Tobi_G93 - Kommentare
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Alle Kommentare von Tobi_G93
Wahrscheinlich der sinnlichste Film von Auteur Michael Mann.
Sein geniales Frühwerk "Manhunter" (1986) wird von Kritikern bisweilen als dramaturgisch unterentwickeltes, langatmiges Werk ohne entsprechenden Thrill kritisiert. Nun, das kann man sicherlich so empfinden, doch "thats not the point".
Wer mit Manns Oeuvre vertraut ist, weiß, dass "Manhunter" nicht als klassische, konventionelle Thrillerkost mit jederzeit packender, rasanter Dramaturgie begriffen werden soll. In Manns Filmen geht es oftmals um Getriebene, gefangen in ihrer Natur, ihren Obsessionen, die Einsamkeit als zwingend notwendiges, längst determiniertes Übel vorsieht. Dies führt dann regelmäßig zu einer innerlichen Zerrissenheit der Figuren, doch letztenendes kann seiner Natur niemals vollständig entflohen werden.
Mann nimmt die Psychothriller-Motive aus Thomas Harris Vorlage allerhöchstens als strukturgebendes Motiv, um die betörende wie beängstigende Charakterstudie zweier Seelenverwandter fast schon suggestiv greifbar werden zu lassen.
In betörenden Bilderwelten zu sphärisch-fiebrigen Synthie-Klängen lässt Mann die Abgründe und Empfindungen seiner Figuren insbesondere über die Audiovisualität sensorisch fühlbar werden. Warum sollte man Dinge ausformulieren und in Worte überführen, wenn man sie sinnlich erschließbar werden lassen kann. Wenn Serienmörder Dollarhyde in der wohl besten Szene des Films seine neue Freundin mit einem betäubten Tiger konfrontiert, liefert Mann sogleich die Codierung seines Films mit. Um das Raubtier zu verstehen, muss es erfühlt werden, der Abgrund nachempfunden werden, um seine Natur unbewusst nachvollziehen zu können.
Es geht in "Manhunter" demnach nicht wirklich um die Jagd nach einem Killer, sondern viel mehr um die Jagd nach dem eigenen Spiegelbild. Eigene Abgründe und dunkle Begierden dürfen erschlossen und akzeptiert werden, erst dann kann auch der Killer geschnappt werden. Demnach könnte "Manhunter" nicht weiter vom klassischen Thriller- und Actionkino entfernt sein. Mann bewegt sich hier viel mehr auf einer Ebene mit Virtuosen, die Kino als puren filmischen Ausdruck verstehen, wie David Lynch oder Nicolas Winding Refn, der im Grunde mit "Drive" die Quintessenz aus "Thief" und "Manhunter" auf famose Weise in sein Werk überführt und in einem hypnotischen Retro-Setting neu bedient.
Misunderstood Masterpiece, wahrscheinlich sogar die ambitionierteste Harris-Verfilmung. Je nach Stimmung womöglich auch die Beste (ja, "das Schweigen der Lämmer" ist auch großartig).
New York, 1934: Als Buchhalter und Hobbymaler Christopher Cross (Edward G. Robinson) eines Abends auf dem Nachhauseweg von einer Firmenfeier beobachtet, wie ein Mann (Dan Duryea) eine Frau (Joan Bennett) derart verprügelt, dass sie zu Boden geht, schreitet er ein und jagt den Mann in die Flucht. Cross überredet die Frau anschließend dazu, sie nach Hause zu begleiten und noch kurz eine Bar aufzusuchen.
Schnell verliebt sich der deutlich ältere, in einer unbefriedigenden Ehe befindliche Cross in die junge, lasziv-aufreizende, attraktive Kitty.
Was er nicht weiß: Der nächtliche Angreifer war Kittys zwielichtiger Freund, dem sie obsessiv verfallen ist. Das durchtriebene Pärchen begreift die Zuneigung des älteren Cross als Chance für ihre abgründigen Zwecke...
Der in Wien geborene Fritz Lang gilt neben F.W. Murnau als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Expressionismus. Filme wie "Metropolis" oder "M" setzten damals neue ästhetische, technische und inhaltliche Maßstäbe und gelten als unsterbliche Klassiker. Nicht nur deswegen gilt Lang als einer der wichtigsten, einflussreichsten Regisseure des 20. Jahrhunderts. Dass er zudem einige hervorragende Vertreter des Film Noir in seinem späteren Schaffen für Hollywood drehte, wird nicht immer entsprechend gewürdigt.
Nach dem ebenfalls wunderbar doppelbödigen Noir-Thriller "The Woman in the Window" gelang ihm ein Jahr später mit "Scarlet Street" (1945) sein wohl reifster, zugleich konsequentester Beitrag zur schwarzen Serie.
Wie auch das vor kurzem von mir gesehene Noir-Meisterwerk "The Killers" von Robert Siodmak liefert Lang in "Scarlet Street" alle filmischen Zutaten in seiner konzentrierten Konsequenz, die jene filmische Strömung ausmachte.
Die Geschichte bietet keinerlei echte Sympathieträger, alle Charaktere sind triebhaft, obsessiv, habgierig und allesamt maßlos egoistisch in ihren Absichten, damit zum Teil auch tragisch. In Langs Film kennt die Erfüllung von Glück, und des American Dreams nur eine Möglichkeit: Reichtum
Sicherlich ist dann zudem auch wieder Liebe eine maßgebliche Triebfeder der Figuren, diese nimmt aber in ihrer obsessiven Dimension schnell (selbst)-zerstörerische Züge an.
Überhaupt kennt Lang hier kein Pardon mit seinen Figuren, lässt seine unheilvolle Dreiecksgeschichte in einen enorm konsequenten finalen Akt münden, der auch stilistisch mit seinen (alp)-traumartigen Schattenspielen nochmals deutlich heraussticht.
Lang lässt alle seine Figuren final auf tragische, zerstörerische Weise scheitern und liefert damit einen düsteren Klassiker des Film Noir, (fast) auf einer Stufe mit den Referenzwerken "Double Indemnity", "The Killers" oder "Out of the Past".
Auf Youtube in vernünftiger Qualität verfügbar:
https://www.youtube.com/watch?v=MNRSxu22NxU
Dieses Meisterwerk bildet wohl zusammen mit Billy Wilders "Double Indemnity" die Quintessenz des Film Noir aus den 40er Jahren, der alle Facetten jener Strömung konzentriert und umfassend auf den Punkt bringt.
Robert Siodmaks "The Killers" (1946), der auf einer Kurzgeschichte Earnest Hemingways basiert (genauer genommen ist Hemingways Geschichte die ersten ca. 15 Minuten des Films), beginnt dabei überraschend schweißtreibend und beunruhigend:
Brentwood in New Jersey, ein verschlafenes, friedliches Nest. Doch nicht an diesem Abend, was Siodmak gleich durch die dezent beklemmende, ungemein kontrastreiche S/W-Optik visuell eindringlich vermittelt. Unerwarteter Besuch in Form zweier (titelgebender?) Killer betritt den ansässigen Diner, wo sie sogleich die Belegschaft in Gefangenschaft nehmen, um in aller Ruhe die Ankunft des örtlichen Tankwarts Ole Anderson (Burt Lancaster), ihrem Objekt der Begierde, abzuwarten.
Nach kleineren Verzögerungen führen die kaltblütigen Gangster ihren Auftrag schlussendlich zufriedenstellend aus, was den Versicherungsdetektiv Jim Reardon (Edmond O’Brien) auf den Plan ruft, denn das Mordopfer hatte in Atlantic City eine Lebensversicherung in Höhe von 2500 Dollar abgeschlossen. Über unterschiedliche Zeugen rekonstruiert er die Hintergründe der Tat...
Der gebürtige Dresdner und Exilregisseur Robert Siodmak erschafft mit "The Killers" einen fantastischen Noir-Thriller, der auch heute noch kaum angestaubt wirkt. Ganz im Gegenteil, die hauptsächlich über unterschiedliche Flashbacks vorgetragene, fatalistische Geschichte dürfte etliche Sternstunden des Thrillergenres maßgeblich beeinflusst haben (da kommt einem insbesondere "The Usual Suspects" oder Tarantinos "Reservoir Dogs" mit ihren flashbackartigen Erzählmechanismen in den Sinn).
