Stefan Ishii - Kommentare
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Alle Kommentare von Stefan Ishii
Schön, dass mal wieder ein Seidl in die Kinos kommt. Obwohl das Thema ja erstmal eher untypisch für sein Schaffen klingt, hat es doch auf den ersten Blick wenig mit der österreichischen Gesellschaft zu tun, bin ich in jedem Fall gespannt. "Safari" wird demnächst geschaut...
Auch schön: Dass es hier auf MP überhaupt einen Artikel zu Seidl gibt. Mich wundert es übrigens, dass es "Der Busenfreund" nicht in die Liste geschafft hat. Ich mag seine Filme ja wirklich sehr gerne, trotz all der Provokation und einer gewissen Radikalität. Alle zehn Filme, die ich von ihm kenne, habe ich mit 6,5 bis 8,0 bewertet. Mein Lieblingsfilm von Seidl wäre wohl "Import/Export".
PS: Nachträglich noch alles Gute zum Geburtstag, Ulrich! Erst vor gut zwei Wochen wurde der gebürtige Wiener 64 Jahre alt. Zufällig haben Seidl und ich am gleichen Tag Geburtstag (nur dass ich erst ein paar Jahre später zur Welt kam).
Konzertfilme empfinde ich persönlich stets als etwas schwierig zu bewerten, da, wenn man mal ganz ehrlich ist, der eigene Musikgeschmack doch auch eine nicht unerhebliche Rolle dabei spielt. Dass ein berühmter Regisseur, wie nun einmal David Lynch in "Duran Duran: Unstaged", für ein solches Projekt verantwortlich zeichnet, mag ebenfalls einen Einfluss haben, doch alles steht und fällt schlussendlich mit der Musik.
Ich war nie wirklich ein großer Fan von Duran Duran. Klar, einige Songs - insbesondere aus den 80ern (wie beispielsweise "Girls On Film" oder "Wild Boys") - fand auch ich ganz gut, doch so richtig für die Band hatte ich mich nicht interessiert obwohl ich dem New Wave (oder eigentlich noch mehr dem Dark Wave) stets positiv gegenüber stand. Und jetzt die große Überraschung: Durch diesen Konzertfilm könnte sich das etwas ändern. Neuere Stücke wie "All You Need Is Now" haben mir echt gut gefallen. Zumindest im Rahmen dieses Filmes haben mich Duran Duran also wirklich beeindruckt. Ich hatte an den meisten Songs tatsächlich meine Freude. Dass es Gastauftritte gab, spielt für mich kaum eine entscheidende Rolle; aber beispielsweise Gerard Way von My Chemical Romance fand ich als Gastsänger bei "Planet Earth" super und auch Kelis in "The Man Who Stole A Leopard" hat toll gepasst. Aber letzten Endes sind das auch einfach super Songs... Die Bühnenpräsenz von Simon Le Bon hat mich hingegen jetzt nicht so richtig umgehauen, ebenso seine kleinen Geschichten. Ich habe bisher jedoch auch nie ein Konzert von Duran Duran gesehen und weiß nicht, ob mich der Eindruck hier täuscht.
Doch was hat David Lynch nun eigentlich geleistet? In meinen Augen liegt seine Leistung in der stets präsenten, aber nur ganz selten störenden Überlagerung der Konzertbilder mit visuellen Spielereien wie Feuer, Gegenständen oder Rauch. Nur in zwei Songs hat mir die für meinen Geschmack etwas zu aufdringliche Einblendung von Bildern etwas mehr gestört: Die halbnackten Puppen in "Sunrise" und die irgendwie deplazierten Grillbilder sowie die tanzenden Mäuse bei "Come Undone" empfand ich als etwas irritierend. Doch größtenteils hielt sich Lynch mit seinen Spielchen eher zurück. Dadurch blieb die Konzertatmosphäre bei so gut wie allen Liedern erhalten, doch man erhält als Zuschauer mehr als nur ein abgefilmtes Konzert; was ja manchmal recht schnell langweilig werden kann. Live bei einem Konzert zu sein, ist halt doch etwas ganz anderes als eine Aufzeichnung davon zu sehen. Somit ist "Duran Duran: Unstaged" für mich einer der besseren Konzertfilme.
Hat jetzt nur bedingt mit dem Artikel zu tun, da es nicht um den entsprechenden Film geht, aber ich finde es ausgesprochen witzig, dass ich mir ausgerechnet heute den "Schwanensee" ansehen werde.
Als ich gestern ins Kino ging, um "Meghe Dhaka Tara - Der verborgene Stern" von Ritwik Ghatak zu schauen, hatte ich schon im Gefühl, dass mir dieser Film wohl recht gut gefallen könnte. Voller Vorfreude fieberte ich dem Film regelrecht entgegen. Manchmal kann eine zu große Erwartungshaltung hinderlich sein, aber das war glücklicherweise hier nicht der Fall. Als der Film begann, die Musik einsetzte und die ersten, ruhigen Einstellungen über die Leinwand flimmerten, war es bereits um mich geschehen. Und die nächsten zwei Stunden erfüllten alle Erwartungen, die ich an Ritwik Ghatak stellte.
Die Ausgangssituation ist typisch Ghatak: Eine Familie mußte aufgrund der Abspaltung Bengalens von Indien fliehen und versucht in der Nähe Kalkuttas eine Existenz aufzubauen. Wie so oft spiegelt sich darin die Lebensgeschichte Ghataks. Doch der Film setzt nicht hauptsächlich auf diese, so persönliche Thematik. Er addressiert eine andere Problematik, die sich in Ghataks Biografie ebenso wiederfinden läßt. Es geht fast nebenbei um den Niedergang der indischen Mittelklasse als Folge der gesellschaftlichen Veränderungen. Ghatak stammt aus einer Beamtenfamilie, die vor der Entwurzelung ein vergleichsweise sorgenfreies Leben führte. Aber die politischen Umwälzungen 1947 sollten dies dramatisch ändern. Und so auch in "Der verborgene Stern": Der Vater, offensichtlich ein Gelehrter, kann in der neuen Heimat keiner Tätigkeit nachgehen. Seinen bisherigen Status hat er eingebüßt; eine Integration erscheint unmöglich. Die Söhne haben zwar das Potential zum Erfolg - der eine ist sportlich und kräftig, der andere ein begnadeter Sänger - doch Geld bringen sie nicht nach Hause. Die gesamte Familie stützt sich auf das schmale Einkommen der aufopferungsvollen Tochter Nita. Sie muss ihre Träume von einem guten Studium sowie die Heirat mit dem Physikstudenten Sanat vorläufig hintenanstellen. Sie gibt Nachhilfestunden und arbeitet in einem Büro in Kalkutta. Nur so kann sie die gesamt Familie über Wasser halten. Gedankt wird es ihr zunächst nur wenig: Die Mutter beklagt sich ständig aufgrund einer allgemeinen Unglücksseeligkeit. Der singende Tagedieb von Bruder wünscht sich in großer Regelmäßigkeit weiteres Taschengeld, um seinem Leben nachgehen zu können. Und sogar Sanat entfremdet sich zusehenst von Nita. Dass der Vater schwer krankt wird und in der Folge den Verstand verliert, macht die Situation nicht einfacher. Doch es soll noch schlimmer kommen...
