SoulReaver - Kommentare

Alle Kommentare von SoulReaver

  • 7 .5

    [...] Allerdings wurden Schnitt- und Kameratechnik in Staffel 2 noch weiter verfeinert, der industrielle Moloch, den Birmingham in den 1920er Jahren dargestellt hat, wird in seinem Zeit- und Lokalkolorit noch greifbarer (auch durch den permanent wabernden Klangteppich); der Dreck, der Schweiß und der Alkohol scheinen direkt aus dem Bildschirm zu quellen und sich in der Räumlichkeit des Zuschauers auszubreiten: „Peaky Blinders“ ist eine schmutzige Serie, verdeckt unter mehreren Schichten Ruß und Blut, aber dabei immer so ehrlich, dass sie diesen Schmutz nicht befürwortet. Tommy ist eine so reflektierte Persönlichkeit, dass sie genau weiß, wie falsch das delinquente Handeln der Peaky Blinders doch eigentlich ist: Es hat nicht mit Ehre zu tun, stattdessen ist das Tun der Organisation nur das Erzeugnis eines äußerst fehlgeleiteten Traditionsbewusstsein. Hier gibt es keine Sieger oder Verlierer, es gibt nur diejenigen, die etwas mehr Zeit gewährt bekommen, bis auch sie flehend auf die Knie fallen. Und genau diese Erkenntnis macht „Peaky Blinders“ so wertvoll.

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    • 7
      SoulReaver: FILMSTARTS.de 06.07.2015, 00:15 Geändert 06.07.2015, 09:45

      Genau das prachtvolle Präsent zum 50-jährigen Jubiläum, wie man es der James-Bond-Serie tatsächlich nur von Herzen gewünscht hat: „James Bond 007 – Skyfall“ ist ein Film geworden, der nicht nur reinen Fan-Service betreibt, was nach der ungerechtfertigten Häme, die „James Bond 007 – Ein Quantum Trost“ im Überfluss ereilt hat, zu erwarten war, sondern ein Film, der es sich fortwährend erlaubt, sein Sujet auf der Meta-Ebene weitreichend infrage zu stellen: Wie steht es heute überhaupt noch um die Daseinsberechtigung der Doppelnull? Ist man wirklich in der Lage, der personellen Ikonisierung neue Facetten abzuringen, kann man James Bond noch als zeitgemäße Figur auf den Leinwände fungieren lassen? Natürlich kann man das, die außerordentlich starke Daniel-Craig-Ära stellt das mit nachhallender Evidenz unter Beweis. Sam Mendes, der hier seinen Einstieg in das phantastische James-Bond-Universum mit Bravour meistert, legt „James Bond 007 – Skyfall“ inmitten von melancholischem Schwanengesang sowie dringlicher Auferstehung fest, an dessen Ende sich die graue Wolkendecke lüften und sanfte Sonnenstrahlen auf die Haut fallen dürfen. Doch bis dahin ist es ein beschwerlicher Weg für unser physisch wie seelisch lädiertes Stehaufmännchen: Vielleicht ist er tatsächlich das Schlachtschiff auf Turners Ölgemälde „The Fighting Temeraire“, doch auf den Schrott möchte er sich noch lange nicht schleppen lassen, obgleich seine Profession unlängst zum auslaugenden Gefängnis geworden ist. Sein blondierter Widerpart Silva (in gewohnt bestechender Form: Javier Bardem) hingegen ist bereits entsorgt worden und schwört als die ins Gegenteil verdrehte Spiegelung von James Bond Rache an der verräterischen M(utti). „James Bond 007 – Skyfall“ verleibt sich das Traditionelle der Reihe ein, um daraus den so (selbst-)ironischen, geradlinigen und referenziellen Übergang zum Neuen zu kreieren. Und genau für dieses „Neue“ ist es elementar, sich seinen Wurzeln bewusst zu werden, um über sie hinauszuwachsen. „James Bond 007 – Skyfall“ hat das geschafft.

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      • 2 .5

        [...] In „Da muss Mann durch“ liegt der Fokus nun auf Paul und Ex-Freund Patrick, die ihr Revierverhalten unbemerkt in Gegenwart von Lena und ihrer anspruchsvollen Familie austragen, um somit von einem Fettnäpfchen ins nächste Schlamassel zu stolpern. Das gegenseitige Ausspielen, der Wettstreit um die Zuneigung der holden Lena soll Pointen garantieren, wird, wie der gesamte Film übrigens, aber so dermaßen verkrampft, unkreativ und hilflos heruntergespult, dass dann auch spätestens die hölzernen Dialoge um Begehren und Kummer eine larmoyante Rosamunde-Pilcher-Natur vermuten lassen. „Da muss Mann durch“ ist ein biederer RomCom-Abzählreim, all die Geschehnisse riechen nach stupiden Plot Points ohne Halbwertzeit, anstatt dem eigentlichen Kern des Werkes in irgendeiner Weise sinnvoll zu begegnet.

