alviesinger - Kommentare

Alle Kommentare von alviesinger

  • 6 .5

    Wahrscheinlich sind das imposante Balletteinlagen. Wahrscheinlich ist das eine einzigartige Darbietung von Natalie Portman. Und wahrscheinlich soll einen diese massive Symbolik von „Black Swan“ erschlagen. Aber das einseitige Psychoduell voll blutiger Zehen, kaputter Fersen und berstenden Knochen im harten Ballett-Biz weiß einen über die komplette Laufzeit nicht zu packen. Dafür ist die Struktur des Streifen, der das „Fight Club“-Feeling nie ganz abschütteln kann, zu eindimensional: Wir haben einen verklemmt-zerbrechlichen Jungstar mit unterdrückten Trieben und Begierden. Die wollen raus. Luft schnappen. Darren Aronofsky klappert in seinem düsteren Coming-of-Soul-Film die Standard-Variationen ab wie Schein und Sein, Wahn und Wirklichkeit, Wahrheit und Dichtung oder auch den abgenutzten Trick des Spiegels als Instrument der Identitäten. Gegensätze wie Schwarz und Weiß oder keusch und geil begleiten den in manchen Einstellungen deutungsschweren und auch wieder extrem Klischee-beladenen Trip. Am Ende wird deutlich: Das ist gar kein Film, sondern ein Ballettbesuch mit gewohnt theatralischer Bühnendramatik im dunklen Lichtspielhaus, der einen Blick auf die gequälte Seele einer Psycho-Ballerina wirft, die auf der Suche nach sich selbst ist. Manche würden auch wagen zu schreiben: Das ist viel Gehopse um Nichts. Manche.

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    • 8 .5

      Aus Frankreich kommt eine kritische Komödie über die vermeintliche Herkunft, die eigenen Wurzeln und über die sprichwörtlichen Gegensätze, die sich bekanntermaßen anziehen. Michel Leclerc blickt auf die jüngere französische Vergangenheit und zeigt wie die Seele unseres innerlich gespaltenen Nachbarlandes tickt. Und das gelingt dem Regisseur und Autor in federleichter Art und Weise. Mithilfe des schauspielerischen Großmeisters Jaques Gamblin und der putzigen Sara Forestier sowie einer ordentlichen Portion erfrischend frechen Humors schuf Leclerc mit „Der Name der Leute“ kluge Unterhaltung fern dieser leider ständig wiederkehrenden Multikulti-Klamotten. Trotz der gelungenen Situationskomik und den bei Woody Allen entliehenen inneren Dialogen ist der Blick auf den ernsten Hintergrund niemals unscharf. Klar: Am Anfang, mittendrin und am süßen Ende ist das ziemlich pappig und geschönt. Gesellschaftspolitisch kaum noch relevant. Aber eine Mischung aus Rührseligkeit und Relevanz wie in diesem aufdringlich-sympathischen französischen Unterhaltungsfilm offeriert, gab es in der jüngeren Vergangenheit nur selten.

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      • 4
        über Devil

        Das hat noch gefehlt: Der Teufel in Menschenform foltert Büßer in liberaler Jigsaw-Manier – ausgedacht und produziert von M. Night Shyamalan. Die Geschichte und ihre Erzählform erinnern an eine mittelmäßige und viel zu lange „Tales from the Crypt“-Episode – leider ohne Cryptkeeper. Dieser übersinnliche Miss-Marple-Schmuh ist kein „Abwärts“-Whodunit, sondern ein religiös angehauchter Who-Is-It-Kitsch bei dem sich nicht nur die Zuschauer langweilen, sondern auch die C-Schauspielerriege bestehend aus Nebendarstellern abgesetzter oder ausgelaufener US-Serien unterfordert wird. Um es kurz zu machen: Bei der „Devil“-Produktion ist nicht nur der Fahrstuhl von allen guten Geistern verlassen.

