Berlinale 2017 - Das sind die Highlights im Programm

09.02.2017 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Die Autorin macht sich bereits fürs Schlangestehen20th Century Fox
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Heute wird die Berlinale 2017 eröffnet und hier könnt ihr nachlesen, welche Filme uns dieses Jahr erwarten. Darunter Logan, das letzte Wolverine-Abenteuer mit Hugh Jackman, und die alten Helden aus Trainspotting 2.

Zur Entspannung etwas Postapokalypse. Heute Abend werden die 67. Internationalen Filmfestspiele von Berlin eröffnet und die Aussicht auf einen tagelangen Filmmarathon im Wachkoma hat etwas von Urlaub von der Realität. Da mag die Berlinale sich noch so politisch geben. Einmal die Nachrichten ruhen lassen, 11 Tage lang ohne chronisches Schleudertrauma auskommen, weil man beim Scrollen durch die Timeline aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskommt. Selten kam das Frieren vor dem Berlinale-Palast gelegener. Mit 399 Filmen im Programm wartet wieder mal ein Überangebot an Familiendramen, Animationsfilmen, Künstlerbiografien, politischen Dokumentationen und dem reichen Genre der Sequels über schottische Junkies im Techno-Rausch. Sogar ein Superheld hat sich dieses Jahr ins Programm verlaufen, leider nicht Anastasia Steele, aber immerhin Hugh Jackman. Der fährt als alter Mann Logan im Jahr 2029 ein letztes Mal die Krallen aus. Das Wolverine-Abenteuer von James Mangold läuft wie auch Danny Boyles T2 Trainspotting außer Konkurrenz. Auf welche Filme ich mich dieses Jahr bei der Berlinale noch freue, könnt ihr im Folgenden nachlesen.

Ganz oben auf der Liste stehen keine Wettbewerbsfilme, ja nicht einmal Weltpremieren. Für europäische Festivalbesucher bietet die Berlinale in Nebensektionen die Möglichkeit, ein paar Perlen aus Sundance nachzuholen. A Bigger Splash-Regisseur Luca Guadagnino sammelte in Park City vor wenigen Wochen Lobeshymnen für seine Literaturverfilmung Call Me by Your Name über einen 17-Jährigen (Timothée Chalamet), der in den Sommerferien einen älteren Mann kennenlernt und unerwartete Gefühle für ihn entwickelt. Armie Hammer, der den Hausgast spielt, ist übrigens auch in Final Portrait von Stanley Tucci zu sehen, der außer Konkurrenz gezeigt wird. Bevor ich hier in eine Hammer-Ode über den traurig unterschätzten Lone Ranger anstimme, sei schnell der nächste Sundance-Film erwähnt: Im Forum-Beitrag Golden Exits spielt Emily Browning eine Australierin, die in New York einen Job als Assistentin eines Archivars (Beastie Boy Adam Horowitz) antritt. 2015 war das Psychostück Queen of Earth einer der besten Beiträge des Festivals, diesmal entführt uns Regisseur Alex Ross Perry mit einem vergleichsweise großen Ensemble nach Brooklyn, dessen Bewohner wohl (hoffentlich?) auch nicht viel glücklicher sind als Elisabeth Moss' Königin der Erde.

Call Me by Your Name

Ob bei der Weltpremiere von On the Beach at Night Alone im Saal fässerweise Reisschnaps ausgeschenkt wird, ist leider noch nicht bekannt. Der neue Film des Südkoreaners Hong Sang-soo (Right Now, Wrong Then) hat es wie schon Haewon und die Männer aus dem Jahr 2013 in den Wettbewerb der Berlinale geschafft. Hongs filigrane Vignetten machen nicht nur Durst auf eine Flasche Soju, sie können in Sekundenschnelle vom amüsanten Plauderton in tragische Enttäuschung umschwenken, oder vom höflichen Small Talk in einen unerwünschten Striptease. Der ein oder andere Nervenzusammenbruch könnte in The Party auf den Zuschauer lauern. Sally Potter (Ginger & Rosa), eine von vier Regisseurinnen im Wettbewerb, hat leider nicht das dringend notwendige All-Female-Remake von Blake Edwards The Party gedreht. Dafür zeigt Potter in Echtzeit, wie die Soirée einer Politikerin (Kristin Scott Thomas) und ihres Ehemanns (Timothy Spall) vor lauter Missgunst und Geheimnissen außer Kontrolle zu geraten droht. Als Gäste wurden unter anderem Bruno Ganz und Emily Mortimer geladen.