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        • 7

          »SoulReaver und lieber_tee in den Untiefen des ganz normalen Genrewahnsinns«

          #01 (Staffel – 2)
          A... wie Actionfilm

          Heute erscheint „Hard Boiled“ wie ein delikates Abschiedsgeschenk; ein letzter Gruß vom Chef de Cuisine, der seinen zahlreich erschienen Gästen noch einmal das innig geliebte Stammgericht serviert, bevor er zu neuen Ufern aufbricht, und die Ingredienzien mit so viel Feingefühl, so viel Hingabe behandelt, dass einem der unikale Geschmack auch lange Zeit nach dem Verzehr nicht mehr von der Zunge weichen möchte. Seine Schaffensperiode in den vereinigten Staaten ließ größtenteils zu wünschen übrig, „Hard Boiled“ aber steht noch heute wie ein unumstößlicher Monolith im Genre: Wer einen Faible für Action-Filme hegt, der muss John Woos überstilisierte Gewaltoper gesehen, aufgesaugt und einverleibt haben. Es liegt natürlich auch ein Stück weit an der westlichen kulturellen Prägung, dass das Pathetische, das Theatralische , das Exaltierte des Heroic Bloodshed nicht selten als Generator für eine gewisse unfreiwillige Komik herhalten muss, wenn Woo dann aber wieder nachdrücklich verdeutlicht, mit was für einem Verständnis er Action-Sequenzen arrangiert, mit welch weisem Blick für die reine Räumlichkeit er physische Dynamiken schäumenden Ausdruck zu verleihen weiß, dann hat man es mit einem Meister seines Fachs zu tun. All die Motive aus dem Steinbruch des Woo'schen Œuvre, die Verbrüderung mit dem Bösen, die Freundschaft unter Polizisten, die Loyalität unter Gangster, schwanken zwischen Genre-Meditation und Selbstparodie, sind aber vor allem auch als Ruhe vor dem Sturm zu sehen: Die siedende Spannung in jedem Frame wartet nur darauf, endlich freigeschlagen zu werden und in einem kinetischen Zerstörungsrausch zu munden. Hier wird nichts zerschnitten, nichts verzerrt, die ausgeklügelte Montage steht für Kraft und noch mehr Kraft. Da verzeiht man „Hard Boiled“ auch den ein oder anderen derben Misston.

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          • 6 .5
            SoulReaver: FILMSTARTS.de 03.07.2015, 19:42 Geändert 03.07.2015, 22:23

            Die ganz logische Fortsetzung zu „James Bond 007 – Casino Royale“: Bonds Herz wurde in tausend Teile zerschlagen, seine darauffolgende Petrifizierung nimmt ihren Lauf – Willkommen in der moralbefreiten Zone. Man wird wohl erst in vielen Jahren endgültig anerkennen, warum „James Bond 007 – Ein Quantum Trost“ so unglaublich wichtig für die Serie ist; warum Marc Forster mit diesem Film endgültig einen Wandel herbeiführt hat, den der noch brillantere Vorgänger bereits ebnete: James Bond emanzipiert sich von seinem eigenen Mythos und findet in der Gegenwart einen Neuanfang. All der Leichtsinn, die Romantisierung, das Träumerische - „James Bond 007 – Ein Quantum Trost“ kennt beinahe nur noch die endlos peinigenden Daseinsmarter der Doppelnull. Ein verschwitzter, verdreckter, blutverkrusteter Daniel Craig, der auf dem besten Weg ist, Timothy Dalton mit seiner James-Bond-Interpretation zu übertrumpfen, wird in ein grölendes Schnittgewitter geworfen, die Scheiben vibrieren, der Boden bebt, hier bleibt keine Zeit für Verklärung und Sentiment. Schurken oder Helden? Gibt es da überhaupt noch einen Unterschied? Beide Parteien finden sich schließlich ähnlich abgestumpft vor. Spätestens, wenn James Bond dann im letzten Akt durch die bolivianische Wüste wandelt, entfaltet „James Bond 007 – Ein Quantum Trost“ endgültig seine symbolische Tiefe. Die Einöde wird zum allegorischen Bezugspunkt für Bonds Innenleben: Brach, ausgedörrt, isoliert, und doch sind da noch Spuren von Leben im Sand der Zeit, die darauf warten, gedeihen und Hoffnungen spenden zu dürfen. Für Hoffnung aber ist noch kein Platz, lebendiger war James Bond in seinem Schmerz noch nie.

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            • 1 .5
              SoulReaver: FILMSTARTS.de 03.07.2015, 11:46 Geändert 03.07.2015, 12:55

              Sönke Wortmann - Der Untergang eines jeden eigenmächtigen Denkens. Schon „Schossgebete“ war unerträglich, dermaßen am Thema vorbei erzählt und so verklemmt umgesetzt, dass man glauben wollte, Sönke Wortmann fängt unter der Dusche regelmäßig das Flennen an, wenn er mal versehentlich an sich herunterschaut. „Frau Müller muss weg“ aber fährt jetzt vollends die Pädagogik-Schiene, da kommt das krampfhafte Moralisieren natürlich gerade recht. Dabei hat der Film in den ersten gut 15 Minuten tatsächlich die Chance, als teutonische „Gott der Gemetzels“-Variation Fuß zu fassen. Aber Pustekuchen. Wenn sich die Sippschaft um Anke Engelke, Justus von Dohnányi und Co. erst einmal etwas angekläfft hat, verliert „Frau Müller muss weg“ schlagartig jeden Sinn für satirisches Potenial und gerinnt in genau dem kurzsichtigen Biedermeierwust, den Wortmann seit jeher serviert. Ausgekleidet mit enervierenden Binsenweisheiten und den unbedingten Drang, den Zuschauer vor zwischenmenschlichen respektive gesellschaftlichen Wahrheiten zu schützen, darf sich Wortmann aufgrund seiner harmonieheischenden Rückgratlosigkeit zu den Filmemachern zählen, die die deutsche Kinokultur tatsächlich in Verruf geraten lassen.