Ghataks Film zeichnet sich durch sein tiefverwurzeltes Mitgefühl für seine Figuren aus. Selbst die scheinbar undankbaren Verwandten offenbaren ihre Schuldgefühle in gewissen Momenten. Es ist oftmals leichter für sie, sich dem unfairen Ausnutzen der armen Nita hinzugeben, auch wenn sie innerlich um ihr Fehlverhalten wissen. Selbst die Institution Familie steht damit letztenendes auf dem Prüfstand. Nita wird in "Der verborgene Stern" zum Sinnbild. Sie erträgt alles klaglos, bringt größte Opfer, aber gerade diese Menschen leiden dann immer am stärksten.
Nita erinnert mich in vielerlei Hinsicht an Noriko aus Yasujiro Ozus "Die Reise nach Tokio". Doch anders als bei Ozu wird in Ghataks Filmen den Protagonisten nur selten ein glückliches Ende zugestanden. Die Zerrissenheit und Verzweiflung ist einfach zu groß. "Der verborgene Stern" erzählt eine tragische Geschichte, doch ihr zugrunde liegen eine ehrliche Liebe zum Menschen. Dadurch dass Ritwik Ghatak dies dann auch noch perfekt filmisch umzusetzen vermochte, macht "Der verborgene Stern" für mich zu einem ganz großen Werk. Ghatak setzte auf ruhige Einstellungen, auf unaufdringlichen Kamerafahrten und natürlich wunderbare Musik. Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass ich dieses Werk dann sogar in einem Kino auf der großen Leinwand erstmalig für mich entdecken durfte. Zusammen mit Ghataks folgendem Film "Subarnarekha" ist "Der verborgene Stern" nicht nur einer der wundervollsten Filme des bengalischen Regisseurs, er zählt für mich zu den besten und wichtigsten Filmen Indiens überhaupt.
"Ajantrik" erscheint auf dem ersten Blick ein eher untypischer Film des großen (und wohl leider viel zu unbekannten) Ritwik Ghatak zu sein. Der Film erzählt nicht direkt von Ghataks wichtigstem Thema, das sich auf die eine oder andere Weise in seinen Filmen finden läßt. Dabei handelt es sich - Kenner Ghataks werden es wissen - um die für ihn persönlich so traumatisierende Trennung seiner Heimat Bengalens im Jahre 1947 von Indien und der Gründung des späteren Bangladesch. Die damit verbundene Entwurzelung sollte Ghatak nie wirklich verkraften können: Alkohol und Krankheit beeinflussten seine Arbeit und sein Leben. Einige Filme konnte nie fertiggestellt werden und er verstarb viel zu früh. Seinen letzten Werken merkt man den Zustand des Regisseurs durchaus an. Und trotzdem zählt er zu den bedeutensten Filmemachern seiner Zeit, gerade wegen seiner persönlichen Bindung zu den aufgegriffenen Themen.
Und in "Ajantrik" sind diese Themen nun nicht direkt offensichtlich. Der Film erzählt vom ärmlichen Taxifahrer Bimal, der sich mit einer kaum noch verkehrstüchtigen Klapperkiste über Wasser halten muss. Bei seinen episodenhaften Fahrten trifft der etwas dickköpfige Bimal unterschiedliche Leute, muss Hohn und Spott über sich ergehen lassen, zeigt aber oftmals auch sein Mitgefühl. Mittels passender Geräusche haucht Ghatak dem Gefährt so etwas wie eine Seele oder Persönlichkeit ein; zumindest Bimal empfindet dies so. Daraus resultieren insbesondere zu Beginn des Filmes so manche skurrile, komödiantische Momente, die durch exaltiert-exzentrisches Schauspiel noch verstärkt werden. Doch nach und nach schleichen sich Verzweiflung und Traurigkeit in den Film. Das verzweifelte Klammern Bimals an seinen alten Weggefährten erscheint zunächst vielleicht noch witzig; aber gegen Ende schlägt diese Liebe in Wahn um.
Ghatak zeigt uns einen Menschen, der sich aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen von seinem Umfeld entfremdet. Andere Taxifahrer kaufen sich neuere Fahrzeuge. Die moderne Zeit kann Bimal jedoch nicht für sich annehmen. Er wird zu einem gebrochenen, tragischen Charakter, der sich das Altbekannte wünscht, dies jedoch nicht mehr erreichen kann. Insofern spiegelt sich Ghatak in Bimal wider. Räumliche Entwurzelung wird in "Ajantrik" zu einem exemplarischen Unvermögen, sich gesellschaftlichen Änderungen anzupassen, und damit veranschaulicht Ghatak sein universelles Thema auf sehr menschliche, ehrliche und selbstkritische Weise.
"Heremias: Book One - The Legend of the Lizard Princess" ist für einen neunstündigen Lav-Diaz-Film erstaunlich handlungsgetrieben ausgefallen - gegen Ende für meinen Geschmack sogar etwas zu sehr... Im Gegensatz zu "Evolution of a Filipino Family" ist der Film weniger breit angelegt. Politik spielt beispielsweise eher am Rande eine Rolle - ganz anders also als beim Vorgängerwerk. "Heremias" konzentriert sich auf eine einzige Person. Dessen persönliche und religiös angehauchte Odyssee wird in wundervollen Einstellungen eingefangen, die erstaunlich gut zu fesseln wissen. Doch nach etwa 6 Stunden und 30 Minuten gibt es eine einstündige Szene, die mir in der Form leider nicht wirklich gefallen hat. Und der Ton des Filmes verschiebt sich daraufhin merklich. Die Notwendigkeit einer solchen Sequenz erscheint mir absolut einleuchtend; trotzdem kann ich mich mit ihr nicht anfreunden. Aber insbesondere bis dahin fand ich allerdings den Film wirklich großartig. Und erst danach werden die Themen von "Heremias" dann so richtig deutlich. Es geht in meinen Augen um die Machtlosigkeit des Einzelnen in einer korrupten, unmenschlichen Welt - weder Staat noch Kirche werden den ihnen zugeschriebenen Positionen gerecht. Der scheinbar ziellos umherwandernde Heremias kann das alles zunächst nicht verstehen, doch sein unschuldiges Weltbild wird aufgrund bitterer Erkenntnisse bis auf die Grundmauern erschüttert. Schon weit früher im Film wird fast beiläufig die Geschichte der Lizard Princess erzählt, wohlwissend das etwas auf den Zuschauer zukommen wird. Im Buch von Heremias' biblischem Namensvetter Jeremiah beschreibt der als "weinender Prophet" bezeichnete Hebräer beispielsweise eine Katastrophe als Gottes Antwort auf Israels heidnische Handlungsweisen. Ganz so dramatisch fällt Heremias' Erkenntnis nicht aus, doch Leid soll auch er erfahren. Das Wissen um (un)menschliches Fehlverhalten ist nicht neu, doch kann man dies jemals wirklich verstehen oder gar akzeptieren?
Ich habe "I, Destini" jetzt auch gesehen.
