Vitellone - Kommentare
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Alle Kommentare von Vitellone
[...] In einem gemächlichen Tempo führt Dreyer in den Film ein, steckt die spärlichen Handlungsorte und eine Handvoll zentraler Figuren ab, bevor wirklich etwas passieren darf. Zwei Familien stehen sich gegenüber, getrennt durch eine andere Auslegung von Religion und ihrem gesellschaftlichen Ansehen. Konfrontiert werden die beiden Familien dadurch, dass ihre zwei Jüngsten in der Liebe zusammengefunden haben und daher den Bund der Ehe eingehen möchten. Neben diesem offensichtlichen Spannungsfeld ist vor allem die Figur des Johannes interessant, einem ehemaligen Theologiestudenten, der jedoch wahnsinnig wurde und sich daher für den Sohn Gottes hält. Im Bezug zu den anderen Figuren wird dadurch auch eine Zwiespältigkeit im Glauben deutlich, denn während alle an Jesus Christus als biblische Erscheinung glauben, streiten sie Johannes Erscheinung ab und erklären ihn für geisteskrank. Das Ende sorgt dann für eine Wendung, die dem Film in eine völlig andere Richtung lenkt. Während zuvor Statik und eine gewisse Engstirnigkeit dominiert haben, kommt es nun zu einem wortwörtlichen Wunder. Alles was zuvor auf eine fast schon übertriebene Art bodenständig und bürgerlich gewirkt hat, löst sich zugunsten dieser Erscheinung auf. Über weite Strecken haben Dialoge dominiert, doch im Ausklang gelingt es Dreyer den Film mit einer ehrfürchtigen Aura zu überziehen, welche das Finale prägnant untermauert. In seiner Endgültigkeit mag dieses Ende jedoch nicht wirklich zum vorangegangenen Film passen, denn dafür ist seine Aussage auch zu simpel gedacht. Zurück bleibt dennoch eine eigensinnige Faszination, die Dreyer nicht zuletzt seinem Gespür für wirkungsvolle Einstellungen zu verdanken hat. [...]
[...] Diese seichte Kriminalkomödie präsentiert Woody Allen in typischer Manier. Mit einem starken Fokus auf Dialoge wissen vor allem die kreativen Streitgespräche der beiden Protagonisten zu überzeugen. Fast immer schlagfertig geraten die Witzchen manchmal in eine arg plumpe Schiene, wissen dank ihres eigensinnigen Vortrags jedoch nichtsdestotrotz zu überzeugen. Was sich liebt, das neckt sich und so wird schon früh eine gewisse Spannung zwischen den eigentlich so zerstrittenen Arbeitskollegen deutlich. Angenehm ist dabei, dass diese Dynamik zwar zentral für den Film ist, aber die Liebesgeschichte nicht wie so oft die eigentliche Handlung überlagert. Stattdessen bleibt der Kriminalfall stets im Mittelpunkt und dominiert Gespräche und Geschehen. Durchaus untypisch für Allens Verhältnisse, und tatsächlich lassen sich bei Im Bann des Jade Skorpions so einige Abweichungen von seinem üblichen Muster finden – in positiver wie negativer Auslegung. Natürlich schmiegt sich weiterhin eine sanfte Jazzspur um den Film und Allen spielt einmal mehr Allen, der verkleidet als privater Schnüffler selbst zum treibenden Humor des Films beiträgt. Dass er Regie geführt hat, ist auch deshalb unverkennbar, weil die Frauen, die ihm im Laufe des Films um den Hals fallen, mal wieder eine Spur zu jung und schön sind. Dennoch kommt er weitestgehend ohne Neurosen und Selbstzweifel aus, weniger zynisch und böse, was abwechslungsreich ist, aber auch etwas zu seicht gerät. [...]