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        • 6 .5

          2003 steckte der Bergsteiger Aaron Ralston für 127 Stunden in einer Felsspalte im Blue John Canyon fest. Danny Boyle verfilmte nun die dramatische Geschichte des jungen Mannes. Wie zuletzt in „Buried“, „Frozen“ oder auch „Open Water“ wird einmal mehr der Fokus auf den Menschen in einer scheinbar ausweglosen Extremsituation gerichtet. Der von James Franco gespielte Ralston ist in der Spalte gefangen, hat Durst, phantasiert und friert. Seine ständig wachsende Verzweiflung dokumentiert er in Form eines Videotagebuchs. Ralstons eintöniger Spaltenalltag wird mit Erinnerungen aus seinem Leben und Wunschträumen aufgehübscht. Merke: Ist der Unterarm erst zerschmettert, bleibt genügend Zeit für eine kritische Selbstreflexion. Und hier kann Danny Boyle mal wieder die Bombastsau von der Leine lassen und inszenatorisch seine üblichen orgiastischen Montagen mit laut plärrender Musik lostreten. Leider erinnern einige von Boyles audiovisuellen Blähungen an bekannte Sequenzen aus Genre-Kino wie etwa „The Descent“. In der Spalte selbst ist wenig los. Man merkt, dass der filmische Stoff auf wahren Tatsachen beruht. Deshalb taucht in der engen Felsspalte auch kein hungriger Puma oder menschenfressender Ureinwohner auf gegen den der erschöpfte Ralston kämpft. Und so muss eben ein Gewitter mit Starkregen für Abwechslung sorgen. Am Ende bleibt die Botschaft, dass Mutter Natur kein Kinderspielplatz ist und natürlich: Auch ein überzeugter Einzelkämpfer braucht seine Familie, benötigt Freunde. „127 Hours“ ist ein solides Drama mit einem tollen Franco und massig Leerlauf, der durch den üblichen Boylschen Schnickschnack nur begrenzt kompensiert werden kann.

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          • 2

            „Yogi Bär“ im heutzutage scheinbar unvermeidlichen 3D: Bevor das Tatzenvieh loslegt, schiebt Warner Bros. einen neuen Roadrunner-Kojoten-Kurzfilm ein. Der ist kurzweilig, wie immer brutal und lustig. Danach sollte man das Kino eigentlich wieder verlassen. Denn was dann kommt, dieses trübe Ding von Film mit dem aufrecht gehenden Bären, grenzt an einer Zumutung. Der mit Ach und Krach – ohne Abspann und den Kurzfilm – die Länge von gerade einmal 70 Minuten erreicht, ist für erwachsene Kinogänger eine echte Tortur. Selbst Kids, die ein zweistelliges Alter erreicht haben, werden unterfordert. Der ordentlich animierte Yogi ist in diesem – nennen wir es – kindgerechten Unterhaltungsfilm eine schreckliche Nervensäge und sein Sidekick Boo Boo so aufregend wie eine Kapsel Zoloft. Der Inhalt des Streifens reicht für keine zehn Minuten, das ist alles NICHT witzig, der Film hat nichts zu bieten: kein Witz, kein Charme, keine Reibungspunkte - nada. Das ist schlichtweg lieblose Geldmacherei, die einen ähnlich zu ärgern weiß wie diese „Scooby-Doo“- oder „Garfield“-Machwerke. Einfach nur öde.

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            • 7 .5

              In Florian Cossens Drama geht eine junge Frau in Buenos Aires auf Spurensuche. „Das Lied in mir“ ist Cossens Abschlussfilm der Filmakademie Baden-Württemberg und verdient durchaus Beachtung. Obwohl die Geschichte über Entwurzelung und Vergangenheitsbewältigung im Grunde sehr überschaubar ist, kann von Längen im Film selbst keine Rede sein. Als Wiedergutmachung für den geringen Mangel an inhaltlicher Tiefe entschädigt Cossen die Kinogänger mit einer gekonnten und äußerst stimmungsvollen Inszenierung. Der Mann weiß einfach in jeder Einstellung wie man Stilmittel perfekt einsetzt. Obendrein helfen die beiden Hauptdarsteller Jessica Schwarz und Michael Gwisdek mit ihrem intensiven Spiel den glaubwürdig skizzierten Figuren Verzweiflung, Angst und Freude einzuverleiben.

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              • 5

                Ist das eine Alltagskomödie, die Mike Judge ablehnte? Handelt es sich um eine Einführung in die Thematik wie man Romcoms möglichst nicht inszenieren sollte? Und was bedeuten die ungeschickt platzierten Faschingseinlagen von diesem Fake-Jack-Black namens Josh Gad? Erst nach der Hälfte weiß „Love & Other Drugs“ endlich was er sein möchte: ein melodramatischer Liebesfilm in der Welt von Pharma-Vertretern und Parkinson-Kranken. Und ja: Es schaut sich, wie es sich liest. Dann wird es auch richtig ernst: Regisseur Edward Zwick erklärt uns den Unterschied zu einer lieblosen Jennifer-Aniston-Klamotte durch den Einsatz von Full-Frontal-Nuditiy: Die Hauptdarstellerin Hathaway hüpft mehrfach nackig vor der Kamera herum, entblößt ihre Brüste und räkelt sich in den Laken. Ihr Darstellerkollege Gyllenhaal macht es ihr nach und hält seinen entblößten Hintern gen Kamera. Zwick goes Kundera - ist ja richtig europäisch. Erwachsen. Dabei ist diese so krampfhaft um Gefühle bettelnde Genre-Gemischtsauna weder ergreifend noch einfühlsam, sondern banal und dementsprechend langweilig. Wer verspürt eigentlich den Willen solch einen zugegebenermaßen manchmal sogar unterhaltsamen jedoch über weite Strecken uninspirierten und auf allen Hochzeiten tanzen wollenden Stoff zu verfilmen?

