BenAffenleck - Kommentare

Alle Kommentare von BenAffenleck

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    Alfred Hitchcocks Film VERTIGO ist nicht nur ein Meisterwerk, es ist der beste Film aller Zeiten. Mit Kim Novak und James Stewart grandios besetzt, ist dieser in San Francisco spielende Thriller weit mehr als ein spannender, mysteriöser Kriminalfilm. Es ist auch ein komplexes Werk über die Struktur unseres Begehrens, über den Film als solches und über das Sehen und Schauen sowie die eigene Blindheit. [Wolfgang M. Schmitt unter seiner schwafelnden Filmanalyse]

    Für aufrechte Liebe wird es zwischen BenAffenleck und dem von so vielen vergötterten Alfred Hitchcock wohl nicht mehr reichen, da konnte auch VERTIGO nichts dran ändern, eine gewisse Faszination strahlt dieses Werk aber auch auf mich aus. Bei seiner Premiere wurde der Film ja völlig verrissen, was aber wohl vor allem darauf zurückzuführen war, dass VERTIGO Ende der 50er mit seiner psychologischen Tiefe, einigen psychedelischen Elementen und inszenatorischen Spielereien zu verschiedensten Interpretationen und Analysen anregte, und somit nur schwerlich zu packen war. Ähnlich erging es mir auch bei der jetzigen Erstsichtung, zumindest inhaltlich, da ich das Gesehene nicht besonders spannend fand und alles als etwas künstlich und steif empfand, ein immer wiederkehrendes Problem, das ich mit alten Filmen habe.

    VERTIGO gewann jedenfalls in den 70ern etwas mehr Beachtung und startete in den 90ern dank einer liebevoll restaurierten 70-mm-Fassung einen langsam anrollenden Siegeszug durch die Bestenlisten der Kritiker und Filmfans. Das Technicolor-Bild sieht auf der BluRay überraschend häufig brillant aus und präsentiert San Francisco sowie die Drehorte in der näheren Umgebung (der auch in Natura wunderschöne Cypress Point am 17-Mile Drive und Big Basin Redwoods State Park nahe Santa Cruz) in malerischen Bildern, die dem Werk eine noch traumartigere Atmosphäre verleihen. Formell war das für mich zumindest richtig starkes Kino, die geniale Kameraarbeit von Robert Burks, der punktgenaue Schnitt von George Tomasini und das vertonte Schwindel-Gefühl als Score von Bernard Herrmann. Alles top, genau wie James Stewart in der Hauptrolle und die bezaubernde Kim Novak, die nur als Notbesetzung herhielt.

    Obsessive Liebesgeschichte, Kriminalfilm, ein Blick aus dem Reich der Toten? Von allem was? Whatever! Auf jeden Fall ein sehr interessanter und für nachfolgende Filmemacher prägender Klassiker, dem ich mich beizeiten noch mal widmen muss. Der schwindelerregende Dolly-Effekt (oder auch liebevoll Vertigo-Effekt genannt) wird übrigens mit einer Kombination aus einer Kamerafahrt zurück und einem gleichzeitigen Zoom nach vorn erzielt. Ich habe diese wunderbare Spielerei zum ersten Mal mit dem Zoom auf Martin Brodys schweißglänzendes und entsetztes Gesicht am Strand von Amity gesehen. Aber das ist eine andere Geschichte an einer anderen Küste . . .

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    • 8

      Kurzer Nachtrag Staffel 3-5 : : : Was für eine klasse Show! Der zweite Teil von HAUS DES GELDES fällt mMn kein Stück ab, eher im Gegenteil. Action, Emotionen, etwas Humor, wilde Twister, tolle Darsteller und eine moderne Inszenierung. Was für ein Entertainment Faktor! Hier lasse ich weiterhin eine ganz ganz dicke 8 stehen . . .

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      • 9

        “Man sorge dafür, dass man nach Dienstende lebend nach Hause kommt.” [Jim Malone]

        Der Bundesagent Eliot Ness (Kevin Costner) vom US-Schatzamt nimmt Anfang der 30er in Chicago zusammen mit einem vertrauenswürdigen, unbestechlichen Team (Sean Connery, Andy Garcia, Charles Martin Smith) den Kampf gegen Mafiaboss Al Capone (Robert De Niro) auf. Zwar lassen sich dem Paten weder Mordaufträge noch Alkoholschmuggel nachweisen, doch wegen Steuerhinterziehung könnte man ihn hinter Gitter bringen.