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              • 5 .5

                »SoulReaver und lieber_tee in den Untiefen des ganz normalen Genrewahnsinns« 
                #26
                Z...wie Zombie-Filme.

                Blaupause für den Zombie-Film, seiner Zeit übergangen und vernachlässigt, heute als Klassiker seiner Zunft verstanden. Der lethargische Wiedergänger darf sich in „White Zombie“ als apathisches Machtinstrument eines obskuren Magiers (gespielt von Bela Lugosi, der den bohrenden Blick des Todes auspackt, wann immer ihm die Kamera Aufmerksamkeit spendet) ausbeuten lassen, um dessen wirtschaftliche wie sexuelle Erfüllung zu versprechen. Interessant an „White Zombie“ ist der Punkt, dass Victor Halperin eine künstlerische Freiheit zur Verfügung stand, die – beispielsweise – bei der filmischen Etablierung der Vampir-Mythologie durch literarische Überlieferungen nicht denkbar gewesen wäre. So kann es sich „White Zombie“ erlauben, seine übersinnliche Geschichte losgelöst mit dem haitianischen Voodoo-Kult zu verketten, stilistisch aber gleichwohl dem gotischen Schauermär Tribut zu zollen: Die spirituelle Praxis selbst ist hier nur exotische Plattform für den somnambulen Horror, wenngleich dieser nach über 90 Jahre selbstverständlich einen nicht unwesentlichen Teil seiner Bedrohung eingebüßt hat. „White Zombie“ besitzt heute vielmehr etwas Urig-Komisches, steht mit seinen steifen Gesten noch voll im Stummfilmnebel und bricht seine Dialoge dementsprechend staksig herunter. Filmästhetisch aber ist „White Zombie“ heute noch ein Genuss, nicht nur die erhabenen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, auch die Lust an technischen Mitteln wie Split Screens, POV-Einstellungen und Überblendungen verdichten die Atmosphäre des Films zusehends und erklären die filmhistorische Relevanz von „White Zombie“ umso mehr.

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                • 8

                  [...] Paul erzwingt indes die Sexualität als neues Kommunikationsmittel, hat er doch eine Welt erlebt, in dem das gesprochene Wort nur den Zwängen und Anforderungen einer auf Leistung gedrillten Gesellschaft zur Verfügung steht. Doch genau dieses Verhalten, dieses Abschirmen von all dem, was „Draußen“ in Erwartung gestellt wird, zerstört das Miteinander im animalischen Refugium von Paul und Jeanne zunehmend: Die Flucht wird zur (Selbst-)Geißelung, die Ablehnung jeder sozialen Spezifizierung lässt das Paar erst recht mit der Realität in Berührung geraten. „Der letzte Tango in Paris“ berichtet somit auch von Abhängigkeit, vom aphrodisierenden Reiz des gesellschaftlich Ausbruchs, aber ebenso davon, wie man genau diesem Ausbruch zum Opfer fallen kann. Der Spielplatz zweier Menschen wird zum verlorenen Paradies und Projektionsfläche eines bedrückenden Seelenstriptease.

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                    SoulReaver: FILMSTARTS.de 01.07.2015, 17:36 Geändert 03.07.2015, 14:29

                    Der perfekte Film für kleine Jungs und all diejenigen, die in ihrer Kindheit immer „Krieg spielen“ wollten, um sich im Wald dann mit Stöcken und Tannenzapfen zu wappnen und an die Guerilla-Front zu ziehen. Dahingehend funktioniert „Jäger der Apokalypse“ irgendwo auch blendend als eskapistisches Nostalgieprodukt, hat Mastermind Antonio Margheriti doch genau diese infantile Naivität eingefangen. Entschlackt von jedem politischen Mehrwert ist „Jäger der Apokalypse“ asoziale Vietnam-Exploitation und lässt die Knallchargen – David Warbeck als Dreh- und Angelpunkt – durch das fremdländische Dickicht lümmeln, um „Charlie abzumetzeln“. Vor der Folie eines „Apocalypse Now“ (am Ende fangen zu klassische Musik Baumreihen Feuer, ein Ventilator fungiert zu Anfang als abstrahierte Rotorblätter) muss das rappeln im Karton, Geschmacklosigkeiten (eine knallige Kokosnussjagd nach einer Fast-Vergewaltigung) und Sprüche, die das primitive 80er-Jahre benötigt hat, bestimmten diesen Schund: „Ich habe keine Zeit, den Vietcong zu hassen, ich muss ihn töten!“. Ja, Vietnam ist der schwitzige Abenteuerspielplatz für echte Mannsbilder, die noch wissen, worauf es im Leben eigentlich ankommt: Ratatatatatatatata.

