Tobi_G93 - Kommentare

Alle Kommentare von Tobi_G93

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    Tobi_G93 28.12.2021, 12:43 Geändert 28.12.2021, 14:52

    Mit Drehbüchern zu 80er Jahre Kultfilmen wie "Hitcher, der Highway Killer" oder Kathryn Bigelows Thrillern "Near Dark" und "Blue Steel" konnte Eric Red erste Bekanntheit erlangen und offenbarte zudem ein gewisses Talent, solch düstere Stoffe als Drehbuch stimmig aufzubereiten. Den ersten (gelungenen) Ausflug auf den Regiestuhl wagte er mit dem brutalen Thriller "Hitman - Cohen and Tate", mit dem er nun erstmals ein selbst verfasstes Drehbuch verfilmte.
    Seine nunmehr dritte Arbeit ist der flotte B-Movie-Horror "Bad Moon" (1996), für den er sich am Werwolf-Motiv bediente.

    In angenehm kompakter Laufzeit von gut 75 Minuten verliert Red keine Zeit und inszeniert ein effektiv umgesetztes Bedrohungsszenario. Eine alleinerziehende Mutter mit Kind, die zusammen in einem kleinen amerikanischen Bergdorf am Waldrand leben. Der Bruder und Onkel kommt die beiden nach einem längeren Urlaub in Nepal besuchen.
    Doch mit seiner Ankunft ereignen sich merkwürdige Vorfälle. Der Hund der Familie spielt plötzlich verrückt. Zudem wird im umliegenden Wald ein menschlicher Leichnam entdeckt. Etwas stimmt hier ganz und gar nicht...

    "Bad Moon" weiß um seine Stärken und holt aus seinem begrenztem Budget doch einiges an Wirkung heraus. Indem das Publikum schon zu Beginn ins Boot geholt wird, was hier genau vor sich geht, schafft Red einen merklichen Suspense-Faktor, womit schon einiges an Spannungspotenzial erzeugt wird, das zu weiten Teilen auch ausgeschöpft wird. Zudem wird dem Geschehen nach und nach eine gewisse tragische Note verliehen, indem der Werwolf-Mythos als unheilbare Krankheit etabliert wird, der der jeweilige Mensch vollends ausgeliefert zu sein scheint. Nur im Tod die Erlösung findend.
    Deutlich an seine (Budget)-Grenzen stößt der Film leider in den Transformations-Effekten, die für meinen Geschmack sehr trashig und kaum überzeugend ausgefallen sind. Da arbeiteten Filme wie insbesondere "American Werewolf" oder auch "Company of the Wolfs" schon 10 Jahre zuvor deutlich überzeugender mit den Special Effects. Ansonsten ist das ein gut schaubarer, knackiger Genrefilm.

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      Tobi_G93 26.12.2021, 17:48 Geändert 26.12.2021, 19:21

      Filmdreh gone bad.
      Gaspar Noes aktuellster Film "Lux Aeterna" (2019) verlagert das Geschehen in die Filmbranche itself. Keine neuartige, innovative aber eine in der Regel sehr reizvolle Idee, die Noe auf audiovisuell durchaus interessante Weise zu bespielen weiß.
      Nach einer für den Regisseur üblichen, nachdrücklichen Epilepsiewarnung (zurecht, wie sich herausstellen sollte) wird das Publikum in ein Filmset hineinbefördert, wo Dreharbeiten zu einem Film über Hexenverbrennungen an der Tagesordnung stehen.
      Beatrice Dalle fungiert als Regisseurin, mit Charlotte Gainsbourgh als Lead Actress, wobei sich der gesamte Cast des Films im Grunde selbst spielt.

      Das Ganze beginnt vorerst entspannt, wenn sich Dalle und Gainsbourgh über ihre Vorlieben am Set und "spaßige" Vorfälle bei Nacktszenen unterhalten oder beizeiten noch über künstlerische Haltungen von Filmregisseuren meditieren und philosophieren. Und Noe zudem noch seine neueste Entdeckung, die Verwendung von Splitscreens, in schicker, anfangs pointless erscheinender Umsetzung präsentieren darf.
      Doch mit dem Beginn der Dreharbeiten kippt die chillige Stimmung merklich, insbesondere weil sich der angedachte Dreh als unstrukturiertes, von Hysterie und aggresiver Umgangsform geprägtes Chaos entpuppt. Dies verleiht nun auch der übermäßigen Verwendung des Splitscreens endlich seine Daseinsberechtigung, denn das chaotische Treiben wird durch den entsprechenden Overload an Eindrücken und Klängen eindringlich übermittelt.

      Unverkennbar ist Noes krtitische Haltung bezüglich der Fimbranche, die er hier vermitteln will. Am Set herrscht ein rauer, durchweg aggressiver und feindseliger Umgangston, wodurch die Produktivität zumeist stark darunter zu leiden hat.
      Zudem verfolgen einige der Involvierten beinah ausschließlich Eigeninteressen, die sie gar mit böswilligen Kampagnen und Intrigen durchzusetzen versuchen.
      Die schon längst merklich beunruhigende Note bringt Noe in den finalen 10-15 Minuten schließlich vollends zur Esklalation, wenn sich der Filmdreh in einem irrsinnigen Taumel aus hysterischem Wahnsinn und komplett entfesselter Psychedelik verliert.
      Ein ultimativer Epilepsie-Alptraum, in dem sich Noes Film im blinkendem Nichts verselbstständigt und komplett auflöst. Das ewige Licht wird zum ewigen Nichts. Schwindelerregend unbequem.
      Kann man mögen, muss man aber nicht.

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        Tobi_G93 22.12.2021, 14:34 Geändert 27.12.2021, 14:43

        Jamie M. Daggs Thriller "Sweet Virginia" (2017) könnte kaum eindringlicher beginnen:
        Eine verschlafene Kleinstadt in der tiefen Provinz Alaskas. Am späten Abend betritt der mysteriöse Einzelgänger Elwood (Christopher Abbott) eine spärlich besuchte Kneipe, wo zur späten Stunde nur noch der Besitzer und dessen zwei Freunde anzutreffen sind. Auf kaltblütige, schnörkellose Weise werden die drei Männer von dem geheimnissvollen Besucher hingerichtet, der genauso schnell wieder verschwunden ist, wie er unvermittelt auf der Bildfläche aufgetaucht war.
        Szenenwechsel: Der ehemalige Rodeo-Champion Sam (Jon Bernthal) betreibt das ortsansässige Motel „Sweet Virginia“. Mit seiner physischen Präsenz und dem muskulösen Körper sieht dieser wie ein harter, unverwundbarer Kerl aus, doch hinter der Fassade verbirgt sich eine gebrochene, gequälte Seele, die immerzu mit ihren Dämonen zu ringen hat. Da kommt die neu geschlossene Freundschaft mit dem neuen, zwielichtigen Hotelgast gerade recht...

        "Sweet Virginia" war für mich eine positive Überraschung, ein Film, von dem ich bis gestern nie etwas gehört hatte und grundsätzlich vergleichsweise unbekannt zu sein scheint. Deutlich zu Unrecht.
        Bei Jamie M. Daggs Film handelt es sich um eine grimmige, atmosphärisch großartige Neo-Noir Kleinstadtballade, lansgam und ausgesprochen fiebrig vor sich hin brodelnd. Daggs Film macht insbesondere unter atmosphärischen Gesichtspunkten bisweilen den Eindruck, als hätte ein Jeremy Saulnier spontan für eine Doppelfolge "Twin Peaks" das Regiezepter übernommen.
        Dabei jedoch die für die Serie typischen Ausflüge in surreale Gefilde und den schwarzen Humor außen vor gelassen, und stattdessen durch eine feinsäuberlich abgeschmeckte Portion Gewalt und eine unbehagliche, konstant an den Nerven zerrende Grundstimmung ersetzt. Zudem weckt die düstere Charakterstudie verlorener Existenzen und gequälter Seelen durchaus auch Erinnerungen an die großartige erste Staffel "True Detective". Insofern eine klare Empfehlung, eine schicke, wahnsinnig atmosphärische Nummer.

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          Tobi_G93 21.12.2021, 14:16 Geändert 21.12.2021, 16:51

          "No one takes photographs of something they want to forget."

          Von täuschenden Fassaden, Trugbildern und Vergänglichkeit.
          Seymor „Sy“ Parrish (Robin Williams) arbeitet bei einer Einkaufskette als Entwickler von Fotos. Stets mit einem Lächeln auf den Lippen und freundlichem Habitus übergibt er Tag für Tag die Bilder seinen Kunden. Insbesondere für Familie Yorkin, die ihm beinah tagtäglich neue Bilder zur Entwicklung vorbeibringen, pflegt er große Sympathien.
          Doch hinter dem vordergründig freundlichen Auftreten befindet sich ein sehr einsamer, trauriger Mann, mit psychopathischen Tendenzen.
          Denn er stalkt seine "Lieblingsfamile" auf obsessive Weise und bewahrt die oftmals intimen Familienphotos bei sich zu Hause auf, die er allesamt als eine Art Altar an der Zimmerwand angelegt hat. Als sich ihm Risse hinter der scheinbar heilen Familienwelt offenbaren, spitzt sich die Lage dramatisch zu...