[...] Dahinter steht mit Robert Bresson ein französischer Regisseur, welcher die Mechanismen des Minimalismus verinnerlicht hat. In seinen Bildern liegt eine Strenge und zentrierte Detailverliebtheit, die nahezu einmalig ist. Allein der kühle Blick von Mouchette vermag es die Zuschauer mehr zu bewegen, als die Hälfte aller melodramatisch überzeichneten Hollywoodfilme zusammen. Es gibt nur wenige Dialoge, fast keine Musik und auf offensichtlich spektakuläre Einstellungen wartet man vergebens. Stattdessen spiegeln die trostlosen Szenen die Hoffnungslosigkeit von Mouchette wieder. Stumme Bilder, ruhige Bilder…angefüllt mit herzzerreißender Verzweiflung. Etwaige Schwächen lassen sich vor allem im Vergleich zu anderen Werken von Bresson finden, denn deren Kraft kann Mouchette allem Lob zum Trotz nur punktuell erreichen. Dennoch weiß der Film zweifelsohne seinen Zuschauer allein durch die Wirkung starrer schwarz-weiß Bilder zu bewegen. Im Gegensatz zu vielen anderen Regisseuren handelt es sich dabei nicht um Sinnbilder. Bresson versteht sein Handwerk keinesfalls metaphorisch, sondern vielmehr als direktes Abbild der Wirklichkeit. Aus diesem Grund wirkt Mouchette auch unmittelbar, klingt zwar durchaus nach, doch entfaltet den Höhepunkt seiner Emotionen stets im Moment. Auch in seiner Intention distanziert sich Bresson von einem Großteil aller anderen Filmemacher, weil er die vorliegende Emotionspalette nicht etwa missbraucht, sondern es ihm vielmehr um das erzeugte Gefühl selbst geht. Damit nimmt er innerhalb der internationalen Filmlandschaft eine besondere Stellung als großer Humanist ein und lohnt gerade deswegen auch im Jahr 2018 noch ungemein. Zweifelsohne ein Regisseur, ein Film, den vor allem junge Cineasten für sich (wieder)entdecken sollten. [...]
[...] Mit dem einseitigen Feindbild der Deutschen will Wilder sicherlich auch seine eigene Rechnung begleichen, schließlich musste er selbst von den Nationalsozialisten fliehen und verlor sogar Familienmitglieder während des Holocausts. An diesen kann das Werk übrigens nur sehr bedingt erinnern, denn tatsächlich gleicht das Kriegsgefangenenlager oftmals eher einem Ferienlager. Wilder romantisiert arg, denn mit der Realität hat es nur wenig zu tun, wenn Gefangene ihre eigenen Wettbüros betreiben, Schnaps brennen, Mäuserennen veranstalten oder den Wärter ordentlich aufs Korn nehmen. Interessant ist vor allem, welche Atmosphäre Wilder dadurch erzeugt. So erweckt Stalag 17 vor allem einen Eindruck von Herzlichkeit und gemütlichem Zusammenhalt, was auf eindrucksvolle Weiße die Zuschauererwartungen unterläuft. Billy Wilder soll einmal gesagt haben, dass er erst beim Schnitt seiner Filme entscheiden würde, ob er daraus eine Komödie oder ein Drama machen will. Bei keinem seiner Werke ist das nachvollziehbarer, als bei Stalag 17. Sein typischer Humor will nie wirklich zum ernsteren Unterton des Films passen, was für eine interessante Dichotomie sorgt. Darin schlummert auch der Gedanke, dass der wahre Schrecken solcher Lager filmisch gar nicht abgebildet und sich stattdessen auch schlichtweg darüber amüsiert werden kann. Unrespektvoll fühlt sich Wilders Film auf jeden Fall zu keinem Zeitpunkt an. Die Mechanismen des Unterhaltungsfilms greifen bei Stalag 17 fulminant ineinander, denn in Sachen Dramaturgie und Inszenierung bewegt sich der Film auf dem von Wilder gewohnt hohen Niveau. [...]
[...] Seinen Rhythmus passt Im Westen nichts Neues daher auch direkt seinen Hauptfiguren an. Im Eiltempo wird die Uniform an den Leib geschnallt, in freudiger Erwartung ausgerückt. Weder dem Film, noch seinen Protagonisten kann es schnell genug gehen und auch die Grundausbildung begreifen beide als notwendiges Übel. An der Front angekommen verlangsamt der Film sein Tempo zusehends, verfällt in eine angespannte Ruhe, die sich so auch direkt auf den Betrachter überträgt. Vorbei sind die naiven Vorstellungen der jungen Soldaten, was nun auf sie wartet ist einzig und allein der Tod. Gerade das Verweilen, die stetige Anspannung und das Verharren im Schützengraben wird zur unerträglichen Tortur und schnell muss auch der begeistertste Soldat einsehen, dass nichts Heldenhaftes daran ist, hungrig im Dreck zu liegen und angsterfüllt für sein Vaterland zu sterben. [...] Gleichsam inhaltlich wie formal arbeitet Milestone diesen Punkt heraus. Im Krieg sind alle Menschen gleich und so erlauben es die atmosphärisch dichten schwarz-weiß Bilder oftmals gar nicht, Freund und Feind voneinander zu unterscheiden. Desillusioniert werden die Bande zur Heimat gekappt und durch Freundschaften an der Front ersetzt. Nach dem Krieg verläuft die Grenze nicht länger zwischen den verschiedenen Ländern, sondern nur noch zwischen denen, die an der Front waren und dem Rest der Gesellschaft. Ein Heimaturlaub nimmt vorweg, wie unmöglich ein normales Leben scheint. Der Krieg hinterlässt seine Spuren, sowohl äußerlich als auch innerlich, und scheint zur einzigen (Lebens)-Realität geworden zu sein. Ob tot oder lebendig, verloren sind sie alle. Gewinnen kann nur, wer den Krieg erst gar nicht zulässt. [...]