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                    • 8
                      SoulReaver: FILMSTARTS.de 01.07.2015, 10:01 Geändert 01.07.2015, 10:02

                      Ein sagenhaft guter James-Bond-Film; ein so guter James-Bond-Film, dass er nicht nur als Frischzellenkur temporär überzeugt, sondern glatt zur Renaissance taugt, einfach weil er von den besten James-Bond-Filmen zehrt und gelernt hat: Die Abenteuer von George Lazenby und Timothy Dalton liegen hier als Folie über dem Geschehen und wurden in ihrer Verletzlichkeit und Geradlinigkeit punktgenau fusioniert. „James Bond 007 – Casino Royale“ ist so herausragend, weil er die Figur James Bond (Mit dem Kopf durch die Wand: Daniel Craig) genau dorthin entwickelt, wo man sie als Zuschauer auch sehen möchte: Als einen Menschen, dessen soziale Inkompetenz nur Fassade ist, dessen stahlblaue Augen nur im ersten Moment von abgestumpfter Rohheit berichten. James Bond darf sich wieder verlieben, James Bond darf sich von seinen Gefühlen vollends versteinern lassen. Ihm gegenüber steht mit dem Blut weinenden Mads Mikkelsen ein Zerrbild seiner selbst; ein Gegner, der mehr Spiegelung ist und dem es nicht um das Geld geht, es geht ihm rein um das Siegen, um den Selbsterhaltungstrieb und nur darum, James Bond in die Knie zu zwingen: Das Pokerspiel ist hier die Abstraktion des manierierten Schwanzvergleichs. „James Bond 007 – Casino Royale“ ist die Kollision zweier Überegos und ihren lächerlichen Männlichkeitsidealen. Regisseur hat die legendäre Doppelnull zurück ins Leben geholt, um ihn mit dem Tod zu konfrontieren, einmal durch das Gift im Drink, einmal durch den Verrat der Liebe, allerdings auch, um ihn durch sein Scheitern wachsen zu lassen. Dass die Action selbst mal wieder richtig scharfe Härte in das Sujet bringt, ist erfreulich, genauso toll ist aber auch die Cinephilie des Films: Da wird dann auch mal Nicolas Roegs „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ zitiert, während James Bond einem roten Mantel durch das labyrinthische Venedig nachspürt.

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                      • 4 .5

                        [...] Lluis Quilez beherrscht sie, die (neue) Grammatik des Horror-Films, er lässt auf jeden Augenblick der Stille immer ganz selbstverständlich einen herausgeschleuderten Soundeffekt folgen: Ob es Blicke in den Spiegel sind oder auch nur die Taschenlampe, die langsam die Winkel der Korridors abgleitet. Dass sich „Out of the Dark“ auch daran versucht, einen politischen Subtext (mit Kapitalismus-Schelte) in die Geschichte einzuweben, mag man überholt finden, Lluis Quilez aber veranschaulicht dabei, dass er die gesellschaftskritische Konnotation nur in Verknüpfung mit der mythische Überhöhung gebrauchen kann. Und hoffentlich findet er in Zukunft dafür die Chance, diesen Gedanken sinnstiftender auszubauen, die Anlagen jedenfalls passen schon einmal.

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                        • 5 .5

                          Die Mordrate steigt, die Angst in den terrorisierten Köpfen der New Yorker gleich mit. Nachdem Paul Kersey (Charles Bronson) mit seiner Frau gerade noch die Seele auf Hawaii hat baumeln lassen, trifft er auf der Arbeit wieder nur auf den Zynismus seiner Kollegen, die von einer entschlossenen Eindämmung der Bevölkerung faseln. Kersey aber ist ein Mann, dem noch ein Rest soziale Gewissenhaftigkeit geblieben ist; der sich als Kriegsdienstverweigerer an den Pazifismus klammert und Probleme zivilisiert löst. Dass „Ein Mann sieht rot“ seinen Hauptdarsteller schon bald auf anderen Pfaden wandeln lassen wird, verrät nicht nur der Titel: Die bedrohliche, von Herbie Hancocks Jazz-Waves akzentuierte Atmosphäre dieses verschneiten New Yorks schnürt sich bereits zu Anfang kontinuierlich enger und enger, bis Kerseys Gattin und Tochter einigen Vandalen zum Opfer fallen: Seine Frau tot, die Tochter landet geschändet und traumatisiert in der Psychiatrie. Dass Rachegefühle in einer solchen Extremsituation vollkommen menschlich sind, muss an dieser Stelle nicht erläutert werden, die Frage ist nur, inwiefern sich „Ein Mann sieht rot“ auch als stichhaltige Reflexion über Sinn und Unsinn porträtierter Ein-Mann-Feldzüge versteht. Michael Winners Klassiker hadert ein Stück weit damit, Stellung zu beziehen, hängt oftmals unentschlossen zwischen Affirmation und Anprangerung fest, um sich dann doch eher dafür zu entschieden, die von Kersey neuentdeckte Gewalt als effektive Lösung zu akzeptieren. Man muss „Ein Mann siet rot“ aber bis zu einem gewissen Grad von jeder weltlichen Realität abkapseln, sieht der Film es in seiner Prämisse doch auch vor, als urbaner Western verstanden zu werden, was ihm einen leicht neutralisierenden Ideologie-Puffer gewährt und näher an eine der hier gegebenen Genre-Statuten entsprechenden Logik führt. Ganz koscher ist „Ein Mann sieht rot“ dennoch nicht, genau wie seine Gesellschaftskritik zudem recht hilflos und die Charakter-Schilderung Kerseys reichlich schemenhaft ausfallen.