          Mark Romaneks Psychothriller "One Hour Photo" (2002) handelt vordergründig von Einzelschicksalen, doch in erster Line werden die Ambivalenzen des Lebens behandelt, die sich bei detaillierter Betrachtung auf die Dinge offenbaren. Als Leitmotiv dient die Fotographie, bzw. die Meditation darüber.
          Wann und wieso möchte man einen Moment festhalten?
          Fotos als Erinnerungsfragmente eines einzelnen Augenblicks, den man entsprechend festhalten möchte. Asoziationen zu einer vergangenen Zeit?
          Fotos als potenziell falsche Wahrheit, als Trugschluss. War jene Zeit wirklich schön und positiv, nur weil auf dem Bild gelacht wurde? Negative Asoziationen zu einem vordergründig positivem Bild? Das Bewusstwerden von Vergänglichkeit?
          Fotos als abstrakter, kontextloser Gegenstand. Als Kunstmedium!!

          In "One Hour Photo" schildert Romanek vorerst eine spezielle Variante der Home-Invasion. Nicht auf physischer Ebene wie z.B. in einigen Terrorfilmen, sondern auf abstrakte, virtuelle, theoretische Weise, in Form der Familienfotos, die Sy an den intimen Familiensituationen teilhaben lassen. Diese weiß natürlich von nichts.
          Sy geht es um die perfekte Familienidylle, die er in seinen eskapistischen Tendenzen vollends genießen und eigentlich auch ausleben möchte. Die er selbst niemals hatte.
          Doch die Bilder von Familie Yorkin "lügen", zeigen eine falsche Wahrheit, ein Trugbild der heilen Familienwelt (Filme wie "Borgman", "Cache" oder "The Killing of a Sacred Deer" lassen hier unverkennbar grüßen).
          Deshalb möchte Sy final endlich "ehrliche", wahrhaftige Fotos schaffen, auf denen die Wahrheit der zerbrochenen Familienidylle klar dokumentiert wird.
          Ein sehr gelungener, inszenatorisch wunderbar durchdachter (alleine die sterile, ungemein kühle Welt, in der Sy umherwandelt) Thriller, der leider gegen Ende durch die abgedroschenen Psychologisierungsansätze schon einen gewichtigen Kritikpunkt offenbart. Ansonsten ist das makelloses Thrillerhandwerk.

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            Tobi_G93 18.12.2021, 11:35 Geändert 10.12.2024, 13:03

            Teil 1 war, wenn man ehrlich ist, ein seichter, tendenziell belangloser Teenie-Slasher nach abgedroschenen Genremustern, der im stimmungsvollen alpinen Setting zumindest akzeptable Unterhaltung bot.
            Mit der Fortsetzung "In 3 Tagen bist du tot 2" gelingt Regisseur Prochaska nun auch nicht unbedingt eine Genre-Offenbarung, glücklicherweise wagt er aber deutlich mehr, geht merklich kompromissloser, radikaler und erwachsener an die Geschichte heran.
            Diesmal verschlägt es das "Final girl" vom ersten Teil in ein winterliches Tirol, auf der Suche nach ihrer verschollen geglaubten Freundin.
            Doch "oben auf der Alm sin’ die Leut’ verrückt". Sie gerät in die Fänge einer brutalen Hinterwäldler-Familie...

            Ganz im Geiste der 70er entfacht Prochaska grimmigen Backwood-Terror mit erstaunlich derber Gewalt (Fsk 16 What?) und knüppeldicker Atmosphäre.
            Die inszenatorische Finesse ist im Vergleich zum Vorgänger klar gestiegen, es werden mitunter tolle Aufnahmen präsentiert und eine schaurige winterliche Alpenatmosphäre erzeugt. In dieser Disziplin erinnert der Film viel mehr an Prochaskas späteren Erfolg "Das Finstere Tal", der sich durch eine ähnlich beklemmende Grundstimmung auszeichnete.
            Nun leider zwei große "Aber":
            Die üppige Laufzeit von knapp 115 Minuten gibt der Stoff nicht mal im Ansatz her, sondern maximal 90-95 Minuten. Dadurch kommt es zwangsläufig zu einigen Längen, wodurch die Geschichte oftmals ohne Not an Drive verliert.
            Zudem lässt es sich Prochaska nicht nehmen, gegen Ende eine völlig bescheuerte Wendung einzubauen, die unter logischen Gesichtspunkten schlicht Schwachsinn ist, und mehr wie ein möglichst effekthascherischer Knalleffekt wirkt, ganz im Stile von Regie-Nulpe M. "Twist" Shamalamadingdong.
            Macht im Endeffekt zwar passables, aber schnell wieder vergessenes Genrekino.

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              Tobi_G93 17.12.2021, 12:04 Geändert 21.04.2022, 19:46

              "I don't know if what is happening is fair, but it's the only thing I can think of that's close to justice."

              Der heilige Hirsch ist gestorben. Zeit, um Sühne zu leisten.
              Ein in totale Schwärze gehüllter Fernsehbildschirm. Erhaben und mit zugleich latentem Unbehagen ertönt Franz Schuberts großartiges Stück "Stabat Mater in F minor", wie der Beginn eines unheilvollen Traums. Dann der Schnitt. Eine Operation am offenem Herzen füllt das komplette Bild. Irritiert und leicht angeekelt möchte man wegsehen, doch die Immersion aus Klang und Bild ist einfach viel zu intensiv.
              Nach diesem eindringlichem Intro etabliert Yorgos Lanthimos wie auch in vorangegangenen Arbeiten eine merkwürdig verfremdete Welt, die zwar nicht stark aber dennoch merklich um einen gewissen Dreh verzerrt und ver-rückt erscheint.
              Emotionslose, kalte Menschen, die banale, absurde Konversationen führen.
              Da wären unter anderem ein spontaner Austausch über sämtliche Körperbehaarungen oder die unvermittelte Aussage über die erste Menstruation der Tochter. Dadurch bewirkt Lanthimos schon bevor die Geschichte in Gang gesetzt wird ein permantes Gefühl der Irritation und Verunsicherung.

              Für "The Killing of a Sacred Deer" (2017) bedient sich der Regisseur an der griechischen Mythologie, genauer gesagt beim Mythos der Iphigenie, den er nun in die USA verlagert, um irgendwo zwischen pechschwarzer Zynik, klinisch-analytischem Schrecken und bitterer Tragödie eine verstörende sowie groteske Geschichte zu erzählen.
              Lanthimos gibt sich dabei durchweg deutlich genrenäher als in allen seiner vorigen Werken, wenn schon zu Beginn eine subtile Art der Home-Invasion geschildert wird, in der Teenager Martin (Barry Keoghan) mit stoischer Ruhe und zugleich eiskalter Bosheit in das Familiengefüge um Vater Colin Farrell und Mutter Nicole Kidman und deren Kinder eindringt.
              Allerdings nicht unbedingt als menschliche Existenz (echte Menschen existieren hier sowieso nicht), sondern viel mehr wie ein unaufhaltsamer, böser Fluch, eine übernatürliche Kraft, als fleischgewordene Verkörperung des archaischen "Auge um Auge - Zahn um Zahn"-Prinzips.
              Den mythischen Racheplot benutzt der Regisseur da fast schon mehr als Vehikel, um insbesondere die Fragilität familiärer Strukturen offenzulegen, diese mittels einer unglaublichen boshaften Fragestellung komplett zu zerrütten, und letztendlich die ausweglos scheinende Tragödie radikal anzusteuern.

              Wen würde man denn als Gegenleistung, die im Film erbracht werden muss, töten? Die Mutter, die zumindest vergleichweise lange leben durfte? Das jüngere Kind? Oder das ältere Kind?
              Man kann ja immerhin nochmals für neuen Nachwuchs sorgen. Aber was ist denn der Wert eines Menschen? Ein derartiger Ausgleich scheint doch total absurd.
              Den Weg zum pechschwarzen, grotesk-bösartigem Finale zelebriert Lanthimos in inszenatorischer Perfektion mit Momenten voller beunruhigender Bedrohung und begibt sich zuweilen in grimmige Terrorgefilde.
              Da bewirkt auch der oftmals aufkeimende Humor schwärzester Art kaum etwas, denn das Lachen wird gewiss im Halse stecken bleiben.
              Darstellerisch würde ich insbesondere zwei Charaktere gesondert hervorheben.
              Zum einen Colin Farrell, der den Chirurg und Familienvater Steven und dessen Wandel irgendwo zwischen selbstverliebter Arroganz und im Filmverlauf hilflosen, mehr und mehr die Fassung verlierenden Vater sehr überzeugend und glaubhaft übermittelt.
              Das heimliche, schauspielerische Highlight stellt für mich allerdings die Figur des 16-jährigen Racheengels Martin dar, die Barry Keoghan mit einer wahnsinnig undurchsichtigen, beängstigenden Aura phänomenal darstellt und dadurch so einige unbequeme Schauer beim Zuschauer bewirken kann.
              Lanthimos Magnus Opum? Ich denke schon.