[...] Die mit prominenten Namen besetzten Gauner werden dabei aus einer sehr versöhnlicher Sicht gezeigt und stellen die großen Sympathieträger des Films dar. Allen voran Sean Connery (Jagd auf roter Oktober) und Donald Sutherland (Die Jury) dienen als cool überzeichnete Betrüger und Diebe als zentrale Projektionsfläche für den Zuschauer. Das ist bisweilen recht gefällig, funktioniert trotz eher mittelmäßigen Darbietung jedoch weitestgehend gut. Der restliche Film gestaltet sich dagegen als lustlose Angelegenheit. Erzählerisch viel zu platt füllt Crichton jeden Hauch von Uneindeutigkeit mit zeigefingerartigen Voiceover-Einschüben, während die eher banale Erzählung ihren Lauf nimmt. Brav werden bekannte Stationen abgeklappert, Überraschungen und somit auch Spannung bleiben aus. Wenig kann darüber hinwegtäuschen, dass die Mechanismen des Films schon bei seiner Veröffentlichung angestaubt waren. [...]
[...] Viel Nabelschau und Bauchpinselei lautet zunächst die ernüchternde Antwort. Es hat durchaus etwas behagliches, wenn international gefeierte Filmemacher wie Mia Hansen-Løve (Alles was kommt), Ruben Östlund (Höhere Gewalt) oder Olivier Assayas (Personal Shopper) vom Altmeister schwärmen. Darin schlummert ein Moment der Verbrüderung mit der Zuschauerschaft. Im Angesicht von Bergman begegnen wir diesen angesehenen Regisseuren und Regisseurinnen auf Augenhöhe, gleichsam zu demütiger Ehrfurcht ermahnt. Davon abgesehen gestalten sich diese wiederkehrenden Momente als weitestgehend reizlos, schlichtweg weil darin wenig Diskurs und Analyse schlummert. Bewunderung macht diese Gestalten durchaus sympathisch, doch was dabei schmerzlich verloren geht sind eben all jene Gedanken und Ansichten, die nicht ohnehin schon unzählige Male formuliert wurden. Glücklicherweise kann Auf der Suche nach Ingmar Bergman auch mit gänzlich anderen Momenten aufwarten. Momente, welche sich beinahe unbemerkt an den dokumentarischen Alltag von Trottas anschleichen und zumindest den Versuch wagen das weitläufig bekannte Bild Bergmans zu brechen. Etwa dann, wenn einer von Bergmans Söhnen über vernachlässigte Vaterpflichten spricht oder eine frühe Sympathie zu Adolf Hitler aufgedeckt wird. Es sind zwar keine wirklichen Leichen im Keller Bergmans zu finden, aber immerhin macht sich von Trotta die Mühe nachzusehen. So lernt man als Zuschauer auch einen anderen Bergman kennen, einen dem eben nicht alles gelingen mag. Einen, der nicht frei von den Eigenheiten und Selbstzweifel ist, die so vielen Künstlern eigen ist. [...]
[...] Die düstere Frage, die über all den Geschehnissen schwebt, ist somit auch, inwiefern der gewählte Weg auch der richtige war. Auf Anfang überdeckt diese Frage weitestgehend durch seinen sprunghaften Umgang mit Zeit an sich und der konstanten Vermengungen verschiedener Zeitebenen als Mittel der dramaturgischen Gestaltung. Dadurch entsteht auch ein Gefühl des Dabeiseins, welches den Zuschauer kontinuierlich in seinen Sog zieht. Zwischen der kühlen und kontrollierten Atmosphäre dringt ein Drang nach Freiheit, nach Unbeschwertheit aus den Bildern. Ein Gefühl, dass manchmal alles möglich und nichts unerreichbar scheint. Wenn man scheitert, beginnt man wieder von vorn. Ganz im Gegensatz zur Realität, denn meistens kann man eben nicht zurück auf Anfang. Und dennoch sollte jedem Menschen die Möglichkeit auf einen Neuanfang gewährt sein. [...]