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                          • 3

                            [...] Schon „Insidious: Chapter 2“ kam deshalb ein Stück weit ärgerlicher um die Ecke als sein Vorgänger, weil er den mystischen Charakter von „Insidious“ pulverisiert und totlabern musste, was man nicht totlabern sollte. Dass es sich bei „Insidious: Chapter 3 – Jede Geschichte hat einen Anfang“ nun – Die Regeln einer Trilogie verlangen es – um die ominöse Vorgeschichte handelt, stellt dem Zuschauer erst recht die Nackenhaare zu Berge. [...] Aus den Winkeln schnellen sie hier polternd hervor, die Dämonen und Seelenfresser, während das Haunted House sowie die altbackene Besessenheitskiste grundsätzlich zu den Genre-Topoi zählen, mit denen (in dieser spezifischen Preisklasse) der Mammon immer irgendwie zum Rollen gebracht wird. Dem eigentlichen Geist eines echten Horrorfilms wird man mit dieser maroden Marschroute nicht gerecht, man begräbt ihn vielmehr unter dem Ausbuchstabieren jeden Anflugs auratischer Mystik. [...] Einziger Silberstreif am Horizont ist hier, dass Lin Shaye als tragende Figur endlich auch die angemessene Screentime zugesprochen bekommt.

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                            • 2

                              Demontage einer Ikone, die gerade erst wieder zurück in die Spur gefunden hat. Wenngleich die letzten James-Bond-Abenteuer nicht ganz an die Sternstunden der Serie heranreichen wollten, hat man mit Pierce Brosnan doch einen Schauspieler gefunden, der durch seine natürliche Borniertheit und der kernigen Ästhetik dazu privilegiert schien, der verwegenen Doppelnull (s)ein Gesicht zu verleihen. Es ist schon indes beeindruckend, wie extrem man sich doch zurückentwickeln kann: Von Brosnans bezirzender Gravitas in „James Bond 007 – Die Welt ist nichts genug“ ist nur zwei Jahre später nichts mehr zu spüren: Pierce Brosnan wirkt in „James Bond 007 – Stirb an einem anderen Tag“ wie ein alter, lüsterner Stelzbock, bei dem sich vor Geilheit die Alt-Herren-Spuckebläschen auf der Unterlippe sammeln. Keine guten Voraussetzungen, wenn der titelgebende Star der Reihe nichts mehr zu reißen scheint. Allerdings hat man es in „James Bond 007 – Stirb an einem anderen Tag“ tatsächlich vollbracht, jedes bondige Feeling plattzuwalzen und aus den zermatschten Überresten einen regelrechten Unfilm zu kneten, den man nicht mal seinen ärgsten Feinden vor die Glubscher wünscht. Nicht nur, dass die Handlung komplett für die Katz ist, „James Bond 007 – Stirb an einem anderen Tag“ scheint sich dieser Qualität der rigorosen Sinnlosigkeit nicht einmal im Klaren zu sein, knallt sodann mit dem grässlichsten Bond-Song evereverever zwanghaft-referenziell (Rundungen olé: Halle Berry gibt die nixengleiche Ursula Andress) ins Nirwana, wartet mit keiner einzigen wirklich ordentlichen Action-Szene auf, sondern will nur noch mit (schon damals) antiquierten und stereotypisierten money shots protzen. Da kann ein James Bond dann auch ein unsichtbares Auto vorgestellt bekommen und über das ewige Eis Islands surfen – Diese zahnlose Denkmalschändung ist so daneben, dass sie sich auch einfach mit Laserschwertern die Köppe hätten einschlagen können. Glückwunsch zum Jubiläum.

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                              • 8
                                SoulReaver: FILMSTARTS.de 27.06.2015, 16:53 Geändert 27.06.2015, 16:56

                                [...] Es ist allein schon eine Meisterleistung, wie sauber es Miyazaki gelingt, den Zuschauer geradewegs in die detaillierten Naturimpressionen der provinziellen Gegend zu ziehen und ihn somit auch direkt in die Rolle der beiden Mädchen führt: Wir wollen entdecken, was sich hier im satten Grün abspielt, möchten dem Knistern und Rascheln im Gebüsch nachspüren und womöglich ebenfalls einen Pfad durch das Unterholz bahnen, der als Eingangspforte in das phantastische Paralleluniversum führt, in dem es nicht nur die quirligen Rußbolde zu sehen gibt, sondern auch Waldgeister und eine überdimensionale Katze. [...] Selbstverständlich floriert in „Mein Nachbar Totoro“ eine unumstößliche Lust am Fabulieren; was hier an Kreativität aufgetragen wird, versetzt in rigoroses Entzücken. Darüber hinaus aber erzählt Miyazaki auch über schwerwiegende Themen wie Einsamkeit im Kindesalter und den (möglichen) Zerfall einer innerfamiliären Ordnung. [...] Wer „Mein Nachbar Totoro“ nicht als Labsal für die Seele sieht, der kann einem wahrlich leidtun, so viel entwaffnende Magie wie diese besinnliche Ode an die Kindheit, den inhärenten Entdeckungsdrang und die allgemeine Annahme von Unmöglichem extrahiert. In seiner Wärme und seinem Wohlwollen ist und bleibt „Mein Nachbar Totoro“ immer noch ein Film, der das Herz lange Zeit nach dem Abspann wie verliebt pochen lässt.