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                Tobi_G93 14.12.2021, 16:46 Geändert 15.12.2021, 09:10

                "Do you know what Dad will do if he finds out I lick your keyboard?"

                Ein Film so angenehm wie das gewaltsame Entfernen eines Eckzahns (der "Dogtooth").
                Eine "Katze" ist eine lebensgefährliche Bedrohung, da sie Menschen gerne mal als potenzielle Beute anfällt und verspeist.
                "Zombies" wachsen und gedeihen auf Wiesen, und verleihen der Natur einen besonderen Duft, denn es handelt sich wie jeder weiß um kleine, gelbliche Blumen.
                Und bei einem "Keyboard" handelt es sich um... naja das wird in obigem Zitat schon genug beschrieben.

                Je nach Weltbild und Prägung können diese "interessanten" Statements durchaus zutreffen, so zeigt es uns der eigenwillige griechische Regisseur Yorgos Lanthimos in seiner völlig bizarren Groteske "Dogtooth" (2009).
                Seiner zweiter Spielfilm versteht sich mehr als eine Art filmisches Experiment oder als Versuchsanordnung, mittels dem sich der Regisseur gewissen Fragestellungen annähert, seinen Gedanken zu verschiedensten Themen und Motiven freien Lauf lässt und diese perfide wie radikal durchspielt.
                Wie fassen Menschen die Welt auf, wenn ihnen vom frühesten Kindesalter verzerrte, ver-rückte Ansichten präsentiert werden?
                Ahnt er, dass hier etwas in eine gänzlich falsche Richtung läuft und wird er diese (falschen) Informationen irgendwann hinterfragen?
                Und wann und wodurch würde ein solches, totalitäres (Erziehungs-)System dann überhaupt kollabieren? Ist es nicht in der heutigen Zeit (Medien) ein von Anfang an zum Scheitern verurteiltes Unterfangen und der Kollaps schon längst determiniert?
                Wie funktioniert "Erziehung" überhaupt? Ist der ganze Prozess der Prägung einer Person nicht nur eine Art von Konditionierung?

                Diese und noch unzählige weitere Fragen stellen sich ununterbrochen während der Sichtung von "Dogtooth" und auch noch lange danach. Viele Antworten darauf will Lanthimos allerdings nicht geben, sondern insbesondere den Prozess der Auseinandersetzung mit etlicher dieser Themen beim Publikum in Gang setzen.
                Was Lanthimos sonst noch genau damit aussagen will, ist in der Vielschichtigkeit des Films kaum zu bestimmen.
                Eine Abrechnung mit den patriarchischen Strukturen (in Griechenland)? Naheliegend.
                Oder gar als eine Art politische Parabel weitergedacht. Kann die hier gezeigte, faschistoid anmutende Familienstruktur auf die Gesellschaft als Ganzes weitergesponnen werden. Werden wir nicht alle auch durch Politik, Medien und co. insbesondere in diesen Corona-Zeiten "gebrainwasht"? Und wie frei sind wir denn wirklich?
                Wie viel Realitätsbezug in diesem Stoff steckt, wird darüberhinaus in so unbegreiflichen, schrecklichen Taten wie im Fall "Josef Fritzl" überdeutlich.
                Entsetzlich irritierend, was Lanthimos hier vorsetzt.

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                  Tobi_G93 13.12.2021, 14:26 Geändert 13.12.2021, 18:37

                  Ehe der österreichische Regisseur Andreas Prochaska mit seinem grimmigen Heimatfilm-Western "Das Finstere Tal" im Jahr 2014 deutlich auf sich aufmerksam machen konnte, wagte er schon zuvor erste vorsichtige Gehversuche in Genregefilden.
                  Der Teenie-Slasher "In 3 Tagen bist du tot" (2005) ist davon sicherlich der erste nennenswerte Beitrag, der zumindest handwerklich routiniert und stimmungsvoll vorgetragen wird.
                  Storytechnisch ist Prochaskas Film ansonsten total beliebig und leider auch vergleichsweise belanglos.
                  Im Grunde wird der (grundsätzlich schon lahme) Plot aus "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" in ein zugegebenermaßen sehr stimmingsvolles Alpensetting ins österreichische Salzkammergut verlagert. Inklusive herrlich lässigem Dialekt.
                  Ansonsten kurbelt Prochaska die nur ansatzweise spannende Geschichte nach Schema F herunter, findet immerhin hier und da nette Spannungsmomente und auf ein Paar kurze blutige Gewaltmomente muss auch nicht vollends verzichtet werden.
                  Insgesamt zumindest keine totale Vollgurke, über fades Mittelmaß kommt Prochaska hier jedoch keineswegs hinaus.

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                    Tobi_G93 11.12.2021, 11:56 Geändert 11.12.2021, 12:16

                    "Animals - Stadt Land Tier" (2017) ist mal wieder ein gelungenes Beispiel für aufregendes deutschsprachiges (Genre)Kino.
                    Anna (Birgit Minichmayr), eine Kinderbuchautorin, plant zusammen mit ihrem Mann Nick (Philipp Hochmair) sich einen Sommer lang eine Auszeit von dem stressigen Wiener Stadtleben zu nehmen und die sonnigen Monate auf einer abgeschiedenen Berghütte in der Schweiz zu verbringen.
                    Eine Bekannte ihres Mannes soll unterdessen die leere Stadtwohnung auf Vordermann halten. Während der Anreise in die Schweiz ereignet sich jedoch ein Autounfall, doch nach kurzem Krankenhausaufenthalt können die Beiden ihre Pläne fortführen. Dennoch stimmt etwas nicht, denn nach und nach kommt es in der Folge zu rätselhaften Zwischenfällen...

                    Basierend auf Jörg Kalts gleichnamiger Romanvorlage inszeniert der polnische Regisseur Greg Zglinski den Stoff als kühl-hypnotisches, düsteres Rätselkino mit nicht geringem Mindfuck-Faktor. Schnell führt Zglinski das übergeordnete Beziehungsdrama über eine kriselnde Ehe an seine Grenzen, wenn er seine Figuren wie das Publikum in einen zunehmend grotesken Mahlstrom aus verfremdeten Wahrnehmungsebenen, unklaren Zeitsprüngen und irrationalen Identitätsverwischungen hineinbefördert, irgendwo zwischen Lynch, von Trier und Lanthimos.

                    Da lässt sich der Regisseur nicht lumpen und geht erstaunlich radikal vor.
                    Immer wieder füht die elliptische, surreal angehauchte Erzählweise aus abrupten Perspektivwechsel, zerfaserter Chronologie und alptraumartigen Passagen das Publikum in ein Gefühl permanenter Irritation und Desorientierung.
                    Bei allem Zustand der Verwirrung ist "Animals" dennoch clever genug, um die entscheidenden Motive um Eifersucht, Misstrauen und Untreue so klar und greifbar anzuskizzieren, um gegen Ende zumindest auf asoziativer Ebene genug Futter für Interpretationsspielraum herzugeben.
                    Schönes deutschsprachiges Mindgame-Experiment.

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                      Tobi_G93 10.12.2021, 18:29 Geändert 10.12.2021, 18:43

                      Der introvertierte Kleinganove Leo (Mark Wahlberg) kehrt nach einem Gefängnisaufenthalt ins heimatliche Queens zurück, um die kriminelle Vergangenheit hinter sich zu lassen und dort endlich sein Leben in geerdete, solide Bahnen zu manövrieren. Ein Job bei seinem Onkel (James Caan), einem Bahnbaumagnaten, soll Abhilfe schaffen, wo er seinen Jugendfreund Willie (Joaquin Phoenix) bei Organisitionsaufgaben unterstützen soll.
                      Was Leo nicht weiß, ist das der Unternehmenserfolg des knallharten Geschäftmanns auf Korruption und zwielichtigen Geschäftspraktiken fußt. Widerwillig lässt er sich deshalb auf einen längst zur Routine gewordenen Sabotageakt ein, doch dieser läuft vollends schief und die Lage eskaliert auf fatale Weise...