Gerade dieses fragmentarische Noir-Puzzle, das bei den Nachforschungen von Detektiv Reardon zu den Hintergründen des Mordes nach und nach zu Tage tritt, macht den maßgeblichen Reiz des Films aus, dessen Geschichte sich Stück für Stück bruchstückhaft zusammensetzt.
Dabei jedoch fraglos bewusst gewisse Aussparungen eingeht, um den Zuseher selbst die fehlenden Puzzleteile der Geschichte zusammensetzen zu lassen. Diese für die Zeit durchaus mutige Herangehensweise verstärkt Siodmak zusätzlich durch die extrem kontraststarke, gefühlt oftmals frei von jeglichen Grauwerten entrückt und leicht animiert wirkende S/W-Ästhetik ("Nigh of the Hunter" lässt grüßen), wodurch auch mithilfe innovativer, irritierender Kamerawinkel eine schon leicht surreale, beklemmende Stimmung entsteht, die den labyrinthartigen Charakter der Erzählung perfekt untermauert. Form und Inhalt gehen 100% Hand in Hand.
Ganz, ganz fein.
"Der beste Michael Mann Film, den er selbst nie gedreht hat"
Dieser Ruf eilt (sicherlich nicht ganz zu Unrecht) William Friedkins ungemein fiebrigen Neo-Noir Copthriller "To Live and Die in L.A." (1985) voraus, der locker eine der stärksten Arbeiten des Regisseurs darstellt.
Der Partner des FBI-Agents Richard Chance (William Petersen) wird bei einem alleinigen Ermittlungseinsatz von dem charismatischen wie kaltblütigen Gangster Eric Masters (Willem Dafoe), der auf Falschgeldhandel spezialisiert ist, erschossen. In der Folge setzt Richard zusammen mit seinem neuen Partner John Vukovich (John Pankow) alles daran, den Mörder seines ehemaligen Partners zu fassen. Dabei ist dem obsessiven Chance jedes Mittel recht, denn er stößt in seinen Unternehmungen schnell an die Grenzen der Legalität...
Friedkin entführt die Zuseher*innen in die schwüle, glühend heiß brodelnde Metropole L.A., die zu einem Vorhof der Hölle mutiert ist. Schon zu Beginn halten Friedkin und Kameramann Robby Müller die Stadt in flirrende, unangenehm entrückte Bilder, irgendwo zwischen orange-rötlichem Großstadtinferno und kühlem 80s Style scheint die Welt aus den Fugen geraten zu sein.
Daraus resultiert in Verbindung mit dem flippig-treibenden Wang Chung Soundtrack, der an manchen Stellen mitunter leider zu penetrant eingesetzt wird, eine fiebrig-hypnotische Großstadtatmosphäre, die in ihren stilisierten Bildern tatsächlich vorsichtig an Manns 80s Meisterwerke "Thief" und "Manhunter" erinnert.
Eine Heldenfigur gibt es konsequent den Regeln des Film Noir folgend nicht, dementsprechend ambivalent zeigt sich Friedkins Charakterzeichnung, die jedoch durchaus noch etwas gründlicher hätte herausgearbeitet werden können. Insbesondere Petersen als manisch-obsessiver Cop auf Abwegen fehlt als entscheidende Hauptfigur die letzte Tiefe, scheint dadurch wie alle Figuren mehr Archetypen zu bedienen. Der junge Dafoe dagegen darf als durchtriebener, charismatischer Gangster mit eindringlicher Performance brillieren.
"To Live and Die in L.A." besitzt fraglos gewisse Schwächen, in dem Zusammenspiel aus hypnotischem 80s Style, der berüchtigten atemlosen Verfolgungsjagd und ruppigen Gewaltmomenten entsteht ein fiebriger Flow, mündend in einem explosiven Showdown mitten im infernalisch lodernden Herz L.A.s, der mit seiner brachialen Wirkung längerfristig im Gedächtnis bleiben dürfte.
Daraus entsteht ein ruppig-ungelenker Klassiker des Cop-Thrillers.
Bester Film:
Blue Velvet (David Lynch)
Angel Heart (Alan Parker)
The Thing (John Carpenter)
Spoorloos aka The Vanishing (George Sluizer)
The Fly (David Cronenberg)
Videodrome (David Cronenberg)
Shining (Stanley Kubrick)
Possession (Andrzey Zulawski)
Thief (Michael Mann)
Manhunter (Michael Mann)
Zu Serien kann ich nichts beitragen...
Beste Schauspielerin:
Geena Davis in The Fly
Lisa Bonet in Angel Heart
Isabelle Adjani in Possession
Shelley Duvall in Shining
Nastassja Kinski in Cat People
Bester Schauspieler:
Mickey Rourke in Angel Heart
Jack Nicholson in Shining
Benoît Poelvoorde in Spoorloos aka the Vanishing
Willem Dafoe in To Live and Die in L.A.
Al Pacino in Cruising
Zu Animationsfilmen kann ich nichts beitragen...
Bester Soundtrack:
Angel Heart
Blue Velvet
The Thing
Blood Simple
Thief
Weird. Sehr, sehr weird.
Über die überaus empfehlenswerte Liste "366 Weird Movies" bin ich zufällig auf Graham Reznicks ultra Low-Budget Psychedelik-Thriller "I Can See You" (2008) gestoßen, zusätzlich hat die bisher einzige Kritik von @dergestalt hier auf MP mein Interesse auf den Film nochmals gesteigert.
Nun, "I Can See You" ist objektiv gesehen sicherlich kein qualitativ sonderlich toller, hervorzuhebender Film. Das Schauspiel ist vorwiegend schwach bis grenzwertig amateurhaft, eine "richtige", nachvollziehbare Handlung ist quasi nicht existent und die erste Filmhälfte erweist sich als beinah schon rekordverdächtig träge und langatmig zäh. Aber Reznicks Film hat etwas, besonders zum völlig irrsinnig-abgedrehten Finale hin. Something gets under your skin.
Es dreht sich um drei Kumpel/Kollegen eines Start-Ups, die zwecks Gestaltung ihrer Webpage Fotos brauchen und deshalb einen Abstecher aufs Land irgendwo im Nordosten Amerikas unternehmen, um dort im Wald stimmige Foto-Motive zu finden. Zudem versucht einer der drei Männer schon längere Zeit ein Gemälde seines Vaters anzufertigen, welches er jedoch nicht fertiggestellt bekommt, denn das Gesicht des Vaters bleibt leer. Auch sonst wirkt der junge Mann psychisch angeknackst, was nicht besser wird, als seine alte Flamme, die ihn auf einer Lagerfeuer-Fete im Wald wieder begegnet ist, plötzlich verschwindet...
Dieses angeteaste Set-Up verspricht prinzipiell erstmal einiges für einen interessanten Thriller-Abend, leider hängt Reznicks Film erstmal ewig durch. Man darf viel zu lange unbeholfene Darsteller bei banalen Gesprächen und unmotivierten Waldspaziergängen betrachten, wie sie langsam die Laune verlieren und sich erste Ungereimtheiten und Streitereien einschleichen.
Reznicks audiovisuelle Gestaltung passt dagegen schon hier recht gut, der unheilvoll dröhnende Score pumpt und der vorsichtig experimentelle, wenn auch leicht hektisch-übermotivierte Schnitt macht durchaus Lust auf mehr.
In vollends aufregende Regionen bewegt sich "I Can See You" jedoch erst im finalen Drittel, wenn sich das Geschehen immer mehr zum irreal-alptraumartigen Rausch transformiert, der mal so gar nicht mit unheimlichen und dezent verstörenden Momenten geizt. Zwischen entfesselter Psychedelik, lynchesken Lichtkegel-Spielerein und unangenehmen Gesichtsverzerrungen ("Inland Empire" lässt grüßen) bleibt das Ganze jedoch nicht viel mehr als eine unfokussierte, in seiner Gänze eher skizzenhaft wirkende Style-over-Substance Fingerübung, irgendwo im toten Raum losgelöst von erzählerischen Anknüpfungspunkten. Dennoch schon ganz nice, in some ways.