Hereditary, auf dem Sundance Film Festival zur alljährlichen Genrehoffnung erhoben und damit bereits im Vorfeld dazu verdammt, an seinen eigenen Erwartungen zu scheitern. Der gruseligste Horrorfilm des Jahrzehnts ließen frenetische Kritiker verlauten – und verfehlen damit eindrucksvoll den Kern der Sache. Von Beginn an wird der stark tragische Einschlag des Films spürbar, wenn auf einer Beerdigung Abschied von der Großmutter einer Familie genommen wird. Die Trauer ist jedoch von schwankender Natur, denn ihre Beziehung zu den einzelnen Familienmitgliedern war wechselhaft. Wie es der deutsche Beititel will, ist es ihr Vermächtnis, welches die Familie gleichermaßen physisch wie psychisch verfolgen wird. Immer wieder ist es vor allem das Gefühl von Trauer, welches Regiedebütant Ari Aster in ausschweifenden Szenen zum Ausdruck bringt. In Verbindung mit der dichten Atmosphäre, die sich über weite Strecken nur durch den beunruhigenden Soundtrack und quälende Kameraschwenks aufbaut ohne jemals Entladung zu finden, erschafft Hereditary emotional mitreißende Bildwelten, die den Betrachter alsbald gefangen nehmen. Da tut es der Wirkung des Films auch kaum einen Abbruch, dass Toni Collette im Zentrum die dramatischen Tiefen und Höhen des Werkes in ihrem Overacting nie vollends ausloten kann. Manche Wendungen wirken arg forciert, Genreerwartungen werden dabei – wie in letzter Zeit so oft – aber intelligent unterlaufen, was Hereditary in mehrerlei Hinsicht zu einem unorthodoxen Genrevertreter macht. Das Gruselfest für alle Sinne, welches sich viele enttäuschte Zuschauer erhofft haben, bleibt bis zum grandiosen Finale aus und kann auch dort nur seine Wirkung entfalten, wenn man durchgehend im Geschehen involviert bleibt. Dafür belohnt Hereditary aber auch mit eindringlichen Momenten, welche den individuellen Trauerprozess in ein übernatürlich entrücktes und verstörend andersartiges Gewand kleiden.
In den Gängen. Der Titel des Films ist gleichsam der Ort, an dem Träume zerplatzen. An diesem filmisch so unverbrauchten Schauplatz, tauschen ebenso unverbrauchte Figuren die selben Sehnsüchte. Ohne falschen Kitsch, ohne verbohrte Klischees. Gerade in der ersten Hälfte sorgt Regisseur Stuber immer wieder für Gelächter, schlichtweg indem er den trostlosen Lageralltag auf eine Art und Weiße einfängt, wie es sonst einer völlig anderen Art von Filmen vorbehalten ist. Wenn die Kamera virtuos durch die Gänge tänzelt oder die Fahrt eines Gabelstaplers von Strauß untermalt wird, dann ist das schon allein deshalb komisch, weil es unserer filmischen Prägung widerspricht. Herzliche Komik durch den Widerspruch von Form und Inhalt, während die Ossischnauze ihr übriges tut. Nach und nach muss dieses Grinsen jedoch aus dem Gesicht weichen, denn je weiter In den Gängen voranschreitet, desto deutlicher wird es, welche Trostlosigkeit diesen Alltag durchdringt. Stuber erzählt von den sozial Abgehängten, von den Verlorenen, über die sonst keiner sprechen mag. Rogowski, Hüller und und Kurth als versteckte erste Garde der deutschen Schauspielkunst. So etwas wie Hoffnung findet man in den gleichförmigen Bildern nur selten, dafür wirken Momente wie das improvisierte Weihnachtsfest umso kraftvoller auf den Zuschauer ein. Dann scheint es beinahe so, als würden die Lagerarbeiter ihr Recht auf einen glücklichen Moment schlichtweg einfordern. Erstaunlich ist auch, wie filigran Stuber diesen Mikrokosmus absteckt. Wenn Christian und Marion mit schweren Winterjacken den Weg ins Tiefkühllager antreten, dann gleicht das beinahe einer Expedition in die Antarktis. Da ist es auch nur konsequent beim langsamen Absenken der Staplergabeln das Meer rauschen zu hören. In diesen Augenblicken bekommt das Lager etwas Heimisches und Familiäres. Besonders dann, wenn zuhause sowieso keiner wartet.