Sehr nachdenklich und melancholisch gehalten und irgendwie ohne Hoffnung auf Lösungen. Erklärungs- oder Rechtvertigungsversuche für den Bruder gibt es keine und das erscheint mir auch gut so. Es geht für mich in diesem Film damit nicht unbedingt um ein Gesamtbild (nicht mal vordergründig um eine Anklage am Rechts-, Schul- oder Gesellschaftssystem), sondern um die Ohnmacht und Trauer der Angehörigen. Eine Verhaftung erscheint in den Medien und die allgemeine Reaktion (auch hierzulande) basiert auf Vorurteilen. Dass da eine durchaus vernünftige Familie dahinter stehen kann, wird ausgeblendet - fast instantan ausgeschlossen. Das ganze Problem erscheint in diesem Film komplexer, undurchdringbarer und damit wenig bekämpfbar. Deshalb die Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit.
Nochmal danke für den Hinweis.
Vielen Dank für diesen informativen Artikel. Da sind wirklich einige höchst interessante Filme dabei. "21x New York" und "Cities of Sleep" klingen für mich nach etwas, das ich lieben könnte. Aber auch "Down the Deep, Dark Web" oder "EGOnomics" dürftet etwas für mich sein...
"Hataraku ikka - The Whole Family Works" aus dem Jahre 1939 kann in meinen Augen durchaus als Ausdruck einer Haltung gegen den nahenden Krieg verstanden werden, auch wenn es eigentlich um Armut, den damit verbundenen Zwängen und Kinderausbeutung geht.
Ganz untypisch für einen Naruse-Film ist die Tatsache, dass in diesem Film Frauen kaum eine relevante Rolle spielen. Sie sind Hausfrauen, Mütter oder Ehefrauen in spe; festgenagelt auf ein Rollenbild. Da diese Sicht in krassem Gegensatz steht zu dem, was man sonst aus Naruses Filmen kennt, läßt dies nur zwei Schlüsse zu. Entweder hat die Zensur zugeschlagen oder der Film ist als düstere, ironisch gebrochene Kritik am vorherrschenden System mit all den negativen Begleiterscheinungen zu verstehen. In den späten 30er Jahren rückten in Japan unter anderem wieder traditionelle Geschlechter- und Familienrollenbilder in den Fokus.
Naruse zeigt uns in "The Whole Family Works" eine arme und kinderreiche Familie. Die Söhne arbeiten in anspruchslosen Tätigkeiten, um die Familie finanziell zu unterstützen. Und auch die jüngeren Söhne müssen sich auf ein frühes Ende ihrer Schullaufbahn gefasst machen. Lediglich ein Kind spricht offen über eine Laufbahn im Militär, aber es gibt beispeilsweise eine Traumszene mit direkter Kriegsverknüpfung und bedrückenden Implikationen. Auf dem ersten Blick mag die abschließende Szene des Filmes aufgrund ihrer Verspieltheit und euphorischen Stimmung etwas befremdlich wirken, steht diese doch in starkem Kontrast zum düsteren Ton des Filmes. Für mich ist diese Sequenz doch stark ironisch interpretierbar (wenn ich mal einen Eingriff durch die Zensur ausklammere).
In den folgenden Jahren drehte Mikio Naruse Filme, die ebenfalls eher untypisch für sein Gesamtwerk sind. Aufgrund der Kriegsumstände ist dies sicherlich als Reaktion auf diese zu verstehen. Die Filme wurden in gewisser Weise leichter und japanischer, jedoch soweit ich dies beurteilen kann, niemals propagandistisch oder verharmlosend. Vielmehr wandte er sich von seinen eher gesellschaftskritischen Themen ab und widmete sich traditionelleren Dingen (wie in "Reisende Schauspieler") oder für ein Regime unproblematischen Kritikpunkten (beispielsweise in "Hideko, the Bus Conductress" - eine Komödie, die eher wie eine Arbeit des wunderbaren Regisseurs Hiroshi Shimizu erscheint).
Witzige Idee! Sehr schön...
Leider hab ich mit meinem Film etwas Pech: "Die nackte Wahrheit"? Urghs...
Naja, kommt davon, wenn man am gleichen Tag wie K.Heigl Geburtstag hat.
Manchmal hat man als Filmfan das unbeschreiblich große Glück, einen bestimmten Film zu einem perfekten Zeitpunkt zu sehen, an dem man sich vom Thema des entsprechenden Filmes absolut angesprochen fühlt. Bei "Shûu - Sudden Rain" ist mir dieses Gefühl zuteil geworden; etwas wofür ich total dankbar bin. Genau der richtige Film zum richtigen Moment.
"Sudden Rain" ist ein Film über die japanische Frau in den 1950er Jahren und die Ehe zwischen Mann und Frau im Nachkriegsjapan (ähnlich wie zuvor in "Meshi - Repast" und anderen Filmen von Mikio Naruse). Doch warum spricht mich dieser Film an? Abgesehen von der starken Verknüpfung zu spezifischen Kontexten in Zeit und Ort der Handlung, zu denen ich noch später kommen möchte, behandelt der Film etwas Zeitloses: Das Verhältnis zwischen Mann und Frau innerhalb einer Ehe. Ich selbst bin jetzt seit über drei Jahren verheiratet. Gewisse Dinge verändern sich. Ich will nicht von Langeweile oder Entfremdung sprechen, aber Abnutzungserscheinungen sind unvermeidbar. Das ist alles nicht unbedingt problematisch oder gar besorgniserregend, aber von Zeit zu Zeit stellt man doch in seinem eigenen Verhalten bestimmte Eigenschaften oder gar Fehler fest. Mit diesen Gedanken im Kopf sah ich nun "Sudden Rain" im Kino, der unter anderem dieses Thema aufgreift, um seine Geschichte über eheliche Probleme innerhalb der gesellschaftlichen Mittelschicht im vorstädtischen Nachkriegs-Tokio zu diskutieren. Der Film ist dabei unbedingt als Werk dieser bestimmten Ära zu betrachten.
Neben einem detaillierten Blick auf den Alltag und Entfremdungsprozesse innerhalb einer Konsumgesellschaft, geht es um geschlechterspezifische Probleme oder gar Diskriminierung, veranschaulicht durch eine trostlose Situation innerhalb der Geschlechterproblematik. Ein kinderloses Ehepaar ist gezwungen in den Vorstädten Tokios zu leben; ein Umfeld das unhöflich und egoistisch ist. Bei einem Gemeinschaftstreffen beschweren sich die Nachbarn über alle möglichen anderen. Man denkt an sich und schert sich nur wenig um die Wünsche anderer. Doch viel wichtiger konzentriert sich "Sudden Rain" auf Eheprobleme. Der Mann ist offensichtlich unglücklich im Beruf sowie über den sozialen Status des Paares; Stress und Überarbeitung sind unübersehbar. Die Frau, die sich um den kinderlosen Haushalt kümmert, ist gelangweilt und mitunter depressiv, da sie sich in einer diskrimierenden und unfairen Position befindet. Sie soll sich stets um die Wünsche des Mannes kümmern und selbst wenn beide Eheleute mal etwas Zeit hätten für gemeinsame Unternehmungen, wissen sie nichts miteinander anzufangen. Die Frau hat spürbar nur ein geringes Selbstwertgefühl entwickeln können, doch sie ist sich um ihre Probleme und Wünsche durchaus bewußt. Sie weiss, dass diese Situation so nicht auf ewig fortdauern kann. Doch was könnte die Lösung sein? Dazu liefert der Film allerdings allerhöchstens Ansätze: Trennung? Eine erfüllendere Arbeit für die Frau? Kinder? Oder wenigstens eine Klarstellung unterdrückter Gefühle gegenüber ihrem unaufmerksamen Ehemann, der sich der Situation wohl nicht völlig im Klaren ist? Zumindest für mich erlaubt ein leicht absurder Moment etwas Hoffnung in der Zukunft des Paares zu sehen. Doch vielleicht bin ich ein hoffnungsloser Optimist und die Lage ist trost- und ausssichtsloser. Genauso ambivalent und offen wie das Ende des Filmes empfunden werden kann, ist der ganze Film gehalten. Eine klare, einfache Botschaft kann es wohl nicht geben.