        Vom ersten Takt der wunderbaren Filmmusik an ist THE UNTOUCHABLES faszinierend. Ein Film, in dem alles perfekt zusammenpasst. Brian De Palmas Prohibitions-Thriller von 1987 besitzt alles, was ein großer Hollywood-Klassiker braucht: eine herausragende Besetzung, einen erinnerungswürdigen Musik-Score von Ennio Morricone, eine brisante Buchvorlage von Zeitzeugen sowie unheimlich starke Szenen, wie etwa die legendäre Bahnhofsschießerei mit einem die Treppe herab stürzenden Kinderwagen. Jene Szene ist im übrigen eine detaillierte Rekonstruktion der Szene auf der Hafentreppe von Odessa aus PANZERKREUZER POTEMKIN (1925).

        Wenn man THE UNTOUCHABLES heutzutage sieht, muss man schon anerkennen, dass dieser spannende, grandios gespielte und pathetische Klassiker des Gangster-Films hervorragend gealtert und angesichts seiner zeitlosen Themen um Gesetz, Moral und Korruption auch immer irgendwie aktuell bleiben wird.
        Das Drehbuch von David Mamet konzentrierte sich auf eine ganz klare Schwarz-Weiß- Zeichnung der Charaktere. Auf der einen Seite der integre Ness und ein zusammengewürfelter Haufen ehrlicher Kerle, die füreinander einstehen, auf der anderen Seite der skrupellose Gangsterboss, dessen Imperium auf Unterdrückung basiert, und seine brutalen Schergen.

        Besonders die Hauptfigur Ness bekommt auch eine interessante Charakterwandlung spendiert, denn im Laufe der Handlung greift er zu immer härteren Mitteln und rückt vom gesetzestreuen Paragraphenreiter immer weiter ab. Für diese Rolle wurde seinerzeit mit der jungen Top-Garde Hollywoods verhandelt, darunter Harrison Ford, Michael Douglas und Mel Gibson, bis der wenig bekannte Kevin Costner unterschrieb und hiermit Richtung Topstar abbog. Sean Connery brachte die Nebenrolle des väterlichen Mentors den Golden Globe und seinen einzigen Oscar ein und Andy Garcia wurde erstmals einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Robert De Niro erteilte erst nach längeren Überlegungen seine Zusage und machte daraufhin, ganz der Method Actor, Capones echte Schneider ausfindig und ließ sich von diesen die gleichen Kleidungsstücke wie der Mafiaboss fertigen - angeblich bis hin zur Seidenunterwäsche. So besagt es zumindest die Legende, keine Ahnung ob man als tapferes Schneiderlein so alt wird. Da jedoch nicht die Zeit blieb, genug an Gewicht zuzulegen, trug De Niro während der Dreharbeiten Polster unter der Kleidung.

        THE UNTOUCHABLES bietet einen faszinierenden und packenden Einblick in eine besonders blutige Ära der amerikanischen Geschichte, und steht dabei dem Western-Genre näher als dem klassischen Polizeifilm. Es sei eine Geschichte vom alten und vom jungen Revolverhelden, hat De Palma in Interviews immer wieder betont. Und wenn DIE UNBESTECHLICHEN Vier mit ihren Gewehren im Arm in breiter Phalanx zur nächsten Razzia die Straße hinunter schreiten, kommen sie tatsächlich daher wie Cowboys auf dem Weg zum Shootout. Und wem bei den Panavision-Aufnahmen in klassischer Western-Totale an der kanadischen Grenze, untermalt vom diesem sensationellen Score, nicht das (Film)Herz aufgeht, sollte sich doch lieber ein anderes Hobby suchen . . .

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          So sehr ich Steve Martin sonst auch mag ... nach 20 Minuten der DER ROSAROTE PANTHER-Neuauflage wurde mein Humorzentrum 100% öfters peinlich berührt, als zum Generieren von Lachern genutzt. Stop button saves lifetime . . .

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            Hätte ich bis zum Ende durchgehalten, wäre ich bei GINGER SNAPS mit Fell und Make-up bei vielleicht 5,0 Kilo Frischfleisch für den Filmgott gelandet. Habe mich aber an 3 Abenden abgequält und bin immer noch nicht am Ende. Scheinbar zu müde oder einfach nicht mein Film . . .