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                • 3 .5

                  Fast vier Jahre nach „Das Leben der Anderen“ präsentiert das deutsche Wunderkind Florian Henckel von Donnersmarck sein mit Stars gespicktes Hollywood-Debüt. Und es ist ein schlechter Witz geworden: Die Schmalspurgeschichte von „The Tourist“ dreht sich um die übliche Alfred-Hitchcock-Prämisse: Ein Durchschnittsbürger wird ganz zufällig in eine Verschwörungsgeschichte verwickelt. Fortan ist er auf der Flucht, muss seine Unschuld beweisen und die Dinge wieder klar rücken. Doch leider ist Henckel von Donnersmarck bei seinem betont auf altmodisch getrimmten Spionage-Thriller fast alles schief gelaufen. Der Regisseur bekommt seine Stars in so gut wie keiner Szene in den Griff: Die Jolie scheint in jeder Einstellung einen halben Meter über dem Boden zu schweben und wird dementsprechend auch noch als anachronistische Hollywood-Diva der Marke Greta Garbo inszeniert. Und Johnny Depp, der Schwarm aller Frauen, könnte als unbeholfener Mathematiklehrer aus Wisconsin kaum unglaubwürdiger wirken. „The Tourist“ ist eine grauenhafte, venezianische Charade mit manchmal deplatziertem Blödelfaktor und dann wieder schrecklich verzierten Schmalzmomenten, die an die mittelmäßige Sommerkomödie „Knight and Day“ mit Tom Cruise und Cameron Diaz erinnert - nur mit vertauschten Geschlechterrollen. Im Endeffekt ist jeder von Donna Leons TV-Brunetti-Krimis unterhaltsamer. Und das ist ja schon einmal ein hartes Urteil. Mit „The Tourist“ ist Henckel von Donnersmarck jedenfalls ordentlich abgesoffen.

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                  • 5

                    Disneys bunte Kitschwelt hat Zuwachs bekommen: „Rapunzel – Neu verföhnt“ ist das aktuelle Animationswerk des Multikonzerns. Bis auf die Tatsache, dass der Film neu ist, halten sich die filmischen Innovationen mehr als nur in Grenzen. Wieder einmal wird munter geträllert, mit den viel zu großen Kulleraugen gerollt und mit einer moralisch einwandfreien Geschichte gehämmert. Interessant ist vielleicht noch, dass die Disney-Traditionen im Film ständig mit einem ironischen Unterton versehen wurden – der Weltkonzern biedert sich hier dem Zeitgeist an und lässt auf diese Weise sein Rapunzel-2.0-Werk zu einem gemäßigten „Shrek“-Verschnitt verkommen. Dabei setzen die Macher mitunter auf ganz schön alte Kalauer: Denn die gefühlte 34. „Mission Impossible“-Parodie kann doch niemand ernsthaft mehr in einen Film aus dem Jahr 2010 einbauen.

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                    • 3 .5

                      „Monsters“ ist ein von Gareth Edwards verdammt träge inszenierter Film, der zwischen den Genres Science-Fiction-Thriller und Melodram pendelt. Die schlafwandlerische Erzählweise verwundert nicht, denn Edwards hat kaum etwas zu erzählen. Darüber hinaus wird die Schmalspurgeschichte von zwei unsympathischen Figuren getragen. Der Zuschauer fühlt sich anfangs wie ein Kerl, der nichts besseres zu tun hat als die Schauspielerin Whitney Able als Radha-Mitchell-Klon in knappen Hotpants und Scoot McNairy als ewig mürrischen Kerl mit Arschgeweih(!) und Coolness-Krone bei ihrem Backpacking-Trip durch Mittelamerika zu beobachten. Mit zunehmender Laufzeit entwickelt sich „Monsters“ dann aber zu einer schon irgendwie bemerkenswerten Abart von „Before Sunrise“ + „Before Sunset“ mit Aliens. Dumm dabei ist, dass die Dialoge bisweilen das Niveau einer drittklassigen Teenie-Schnulze erreichen. Und von den merkwürdigen Krakenspinnen from Outer Space ist kaum etwas zu sehen. Ab und an dürfen sie in bester „Lost“-Art im dunklen Dschungel brummen und brüllen. Eigentlich ist das auch gut so. Denn diese schwebenden Riesenkalamaris sehen schon unfreiwillig komisch aus. Der reißerische Filmtitel rechtfertigt sich gegen Ende noch in Form einer anklagenden Parabel, die nach den wahren Monstern in unserer Welt fragt und mit einer Laissez-faire-Lösung winkt. Insgesamt gesehen ist „Monsters“ ein immens überbewerteter Krempel.