                      Ähnlich wie schon sein großartiges Regiedebüt "Little Odessa" ist James Gray mit seiner zweiten Regiearbeit "The Yards" (2000) ein ruhiges, und dennoch sehr intensives, aufwühlend wuchtiges Thrillerdrama gelungen. Wie auch im vorangegangenen Film liegt der Fokus weniger auf einer spektakulär vorgetragenen Geschichte, sondern auf den sensibel und mit viel Empathie begleiteten Figuren, die trotz ihrer Fehler nicht verteufelt werden, sondern als "normale Menschen" gezeigt werden, die zumindest versuchen, den "richtigen" Weg zu wählen.
                      Die Komplexität von "The Yards" offenbart sich demnach mehr in den Details der Geschichte, in der Charaktertiefe der Figuren und den moralisch schwierigen, perspektivisch vielseitig auslegbaren Konstellationen, in denen sie sich die Figuren befinden.

                      Gray erzählt eine pessimistische, von Korruption, Verrat und falschen Freundschaften geprägte Geschichte, in der jeder für sich selbst sorgen muss, um den Kopf noch irgendwie aus der Schlinge zu bekommen. Ab einem gewissen Punkt gibt es leider für die Protagonisten kein "richtig oder falsch" mehr, viel eher stellt sich nur noch die Frage, wie die problematischen Folgen für einen selbst möglichst klein gehalten werden können. Doch das sich die längst verselbstständigte, stetig voranschreitende Spirale aus Betrug und Gewalt seine Opfer fordern wird, ist gewiss. Und wenn sich die an und für sich unbeteiligten Hinterbliebenen jener Opfer als die letzendlich größten Leidtragenden offenbaren, hat sich das fatalistische Ausmaß der Situation jäh bestätigt.
                      Eine bittere Pille.

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                        Tobi_G93 07.12.2021, 11:31 Geändert 07.12.2021, 13:07

                        Mittelmäßiger Thriller von Roger Donaldson ("No Way Out"), der zwar auf solidem, anspruchslosem Niveau durchaus unterhalten kann, jedoch das vorhandene Potential aus seiner prinzipiell sehr vielversprechenden Prämisse kaum auszuschöpfen vermag.
                        Eine mysteriöse Vereinigung, angeführt von dem charismatischen Simon (Guy Pearce), wendet sich an den Lehrer Nick Gerard (Nic Cage), nachdem dessen Frau Laura (January Jones) brutal vergewaltigt wurde. Sie unterbreiten ihm das Angebot, den Täter zur Strecke zu bringen. Allerdings mit dem nicht unwichtigen Hinweis, er müsse in der Zukunft kleinere Gegenleistungen für die ominöse Gruppierung übernehmen.
                        Nach kurzer Evaluierung stimmt er dem Angebot zu, was sich in der Folge als grober Fehler erweist...

                        Dieses reizvolle Set-Up dient "Seeking Justice" (2011) leider nur als oberflächlicher Rahmen für einen zugegebenermaßen recht rasanten Thriller, der ohne größe Schnörkel und mit genügend Verve ordentliche Unterhaltung auffahren kann. Gerade wenn sich Nick vorerst weigert, die eingeforderten Gegenleistungen zu erbringen, erschafft "Pakt der Rache" ein überaus beunruhigendes Bedrohungsszenario, das in der Konsequenz locker für ein mulmiges Gefühl beim Publikum sorgt.
                        Die potenzielle Tiefe des Selbstjustiz-Motivs, die mit dem Stoff fraglos im Breich des Möglichen liegen würde, kratzt Donaldson dagegen nicht mal im Ansatz an.
                        Und wenn sich mit fortschreitender Dauer die anfänglich kleineren Logiklöcher nach und nach als metertiefen Gräben erweisen, bewegt sich Donaldson vollends auf sehr hohem Bullshit-Level.
                        Und dennoch ist "Seeking Justice" kein (ganz) schwacher Film, auch wegen Nic Cages erstaunlich gesettelter, und dadurch vergleichweise starker Performance. Und Guy Perarce überzeugt wie immer als charismatisch-bedrohlicher, zum Ende hin wahnsinniger Antagonist.
                        Unterhaltsamer Thriller-Trash.

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                        • 7 .5
                          Tobi_G93 06.12.2021, 11:41 Geändert 07.12.2021, 11:39

                          James Grays famoses Regiedebüt "Little Odessa" (1994) beginnt mit einem kaltblütig ausgeführtem Mord. Eine gezielte, kurze Annäherung an das Opfer. Ohne mit der Wimper zu zucken, wird der Abzug betätigt. Ein präziser Schuss in den Kopf. Dann die umgehende Flucht.
                          Ausgeführt von dem scheinbar skrupellosen Killer Joshua (Tim Roth), der nach erfogreicher Vollzugsmeldung an den Auftraggeber in seine Heimat nach Brighton Beach, einem New Yorker Randbezirk, beordert wird, um einen weiteren Auftrag zu erledigen. Widerwillig stimmt er nach gewissen Bedenken zu, auch weil er damals aus gewissen Gründen ins Exil fliehen musste. Und zudem von seiner Familie verstoßen wurde.
                          Als er in seiner alten Heimat auf seinen jüngeren Bruder und seine ehemalige Liebe trifft, beginnt die kaltblütige Fassade Joshuas langsam aber sicher zu bröckeln...

                          Für eine erste Regiearbeit ist "Little Odessa" fast schon unverschämt reif und qualitativ hochwertig geraten. Als jederzeit intensive, dezent unbehagliche Kreuzung aus ruppigem Gangsterfilm und bitterer Familientragödie angelegt, bleibt Gray durchweg unglaublich nah an den vielseitig ausgearbeiteten Figuren, die dadurch trotz vielerlei Ecken und Kanten eine gewisse Sympathie erzeugen können.
                          Von Beginn wird das Geschehen in eine vorerst ungreifabre, unklare Schwere getränkt, die fortlaufend Stück für Stück ein nachvollziehbareres, von Melancholie und Schwermut geprägtes Gesicht bekommen sollte.
                          "Little Odessa", so der inoffizielle Name des New Yorker Stadtteils Brighton Beach, der vorwiegend von osteuropäischen Einwanderern bewohnt wird, zeigt Gray als brodelndes, von Tristesse und Armut geprägtes Pulverfass, fest in der Händen von Kriminalität und mafiösen Verstrickungen.

                          Im eiskalten, winterlichen Setting erzählt Gray seine unbequeme Millieustudie sehr bedacht und ruhig, auf knackige Actionsequenzen und rasante Storylines wird bewusst verzichtet, stattdessen führt Gray seine Figuren glaubhaft und mit allerlei Empathie durch verzwickte, beinah unmöglich zu lösende (Familien-)Konstellationen, die in kaum für alle Parteien zufriedenstellende Bahnen gelenkt werden können.
                          Auch wenn hier und da ein leiser Hoffnungsschimmer auf den ewigen Weiten des Atlantik-Horizontes aufkeimt, erreichbar sein wird er vermutlich niemals.
                          Der Weg in ein fatales Desaster scheint leider längst gezeichnet und besiegelt.
                          Sehr, sehr bitter.

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                          • 7 .5
                            Tobi_G93 30.11.2021, 11:24 Geändert 14.12.2021, 17:01
                            über Lemming

                            Dominik Molls Thriller "Lemming" (2005) beginnt vorerst ruhig und unscheinbar.
                            Alain Getty (Laurent Lucas) ist gerade mit seiner Frau Benedicte (Charlotte Gainsbourgh) in ein neues Heim nach Toulouse gezogen, um dort für ein Unternehmen der Sicherheitstechnik zu arbeiten.
                            Die Ehe der beiden läuft soweit harmonisch und liebevoll ab, auch Alains Beziehung zu seinem neuen Chef ist von Wertschäzung und Sympathie geprägt. So gut, dass er ihn und seine Ehefrau eines Tages einlädt, um gemeinsam Abend zu essen.
                            Dort ereignen sich jedoch ungeahnt groteske, verhängnissvolle Ereignisse. Die Frau (Charlotte Rampling) des scheinbar schwerreichen Mannes älterer Generation verhält sich erst merkwürdig wortkarg, bis sie ihren Gatten während des Abendessens des Fremdgehens bezichtigt und die Situation im hitzigen Streit eskaliert. Auch nach dem Vorfall bleibt die mysteriöse Frau das Zentrum des Geschehens, da sie in der Folge alles Mögliche unternimmt, um die Ehe von Alain und Benedicte zu sabotieren und Zwietracht zwischen den beiden zu stiften...