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                                • 3 .5

                                  [...]„Poltergeist“ ist in seiner Inszenierung einfach zu bieder geraten, es ist einer dieser modernen Genre-Filme, die glauben, das Stimmungsbarometer würde durch einen möglichst hohen Einsatz des wohl billigsten Stilmittel überhaupt ausschlagen: Jump Sacres. Dass das in diametraler Ausrichtung zur logischen Gesinnung des Originals steht, haben die Verantwortlichen vielleicht gewusst, aufgrund des inflationären Gebrauchs ähnlicher Streifen aber ganz vorsätzlich übergangen: Schließlich geht es auch ein Stück weit um die Sehgewohnheiten des heutigen Publikums und wie könnte man diesem schon noch zumuten, einen (nominellen) Blockbuster einer ruhigen, organischen Spannungskurve unterzuordnen (äh...). Im aseptischen Limbus, in dem sich „Poltergeist“ nun mal durchweg aufhält, ist kein Platz für Feingefühl und das Auge für eine suggestive Atmosphäre: Gil Kenan zeichnet sich nur für einen weiteren glattgebügelten Auswuchs des Remake-Wahns verantwortlich. [...]

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                                  • 6 .5
                                    SoulReaver: FILMSTARTS.de 25.06.2015, 18:19 Geändert 25.06.2015, 18:23

                                    [...] Dramaturgisch geht „Late Phases“ dabei ganz bedacht vor, lässt die Lage zu Anfang über eine gute viertel Stunde eskalieren, um aufzuzeigen, welche Konsequenzen das Auftauchen der Werwölfe haben kann, um danach aber über bald eine Stunde keinen Lykantrophen mehr mit der Kamera einzufangen. Regisseur Adrián García Bogliano kann sich seiner Sache sicher sein: Der leblose Leib des Hundes, die nach außen gekehrten Gedärme der alten Frau, all das wird sich in den Kopf des Zuschauers gebrannt haben. [...] Und so ist Ambroses Vorbereitung auf den nächsten Vollmond nicht nur eine kriegerische Gebärde, es ist auch die Vorbereitung auf das Sterben. „Late Phases“ jedenfalls macht sich nichts daraus, zu offensichtliche (Sub-)Genre-Klischees abzuklappern und einen Jugendlichen ins Zentrum zu stellen, der feststellen muss, dann in ihm lykantrophische Gene schlummern, die nur auf einen Impuls warten, um freigelegt werden. Bogliano zeigt sich mehr dem introspektiven Drama als dem reißerischen Horror zugeneigt, erzählt von kulturellen Männlichkeitsvorstellungen und dem Versuch, die Familienbande zu stabilisieren, ihren leicht bröckeligen (Sozial-)Kitt zu stärken, solange man noch die Chance hat, irgendetwas zu bewirken. [...]

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                                      [...] Wenn sich eine Unbekannte Zugang in das Eigenheim verschafft hat, bricht die Hölle los und Alexandre Bustillo und Julien Maury verdeutlichen, wie wortwörtlich sie den „Eingriff in die Privatsphäre“ doch nehmen. Natürlich muss sich „Inside – Was sie will ist in dir“ gefallen lassen, seine Gewalt als selbstzweckhaften Gegenstand aufzubereiten und immer wieder ins Extreme auszudehnen – Das muss man nicht mögen, das muss man nicht gutheißen, man muss aber den Rahmen berücksichtigen, in den das Regiegespann ihre Tour de Force kanalisieren: „Inside – Was sie will ist in dir“ ist geradliniges, unnachgiebiges Terror-Kino, welches auch dann kein Erbarmen zeigt, wenn sich die Matschepampe zentimeterdick auf dem Fußboden staut. Seine Kraft zieht der Film allerdings nicht aus dem voyeuristischen Ausstellen von orgiastischer Brutalität, sondern aus seiner zum Teil formidablen Inszenierung: Der Einklang von Bild und Ton gebiert eine erschütternd-suggestive Allianz, die den Kampf zweier Frauen nicht einzig und allein auf den Nährboden bestialischer Gewaltspitzen zurückführt, sondern auch konkret in seiner ausgeklügelten Montage einen forcierten Eindruck schierer Ausweglosigkeit vermittelt.

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                                        SoulReaver: FILMSTARTS.de 24.06.2015, 18:17 Geändert 24.06.2015, 20:32

                                        [...] „The Gunman“ gerinnt zur verklausulierten Lachnummer, fortwährend transparent in seinem angeblich so „bedeutsamen“ Gebaren, ist der Film letzten Endes doch nur das Ablassventil eines mit seiner persönlichen Gesinnunge hausieren gehenden Stars, der das Wachrütteln anvisierte, aber schlussendlich nur zur Frustration verleiten konnte. Um eine stichhaltige, zum Nachdenken anregende Aussage zu treffen, benötigt es nun mal schlichtweg mehr, als das bloße Ausstellen von nationalen respektive kulturellen Notständen. Immerhin macht Sean Penn in den spärlich gesäten Action-Sequenzen eine gute Figur, aber die scheinen ihn ja ohnehin nie interessiert zu haben, was „The Gunman“ in seinem Niedergang noch vermessener erscheinen lässt.

