Stefan Ishii - Kommentare

Alle Kommentare von Stefan Ishii

  • Stefan Ishii 09.05.2018, 14:46 Geändert 09.05.2018, 15:04

    Vielen Dank für deinen tollen Artikel. Man spürt richtig deine Begeisterung für das Ganze! Und so ein vielfältiges Ereignis adäquat zusammenzufassen ist keine leichte Sache, da man ja nur einige Filme aus dem Programm schauen kann.

    Ich finde es immer wieder großartig, was für spannende Filmfestivals hier in Berlin laufen. Bei einigen schaue ich immer wieder gern vorbei. Auf dem filmPOLSKA-Festival war ich bisher leider noch nie. (Vielleicht muss ich das im nächsten Jahr mal ändern.)

    Den einzigen Film, den ich von den hier diskutierten bisher gesehen habe, ist "Twarz". Im Gegensatz zu dir empfand ich den echt grandios. So richtig erklären kann ich es nicht, aber der Film hat mich irgendwie auf emotionaler Ebene sehr berührt. Und es gibt da einfach diese unfassbar schöne Szene auf der Hochzeit, die mir immer noch ein Gänsehautgefühl verleiht.

    Filme wie "Wilde Rosen" und "Tower. A Bright Day." sollten auf jeden Fall auch etwas für mich sein, denke ich. Nochmals danke, dass du mit deinem Artikel darauf aufmerksam gemacht hast.

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    • Die gesuchte Filmfigur ist karrierebewusst, etwas heißblütig und verheiratet, aber mit italienischer Poesie des Mittelalters kann sie nur wenig anfangen.

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        Stefan Ishii 05.05.2018, 14:46 Geändert 05.05.2018, 16:19

        Für seinen dritten Spielfilm, "Krotkaya - Die Sanfte", ließ sich der ukrainisch-weißrussische Regisseur Sergei Loznitsa von Fjodor Dostojewskis gleichnamiger Erzählung inspieren. Um eine filmische Adaption handelt es sich bei diesem Film jedoch keinesfalls. Wer die Geschichte um die leidgeprüfte, tragische Beziehung eines junges Mädchens zu einem Pfandleiher verfilmt sehen möchte, sollte besser zu Robert Bressons Umsetzung aus dem Jahre 1969 greifen. Und doch gibt es natürlich in Loznitsas Film einige Parallelen und Anknüpfungspunkte, die sich aus Dostojewskis Buch ergeben. Auch hier versucht sich eine Frau trotz aller widrigen Umstände ihre Würde und Eigenständigkeit in Bezug auf ein unterdrückendes und entwürdigendes System zu erhalten. Während der Film sehr naturalistisch beginnt, und die Hauptfigur in eine an vielmehr an Kafkas Romane ("Der Process" oder "Das Schloss") erinnernde, für sie kompromisslose und unverständlich wirkende Situation wirft, dringt in die scheinbar nüchterne, bittere Handlung immer mal wieder ein absurder Humor hervor, der in einer fast schon grotesk surrealistischen Szene kurz vor Ende gipfelt. Doch wirklich zum Lachen ist einem hier nicht; zumal sich bereits früh eine (vor allem auf sexueller Ebene) diffus bedrohliche Atmosphäre aufbaut.

        Sicherlich läßt sich "Die Sanfte" als eine Allegorie auf die Ukraine-Russland-Problematik verstehen. Dafür gibt es im Film auch durchaus einige Hinweise. Mir persönlich gefällt diese Lesart jedoch nicht; würde sie doch die erzählerische Veranschaulichung der politischen Wilkür sowie der unbarmherzigen Unterdrückung mithilfe eines Missbrauch einer machtlosen, verzweifelten Frau bedeuten; also einem unbestreitbar fragwürdigen Vergleiches, der von widerwärtigen, männlichen Machtfantasien ausgeht. Sicherlich lag es in Loznitsas Absicht, die russische, postkommunistische Gesellschaft mitsamt ihrer gefühlskalten Machtorgane und Institutionen anzuprangern. Doch vielmehr sind es die einfachen Menschen, die sich mit der Situation abfinden oder gar diese ausnutzen, um sich zu bereichern oder zumindest sich selbst in eine sicherere Position zu bringen. Niemand möchte das Opfer sein. Die sanfte Protagonistin hat es mit Menschen zu tun, denen man ihre Handlungen, Verhaltensweisen und Absichten nicht unbedingt vorwerfen kann, die jedoch von einem gefühlskalten oder gar seelenlosen Egoismus geprägt sind. Der Film ist bevölkert mit gebrochenen Figuren, die den Glauben an etwas Besseres schon längst verloren haben. Für mich steht die Sanfte für das trostlose, stumme Leiden der unangepassten, gerechtigkeitsgläubigen oder idealistisch geprägten Menschen in einer korrupten, unbarmherzigen Welt der Macht und Gewalt. Sie versucht, wie bereits zuvor beschrieben, ihre Würde im Kampf für selbstbestimmte Freiheiten zu erhalten, indem sie stoisch ihr Leid zu ertragen versucht. Ihre innere Stärke ist eine ganz andere als die, deren Tun sie ausgeliefert ist.