                            Wo jene Prämisse in anderen Filmen die komplette Handlung füllen würde, ist es in Dominik Molls unheilvollen, alptraumhaften Psychothriller nur ein ca. 30-minütiges Set-Up für eine irrsinnige Verkettung von bizarren, geradezu grotesken Wendungen und Entwicklungen.
                            Als kühl-elegante, verrätselte Mixtur aus subtilen, bisweilen surrealen Psychothrill und düsterem Ehedrama schöpft "Lemming" sein ganzes Spannungspotential aus der unberechenbaren Geschichte sowie der stetig aufkommenden irrationalen Note des Handlungsverlaufs.
                            Moll erzeugt nach und nach eine gewisse Orientierungslosigkeit beim Publikum, indem er ab einem gewissen Punkt die Ebenen Realität und Phantasie geschickt verwischt und ineinander verwebt. Das Publikum darf dadurch immerzu rätseln, was denn nun genau Sache ist, wenn plötzlich in bester Lynch-Manier Identitäten unscharf werden und abstruse Reinkarnations-Phantasien im Stile von Hitchcoks "Vertigo" auf irritierende Weise in neuem Kontext aufgegriffen werden.
                            Dass dieses ungewöhnliche Cocktail funktioniert, liegt in erster Linie an den fantastischen Schauspiel-Performances und Molls formal astreiner Inszenierung.
                            Der Regisseur findet immer wieder ein Mix aus kühlen, nüchternen Bildern und einigen stilisierteren, mit deutlich surrealer Note verfremdeten Aufnahmen. Daraus resultiert eine immens einnehmende Stimmung irgendwo zwischen subtiler Beklemmung, mit gar leicht unheimlicher Note versehen, und betörender Faszination.
                            Famoser Psycho-Thrill aus Frankreich.

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                              Tobi_G93 27.11.2021, 12:49 Geändert 27.11.2021, 21:33

                              Jack Grimaldis (Gary Oldman) Job als Bulle sieht es normalerweise vor, gefährdete Zeugen zu beschützen. Doch das Gegenteil ist der Fall.
                              Er zieht es vor, gegen entsprechendes Entgelt die Kronzeugen an die Mafia auszuliefern. Sein schmutziges, korruptes Geschäft geht so lange gut, bis er der lasziven, zugleich überaus psychopathischen Profikillerin Mona DeMarkov (Lena Olin) verfällt. Es folgt eine fatale Abwärtsspirale aus Sex, Gewalt und verhängnissvollen Intrigen...

                              Und doch unternimmt Jack alles nur mögliche, um seinen Job doch noch aus der schon zugezogenen Schlinge zu ziehen. Sehr zur Freude des Publikums, denn "Romeo is Bleeding" (1993) zieht aus dieser ungemütlichen Prämisse einiges an Intensität und Wirkung heraus.
                              Peter Medaks ("Das Grauen") Film ist ein kleiner, fieser und zuweilen auch vergleichsweise brutaler Neo-Noir Crimethriller aus den frühen Neunzigern, der gerade stimmungstechnisch auch noch deutlich den Geist der 80er Jahre atmet.
                              Nach einem hektischen Beginn, der mit einem sehr aufdringlichem Voice-Over und unchronologischem Anteasern wichtiger Plotpoints erstmal irritiert, erzeugt Medak schnell eine einnehmende, elektrisierende Großstadt-Atmsphäre eines schmutzigen, von der organisierten Kriminalität beherrschten New Yorks.
                              Im Zentrum davon der korrupte Cop Jack, der duch seine zwielichtigen Geschäfte zwischen alle Fronten geraten ist.

                              Das Schauspieler-Ensemble liefert durchweg starke Performances, insbesondere Gary Oldman als zwielichtiger Cop auf Abwegen glänzt mit einer höllisch guten Leistung.
                              Seine Partnerin in Crime ist Lena Olin, deren Figur Mona DeMarkov, Profikillerin der Mafia, eine der fiesesten, durchtriebensten Femme Fatale Varianten überhaupt darstellen dürfte. Auch wenn ihre Figur praktisch gar keine Charakterzeichnung erhält und sicherlich stark überzeichnet wird, erzeugt Lena Olin dennoch mit ihrer enorm aufreizenden, und dann wieder fast schon diabolischen Aura die maximale Wirkung aus ihrer Figur.
                              Dadurch bewegt sich "Romeo is Bleeding" hier und da gewiss in pulpigen Gefilden, wenn jedoch gegen Ende der im tristen Nirgendwo gestrandete Jack bemerkt, dass die einzige wirkliche Liebe seines Lebens wohl für immer verloren gegangen ist, entfaltet Medaks Film eine ungeahnt rührende, bewegende Melancholie, wodurch ein sehr passender, konsequenter Schlusspunkt gesetzt wird.
                              Schöner 90er Jahre Thriller

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                                Tobi_G93 23.11.2021, 13:54 Geändert 23.11.2021, 14:03

                                "Das ist keine Universität. Das ist eine Zuchtanstalt!"

                                Auch nach mehrfacher Sichtung erweist sich Mathieu Kassovitz´ Thriller "Die Purpurnen Flüsse" (2000) als wunderbar atmosphärisches, gut schaubares Werk, das zwar nicht durch eine besonders innovative Geschichte, aber sehr wohl durch seine formalen Qualitäten besticht.
                                Nachdem sich Kassovitz in vorangegangenen Arbeiten ("Hass", "Assassins") vor allem mit sozialkritischen Themen auseinandergesetzt hat, bewegt er sich mit "Les Rivières pourpres" deutlich in den Gefilden den Genrefilms.
                                Da darf sich die krude Geschichte um eine mysteriöse Mordserie, sichtlich inspiriert von amerikanischen Genreklassikern wie "das Schweigen der Lämmer" oder Finchers "Sieben", einer sektenartigen Nazi-Universität und bizarren Eugenik-Phantasterein auch mal stark in pulpige Bereiche vorwagen, ohne dass es total albern oder (zumindest für mich) unfreiwillig komisch wird.

                                Als sehr großes Faustpfand dient Kassovitz das beklemmende Alpensetting (gedreht wurde unweit des Mont Blanc Massivs) mit dem fiktiven Ort Guernon, der komplett abgeschottet und isoliert von der Außenwelt schönes Backwood-Feeling aufkommen lässt. Bergmassive hüllen das kleine, verschneite Bergdorf in dunkle Schatten, die Sonne lässt sich dadurch tagsüber nur für kurze, begrenzte Zeit blicken. Und dennoch findet Kassovitz immer wieder traumhafte Bilder der malerischen Berglandschaft, was mitunter eine faszinierende Gegensätzlichkeit zur düsteren Geschichte bildet.
                                Die effektive, einnehmende Wirkung des Films steht und fällt nachvollziehbarerweise mit den Leistungen der Schauspieler und auch diesbezüglich kann man kaum etwas beklagen.
                                Jean Reno und Vincent Cassel geben ein glaubwürdiges Ermittlerduo ab (zumindest ab Filmmitte), auch wenn Kassovitz bei der Figurenzeichnung nicht ganz ohne Klischees (der erfahrene, zynische Cop vs. dem jungen, impulsiven Draufgänger) auskommt. Und dennoch machen beide Figuren hier und da kleinere Entwicklungen durch, womit die festgefahrenen Genretropes durchaus in Teilen aufgebrochen werden.
                                Für den Thriller-Liebhaber immer noch ein No-Brainer.

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                                  Tobi_G93 22.11.2021, 14:53 Geändert 22.11.2021, 14:56

                                  Kleine, hundsgemeine Perle des subtilen Psychothrills.
                                  Ein gemütlicher, verschlafener Ort an der Pazifikküste. Der charmante Vann Siegert (Owen Wilson) mietet sich bei dem glücklich verheiratet wirkenden Ehepaar Doug und Jane zur Untermiete ein und nimmt einen Job bei der ansässigen Poststation an. Eine friedlebende, wunderschöne Idylle ohne Gefahren. Von wegen.
                                  Hinter der heilen Fassade brodelt es gewaltig. Der vordergründig freundliche, liebenswerte Vann ist ein gefährlicher Psychopath, ein Serienkiller, der seine Opfer mit kaltblütiger Präzision scheinbar wahllos auswählt und auf skrupellose, heimtückische Weise vergiftet. Immer mehr Menschen verschwinden auf rätselhafte Weise spurlos...

                                  "The Minus Man" (1999) ist das Regiedebüt von Hampton Fanchor, dem Drehbuchautoren von "Blade Runner" und zudem von Villeneuvs Fortsetzung "Blade Runner 2049". Seine bis heute einzige Regiearbeit ist sowohl beklemmender Psychothriller, abgründige Charakterstudie als auch ein zynisch-atmosphärisches Kleinstadtportrait mit dezenten "Twin Peaks"-Vibes.
                                  Erstaunlich ist, wie gut es Fanchor gelingt, beinah auf jegliche Klischees und abgedroschene Plotpoints zu verzichten und stattdessen einen sehr individuellen, sicherlich auch eigenwilligen Serienkillerfilm abzuliefern.
                                  Auf blutige Gewaltakte und größere Spannnungsmomente wird fast vollkommen verzichtet, dennoch schocken die Taten des unberechenbaren Vanns insbesondere durch die perfide, giftige Beiläufigkeit auf ihre ganz eigene Art und Weise.