Wie "Blair Witch Project" auf Ayahuasca.
"The Devil Made Them Do It"
Ein Meisterwerk des subtilen Grauens.
Eine unerklärliche Mordserie hüllt Tokio in einen finsteren Schleier und stellt den Polizisten Takabe vor ein einziges Rätsel: Die Täter der grausam zugerichteten Leichen sind schnell ausfindig gemacht, können sich allerdings an die Ausführung nicht erinnern und finden keinerlei Erklärungen für ihre Taten.
Ein mysteriöser, unbekannter Mann, der allen Anschein nach an Amnesie leidet, scheint der entscheidende Anknüpfungspunkt zur Lösung des Rätsels zu sein. Problem: Der vermutlich geistig verwirrte junge Mann zeigt sich in den Vernehmungen wenig hilfreich und kooperativ...
In den 90er Jahren wurde das Serienkiller-Subgenre durch kommerzielle Hits wie "Das Schweigen der Lämmer" oder David Finchers "Sieben" auch im Mainstream en Vogue. Sicherlich inspiriert von diesen Strömungen (und Filmen) tauchte im Jahr 1997 der japanische Regisseur Kiyoshi Kurosawa (nicht zu verwechseln mit seinem weitaus bekannteren Namensvetter) mit dem Psychothriller "Cure" auf der Bildfläche auf, der damit in jener zweiten Regiearbeit widerum die Motive des "Serienkiller-Films" auf sehr erfrischende, individuelle Weise aufgriff.
Auf das je nach Sichtweise fade oder eben auch befriedigende Ausformulieren von psychologischen oder ideologischen Erklärungsansätzen, sprich dem was dem "Bösen" zugrunde liegt, verzichtet Kurosawa glücklicherweise beinah vollends (hier weist "Cure" durchaus einige Parallelen zu George Sluizers ebenso großartigen "Spoorloos" auf).
Wo in den deutlich populäreren, oben genannten Filmen das Böse, ein Antagonist, klar benannt und gejagt werden kann, geht Kurosawa deutlich perfider, heimtückischer und suggestiver an die Sache heran.
Klar, auch hier gibt es zumindest eine ähnliche solche Figur, diese fungiert allerdings mehr als Gefäß des Bösen, mit der Fähigkeit, die Abgründe anderer Personen an die Oberfläche zu bringen und deren innere Dämonen heraufzubeschwören, womit diese dann widerum zu einem Gefäß des Bösen verkommen.
Wie ein spiralförmiger Abgrund, einmal geöffnet, gibt es kein zurück mehr.
Wenn man niemand anderem und insbesondere sich selbst nicht mehr trauen kann, bedeutet dies den totalen Kontrollverlust.
Kurosawa versteht dies blendend und dringt mit seinen extrem ruhigen, minimalistischen, statisch-bedrohlichen Aufnahmen mitsamt zuweilen schauderhafter Geräuschkulisse in die hinstersten Winkel der Psyche und deren Urängste vor. Dem vollständigen Verlust von Sicherheit.
Mesmerizing.
(Spiegel-)Bilder.
Verwaschen, verzerrt. Prismatisch gebrochen.
Verfremdet. In einen Schleier getaucht. A Blurred Picture.
Bisher kannte ich aus Robert Altmans Euvre nur den hervorragenden, lakonisch-lässigen Neo-Noir "The Long Goodbye" aus den frühen Siebzigern. Ein Jahr zuvor gelang ihm mit dem als Psychothriller getarnten, surreal-abgründigen Seelenpuzzle "Images" (1972) ein wahres Filmjuwel, das zu Unrecht eher unbekannt zu sein scheint.
Im Zentrum der Narrative steht Schriftstellerin Cathryn (Susannah York), die sich zusammen mit ihrem Ehemann in das Landhaus ihrer Jugend zurückzieht, um ihr neuestes Kinderbuch fertigzustellen. Kurz vor der Abreise hatte die psychisch labile Cathryn merkwürdige, bedrohliche Anrufe einer ihr vollkommen fremden Frau erhalten, die ihren Mann des Fremdgehens bezichtigte. Der Abstecher in die ländliche Idylle sollte für Erholung und Besinnung sorgen, doch der Aufenthalt entwickelt sich mehr und mehr zum Horrortrip...
Was vorerst noch wie ein subtiler, in dezent unheilvolle Note getauchter Psychothriller anmutet, entpuppt sich bald als tiefer Absteig in den Kaninchenbau, in dem die vermeintliche Realität schnell zum grotesken Zerrbild verkommt. Man wähnt sich beizeiten gar in einem lynchesken Alptraum, wenn unscharfe, ineinander verschlungene Identitäten, rätselhafte Doppelgänger-Motive und das suggestive Spiel um Wahn und Wirklichkeit das Geschehen immerzu in einer irrationalen Schwebe halten. Zusammen mit dem unbehaglichen, psychedelischen Score entwickelt sich daraus ein desorientierendes, zermürbendes, bisweilen auch rauschhaftes Seherlebnis.
Auch weil Altman zum verstörendem Ende hin keine Rätsel auflösen will und in entsprechend vagen, ungreifbaren Regionen verweilt, bleibt "Images" ein ganz und gar individuelles, eigenwilliges Psychogramm einer schwer lädierten Psyche, die immerzu mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen hat. Vergebens.
Beunruhigend, unheimlich, hypnotisierend. Ein echter Trip.
Questions in a World of Blue.
Gefangen in einer Welt, die immer mehr dem Tode zugerichtet ist (die Farbe Blau steht in Lynchs Mythologie vorwiegend für ein Abbild des Todes).
Genau mit jener Farbgebung beginnt auch Lynchs Prequel zu seiner Serie, wenn zum bedrohlich aufflackernden Blau des Fernsehbildschirms Badalamentis wunderbar melancholischer Slow-Jazz Score einsetzt und von nun auf gleich eine dermaßen hypnotisierende, immersive Stimmung entfacht, ehe die Kamera langsam zurückfährt und der Fernseher mit einer Axt kurz und klein geschlagen wird. Als wolle Lynch gleich zu Beginn nachdrücklich klar machen, das die natürlich latent abgründige, aber letztendlich doch schrullige, herzliche Note der (Fernseh-)Serie hier in Lynchs Kinofilm keinen Platz finden wird.
Aber meine Güte, ist dieser Film alles in allem underrated.
Sichtlich unzufrieden mit den Produktionsbedingungen und Entwicklungen der zweiten Staffel seiner Serie und ihrem letztendlich unbefriedigendem Aus wollte Lynch wohl nicht so schnell mit dem Projekt abschließen und knallte nun den Twin Peaks Anhänger*Innen das Prequel "Twin Peaks - Fire Walk With Me" (1992) vor den Latz, welcher sich im Nachhinein als extremer Flop erwies.
Dies verwundert im Grunde nicht, denn was der Meister seinem Publikum hier vorsetzt, ist mit der letzlich doch vergleichsweise liebevollen Serie kaum vergleichbar, sondern erinnert in seiner konsequent düsteren, verstörenden Atmosphäre viel mehr an seine späteren, in L.A. angesiedelten Nightmare-Noirs.
Lynch möchte zudem keineswegs auf für jedermann befriedigende Weise Antworten liefern oder Rätsel decodieren, sondern das qualvolle Martyrium von Laura Palmer insbesondere sensorisch und im Unterbewusstsein des Publikums nachfühlbar werden lassen. Und das gelingt Lynch widerum auf meisterhafte Art und Weise.
Zwischen dem lynchtypisch grausig-schauderhaftem Sounddesign, das sich regelrecht ins Mark brennt, den suggestiven Alptraumwelten und extremen menschlichen Abgründen entführt Lynch seine Protagonistin wie die Zuseher*Innen in eine dunkle Zwischenwelt, die immer mehr dem Tode zugerichtet ist.