        Damit ist "Die Sanfte" eine zwar nur schwer zu ertragende, unnachgiebige Produktion, die jedoch aufgrund der präzisen Beobachtung von Menschen einen in meinen Augen starken Film mit grotesken Zügen hervorbrachte, der dem bereits beeindruckenden Gesamtwerk Sergei Loznitsas ein weiteres sehenswertes Stück hinzufügt.

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        • Okay, ich war vielleicht nicht immer nett, aber ein Gericht hatte mich freigesprochen. Dass mich diese Verrückten später in "meinen" Keller jagten und mir übelste Verbrennungen zufügten, ist doch sicher auch nicht nett, oder?

          • Zusammen mit Vater, Mutter, Schwester und einer alten Tante wuchs ich in ärmlichsten Verhältnissen auf. Nach dem Tod meiner Schwester zogen wir in die heiligste Stadt unserer Religion.

            • Zunächst konnte ich noch sprechen; später nicht mehr. Meine besten Freunde sind ein Hase, eine Maus und ein Igel.

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              • Ein neues Rätsel:

                Zusammen mit meinem noch jungen Kollegen B.W., der mit tiefer Stimme spricht, sorge ich für ordentlich Unruhe.

                • Ich darf auch mal wieder ein Rätsel stellen:

                  Die gesuchte Person muss aufgrund von Repressalien aus seiner Heimat fliehen, "nur" um im Exil an AIDS zu sterben.

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                  • Hey Tim,
                    sehr schöne Idee für eine Liste. Ich hatte erst kürzlich den Wunsch, eine derartige Liste für mich aufzustellen, hab das dann jedoch nicht gemacht. Vielleicht kommt das ja noch...

                    Zur deiner Liste: Vor einigen Wochen hätte ich einen anderen Film genannt. Da ich jedoch inzwischen meinen Lieblingsfilm "DIE REISE NACH TOKIO" endlich einmal im Kino sehen konnte, muss ich mich umentscheiden. Und auch wenn ich im ersten Moment dachte, ich hätte schon ziemlich viele meiner 10-Punkte-Filme auf großer Leinwand gesehen, ist meine Wahl für diese Liste hier doch relativ eindeutig: "IN THE MOOD FOR LOVE" von Wong Kar-wai.

                    Warum? Ich zitiere mal aus meinem eigenen Kommentar zum Film: "Einer der wunderschönsten Liebesfilme. Aus ästhetischer Sicht ein Leckerbissen, sowohl visuell als auch akustisch. Sinnlichkeit und Emotionalität. Ein Stück Zeitgeschichte. Der Höhepunkt im Schaffen eines Regisseurs." (https://www.moviepilot.de/movies/in-the-mood-for-love-der-klang-der-liebe/comments/846395)

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                      Stefan Ishii 14.04.2018, 14:44 Geändert 14.04.2018, 15:08
                      über Temenos