                                  Ein entscheidender Pluspunkt von Fanchors Arbeit ist die faszinierende Serienkiller-Figur Vann Siegert, die Owen Wilson mit seinem subtilen, minimalistischen Spiel sehr passend darstellt. Es ist die rätselhafte, kaum zu greifende Aura, die seine Figur umgibt. Gründe für seine abscheulichen Taten werden nichtmal vage angedeutet, stattdessen verfällt er in den sehr stimmig eingesetzten Voice Overs immer wieder in rätselhafte, nichtsagende Platitüden irgendwo zwischen latenter Melancholie, reiner Boshaftigkeit und einer alles verschlingenden Leere, die ihn konstant umgibt.
                                  Innere Monologe in Form von surrealen Einschüben und Visionen verweisen gar auf eine noch höhere Ebene, doch ein greifbarer Anhaltspunkt fehlt.
                                  Die letzte Prüfung? Das Tor zur Hölle?
                                  Welche Richtung wird er einschlagen?
                                  Wie ein unbekannter, verträumter Vorbote von Lars von Triers "The House that Jack Built" oder Jaume Balagueros "Sleep Tight".
                                  Stark

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                                    Effektiv inszenierter, beunruhigender australischer Kammerspiel-Thriller von Regisseur Philip Noyce ("Das Kartell", "Salt").
                                    Rae Ingram (Nicole Kidman) überlebt nur knapp einen tragischen Autounfall, bei dem jedoch ihr kleiner Sohn ums Leben kommt. Zusammen mit ihrem Mann John (Sam Neill), einem Schiffskapitän, sticht sie auf hohe See, um bei einem entspannten Segelturn im sonnigen Urlaubsfeeling den Verlust in aller Ruhe aufzuarbeiten.
                                    Als die beiden sich halbwegs wieder gefangen haben, rudert ihnen dann plötzlich ein aufgeregter, total aufgelöster Mann entgegen, der sich als einziger Überlebender einer Schiffsbesatzung ausgibt, welches am Horizont schon zuvor sichtbar war. Doch John schenkt dem attraktiven und dennoch latent merkwürdig wirkenden Hughie (Billy Zane) und seiner beunruhigenden Geschichte keinerlei Glauben...

                                    Die größte Stärke von "Dead Calm" (1989) liegt ohne Frage in seinem beklemmenden Setting. Bis auf das überaus unheilvolle Intro, das den anfänglichen Unfall zeigt und die Geschichte schon sehr stimmungsvoll in Gang setzt, spielt sich das Geschehen ausschließlich auf hoher See ab, zwischen nur drei involvierten Personen.
                                    Diese unheimliche Stille des schier unendlichen Ozeans, da gibt es keine schnelle Hilfe. Nur das Boot hält dich in (vermeintlicher) Sicherheit, mit dem Wasser als potenziell todbringende Gefahr. Und wenn dann auch noch unvermittelt ein Psychopath auftaucht, ziemlich creepy.
                                    Genau diese Gefühle will Noyce durch seine Geschichte übermitteln und das geht auch vollends auf. Auf vielschichtige Charakterzeichnung wird dagegen verzichtet, was im Speziellen durchaus Sinn macht. So entfaltet insbesondere die Figur des schiffbrüchigen Hughie gerade durch seine ungreifbare, mysteriöse Aura sehr effektiv diese bedrohliche, einschüchternde Wirkung. Bis auf das seltsam unrund angehängte Ende ein stetig elektrisierender, beklemmender Thriller. Fein

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                                      Tobi_G93 11.11.2021, 10:22 Geändert 11.11.2021, 10:29

                                      Druckvoll pulsierender, in eine unheilvolle Stimmung getauchter und konstant an den Nerven zerrender Thriller von Regisseur John Mostow, der mit "Breakdown" (1997) eine kleine Perle des 90er Jahre Thrillerkinos schuf.
                                      Deutlich auf den Spuren von Klassikern wie Spielbergs "Duell" und dem Original-"Hitcher" entfüht das Geschehen in das unwirtliche Wüsten-Hinterland der USA, wo es von verschrobenen, abweisend und feindlich auftretenden Gestalten nur so wimmelt, wodurch zudem das Motiv des Backwood-Thrillers auf durchaus beängstigende Weise bedient wird.
                                      In geradliniger und insbesondere dadurch sehr effektiver Dramaturgie lebt das schon leicht konstruiert wirkende Geschehen von seiner rastlosen, odysseeartigen Hetzjagd, in die Kurt Russell auf der Suche nach seiner verschwunden Frau jäh gerät, die sich scheinbar in den Fängen einer skruppellosen, brutalen Gangsterbande befindet.
                                      Umgeben von der wunderschönen Naturkulisse und von flirrender Hitze benebelt, inszeniert Mostow das Geschehen als fiebriges, adrenalingeladenes Road Movie, das bis zum Ende erschöpfend rastlos bleibt.
                                      Zudem gelingt der Spagat aus pumpender, knallharter Action und ruhigeren Suspense-Momenten zumeist richtig gut (bis auf das mit zu viel Pathos angereicherte Finale).
                                      Intensiver, rauer B-Movie Thriller, unheilvoll und packend.

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                                        Tobi_G93 06.11.2021, 13:56 Geändert 06.11.2021, 18:12

                                        "Come on, you're safe with me. I'm a cop."

                                        Pulpige, nicht sonderlich clevere, jedoch stetig von knisternder Spannung getragene Variante des Stalker-Thrillers.
                                        Los Angeles: Ein junges Ehepaar, Karen (Madeleine Stowe) und Michael (Kurt Russell) Carr, ist soeben in ihr neues Haus in einer noblen Gegend der Stadt gezogen. Alles scheint soweit idyllisch, doch der Schein täuscht.
                                        Unvermittelt werden sie von einem gewalttätigen Einbrecher überfallen, sie können glücklicherweise das Schlimmste abwenden, niemand wird verletzt.
                                        Doch der Schock sitzt tief, zwei Polizisten werden zum Tatort geordert, von denen sich insbesondere Officer Pete Davis (Ray Liotta) um das Wohlergehen der beiden sorgt. Er organisiert ihnen sogleich ein hochmodernes Alarmanlagensystem, das höchste Sicherheit gewährleistet. Auch sonst macht der locker und kumpelhaft auftretende Polizist einen sympatischen Eindruck...

                                        Schon mit der ersten Einstellung von "Unlawful Entry" (1992), einer sehr schicken Kamerafahrt beginnend an einer Unfallsstelle, anschließend über wegfahrende Streifänwägen gleitend, dem traumhaften Panorama der Skyline L.A.s bis zum Grundstück der Carrs, wird ersichtlich, was Jonathan Kaplan hier beizusteuern weiß: Atmosphäre.
                                        Da beherrscht der Regisseur sein Handwerk tadellos und das wird auch durchgängig geliefert. Auch die Geschichte beginnt sehr interessant mit vorerst sogar vergleichsweise ambivalent gezeigten Figuren, die nicht schon zu Beginn in Schubladen gesteckt werden können, was sich insbesondere an Liottas Figur äußert. Mit seinem sehr charismatischen, auch sympathischen Auftritten zu Beginn weiß er sowohl das Ehepaar als auch das Publikum mühellos um den Finger zu wickeln und Sympathien für sich zu gewinnen.
                                        Er könnte theoretisch auch ein netter, sehr hilfsbereiter Cop sein.
                                        Da wirkt anfangs die mürrische, misstrauische Art von Kust Russells Figur schon klar unangenehmer und abweisender, könnte damit in einem anderen Film auch der eifersüchtige Ehemann sein, der unter diesen Umständen dann sogar als Antagonist fungieren würde.

                                        Der Zuschauer darf zu Beginn selbst entscheiden, auf welche Seite er sich begibt.
                                        Wann ist die Grenze der Hilfsbereitschaft erreicht?
                                        Wann und wodurch mündet es in übertriebene Aufdringlichkeit, die dann in der Konsequenz creepy und unbequem wird?
                                        Mit diesen Fragestellungen spielt Kaplan für eine gewisse Zeit sehr geschickt und darin liegt auch die größte Stärke des Films.
                                        Wenn dann die Rollen immer klarer ausformuliert und abgesteckt werden, Officer Pete Davis vom verschrobenen Cop mit mysteriöser Aura mehr und mehr zum Monster in Menschengestalt mutiert, verliert "Unlawful Entry" leider jegliche Cleverness und Bodenhaftung, die er anfangs durchaus innehatte. Da arbeiten Filme mit einem vergleichbarem Stalker-Motiv wie "Cape Fear" oder "The Gift" dann deutlich vielschichtiger und uneindeutiger in der Figurenzeichnung. Durch das feine Schauspiel (insbesondere Liotta mit seiner bedrohlichen Mimik) und die durchweg vorhandene Spannung taugt das dennoch für einen kurzweiligen, unterhaltsamen Filmabend. No more no less.