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            • 7

              GIRL YOU KNOW IT’S TRUE von Simon Verhoeven ist ein unterhaltsames Biopic über den schnellen Aufstieg und genauso schnellen Absturz der Band ‘Milli Vanilli’. Zu der Zeit war ich zirka 13 Jahre alt, und an den beiden auf cool getrimmten Hupfdohlen kam man Ender der 80er einfach nicht vorbei. Die Bravo brachte jede Woche neue Belanglosigkeiten über Rob & Fab, die Mädels auf dem Schulhof sangen mit verträumten Blicken und Kopfhörern auf den Ohren ‘Girl I’m Gonna Miss You’, während das Tape im Walkmen in etwa so ausgeleiert war, wie Madonna zu der Zeit. Und dann … Bämm. Alles vorbei, große Fresse, nix dahinter. Einer der größten Pop-Skandale aller Zeiten war solide eingetütet, als Säue der Pop-Musik wurden allerdings nur Fab’n’Rob durch die Medien und Dörfer getrieben.

              Die Aufarbeitung dieser Zeit und Umstände ist als durchaus launig zu bezeichnen, unterhaltsam ist GIRL YOU KNOW IT’S TRUE allemal, verpasst es aber irgendwie doch, etwas tiefer zu gehen und sogar zu berühren. Die beiden überzeugenden Hauptdarsteller Tijan Njie und Elan Ben Ali durchbrechen bei ihren Erzählungen auch gerne mal die vierte Wand und stellen selbst gerne mal infrage, ob hier die Wahrheit erzählt wird oder viele Halbwahrheiten zu Fakten zusammen gepappt wurden. Etwas augenzwinkernd sollte man das Ganze schon sehen, was Matthias Schweighöfer als Produzent Frank Farian noch mal mit einer teils sau lustigen Performance overactend unterstreicht.

              GIRL YOU KNOW IT’S TRUE … ja, ne. Is’ klar . . .

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              • 9

                Der Regisseur und Drehbuchschreiber Joe Carnahan bedient sich für seinen ultra brutalen Höllenritt SMOKIN’ ACES völlig schamlos aber gekonnt bei Tarantino, Rodriguez und Ritchie. Das könnte man ihm zur Last legen, wenn der Entertainment Faktor nicht in geradezu absurde Höhen schießen würde.

                Die ersten 20 Minuten muss man sich selber erst mal irgendwie zusammen pappen, hier fliegen einem Namen und Verbindungen um die Ohren, wie später die Projektile. Die kurze Vorstellung der ganzen Charaktere macht aber schon unheimlich Spaß, da alles hip geschnitten und sehr cool in Szene gesetzt wurde. Dialoge und Situationskomik sollten dabei für ein debiles Dauergrinsen sorgen, auch wenn vieles völlig überzogen wirkt.

                Carnahan konnte für seine zweite Regiearbeit ein ansehnliches Starensemble auftreiben, denn auf den Weg nach Lake Tahoe machen sich Ryan Reynolds, Ray Liotta, Ben Affleck, Peter Berg, Chris Pine, Taraji P. Henson und Alicia Keys, während es sich der ganz stark aufspielende Jeremy Piven dort mit Koks, Leibwächtern und einer Horde Nutten in einer Luxus-Suite gemütlich gemacht hat und auf die Bestätigung des Kronzeugen-Deals mit dem FBI wartet. Und wenn Mafiosi, FBI Agents, mit Kettensäge und Bengalos bewaffnete Psychos, 2 großkalibrige Killer-Mietzen, das Sicherheitspersonal und noch Schlimmere im Hotel aufeinandertreffen, dann bekommt der Subwoofer r-i-c-h-t-i-g was zu tun. Spätestens in diesem apokalyptischen Showdown mutiert SMOKIN’ ACES zu einer furiosen und brillant montierten Gewaltorgie.

                Tarantino für Arme, Stil über Substanz … Kritiker und ihre Wehwehchen. Für mich handelt es sich bei SMOKIN’ ACES um spektakuläres Unterhaltungskino das auch noch Bestand hat, während der letzte Schuss schon längst verklungen ist. Wenn zu ‘Dead Reckoning’ von Clint Mansell sämtliche Stecker gezogen und dünne Fäden gekappt werden, gehen Ruhe und Gerechtigkeit eine nahezu perfekte Symbiose ein.