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                                          SoulReaver: FILMSTARTS.de 24.06.2015, 10:24 Geändert 10.09.2015, 16:38

                                          [...] Was George Miller hier in all seiner sich vollends auszahlenden Erfahrung auf die Beine gestellt hat, ist ein von der ersten bis zur letzten Einstellung brillant rhythmisierter Sinnesrausch, paralysierendes Bewegungskino, ein fetziger Tanz der Partikel, intensiviert durch die drängende Kraft kreischender E-Gitarren-Soli und dem dröhnenden Grollen, wie es sich einzig im Herzen einer Gewitterfront bündelt. „Mad Max: Fury Road“ ist einer der Filme, bei dem man wirklich glaubt, ein jedes Blinzeln reiße sich zusehends ein Stück zu viel dieser durch und durch archaischen Brillanz unter den Nagel – Eben ein Paradebeispiel dafür, wozu Bilder in der Lage sind zu erzählen, wenn man ihnen nur das Wort erteilt. Und das gilt auch für die emotionale Grundierung der Geschichte. Sowohl Max als auch Furiosa sind Charaktere, die ihre innere Zerrissenheit nicht verbalisieren müssen, „Mad Max: Fury Road“ lässt den Zuschauer die Landschaften in ihrer Mimik erkunden; die Schuldgefühle, die Suche nach einem Sinn, nach Erlösung und einer Zukunft. [...]

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                                            [...] In Staffel 5 scheinen Druck und Zwang den eisernen Thron bestiegen zu haben: Der Druck, einen eigenen Weg zu bahnen, der für das Publikum ebenso begehbar scheint, auch ohne die permanente Verbindung zu den Büchern, sowie der Zwang, trotz dessen all die charakteristischen Merkmale in das Narrativ einzubauen. [...] „Game of Thrones“ rückt dem Selbstzweck auf die Pelle und verliert sich in ihm, die Stringenz fällt gerne zurück und Hoffnung wirkt so kalkuliert, weil es nicht um das Durchatmen geht, sondern um den noch herberen Rückschlag im Anschluss. Die moralische Verwerflichkeit, die Intrigen am Hof, die Parallelität von politisch-ideologischen Modellen und persönlichen Motivationen, man kommt nicht mehr umhin zu glauben, „Game of Thrones“ instrumentalisiere all diese Aspekte nur dazu, um auf einen erzwungenen Twist hinzuarbeiten. [...] Auch wenn es etwas zu spät kommt, muss man zweifelsohne zugeben, dass die letzten drei Folgen der Staffel wieder in der bestechender Form auftreten, weswegen man einst begonnen hat, die Serie in sein Herz zu schließen. [...]

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                                              [...] „Jacky und das Königreich der Frauen“ aber nutzt den subversiven Charakter seines Sujets bestenfalls in Ansätzen aus, die freche Taktung erschöpft sich alsbald in repetitiven Gagmustern (+ mäßiger Schlusspointe) und das Hinterfragen wie die Offenlegung von tradierten Dogmen mag man erahnen und befürworten können, die Abwicklung dessen aber gestaltet sich schlichtweg zu kalkuliert.

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                                                SoulReaver: FILMSTARTS.de 21.06.2015, 13:21 Geändert 21.06.2015, 16:48

                                                Die Dekonstruktion einer jeden narrativen Ordnung; ein gleißendes Fragezeichen, in dem sich alles bündelt, was Leben war, ist und sein wird. Es geht um das Nichts, es geht um das Alles, es geht um das Dazwischen und das Drumherum, um das Imitierte, Rekonstruierte und Persiflierte. Darum, wie die Dinge im Kern nun mal funktionieren und darum, wie sie den Geist aufgeben. „Was für Dinge?“, wird man sich da sicherlich fragen, „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ aber bleibt so subversiv, so kryptisch, so exzentrisch, um zu entgegnen: Jene Dinge eben. Oder jene Dinge eben nicht. Den Anspruch, Klassenprimus zu werden, muss sich Universalgenie Paul Thomas Anderson schon lange nicht mehr stellen, seine Themenwahl bleibt unberechenbar, die Resultate niemals unter einem betörenden Sinnesrausch. Und genau das ist auch „Inherent Vice – Natürliche Mängel“: Betörend. Ein der Mitte des (Welt-)Meeres entsprungener Fluss, bestehend aus Stromschnellen, Wasserfällen, besinnlicher Stille, dem Dazwischen, dem Drumherum, dem, was man kennt oder nicht kennt, was man versteht oder nicht versteht: Ein Lächeln, eine Träne, ein benommener, ein im Nebel des Seins vernebelter Ausdruck existenzialistischer Schwermut. Nichts und Sinnlosigkeit. Alles und Sinnhaftigkeit. Und der Blick, den „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ vor- und zurückwirft fällt nicht auf das, was sich im Zentrum abspielt, sondern darauf, was in den Zwischenräumen, den Leerstellen geschieht, den Momenten, wenn sich die Stirn mal wieder in Falten legt und Wahrheiten im Eigensinn geboren werden. Wie sich das anfühlt? Manchmal so, manchmal so und manchmal eben so. Aber durchweg so ungemein bereichernd. Oder eben nicht.

