in einer stillen, blitzschnellen und fast schon tänzerischen Geste hoch und schneidet einem Herren zu Pferde die Kehle durch, wonach sie zurück zum Boden schwebt. Das geschieht so seltsam unschuldig, dass der Zuschauer und das Opfer des Angriffs selbst wohl von der Tat recht wenig mitbekommen. Erst, als der Körper des Mannes Sekunden später leblos vom Pferd kippt, bekommt man Gewissheit. Das Menschenwesen, das durch die Natur schwebt, hat erneut ein Leben beendet. Hsiao-hsien nimmt sich hier dem chinesischen Wuxia-Genre an und behandelt es ganz anders, als der geneigte Zuschauer erwarten würde. Dabei stellt er es nicht auf den Kopf, nein, er beruhigt es und legt es sanft - so scheint es - wieder in seine Ausgangsposition zurück. […] In den rar gesäten Kampfszenen, die immer einen narrativen Zweck befolgen, findet sich der Zuschauer dann in Augenblicken wieder, in der jegliche Wert- und Ehrlosigkeit vergessen wird. Wenn man in einer einsamen Welt für die Liebe kämpft und stirbt, wenn man sich in einem Birkenwald zum Todeskampf trifft und der Kampf selbst aus Respekt wortlos bestritten wir. Wenn der Verlierer seine Niederlage akzeptiert, obwohl er noch ein paar letzte Atemzüge hat - dann wird hier deutlich, dass der Tod noch zurecht als letzte Ruhe bezeichnet wird. Hier gibt es die friedvolle Stille, die so wenigen vergönnt ist. Gerade in diesen Momenten entfaltet sich „The Assassin“ zu einem kraftvollen Film, der eben wegen seiner Ruhe es schafft, den Zuschauer komplett zu fesseln. […]

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