                Auch nach rund einem halben Dutzend Sichtungen immer noch . . . Herausragend.

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                • 6
                  BenAffenleck 27.08.2024, 16:31 Geändert 27.08.2024, 16:33

                  BenAffenleck und die McDonagh-Brüder reden bei einem Guinness über schwarzen Humor, die Kunst eines guten Drehbuchs und die Fallstricke des Lebens.

                  Martin McDonagh - THE BANSHEES OF INISHERIN (2022)

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                  Schon vor ihrem Kinostart war die Tragikomödie THE BANSHEES OF INISHERIN Gesprächsthema. Das liegt zum einen daran, dass Colin Farrell und Brendan Gleeson darin das erste Mal seit BRÜGGE SEHEN... UND STERBEN wieder zusammen für Martin McDonagh vor der Kamera stehen und seit dem Kultfilm eine Art Dreamteam geworden sind. Etliche Festivalpreise, acht Golden-Globe-Nominierungen und neun Oscar-Nominierungen kann man schon durchaus als “amtlich” bezeichnen. Wobei die Nominierungen weitestgehend solche blieben und ich somit scheinbar nicht der Einzige bin, den BANSHEES nicht vollends überzeugen konnte.

                  „I just don’t like you no more“. [Colm]

                  Der Film erzählt von einer plötzlich endenden Männerfreundschaft auf der kleinen irischen Insel Inisherin im Jahre 1923 , ist so tragisch wie komisch, aber auch schwer zu nehmen. Schauspielerisch ist das bis in die Nebenrollen allererste Sahne, die so schroffe wie malerische Kulisse der irischen Westküste mutet an wie ein Gemälde und die Dialoge sind einfach großartig geschrieben. Dadurch ist McDonaghs Film schon mal viel zu gut, um ihn gar nicht zu mögen. Natürlich möchte man auch erfahren, wo es mit den wunderbar gezeichneten Figuren hingeht. Irgendwann steht die unterschwellige Komplexität des Drehbuchs aber einem wirklich guten Film im Weg. Eine Metapher auf den “nebenan” stattfindenden irischen Bürgerkrieg, bei dem sich auch auf einmal beste Freunde bekriegen, und sich immer dunklere Facetten der Menschen auftun? Ein Film im Schatten von Corona, über die Entfremdung von Brüdern und Schwestern? Ein Kommentar zur Kommunikation in der Gesellschaft, welche zu solchen Konflikten führen kann, wenn jeder nur noch sich selbst der nächste ist? Wann ist ein Leben sinnvoll, wann vergeudet? Hat man das Recht dazu, so etwas zu beurteilen? Darf ein Leben nicht einfach bequem 08/15 sein, wenn es das sein kann?

                  Es sind schon eine große Bandbreite unterschwelliger Themen, die Martin McDonagh in seine Dramödie THE BANSHEES OF INISHERIN packt. Einsamkeit, Freundschaft, Liebe, der Sinn des Lebens. Der Tod (in Form der BANSHEE), der über allem schwebt. Formal ein brillanter Film, inhaltlich durchaus fordernd. Die Dramaturgie hat mich aber nicht durchgängig erreicht, vielleicht bin ich für so eine Art Kunst aber auch nur zu 08/15. Kündigungen aus der Freundschaftsliste werde ich aber trotzdem nicht einfach so hinnehmen.

                  Oh . . . gerade hat es an der Tür gerumst . . .

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                  • 7

                    Auch als Nicht-Wrestling-Fan kann man mindestens soliden Gefallen an THE IRON CLAW finden. Auf leisen Sohlen und beinahe flüsternd liefert Regisseur und Drehbuchautor Sean Durkin abseits des lauten Rings einen groben Abriss über die scheinbar legendären Von Erichs, einer texanischen Wrestling-Familie mit mehreren Brüdern, die in einer toxischen Umgebung aufwuchsen, da ihrem kontrollsüchtiger Vater der Traum des Weltmeistertitels verwehrt blieb und seine Söhne durch gnadenlose Parentifizierung (einer Form des emotionalen Missbrauchs, bei dem Eltern ihre Kinder schikanieren, um ihre eigenen unerfüllten Wünsche zu realisieren) über viele Jahre physisch abhärtet und psychisch weichkocht. Glorreiche Triumphe und unglaublich harte Schicksalsschläge sind der Preis dafür.