                      Der experimentelle Dokumentarfilm "Temenos" beschäftigt sich mit Erscheinungserfahrung am Beispiel der Jungfrau Maria. Regisseurin Nina Danino filmt Orte, an denen die Mutter von Jesus gesehen worden sein soll; darunter Lourdes, Fatima oder Medjugorje. Diese Namen werden jedoch niemals konkret benannt, sodass der Film den Zuschauer durchgängig im Unklaren lässt. Aber um Fakten oder Wissen kann es bei dem Thema auch nicht wirklich gehen. Vielmehr steht die Fühlbarmachung roher, furchteinflössender oder religiöser Erlebnisse im Fokus. Dazu wechselt Danino zwischen verschiedenen bildgestalterischen Möglichkeiten: Mal wackelige Handkameraaufnahmen, dann verfremdete 35mm-Bilder in Schwarz-weiß, aber auch farbige Sequenzen, die wahlweise statisch und ruhig verweilen oder schwenkend bis reißend über Landschaften oder Städten hinweggehen. Überlagert wird dies durch eine experimentelle Audiogestaltung. Die Filmmacherin verliest sporadisch Auszüge aus zunächst nicht näher benannten oder zeitlich unbestimmbaren Aufzeichnungen von Menschen, die ihre Visionen beschrieben. Die Namen dieser Personen sind im Abspann zu lesen: Lucia dos Santos, Mélanie Calvat und Bernadette Soubiros. Darüberhinaus sind verschiedene (ausschließlich weibliche) Stimmen zu hören, die wimmernd, flüsternd, singend, schreinend oder verstörend dämonisch gurgelnd unterschiedliche Emotionen zu vermitteln versuchen. Auch Naturgeräusche wie Wind oder Insektensummen werden in einigen Einstellungen hervorgehoben. Die außergewöhnliche Tongestelltung verleiht den 77 Minuten eine ganz eigene (und eigenartige) Atmosphäre.

                      "Temenos" endet mit einem Ausschnitt aus Pier Paolo Pasolinis "Das 1. Evangelium - Matthäus" (1964), in dem Fischer den wiederauferstandenen Jesus über den See von Galiläa wandern sehen.

                      Der Zuschauer kann diesen Film einfach als wilde Spielerei abtun oder gar als langweiligen Unfug, aber vielleicht kann man darin auch eine wunderbar avantgardistische Annäherung an ein Thema sehen, das sich so auf emotionaler Ebene möglicherweise mindestens genau so gut vermitteln lässt wie durch Dokumentar- oder Spielfilme.

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                      • Hey Phil. Du glaubst gar nicht wie dankbar ich bin für diese Liste und die Hinweise. Die Terence Davies Collection hab ich direkt mal bestellt, auch wenn ich 2 Filme daraus bereits kenne. "Sunset Song" werde ich in den nächsten Tagen auch noch bekommen.

                        Am letzten Donnerstag konnte ich Terence Davies ja mal in Person erleben. Sehr sympathischer Mann, der seine eigene Art Filme zu machen, durchziehen konnte, was nach eigenen Aussagen niemals einfach oder finanziell erfolgreich war. So unglaublich schön, dass er im Moment vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit erhält.

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                          Ich finde es etwas schwierig, den TV-Film "Das deutsche Kind" zu bewerten. Ich sehe in Umut Dağs Auseinandersetzung mit der hochaktuellen und leider auch brisanten Gesellschaftsproblematik unserer Zeit zunächst einmal den Wunsch nach einem friedlichen Miteinander der verschiedenen Gruppen und Religionen. Dies ist in meinen Augen fraglos positiv zu bewerten. Ob jedoch die hier gefundene Herangehensweise der richtige Weg ist, muss ich leider eher bezweifeln. Im Gegenteil: Personen, die sich keine gemeinsame Gestaltung der Zukunft wünschen oder sich überhaupt dies vorstellen können, dürften sich in ihren Gefühlen bestätigt sehen, da das Drehbuch von Paul Salisbury hauptsächlich auf ein Zusammenspiel von Konfrontation und heile Welt setzt. Entweder werden durch einige Szenen die Ängste aufgegriffen, was wahrscheinlich auch unvermeidbar ist - jedoch hier, wenn man ehrlich ist, schon etwas plakativ ausfällt - oder es wird leicht naiv verklärend auf die Vernunft gepocht. Da wirkt manches eher aufgesetzt und gut gemeint statt ehrlich und hoffnungsvoll.

