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Alle Kommentare von alviesinger
Lassen Sie sich nicht von billigen Marketing-Sprüchen wie „Wau! Das ist ein tierischer Spaß!“ oder „Ein tierisches Abenteuer – nicht nur für Vierbeiner empfehlenswert“ einlullen. „Marmaduke“ ist – und das dürfte eigentlich niemanden wirklich überraschen – ideenlose Familienunterhaltung von der Stange, die brutale Slapstick-Nummern mit infantilen Witzchen paart, und erwachsene Kinogänger mit einer bekloppten Geschichte über surfende Bellos mit Minderwertigkeitskomplexen nervt. Offen bleibt am Ende eine Frage: Was hat William H. Macy in diesem „Kuck mal wer da spricht“ mit Kötern-Machwerk verloren?
Strippende Stahlarbeiter aus Sheffield kennt man. Jetzt dürfen schwedische Mittvierziger im Schwimmbecken die frisch pedikürten Füßchen in die Luft recken und Pirouetten drehen. In „Männer im Wasser“ dreht sich alles um die ach so wunderbar exotische Welt des Synchronschwimmens. Leider hat man aber Inhalt wie Verlauf dieser Art von Komödien zu oft gesehen: Einerseits nervt der Filmemacher Måns Herngren mit niveaulosem „Und Erwin fasst der Heidi von hinten an die Schulter“-Humor, wo etwa der Frauen-Badeanzug am Männerbierbauch spannt und die Damenwelt im Kinosaal losgackert. Andererseits haben die Team-Mitglieder altbekannte und Tiefe verschaffende zwischenmenschliche Probleme, die vor Ende der Filmlaufzeit bereinigt werden müssen. „Männer im Wasser“ ist ein steter Wechsel aus Tragikomödien wie dem schwedischen Überraschungshit „Wie im Himmel“ und Sozialburlesken der Marke „Ganz oder gar nicht“ oder „FC Venus“. Zudem erinnert der Inhalt von Herngrens Film einen doch stark an die japanische Sportkomödie „Waterboys“ aus dem Jahr 2001.
Wenn heutzutage beispielsweise die glückliche Kartoffelbauer-Familie Fanshaw aus Boise, Idaho von ihrem Finanzberater um Immobilie und Erspartes gebracht wird, kann auch Familie Shrek aus dem Far Far Away-Märchenwald von einem Winkeladvokaten namens Rumpelstilzchen mit juristisch-fies ausformulierten Kleingedruckten über ihre Stielohren gehauen werden. Ja, Shrek ist in der Gegenwart angekommen: Der Oger verkörpert zusammen mit der properen Fiona, die diesmal als schweinsnasiger Red Sonja-Klon auftreten darf, das übergewichtige Amerika der weg brechenden Mittelschicht, das skrupellos von gemeinen Anwälten und Finanzberatern über den Tisch gezogen wird. Doch der Shrek aus dem vierten Teil wäre nicht der Shrek der vorigen drei kassenträchtigen Filme wenn er nicht zusammen mit seinen tierischen Blue-Collar-Kumpels alles in die Wagschale werfen würde um wieder Ordnung in das Chaos zu bringen und um am Ende eine weitere Party feiern zu können, wo er und sein Weib sich ausgelassen in der Schweinejauche suhlen können. Ganze 25 Minuten braucht die Fortsetzung der Fortsetzung des Sequels, um die eigentlich recht kompakte Geschichte ins Rollen zu bringen. Dass die Autoren für ihr auf den Kopf gestelltes Setting allerdings merkwürdige Erklärungsansätze wie ein „psychisches Paradoxon“ anführen, dürfte gerade Kinogänger wie die eingangs erwähnten Fanshaws und ihren kleinen Jimmy (8 Jahre alt, hat die abgewetzte Shrek-Puppe auf dem Kopfkissen liegen) verstören. Ansonsten verlässt sich der vierte Teil auf alte Stärken: Auf Witzeträger wie Kater und Esel, die immer für einige brauchbare Lacher gut sind. Filmische Parodien halten sich in Grenzen. Einzig „Gladiator“ wird zitiert. Lieber stülpt Dreamworks dem Streifen die 3-D-Kappe über. Und so baumeln dem Kinogänger ständig dicke Oger-Oberschenkel vor der Brille herum. Bringt auch Geld. Die filmische Botschaft preist dann noch die christliche Bescheidenheit, die selbst ein Heide wie Shrek einsieht: Seid genügsam, Ihr Kinogänger. Alles berechenbar, alles solide gemacht. Auch wenn ich am Ende des dritten Oger-Teils das Gefühl hatte, dass die Serie auf dem allerletzten Loch pfiff, schreibe ich heute: Der Franchise lebt. Noch. Er strotzt vielleicht nicht vor Innovation und muss sich im Haifischbecken der Animationswelt ordentlich abstrampeln, aber er lebt. Das zeigt jedoch auch: Jetzt sollte man die Märchenfiguren bitte in Ruhe lassen. Einen fünften Teil kann niemand – gemessen an den jedes Mal mühevoller zusammengekratzten Geschichten – ernsthaft wollen.
Vergangenheitsbewältigung auf Griechisch: In „Kleine Wunder in Athen“ hadert ein griechischer Tabakladenbesitzer um die 50 mit den eigenen Wurzeln. Neben seiner aufopferungsvollen Bereitschaft für die pflegebedürftige Mama, trauert der stolze Athener seiner Ex hinterher und vertreibt sich den lieben langen Tag mit den Fußball-verrückten Kumpels, die ebenfalls einen Tabakladen in nächster Nachbarschaft betreiben. Kunden kommen nie. Dafür tummeln sich auf dem Platz der nie frequentierten Kioske arbeitswillige Chinesen und die bei den Griechen verhassten Albaner. Das ist im Endeffekt ungefähr so unterhaltsam wie eine Episode des noch nicht realisierten Reboots namens „Drei Damen vom Grill 2.0“. Natürlich kann man hier vom Kino der leisen Töne schwadronieren und den Film als langen, ruhigen Fluss schönreden. Aber leider verheddert sich der Autor und Regisseur Filippos Tsitos trotz des sicherlich gut gemeinten Ansatzes fortwährend in einer überaus netten aber doch unausgeglichenen Mischung aus verschrobener Globalisierungskomödie, dem steten Werben für mehr Toleranz inklusive platter Symbolik und einem einfältigen Blick in den Mikrokosmos der griechischen Bevölkerung.