                    Im Mittelpunkt von THE IRON CLAW steht der älteste Bruder Kevin (Zac Efron), der sich auch ein Stück weit für seine jüngeren Brüder verantwortlich fühlt. Der bedingungslose Zusammenhalt und die Bruderliebe der Jungs in so einem konkurrierenden und manipulierenden Umfeld ist teils wirklich bewegend, wobei der patriarchale Druck immer weiter aufgebaut wird. Nach den tragischen Ereignissen sprach man damals vom “Von-Erich-Fluch”, zerbrochen sind die Jungs allerdings an einem unnachgiebigen Felsen namens “Vater”. Aus ein paar Längen kann sich das Drama nicht ganz herauswinden, darüber hinaus ist THE IRON CLAW aber ein oft berührender Film mit Tiefgang. Die Darsteller sind bis in die Nebenrollen große Klasse, aber vor allem Zac Efron stellt sich komplett und uneitel in den Dienst seiner Rolle und überrascht mit eine starken Leistung, die völlig auf Understatement baut. Vielleicht fehlt hier und da sogar etwas größeres Getöse, sehenswert ist THE IRON CLAW allemal und wirkt noch etwas länger nach . . .

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                    • 6
                      BenAffenleck 22.08.2024, 15:46 Geändert 22.08.2024, 15:46

                      BenAffenleck und die McDonagh-Brüder reden bei einem Guinness über schwarzen Humor, die Kunst eines guten Drehbuchs und die Fallstricke des Lebens.

                      John Michael McDonagh - THE FORGIVEN - DENEN MAN VERGIBT (2021)

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                      Als das wohlhabende aber von sich selbst genervte Ehepaar David (Ralph Fiennes) und Jo Henninger (Jessica Chastain) auf dem Weg zur opulenten Wochenendparty ihres alten Freunds Richard Galloway (Matt Smith) durch die marokkanische Wüste eilt, ist es an einem tragischen Unfall mit einem einheimischen Jungen beteiligt. Aber als das Paar versucht, den Unfall zu vertuschen, trifft der rechtsuchende Vater des Jungen ein, und ein Kulturkonflikt mit lebensverändernden Auswirkungen für alle beginnt...

                      Mit der Adaption des gleichnamigen Romans von Lawrence Osborne versucht sich John Michael McDonagh an seinem nächsten Büßer-Film. DENEN MAN VERGIBT ist einerseits ein Culture Clash-Drama mit herausragenden Bildern der marokkanischen Landschaft und andererseits eine Art ergänzendes Nachwort zum noch “unterhaltsameren” und wesentlich intensiveren AM SONNTAG BIST DU TOT. McDonaghs Film verfolgt zum Großteil zwei parallele Handlungsstränge, die im starken Kontrast zueinander stehen. Während David sich auf eine (auch innere) Reise zu dem abgelegenen Dorf begibt und dort nach Vergebung sucht, feiert Jo auf dem dekadenten Anwesen von Richard weiter exzessive Partys. Damit will man dem Zuschauer scheinbar den Neo-Kolonialismus unter die Nase reiben, was zwar etwas aufdringlich ist, aber dann doch irgendwie funktioniert.

                      In den USA ging das Drama trotz exzellenter Besetzung ziemlich unter und erschien auch bei uns nur als Video on Demand. Das man mit so einem Stoff keine Zuschauermassen mehr in die Kinosäle bekommt, ist natürlich klar. Auch wenn DENEN MAN VERGIBT nicht den ganz großen Eindruck hinterließ, konnte ich diese Reise der kulturelle Unterschiede und der Frage nach Schuld und Vergebung doch nicht vorzeitig abbrechen . . .