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                                          Tobi_G93 02.11.2021, 14:01 Geändert 02.11.2021, 14:41

                                          Knallharter, kinetisch-druckvoller Netflix-Cop-Thriller vom französischen Genre-Fachmann Olivier Marchal ("36", "A Gang Story").
                                          Geradlinig, formelhaft und mit einigen Klischees behaftet entführt Marchal diesmal in ein von jeglichem Moraldenken befreites Marseille, einem von Bandenkriegen, korrupten Polizisten und toxischem Machismo durchdrungenem Pulverfass, jederzeit kurz vor der Implusion stehend.
                                          Flache Charaktere mit schon lange aufgehobener GUT/BÖSE Abgrenzung lassen sich durch eine labyrinthartige kriminelle Welt treiben, schlagen verzweifelt um sich, um irgendwie ihren Kopf aus der todbringenden Schlinge zu ziehen. Freundschaft, Ehre und Loyalität hat dabei kaum einen Platz, hier ist jeder auf sich alleine gestellt.
                                          Als tiefgreifende Studie über Korruption oder das organisierte Verbrechen taugt "Bronx" allerdings kaum, viel zu simpel, klischeebehaftet erscheint Marchals bisweilen unfokussiert und mäandernd vorgetragene Geschichte.
                                          Dennoch gibt sich "Banden von Marseille" zu weiten Teilen der Laufzeit intensiv und packend, mit seiner kinetischen Energie, den blutig-derben, rasant inszenierten Actionsequenzen und seinem bis zum bitteren Ende kompromisslos durchexerziertem Nihilismus, der alle involvierten Figuren gnadenlos verschlingt.
                                          Solides bis gutes Genrekino aus Frankreich.

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                                            Tobi_G93 31.10.2021, 11:58 Geändert 02.11.2021, 19:42

                                            "Long Weekend" (1978) ist eine Perle des subtilen Horrors und zugleich ein konstant beunruhigendes, geradezu irritierend schauriges Werk.
                                            Um ihre kriselnde Ehe zu retten, wollen Peter (John Hargreaves) und Marcia (Briony Behets) ein verlängertes Wochenende an der australischen Küste verbringen. Jedoch nicht in einem teuren Hotel, sondern ein Camping-Wochenende in der Wildnis soll es sein. Zumindest für die bestimmende Hälfte.
                                            Schon auf dem Weg dorthin entpuppt sich das stetig in histerischen Streiterein verharrende Ehepaar als Unweltsünder vor dem Herrn: Kippen werden achtlos aus dem Wagenfenster geworfen, Kängurus überfahren und der Müll wird natürlich in der Natur entsorgt. Doch zwischen den fortdauernden Streiterein des Pärchens und merkwürdigen Vorkommnissen entpuppt sich der vermeintlich idyllische Campingtrip alsbald als Alptraum...

                                            Die einzig gesondert erwähnenswerte Arbeit von Regisseur Colin Eggleston ist wahrlich ein Musterbeispiel, wenn es um den Aufbau einer vagen, minimalistischen Drohkulisse geht, wodurch dann in der Konsequenz stetig auf ungreifbare Weise Schrecken erzeugt wird. Und genau darin liegt auch die größte Stärke.
                                            Eggleston lässt da für sehr lange Zeit einige Möglichkeiten offen, was denn nun die Quelle des in der Luft liegenden Unheils ist.
                                            Peter und Marcia hören merkwürdige Laute, die kaum zuortbar scheinen. Wollen etwa andere Camper oder vor Ort lebende Hinterwäldler das Paar terrorisieren und ihnen an den Kragen? Schließlich befindet sich ein weiteres Auto am Strand.
                                            Und was bedeuten die seltsamen Tierattacken und Erscheinungen, für die es keine rationalen Erklärungen gibt? Handelt es sich gar um ein übernatürliches Phänomen?
                                            Ist der Wahrnehmung der in einer toxischen Beziehungsdynamik befindlichen Menschen überhaupt vollends zu trauen? Schließlich wirken die beiden unter dem stetigen Stress ihrer Streitgespräche psychisch durchaus labil.

                                            (Kleine Spoiler upcoming!)
                                            In letzter Konsequenz entscheidet sich Eggleston dafür, keine klaren Antworten zu liefern und sein Szenario bis zum Ende in vergleichsweise rätselhaften Bahnen zu halten. Es wird jedoch deutlich suggeriert, dass hier ein der Natur gegenüber rücksichtsloses Ehepaar von dieser (über-)natürlich ausselektiert wurde und diese dementsprechend radikal zurückschlägt.
                                            Quasi einem ökologischem Statement folgend.
                                            Und dennoch scheint das Geschehen immer wieder die Beziehungsdynamiken des Ehepaars metaphorisch zu spiegeln (z.B. die Totgeburt), wodurch das Ganze mitunter auch als irrational-alptraumartiges Abbild eines zerbrechenden Beziehung tadellos funktioniert.
                                            Subtiler, mit surrealer Note versehener Psycho-Horror der intensiveren Sorte. Originell, irritierend und beklemmend.

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                                              Tobi_G93 26.10.2021, 15:21 Geändert 26.10.2021, 20:01

                                              Eine blutige Mordserie hüllt das malerische Amsterdam in einen dunklen Schleier aus Angst und Schrecken. Bezüglich des Täters verweisen alle Indizien auf einen Taucher, der die Grachten der Stadt als sein Revier und Rückzugsgebiet nutzt. Polizei-Inspektor Eric Visser (Huub Stapel) und seine Kollegen heften sich an die Fersen des mutmaßlich geisteskranken Killers, der ihnen ständig einen Schritt voraus zu sein scheint. Als Eric bei Ermittlungen in einem Tauchclub die hübsche Laura (Monique van de Ven) kennenlernt, ergeben sich nach und nach merkwürdige Verbindungen zum Killer...

                                              "Amsterdamned" (1988) ist schon ein interessanter 80er Jahre Genrefilm, irgendwo zwischen schwarzhumorigem Kriminalfilm, rasanten Actionsequenzen und eigenwilligem Slasher/Giallo/Horror Mash Up. Das entscheidende Faustpfand von "Verfluchtes Amsterdam" liegt in erster Linie in Dick Maas´ außerordentlich atmosphärischer Umsetzung. Besonders nachts wirkt die pittoreske Innenstadt Amsterdams wie ein undurchdringbares, unheilbringendes Labyrinth, mit seinen düsteren Gassen und dem verwinkelten, weit verzweigten System der Grachten, in dem ein mordendes Phantom lauert. Und jederzeit einen potenziell neuen blutverschmierten Tatort hinterlässt.
                                              Die Geschichte an sich ist dagegen in seiner Gänze eher generisch und wird dazu dramaturgisch vergleichweise holprig vorgetragen, mit zudem zu flach und uninteressant entwickelten Charakteren.
                                              Spannend und packend ist das Geschehen dennoch die meiste Zeit, was einigen mitunter grandiosen Einzelsequenzen zuzuschreiben ist, wie der wahnsinnig intensiven Motorboot-Verfolgungsjagd quer durch das Grachtensystem oder den unheimlichen, gialloartigen Morden.
                                              Thrillerpulp wie druckvolles Genrekino in einem.

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                                                Tobi_G93 24.10.2021, 11:58 Geändert 25.10.2021, 22:10

                                                Elektrisierender 80er Jahre Kultfilm, der aus einer auf den ersten Blick eher simplen, geradlinig erzählten Geschichte insbesondere durch seine formale Klasse eine fulminante Sogwirkung erzeugt.
                                                Robert Harmons Regiedebüt "The Hitcher" (1986) ist eine individuelle, von stetig bedrohlicher Wirkung versehene Kreuzung aus Road Movie, Actionflick, Psychothriller und Horrorfilm, der seine unterschiedlichen Genrebausteine jederzeit smooth und geschickt miteinander verbindet.
                                                Schon wenn zu Beginn Hauptprotagonist Jim Halsey (C. Thomas Howell) zu den spärischen Synthie-Score Klängen auf dem Weg nach San Diego durch die nächtlichen Highways einer amerikanischen Wüstenregion fährt, wegen Übermüdung beinah mit einem LKW crasht, evoziert "The Hitcher" eine ungreifbare Bedrohung, die schon bald ein Gesicht bekommen sollte. Ein in dunkle Silhouetten gehüllter Mann steht unvermittelt am Wegesrand, scheinbar nach einer Mitfahrgelegenheit suchend. Jim hält an und gewährt dem mysteriösen Mann nach kurzen Bedenken Zutritt zu seinem Auto. Ein fataler Fehler...