Naruse verwendet in seinen Filmen sehr häufig Wettererscheinungen. Mal helfen diese, in gewissen Momenten eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen, oder nutzen (wie beispielsweise in "Meshi" ein Gewitter) diese für einen dramatischen Hintergrund besonders relevanter Handlungselemente. Andere Filme schaffen über den Titel einen symbolischen oder poetischen Anknüpfungspunkt zu den erzählten Geschichten (zum Beispiel bei "Flouting Clouds" oder "Scattered Clouds"). In "Sudden Rain" lassen sich eventuell beide Ansätze finden, doch überwiegt in meinen Augen der symbolische Aspekt. Ein Regenschauer kann hier vielleicht nicht mehr als nur eine kurze Unterbrechung der Alltagsroutine verstanden werden, aber darüberhinaus erschafft er möglicherweise Momente, die angestaute Spannungen hervorbefördern. Genauso wie sich das Licht bei einem kurzen Regenguss verändert, was übrigens wundervoll in einer entsprechenden Szene durch die Kamera eingefangen wurde, denn es wird spürbar dunkler als im sonst sehr lichtdurchfluteten Film, kann ein Schauer Emotionen und Dinge zu Tage bringen und schafft damit im übertragenen Sinne Hoffnung auf unbedingt notwendige Veränderungen.
Keinesfalls sollte ich die unglaublich starke Leistung von Setsuko Hara verschweigen. Ihr subtiles Spiel und das geheimnisvolle Lächeln sind perfekt für ihre Rolle in diesem Film. Einmal mehr zeigte sie hier, warum sie für mich zu den besten Schauspielern überhaupt gehört.
"Sudden Rain" liefert warmherzige Einblicke in ein zeitgenössisches Problem. Und trotzdem sprach mich der Film an und liess mich über eigenes Verhalten nachdenken. Auch wenn die Probleme der Eheleute im Film untrennbar mit ihrer aktuellen Lage verbunden sind, so lassen sich bestimmte Auswirkungen auf jede andere Zeit oder Situation übertragen. Und natürlich auch auf meine...
Der Name Cuarón steht unter anderem für Bildgewalt, für Emotion. Und genau das liefert auch der Sohn des berühmten Alfonso mit "Desierto". Doch ich verstehe Jonás Cuaróns Intention für diesen Film beim besten Willen nicht. Die ersten 20 Minuten machen noch Hoffnung und es entfaltet sich eine Moses-Flüchtlings-Parabel. Gael García Bernal spielt Moises, der seine mexikanischen Landsmänner, ähnlich wie der biblische Namensvetter Moses, der die Israeliten aus der Sklaverei des ägyptischen Pharaos erretten möchte, durch die Wüste führt. Die Flucht der Mexikaner als Exodus. Die USA als "gelobtes Land". Es läßt sich sogar eine Szene entdecken, in der García Bernal an der US-Grenze den Stacheldraht für seine Leute auseinander hält. Moises spaltet bildlich das Rote Meer. Doch dieses Gleichnis verpufft angesichts der peinlichen Menschenjagdgeschichte, die daraufhin folgt. Ich kann dann nur noch plakative Schwarzweiß-Malerei ausmachen, die womöglich auch noch falsch verstanden werden kann...
Das Elend der Ausgeschlossenen, Ausgenutzten und Ausgelaugten. Die Härte im Leben. Die Ungerechtigkeit. Aufopferung bis zum letzten, was gegeben werden kann. Keine Hoffnung auf Glück. Nur Frustration, Zorn oder Selbstaufgabe. Wenn denn mal jemand gegen die Situation aufzubegehren versucht, kann das kaum gut enden. Und so kommt, was kommen muss. Herzzerreißend und niederschmetternd!
Passend dazu Viscontis Annährung: Realismus - absolut, kompromisslos. Echte Menschen mit echten Problemen. Nicht Dokumentarfilm, aber auch nicht reiner Spielfilm. Die politische Botschaft sicherlich bewußt überzeichnet, fast naiv. Aber kraftvoll und menschenfreundlich. Vielleicht gibt es doch Hoffnung?
"Fenggui lai de ren - The Boys from Fengkuei" hat mich richtig überrascht. Hou Hsiao-hsien präsentiert hier einen Film über die Probleme Heranwachsender im Taiwan der 80er Jahre. Darüber hinaus thematisiert er damit erneut den Unterschied zwischen städtischem und ländlichen Leben. Doch anders als in "The Green, Green Grass of Home" steht nun die Stadt im Zentrum des Geschehens. Während im Vorgängerfilm ein Stadtmensch in eine dörfliche Gemeinde zieht, versuchen in "The Boys from Fengkuei" mehrere Jugendliche vom Land ein Leben in der Stadt aufzubauen. Und ganz anders als in "The Green, Green Grass of Home" wird das ländlichen Leben nicht romantisch verklärt. Es gibt Gewalt und Probleme, denen sie auf diesem Wege zu entfliehen versuchen. In der Hafenstadt Kaohsiung mit all ihren Möglichkeiten und Verführungen warten jedoch natürlich andere Probleme auf sie. Und natürlich ist auch die Liebe in diesem Alter alles andere als einfach.
Im Zentrum des Filmes steht Ah-Ching (gespielt vom späteren Regisseur Doze Niu Chen-Zer), der sensibelste, nachdenklichste und wahrscheinlich schlaueste der Jugendlichen. Er trägt eine ganz andere Last als seine Freunde. Sein Vater ist seit einem Sportunfall geistig behindert. Ah-Ching steht zwischen seiner Verantwortung und seinen Wünschen. In einigen wundervoll eingewobenen Rückblicken (oder eigentlich vielmehr Erinnerungen) wird dem Zuschauer das Innenleben Ah-Chings vermittelt.
Auch wenn in "The Boys from Fengkuei" ein gewisser Humor noch immer zu spüren ist, so überwiegt hier erstmals ins Hous Filmographie die später so typische Melancholie und Traurigkeit. Obwohl die Jungen noch nicht ganz erwachsen sind, ist die endende Unschuld der Jugend stark spürbar. Eine wirkliche Vorstellung von der persönlichen Zukunft haben sie jedoch noch nicht. Immerhin scheint Ah-Ching ambitionierter zu sein: Er lernt Fremdsprachen und ist motivierter als seine Freunde aus Fengkuei.