Ein weiterer Horror-Reboot, das Spielfilmdebüt eines Werbefilmers und von Platinum Dunes – dem Michael Bay-Studio – produziert. Prost Mahlzeit! In Samuel Bayers lauwarmen Aufguss spielen lustlose Abercrombie & Fitch-Models mit Mitte 20 verquere 17-jährige Schüler, die in ihren Träumen vom Gärtner Freddy Krueger heimgesucht werden. Hilflos hangelt sich die dürftige Geschichte von einer Traumsequenz zur nächsten. Und selbst die für den Film essenziell wichtigen Albträume sind fade inszeniert und wiederholen sich in ihrer Struktur immer wieder bis zum Erbrechen. Es gibt nur wenige Splatter-Einlagen, dafür wird bei den raren Blutszenen mehr als nur ordentlich hingelangt und die Gore-Fraktion glotzt verzückt. Jackie Earle Haley will als neuer Freddy auch nicht zünden. Seltsam verstockt ähnelt der Neo-Freddy dem Monster namens „Das Ding aus dem Sumpf“, dem jemand liebevoll einen zu engen aber wärmenden Ringel-Pulli übergezogen hat. Der früher einmal für den Oscar als bester Nebendarsteller in „Little Children“ nominierte Haley hat sich mit seinem aktuellen Karrierezug keinen Gefallen getan. Er befindet sich mit dieser fragwürdigen Rollenwahl schon auf dem besten Weg der inoffizielle Cuba Gooding junior–Nachfolger zu werden. Aber zurück zu „A Nightmare on Elm Street“: Der Film ist ein Furz-trockener, überflüssiger Reboot mit einigen bei „Poltergeist“ und „Scream“ übernommenen Sequenzen von Wes Cravens eigentlich doch recht durchwachsener Horrorserie, deren Erstling in den 1980er Jahren Genre-Geschichte schrieb und der aktuellen Bay-Produktion in allen Belangen überlegen ist. Im Gegensatz zu den coolen Kids im Film wäre ich während des Films nur allzu gerne eingeschlafen. Die eigentlich schlanke Laufzeit von 90 Minuten fühlt sich wie mehr als zwei Stunden an.
Wo Anfang der 1990er Jahre langhaarige Grunger der Generation X das popkulturelle Bild der westlichen Welt bestimmten und Kevin Costner zuletzt im Kino als Robin Hood mit Matte den Bogen spannen durfte, metzelt im Finanzkrisen-geplagten 2010 ein grobschlächtiger Russell Crowe mit gegeltem Kurzhaarschnitt Horden Froschschenkel fressender Franzosen nieder – eiskalt und gänzlich ohne Schmachtpop eines Bryan Adams. Denn dank des Erfolgsproduzenten Brian Grazer erfährt der Kinogänger diesmal eine völlig neue Geschichte der bekannten Legende: Robin – das merkwürdige Prequel oder wie aus einem königstreuen, kreuzfahrenden Bogenschützen ein edler Waldschrat wurde. Dafür tauscht der ewige Gladiator Russell Crowe seinen Brustpanzer gegen ein Stoff-Lätzchen und bekämpft Franzosen, tritt für Freiheitsrechte ein, legt erste Demokratiestrukturen, bestellt ausgedörrte Felder, versöhnt den englischen König – wenn auch für kurze Zeit – mit den Untertanen und kann auch noch beeindruckend zielgenau mit dem Bogen umgehen wie Bruce Willis mit der AK47. Ein toller Typ, halt.
Der geradlinige Erfolgsregisseur Ridley Scott darf am Ende – während des großen D-Day-Finales an der südenglischen Küste - auch noch zeigen, warum große Schlachtszenen genau sein Ding sind und wie man sie imposant inszeniert. Obwohl der Auftritt der holden Maid Marion als eine Art Urgroßmutter von Jeanne D’Arc mit einer Horde Kindersoldaten im Schlepptau mehr als nur peinlich ist. Das hätte nicht sein müssen. Egal. Denn viel wichtiger ist, was hat das alles mit der Legende namens Robin Hood aus dem Sherwood Forest zu tun? Kaum etwas. Denn dieses bestimmte Rächer-der-Enterbten-Gefühl, das wir alle aus Filmen, TV-Serien, Comics und Büchern kennen, fehlt in Scotts Version. Stets wartet man auf Referenzen und wird fortwährend enttäuscht. Auch Crowe ist in seiner Rolle unglaubwürdig: Der feiste Australier ist nicht der bekannte Held der englischen Volksdichtung, sondern bloß ein Bolzen von Mann – und beileibe kein Charmebolzen wie die legendäre Figur. Die 2010er „Robin Hood“-Produktion ist unbestritten ein großes Abenteuer im Mittelalter – aber ein Robin Hood-Film? Nein, das sicher nicht, sondern vielmehr ein Etikettenschwindel, der Fans des ursprünglichen Stoffes in die Kinos ziehen will und tatsächlich nur für Mittelaltermarktsbesucher oder ähnlich strukturierte Menschen empfehlenswert ist.
Dass „Easy Virtue“ auf einem Theaterstück von Noel Coward basiert, ist dem klamaukigen Streifen in so gut wie jeder Einstellung anzumerken. Fern des gepriesenen britischen Humors und des dazugehörigen Understatements, wird der gesamte Cast wie ein Haufen aufgeschreckter Hühner in die Landadel-Kulissen platziert. Es folgen ein Zickenkrieg und ein kaum revolutionärer Kulturkampf zwischen spröden Engländern und frech-freizügigen Amerikanern sowie weit gereisten und weisen Kriegsveteranen - lauter Mätzchen, musikalisch von der Knoff-Hoff-Show-Hauskapelle untermalt. Stephan Elliotts „Easy Virtue“ will ein entzückendes Gesellschaftsstück sein, entpuppt sich alsbald aber als zotiges Vaudeville und prätentiöses Ausstattungskino voller Plattitüden.
Selbstverliebtes Hollywood-Kino: Der Psychotherapeut, der dringenst eine eigene Therapie machen sollte, das launische die eigene Vergangenheit verdrängende Schulmädchen, der talentierte aber erfolglose Drehbuchautor und der arschig-neurotische Großproduzent – alle haben Probleme, suhlen sich im Selbstmitleid und erfreuen sich am Ende an der formschönen Lösung - die da frohlockt: Lasst uns doch einfach so richtig menscheln. „Shrink“ krankt an seinem substanzlosen und unfassbar ziellosen Skript, kreativarmen Charakteren und einem zähen Erzählfluss. Und da kann der olle Spacey noch so überzeugend ungewaschen den bekifften Witwer spielen, der Film ist nach Verzug der ganzen Nikotin- und Haschschwaden bloß ein blasiertes Großstadt-Melodram mit einem peinlich aufgesetzten Happy-End, dem Witz und der dringend benötige Charme abgehen.