Zwischen neuen Filmen von Aki Kaurismäki (Die andere Seite der Hoffnung, ein ausgesprochen kaurismäkischer Titel), Agnieszka Holland (Spoor) und Sabu (Mr. Long) wartet im Wettbewerb Wilde Maus, das Regiedebüt von Josef Hader (Silentium), auf Entdeckung. Sebastián Lelio, dessen charmanter Gloria 2013 den Silbernen Bären für die Beste Darstellerin gewann, stellt indes wieder A Fantastic Woman vor. Absolutes Highlight im Wettbewerb bleibt für mich aber Helle Nächte von Thomas Arslan. In Im Schatten und Gold hatte sich Arslan Gangsterfilm und Western zugewandt. Der Film über einen Vater, der in den Bergen Norwegens eine engere Bindung zu seinem Sohn aufbauen will, scheint nun eher die Richtung von Arslans Familiendrama Ferien oder aber einen ungewohnteren kreativen Pfad einzuschlagen. Überhaupt zeigt sich das deutschsprachige Kino vielversprechend und -seitig auf der diesjährigen Berlinale. Tiger Girl ist mit seiner Baseball-Schläger schwingenden Heldin auf dem Poster jetzt schon in aller Munde. Ähnlich forsch gibt sich Back for Good von Mia Spengler, der die Sektion Perspektive Deutsches Kino eröffnet. Mit Casting improvisiert Nicolas Wackerbarth ein "filmisches Experiment". Mein persönlicher Must-Experience-Film aus deutschen Landen hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel und heißt Schwarzer Kies. Das düster-dreckige Drama von Helmut Käutner (Unter den Brücken) war lange nur über mühsame Internet-Umwege aufzutreiben, geschweige denn im Kino zu sehen. Bei den Berlinale Classics wird das Werk aus dem Jahr 1961 in einer restaurierten Fassung gezeigt. Meine Liebe zu den Filmen von Helmut Käutner habe ich schon mehrfach an anderer Stelle kundgetan. Da passt es hervorragend, dass auch dieses Jahr wieder eine Doku von Dominik Graf gezeigt wird: Offene Wunde deutscher Film ist die angekündigte Fortsetzung der Wiederentdeckungstour Verfluchte Liebe deutscher Film von 2016.

Tiger Girl

Schon jetzt eine Empfehlung wert ist I Am Not Madame Bovary, der in der parallel zum Festival laufenden Woche der Kritik  auf dem Programm steht. Der Chinese Feng Xiaogang (Heroes of War - Assembly) ist eher für seine Blockbuster und romantischen Dramen bekannt. In "Bovary" schickt er Superstar Fan Bingbing durch die Mühlen der Bürokratie und wählt für die Freistellung eines Schicksals aus vielen Tausenden äußerst ungewöhnliche formale Mittel. Über den in Argentinien, Mosambik und den Philippinen spielenden The Human Surge, der ebenfalls zum Programm gehört, ist seit dem Festival in Locarno im vergangenen August hingegen viel begeistertes Gemurmel zu hören.

Aber zurück zur Berlinale, wo mit I Am Not Your Negro ein Anwärter auf den diesjährigen Oscar für den Besten Dokumentarfilm gezeigt wird. Samuel L. Jackson leiht darin dem verstorbenen Schriftsteller James Baldwin seine Stimme, der sich in einem unvollendeten Manuskript autobiografisch mit dem andauernden Rassismus in den Vereinigten Staaten auseinandersetzt. In seinem zweiten Festivalbeitrag Der junge Karl Marx lässt Regisseur Raoul Peck August Diehl in die Titelrolle des geschichtsträchtigen Ökonomen und Philosophen treten. Als der vielseitige Dokumentar- und Spielfilmregisseur Michael Glawogger (Whores' Glory - ein Triptychon) 2014 überraschend in Liberia starb, arbeitete er gerade an einem Film. Schnittmeisterin Monika Willi hat das verbliebene Filmmaterial bearbeitet und so feiert Untitled seine Premiere im Panorama der Berlinale.

Zu guter Letzt wartet das große Abenteuer in Die versunkene Stadt Z. Ex-Biker Charlie Hunnam spielt einen britischen Entdecker, der im Amazonas-Gebiet nicht von der Suche nach einer verlorenen Stadt lassen kann. Mit Two Lovers-Regisseur James Gray ins Südamerika der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts abzutauchen, stelle ich mir schon jetzt als betörendste Erfahrung des Festivals vor. Man denke ans hypnotische Feld aus dem Finale von Helden der Nacht - We Own the Night, nur eben 140 Minuten lang und um einen Robert Pattinson reicher. Aber vielleicht wird ja alles ganz anders. Ein bisschen weniger Kopfschütteln, dafür viele Ahs und Ohs, das wäre schön dieses Jahr. Eben so, als würdest du nachts durch Berlin laufen und auf einmal siehst du, wie ein Bär im Fotoautomat Selfies schießt. So viel Entdeckungsgeist versprechen die schnuckeligen Berlinale-Poster . Jetzt müssen die Filme mithalten.

Die Berlinale findet vom 9. bis zum 19. Februar statt und wird vom Biopic Django eröffnet. Ab morgen lesen wir uns hier täglich im Festival-Tagebuch.

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