Hou Hsiao-hsien zeigt in "The Boys from Fengkuei" auch erstmals direkt seine Liebe zum internationalen Kino, die ihn wohl stark beeinflusst haben muss. In einer Szene kurz nach der Ankunft der Jugendlichen in Kaohsiung, sehen die jungen Männer einen Film im Kino. Dabei handelt es sich um Luchino Viscontis "Rocco und seine Brüder", in dem es um die Auswanderung einer Familie aus dem südlichen (ländlicheren) Italien in den industrialisierten Norden geht, sowie um den schwierigen Versuch einer Eingliederung in andere gesellschaftliche Umstände. Somit gibt dieser Kinobesuch eine Richtung vor. Doch "The Boys from Fengkuei" findet seinen eigenen, spezifischen Weg, der geprägt ist von episodenhaften Erlebnissen und einem eher offen gehaltenem Erzählstil. Aus meiner Sicht ist Hou hiermit ein wirklich großartiger Film gelungen!
"Zai na he pan qing cao qing - The Green, Green Grass of Home" ist einfach ein durchweg sympathischer Film. Aber noch vielmehr repräsentiert er Hou Hsiao-hsiens Übergang zu einem eigenständigen Stil. Nach zwei eher genretypischen Komödien (siehe "Cute Girl") folgte nun erstmals ein durchaus seriöser Film, der zwar immer noch leicht und locker daher kommt, aber auch interessante Themen aufgreift, die im Werk Hous stets eine große Rolle spielen. Da wäre beispielsweise der Unterschied zwischen städtischem und ländlichem Leben in Taiwan, auch wenn hier die Handlung fast ausschließlich in einem kleinen Dorf spielt. Noch ausgeprägter läßt sich dies unter anderem in "Liebe wie Staub im Wind" beobachten.
In "The Green, Green Grass of Home" wird von einem Lehrer aus Taipeh erzählt, der seine Schwester in einer Dorfschule ersetzt und sich in die Dorfgemeinschaft einfügen muss. In kleineren Episoden wird nebenbei vom Leben der Kinder berichtet. Auch die Verbindung zur Natur spielt eine große Rolle in diesem Film. Außerdem verliebt sich der Neuankömmling in seine attraktive Kollegin. Es lassen sich einige Elemente aus seinen romantischen Komödien wiederfinden, aber insbesondere was die Kameraarbeit anbelangt, wirkt dieser Film deutlich reifer und überlegter. Hou verwendet hier oftmals statischere Einstellungen als noch in "Cute Girl". Es gibt keine wilden Zooms und Schwenks mehr. Es lassen sich zudem einige großartige Kamerabewegungen entdecken, die stellenweise sogar ein wenig zu überraschen wissen. Insbesondere in Hinsicht auf die Kamera ist "The Green, Green Grass of Home" Hous erster wirklich ernst zu nehmender Film. Doch auch das Darstellen alltäglicher, fast nebensächlicher Ereignisse wie das Essen findet hier seinen Platz.
Noch viel mehr als in "Cute Girl" wird hier Hou Hsiao-hsiens Verehrung von Yasujiro Ozu deutlich, was sich unter anderem in den Kameraeinstellungen widerspiegelt. Aber darüberhinaus: Das Erscheinen des Lehrers sowie die abschließende Szene des Filmes werden wie bei einer Vielzahl von Ozus Werken durch an- beziehungsweise abfahrenden Zügen dargestellt. Züge nehmen hier überhaupt eine prägnante Stellung ein. Außerdem gibt es hier zwangsläufig viele witzige Szenen, in denen Schulkinder eine Rolle spielen, was wiederum beispielsweise an Ozus "Ohayo - Guten Morgen" erinnert.
"Jiu shi liu liu de ta - Cute Girl" ist ein kommerzieller Genrefilm, der alle Klischees romantischer Komödien bedient und stellenweise sicherlich etwas albern erscheinen kann. Da es sich hier allerdings um die Debütarbeit eines gewissen Hou Hsiao-hsien handelt, ist der Film einen Blick allemal wert, auch wenn noch nicht viel auf den berühmten taiwanesischen Regisseur hindeutet, der so großartige Werke wie "Die Stadt der Traurigkeit" oder "Liebe wie Staub im Wind" schuf. Trotzdem ist "Cute Girl" wirklich nicht schlecht und aufgrund seiner Naivität und Liebenswürdigkeit allemal unterhaltsam. Das Schauspiel erscheint mir stellenweise etwas übertrieben, aber insbesondere die zwei Hauptdarsteller, die beide eigentlich Sänger sind, machen ihren Job durchaus gut. Fong Jei Jei wird dabei dem Titel des Filmes übrigens mehr als gerecht...
"Cute Girl" ist angereichert mit typischen Popsongs der damaligen Zeit, die die Geschichte einer Liebe zwischen der modernen Wenwen, die sich jedoch familiären Zwängen gegenüber sieht, und einem naiven Tagträumer musikalisch unterstützen. Der Film weist die damals gängigen Kameratechniken auf: Wilde Zooms und Schwenks. Das mag überraschend erscheinen, da der eher eigenwillige Kinoästhet Hou aus heutiger Sicht für einen gänzlich anderen Stil steht. Es lassen sich jedoch auch bereits in "Cute Girl" einige Einstellungen finden, die an Plansequenzen erinnern könnten.
Erst auf dem zweiten Blick läßt sich eine interessante Nebenhandlung des Filmes entdecken, die hier etwas deplaziert wirkt und mich an einige Filme Yasujiro Ozus erinnert (wie beispielsweise "I Was Born, But..."). In dieser Nebenhandlung gibt es einen Adoptivsohn, der einen nüchternen bis enttäuschten Blick auf seinen scheinbar erfolglosen Vater haben muss. Zu ernst wird diese Nebenhandlung natürlich nicht, aber auch Ozu hat in seinen frühen Filmen stets die vordergründige Ernsthaftigkeit mit Heiterkeit gekontert. Hou Hsiao-hsien ist nachweislich ein großer Fan von Ozu, was beispielsweise in seinem Film "Café Lumière" offensichtlich wird, insofern liegen Vergleiche zum japanischen Meister nahe.
"La macchina ammazzacattivi - Die Maschine Bösetöter" ist ein sehr untypischer Film von Roberto Rossellini. Darin wird einem Fotographen von einem Dämon oder Teufel die Macht verliehen, mithilfe seiner Kamera diejenigen zu strafen, die Böses tun. Da das Böse im Auge des Fotographen liegt, wandelt sich sein anfänglicher Wunsch nach Gerechtigkeit zu offensichtlicher Selbstgerechtigkeit.
Rossellinis Humor ist schräg, aber auch etwas flach. Der Film ist durchaus witzig, jedoch für meinen Geschmack stellenweise etwas zu übertrieben. Leider hat mir das Ende überhaupt nicht gefallen. Insgesamt ist der Film allerdings sehr interessant, da man mal eine andere Seite von Rossellini kennenlernen kann.
Dokumentarfilme, die dringende Themen der Gegenwart adressieren, sind stets auch immer etwas problematisch. Sie sind entweder zu sachlich, um wirklich etwas zu bewegen oder Leute aufzurütteln, oder sie sind zu reißerisch und werden deshalb schnell als übertrieben, überemotionalisiert oder schlicht als Quatsch bezeichnet. Die Leute, die darin ihre Meinung vertreten, sind dann für einige Zuschauer Spinner oder Verschwörungstheoretiker. "Collapse" gehört leider zur zweiten Sorte: Auch wenn ich persönlich Michael Ruppert weitestgehend Recht geben würde und die Themen ebenfalls als extrem dringlich betrachte, gefällt mir der Film nur bedingt. Der Typ redet mir einfach zu gern von Horrorszenarien, wenn auch zweifelsohne professionell. Er hat offensichtlich Erfahrungen über Jahrzehnte in Diskussionen und Vorträgen sammeln können. Typisch amerikanisch, bringt er passend erscheinende Vergleiche und Bilder in seine Schilderungen ein. Dies verleiht ihm einen Anstrich von Wissen und Bildung. Schön und gut. Doch nicht immer sind diese Erläuterungen auch belegbar oder die Verknüpfungen hundertprozentig exakt. Er ist ein zorniger Prophet unserer Zeit. Und er hat mit vielen Recht. Ich fühle mit ihm! Doch das macht diesen Film leider nicht automatisch zu einem guten Film.