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                      • 8

                        „Brothers“ ist das Remake des dänischen Familiendramas „Brødre“ von der international renommierten Regisseurin und Autorin Susanne Bier. Änderungen wurden in der US-Neuverfilmung glücklicherweise kaum vorgenommen. „Brothers“ enthält sich einer Kriegskritik. Stattdessen richtet sich der inhaltliche Fokus auf die schmerzhaften Probleme der Kriegsheimkehrer und wandelt damit auf ausgetretenen Pfaden der Marke Ciminos „The Deer Hunter“. Dessen Intensität erreicht „Brothers“ zwar nicht, der Film kann sich aber mit dem famosen „The Messenger“ von Oren Moverman, der im Frühsommer 2010 weitgehend ohne Beteiligung deutscher Kinobesucher in den hiesigen Lichtspielhäusern zu sehen war, messen. Denn das großartig aufspielende Trio – Jake Gyllenhaal, Natalie Portman und Tobey Maguire mit seiner wohl bisher besten schauspielerischen Leistung – verschaffen diesem intensiven und bisweilen schmerzhaften Drama eine außergewöhnliche Tiefe. Gerade den Ex-Spiderman wird man als krankhaft eifersüchtigen und von verdrängten Schuldgefühlen aufgefressenen Veteran, der erst wie ein Zombie durch die frisch renovierte Einbauküche seines Zuhauses wandelt und diese später umso kraftvoller demoliert, so schnell nicht vergessen.

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                        • 5 .5

                          Nach den beiden miesen „7 Zwerge“-Filmen durfte man Schlimmes erwarten. Waalkes schart in „Otto’s Eleven“ erneut aktuelle Zeitgeistgrößen um sich und zieht sein seit 25 Jahren ordentlich Asche versprechendes Filmkonzept durch: Eine minimale Geschichte – diesmal bedient sich der Ostfriese beim Heist-Szenario der US-amerikanischen „Oceans“-Trilogie -, abgedroschene Wortspiele, die Waalkes bereits in den 1970er Jahren mit Autoren der Frankfurter Neuen Schule wie Robert Gernhardt und Bernd Eilert verfasste und eben diese geschmacklich diskutablen kindischen Faxe, die neben Waalkes einmal mehr von jüngeren Späßchen-Kollegen wie Mirco Nontschew und Rick Kavanian vom Stapel gelassen werden. Trotz der unverändert faden Rezeptur ist „Otto’s Eleven“ nicht so unerträglich wie anfangs vermutet. Tatsächlich gelingen dem Godfather der deutschen Stand-Up-Comedy zwischen all dem infantilen und manchmal zum Wegdrehen peinlichen Klamauk einige durchaus witzige Szenen. Ob diese nun von Blake Edwards „inspiriert“ sind oder auf dem Alleinunterhaltertalent einiger an dem Film beteiligten Comedians basieren – sei’s drum: Waalkes neuester Streich ist ein betont altmodischer Familienspaß, der besonders beim jungen Publikum punkten wird. Und Kinder zu unterhalten ist nicht immer einfach! Die älteren Kinobesucher hingegen ärgern sich über so manche blöde Szene und lachen im Umkehrschluss über einen fiesen Sky Du Mont sowie politisch unkorrekte Witze über Ostdeutsche und andere Randgruppen.

                          • 6

                            Englische Bürger um die 60 – manche sind glücklich verheiratet und gärtnern in ihrer Freizeit, andere sind depressiv, schlaflos und chronisch unzufrieden. Für Mike Leigh, den Soziologen unter den Filmschaffenden, ist es die ideale Vorlage für seinen nächsten ethnographischen Ausflug in die Welt der Normalos. Diese wird von aufkommender Angst vor Einsamkeit im Alter und dysfunktionalen Beziehungen geprägt. Im Cannes-Beitrag 2010 „Another Year“ gelingt Leigh ein bedrückender Blick hinter die Fassade der gutbürgerlichen Gesellschaft. Die Botschaft ist deutlich: Das Leben und das Alter sind kein Zuckerschlecken. Leigh verkauft sich einmal mehr als Erzähler, der mit beiden Beinen auf dem Boden der nackten Tatsachen steht, quasi mitten im Leben. Eine ehrliche Haut. Das Problem ist aber, dass sich Leighs über zwei Stunden lange manchmal fiese Sozialkomödie aufgrund der uninteressanten Geschichte wie ein bereits jeglichen Geschmack verlorener, farbloser Kaugummi zieht. Trotzdem dürfte der Streifen, der von den tollen Darstellern zehrt, einen gewissen Wiedererkennungswert beim Zielpublikum erzielen. Das hysterisch überdrehte Lachen wird so mancher Menopause-Dame im Saal ihres Stamm-Arthouse-Kinos im Hals stecken bleiben.