Das ist also der Gewinner des Sundance Film Festivals 2009. „La Nana“ ist das Porträt einer Haushälterin, die seit über 20 Jahren in einer chilenischen Oberschichtenfamilie die Kinder groß zieht, das Haus sauber hält und ansonsten keine sozialen Kontakte zu haben scheint. Eigentlich ist die Kategorisierung des Porträts nicht richtig, eine Studie ist das schon mal gar nicht. Vielleicht trifft die schulische Bezeichnung des Impulsreferats den Film „La Nana“ schon eher. Denn auch nach 90 bräsig erzählten Minuten weiß der Zuschauer nur wenig über diese irgendwie unglückliche und jähzornige Frau, die sich kurz vor dem Filmende um Millimeter weiterentwickelt hat. Ständig kratzt „La Nana“ an der Oberfläche, geht nie in die Figurentiefe und wiederholt die wenigen Themen des Films: Raquels ewige Routine des Schulbroteschmierens, Staubsaugens, Badputzens und ihr als Platzhirsch wichtiger Kleinkrieg mit den anderen Haushälterinnen. Doch eine Kollegin ist nett, nähert sich der ambivalenten Raquel und der Zuschauer merkt, dass der eifersüchtige Hausdrache, der sich krampfhaft an den Status Quo klammert, eigentlich einen weichen Kern hat. Und so ist für Raquel nach 90 Filmminuten das triste Leben etwas lebenswerter geworden. So fucking what. „La Nana“ ist ein weitestgehend langatmiges Drama, das nur durch die eindringliche Performance von Catalina Saavedra getragen wird. Sie haucht der merkwürdig flach skizzierten Hauptfigur Leben ein, weiß die menschlichen Schwächen schauspielerisch gut zu verkaufen. Und ihr ständig leerer Blick sagt mehr aus als alle stillen und heimlichen Wutanfälle zusammen.
„Iron Man 2“ bedeutet zusammengefasst: Mehr Stars, mehr blecherne Robo-Rüpel und noch mehr überflüssige Nebenhandlungen. Außer der selbstzerstörerischen Diva Tony Stark, die einmal mehr routiniert von Robert Downey Jr. verkörpert wird, drängt sich einzig Sam Rockwell in den Mittelpunkt des Blockbuster-Geschehens. Sein unterhaltsamer und nimmermüder Sequel-Schwanzvergleich mit Kollege Downey Jr. ist ein großer Pluspunkt in dieser ansonsten recht faden Mainstream-Maschine namens „Iron Man 2“. Rockwell spielt als hilfloser Nerd-Bösewicht die anderen großen Namen wie unter anderem den Kirmes-Russen Mickey Rourke, die erstaunlich blasse und in ihrer Rolle fehlbesetzte Scarlett Johansson sowie den gähnend-langweiligen oder wahlweise auch ober-coolen Samuel L. Jackson an die sprichwörtliche Wand. Nur Rockwells Performance und die manchmal zu sehr in den Fokus gerückte arrogante Coolness der Stark-Figur retten Justin Therouxs überaus zerfahrene Geschichte vor der Belanglosigkeit – eine Geschichte, in der am Ende nicht einmal der Showdown so richtig zu überzeugen weiß. Das finale Krach-Brumm von „Iron Man 2“ erinnert an den umstrittenen Bruckheimer-Kosmos. Und so verschwimmen langsam die Filmwelten: Ob da nun die Blechbüchse Tony Stark prügelt, eine „Transformers“-Karre randaliert oder die „G.I. Joe“-Truppe durch die Gegend düst – man kann diesen lauten Popcorn-Kram immer schwerer auseinander halten. Aber im Gegensatz zur großen Konkurrenz hat „Iron Man“ immer noch eine dicke Portion Witz und einen formidablen Hauptdarsteller zu bieten. Und das kann bei der heutigen Blockbuster-Qualität der entscheidende Vorteil sein.
In einem dieser lebendigen italienischen Inseldörfer voller bunter Häuschen und sympathischer Italiener verliebt sich der Fischersohn Marcello in die Tochter des Bürgermeisters. Das ist sehr schön. Allerdings muss der süße Kerl mit den großen Rehaugen und der Wuschelfrisur noch einige belanglose und in gewissem Grade obskure Aufgaben meistern bevor er das unter Asthma leidende Mädel im Arm halten und mit ihr zusammen auf den orange-farbenen Sonnenuntergang glotzen darf (es sind ja schließlich die prüden 1950er Jahre). Dass Marcello bei seiner Rallye durch die engen Gassen so manche Konflikte unter den Dorfbewohnern löst, macht das ganze für den rennenden Lola-Italiener noch schöner. Der Zuschauer indes leidet unter dem inhaltlichen Konzept, das bereits nach 45 Minuten schwächelt. „Marcello Marcello“ ist eine schweizerisch-deutsche Koproduktion und der gescheiterte Versuch die Größe von Jean-Pierre Jeunets „Die fabelhafte Welt der Amélie“ zu erreichen. Schlussendlich ist Denis Rabaglias märchenhafter und leicht verdaulicher Film eine nostalgische Postkarten-Schnulze, die auf die übliche Konstellation aus kitschigem Pianogeklimper, weisen Kalendersprüchen, mediterranem Flair und zwischenmenschlichen Problemchen setzt.