"Wu wu mian - No No Sleep" ist ein Teil einer Performancekunst-Kurzfilmreihe des taiwanesischen Regisseurs Tsai Ming-liang. In dieser Reihe zeigt Tsai dem Zuschauer stets einen Mönch (gespielt von seinem Lieblingsdarsteller Lee Kang-sheng), der sich als sogenannter Slow Walker in wunderbar entschleunigter Bewegung als Kontrast zu einer hektischen oder die Sinne überfrachtender Umgebung abzugrenzen versucht.
Mit "Xi You - Journey to the West" habe ich allerdings erst einen weiteren Teil dieser Walker-Serie gesehen. Der ist in Marseille angesiedelt (im ersten "Walker"-Film wurde zum Beispiel die chinesische Megametropole Hong Kong gezeigt) und läßt den Mönch fast eine ganze Stunde extrem entschleunigt die französische Hafenstadt bewandern. Ich fand diesen Film gut, nur erscheint mir die gespielte Entschleunigung dort etwas zu provokant und plakativ. "No No Sleep" hat mich nun in mehrerer Hinsicht positiv überrascht. Zum einen läßt Tsai den Mönch auf Tokio los (und allein die wunderbaren Bilder der japanischen Hauptstadt bei Nacht sind lohnenswert), zum anderen erscheint mir dieser Kurzfilm erheblich vielschichtiger. Der Film entfernt sich in meinen Augen auch etwas vom bisherigen Konzept. Es gibt im Grunde nur noch eine einzige Slow-Walking-Sequenz. Danach wurden andere Einstellungen gewählt, die den Mönch sowie den japanischen Schauspieler Andô Masanobu (der bezeichnenderweise eher in Actionfilmen zu sehen ist) bei alltäglichen Tätigkeiten zeigen: Sich waschen, baden, entspannen und schlafen (wobei letzteres nur dem Mönch geliegt, während sich Andô in seinem Schlafkämmerchen hin und her wälzt). Damit öffnet Tsai sein Konzept für breitere Ideen und zeigt gleichzeitig, dass auch als hektisch und größenwahnsinnig empfundene Metropolen wie Tokio ihre ruhigen, entschleunigten Seiten haben - ohne in Einsamkeit oder Melancholie abzurutschen. Ein Bild von Tokio, das ich übrigens selbst erleben durfte. Insbesondere bei Nacht kann die Hauptstadt Japans eine unglaublich beruhigende Wirkung haben. Gebrochen wird dieses ruhige Bild in Mittelteil des Filmes durch Aufnahmen fahrender U-Bahnen. Diese Einstellungen sind sowohl unglaublich dynamisch als auch wunderschön und beeindruckend. Da die Bahnen jedoch sehr spät abends fahren, sind sie relativ leer, was wiederum trotz der Dynamik als weniger hektisch empfunden werden kann.
Zusammenfassend erscheint mir "No No Sleep" insgesamt weniger als reine Performancekunst. Trotzdem stört mich die provokante Seite, für die Tsais Filme allgemein bekannt sind, weiterhin etwas, da sie in meinen Augen dann doch etwas zu demonstrativ und plakativ ausfällt. Wundervoll ist der Film jedoch allemal.
Will man über "Evolution of a Filipino Family" schreiben, so kommt man nur schwer um das wohl auffälligste Charakteristikum herum, das den Film ausmacht: Seine schier wahnwitzig anmutende Länge von etwa zehneinhalb Stunden (630 Minuten). Es gibt wohl auch eine neunstündige Version, zumindest findet man häufig eine Längenangabe von 540 Minuten (so auch hier). Die zusätzlichen 90 Minuten sind dann aber auch irgendwie egal...
"Evolution of a Filipino Family" stammt vom philippinischen Filmemacher Lav Diaz. Fast alle seiner Filme zeichnen sich durch Laufzeiten weit jenseits des Üblichen aus. Nicht selten sind sie acht, neun Stunden lang. "Evolution of a Filipino Family" ist darunter jedoch der längste. Und nicht nur das. Der Film, dessen Produktionszeit sage und schreibe 11 Jahre betrug, gehört damit zu den längsten Filmen überhaupt, wenn man mal experimentelle Kunstfilme ausklammert. Nur drei Werke sind tatsächlich noch länger und der Dokumentarfilm "Resan - The Journey" hält mit 14,5 Stunden den Rekord.
Lav Diaz dreht also gerne sehr lange Filme. Das Schauen dieser Werke verlangt vom Zuschauer natürlich eine Menge Geduld und eine gewisse Bereitschaft, sich auf solch einen Wahnsinn überhaupt einzulassen (und ja, ich kokettiere hier durchaus bewußt mit meiner Aussage). Trotzdem fiel mir das Schauen dann doch überraschend leicht. Zunächst muss ich jedoch zugeben, den Film über zwei Tage verteilt gesehen zu haben, was den Konsum natürlich erheblich erleichterte. Zum anderen liegt das aber wohl hauptsächlich an dem Stil von Lav Diaz. Der Regisseur gehört zu den wohl bekanntesten Vertretern des sogenannten "Slow Cinema". Er erzählt seine Geschichten sehr gerne langsam. Oder eigentlich gemeint ist hier: Die einzelnen Szenen haben einfach genau die Länge, die eine dargestellte Handlung in der Realität nunmal besitzen könnte. Stichwort Natürlichkeit! Wenn sich beispielsweise eine Gruppe von traurigen Menschen unterhält, gibt es dabei vielleicht auch längere Pausen, in denen sie sich selbst erst emotional und ihre Gedanken sammeln müssen. Das braucht seine Zeit. Will man gelangweilte oder müde Personen zeigen, ist das offensichtlich ähnlich. Auch beim Darstellen gewisser alltäglicher Aktivitäten (wie beispielsweise Kochen, Essen, Arbeiten oder ähnlichem) läßt sich Diaz sehr viel Zeit. Kontemplation ist dann auch nur ein Teilaspekt, den der Regisseur auf diesem Wege erzielen möchte. Ich persönlich finde seinen Ansatz großartig (sprich: ich mag so etwas sehr gerne). Gerade die Alltagsszenen zeigen sehr viel und berichten teilweise wirklich schön von der philippinischen Gesellschaft und dem ganz normalen Leben. Und da sich der Film zu großen Teilen aus solchen Szenen zusammensetzt, ist dies für den Zuschauer durchaus aushaltbar. Würde man 11 Stunden lang einer komplexen Handlung mit vielen Dialogen folgen müssen, könnte das sicherlich ganz anders aussehen.