                                                Harmons Film zieht das Publikum von der ersten bis zur letzten Minute in den Bann. Es ist das beunruhigende Spiel von Jäger und Gejagtem, eine gnadenlose, brutale Hetzjagd durch die Wüstenregionen Nevadas bzw. Kaliforniens, voll von staubigen Highways, verschrobenen Cops und flirrender Hitze.
                                                Und natürlich an erster Stelle der "Hitcher" John Ryder, den Rutger Hauer außerordentlich stark darstellt und womöglich auch seine beste Leistung als Actor liefert.
                                                Der "Hitcher" erscheint kaum als normaler Mensch, sondern wirkt in seiner mystischen, geradezu surrealen Präsenz mehr wie ein todbringendes, geisterhaftes Phantom, mit einer unerklärlichen, schaurigen Vision. In seinem sadistischen, brutalen Spiel scheint er insgeheim Jim Halsey als seinen Erlöser auserkoren zu haben, und terrorisiert ihn solange, bis er das Opfer zum eigenen Henker transformiert hat, um seinen "Death Wish" zu befriedigen. Oder steckt sogar noch eine ganz anderer, noch schwerer zu greifender und tiefer liegender Grund dahinter. Harmon und Drehbuchautor Eric Red lassen diesbezüglich gerade durch die entrückte, surreal angehauchte Note des Geschehens einiges an Interpretationsspielraum zu.
                                                "The Hitcher" ist jederzeit intensiv, brutal, mit grandiosen Action Set-Pieces versehen. In eine stetig eigenwillig-beklemmende Stimmung getaucht.
                                                Tolles 80er Jahre Kino.

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                                                  Tobi_G93 22.10.2021, 13:29 Geändert 22.10.2021, 17:10

                                                  Beinhartes Remake von William Lustigs 80er Jahre Exploitation-Kultfilm "Maniac".
                                                  Alexandre Aja lieferte schon mit dem überaus gelungenen Remake von Wes Cravens "The Hills Have Eyes" den Beweis, einen Horror-Klassiker durch kleine aber entscheidende Kniffe auf fähige Weise neu zu interpretieren. Nachdem er 2006 in THHE noch selbst Regie führte, holte er sich für "Alexandre Ajas Maniac" (20212) seinen französischen Landsmann und Regie-Kollegen Franck Khalfoun mit ins Boot, der diesmal den Platz auf dem Regiestuhl übernahm. Aja selbst fungierte dagegen als Producer und steuerte gleich noch das Drehbuch bei.
                                                  William Lustigs Original war nicht unbedingt ein besonders ambitionierter Film, hatte dabei jedoch zwei schlagkräftige Asse im Ärmel. Zum einen die ungemein beklemmende, dreckige Atmosphäre des 80er Jahre New Yorks, das als abstoßender, alles verschlingender Großstadtmoloch wie der Vorhof zur Hölle wirkte.
                                                  Zweitens Hauptdarsteller Joe Spinell, der durch sein physisches, kantiges und versifftes Auftreten das Monster in Menschengestalt bravourös verkörperte.

                                                  Aja und Khalfoun wissen um die Stärken des Originals logischerweise genau Bescheid, gehen (wohl auch gerade deshalb) schon deutlich andere Wege und wagen ihren ganz individuellen Ansatz. Sie zeigen dem Publikum fast durchgängig die POV-Perspektive des Killers, den diesmal Elijah Wood (wiederum sehr überzeugend) darstellen darf. Ganz anders als Spinell (allein schon optisch) ist Wood mehr der unscheinbare, unauffällige Durschnitts-Weirdo, dem der Wahnsinn nicht schon im vorhinein ins Gesicht geschrieben steht. Mehr ein traumatisierter, gequälter Geist, der in seinen wahnhaften Episoden dann auf fatale Weise eruptiert.
                                                  Durch die konsequent subjektive Ich-Perspektive befindet sich der Zuseher/die Zuseherin unmittelbar im Kopf eines geisteskranken Killers, verfolgt das Geschehen aus seiner Sicht, und taucht so zwar nicht ohne Klischees aufkommend (das Trauma aus der Kindheit) dennoch tief in die Psyche des "Maniacs" hinab.
                                                  Gekonnt wird so mit der Wahrnehmung gespielt, wenn sich insbesondere in einigen wahnhaften Episoden das Geschehen mehr in einen alptraumhaftes Delirium aus Wahn und Wirklichkeit entwickelt.
                                                  Überhaupt entfachen Aja und Khalfoun zwischen ultrabrutalen, gialloartigen Morden, dem Spiel mit der Wahrnehmung sowie dem treibenden, hypnotischen Electro-Score ihre ganz eigene Version eines fiebertraumartigen Sogs, dem man sich kaum entziehen kann. Somit unterscheidet sich "Alexandre Ajas Maniac" in seiner deutlich stilisierteren, neonartigen Großstadt-Atmosphäre schon klar vom sehr dreckigen, rohen Original.
                                                  Eines der Horror-Highlights der letzten Dekade.

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                                                    Tobi_G93 17.10.2021, 12:41 Geändert 27.09.2023, 17:43

                                                    Magisch, wie die atemberaubende Naturkulisse Chiles. Oder wie die malerische Pazifikküste. Und die artenreiche Flora und Fauna.
                                                    Magisch, wie eine romantische Urlaubs-Liebschaft. Oder ein Körper und Geist reinigender Ayahuasca-Rausch.
                                                    All das könnte auch auf Sebastian Silvas zermürbenden Psychothriller "Magic, Magic" (2013) zutreffen, doch der chilenische Regisseur versetzt die vordergründig positiv konnotierten Eindrücke und Erlebnisse eines vermeintlichen Urlaubsparadieses in einen gänzlich anderen Kontext.
                                                    Obwohl sie die USA noch nie verlassen hat und nicht unbedingt eine besondere Leidenschaft für große Reisen und Urlaubserlebnisse pflegt, lässt sich die schüchterne Alicia (Juno Temple) dazu überreden, zusammen mit ihrer Cousine Sarah (Emily Browning) und deren Freunde (Michael Cera u.a.) nach Chile zu reisen, um in einem abgelegenem Haus ein paar schöne, erholsame Tage zu verbringen.
                                                    Doch die ganzen neuen Eindrücke und die verschrobene, forsche Art ihrer Reisepartner scheinen die sensible, in sich gekehrte Alicia zu überfordern. In Folge von Schlaflosigkeit und ihrer Angststörung entwickelt sie mehr und mehr Schwierigkeiten, Einbildung und Realität auseinander zu halten...

                                                    Hinter dem unscheinbaren, nichtssagenden Filmtitel verbirgt sich einer der eindrucksvollsten, zugleich unbequemsten Thriller der letzten Dekade.
                                                    Ganz im Geiste von Roman Polanskis frühen Psycho-Horror hat sich Silva ganz und gar einem minimalistischen, reduzierten Inszenierungsstil verschrieben.
                                                    Die meiste Zeit liegt der Fokus auf Hauptfigur Alicia und ihr gestörtes Seelenleben, deren labile Psyche Schritt für Schritt den Bezug zur Realität verliert.
                                                    Schon auf der Hinreise macht die junge Frau nicht gerade den stabilsten Eindruck, reagiert stark verunsichert auf flapsige Bemerkungen und spöttisch-neckende Witze, findet jedoch noch einen gewissen Halt an der Präsenz ihrer Cousine Sarah. Erst wenn sie später auf sich allein gestellt ist, wird das ganze verheerende Ausmaß ihrer psychischen Probleme deutlich.

                                                    Silva verharrt jedoch nicht vollends in Alicias verzerrter Innenansicht, sondern wechselt immer wieder kurz auf die Sicht von außerhalb auf das Geschehen, was sich als goldrichtiger Kniff erweist, da die schmerzhafte, beklemmende Dimension des Geschehens dadurch entscheidend an Kontur gewinnt.
                                                    Ohne viel Handlung und größere Schock- oder Gewaltmomente wird allein durch das Schauspiel und die nuancierte Inszenierung eine enorm unbehagliche Stimmung von stetig steigender Intensität erzeugt. Vieldeutige Tiersymboliken scheinen Alicias Innenleben hierbei eine suggestive Schlüssigkeit zu geben, ein vollständiges Verständnis für die tragischen Ereignisse will sich jedoch schlussendlich nicht einstellen.
                                                    In dem erstaunlich kompromisslosen und emotional zutiefst aufwühlendem Finish lässt Silva das Geschehen erschütternd kulminieren, wenn sich letzenendes der von Missverständnissen und Unverständnis geprägte Clash von moderner und tradioneller und indigener Kultur als fatales, (todbringenendes?) Unglück erweist.
                                                    Unbequem und plättend, mit nachhallender Wirkung versehen.

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