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                            • 7

                              Woody war wieder in London. Woody hat eine Tragikomödie über zwischenmenschliche Probleme in der Londoner Oberschicht verfasst und abgedreht: Untreue, der zweite Frühling, Leidenschaft, Betrug und Begierde eben. Der Geist im Kampf gegen das willensschwache Fleisch. Ja, schon klar. Wie seit fünf Jahren üblich sind bei Allen die Orte und Figuren austauschbar. Hauptsache Großstadt, ein Stück Bourgeoisie und den abgegriffenen Freud neben dem Nietzsche im voll gestopften Buchregal stehen haben. Da ist endgültig die Luft raus, denkt man. Doch irgendwie schafft es Woody diesmal seinen Figuren wieder mehr Leben und damit Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Der forcierte Realismus hilft, trotzdem kann sich Allen einige deplatzierte Albernheiten nicht verkneifen. Woodys aktuelles Werk ist nichts Bahnbrechendes. Das dürfte auch niemand mehr ernsthaft erwarten. Denn nach „Hannah und ihre Schwestern“ kam eigentlich nichts Neues mehr von ihm, sondern stets Variationen seines Könnens. „Ich sehe den Mann deiner Träume“ ist ein solider Allen, der den erbärmlichen „Whatever Works“-Ausrutscher fast wieder vergessen macht aber auch lange nicht die Klasse ähnlich gestrickter Ensemble-Werke wie „Ehemänner und Ehefrauen“ oder „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ erreicht. Und während des Abspanns denkt man, der Allen, der kann es ja doch noch und freut sich. Für ihn und das eigene Fanboy-Dasein.

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                              • 7

                                Dreamworks setzt nach „Shrek“ weiterhin auf potthässliche Protagonisten und rückt mit „Megamind“ einen vertrottelten Superschurken mit Wasserkopf in den Mittelpunkt der Geschichte. Diese nimmt das festgefahrene und sehr berechenbare Superhelden-Setting in sympathischer Art und Weise auf die Schippe. Wo Filme mit einem parodistischen Ansatz wie „Hancock“ spätestens in der zweiten Filmhälfte total versagten, wissen die Autoren von „Megamind“ wie solch ein Vorhaben zu bewerkstelligen ist. Trotz des gewohnt kindischen und manchmal nervigen Humors überrascht das Animationswerk mit einer für das Kassen-trächtige Genre ungewohnt komplexen Geschichte, die bereitwillig Haken schlägt. Selbstredend wird im Film aus dem reichen Fundus der Strumpfhosen-Helden geschöpft: Die Macher zitieren „Batman“ und „Superman“ gebührend. Musikalisch wird auf ganz dicke Hose gemacht: Mit breitbeinigen Rocknummern von AC/DC und Guns N’ Roses zeigt „Megamind“ den „Iron Man 2“-Machern wie schmalbrüstig ihr diesjähriges Sequel dann doch war. Noch am Rande: In der deutschen Fassung geht einem anfangs die Synchronstimme von Bastian Pastewka gehörig auf den Senkel. Das legt sich aber. Trotzdem sei an dieser Stelle wie immer das Original mit den Stimmen von Will Ferrell, Tina Fey und Brad Pitt empfohlen.

                                • 6

                                  Stephen Frears führt uns auf Glatteis: „Immer Drama um Tamara“ beginnt als rühriges Gesellschaftsstück für das anglophile Arthouse-Publikum. Doch im Laufe des Films, der auf einem Independent-Comic basiert, zerlegt der Brite seinen prätentiösen Ansatz und jongliert nicht immer geschickt mit den zahlreichen Figuren der Vorlage und deren Problemen. Das Ganze ist comichaft überdreht und mit entschärftem britischem Humor zersetzt. Der Kinozuschauer verfolgt eine bisweilen merkwürdig strukturlose Posse, die ihren schrägen Seifenoper-Charme nie ganz ablegen kann. So manche Szene vermasselt der Altmeister, so mache Idee der Graphic-Novel-Vorlage hätte er besser ausgeklammert. Am Ende funktioniert Frears Adaption noch am besten als Dekonstruktion der britischen Rosamunde-Pilcher-Pappidylle.