                          Über das Ende lässt sich zweifelsfrei kontrovers diskutieren; an sich ist es jedoch erst einmal nicht schlimm. Als problematisch empfinde ich jedoch die Hinführung von der konfrontativen Problematik (mitsamt der konstruiert anmutenden Ausgangssituation sowie den unglücklich gewählten Stereotypen) zur Auflösung eben dieser. Hoffnungsvoller macht mich das eher nicht. Etwas weniger Vertrauen in die menschliche Vernunft (von allen Seiten) wäre nach meiner Einschätzung wohl leider tatsächlich realistischer. So erscheint mir das Ganze eher naiv. Ich denke, "Das deutsche Kind" hätte in seiner Dramatik etwas heruntergekochter sein dürfen. Für mich nimmt beispielsweise die Religionsthematik noch einen zu prägnanten Platz ein. Hier wäre eventuell weniger mal wieder mehr gewesen. Aber ich will den Film auch nicht schlechter reden als er ist: Schauspielleistungen, Absicht und Inszenation sind durchaus ordentlich.

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                            Stefan Ishii 05.04.2018, 23:47 Geändert 06.04.2018, 08:08

                            Denkt man an das britische Kino (speziell der 80er oder 90er Jahre), so fallen einem sicherlich Regienamen wie Ken Loach oder Mike Leigh ein. Deren Filme erzählen sehr häufig von der arbeitenden Klasse. Den kleinen Leuten. Auch Terence Davies gehört sie diesen Filmemachern. Nur ist sein Name weit weniger bekannt; leider vollkommen zu Unrecht. Seine Filme - insbesondere die autobiographisch geprägten Frühwerke - sind aufgrund ihren eigenwilligen Erzählweise und der durchgängig präsenten Gesänge der Figuren wohl weit weniger gut vermarktbar. Doch gerade weil Davies aus seinen eigenen, persönlichen Erinnerungen schöpft, sind seine Filme so glaubwürdig, lebensnah und ehrlich.

                            "Distant Voices, Still Lives" war 1988 Davies erster Langfilm. Er erzählt in nichtchronologischer Abfolge kaleidoskopartig von der eigenen Familie in Liverpool in den 40er und 50er Jahren: Vom gewalttätigen Vater (gespielt von Pete Postlethwaite) - Davies tatsächlicher Vater ist auf einem Foto an der Wand immer wieder zu sehen -, von den Kindern und ihren Ehepartner, von Familienfeiern wie Hochzeiten oder Beerdigungen und immer wieder von Pubbesuchen, die so elementar wichtig für den Film sind. Sie sowie die in ihnen gesungenen Lieder halten alles zusammen. Der Schmerz und die Eintönigkeit des Lebens können so zumindest zeitweise überwunden werden.

                            Terence Davies' Vater starb 1953. Erst danach konnte die Familie aufatmen, freier leben und das Leben etwas geniessen. Etwas Ähnliches wird auch in "Distant Voices, Still Lives" dargestellt. Doch Davies springt, wie es im Grunde bei Erinnerungen natürlicherweise der Fall ist, zwischen den verschiedenen Zeiten und Anlässen hin und her. Er stellt die traurigen, schmerzerfüllten Momente den freudigen Anlässen gegenüber. So wird deutlich, dass prägende Erfahrungen auch über die Jahre und selbst in glücklichen Momenten niemals vollkommen an Bedeutung und Einfluss verlieren. Auch nach dem Tode des Vater, sind dessen Taten irgendwo präsent.

                            Davies Filme sind vielleicht nicht immer leicht zu schauen. Die Kamera zeigt nur Ausschnitte des Geschehens, langsame Schwenks deuten das Vergehen von Zeit an und die Filme arbeiten mit Auslassungen oder finden interessante Kontraste zwischen dem Gezeigten und dem Gehörten. Aber "Distant Voices, Still Lives" oder "The Long Day Closes" (1992) sind so ungemein lebensnah, ehrlich und eindringlich, dass ich mich einfach in sie verlieben muss. Es ist fast schon so traurig wie die Menschen in seinen Filmen, dass solche kleinen Wunderwerke von Davies-Filmen so wenig Aufmerksamkeit und Anerkennung erhalten, die sie in meinen Augen absolut verdient hätten.