[...] Mit ihrem Scherenschnittverfahren machte Lotte Reiniger die Not zur Tugend und noch heute übt die Technik ihren ganz eigenen Charme aus. In einer Zeit von aufwendiger 3D-Animation wirkt Die Abenteuer des Prinzen Achmed ebenso traumwandlerisch entrückt, wie der märchenhafte Kosmos, in dem der Film spielt. Dahinter steckt durchaus auch eine Idee von Minimalismus. Die Absicht, Kreativität und die eigene Fantasie als Teil des Films zu begreifen. Damit versetzt Reiniger den Zuschauer auch zurück in seine eigene Kindheit, in der Schatten an der Wand oftmals ausreichten, um ganze Fantasiewelten zu erschaffen. Es ist also durchaus eine naive Verzückung, die von diesem Film ausgeht. Ein wohliges Gefühl von Nostalgie, welches jedoch keinesfalls abgeschmackt wirkt, sondern seine Berührungspunkte vielmehr auf persönlicher Ebene sucht und findet. [...]
[...] Dass Der Leopard trotz seiner Langatmigkeit nie langweilig wird, ist vor allem Viscontis Liebe zum Detail zu verdanken. In jeder Einstellung gibt es mehr zu sehen, als das Auge auf den ersten Blick fassen kann. Dabei erzeugt er Bilder, an denen man sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht sattsehen kann. Unglaublich ergiebige Bilder, denn fast immer erzählen sie mehr über die Figuren und ihre Beziehungen. Man könnte Der Leopard durchaus vorwerfen, er wäre zu unpolitisch. Visconti zeigt nur wenig Revolution, schwelgt stattdessen im Abgesang. Doch auch das ist nur legitim, schließlich sieht er seinen Film nicht als politisches Dokument, sondern vielmehr als deutlich universellere Charakterstudie. Genau in diesem Rahmen kann er seine Stärken vollends ausspielen und dadurch ein prunkvolles Porträt schaffen, welches die Zeit als Klassiker überdauert. [...]
Kaum einen Monat in der mp-Redaktion und schon schwärmt Patricio von Marvel...verdächtig
[...] Denn obwohl Stardust Memories sicherlich auch eine eher handzahme Abrechnung mit der amerikanischen Filmindustrie und deren Publikum darstellt, steht Woody Allen selbst omnipräsent im Mittelpunkt. Seine eigene filmische Aufbereitung ist dabei wohl weniger essentiell, als damals noch bei Federico Fellini, sondern mischt eigene Problempunkte mit Elementen der Hommage. Dementsprechend schwer fällt es daher auch, eine klare Trennlinie zu ziehen. Wo fängt der echte Woody Allen an und wo beschäftigt sich der Film eher mit der von ihm entworfenen Künstlerfigur? Zweifelsohne ist der zu Beginn thematisierte Widerspruch zwischen Sandys eigenem Anspruch und der öffentlichen Wahrnehmung seiner Werke auch ein naheliegendes Trauma des echten Allen. „We enjoy your films, particularly the early funny ones“ wird zu einem wiederkehrenden Schlachtruf, den sich wohl auch Allen im Laufe seiner Karriere immer wieder anhören musste. Seine Beziehung zu gleich drei Frauen ist durchtränkt vom typischen Charme eines Woody Allen, irgendwo zwischen neurotischer Selbstwahrnehmung und zärtlicher Liebesbekundung. Darin schlummert wahrscheinlich auch die große Klasse von Stardust Memories. Allen weiß um die Perfektion von Achteinhalb und versucht deshalb gar nicht erst diesen zu übertreffen. Stattdessen assimiliert er den Film von Fellini und erzeugt so eine Hommage, die durch und durch von seiner eigenen Person durchwirkt wird. Ein Werk, dass sich gerade in seiner surrealen Qualität wohl ein Quäntchen zu viel zugemutet hat, davon abgesehen jedoch ein herrliches Beispiel dafür ist, wie abwechslungsreich und experimentierfreudig Allen innerhalb seines eigenen filmischen Kosmos doch sein kann. [...]