Doch worum geht es in "Evolution of a Filipino Family" denn nun tatsächlich? Man könnte es vielleicht so zusammenfassen: Der Film zeigt politische Umstände und Veränderungen innerhalb der Philippinen auf, die sich über die 1970er und 1980er Jahre erstrecken (etwa 1971 bis 1987). Aufgegriffen werden unter anderem Themen wie Militärdiktatur, Armut, Kriminalität oder auch die Akzeptanz behinderter Menschen innerhalb der Gesellschaft. Diaz veranschaulicht dies am Beispiel der Familie der Gallardos, die sich aus Mitgliedern drei verschiedener Generationen zusammensetzt und aus einer dörflichen Gemeinschaft stammt. Der Zuschauer kann sie und ihre Entwicklungen über Jahrzehnte verfolgen (da kommt dem Film beispielsweise die unglaubliche Lange Produktionszeit zu gute, da man somit die Kindern auch tatsächlich etwas altern sieht). Damit erzählt der Film also auch über den Wunsch nach Familienzusammenhalt und die oft traurige Notwendigkeit von Trennung und Umsiedlung, denn nicht selten sind Männer gezwungen, illegale (oder als solche erklärte) Tätigkeiten nachzugehen. Sie lassen dabei jedoch ihre Frauen und Kinder mitunter alleine zurück, die dann wiederum mit der so entstandenen Situation zurecht kommen müssen.
Diese Familie liefert somit eine mal mehr oder weniger offensichtliche symbolische Darstellung bestimmter Momente in der philippinischen Geschichte. Im Grunde ist das größtenteils selbsterklärend. Man braucht als Zuschauer also nicht zwingend vertieftes Vorwissen, obwohl dies natürlich auch nicht schaden kann. Unterstützt wird die Handlung durch den Einsatz historischer filmischer Dokumente (Interviews, Aufnahmen von Demonstrationen etc.). Gebrochen wird das Ganze dann auch noch mit einem Diskurs über Zensur in Film und Kunst im Allgemeinen. Und auch dieser Aspekt wird später in die gezeigte Handlung verwoben. Obwohl der Film auf den ersten Blick sehr einfach erscheinen kann, wird doch im Verlauf sehr deutlich, wie vielschichtig er letztenendes dann tatsächlich ist. Es handelt sich bei "Evolution of a Filipino Family" also nicht ausschließlich um einen narrativen Film, doch ist er keinesfalls eine trockene Abhandlung geschichtlicher Prozesse. Die einzelnen Passagen des Filmes genügen dabei jedoch zunächst ausschließlich sich selbst. Sie wollen zuerst einmal verstanden und erfasst werden. Fast episodisch entfaltet sich erst dann nach und nach ein zusammenhängendes Konstrukt. Die dargestellten Charaktere stehen dabei stets außerhalb der behandelten Ereignisse. Sie sind nicht direkt Teil der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Man sieht vielmehr an ihnen exemplarisch den auf das an den "großen innerpolitischen Fragen" unbeteiligte Volk ausgeübten Einfluss, der durch die adressierten Ereignisse ausgeht. Im Fokus des Filmes liegt damit stets der Mensch als Teil einer Gesellschaft. Man bekommt Trauer, Leid und Hoffnung also durchaus als etwas sehr Menschliches vermittelt. Und genau darin liegt der große Zauber diesen Mammutwerkes. Mit ein bisschen Abstand weiß ich dies mehr und mehr zu schätzen.
Man könnte an dieser Stelle sicherlich auch über bestimmte Kritikpunkte an diesem Film sprechen, aber eigentlich spielen sie dann wirklich kaum eine Rolle. Auch die Bildqualität sollte tatsächlich keinen negativen Punkt darstellen. Sie vermittelt zum einen ideal ein Gefühl von Natürlichkeit, aber auch von Tristess und Trostlosigkeit, zum anderen passen sich die historischen Aufnahmen fast perfekt in die leicht wackeligen oder nicht immer optimal ausgeleuchteten Schwarzweißbilder des Filmes ein. Nebenbei: Diaz arbeitete hier mit verschiedenen Methoden: Mal drehte er mit 16mm-Matrial, dann nahm er ebenso mit digitaler Videotechnik auf. Wenn ich eine Sache nennen müßte, die mich vielleicht wirklich etwas stört, so könnte dies die stellenweise unbeholfen wirkende(!) Strukturierung von "Evolution of a Filipino Family" sein. Aber das ist schlußendlich auch Quatsch... Ich würde nun diesen Film nicht unbedingt so schnell noch einmal sehen wollen, aber die Erfahrung, die mir dieses Werk insgesamt brachte, läßt mich ohne Zögern und Zweifeln auf weitere Filme von Lav Diaz vorausblicken. Mit "Heremias" (2006) und "Melancholia" (2008) werden dank Mubi in den nächsten Wochen nämlich zwei weitere Werke von Lav Diaz folgen. Ich freue mich drauf!
Hey, ich bin ja auf dem Artikelbild. Na gut, nur mein Blog-Eintrag. Freut mich ja sehr, dass mein Bericht zur DOKOREA in diesem Monat die meisten Likes sammeln konnte, aber mal ehrlich: 17 erscheint mir jetzt keine große Zahl zu sein. Nicht unbedingt für meinen Artikel (da finde ich 17 schon mehr als okay), sondern für den "meistgemochtetsten" Eintrag des ganzen Septembers. Schreiben und lesen hier wirklich immer weniger Leute die Blog-Einträge?
Na gut. Ich bin diesmal zunächst auch dabei.
http://www.moviepilot.de/liste/horrorctober-2016-ein-versuch-stefan-ishii
"Les dames du Bois de Boulogne" war Robert Bressons zweiter Spielfilm. Die ersten 10 Minuten sind unglaublich stark und enden mit einer fantastischen Aufnahme von Maria Casarès Gesicht; mal stark beleuchtet, dann vollständig im Schatten; mit einem Blick in den Augen, der den Zuschauer so schnell nicht mehr los läßt. Zunächst unverständlich gibt es dann jedoch einen Bruch im Erzählfluss und die Geschichte schlägt eine andere Richtung ein. Erst später klären sich Zusammenhänge auf und eine Handlung entfaltet sich, die an "Gefährliche Liebschaften" erinnert. Bereits bei diesem Film verließ Bresson die typischen Wege und versuchte seinen eigenen Erzählstil zu finden. Er ist noch nicht so eigenwillig wie seine spätere Filme, aber keinesfalls konventionell geraten. Insbesondere die schleichende Verschiebung im Blickwinkel von einer Hauptfigur zur anderen innerhalb des Filmes sowie die unglaublich modern wirkenden Dialoge machen diesen Film wirklich faszinierend. Zum letzten Mal in seiner Karriere verfilmte Bresson ein Drehbuch, das nicht vollständig von ihm selbst stammte. Es basiert auf einem Werk von Diderot und die Dialoge wurden von Jean Cocteau verfasst. Außerdem setzte er in diesem Film letztmalig professionelle Schauspieler ein. Diese liefern jedoch denkwürdige Leistungen ab.