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                            • Joshua Oppenheimer ist durch "THE ACT OF KILLING" berühmt geworden. Aber bereits davor hat der homosexuelle Physiker einige sehenswerte Filme und Videos realisiert. Zunächst noch eher kleine Experimente mit bewegten Bildern, haben sich schnell sozialkritische Themen in seine Werke geschlichen, die anfänglich noch von filmischen und visuellen Spielereien überdeckt wurden, sich jedoch immer stärker hervorgearbeitet haben. Sehr gut fand ich "LAND OF ENCHANTMENT", der mir jedoch aufgrund seiner Länge von nur einer Minute wirklich etwas zu kurz erscheint. Eine besondere Stellung in Oppenheimers Filmographie hat der Antiglobalisierungsfilm "THE GLOBALISATION TAPES", der 2002 in Zusammenarbeit mit indonesischen Arbeitern entstanden ist und sogar eine kleine Vorwegnahme von "THE ACT OF KILLING" umfasst, da die regierungsgeleiteten Morde an Andersdenkenden (Kommunisten, Gewerkschaftler etc.) auch aufgrund der Globalisierung geschahen. Der Kurzfilm "MUZAK..." greift diesen Aspekt noch einmal etwas verspielter auf.

                              - "LIGHT TEST" (1995, 4.5 Punkte)
                              - "CAMERA TEST" (1995, 4.0 Punkte)
                              - "HUGH" (1996, 7.0 Punkte)
                              - "CHALLENGE OF MANUFACTURING" (1996, 5.0 Punkte)
                              - "THESE PLACES WE'VE LEARNED TO CALL HOME" (1996, 5.5 Punkte)
                              - "LAND OF ENCHANTMENT" (2000, 6.5 Punkte)
                              - "THE GLOBALISATION TAPES" (2002, 7.0 Punkte)
                              - "MARKET UPDATE" (2002, 4.5 Punkte)
                              - "A BRIEF HISTORY OF PARADISE AS TOLD BY THE COCKROACHES" (2002, 4.0 Punkte)
                              - "MUZAK: A TOOL OF MANAGEMENT" (2002, 6.5 Punkte)
                              - "POSTCARD FROM SUN CITY, ARIZONA" (2003, 4.5 Punkte)

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                                "Mama Muh und die Krähe" aus Schweden ist ein netter Kinderfilm über Freundschaft. Der klassische Zeichentrickfilm erzählt seine Geschichte mit einer lebenslustigen und abenteuerlichen Kuh und einer eigenwilligen Krähe vielleicht etwas episodenhaft, aber ein roter Faden ist trotzdem sichtbar. Durch das Episodenhafte läßt sich der Film natürlich auch gut unterbrechen, wenn man den Kleinen den Film nur in Häppchen präsentieren möchte. Und auch wenn hier nie wirkliche Spannung aufkommt, so ist das genau die Art von recht harmlosem Kinderfilm, den man uneingeschränkt für Vier- oder Fünfjährige empfehlen kann. Die gemächliche Sprache, die einfachen Zeichentrickbilder und das für Kleinkinder adäquate Erzählttempo machen alles nachvollziehbar und die Geschichte bietet heile Welt und Naturnähe.

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                                  Stefan Ishii 15.03.2018, 20:42 Geändert 15.03.2018, 21:08

                                  Andrey Zvyagintsevs neuester Film "Loveless" zeichnet sich vornehmlich durch seine unmittelbare Intensität und eindringliche Bebilderung aus. Die Botschaft ist klar und deutlich: Egoismus, Einsamkeit und Entfremdung als Symptome einer krankenden Gesellschaft. Das kann man vielleicht etwas plakativ finden oder sollte man im Detail sogar psychologisch hinterfragen, schadet aber keinesfalls der Intensität des Filmes. Den zwei Hauptfiguren bei ihren zwischenmenschlichen Problemen untereinander sowie deren neuen Beziehungen beizuwohnen, könnte schmerzhafter fast nicht sein. Und doch sollte man ihnen ein gewisses Mitgefühl nicht vollkommen verweigern, sind sie schließlich auch nur Opfer eines größeren gesellschaftlichen Problemes. Die politischen Zwischentöne hätte es hingegen für mich persönlich nicht unbedingt gebraucht; eigentlich dienten sie für mich lediglich als zeitliche Fixpunkte.