Nach leicht trügerischen ersten 30-Minuten im "Anti-Twin Peaks" Dear Meadow, in dem die Bewohner im Vergleich zur Serie nicht mal mehr oberflächlich herzlich oder sympathisch anmuten, sondern viel mehr extrovertiert abweisend und feindselig daherkommen, befasst sich Lynch die restliche Laufzeit beinah auschließlich mit dem Leiden Laura Palmers, deren Leben sich zwischen wüsten Drogenexzessen und sexuellen Eskapaden, häuslichem Missbrauch, kompletter innerlicher Zerrissenheit und Selbstaufgabe mehr und mehr dem Ende entgegen neigt.
Dementsprechend steht eine konstant beklemmende, plättende Grundatmosphäre an der Tagesordnung, wo sich stellenweise betörende Schönheit, lähmende Tragik (alleine die Szene in der Bar, wenn Julee Cruise ihren wunderbar traurigen Song performt und Laura in Tränen ausbricht) und verstörender Schrecken Hand in Hand zu einem hypnotischen Mahlstrom aus unterschiedlichsten Eindrücken und purem filmischem Ausdruck verbinden.
Gerade im Leitmotiv des häuslichen Missbrauchs forscht Lynch gnadenlos herum, streut mehrmals Salz in die offenen Wunden, inszeniert das Ganze als grausamen, unbegreiflichen Akt puren Schreckens. Und findet diesbezüglich keine rationalen Antworten, kann es gar nicht geben, sondern sieht die Ursache für solch extreme Taten in der Existenz metaphysischer, dämonischer Schattenwesen aus einer fremden Dimension begründet, die Besitz von Menschen ergreifen und diese schließlich in ein derartiges Verderben stürzen. Erlösung findet sich schlussendlich nur im Tode.
Ein meisterhaftes Werk
Der Wolf im Mensch.
Irgendwo in den hintersten, kaum einsehbaren Winkeln Netflixs versteckt sich einer der faszinierendsten Filme der letzten Jahre.
Jeremy Saulnier erforschte in seinen zwei vorangegangen Filmen "Blue Ruin" und "Green Room" auf ungemein intensive, geradezu viszerale Weise spiralförmig voranschreitende, schier unaufhaltsame Mechanismen der Gewalt und deren psychische wie physische Wechselwirkung auf den (Durchschnitts-)Menschen.
Mit seiner von Netflix vertriebenem Arbeit "Hold The Dark" gelingt ihm sogar sein vielleicht bestes, ganz sicher aber sein mutigstes Werk, mit dem er sich auch formal erstmal auf ein neues Terrain wagte. Die enorm kompakt und druckvoll vorangetriebe Erzählweise aus "Blue Ruin" und "Green Room" wird deutlich gestreckt und in ein fast schon meditativ entschleunigtes Erzähltempo getaucht. Zudem erhält die realitätsnahe, vorwiegend im Realismus verhaftete Welt der Vorgänger in "Wolfsnächte" einen ungreifbar-mystischen, tendenziell gar leicht surrealen Unterbau, der das Geschehen durchweg eine latent entrückte Note verleiht.
Zu Beginn wirkt Saulniers Film noch wie ein geradliniger Crime-/Survivalthriller in stimmungsvoller, winterlicher Alaska-Kulisse, der über den Kampf bzw. die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur meditiert und dies über die konstant beklemmenden, düster-abweisenden Bildern eindrucksvoll vermittelt.
Doch die vermutete Geradlinigkeit wird früh als falsche Fährte entlarvt, indem schon im ersten Filmdrittel zwei harte Wendungen samt abrupter Schauplatzwechsel in den Plot integriert werden, wodurch das anfängliche Handlungskonstrukt schnell in ein deutlich anderes Licht gerückt wird.
Dabei etabliert Saulnier früh aber subtil eine surreale zweite Ebene irgendwo zwischen menschlichen Abgründen und rätselhafter, indigener Mythologie, die nach und nach immer stärker auf beunruhigende Weise alptraumartig den Plot durchdringt.
Saulnier findet dabei in der brodelnden, hypnotisierenden Atmosphäre seines bedächtigen, teilweise fast stillstehenden Erzählvortags immer wieder Momente, die unvermittelt die Intensität in atemberaubende Regionen heben und sich unweigerlich ins Gehirn brennen. Sei es durch unerbittlich aufheulende Gewalteruptionen, elektrisierende, vor Energie fast zerberstende Feuergefechte oder auch durch die sich in immer abgründigere Regionen bewegende Geschichte, die in eine eiskalt-bedrückende Stimmung getaucht ist.
Das Motiv unvermittelt einbrechender Gewalt erweist sich in "Wolfsnächte" als die konkreteste Brücke zu seinen früheren Werken und auch hier dient sie widerum als Saulnier größtes Faustpfand, denn kaum ein derzeitiger Regisseur weiß Gewaltakte dermaßen schockierend, intensiv und beiläufig in Szene zu setzen. Bei Saulnier haftet der Gewalt jederzeit eine komplett irrationale, unerklärliche Note an, was insbesondere diese beunruhigende Wirkung seiner Filme zur Folge hat.
So irrational und brutal die Gewalt in "Hold the Dark" auch herausbricht, so irritierend, ungewöhnlich und sperrig bleibt Saulnier bis zum Ende, wenn das Geschehen immer mehr als archaisches Rache-Inferno mit übernatürlich-alptraumhaften Touch in für die meisten Zuseher*Innen kaum befriedigenden Regionen mündet.
Im antiklimatischem Finale, das dem Publikum die Katharsis vollends untersagt, vollendet Saulnier passend konsequent seine meditative Parabel über die Tierhaftigkeit im Mensch und findet im hintersten Alaska an der Grenze zwischen Mensch und Natur/Tier folglich Menschen, die die Lebensweise der Wölfe sich vollends angeeignet haben.
Unheimlich
Der aus dem Regen kam.
Tran Anh Hungs "I Come with the Rain" (2009) ist eine ganz eigene zermürbende filmische Bestie, die es zu bändigen gilt.
Dabei beginnt Hungs Film auf vergleichsweise konventionellen, vermeintlich wohlbekannten Bahnen als düsterer Neo-Noir Thriller über einen ehemaligen Cop, der durch einen früheren Kriminalfall, in dem ein Serienkiller seine abscheulichen Taten als künstlerisches Schaffen begreifte, schwer traumatisiert wurde.
Nach nunmehr zwei Jahren bekommt der mittlerweile als Privatermittler arbeitende Kline (Josh Hartnett) einen neuen Auftrag, er solle den Sohn eines schwerreichen Pharma-Konzernchefs ausfindig machen, der vor einiger Zeit spurlos verschwand...
Die anfänglich relativ gewöhnlich anmutende Erzählweise erfährt jedoch früh merkliche Risse, wenn sich bei Klines Suche nach dem verschollenem Mann schnell so einige Widersprüchlichkeiten häufen und der gemächliche, aber sehr stimmungsvoll vorgetragene Erzählfluss durch unvermittelt-eruptiv auftretende Gewaltakte zum ersten Male an irritierender Note gewinnt.
Zudem begibt sich der Regisseur mit fortlaufender Laufzeit immer tiefer in die lädierte Psyche seines Protagonisten, dessen Trauma sich mehr und mehr in Form verstörender Flashbacks und Visionen aus seiner Vergangenheit manifestiert. Ganz im Geiste eines Francis Bacon oder auch eines David Cronenberg blitzen die körperlichen Überreste der Opfer seines ehemaligen Nemesis wie eine Art "Körperwelten auf Acid" als immerzu wiederkehrende, wild umher spukende Suggestion in Klines Psyche auf.
Überhaupt entledigt sich Hung in der zweiten Filmhälfte merklich klassischer narrativer Fesseln, wenn sich das Geschehen mehr und mehr als hypnotische, fiebertraumartig-zerfaserte Neo-Noir Oddysee entpuppt.
Zwischen kruden Erlöser-Phantasien mit deutlichen Parallelen zu Fabrice du Welz hundsgemeinen Terrorfilm "Calvaire" und schludriger, beinah komplett abhanden kommender Dramaturgie ist das rein performatives Kino, mit dem Fokus auf den jeweilen Moment reduziert sowie dessen damit einhergehende Wirkung und Stimmung.