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                                  • 5 .5

                                    Denzel Washington auf Schienen. Schon wieder. Diesmal muss er zusammen mit Chris Pine als All-American-Working-Class-Duo einen führerlosen Güterzug voll giftiger Chemikalien zum Stehen bringen. Bis zum Finale kabbeln sich die ungewollten Helden, finden zueinander, hadern mit herzlosen Vorgesetzten und lösen in dem ganzen Trubel gar noch ihre flach skizzierten familiären Probleme. „Unstoppable“ ist ein berechenbarer Neo-Katastrophenfilm aus der schon wieder eingestaubten Genre-Schublade, in der auch Werke wie „Dante’s Peak“ oder „Twister“ abgelegt wurden. Trotzdem ist dieser simple Spannungsfilm der perfekte Stoff für Tony Scott, der fortwährend das Adrenalin der Zuschauer hoch pumpen will. Dem Filmtitel entsprechend ist in „Unstoppable“ die Kamera immer in Bewegung. Ständig kreist sie in bester Michael-Ballhaus-Manier um die Schauspieler, ständig dröhnt der penetrante Score – alles ist im Scottschen Fluss, eben in ständiger Bewegung. Das filmische Ergebnis ist ein schnittiger Action-Kracher ohne Seele. Routiniert inszeniertes Kino-Fastfood – auf die Dauer ist das aber eintönig und ungesund.

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                                      Die Regisseurin Lisa Cholodenko zeigt in ihrer gelungenen Tragikomödie den unbedingten Willen ein realistisches Alltagsszenario abzubilden. Dass dieses Unterfangen, das auch leicht in prätentiöse Verkrampfung und Rührseligkeit hätte abdriften können, gelingt, ist primär dem spritzigen wie auch ehrlichen Drehbuch von Cholondenko und Stuart Blumberg zu verdanken. Zudem ist Cholodenko eine wahnsinnig genaue Beobachterin. So gelingt ihr in jeder Szene eine Authentizität und Wärme, die den Zuschauer direkt ins Geschehen wirft und ihn mit den gewöhnlichen aber mitnichten unbedeutenden Ängsten und Nöten der Figuren leiden lässt. „The Kids are All Right“ wird zudem durch die großartigen Annette Bening und Julianne Moore getragen. Und deshalb muss man Cholodenko und Blumberg eigentlich noch einmal erwähnen. Das Duo widerlegt mit seinem Film den Mythos, dass es in Hollywood keine anspruchsvollen Rollen für Frauen über 45 gibt. Und blöde Schwarzweißlösungen braucht auch keiner. Dankeschön dafür.

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                                      • 7 .5

                                        Ein unbeschwertes Leben sieht anders aus. In einer staubigen Wüstengemeinde voller Elend und Armut muss ein zwölfjähriges Mädchen mit ihrem versoffenen Stiefvater auskommen, die beste Freundin aus dem Kinderprostitutionssumpf herausziehen und aufgrund der schweren Krankheit der Mutter auch noch die beiden jüngeren Halbgeschwister versorgen. Nebenbei wird die tapfere Kleine von weiteren Schicksalsschlägen gebeutelt und hadert mit dem korrupten Politsystem Südafrikas. „Geliebtes Leben“ wirft einen schonungslosen Blick auf das Tabuthema des sterbenden Kontinents: Aids. Keine der Figuren möchte diese furchtbaren vier Buchstaben aussprechen, keiner will mit dem leider so präsenten Virus, der so genannten Strafe Gottes, in Verbindung gebracht werden. Die Furcht vor der tratschenden Nachbarschaft und einer folgenden Stigmatisierung ist allgegenwärtig. Oliver Schmitz schuf einen Film, der durch seine etwas überladene Problematik bisweilen an eine südafrikanische Variante von Frank McCourts irischem Leidenswerk „Die Asche meiner Mutter“ erinnert. Trotzdem ist „Geliebtes Leben“ ein wichtiger Film, der zu Recht als afrikanische 2011er Oscar-Hoffnung für den besten fremdsprachigen Film gilt. Denn allein die unglaublich präsente 13-jährige Khomotso Manyaka ist in ihrer Rolle als nicht aufstecken wollende Tochter schlichtweg fabelhaft.