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                                    Stefan Ishii 11.03.2018, 00:11 Geändert 11.03.2018, 09:23

                                    "Old Love" von Park Ki-yong: Eine Frau und ein Mann treffen sich zufällig auf einem Flughafen. 25 Jahre liegt die gemeinsame Vergangenheit zurück. Yoon-hee lebt inzwischen in Kanada, Jung-soos Lebensträume als Theaterschauspieler haben sich nie erfüllt. Die unerwartete Wiederbegegnung und ein paar gemeinsame Tage im winterlichen Seoul lassen Vergangenes aufflackern und Sehnsüchte erwecken.

                                    Keine großen Szenen oder Worte, nichts Aufregendes oder gar Außergewöhnliches. Keine Stars, keine markant auffälligen Bilder. Einfach nur wohltuend echt wirkende Momente voller Wehmut und Menschlichkeit. Kleine Details, verlegene Blicke, melancholisches Schweigen. Klare Bildgestaltung. So einfach, aber berührend kann gutes, einfühlsames Kino sein!

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                                      Es erfordert Mut und Kraft sich selbst treu zu bleiben, wenn man ein unbedeutender Niemand ist. Aber solange man existiert, muss es weiter gehen. Die Kamera tanzt einfühlsam um die Figuren herum und mit Ironie lässt es sich in einer Situation der Stagnation und Hoffnungslosigkeit besser leben.

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                                        über 11 x 14

                                        "11 x 14" von James Benning ist eigentlich ein Film, der für sich selbst spricht. Sein erster Langfilm hat trotzdem ein paar Worte verdient. "11 x 14" ist auf dem ersten Blick eine Aneinanderreihung von Einstellungen, die zunächst einmal kaum etwas miteinander zu tun haben und stellenweise wie Fotos wirken, denen die zeitliche Dimension hinzugefügt wurde. Bilder aus städtischen oder ländlichen Umgebungen. Eine durchgängige Handlung gibt es nicht, doch innerhalb der einzelnen Sequenzen kann man durchaus so etwas wie ein narratives Element entdecken. Es passiert etwas. Die Einstellungen werden von Menschen oder Fahrzeugen bevölkert. Sie bewegen sich durch die komponierten Bilder, die mal statisch, mal mit langsam bewegter Kamera aufgezeichnet wurden. Das kann aber auch mal einfach nur ein interessant rauchender Schornstein sein. Bilder von Bewegungen, die für den Moment eine gewisse Faszination entwickeln. Eine weitere Rolle haben Licht-und-Schatten-Spiele. Musik ist ebenso ein wichtiger Aspekt. Überhaupt ist "11 x 14" sehr verspielt. Benning hat sich da mal richtig ausgetobt und herumexperimentiert. Manche Personen tauchen immer mal wieder auf, teilweise in kaum verknüpfbaren Situationen. Bei genauerer Betrachtung sind Kleinigkeiten zu entdecken, die als Vorboten späterer Szenen verstanden werden könnten. Das können Kleidungsstücke, Bilder von Gebäuden oder auch Orten (wie beispielsweise Mount Rushmore) sein, die in einem völlig anderen Kontext zu einem späteren Zeitpunkt wieder im Film auftauchen. Letztenendes verweigert sich der Film jedoch einer konventionellen Narration. Benning interessierte sich viel mehr für die experimentelle Erschließung oder Untersuchung von Zeit und Raum. Was dabei, insbesondere in Hinblick auf seine späteren Filme besonders überrascht, ist der Humor, den man so von ihm gar nicht kennt. In ein oder zwei Momenten übertrieb es Benning damit vielleicht sogar. Ich persönlich vermisse diesen augenzwinkernden Witz in seinen wunderbaren späteren Filmen nicht unbedingt, aber hier passt er einfach. "11 x 14" ist nicht allzu ernst zu nehmende Filmtheorie!

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                                        • Na Mensch, da hast du für "Desire..." aber ganz schön viele Punkte springen lassen. Ein paar nackte Brüste reichen da schon? Okay. :D

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                                            "Independencia" ist der zweite Teil einer ambitionierten Trilogie von Raya Martin über die philippinische Geschichte. Ich habe, obwohl ich bisher nur diesen Film kenne, das Gefühl, dass diese Trilogie (möglicherweise) insgesamt besser sein dürfte als ihre Einzelteile. Das Konzept Martins ist es, die geschichtlichen phillippinischen Probleme in einer filmischen Form darzustellen, die dem Kino der jeweils dazugehörigen Zeit entspricht.