Der erste Blick kann täuschen. Menschen sind vielschichtig. Ja, wie wahr. Und die Schriftstellerin, Drehbuchautorin und zuständige Regisseurin Rebecca Miller verdeutlicht diese Erkenntnis mithilfe ihrer Figur namens Pippa Lee - einer amerikanischen Frau, die so manches in ihrem Leben durchgemacht hat: eine Tabletten-abhängige Mama, Drogeneskapaden, ein kurzes Abdriften in die schräge Kunstszene und der Rettungsanker in Form eines älteren Mannes. Erzählt wird die Pippa-Vita retrospektiv durch die Protagonistin, die trotz ihres Alters von Mitte 40 zusammen mit ihrem Ehemann in einer idyllischen Altenwohnanlage lebt. Gegenwart und Vergangenes krachen öfters aufeinander und so entstehen quasi die Geständnisse einer reichen Ehefrau, die Aufschluss darüber geben, wie Pippa dort gelandet ist wo sie heute ist und warum Pippa so ist wie sie nun mal ist. Klingt doof? Es ist aber nur langweilig und bietet einen Laufsteg für Indie-Stars wie Winona Ryder, Keanu Reeves, Julianne Moore, Monica Bellucci und Alan Arkin mit jeweils mehr oder weniger Screen-Time. In Millers überdeutlichem Chick-Flick „The Private Lives of Pippa Lee“ kreischen die Akteure relativ oft und heulen sich aber noch mehr die Äuglein aus. Das ist meist melodramatisch bisweilen ärgerlich und mehr als nur einmal möchte man der netten Hauptfigur zu rufen: „Mensch Pippa, reiß dich mal am Riemen oder geh’ zu einem Therapeuten, denn der wird für so was bezahlt.“
„Plan B für die Liebe“ ist ein Film den man normalerweise auf halber Strecke während eines Transatlantik-Fluges am Rande verfolgt, dabei ab und zu einnickt und trotzdem jederzeit ohne Probleme den Anschluss in der banalen Geschichte finden kann. Denn was Alan Poul hier abgeliefert hat ist eine weitere watteweiche Romcom ergo seelenlose Massenware ohne eigene Ideen, die allen Erwartungen entspricht. Jennifer Lopez-Fans kommen hier indes auf ihre Kosten: Der ehemalige Popstar steht in fast jeder Szene im Mittelpunkt, der restliche Cast wird zu Stichwortgebern degradiert und die Kamera kreist dauernd um die sich in jeder Einstellung räkelnde und so herrlich süß dauer-grinsende Lopez. Eigentlich flirtet die Latino-Braut mehr mit der Kamera als mit ihrem Käse-Lover. Und einige für den Romcom-Markt so wichtige New York-Trademarks sind selbstredend vorhanden: Die hippen Brownstones, die Community-Gärten oder der Hot Dog-Schuppen Gray’s Papaya, der und das war den Produzenten wohl egal bereits schon einmal in „Fools Rush In – Herz über Kopf“ mit der Latina-Kollegin Salma Hayek prominent platziert wurde. Pouls Film enttäuscht von Anfang an und hält sein Niedrigniveau kontinuierlich. Wenn dann auch noch der Traumfarmer mit Waschbrettbrauch Oberkörper-frei auf einem Traktor hockt und die Lopez völlig verwirrt ihre Karre gegen einen Baum donnert, ist das Niveau des Sat 1-Films der Woche erreicht und Mainstream-Ware wie „Sex and the City“ oder der „Kautions-Cop“ wirken wie ambitioniertes Kunstkino.
Ein Casualty Notification Officer klingelt an fremden Haus- und Wohnungstüren, erklärt den verschreckten Menschen im Auftrag des amerikanischen Verteidigungsministers und nach einem strikten Leitfaden der US-Armee unmissverständlich, dass deren Sohn, Tochter, Ehemann oder Vater im Krieg für das Heimatland gestorben ist. Diese Aufgabe hat der aus dem Irakkrieg heimgekehrte Kriegsheld Sergeant Will Montgomery (Ben Foster) inne. Zusammen mit dem Routinier Captain Tony Stone (Woody Harrelson) – ein Gefühlskrüppel, der sein Leben der Armee vermacht hat und sich neben der seelisch peinigenden Arbeit mit Barmädchen vergnügt - sind sie die Botschafter des Todes, die in Ausgehuniform und im Gleichschritt zu den Häusern der Hinterbliebenen marschieren und dort die schlechte Nachricht überbringen (müssen). Trotz einer Art Routine und des Lehrbuchs sind die Hinterbliebenen stets unberechenbare Gefühlsmenschen, die mit der schrecklichen Horrormeldung über ihre Lieben konfrontiert werden. Wut, Tränen und Verzweiflung schlägt den beiden Soldaten bei ihrem Job täglich entgegen - diese eindringlichen Szenen an den Haustüren und Wohnzimmern der Angehörigen erzeugen wahre Gänsehautmomente. So etwas Aufwühlendes gab es schon länger nicht im Kino. Die Arbeit drängt die beiden an den Rand des menschlich Machbaren. Dabei ist das Kriegstrauma noch nicht verarbeitet und trotzdem wird der Einsatz im eigenen Land fortgesetzt. Tony lässt sich alsbald mit der Witwe eines im Irak verstorbenen Soldaten ein, der er selbst die Todesnachricht überbrachte. Der Regisseur und Autor Oren Moverman hat mit „The Messenger“ ein bewegendes Drama über die Folgen des Krieges geschaffen. Der Kriegshorror ist in Movermans idyllischem Amerika der anonymen Vorstädte zwar nicht sichtbar, aber stets präsent. Der Regisseur verschafft seinen Charakteren genug Zeit und Tiefe, er blickt in die Abgründe der menschlichen Seele, er leidet und hofft mit seinen Figuren. Dass die Geschichte dabei keine Quantensprünge macht, steckt in der Natur der Sache. Es geht Moverman um unterdrückte Gefühle und dem Verarbeiten der schrecklichen Kriegserinnerungen der Fast-Veteranen. Und dass dieses eigen-therapeutische Unterfangen ständig ins Stocken gerät liegt an dem unfassbar undankbaren Job der beiden traumatisierten Männer, der die Wunden ständig neu aufreißt. Die Beziehung zu der Soldatenwitwe ist für Montgomery und die Frau selbst eine weitere Bewährungsprobe für den Alltag, der beiden abhanden gekommen, ja fremd geworden ist. Neben der körperlichen Lust, die beide spüren, ist es jedoch die Sehnsucht nach etwas Normalität, nach Routine. Beide nehmen sich einfach das, was sie brauchen, klammern sich an den anderen als wäre dieser der letzte Strohhalm, der sie vor dem Untergang retten kann. Der zugegeben eintönige Verlauf der Geschichte wird durch das grandiose Spiel der Hauptdarsteller gerettet: Foster, der schon in jungen Jahren als depressiver Teen in Alan Balls-“Six Feet Under” überzeugte, ist fantastisch, Harrelson gewohnt souverän und Samantha Morton umwerfend trübselig-unschlüssig. Moverman gelang mit „The Messenger“ ein ergreifendes Drama über die Hinterbliebenen der Kriegsopfer und die Armee-Rückkehrer, die ihren eigenen (inneren) Kampf an der Heimatfront ausfechten. In gewisser Weise ist „The Messenger“ somit auch ein patriotischer Kriegsfilm, der den Zuschauer zutiefst berührt.