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                      • 8

                        “Im Weltall hört dich niemand schreien”, was im Rahmen des ALIEN-Franchise ja mittlerweile augenzwinkernd Doppeldeutig zu verstehen ist. Nachdem das Geheule über PROMETHEUS (überwiegend unberechtigt) und COVENANT (überwiegend berechtigt) vielerorts groß war, sollte die Reihe wieder im (überwiegend sicheren) Brustkasten einer oldschooligen Best-Of-Show landen. Um es mal gleich aus mir heraus platzen zu lassen: ich habe ALIEN: ROMULUS aufgrund des Trailers echt entgegengefiebert und wurde jetzt im Kino kaum enttäuscht. Mit seinem EVIL DEAD-Remake hat Fede Alvarez mich schon derbe begeistern können, und Blut und Wahnsinn eimerweise über die Zuschauer gekippt. Seinen scheinbar auch gelungenen DON’T BREATHE habe ich noch nicht gesehen, konnte aber irgendwo schon mal die Story aufschnappen, die Alvarez jetzt noch mal in den weiten des Alls neu verfilmt hat: eine junge Gang wird bei einem Einbruch von einem äußerst wehrhaften Bewohner überrascht. That’s it!

                        Jetzt kann man natürlich wieder rumheulen und das alles ganz doof finden, aus fehlenden neuen Ideen hat Alvarez jedoch das Maximum rausgeholt. Da Ridley Scott nach wie vor als Produzent involviert war, musste der südamerikanische Regisseur scheinbar von allen ALIEN-Filmen etwas einbringen, denn letzten Endes war ROMULUS sicherlich auch nur eine Auftragsarbeit, die aber mit Bravour abgeliefert wurde. Der Sci/Fi-Horror bietet jede Menge Fan-Service und massig zusammen getragene Easter Eggs aus dem kompletten Franchise, kann aber auch problemlos mögliche Neueinsteiger mitnehmen. Zeitlich ist ROMULUS zwischen Ridley Scotts Original und James Camerons Fortsetzung angesiedelt, was Gelegenheit für einen wunderbaren Retro-Look bietet und auch atmosphärisch alles aus einem feuchten ALIEN-Nerd-Traum auffährt. Dunkel, kalt, bedrohlich, schmutzig, freudlos, lebensfeindlich. Die Spannung wird langsam aufgebaut, und auch wenn die Figuren nicht viel zu bieten haben, fiebert man doch mit der Hauptdarstellerin Cailee Spaeny mit. Alvarez versteht halt sein Genrehandwerk, der Film ist spannend, lässt einen mehrfach die Fingernägel in den Sitz krallen und hat auch den einen oder anderen durchaus kreativen What-the-Fuck-Moment zu bieten.

                        Ich bin schon sehr auf ein ‘Making of…’ gespannt, denn hier sah fast alles nach guter alter 80’s-Handarbeit aus, oder es wurde halt überwiegend gekonnt mit CGI nachgeholfen. Somit ist auf jeden Fall ein immersives Kinoerlebnis garantiert, das mit dem geschätzten Budget von 80 Millionen Dollar richtig was auf die Leinwand gezaubert hat. Wenn 120 Minuten so kurzweilig daher kommen, darf es mit dem ALIEN-Franchise gerne so oder so ähnlich weiter gehen. Ich bin jedenfalls wieder mächtig angeätzt und spendiere mit einigen Tagen Abstand vielleicht etwas übertriebene 8,0 Säureblocker . . .

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                        • 5
                          BenAffenleck 14.08.2024, 17:45 Geändert 14.08.2024, 17:54

                          Im Fahrwasser von Oliver Stones PLATOON inszenierte Chucks Bruder Aaron Norris 1988 den Dickicht-Kläffer PLATOON LEADER. Michael Dudikoff macht hier mal nicht den Hampelmann im schwarzen Strampelanzug, sondern wird als Lt. Jeff Knight frisch von der Militärakademie West Point an einen Außenposten in Vietnam versetzt. Dort soll er das Kommando übernehmen, aber die Soldaten begegnen dem Neuling ablehnend und respektlos.

                          Inszenatorisch ist das relativ solide Kost, einige Stunts und Action-Szenen sind gut gemacht und an den Drehorten wirken Reisschüsseln und Bambushütten nicht fehl am Platz, obwohl in Süd-Afrika gedreht wurde. Die Gefechte sind 80s-like nicht ganz unblutig, an Patriotismus und kernigen Machosprüchen darf es natürlich auch nicht fehlen. Hin und wieder schafft es dieses B-Movie aber sogar, ein ganz klein wenig (wenn auch oberflächlich) zu berühren, denn auch die Nebenerscheinungen des Krieges (Drogenprobleme oder Verrohung der Soldaten) werden thematisiert. Dafür packe ich dann gerne 5,0 prall gefüllte Magazine in meine Munitionstasche, mache aber einen dicken grünen Haken hinter PLATOON LEADER und streiche eine weiter positive End-80er-Kindheitserinnerung . . .