                                            Der erste Teil der Trilogie, "A Short Story About the Indio Nacional" (2005), ist wohl mit Ausnahme eines etwas längeren Prologes im Stile der Lumiere-Brüder gehalten und zeigt das ländliche Leben in den Jahren der Philippinischen Revolution (1896-98), in der eine geheime Organisation namens Katipunan die Unabhängigkeit der Philippinen von Spanien erkämpfen wollte. Ein dritter Beitrag über die japanische Besatzungszeit auf den Philippinen während des Zweiten Weltkrieges wurde bisher noch nicht fertiggestellt.

                                            Der Film "Independencia" erzählt von der Zeit des Philippinisch-Amerikanischen Krieges Anfang des 20.Jahrhunderts, in dem etwa 20 Prozent aller Filipinos starben, und dem eine Kolonialbesatzung durch die Amerikaner folgte. Doch Krieg ist in Martins Film nur der Hintergrund. Eine Mutter flieht mit ihrem Sohn in den Dschungel, um sich zu verstecken. Dort finden sie eine junge Frau, die sie aufnehmen. Und das individuelle, isolierte Leben - losgelöst von allen politischen Umständen - geht weiter. Zeit vergeht.

                                            Das Markanteste an "Independencia" ist jedoch ohne Zweifel sein visueller Stil. Martin näherte sich seiner Geschichte mit einem Zwischending aus Lav Diaz und Guy Maddin. Obwohl der Film fast komplett im Dschungel spielt, wurde er vollständig im Studio realisiert. Die Künstlichkeit der Filmsets verleiht den Bildern etwas Traumartiges. Wundervoll konzipierte, beeindruckende Schwarzweißbilder. Am Ende gibt es sogar noch eine Szene zu sehen, in der die Bilder nachcoloriert wurden - alles im Einklang mit dem frühen Hollywoodkino, das damit wunderbar nachgestellt wurde. Und der individuelle, phillippinische Widerstand gegen das Chaos fand seine adäquate filmische Umsetzung.

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                                              • 6 .5

                                                Nach dem insgesamt eher enttäuschenden Vorgänger "Shin Godzilla" folgt nun mit "Monster Planet" eine Anime-Variante des japanischen Kultmonsters. Es wird wohl der erste Teil einer animierten Godzilla-Trilogie sein, die auch inhaltlich etwas andere Wege geht. "Gojira: Kaiju Wakusei" spielt nämlich in der Zukunft. Doch gerade dieses futuristische Setting, das frischen Wind in die Godzilla-Welt bringt, hat in meinen Augen auch so seine Probleme mit sich gebracht. Nicht unbedingt von sich heraus, sondern vielmehr weil mir anfänglich im Verhalten der Charaktere so einiges als kaum vernünftig oder nachvollziehbar erscheint. Doch darauf möchte ich an dieser Stellen nicht weiter eingehen.

                                                Was genau ist der Story-Ansatz? (Auf Handlungsdetails werde ich jetzt so weit möglich verzichten...) Die Menschen haben vor 22 Jahren als Flucht vor Godzilla in einem riesigen Raumschiff die Erde verlassen; auf der Suche nach einem neuen Planeten. Sie werden jedoch nicht fündig und kehren zur Erde zurück, die in der Zwischenzeit etwa um 20.000 Jahre gealtert ist. Dort stellen sie erschreckenderweise fest, dass Godzilla noch immer umherstreift und sich die Atmosphäre und die Natur dramatisch verändert haben. Ob dies evolutionstechnisch möglich ist, sei mal dahin gestellt. Was mich jedoch stört, ist der Fakt, dass den Menschen nichts anderes einfällt, als sofort einen Angriff auf das Monster zu starten, das sie bereits vor 22 Jahren nicht besiegen konnten. Die technische Entwicklung war damals bereits offenbar sehr fortschrittlich und es ist kaum anzunehmen, dass die Forschung bezüglich Godzillas große Sprünge gemacht hat, wo man sich doch auf einer Planetensuche befand, um das Monster hinter sich lassen zu können. Und trotzdem - wie durch einem inneren Zwang - muss Godzilla mit den eingeschränkten Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, vernichtet werden?