Wer einen sauber (zu Ende) erzählten Thriller erwartet, wird arg enttäusscht sein. Wer eine unbequeme, außergewöhnliche Seherfahrung mit so einigen Ecken und Kanten (man darf es auch Schwächen nennen) zu schätzen weiß, bekommt einen sehr eigenartigen Film mit durchaus vernünftig nachhallender Wirkung ins Gesicht gepfeffert.
Auch nice
Die destruktive Kraft der Liebe.
Hin und wieder gibt es diese Seherfahrungen, die einen während der Sichtung nicht immer unmittelbar in den Bann ziehen, dadurch im Anschluss erstmal nur als solide bis ordentlich eingeschätzt werden. Man jedoch daraufhin nach und nach feststellt, dass einen dieser Film, wenn auch evtl. nur in Form von einzelnen, kurzen Impressionen, nicht vollends loslässt und man nun erst beginnt die volle unbewusste Wirkung der Seherfahrung in ihrer Gänze zu begreifen.
So erging es mir zuletzt mit Christoffer Boes bedrückenden Film "Beast" (2011), der mir auch jetzt nach einigen Tagen immer mal wieder im Kopf herumspukt und mich doch insgesamt ziemlich beeindruckt hat.
Ich hatte einen stimmungsvollen Psychothriller erwartet, das in einem gewissen Maße schon auch bekommen, dennoch versteht sich "Beast" in erster Linie als latent unbehagliches Beziehungsdrama, welches die potenziellen Abgründe von Liebe und Begehren eindringlich und plättend vermittelt.
Boe schildert, was passiert, wenn Liebe und Begehren solch obsessive, fatale Auswüchse annehmen, dass man seinen Partner möglichst ganz und gar für sich vereinnahmen möchte. Vollends besitzen und gar einverleiben möchte.
Was diese Motive angeht, wandelt Boe ohne Zweifel auf den Spuren solch wahnsinniger Kino-Grenzerfahrungen wie Zulawskis "Possession" oder Claire Denis` grausig-verstörendem "Trouble Every Day", jedoch ohne deren unerbittliche Radikalität und Intensität zu erreichen.
Das anfängliche Beziehungsdrama um Eifersucht und krankhaft-obsessives Begehren erweitert Boe nach und nach subtil und fast beiläufig mit irritierenden Körper-Horror Elementen, um die Untrennbarkeit von Geist und Körper in aller Deutlichkeit darzustellen. Die potenziell krankhafte, destruktive Dimension von Liebe und Begehren als psychosomatische Manifestation.
Boes symbolbeladene, übercodierte Erzählweise weist dabei durchaus gewisse Längen auf, einen ausgefeilten Spannungsbogen sucht man zumindest vergebens, wodurch "Beast" als Thriller wohl tendenziell weniger funktioniert.
Vollends erwischt hat mich jedoch der finale Akt, in dem die scheiternde Liebe mitsamt ihren entsprechenden körperlichen Manifestationen in einem bizarren wie tragisch-plättenden Schlusspunkt kulminiert, der mir retrospektiv doch mehr als nur dezent zugesetzt hat.
Zermürbendes, eigenwilliges, unbequemes Kino, wie ich es mag.
Das war mal unerwartet bizarr und bisweilen herrlich creepy.
Ali Abbasis zweite Regiearbeit "Border" (2018) versteht sich zunächst als sensible, feinfühlige Außenseiterballade, bewegt sich dabei jedoch früh auf ganz eigenen, eigenwilligen Pfaden und gleitet nach und nach in maximal irritierende, surreal-phantastische Bereiche ab, mit einigen der auf bizarre Weise verstörendsten Szenen, die ich in letzter Zeit sehen durfte.
Dieser wilde Ritt erweist sich dabei jedoch keinesfalls als plumper, oberflächlicher Schocker, sondern offenbart stellenweise einiges an erzählerische Tiefe, greift vielerlei unbequeme Fragen und Motive auf, die fast schon beiläufig angerissen werden, ohne dies jedoch in für alle ZuseherInnen zufriedenstellende Ausformulierungen zu lenken.
Als beunruhigende, zugleich empathische Parabel auf "Andersartigkeit" erforscht Abbasi insbesondere (titelgebende) Motive der Grenzen, insbesondere in den Bereichen menschlicher Oberfläche, andersartiger Sexualität und Liebe, Gender-Fluidity, Ausgrenzung, aber auch Rassendenken mit allerlei politischen Verweisen. Die dunkelsten Seiten des menschlichen Seins werden kontrovers angerissen, die "Monsterhaftigkeit" der Menschheit offen diskutiert, wobei auch hier keine simplen Schwarz/Weiß-Ansichten präsentiert werden, sondern nur verschiedene Perspektiven angeführt werden.
Die durchaus an Motiven überladene Narration wird durchweg exzellent bebildert, einige verstörende, ungemein irritierende Momente präsentiert, mit grausigen Spezialeffekten ("Eraserhead" lässt hier und da unverkennbar grüßen).
Dieser weirde Mix kommt zwar oftmals auch dezent unausgegoren daher, in seinem Mut zur Hässlichkeit und Anderartigkeit entfacht "Border" jedoch eine ungemein intensive, nachhallende Wirkung.
Nice
"Insomnia" (1997) vom norwegischen Regisseur Erik Skjoldbjærg bietet die Vorlage zu Christopher Nolans weitaus bekannteren, gleichnamigen Thriller von 2002 und erlangte erst dadurch zumindest ein wenig Aufmerksamkeit als potenziell interessanter Genrefilm. Dass er nie wirklich aus dem Schatten des Hollywood-Remakes treten konnte verwundert logischerweise kaum, denn der Name "Nolan" entwickelte sich im Anschluss schnell zu einer Mainstream-Marke in der Filmlandschaft, quasi einem Gütesiegel (ob berechtigt oder nicht sei mal dahingestellt) entsprechend.
Dass Skjoldbjærgs Thriller allerdings dermaßen in Vergessenheit geraten ist (der letzte Eintrag hier ist sechs Jahre her), verwundert bei der Qualität des Films, der Nolans routiniert-stimmungsvollem Remake in gewissen Punkten sogar überlegen ist, dann doch.
Zu merklich kompakterer Laufzeit im Vergleich zum 2002er Film (ca. 30 Min. kürzer) erzählt Skjoldbjærg die Geschichte des routinierten, dezent ausgebrannten Cops Engstrom (genial: Stellan Skarsgård), der in den Norden Norwegens beordert wird, um einen Mordfall zu lösen. Die dort zur Jahreszeit niemals untergehende Mitternachtssonne raubt dem arrogant-breitschultrigen Crime-Profi mit zwielichtigen Tendenzen den letzten Schlaf, bis sich bei der Jagd nach dem Mörder ein fataler Zwischenfall ereignet....
Ähnlich stimmungsvoll wie Nolan ein Paar Jahre später weiß Skjoldbjærg die seelische Verfassung des Protagonisten mit durchdachter Cinematographie geschickt zu visualisieren, allerdings ohne auf die geschliffene Hochglanz-Ästhetik des Remakes zurückzugreifen. Karge Landschaften, dunkle Wälder, rauschende, gefährlich reißende Flüsse und marode, jederzeit kurz vor dem Kollaps stehende Holzhäuser. Und natürlich über allem diese blendende Helligkeit der niemals untergehenden Sonne. Übermüdung, benebelte Wahrnehmung und Halluzinationen als logische Folge. Ein Zeitgefühl kaum noch vorhanden.
Im Vergleich zu Nolans Film wird die Figur von Cop Engstrom nochmals eine merkliche Note deutlicher als Antiheld angelegt. Er wirkt auch durch Skarsgårds nuanciertes Spiel skrupelloser, verruchter, kaum noch einem moralischen Kodex folgend (den Pacinos Figur trotz allerlei Schwächen ganz klar innehatte).
Zudem ist die Figur im Vergleich deutlichst sexuell aufgeladen, mitsamt fragwürdigen Übergriffen. Toxische Männlichkeit im extremen Ausmaß.