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                          • 7

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                            RABBIT HOLE ist ein sensibles Drama über Menschen, die mit dem Verlust eines Kindes fertig werden müssen. Was dieses wohl schlimmste aller Gefühle mit einem Menschen und einer Partnerschaft macht, wird hauptsächlich (aber nicht nur) am Beispiel des Ehepaars Becca und Howie gezeigt, die überragend von Nicole Kidman und Aaron Eckart gespielt werden. Aber auch in kleineren Nebenrollen gibt es tolle Leistungen von Diane Wiest, Miles Teller und Sandra Oh zu sehen. Schmerz, Verlust und der völlig unterschiedliche Umgang mit Trauer sind hier das zentrale Thema, trotzdem kommt RABBIT HOLE nicht tonnenschwer daher, sondern erzählt lebensnah auch von Zuversicht und dem Weitermachen, weil es irgendwie weitergehen muss . . .

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                              BenAffenleck 12.08.2024, 15:32 Geändert 12.08.2024, 17:44

                              BenAffenleck und die McDonagh-Brüder reden bei einem Guinness über schwarzen Humor, die Kunst eines guten Drehbuchs und die Fallstricke des Lebens.

                              Martin McDonagh - THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI (2017)

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                              Einige Monate sind bereits vergangen, seitdem die Tochter von Mildred Hayes (Frances McDormand) vergewaltigt und ermordet wurde. Doch von dem Täter fehlt noch immer jede Spur. Um die Tatenlosigkeit der örtlichen Polizei anzuprangern, und die Ermittlungen voranzutreiben, mietet sie THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI. Das stößt in dem hinterwäldlerischen, rassistisch geprägten Kaff nicht nur auf Gegenliebe…

                              Diese Geschichten aus dem amerikanischen Hinterland sind es meist, die mein Filmherz flattern lassen. Mit seinem dritten Film hat es Regisseur, Drehbuchautor und Co-Produzent Martin McDonagh erneut geschafft, einen herausragenden und unterhaltsamen Film abzuliefern, der nicht nur meine mp-Freundesliste in Verzückung versetzt. Mit BRÜGGE SEHEN … UND STERBEN und 7 PSYCHOS hat er sein Können als virtuoser Autorenfilmer bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der Ire erschafft kuriose, aber dennoch authentisch wirkende Charaktere und zeigt in seinen sorgfältig ausgearbeiteten Geschichten ein enormes Gespür für nahbare und witzige Dialoge.

                              Nach rund 5 jähriger Kino-Abstinenz versammelt McDonagh ein sagenhaftes Ensemble, um ein zwischen Tragik und pechschwarzen Humor pendelndes Meisterwerk zu erschaffen. Vielleicht der lustigste Backstein der letzten 10 Jahre, der einem mit Anlauf punktgenau in die Fresse geschmettert wurde.

                              Mit spielerischer Leichtigkeit vereint das packende Drama nicht nur tiefen Schmerz mit lakonischem Humor, sondern erzählt mithilfe seines fabelhaften Ensembles eine berührende, sowie vielschichtige Handlung, die mit fortschreitender Laufzeit eine fast schon kathartisch-hoffnungsvolle Atmosphäre erzeugt. Zu sehen was es heißt, ein Mensch zu sein, zu lieben, zu leiden, zu kämpfen und sich auch ändern zu können, wurde selten schmerz- und humorvoller in 115 Minuten Film gepackt. Wem das und die Oscar-prämierten Vorstellungen der grandios aufspielenden Frances McDormand und Sam Rockwell noch nicht reicht, erfreut sich mit der Fenstersturz-Szene vielleicht wenigstens an einer der am Besten inszenierten Sequenzen des Jahres 2017.

                              Ein aberwitzig-überwältigendes Meisterwerk . . .