                                                Zumal es sich scheinbar fast ausschließlich in einem eingrenzbaren Bereich bewegt. Ich fragte mich natürlich sofort, warum man das Monster nicht einfach durch Japan streifen läßt, während man sich an einem anderen Ort der Erde niederläßt. Erklärt wird dies jedoch mit der Mythologie hinter Godzilla, die mir persönlich sehr gut gefällt. Der König aller Kaijus ist so etwas wie die Strafe Gottes an der arroganten Menschheit. Wir haben es uns aufgrund unserer Verhaltensweisen (angefangen hat ja schließlich mal alles mit den Atombomben) selbst zuzuschreiben, dass es ein Wesen gibt, welches die Menschen in ihrem besitzergreifenden, selbstgefälligen Tun einschränken kann. Godzilla als Katalysator für den nächsten Evolutionsschritt? Klingt vielleicht auf dem ersten Blick verrückt, hat für mich jedoch seinen Reiz. Zumal sich die Menschen in "Godzilla: Monster Planet" auch weiterhin genau so wie beschrieben verhalten und fast zwanghaft in ihr Verderben rennen wollen.

                                                Möchte man als Zuschauer jedoch weniger über solche Kleinigkeiten nachdenken und einfach nur einen Godzilla-Film im Science-Fiction-Anime-Gewand sehen, kann man durchaus auf seine Kosten kommen. Die Animationen sind erträglich - einzig die Maschinen und fremdartigen Wesen (inklusive Godzillas) in ihrem klobig-kantigen 3D-Stil haben mir nicht so gefallen. Aber das wohl eigentlich Wichtigste: Godzilla funktioniert in diesem Film wunderbar als menschheitsbedrohendes Überwesen. Dabei geht "Godzilla: Monster Planet" über das Atomthema hinaus und weitet es auf weitere Bereiche menschlichen Fehlverhaltens gegenüber der Natur aus. Insgesamt hat mir der Film also gefallen, wenn er auch seine Schwachstellen hat.

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                                                • 7 .5

                                                  Nach "Pastoral: To Die in the Country" ist "Kusa-meikyû - Grass Labyrinth" mein bisher zweiter Film von Shûji Terayama. Er ist vielleicht nicht ein ganz so schräg-surreales Ding wie "Pastoral", aber auch dieses Werk ist kreativ-bizarr und scheint ebenso stark von persönlichen Erinnerungen und Fantasien Terayamas geprägt zu sein. Es gibt ähnliche Motive zu entdecken und folglich ist auch hier nicht alles komplett zu entschlüsseln. Haufenweise Kindheitserinnerungen, verknüpft mit seiner kontrollierenden Mutter, sowie selbstreflektive, erotische Erfahrungen (bezeihungsweise Wunschträume?). Das alles läuft in merkwürdigen Landschaften ab, die geprägt sein dürften von subjektiven Gefühlen des Regisseurs. Der nur etwa 40-minütige Kurzfilm hat mir persönlich letztlich sogar noch etwas besser gefallen als "Pastoral", was aber vielleicht auch daran liegen könnte, dass ich bei meinem zweiten Film des japanischen Avantgardisten, Poeten und Fotographen etwas mehr darauf vorbereitet war, was mich erwarten würde.

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                                                  • Freue mich sehr, dass du dem Gruppenzwang nachgegeben hast. Habe ich sofort abonniert. Aus deiner Liste (insbesondere den 2-3 Sätzen zu jedem Film) werde ich eine Menge mitnehmen. Bin sehr gespannt, was hier alles so auftauchen wird. Das kann nur gut werden!

                                                    Mit Yamada Yoji, den ich übrigens sogar mal persönlich gesehen habe (sorry für's Angeben), fing dein Jahr schon mal großartig an. "What a Wonderful Family!" kenne ich leider noch nicht, aber der Gute hat mich bisher noch nie enttäuscht.

                                                    Den Namen Stan Brakhage habe ich in letzter Zeit bereits häufiger gelesen. Mit dem muss ich mich wohl demnächst auch mal auseinandersetzen. Obwohl ich mir erstmal andere Namen vorgenommen habe...

                                                    Ach: Und mehr Pasolini klingt nach einer ganz guten Idee ;-)

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