[...] Nichtsdestotrotz ist auch Broadway Danny Rose eine sympathische und kurzweilige Angelegenheit, über die manch anderer Regisseur bereits mehr als froh wäre. Für Allens Standard hingegen gilt es, keines seiner Glanzstücke, sondern lediglich eine routinierte Fingerübung zu erwarten. Das kleine Einmaleins sozusagen, nett im positiven Sinne des Wortes. Angenehm ist vor allem mit welcher Attitüde er sich dem Künstler- respektive Unterhaltertum nähert, denn auch wenn er seine reichlich skurrile Ansammlung an gescheiterten Bühnenmenschen auch als komödiantischen Zündstoff verheizt, zollt er ihrer Leidenschaft nichtsdestotrotz Respekt. Ein Herz für Außenseiter, Bewunderung für den Versuch. Eine Attitüde, die sich so mancher zu Herzen nehmen sollte. [...]
Sehr interessant, Patrick. Welchen Titel würdest du dir für den Film wünschen? :)
Die drei Amigos haben erfolgreich damit begonnen, die mp-Redaktion zu infiltrieren :)
[...] Was Duncan Jones uns hier als Film verkaufen will, ist eine Frechheit. Sicherlich, es werden sich vereinzelt Stimmen finden lassen, die in Mute ein Plädoyer für die Freiheit des Künstlers, einen kraftvollen Schrei für die vollständige Eigenständigkeit eines Auteurs, sehen. Ein Schrei, der wie es der Filmtitel jedoch unweigerlich vorwegnimmt, bestenfalls ein stummer ist. Denn Mute ist nicht etwa subersiv, ist keinesfalls vom Wahnsinn geschwängert oder vom unweigerlichen Drang einer Vision beseelt. Duncan Jones tappt im Dunkeln und bringt einzig und allein sein Unverständnis der Materie zum Ausdruck. Mute ist nicht einmal sonderlich gewagt, nein, sondern schlichtweg missraten. Egal welchen Blick man auf ihn anwendet, von welcher Perspektive man sich nähert, ein Sinn, eine Botschaft, bleibt selbst dem aufmerksamsten Zuschauer verborgen. Letztlich ist Mute ein eindringliches Beispiel dafür, wie sich künstlerische Narrenfreiheit ihr eigenes Grab schaufeln kann. Über zehn Jahre hat Duncan Jones laut eigener Aussage an diesem Projekt gearbeitet. Zehn Jahre, in deren Verlauf er jedwede kritische Distanz zu seinem eigenen Werk ebenso verloren hat, wie die Fähigkeit zwischen Wahn und Wirklichkeit, zwischen gut und schlecht zu unterscheiden. Hoffnungslos verrannt stapelt er Luftloch auf Luftloch und sorgt für Leerstellen, die er maximal mit seiner eigenen Erfahrung füllen kann, die dem Zuschauer aber ein ewiges Mysterium bleiben werden. So kurios es auch klingen mag, Mute speist den Gedanken, dass ein kontrolliertes Studioumfeld manchmal nicht nur förderlich, sondern gar bitter notwendig ist. Und Netflix? Die sollten bei aller Liebe zum Geld aufpassen, nicht zur Resterampe für missglückte und fehlgeleitete Filmprojekte zu werden. [...]
[...] Einen Rhythmus, den Lady Bird zu seiner eigenen Struktur macht. Eine Abfolge von Momentaufnahme, von Gefühlspanoramen, die glücklicherweise zunächst kein Recht auf Allgemeinheit erheben, sondern sich dieses nach und nach erkämpfen. Das wird vor allem daran deutlich, wie präzise der Film seine Zeit, seinen Ort, seine Figuren absteckt. 2002, stets vom Schatten des 11. Septembers überzogen. Ein Jahr an einer katholischen Schule in Sacramento, dazu Außenseiterindividualismus. Träume, die weder in Erfüllung gehen, noch endgültig platzen. Eine Familie der unteren Mittelschicht, mit begründeten Abstiegsängsten. Eine junge Frau mit dem Kopf in den Wolken – Saoirse Ronan (Brooklyn), die eben nicht Christine, sondern Lady Bird heißen will. Wenig Raum für Allgemeinplätze. Berührungspunkte schafft Gerwig vor allem tonal, darauf ausgelegt sich auf emotionaler Ebene mit ihren Zuschauern zu verbinden. [...] Gerwigs Regie scheint zunächst unscheinbar. Der Geschichte angemessen ist sie nur selten an größeren Bildern interessiert, sondern zieht ihre Kraft aus dem fließenden Rhythmus einer Erzählung, die in ihrer Struktur als Sammlung von Momentaufnahmen nur wenig mit klassischen Mustern gemein hat. Die Klaviatur der Tonalität, den natürlichen Übergang von Drama zu Komik, beherrscht sie indes so routiniert, dass man eine weitaus erfahrene Kraft hinter den Bildern vermutet. Es ist erstaunlich, wie vielschichtig die Emotionen sind, die Gerwig uns Zuschauern entlockt und so bahnt sich oft schon wieder ein Lächeln an, bevor die letzten Tränen den Mundwinkel erreicht haben. Ein Film, der uns gleichsam von einer Jugend träumen lässt, die wir nie hatten und uns erinnert, an all die Momente, in denen wir uns eben doch genau so gefühlt haben. [...]