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                                          über Machete

                                          Over.the.fucking.top: Anhand von „Machete“ kann der geneigte Fan und Filmemacher lernen wie Action-Sequenzen vorbildlich choreographiert, gefilmt und geschnitten werden. Der alte Zyniker Robert Rodriguez verwurstet in diesem a-typischen B-Movie alte Ideen aus seinen Genre-Schätzen „From Dusk Till Dawn“, „Planet Terror“ und „Desperado“ mit einigen neuen überaus blutigen Einfällen. Und dank einer herrlich politisch unkorrekten Geschichte und einem Cast, der zu Freudesprüngen verführt - Don Johnson, Robert De Niro, Steven Seagal, Cheech Marin, Michelle Rodriguez (hot, hot, hot) und natürlich Danny Trejo, der den grobschlächtigen Machete so charismatisch und geschwätzig spielt, das diese vielschichtige Figur an Schwarzeneggers T-800 erinnert -, ist Rodriguez Grindhouse-Kino ein manchmal geschmackloser aber durchaus intelligenter Irrsinn, der die richtigen Knöpfe zu drücken weiß und Stallones „The Expendables“ hinter sich lässt.

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                                            Wie viele New-York-Skyline-Shots kann man in einen Film packen? Wenn es nach Oliver Stones Empfinden für Hochglanzästhetik geht: wahrscheinlich nie genug. Nach 23 Jahren kehrt der gefeierte Filmemacher an die Börse zurück und verzettelt sich in „Wall Street – Geld schläft nicht“ in dem Anspruch eine kritische Abbildung über die immer noch skrupellose Finanzwelt zu schaffen und dabei die Grundzüge der Geschichte des 1980er Jahre Hits „Wall Street“ im Hier und Jetzt fortzusetzen. Sein Sequel leidet unter dem blassen Shia LaBeouf – hier eine klassische Fehlbesetzung. Im Vergleich zu Charlie Sheen, der im Vorgänger die Hauptrolle neben Michael Douglas spielen durfte, geht das „Transfomers“-Milchgesicht im Haifischbecken zwischen den Schwergewichten Douglas, Josh Brolin und Eli Wallach komplett unter. Zudem setzt Stone noch den Weichspüler in Gang und verärgert die Zuschauer und höchstwahrscheinlich auch seine leidensstarken Fans mit einer zähen Vater-Tochter-Verzeihballade. So verkommt die charismatische Figur des fiesen Gordon Gekko anfangs zum schmucken Beiwerk. Viel lieber suhlt sich der politische Filmemacher in platter Symbolik, die andere Kollegen nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würden – wie etwa einer geplatzten Seifenblase. So mag für so manchen Stones Sequel ein spannender Wirtschaftskrimi sein, der ethische Grundsätze streifen darf. Für mich ist dieser zahme Balanceakt ein zwei Stunden langer prätentiöser Schwanzvergleich unter Investment-Bankern - und in Betracht auf die Existenz von „Wall Street“ überflüssig.

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                                            • 5 .5

                                              Doug Liman bewegt sich nach dem schlechten „Jumper“ wieder auf gewohntem Terrain: internationale Spionage und eine Verschwörungstheorie, die bis in die obersten Regierungskreise reicht. Im Gegensatz zur „Bourne“-Reihe stützt sich „Fair Game“ auf wahre Begebenheiten aus den Jahren 2001 bis 2003 rund um die Folgen von 9/11 und den angeblichen Arbeiten an der Herstellung von Atomwaffen im Irak, die der US-Regierung als Kriegsgrund ausreichten. Liman zeigt das Schicksal einer CIA-Agentin und ihres Mannes, die von einer verrotteten Regierung für moralisch zweifelsfrei unsaubere Zwecke durch den sprichwörtlichen Fleischwolf gedreht werden. In der ersten Hälfte des Films ist „Fair Game“ ein für die bewegten Bilder umgeschriebener Geschichtsverlauf in Thriller-Form mit viel zu vielen Handlungsorten wie Irak, dem Niger, Kuala Lumpur, Ägypten, den USA und Jordanien sowie einer Menge an Security- und Policy-Akronymen wie CIA, IAO, TSA, MDA, SGE, FCKW – viele Orte, noch mehr Kürzel, wenig Geschichte. Im weiteren Verlauf entwickelt sich dieser Standard-Spannungskrimi in eine melodramatische Familientragödie mit Grishamesken Einschlag. Und am Ende ist „Fair Game“ ein typischer US-Thriller aus dem liberalen Lager Hollywoods mit gewohnt patriotischer Überfrachtung und einem noch Sekunden vor dem Abspann reingewürgten Benjamin-Franklin-Zitat, dessen gut gemeinte Ambitionen ihm eigentlich niemand richtig verübeln kann. Für einen guten Film aus dieser Sparte reicht es aber nicht. Wo Paul Greengrass mit „Green Zone“ kürzlich noch unterhaltsame Systemkritik übte, verkommt Liman hier zum krittelnden Studienrat, respektive zur eintönigen Meckerziege.