In der Schwemme des boomenden Zombies-Genres ist „The Crazies“ ein relativ realistisches Romero-Remake mit schlechten Computer-Effekten aber glaubwürdigen Figuren, deren Handeln manchmal nachvollziehbar erscheint. Inhaltlich gibt es wenig zu berichten: Nach der Kontaminierung des örtlichen Trinkwassers drehen die Bewohner einer Kleinstadt in Iowa durch. Der amerikanische Spießbürgertraum zerplatzt. Das Militär rückt an und jagt die Infizierten sowie die verbliebenen Gesunden. Dazu zählen auch der Sheriff und seine schwangere Frau, die fortan auf der Flucht vor der Armee und den Verrückten/Zombies durch die Scheunen und Felder von Iowa hetzen. Der eingeschränkte Realismus von Breck Eisners „The Crazies“ unterscheidet den Film vom restlichen Zombie-Einheitsbrei und bildet einen Gegenpol zu grobschlächtig witzelnden Zombie-Streifen wie „Zombieland“. Allerdings muss sich Eisner Werk somit auch mit gewichtigen Sparten-Highlights wie „Carriers“, „28 Days Later“ oder dem Sequel „28 Weeks Later“ messen lassen. Im direkten Vergleich zieht „The Crazies“ dabei den Kürzeren. Denn trotz der vorhandenen Authentizität verfällt Eisner gerne in Genre-typische reißerische und blutrünstige Muster. Er räumt seinen Figuren zwar Platz für Gefühle ein, lässt sie über die furchtbaren Ereignissen reflektieren, arbeitet jedoch auch mit platten Metzel-Szenen, denen die Ernsthaftigkeit völlig abgeht. Die „Verrückten“ sind nämlich keine normalen Zombies, die Hunger haben, sondern sie verfügen über eine üppige Portion Sadismus, der sich in vielfach gesehenen Menschen-verachtenden Schlachterszenen ausdrückt. Und somit macht Eisners inszenatorischer Schlängelkurs aus diesem harten Spartenkino eine unterhaltsame wie auch zwiespältige Sache.
Giuseppe Tornatore ehrt mit „Baaria“ seine sizilianische Heimat. Die süditalienische Kleinstadt ist das Zentrum des Films: Über zweieinhalb Stunden lang erfährt der Kinogänger was sich im 20. Jahrhundert in Italien abspielte. Dafür ist ein Verlassen der sizilianischen Kleinstadt Baaria nicht nötig. Herunter gebrochen auf den Mikrokosmos Baarias und noch spezieller auf die Familie des Protagonisten Peppino lernen wir in kurzen Episoden was sich im vergangenen Jahrhundert zwischen den Faschisten, Kommunisten, Sozialisten, Christdemokraten und Mafiosis abspielte. Neben der Entwicklung Peppinos vom kleinen Lausbub zum charismatischen Abgeordneten der kommunistischen Partei wohnt der Zuschauer den Kämpfen der politischen Lager, dem Zweiten Weltkrieg, der Gründung der Republik und so manchen italienischen Bräuchen und Traditionen, die dem deutschen Publikum weitestgehend unbekannt sein dürften, bei. Einige der nie in die Tiefe gehenden Geschichten verkommen dabei zu zusammenhanglosen Fragmenten. Des Öfteren wünscht man Tornatore mehr Mut zum Wegschneiden. Denn wie viele überflüssige zuckersüße wie auch zartbittere Episoden über Zitronen-klauende Tunichtgute oder Spaghetti-mampfende Omis mit Visionen kann der deutsche Kinogänger mit begrenzten italienischem Geschichtswissen seinem Sitzfleisch zumuten? Tornatore richtet seinen Blick auf Baaria und Italien und zeigt das italienische Volk wie es ist (oder gerne gesehen werden möchte): stur, heißblütig, ständig wild gestikulierend, aufbrausend, stolz – und dabei immer penetrant sympathisch. Dass das Spiel der Akteure dabei viel zu oft ins theatralisch Überspitzte kippt und die Figuren wie ein auf die Spitze getriebenes Klischee des Stiefellandes wirken, stört den Regisseur nicht im Geringsten. Tornatore wollte mit „Baaria“ krampfhaft einen Instant Classic erschaffen. Die beeindruckenden Kulissen, die Tausenden von Statisten, die wahnsinnig detaillierte Ausstattung inklusive des Kamerakrans, den er wie sein Landsmann Sergio Leone allzu gerne als Einführungs- und Überblickswerkzeug einsetzt, das Schauspielstar-Ensemble und der ohrenschmeichelnde Schmetter-Soundtrack von Ennio Morricone heben Tornatores Werk auf den ersten Blick auf den Epos-Sockel. Leider hat der Regisseur was die Geschichte betrifft nur das Reißbrett zur Hand. Und so verweilt der Zuschauer mit den Bewohnern Baarias in dem schön fotografierten Städtchen, in dem immer Trubel und Leben herrschen. So richtig schön italienisch halt. Das bunte Treiben erinnert bisweilen an die alte Allianz-Werbung, in der ein überforderter deutscher Urlauber mit seinem Käfer in Neapel in einen Tomatenlaster rast und die zuerst erbosten Italiener durch den Allianz-Wisch alsbald über das ganze Gesicht strahlen und den Deutschen zum leckeren Tomatensalat(!)-Festessen bei Rotwein gleich neben der Unfallstelle einladen. Kurz gesagt: Tornatores Geschichtsstunde gleicht einer zerkochten Portion Miracoli-Fertigmischungspampe bei Kerzenschein, die für teutonische Bella-Italia-Liebhaber und das Wohlfühlfilm-Arthousepublikum attraktiv ist, das vornehmlich über Hollywood-Mainstream-Knallbumm-Filme und Cheeseburger lästert.