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                                                  SoulReaver: FILMSTARTS.de 21.06.2015, 10:21 Geändert 21.06.2015, 10:22

                                                  Pierce Brosnan ist mit seiner bestechenden James-Bond-Interpretation in „James Bond 007 – Die Welt ist nicht genug“ dort angekommen, wo man ihn nach seinem ersten Auftritt in „James Bond 007 – GoldenEye“ nicht vermutet hätte: Im Endausscheid der besten Doppelnull-Darsteller überhaupt. Auch wenn es noch nicht ganz reicht, um Timothy Dalton vom Thron zu stürzen, Sean Connery hat Pierce Brosnan in seinem dritten Abenteuer durchaus vergessen gemacht: „Mir waren Männer im Rock schon immer suspekt.“, gibt er da passenderweise in einer Szene lakonisch an. Dass es im Prinzip keine Schwierigkeit darstellt, „James Bond 007 – Die Welt ist nicht genug“ in der Luft zu zerpflücken, besitzt der unter der (zumeist) einfallslosen Ägide von Michael Apted in Szene gegossene Streich doch ganz offensichtliche Mängel, lässt sich nicht negieren. Dieser 19te Bond aber wird von einem ganz eigenen Flair vitalisiert und versetzt den Geschlechterkampf, der sich seit jeher in der Reihe wiedergefunden hat, vom Sub- in den Primärtext: Die Erbin eines Ölimperiums im kaspischen Meer Elektra King (Auch ein schöner Rücken kann entzücken: Sophie Marceau) zieht den Gebrauch einer Atombombe in Erwägung, um Istanbul radioaktiv zu verstrahlen und somit die Vormachtstellung in der Erdölförderung zu beziehen. Unterstützung erhält sie dabei von einem äußerlich empfindungslosen, innerlich jedoch entbrannten Fuchs (Alles ist taub, nur das Herz blutet noch: Robert Carlyle), der James Bond immer wieder auf die offenen Wunden schlägt. Natürlich ist „James Bond 007 – Die Welt ist nicht genug“ verkompliziert erzählt und Püppchen Denise Richards versucht als Nuklearphysikerin darüber hinaus einzig durch ihre herausgestreckte Hupen zu kaschieren, dass sie die komplette Fehlbesetzung für diesen Rollentypus ist. Die Frau und die Widerstandsunfähigkeit des Mannes aber stellt „James Bond 007 – Die Welt ist nicht genug“ ansprechend zum (antagonistischen) Diskurs und begehrt Set Pieces, die die Serie schon vielfach gesehen hat, allerdings nicht mit diesem kongenialen Pierce Brosnan im Zentrum, dem athletischen Nukleus der Unterhaltung, der sich mit stechend-schmerzender Schulter durch die Trümmer einer mit gigantischen Sägen zerteilten Industriestadt schleppt, um dabei doch immer noch die Zeit zu finden, seinen Schlips zu richten.

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                                                    In der Pre-Titel-Sequence darf direkt mal mit zünftiger Pyrotechnik geprotzt werden und der gesamte Bildschirm wird von einer sagenhaften Feuerbrunst in Beschlag genommen, dessen Urgewalt natürlich nur ein James Bond überstehen kann: Der Morgen stirbt nie? James Bond erst recht nicht! Leider, ist man in der Vergangenheit schon so manches Mal zu sagen geneigt gewesen. Pierce Brosnan jedenfalls macht in „James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie“ schon eine weitaus bessere Figur als noch im um Marginalien schwächeren Vorgänger „James Bond 007 – GoldenEye“: Wenn der Ire zu lässigen Posen ausholt, dann versprüht das in diesem Fall tatsächlich eine gewisse abgebrühte Coolness, von der ungelenken Performance in seinem ersten Einsatz ist da jedenfalls keine Spur mehr. Und auch das antiquierte Feindbild der fiesen Russen musste in „James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie“ dem größenwahnsinnigen Medienmogul Elliot Carver (Jonathan Pryce) weichen, dessen Person genauso viel Bedrohungskraft ausstrahlt, wie sein blondierter Handlanger Stamper (Götz Otto): Gar keine. Carver ist letztlich nur ein Knallcharge, der sich eine Monopolstellung verschaffen will, in dem er den dritten Weltkrieg erzwingt – Aber da hat jemand die Rechnung ohne James Bond gemacht! Tja, und da sind wir auch wieder in dem abgewatschten Szenario angekommen, das der Reihe zwar immer kommerziell Profit versprochen hat, filmisch aber kaum in der Lage war, neue Akzente zu setzen. Die Rolle der Frau mag in der Reihe nun noch mit einer deutlicheren Autorität ausgestattet worden sein, allein Judi Dench als höchste Instanz (und auch eine gut austeilende Michelle Yeoh) bringen das hier permanent zum Ausdruck, die stehenden Ovationen aber gebühren James Bond, der verschmitzt zwinkert und auch mal ganze Straßenstriche mit seinem ferngesteuerten BMW 750iL in Schutt und Asche legen darf. „James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie“ ist ein weiterer formelhafter Bond mit dem Hang zur Materialschlacht. Kann man mal machen.

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