Wo Nolan dem finalen Drittel der Geschichte beinah alle Ecken und Kanten abgeschliffen hatte, serviert Skjoldbjærg einen nur schwer zu schluckenden, merklich ambivalenteren letzten Akt, der den ZuseherInnen wie seinem Protagonisten die finale Katharsis letztlich vollends untersagt.
Ich schätze Nolans Film und dessen Ansatz, der sich allein schon durch die Laufzeit mehr Zeit für seine Figuren nehmen konnte, zwar durchaus sehr, dennoch würde ich das Original tendenziell knapp vorne sehen. Schöner Thriller aus Norwegen.
Der gruseligste Film aller Zeiten?
Dieser Ruf eilt zumindest in schöner Regelmäßigkeit Takashi Shimizus "Ju-On: The Grudge" (2002) voraus. Würde ich fraglos nicht unterschreiben wollen, dennoch handelt es sich hier um einen oftmals sehr effektiven Genrevertreter.
In seiner losen, episodenhaften Erzählstruktur baut Shimizu schnell spielend leicht eine schaurige Mystery-Stimmung auf, die gerade durch die anfangs noch subtilere Gangart der Inszenierung ein schleichendes Unbehagen zu erzeugen weiß.
Mit den vorerst vagen Storyansätzen, die erst im Verlauf durch die unterschiedlichen Episoden nach und nach ein klareres Bild vermitteln, dem durchweg grausigen Sounddesign und kurzen, unmittelbaren Schocks entfacht Shimizu in den besten Momenten durchaus suggestiven Horror, dem schon eine gewisse unheimliche Dimension zugrunde liegt.
Leider gewährt Shimizu gerade im späteren Verlauf seinen Geisterwesen doch merklich längere Screentime, anstatt kurzen Schocks werden lange Geister-Sequenzen mit zu vielen vorhersehbaren Jumpscares gezeigt, wodurch die zu Beginn nur vage erahnbare Bedrohung nun ein deutlich greifbareres Gesicht bekommt.
Dennoch kein schwacher Geister-Horror, denn vorwiegend in den ersten Episoden wird eine herrlich schaurige, latent unheimliche Atmosphäre aufgebaut, die nur leider mit der Zeit spürbar nachlässt.
Der arbeitslose, einsame Möchtegern-Autor Bill verbringt seine Zeit damit, fremden Menschen durch die Stadt zu folgen. Unbemerkt, versteht sich. Als eines Tages seine Tarnung auffliegt und er von einem Beschatteten zur Rede gestellt wird, ändert sich sein Leben schlagartig. Der Mann, den er verfolgt hat, ist nämlich Einbrecher. Fortan gehen die beiden gemeinsam auf Bruchtouren durch die Stadt.
Absichtlich hinterlassen sie Spuren ihrer kriminellen Aktivitäten, um bei den Wohnungseigentümern ein unangenehmes Gefühl hervorzurufen. Doch Bill verliebt sich in eines der Einbruchsopfer, was sich als verhängnisvoller Fehler erweist...
Christopher Nolans Debütfilm zeichnet eindeutig den Weg vor, den er in Zukunft gehen sollte. Mit seinen späteren Blockbustern kann ich ja zumeist eher wenig anfangen, doch "Following" reiht sich unverkennbar in seine frühe Schaffensphase der düsteren, existenziellen Thriller wunderbar ein, insbesondere die Parallelen zu seinem Magnum Opus "Memento" sind nicht von der Hand zu weisen.
Ein ungemein kühles, düsteres Film-Noir Puzzle in beklemmendem, körnigstem S/W-Look gehalten, von dem sphärisch-treibendem Elektro-Score passend zunterlegt, wodurch es Nolan trotz minimalem Budget von ca. 6000 $ gelingt, eine höchst immersive Stimmung zu entfachen.
Wie zumeist in seinen Arbeiten muss sich Nolan auch hier fraglos den Vorwurf gefallen lassen, er kümmere sich in erster Linie um den Plot und weniger um seine Figuren. Würde ich allerdings nicht vollends unterschreiben, denn in seinen frühen Thrillern gelingt es ihm oftmals seine Charaktere insbesondere durch Stimmungen und kleine Gesten subtil und vage anzuskizzieren, was im Thrillergenre auch absolut legitim ist.
Genau das vollzieht er auch in "Following", hetzt den rätselhaften Möchtegern-Writer Bill in unchronologischer, fragmentarischer Erzählweise durch eine abgründige Geschichte um Obsessionen, finsteren Intrigen und fatalen Täuschungsmanövern, nur um seinen Protagonisten am Ende bösartig auflaufen zu lassen.
Auch hier darf angemerkt werden, dass die finale Pointe bei kurzer Betrachtung nicht unbedingt frei von Logiklöchern funktionieren kann, ist jedoch für mich in solch einem minimalistischem Genrefilm von ultraknackiger Laufzeit (knapp 70 Minuten) kein großes Thema.
Wer "Memento", "Insomnia" oder "The Prestige" zu schätzen weiß, sollte hier gut unterhalten werden.
Ziemlich lässiger Debütfilm von Emerald Fennell.
Ihr poppig-überspitzter Thriller versucht sich als giftig-unbequeme feministische Anklage gegen patriarchale Gesellschaftsstrukturen und gegen den über alle Maßen toxischen Male-Gaze, mit dem unsere Gesellschaft durchzogen ist. Überaus schwankend in ihrem Tonfall und dadurch sehr irritierend zeichnet Fanning eine surreal überhöhte weibliche Charakterstudie der ehemals vielversprechenden Cassandra Thomas, mit teils bezaubernder und dann wieder sehr plättender Darbietung von Carrey Mulligan wunderbar dargestellt.
In diesem Zuge untersucht Fennell zusätzlich in ihrem Female-Revenge-Flick die latenten Abgründe und toxischen Auswüchse der Popkultur, die sie in den Texten einiger clever in die Handlung integrierten Popsong-Coverversionen dann auch passend offenbart und dem Publikum folgerichtig zynisch-perfide in die Fresse pfeffert.
Schöne Nummer.
Elektrisierender, düsterer deutscher Genrefilm von Regisseur Özgür Yildirim zwischen rauer Milieustudie und abgründigem Gangsterfilm. Ganz bewusst werden diverse Genretropes bedient, fast schon zelebriert mit Nähe zur Groteske, was man sicherlich auch negativ auslegen kann, denn wirklich Neues liefert Yildirim hier gar nichts.
Doch mit welcher Intensität und Stilbewusstsein Yildirim seine kompromisslose Verlierer-Ballade durch die dunkle Schattenwelt Frankfurts vorantreibt, ist für einen deutschen Genrefilm bemerkenswert.
Diesem fiebrigen Sog lässt sich schnell kaum noch entziehen. Die unterschiedlichen Figuren, jeweils durch gewisse Umstände in die kriminelle Unterwelt geraten und ihren jeweils durch jene Lebensumstände beeinflussten Moralvorstellungen folgend, versuchen alle nur aus ihrer Perspektive "das Richtige" zu tun. Sei es aus objektiver Sicht noch so fragwürdig und schwierig. Daraus entsteht folgerichtig eine verhängnisvolle Spirale der Gewalt, die für alle Parteien fatale Konsequenzen bereithalten wird.
All das mündet in einem apokalyptischen, gar leicht surrealen finalen Akt der wüsten Zerstörung, wenn im westernartigen Showdown in bester Peckinpah / John Woo Manier ein blutiger Kugelhagel die Wände rot färben darf und die fatalistische Note der Geschichte ihren kompromisslosen Abschluss findet.
Garstiges, schnörkelloses Genrekino aus Deutschland.
Schöne Idee.
Das wäre bei mir mein Profilbild, Lynchs "Mulholland Drive".
Der Blick hinter die glitzernde Fassade Hollywoods ist immer wieder eine betörende, wie zemürbend plättende Seherfahrung von einzigartiger Qualität.
"So wie ein Reh aus den Händen des Jägers, so wie ein Vogel aus der Schlinge des Vogelfängers. Du musst Dir selber helfen."
Rache, Einsamkeit, Ameisen, Ödipus.