Ein Tag im Leben eines Suizid-gefährdeten homosexuellen Uni-Professors in den noch prüden Anfängen der 1960er Jahre: Nach dem Unfalltod seines Partners, seiner großen Liebe ist der distinguierte Gentleman George Falconer seines Daseins in der gehobenen sozialen Klasse von Los Angeles und des Lebens im Allgemeinen überdrüssig. Er ist zur leeren und fast leblosen Hülle verkommen, die nicht mehr lebt geschweige denn liebt, sondern nur funktioniert. Und so verfolgen wir den typischen Tag eines depressiven und aufgrund seiner alles wegfressenden Trauer vereinsamten Lebensmüden aus der Bildungsoberschicht, sehen wie Falconer an der Universität in zweideutige Gespräche verwickelt wird, beim Einkaufen flirtet oder mit seiner einzig verbliebenen Freundin in kläglicher Weise dem Vergangene hinter her trauert und in bester „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“-Manier dem Alkohol am Abschiedsabend das Ruder überlässt. In Rückblenden erfahren wir Genaueres über den entscheidenden Schicksalsschlag in Falconers Leben wie auch über sein damals noch perfektes Leben in trauter Zweisamkeit. Wieder in der Realität angekommen klammert sich der Mann an die ihm verbliebene Erinnerung, an das Vergangene über das er von den Mitmenschen abgekapselt ausgiebig reflektiert. Das befriedigt den Menschen Falconer aber nicht und so entscheidet er sich für den finalen Abschied vom Leben. Trotz seiner stets vorhandenen Trauer locken ihm am Tag des Abschieds auch Versuchungen in Form damaliger Tabus. „A Single Man“ ist Tom Fords Filmdebüt. Der ehemalige Mode-Designer mit Gucci-Vergangenheit adaptierte den Roman von Christopher Isherwood, führte Regie, schrieb am Drehbuch mit, produzierte und stemmte die Finanzierung. Der Film ist sein Baby. Und dass Ford Stil besitzt ist unbestreitbar. Dementsprechend augenfreundlich ist sein Produkt: Der Film ist eine glänzende Pralinen-Packung: Alles funkelt, strahlt, sieht edel aus. Die Kamera suhlt sich oder schöner verweilt in ewigen Close-Ups der Protagonisten und der Ausstattung während die Streicher die künstlerisch-versierten Hochglanzaufnahmen bedrohlich untermalen. Sehr stimmig. Aber auch der Inhalt überzeugt: Kombiniert mit der zweifellos bombastischen Ausstattung wirkt „A Single Man“ wie eine höchst depressive Episode der HBO-Serie „Mad Men“ – und das ist als Lob zu verstehen. Darüber hinaus wissen die Schauspieler zu überzeugen. Allen voran Colin Firth. Der Brite spielt couragiert und beweist, dass er mehr als nur den Traum aller weiblichen Mittvierziger verkörpert, der in berechenbaren Romcoms den stets ubeholfenen Charmebolzen gibt. Daneben bezaubert die wie immer hinreißende Julianne Moore. In Fords Film hat sie nach diversen Fehlgriffen in den vergangenen Jahren endlich wieder eine dankenswerte Nebenrolle bekommen, die mithilfe der Figurentiefe und Moores eindringlicher Performance in Erinnerung bleiben wird. Ford hat mit „A Single Man“ ein beachtliches Debüt abgeliefert mit einem wahrhaft perfekten Ende. Denn hier treffen sich Stil und Inhalt auf gleicher Höhe – das gibt es selten.
Dreamworks hat vieles richtig gemacht: „Drachenzähmen leicht gemacht“ ist wahrhaftig ein großes Abenteuer für alle großen und wegen einiger düsterer Bilder für alle vielleicht nicht ganz kleinen Kinogänger. Endlich wurden die Möglichkeiten der heutigen Technik sinnvoll genutzt: Die Effekte sehen nicht nur atemberaubend aus, sondern werden auch zweckmäßig in die moralisch saubere Geschichte eingebunden. Und die Story, die für Toleranz wirbt, den Darwinismus anklingen lässt und gegen starres Schwarzweiß-Denken eintritt – trägt sogar über die gesamte Laufzeit. Was für eine Ausnahmeerscheinung in diesem so erfolgsverwöhnten Genre! Dass das wilde Treiben rund um den Wikingerort Berk in exponierter Lage, der mit seinen dickbäuchigen Bewohnern bisweilen an ein bestimmtes gallisches Dorf erinnert, dabei noch unheimlich Spaß macht, die Synchronisierung gelungen ist und „Drachenzähmen leicht gemacht“ somit ein familienfreundlicher Schlag in die Magengrube von mittelmäßigen Wikinger-Werken wie „Der 13. Krieger“ oder ganz groben Unfug wie „Outlander“ ist, dürfte so manchen überraschen. Wie mich beispielsweise. Man kann dem Team um Peter Hastings nur gratulieren: Wirklich sehr schön gemacht. Und diese Begeisterungsbrise zählt umso da sie von einem Schreiberling kommt, der beileibe kein ausgewiesener Fan der Animationssparte ist. Auch wenn die etwas platt-patriotische Opferbereitschaftseinlage für den Stamm oder wahlweise dein Land am Ende arg deplatziert wirkt. Egal, militärisch wenig subtil geht’s ja in dem Streifen ohnehin zu oder warum sieht der überaus putzige Nachtschatten Ohnezahn aus wie ein skandinavischer Stealth-Bomber mit Kulleraugen?
„Remember Me“ spielt souverän auf der kompletten Kinoklaviatur. Man lacht, leidet und bibbert mit den jungen New Yorker Menschen, denen das Schicksal in der Vergangenheit nicht immer wohl gesonnen war. Kitschig ist das bisweilen und manchmal fragt man sich, ob deren familiäre Probleme nicht einfacher gelöst werden können und ob manche Charaktere nicht komplett aus der fest verrammelten Klischeekiste des Autors Will Ferret entflohen sind. Aber wer einer mächtigen Gefühlsduselei auf der Kinoleinwand nicht abgeneigt ist, auf schwülstige Knutschszenen in der Sonnen-durchfluteten Studentenbude steht, eine weitere Variation des immer wieder populären Vater-Sohn-Konflikts ertragen und eigentlich einfach nur ein klassisches Melodram mit angesagten Jungstars serviert bekommen möchte, liegt hier genau richtig. Mit Robert Pattinson ist ein extrem hipper Bursche an Bord, der seine recht simpel strukturierte Rolle des leidenden und entrückten Jungpoeten glaubhaft spielt. Einmal mehr wird deutlich, dass Pattinson kein rebellischer James Dean und auch kein glorifizierter Poster-Boy ist, sondern als glaubwürdiger Jungschauspieler, der hier eine gute Performance abliefert, zu überzeugen weiß. Emily de Ravin hadert indes in der Rolle der irischstämmigen Studentin und als Papis einzig verbliebener Stolz mehr mit ihrem australischen Akzent als mit der Figurenzeichnung. Der Regisseur Allen Coulters fährt eine Menge Schmalz auf und macht sich in manchen Szenen durch die manchmal banale Dramaturgie zum Gespött der Zuschauer. Und dann kennen er und Autor Fetters noch nicht mal ihre Grenzen. Denn eigentlich ist „Remember Me“ ein schön fotografierter und äußerst einfühlsamer Liebesfilm. Aber gegen Ende blasen die Filmemacher ihre Familientragödie zu einer unglaublichen Katastrophe auf. Dass das schrecklich konstruierte Ende das Leid vieler Menschen ausbeutet und ihnen frech ins Gesicht spuckt, verschafft dem Film einen faden Beigeschmack. Dabei ist dieser finale Aufhänger unnötig und verkommt zum bloßen Selbstzweck für weiteres Tränenvergießen. Es stülpt dem kitschigen Liebesmelodram völlig unverfroren die Tragikkrone auf. Und das bereitet einem keine Heulkrämpfe, sondern echte Kopfschmerzen.