"Das Salz der Erde" hat mich nach einem zunächst etwas holprig erscheinen Start im Verlauf uneingeschränkt für sich eingenommen. Ich war schlicht und ergreifend überwältigt von diesem Dokumentarfilm. Was wie eine Huldigung zweier Filmemacher gegenüber einem (mir bis dahin leider nicht bekannten, aber wie sich herausstellen sollte doch extrem wichtigen) Fotographen beginnt, entwickelt sich zu weit mehr als eine Auseinandersetzung mit einem Künstler und dessen Arbeit. Das Handwerk des Fotographen spielt dann tatsächlich auch kaum eine Rolle. Was Wim Wenders und Juliano Ribeiro Salgado, der Sohn des in diesem Film porträtierte Fotographen, hier in knapp über 100 Minuten zusammenstellten, ist nicht weniger als die Essenz eines Lebens. Aber nicht nur das Leben eines Fotographen; vielmehr die nachvollziehbare Entwicklung im Leben eines Menschen.
Mit der Persönlichkeit Sebastião Salgados kann ich mich nahezu vollkommen identifizieren. Seine Gedanken und Ansichten, seine Interessen, Sorgen und Wünsche kann ich persönlich auch bei mir beobachten. Salgado ist zunächst als Dokumentar der Notleidenden und Schwachen aktiv. Er ist ein sozialer Fotograph, der sich für Menschen interessiert und ihre Not anklagt. Seine politische Arbeit hat ihn berühmt gemacht. Doch das was er beobachten mußte und was er der Welt in Form von Fotographien näher bringen sollte, hat ihn auch von dieser Arbeit abgekehrt. Der Horror und die unbegreifliche Traurigkeit, die ihm beim Anblick der Folgen menschlichen Fehlverhaltens überkommen haben muss, ist kaum in Worte zu fassen. Er konnte einfach nicht mehr und wollte sich anderen Themen widmen. Die Zuwendung zur Umwelt ist naheliegend. Doch er wollte nicht einfach die Zerstörung der Natur durch den Menschen anprangern, sondern interessierte sich in seiner Arbeit für die auf großen Teilen der Erde noch vorhandene unberührte Welt und wurde so etwas wie ein Landschafts- und Tierfotograph. Außerdem war Selgado mit nachhaltigen Projekten wie der Wiederaufforstung aktiv. Er schuf mit seinen breitgefächerten Arbeiten weit mehr als eine bloße Anklage. Er meckerte nicht nur, wie es leider allzu häufig der Fall ist, er nahm seine Berufung absolut ernst und zeigte Möglichkeiten und Ideen auf. Die Gesamtheit, die Sebastião Salgado ausmacht, hat mich absolut fasziniert und für sich eingenommen.
Die große Leistung, die Wim Wenders mit "Das Salz der Erde" erbrachte, liegt für mich in erster Linie in der Form und der Erzählweise. Er gewichtete die einzelnen Themen und Lebensabschnitte Selgados auf nahezu perfekte Weise. Der Film hat einen natürlichen Erzählfluss und keiner der aufgegriffenen Punkte dominiert den Film oder kommt zu kurz. Alles hat seine Zeit und seinen Platz. Einzig die für meinen Geschmack ein wenig zu ausgeprägte Herausarbeitung der Motivation der zwei unterschiedlichen Regisseure, an diesen Film heranzugehen, hätte ich mir zunächst etwas zurückgenommener gewünscht, kann aber im Nachhinein absolut damit leben; insbesondere wenn man sich das im Verlauf des Entstehungsprozesses herausgenommmene Material anschaut.
Wenders und Selgado jr. haben einem ganz großen Menschen ein filmisches Denkmal errichtet wie es nur selten der Fall ist. Und zeigen fast nebenbei die unbeschreiblichen Gräuel, Nöte und Fehltaten der Menschheit auf. Streckenweise saß ich mit Tränen in den Augen vor diesem Film!
Ich habe Keanu Reeves einmal persönlich erlebt. Er war zu einer Premierenveranstaltung der Dokumentation "Side by Side" gekommen, in der er als Sprecher fungierte. Und er saß während der Vorführung dann tatsächlich direkt vor mir. Der Typ ist echt unglaublich hippelig und kommt dabei total sympathisch rüber, dass man ihn einfach mögen muss. In den letzten Jahren (oder sogar Jahrzehnten) konnten man diese Seite an ihm in seinen leider oftmals eher mittelmäßigen Filmen mit den doch sehr stereotypen Figuren kaum noch entdecken, aber am Anfang seiner Karriere spielte Keanu Reeves oftmals Figuren, die seiner Persönlichkeit und seinen natürlichen Verhaltensweisen sehr ähnlich waren. Neben "Der Prinz von Pennsylvania" oder "My Own Private Idaho" blieb mir da ein Film ganz besonders in Erinnerung: "Das Messer am Ufer" ("River’s Edge") aus dem Jahr 1986 unter der Regie von Tim Hunter, der eher für Arbeiten bei diversen TV-Serien bekannt ist.
"Das Messer am Ufer" zeigt uns eine Gruppe von Drogen nehmenden, orientierungslosen, faulpelzigen High-School-Freunden. Einer aus dieser Gruppe namens Samson tötet seine Freundin. Doch statt sich der Polizei zu stellen oder die Leiche verschwinden zu lassen, zeigt er seinen Kumpels den toten Körper, um damit anzugeben. Doch darüber, wie die Jugendlichen mit diesem Wissen umzugehen haben, gibt es innerhalb der Gruppe verschiedene Ansichten. Während die meisten Teenager (inklusive Keanus Charakter Matt) eher die Tat anzeigen möchten, setzt sich der von Crispin Glover famos verkörperte Layne für Geheimhaltung und sogar für Flucht aus dem Bundesstaat ein. Die Dynamik innerhalb der Gruppe wird noch einmal interessanter, als etwas Unerwartetes geschieht.
Regisseur Tim Hunter und Drehbuchautor Neal Jimenez zeigen in "Das Messer am Ufer" ihr Verständnis für die orientierungslos agierenden Jugendlichen und zeichnet damit ein glaubwürdig wirkendes Porträt einer hoffnungslosen Generation von Menschen in einer desillusionierten Gesellschaft der 80er Jahre. Im Grunde thematisiert der Film damit auch das Scheitern des amerikanischen Traumes. Doch er verurteilt seine Charaktere zu keinem Zeitpunkt. Er zeigt uns einfach Jugendliche, die (natürlich schockierende) Fehler machen. Dabei kann er auf einige wunderbare Jungschauspieler, die am Anfang ihrer Karriere standen, zurückgreifen. Neben Keanu Reeves und Crispin Glover ist zum Beispiel die wunderbare Ione Skye ("Wayne’s World" oder "Four Rooms") zu sehen. Aber auch Daniel Roebuck als Samson oder Joshua John Miller ("Near Dark") liefern starke Leistungen ab.
In einer weiteren Nebenrolle kann man Dennis Hopper entdecken, mit dem Keanu Reeves acht Jahre später in "Speed" erneut zusammen arbeiten sollte. Mit Speed war Keanus Aufstieg in Hollywood nicht mehr aufzuhalten, doch die kleinen frühen Filme dieses wunderbaren Schauspielers sind für mich persönlich die wirklichen Perlen in seiner Filmographie.
[Dieser Text ist Teil eines Artikels zu Ehren des Geburtstages von Keanu Reeves. Den kompletten Artikel kannst du hier lesen: http://www.moviepilot.de/news/let-s-sing-a-birthday-song-for-keanu-reeves-177037 ]