Immer wieder dieser Film. Zigmal gesehen. So viele Eindrücke. Kaum bis nie lag betörende Schönheit und unerbittliche Grausamkeit so nah beieinander.
Der teuflische Plan von Evergreen, gefangen in seinem hohen Turm. Ein Getriebener. Innerlich schon längst gestorben.
Oh Dae Su, der einfach viel zu viel redet, wird für 15 Jahre in eine zimmerlose Zelle eingesperrt. Er findet dort eine neue Geliebte. Den Fernseher, der gleichzeitig als seine neue Religion fungiert. Doch durch den Fernseher wird er mit dem konfrontiert, das er nicht mehr hat. Die Welt da draußen. Frei zu sein. Menschliche Kontakte. Der wahre Sadismus. Er wird psychisch gebrochen. Eine Monsterwerdung findet statt. Lee Woo Jins (Frankensteins) Monster.
Doch Oh Dae Su (der Verweis zu "Ödipus" findet sich schon im Namen) wird zurückschlagen, seine Widersacher zermalmen. Oder eben nicht.
Denn auch in einem größeren Gefängnis lebt es sich nicht unbedingt besser.
Er ist nur die Ratte im Labyrinth. Entkommen vor der furchtbaren Wahrheit unmöglich. Die neue Liebe zu Mido macht alles nur noch schlimmer, ist es doch das finale Puzzlestück.
Dann der finale Akt. Soo grausam. Endlose Schmerzen und Seelenqualen. Oh Dae Sus Tierwerdung wird damit (Zunge) auf perfide, grausige Weise vollendet. Denn auch wenn er schlimmer ist als jedes Tier, so hat er dennoch das Recht zu leben.
Die Wahrheit abspalten, das Monster wird einem friedvollen Tod sterben. Doch kann es an diesem Punkt noch einen unwissenden Oh Dae Su ohne "monsterhafte" Züge geben. Das freudig erregte Grinsen wird zur schmerzverzerrten Grimasse.
Die vollkommene Zerlegung der menschlichen Seele sei somit endgültig vollbracht.
Grüße an Evergreen ins Reich der Toten.
Der zusammen mit Lynchs "Mulholland Drive" beste Fim überhaupt??
Klar, denn mehr geht einfach nicht.
"When you love someone you have to be careful with it, you might never get it again."
Tom Fords zweite Regiearbeit ist auch nach Mehrfachsichtung ein schwierig einzuordnendes Werk, das irgendwo zwischen Genialität und Banalität umherschwankt und gerade emotional nie so richtig greifbar wird.
Es geht um den Verlust von Allem was möglich ist, wenn alles, das einem heilig war sich als trügerische Fassade entpuppt und sich das ganze Glück im Nichts auflöst.
Daraus entspinnt Modedesigner Tom Ford ein kühles, schon leicht unbequem distanziertes Ehe-Melodram, das nur als Fiktion in der Fiktion in Form eines verstörenden Backwood-Thrillers emotional ins Eingemachte gehen kann.
Von ihrem Ex-Ehemann, dem erfolglosen Schriftsteller Edward (Jake Gyllenhaal) hat Susan (Amy Adams) einen Roman zugeschickt bekommen. Die gutbürgerliche, aber unglückliche Kunst-Kuratorin verliert sich mehr und mehr in dem aufwühlenden Sog des Buches, auch weil sie offenkundige Parallelen zwischen ihrem Leben und dem abgründigen Roman-Plot entdeckt.
Oh how mysterious - isn't it. Es mag zuerst fast schon generisch und wenig innovativ anmutend, doch je mehr der Roman-Plot bzw. Susans Interpretation davon voranschreitet, umso mehr entblättert sich die Komplexität von Fords Werk.
Allein mit dem Wechsel zwischen der unterkühlten, von jeglicher emotionalen Wärme befreiten L.A - High Society Welt, die Ford in eisigen blaustichigen Bildern passend einfängt, und dem dreckigen, staubtrockenen Texas-Setting mitsamt düsteren Abgründen des Romans schafft der Regisseur eine immersive Gegensätzlichkeit.
Durch den hervorragenden Schnitt werden immer wieder suggestiv schlüssige Übergänge zwischen den zwei Ebenen geschaffen, die im Verlauf noch durch das Entblättern der Vergangenheit um eine weitere Ebene ergänzt wird, wodurch Gegenwart, Vergangenheit und die Fiktion des Romans untrennbar ineinander verzahnt werden.
Fortlaufend stellen sich so einige Fragen, die durch einige bewusste Leerstellen insbesondere asoziativ vom Publikum interpretiert werden dürfen.
Was ist die Rolle des todkranken, verschrobenen Sherrifs Andes, den Michael Shannon mit bedrohlicher Aura und räudiger Abgefucktheit eindringlich verkörpert.
Ist er Tonys "neuer" Wesenszug, die dem alten sensiblen, "schwachen" Wesen seiner Person gewichen ist. Und der nun in der fiktiven Erzählung dem "alten" Tony auf die Sprünge hilft, sich zu rächen. Ist er somit das Resultat der schmerzhaften Trennung.
Oder ist der ganze Roman die narrative Abhandlung über seinen etwaigen Suizid in der gegenwärtigen Welt. Schließlich stirbt er selbst im Roman und auch Sheriff Adnes ist durch seine Krankheit dem Tode geweiht.
Am Ende führt alles in eine melancholische Leere, die Susan sowie die ZuseherInnen gnadenlos verschlingt. Ein einziger roter Hering? Wenn ja, thats what movies are determined to.
Schöner Film.
Der Alptraum hinter Hollywoods funkelnder Scheinwelt als düster-unwirkliche, inzestuöse Farce.
So wirklich innovativ zeigt sich der "New-Flesh"-Köperhorror Auteur David Cronenberg in seinem bisher letztem Spielfilm wahrlich nicht. Schon so einige Regie-Größen wie Wilder, Altman oder Lynch haben sich den düsteren Auswüchsen hinter L.A.s glitzernder Fassade so pointiert wie entlarvend angenommen. Mal ziemlich amüsant und sarkastisch ("The Player"), dann unheimlich und in seiner Desillusionierung ungemein tragisch und plättend ("Sunset Boulevard", "Mulholland Drive"). Cronenbergs Ansatz geht insbesondere tonal durchaus neue Wege, sein Film ist vor allem eins: kalt, abweisend wie unbequem zerdehnt.
In wunderbar steriler, stimmungsvoll-fiebriger Großstadt-Atmosphäre dominiert der Pessimismus und das kreative Vakuum, welches die hippe Engelsstadt jederzeit fest umschlingt und zum kühlen, melancholischen Fiebertraum werden lässt, in dem die Geister der (filmischen) Vergangenheit SchauspielerInnen heimsuchen und in grausame Gewalttaten manövrieren.
Hollywood ist ein monotoner, innovationsarmer Ort der Wiederholung, eine narzisstische Elite, die auf sich selbst mastubiert und mittels Inzest für die nachfolgende Generation Stars schon irgendwie sorgt.
Das führt bei Cronenberg zu einer schleppenden, zerdehnten Erzählweise mit so einigen Längen, ist jedoch in seiner boshaften Zynik schon sehr unterhaltsam.
7 von 10 märchenhaften Inzestgeschichten
"Ich habe mit meiner Vergangenheit abgeschlossen, die Vergangenheit aber nicht mit mir."
Jene Phrase möge prinzipiell ohne Kontext abgedroschen und leicht generisch daherkommen, auf kaum einen Film könnte sie jedoch mehr zutreffen als auf Giuseppe Tornatores abgründig-unbequemen Thriller "Die Unbekannte" (2006), oder im Original "La Sconosciuta" genannt.
Mit dem elegant-doppeldödigen Thriller "Eine reine Formalität" hatte mich Tornatore schon schwer beeindruckt, einen Film, den ich sogar als kleines Meisterstück des 90er Jahre Thrillerkinos ansehen würde. Dementsprechend war ich sehr gespannt und hoffnungsvoll zuversichtlich, wie denn nun sein zweiter großer Ausflug ins Thrillergenre ausgefallen ist. Alles in allem ziemlich sehenswert, so viel sei schon mal verraten.