Bagdad, 2003, kurz nach dem offiziellen Kriegsende: Die Welt blickt auf den Irak und fragt sich, wo die Massenvernichtungswaffen versteckt sind, die als Grund für den Einmarsch der Amerikaner galten. Paul Greengrass aktueller Film „Green Zone“ hat weder etwas mit Kathryn Bigelows Kriegsalltagsschilderung in „Tödliches Kommando - The Hurt Locker“ zu tun noch ist es ein Jason Bourne im Irak, was vielleicht einige bei der erneuten Zusammenarbeit von Greengrass und Matt Damon vermuten, sondern ein anspruchsvoller Polit-Thriller, der auf dem internationalen Bestseller „Imperial Life in the Emerald City“ des renommierten Journalisten Rajiv Chandrasekaran fußt. Greengrass zeigt den Nachkriegsirak als brandgefährliches Krisengebiet in dem am imaginären Verhandlungstisch zig Interessen aufeinanderprallen: Von den embeddet Journalisten umzingelt müssen amerikanische Diplomaten schnell Ergebnisse hervorzaubern und dabei die Interessen der Lobbyisten sowie der ethnischen Gruppen im Irak - Schiiten, Kurden, Sunniten - wollen auch bedacht sein. Greengrass verkündet in seinem Stück Ballerbildungskino die keineswegs neue Kunde, dass es im Kriegsgebiet Irak kein Richtig oder Falsch gibt. Vielmehr klagen er und sein Autor Brian Helgeland die Schwarzweißfärberei der US-Regierung offen an. Wo liegen die wahren Interessen? Nicht ganz zufällig blickt die Kamera in der finalen Einstellung auf die in der Ferne bereits dampfenden Ölraffinerien während die Wohngebiete noch in Schutt und Asche liegen und die notwendige Grundversorgung mit Wasser nicht sicher gestellt ist. Greengrass weiß den Zuschauer durch Action und Spannung zu fesseln. Dabei blickt der Kinogänger trotz all der trivialen Explosionen thematisch hinter die übliche zweiminütige Berichterstattung der 8-Uhr-Tagesschau. Dem Erfolgsregisseur gelang damit eine kritische Einsicht in die nicht nur vom Wüstensand vernebelten Strukturen des so genannten Demokratisierungsprozess im Irak. „Green Zone“ ist kluges Spannungskino der Marke „Blood Diamond“ mit den für Greengrass bekannt chaotischen Action-Sequenzen. Aber das ganze Gewackel im dunklen Gewirr der zerbombten Straßengassen passt diesmal ideal zu dem unüberblickbaren Chaos im ewigen Kriegsgebiet namens Irak.
Für den erfolgreichen Filmemacher Shawn Levy mag „Date Night“ nach radikal familienfreundlichen Produkten wie dem furchtbaren „Pink Panther“-Reboot und den beiden „Nachts im Museum“-Filmen richtig frech sein, aber was der Mann hier abliefert ist nur eine lahme Ente, die John Landis’ großartiger und bereits 25 Jahre alter Action-Komödie „Into the night“ aus der Ferne etwas ähnelt aber ihr nur lustlos hinter watscheln kann. Weder die zotig und trotzdem zahmen Gags noch die wenigen Action-Szenen, die übrigens heillos schlecht choreographiert und geschnitten sind, retten den Film über filmisches Mittelmaß. Die Witze sind eine lahme Melange aus den Hitserien der beiden Hauptdarsteller - sprich: Tina Fey spielt erneut ihre bekannte „30 Rock“-Rolle des 40-jährigen Trampels, der wenig Lady-like von einem Fettnäpfchen ins nächste tappt und Steve Carrell variiert seine „The Office“-Chefrolle minimal und gibt den treu-doofen Ehemann, der sein Weib innig liebt aber eben nicht Mr. Perfect, sondern nur ein durchschnittlicher Working-Class-Hero ist. Womit wir bei der platten Identifikationsnummer wären und dem dazugehörigen Zielpublikum. Denn die Schwächen der Figuren werden für das Nahe liegende genutzt: Uralt-Witze und kleine Beobachtungsanekdötchen über die Alltagsroutine eines mittelalten Ehepaares – einschließlich der Ja-so-bin-ich-und-so-ist-meine-Frau-aber-wir-lieben-uns-trotzdem-ganz-doll-Botschaft. Levy schuf mit „Date Night“ eine langatmige Klamotte mit vielen hysterisch-aufgedrehten Akteuren, die sich einmal mehr auf dem Papier besser las als das was sich im Dunklen schließlich auf der Leinwand abspielte. Schade drum.
Schon wieder ein komplett innovationsarmer Horror-Thriller mit mehr als nur abgerockten Versatzstücken aus Genre-Klassikern wie „Das Omen“ oder etwas frischerer Ware wie etwa „The Ring“. Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine engagierte Sozialarbeiterin, die ein scheinbar missbrauchtes Kind aus den Händen der bösen Eltern rettet und dann auch noch bei sich aufnimmt. Nur blöd, dass aus dem traurigen aber auch süßen Fratz bald eine echte Terror-Göre – quasi ein Dämon mit Pferdeschwanz - wird und auf einmal gute Freunde der netten Sozialarbeiterin sterben müssen. „Fall 39“ ist ein weiteres Referenzwerk dieser komischen US-Gruselfilme, die laut eines ungeschriebenen Hollywood-Gesetzes mindestens einmal pro Jahr produziert werden müssen. Die besonderen Merkmale der Hochglanzstreifen: unblutig, Steinzeit-Schockmomente, ein Hollywoodstar, der durch dumme Vertragsverpflichtungen zu solch Schnelle-Geld-Nummern aka B-Pictures gezwungen wird, eine äußerst professionelle wenn auch oberflächliche Inszenierung und die obligatorische exklusive DVD-Sequelverwertung mit völlig neuen Darstellern.