[...] Nicholas Ray hantiert dabei gekonnt mit der Ikonografie des Genres, konterkariert diese aber zusehends mit seinem eigenen Stil und schafft so eine völlig eigene Bildwelt. Seine Farben sind intensiv und gewaltig. Dennoch lässt sich auch immer wieder der Einfluss des von Ray so geliebten Film Noirs erkennen, wenn er bestimmte Momente durch sein gelungenes Spiel mit Licht und Schatten atmosphärisch verdichtet. Sogar die Schießereien lösen sich zusehends von ihrer natürlichen Gewalt, entwickeln beinahe eine spielerische Anmut. Francois Truffaut (Sie küssten und sie schlugen ihn) meinte damals Johnny Guitar sei ein falscher Western, aber kein intellektueller. Es ist geträumt, ein Märchen, ein halluzinatorischer Western und man neigt dazu ihm beizupflichten. Nicholas Ray hat seine eigene Version eines Westerns geschaffen, der trotz beispielhafter Struktur wenig mit den Klassikern des Genres zu tun hat und sich aufgrund seiner Romantik ebenso von den deutlich pessimistischeren Spätwestern abgrenzt. Ein Unikum innerhalb seines Genres, nicht nur, aber auch, weil er dem weiblichen Geschlecht seinen verdienten Platz einräumt - und das ganz ohne falsch aufgesetzter Männlichkeit. [...]
[...] Peckinpah findet in diesem Wirkungsfeld aus Tradition und Fortschritt, dem Festhalten an klassischen Idealen und den Konflikten, die dadurch entstehen, seine dramaturgische Tragkraft. Dabei ist vor allem angenehm, wie die zunächst etablierte Hauptaufgabe eines Goldtransports immer stärker in den Hintergrund rückt und stattdessen die Leiden einer starken, wenn auch einfältigen, jungen Frau (Mariette Hartley, Marnie) thematisiert werden. Auch dort geht es um Ideale, um Selbstbestimmung und um die bisweilen schmerzlich ungerechte Rechteverteilung im Wilden Westen. Immer wieder prallen dabei Welt und Weltbild aneinander, weil Erwartung und Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmen. Im Festhalten daran liegt Tragik und Schönheit zugleich, denn auch wenn der Western sein Ende findet, so leben zumindest seine Helden weiter. [...]
[...] Über weite Strecken merkt man dem Film recht deutlich an, dass Fulci seine Handlung selbst als notwendiges Übel erachtet und besser schlecht als recht mit sich herumschleppt. Reines Füllmaterial zwischen den erstaunlich rar gesäten Schießereien und Actionsequenzen, die dafür umso wirkungsvoller hereinbrechen. Virtuos bebildert lassen sich dabei leicht dessen Ursprünge im Horrorgenre erkennen. Wenn Körper von Kugeln durchdringt und der rote Lebenssaft üppig vergossen wird, dann schwingt sich Silbersattel zu jener mitreißenden Klasse auf, die man von einem Lucio Fulci erwarten darf. Dazwischen kommt es nur selten zu Höhepunkten, etwa dann, wenn eine Gruppe Mexikaner angetrieben von einer fiebrigen Atmosphäre auf eine Ansammlung bewaffneter Mönche trifft und es zum größtenteils ungezeigten Showdown kommt. Allein dafür lohnt es sich aber schon, diesen Ausflug Fulcis ins Subgenre des Italowestern zu goutieren. [...]
[...] Freund und Feind, Gut und Böse ist dabei kaum mehr zu unterscheiden. Wie von Peckinpah gewohnt verwischt diese ohnehin nur dürftig gezeichnete Linie nach und nach bis zur Urkenntlichkeit. Im Zweifelsfall kämpft jeder gegen jeden, Banditen werden zu Sheriffs und umgekehrt. Dahinter vor allem der Wunsch zu überleben. Die melancholischen Weiten, die dafür auf die Leinwand gebannt wurden, leben von ihrer brodelnden Stimmung. Als zentrales Herzstück fungieren dabei James Coburn (Charade) und Kris Kristofferson (Convoy). Untermalt von Bob Dylans kratzbürstiger Stimme markieren sie die zwei zentralen Pfeiler dieses charaktergetriebenen Spätwesterns. Einst wie Vater und Sohn und später zwei Brüdern gleich, finden sie sich auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes wieder. Ein Gesetz, welches letztlich eigentlich keine Rolle spielt. Und trotzdem will keiner von beiden nachgeben, schließlich verbieten dies ihre Ideale. Gesetze und Regeln des Westerns, die Peckinpah auf tragische Weiße ad absurdum führt. [...]