Eine mysteriöse, zunächst namenlose osteuropäische Frau (Xenia Rappoport) kommt in eine ebenfalls namenlose norditalienische Stadt und mietet sich gegenüber eines Hauses ein, in dem fast ausschließlich Goldschmiede wohnen.
Aus unerfindlichen Gründen interessiert sie sich insbesondere für die wohlhabende Familie Adacher und ist zu wirklich jedem Mittel bereit, um eine Stelle in deren Haus zu bekommen. Bruchstückhaft entblättert sich Stück für Stück die traumatische Vergangenheit der Frau, während die Ereignisse unaufhörlich ihren unheilvollen Lauf nehmen...
Ich hatte einen vorwiegend subtilen, auf leisen Sohlen ankommenden Suspense-Thriller erwartet, doch "Die Unbekannte" entpuppte sich viel mehr als unbequeme, anständig verstörende Seherfahrung, eine rastlos-abgründige Tour de Force, die es im Anschluss erstmal zu verdauen gilt.
Tornatores clever konzipierte Erzählwiese ist sowohl rückwärts als auch vorwärts gerichtet, ganz getreu dem Motto "The Past is the Key to the Future".
Dabei kontrastiert Tornatore die meist in sehr kalten Tönen gehaltene und nur gemächlich voranschreitende Haupthandlung in Italien visuell geschickt mit den grellen, unangenehmen Rückblenden der düsteren Vergangenheit, die er immer wieder mit aggressiv-asoziativer Schnittechnik und vergleichsweise aufdringlicher Symbolik jeweils miteinander verknüpft und untrennbar ineinander verschränkt.
Im Grunde würde ich Tornatore einen großen Vorwurf machen: die fehlende Subtilität.
Der Regisseur hält sich wenig zurück die eh schon zutiefst abgründige Geschichte um brutale Prostitutionsringe und den psychischen Qualen, die daraus resultieren, noch mit einigen expliziten Gewalteruptionen zu garnieren.
Auf der anderen Seite gelingt es ihm in feinfühligeren, warmherzigen Momenten nicht immer vollends, die Kitsch-Fallen, die sich oftmals anbieten, zu umschiffen.
Dieser Wille zu großen und oft ins Sentimentale abdriftenden Gesten wird noch durch einen an den Hitchcock-Komponisten Bernhard Hermann erinnernden, elegischen Score von Ennio Morricone unterstrichen, womit gesamtheitlich Tornatores Hang zum Pathos schon offenkundig wird.
"Die Unbekannte" hat so seine kleineren Ecken und Kanten, dennoch liefert Tornatore abermals einen packenden, überraschend plättenden Thriller ab.
Sollte man gesehen haben.
Das eigene Heim.
Ein intimer Ort der Geborgenheit. Ein Zufluchtsort, der Sicherheit und eigenes Wohlbefinden verspricht.
Doch was passiert, wenn es ins Gegenteilige kippt. Dir dein eigenes Reich plötzlich nur noch fremd erscheint. Ein klaustrophobischer Ort, der dich erdrückt. Man dort seinen eigenen Dämonen vollkommen ausgeliefert ist.
In den eigenen vier Wänden verloren sein, ein stetiger Verfall der eigenen Identität.
Wiederkehrende Motive, die Meisterregisseur Roman Polanski in seiner (inoffiziellen) "Apartment"-Trilogie bestehend aus "Repulsion", "Rosemarys Baby" und eben dem grandiosen Schlusspunkt "The Tenant" (1976) auf bedrückende, erschreckende Weise in jeweils variierendem Kontext aufgreift und beängstigend durchexerziert.
Nach meiner nunmehr dritten Sichtung von Polanskis "Mieter" gibt es nun endlich das wohlverdiente Herz, denn hier handelt es sich um ein eiskaltes Meisterwerk des psychologischen Horrors.
Polanski zelebriert intelligenten, doppelbödigen, subversiven Horror, zwischen zynischer Gesellschaftsparabel und paranoid-psychotischer Angststudie.
"Der Mieter" darf im Rahmen der Großstadthorror-Trilogie eindeutig als radikaler, zerstörerischer Schlusspunkt angesehen werden, wo die noch eindeutig psychologisch kategorisierbare Fallstudie aus "Ekel" und der psychische, äußerliche Druck der okkulten Nachbarsgemeinschaft aus "Rosemarys Baby" auf erschreckende Weise kulminieren und im blanken Chaos münden.
Wie clever und subtil Polanski der Spagat aus scheinbarer Bedrohung von außen und dem innerlichen Verfall des Protagonisten gelingt, ist bemerkenswert wie eindringlich. Ununterbrochen wird der titelgebende Trelkovsky von den Mitbewohnern der Pariser Altbauwohnung schikaniert und unter Druck gesetzt. Jedes noch so kleine Geräusch, das aus seiner Wohnung dringt, wird mit aggressivem Klopfen und entsprechenden Beschwerden sanktioniert, als ob sie grundsätzlich nur darauf aus wären, andere Mitbewohner zum Selbstzweck zu drangsalieren.
Beiläufig, perfide und mit ätzend-zynischem Humor werden Missstände einer urbanen Gesellschaft angeprangert wie seziert. Wohnungsmangel, Voyeurismus, Intoleranz, Fremdenhass erzeugen ein abstoßendes, fatales Cocktail, in dem psychische Labilität die logische Konsequenz ist. Der seelische Verfall, durch die gesellschaftlichen Umstände längst determiniert. Aktueller denn je. Fatalismus pur.
Doch anders als in "Repulsion" kann hier von einer eindeutig kategorisierbaren, psychopathologischen Fallstudie keine Rede mehr sein.
Deutlich ungreifbarer und schwer zu dechiffrieren erzeugt Polanski nach und nach hundsgemeinen, surrealen Schrecken, der im Zusammenspiel mit dem schauderhaften Score eine grausig-furchteinflößende Stimmung erzeugt.
Im alptraumhaften Strudel aus Paranoia und urbanem Schrecken wird die eigene Identität komplett zersetzt und gar Gender-Grenzen zerdehnt, bis alles im ewigen Loop des Ichs zerfällt. The Urban Nightmare
Meisterhaft
John (Kristoffer Joner) befindet sich in einer schweren Lebenskrise. Eben hat ihn seine Freundin verlassen, was ihn psychisch doch merklich zugesetzt hat.
Eines Tages läuft ihm eine Nachbarin über den Weg, die er noch nie zuvor gesehen hat. Als diese ihn mittels eines Vorwands in ihre Wohnung bittet, muss John feststellen, dass seine Nachbarin und ihre psychisch labile, aber sexuell eher freizügige Schwester deutlich mehr über ihn und seine Lebensumstände wissen, als ihn lieb sein kann...
"Naboer" (2005) vom norwegischen Regisseur Pal Sletaune ist ein kleiner, stimmungsvoller und sehr effizient erzählter Psychothriller von angenehm kompakter Laufzeit. Ähnlich dem frühen, subtilen Psycho-Horror eines Roman Polanski hat sich der Regisseur einem reduzierten, beinah minimalistischen Inszenierungsstil verschrieben, ohne große visuelle Mätzchen oder effekthascherische Gimmicks.
Und dort beherrscht Sletaune sein Handwerk, definitiv.
Labyrinthartige, düstere Korridore, die für eine stete klaustrophobische Note sorgen. Verzweigte, surrealistisch anmutende Wohnungsstrukturen mit spärlicher Inneneinrichtung.
"The Home is the mirror of the mind". Das eigene Heim als Spiegel eines schwer aus der Balance gebrachten Seelenlebens. Ausdruck eines gequälten Geistes.
Zugegeben, der ein oder andere wird dagegen halten, dass die finale Pointe sehr vorhersehbar ist und ziemlich abgedroschen daherkommt. Hier wäre ohne Frage ein offener, zu Interpretationen anregender Schlusspunkt das bessere Mittel gewesen, um ein nachhaltiges Faszinosum zu erschaffen.
Deshalb klare Abzüge in der B-Note, für micht reicht es dennoch zu insgesamt
7 von 10 blutig eskalierten Schäferstündchen.