Tim Burtons Märchenstunde inklusive des eigentlich komplett überflüssigen 3D-Gedöns ist ein grobschlächtiger Effektdschungel in dem manche Storyboards an Burtons alte Werke wie etwa „Sleepy Hollow“ erinnern. Die hoch gelobte Kreativität des Altmeisters drückt sich hier eher in der Wiederholung bekannter Themen aus. Lewis Carrolls Emanzipationsgeschichte über Selbstbestimmung und das freie Denken wurde im Film auf ein Minimum reduziert – böse Königin soll weg, dafür muss Alice einen Drachen köpfen. Die Botschaft des Kinderbuchklassikers versinkt in einer gerade noch passabel getricksten Effekt-Orgie der Marke Burton, der einmal mehr seiner Leidenschaft für Fantasiewelten und Skurrilitäten freien Lauf lassen darf. Der Goth-Meister tobt sich auf dieser Spielweise bereitwillig mit den üblichen Verdächtigen wie Depp und Bonham Carter aus. Bis zum Verdruss für manche Geschmäcker. Allerdings muss das einer ja auch bezahlen. Und so verneigt sich Burton vor dem großen Geldgeber Disney. Manchmal kommt er gar nicht mehr hoch und platziert demütig gleich mal Disneys Dornröschenschloss in Alices W(U)nderland. Auch die Hauptdarstellerin Mia Wasikowska könnte kaum farbloser sein: Ihr Mimikspiel beschränkt sich auf insgesamt drei Gesichtsausdrücke: überrascht, trotzig und wieder überrascht. Und Anne Hathaway als gute Königin verärgert das Publikum mit ihrer auf Drogen im Regen von Goa tanzend-Performance. Insgesamt geht Burtons typische Ästhetik in diesem Fantasy-Film ziemlich flöten. Das Carrollsche Wunderland erinnert an einen Tagesauflug in den Freizeitparks mit den großen Mäuseohren. Ständig wartet man darauf, dass Alice in dieses Fahrgeschäft mit den drehenden Teetassen einsteigt. Das muss aber nichts schlechtes sein. „Alice im Wunderland“ ist durchaus empfehlenswert. Der Streifen mit den gefälligen 3D-Effekten begeistert sicherlich meine kleinen Nichte, die „Avatar“ schon „ganz supi“ fand und Johnny Depp als „sooo bombe süß“ definiert. Und wenn beim Abspann Avril Lavigne ohne jede Vorwarnung losquäkt, überkommt mich das Gefühl, dass Disney und Burton den Film an mir komplett vorbei konzipiert haben. Auch nicht schlimm.
In dem bildgewaltigen Psycho-Thriller „Shutter Island“ spielt Martin Scorsese einmal mehr mit den Grundzügen des Kinos und schwelgt in wunderschönen Einstellungen. Sein düsteres Psycho-Versteckspiel ist eine Hommage an das gute alte Kino. Der große New Yorker Regisseur kehrt in der abgewandelten Romanverfilmung von Dennis Lehane zu seinen Lieblingsthemen zurück: der Sünde und der Suche nach Erlösung fern der Kirche. Wie in der jüngeren Scorsese-Vergangenheit muss sich der Kinogänger bei „Shutter Island“ auf die große Leo-Schau einlassen. Denn DiCaprios genialem Spiel des traumatisierten Kriegshelden unterwirft sich in der Produktion fast alles. Nur die stoisch aufspielenden Altmeister Ben Kingsley und Max von Sydow wissen trotz der von Scorsese allmächtig inszenierten DiCaprio-Präsenz sich in den Szenen Raum zu erspielen. DiCaprios Sidekick Mark Ruffalo wirkt wie so oft überfordert und wurde zu Recht zum Stichwortgeber degradiert. Und die Geschichte? „Shutter Island“ ist ein stimmungsvoller Retro-Thriller – eigentlich ein klassissches B-Movie-, dessen Stoff einen schnell fluchen lässt. Dabei ist die Pulp-Geschichte doppelbödig angelegt und macht auch im Umkehrschluss Sinn. Was ist hier eigentlich inszenierte Realität? Scorsese und Lehane spielen mit der Wahrnehmung eines seelisch Verkrüppelten. Am Ende traumatisieren oder wahlweise enttäuschen sie das gesamte Kinopublikum. Viele werden sich ärgern, andere an David Finchers, der anfangs für die „Shutter Island“-Regie vorgesehen war, „The Game“ denken und ich freue mich einfach nur über Scorseses nimmermüde Lust am Inszenieren und Zitieren. Denn „Shutter Island“ sieht fabelhaft düster aus, hört sich toll an und begeistert allein durch die wahnwitzigen Traumsequenzen. Das ist bisweilen nicht nur perfektes und atmosphärisch dichtes Hitchcock-Kino, sondern grenzt an einen atmosphärischen Overkill. Trotzdem ist Scorseses Retrokurs gelungen. Ähnlich wie in Sam Raimis „Drag me to Hell“ schuf er eine Perle des Genre-Kinos und eine Feierstunde des Kinos.
Ein totes Kind verbindet zwei Menschenschicksale - zwei gequälte Seelen, die die Vergangenheit nicht loslässt. „Troubled Water“ ist starkes Gefühlskino in klaren Bildern aus Norwegen. Die Dramatik erinnert bisweilen an junge Genre-Klassiker wie Susannes Biers „Open Hearts“ und Alejandro González Iñárritus „21 Gramm“. Der Regisseur Erik Poppe hat das nötige Gespür für diesen unbequemen Stoff. Er bindet die großen Gefühle in eine nüchterne Bildsprache, die durch den unheilvoll donnernden Score unwahrscheinlich an Tragik gewinnt, und schafft dadurch ein intensives Filmerlebnis. Mit Pål Sverre Valheim Hagen als Ex-Sträfling und Trine Dyrholm in der Rolle der verzweifelten Mutter hat die Produktion zudem zwei exzellent aufspielende Akteure zu bieten: vergeben und versöhnen oder verdrängen und vergessen – man leidet mit den äußerst lebendig und glaubwürdig skizzierten Figuren. Das hitchcockeske Ende mit dem psychologisch an den Wiederholungszwang angelegten Showdown plus einem völlig deplatzierten Twist wirkt hingegen arg konstruiert und nimmt „Troubled Water“ schlussendlich einiges an emotionaler Stärke und Durchschlagkraft. Denn manchmal sind Antworten nicht nötig, ja, manchmal gibt es einfach keine Erlösung.