[...] In zweierlei Hinsicht geht es Alpen um Familie. Die natürliche und die gewählte, bis zu einem gewissen Punkt auch die Überschneidung beider Welten. In sich geschlossen, treten die nach einzelnen Bergen benannten Mitglieder der Organisation Alpen auch in das Leben anderer Menschen ein, besetzten einen Platz, welcher nicht der ihre ist. Was dahinter schlummert ist der Gedanke einer konstanten Austauschbarkeit. Menschen sind ersetzbar, oder noch genauer: Menschen, die gestorben sind, müssen ersetzt werden. Definiert sind diese dabei vor allem durch äußerliche Charakteristiken, eine Idee, welche Lanthimos bei The Lobster später abermals aufgreifen sollte. Damit unterstellt Alpen seinen Figuren eine alles durchdringende Oberflächlichkeit und stellt die Frage in den Raum, was für einen Menschen in der modernen Welt überhaupt noch von Bedeutung ist. Natürlich ist die Prämisse des Films über die Maße konstruiert. Hollywood hätte daraus wohl einen oberflächlichen Psychothriller gemacht, angereichert mit jeder Menge Twists und erklärenden Dialogen. Lanthimos verzichtet darauf. Seinen Film gilt es nach und nach zu entschlüsseln, einem Puzzle gleich fügt jede Szene dem Gesamtbild einen weiteren Aspekt hinzu. Er führt und lenkt, Marionetten gleich scheucht er die leblosen Figuren über die Bühne seines Films. Er behält die Kontrolle, auch wenn alle Konflikte eskalieren. Vielleicht ist es diese Kühnheit, das Berechnende und Kontrollierte, was uns an seinen Werken gleichzeitig begeistert und verstört. Denn auch wenn seine eisigen Bilder sich nicht jedem Zuschauer auf die gleiche Weiße erschließen, so inszeniert er dennoch ungeheuer präzise und bedacht. Der Operationssaal ist vorbereitet und die Gesellschaft nimmt Platz. Zentimeter um Zentimeter setzt Lanthimos das Skalpell an, die Schnitte so fein, dass man sie mit bloßem Auge kaum erkennt – bis der Patient letztlich blutüberströmt zusammenbricht. [...]
Fiktive Aufarbeitung des NSU-Prozesses, entpolitisiert als empathisch-wütende Anteilnahme mit den Opfern und Hinterbliebenen. Was Fatih Akin mit Aus dem Nichts filmisch festgehalten hat, ist kein einfacher, ja sogar ein überaus angreifbarer, Film. Angreifbar, weil er einen primär politischen Konflikt rein subjektiv beleuchtet, eben nicht reflektiert, sondern sich bewusst auf die Seite der Opfer stellt. Angreifbar, weil er immer wieder vor schwierigen Entscheidungen steht und sich nicht davor scheut, einen eindeutigen Weg zu beschreiten. Vielleicht ist der abschließende Akt, speziell das Ende nicht optimal. Vielleicht verkommt der Versuch Authentizität zu suggerieren hin und wieder zu unfreiwilliger Komik. Vielleicht ist die Charakterzeichnung der Täter deshalb auch lachhaft einseitig. Dem entgegen steht jedoch eine emotionale Wucht, die Akin vor allem im ersten Akt mit kehlenzuschnürender Eindringlichkeit auf den Zuschauer loslässt. Ein filmisch real gewordenes Gefühl zwischen Hilflosigkeit und Wut, Trauer und Trauma. Nicht zuletzt aufgrund der sagenhaften Leistung der Antischauspielerin Diane Kruger. Erstaunlich, aus welch simplen Mitteln Aus dem Nichts seine dermaßen mitreißende, kraftvolle und einfühlsame Wirkung speist. Kino zum Fühlen, nicht zum Nachdenken. Wenn der Film, wie viele behaupten, auf dem Niveau einer öffentlich-rechtlichen TV-Produktion ist, sollte ich wohl mal wieder meinen Fernseher einschalten…