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                                                „Somewhere“ ist sattes Kino: Man verfolgt den faden Alltag eines vom Ruhm ermüdeten Schauspielstars und seiner naseweisen elfjährigen Tochter. Eine skurrile Szene jagt die nächste: Der von Stephen Dorff verkörperte Promi benötigt als Einschlafhilfe nicht eine, sondern zwei Stripperinnen. Die blonden Zwillinge, die in winzigen Fetischkostümen an der Stange synchron zu den Rock-Klängen von Foo Fighters „My Hero“ in der Hotel-Suite tanzen, wiegen den Kerl in den Schlaf. Toll, wie hypnotisch das Sofia Coppola inszeniert hat und wie treudoof ihre Fan-Gemeinde diese kleine Momentaufnahme anhimmeln wird. Dorff darf beim Cunnilingus mit einem bumsgeilen Fan-Flittchen zudem zwischen den ausgebreiteten Schenkeln einpennen. Er geht auf einen Trip nach Italien, wo ihm während einer bizarren TV-Show ein hässlicher Katzenklotz als Preis verliehen wird. Wahnsinnig scharf beobachtet von der Coppola. Und dann hat die gefeierte Filmemacherin auch noch einen gewollt-lässigen Benicio-Del-Toro-Cameo zur Hand. Cool, stammelt man da, wen die Coppola so alles bekommt. Aber innovativ ist das Ganze leider nicht. Und die extreme Länge von so mancher Einstellung verschafft den als Instant-Classic konzipierten Bildern auch nicht mehr Tiefe oder gar Bedeutung. Coppola nutzt ihre netten Einfälle einzig für eine Parade des Schrägen. Das ist am arg moralisierenden Ende ein weiteres „Lost in Translation“– eine Art Hollywood-Homecoming. Das exotische Japan muss dem Hollywood-Moloch weichen. Dorff geht dabei optisch als unehelicher Sohn von Mickey Rourke durch und seine Figur des Johnny Marco verkommt zu einer verjüngten Bob-Harris-Kopie aus dem bereits erwähnten „Lost in Translation“. Coppola hat mit ihren 39 Jahren scheinbar nichts (mehr) zu erzählen.

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                                                  über Cyrus

                                                  Bei „Cyrus“ trifft eine in den späten 1970er Jahren nach Los Angeles strafversetzte und nie verwirklichte Woody-Allen-Produktion auf „Eine verhängnisvolle Affäre“. Das was Jay und Mark Duplass hier abliefern ist warmherzig wie ehrlich und zugleich ziemlich düster. Denn diese urkomisch, innovative Genremischung lebt nicht vom soliden Drehbuch allein, sondern von den Hauptdarstellern: John C. Reilly und gerade Jonah Hill, der im Film seine bedrohliche Seite brillant herausarbeitet, beweisen in „Cyrus“, das sie nach einigen durchwachsenen Comedys doch einiges auf dem Kasten haben. Vielleicht benötigten die beiden auch einfach etwas mehr Bewegungsfreiheit um ihr Improvisierungstalent und den daraus resultierenden subtilen Humor voll auszuschöpfen. Dabei kam ihnen und dem ansonsten mit Catherine Keener und Marisa Tomei ungemein gut besetzten Cast sicherlich auch der ungewöhnliche Inszenierungsstil der Duplass-Brüder, die etwa die Szenen ihres Skripts in chronologisch korrekter Form abdrehen und wo ein Take gerne einmal 15 Minuten dauern darf, gelegen.

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                                                  • 8

                                                    „Hot Tub Time Machine“ ist ein sympathischer Nonsense, den man bereits Monate vor dem Kinostart aufgrund des Filmtitels, der Besetzung (allen voran Rob Corddry und Craig Robinson) und des Trailers mögen oder gar lieben wollte. In der bisher besten US-Komödie des Jahres 2010 kringeln sich Nostalgiker und Film-Nerds vor Lachen. Denn in diesem Retro-Winterwonderland wird mit Referenzen nur so um sich geworfen: Crispin Glover darf etwa als tollpatschiger Hotel-Boy seiner klassischen George-McFly-Figur wieder Leben einhauchen. Die Zitatwut in „Hot Tub Time Machine“ reicht von prägendem 80ies Filmwerk wie „Terminator“, „Karate Kid“ über „Red Dawn“ bis zu damaliger TV-Ware wie „Alf“ oder „Miami Vice“. Und die dabei vor starken One-Linern nur so strotzende und teils hart an der Grenze des guten Geschmacks vorbei geschrammte „Zurück in die Zukunft“-Variation glänzt durch großartige Gags wie Gastauftritte, eine überaus detaillierte Ausstattung und einen John Cusack, der als Hauptdarsteller und Produzent mit dieser abgedrehten aber auch liebenswerten Blödsinnskiste seinen Karrierekreis – siehe „One Crazy Summer“ oder „Better Off Dead…“ – schließt.

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