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                              • 8

                                Das “Space Race” der 1960er-Jahre bietet den Schauplatz für eine erfrischend altmodische RomCom und nimmt uns mit in eine Zeit des Aufbruchs. Das runde Drehbuch rückt aber etwas von den schon oft erzählten Astronauten-Geschichten ab, und nimmt sich sehr augenzwinkernd aber durchweg fesselnd der Inszenierung der Fake-Mondlandung an, die als Backup-Plan herhalten sollte, falls die ungemein wichtige Apollo 11-Mission gescheitert wäre.

                                Um erstmal nur das öffentliche Image der Weltraumbehörde aufzupolieren, den Geldfluss am Laufen zu halten und erst später den Dreh im Studio zu überwachen, wird die hübsche, toughe und überaus intelligente Marketing-Expertin Kelly Jones (Scarlett Johansson) engagiert, die ziemlich schnell nicht nur bei dem für den Raketenstart zuständigen Cole Davis (Channing Tatum) aneckt. Schließlich müssen auch noch der exzentrische und zur Perfektion neigende Regisseur Lance Vespertine (Jim Rash) und der immer mal wieder auftauchende Geheimdienstmann Moe Berkus (Woody Harrelson) bei Laune gehalten werden.

                                Regisseur Greg Berlanti hat mit TO THE MOON einen wunderbaren Film abgeliefert, der etwas aus der Zeit gefallen und eher wie gut budgetiertes 90er Jahre Kino wirkt, das einen Blick in vergangene Dekaden wagt. Der Verlauf der Handlung ist grundsätzlich vorhersehbar und der Ausgang des großen Ganzen bekannt, aber selbst bei 132 Minuten Laufzeit stellt sich keine Langeweile ein, wobei heutzutage ja bekanntlich fast jedem Film 10 bis 15 Minuten weniger (noch) besser stehen würden. TO THE MOON konzentriert sich auch nicht nur auf einen Erzählstrang, wodurch immer irgendwas los ist. Vor allem aber gefielen mir die humorvollen, Screwball-ähnlichen Dialoge und unzähligen kleinen Jokes nebenbei, wenn die verboten sexy aufspielende Scarlett Johansson in so eine 60er-Jahre Männerdomäne platzt. Auch Jim Rash als Regisseur der Studio-Mondlandung bietet nicht weniger als pures Comedy-Gold, während Tatum und Harrelson das Beste aus ihren Rollen rausholen.

                                Erfreuen kann man sich auch an dem beeindruckenden Set- und Kostümdesign, sowie einer fantastischen Kameraarbeit, die einige herausragend eingefangene Bilder zu bieten hat. Keine Ahnung wann wir das letzte Mal als Familie so breit lächelnd aus dem Kino gekommen sind, ohne wirklich damit gerechnet zu haben. Feelgood im Schatten der Rakete . . .

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                                  ALLES STEHT KOPF ist ein feines Lehrfilmchen über den Großalarm im Oberstübchen im Allgemeinen, und das innere Gefühlschaos eines Mädchens im Einzelnen. Nachdem mir die Fortsetzung vor einigen Wochen im Kino sehr gut gefiel, musste für den Vorgänger auch noch mal ein Rewatch her, da ich diesen bisher etwas überbewertet fand. Meine Meinung dazu muss ich allerdings etwas nachjustieren, denn auch wenn mir der Film in der zweiten Hälfte etwas zu schrill/schräg wird und den ein oder anderen kurzen Durchhänger hat, ist der generelle Ideenreichtum wirklich ein nicht endender Wasserfall an Einfällen. Kombiniert wird das Ganze mit einer makellose Optik, eingebettet in einer originellen Geschichte und veredelt mit einer wohl dosierten Mischung aus komischen und rührenden Momenten. Kein Animationsfilm, den ich mir alle 2 Jahre anschauen muss, dessen Qualitäten ich nun aber mit etwas Verspätung doch noch für mich entdecken konnte . . .

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                                    über Oldboy

                                    Als sich OLDBOY vor 20 Jahren als Geheimtipp und dann als internationaler Filmhit herausstellte, war noch gar nicht so sehr bekannt, dass er den Mittelteil einer ganzen Rache-Trilogie darstellen sollte. Erst mit seiner Popularität wuchs das Interesse an den anderen beiden Werken, von denen eins bereits existierte (SYMPATHY FOR MR. VENGEANCE), jedoch völlig unterm Radar lief, und das andere (LADY VENGEANCE) erst noch geschaffen werden musste. Um es gleich vorwegzunehmen, ein großer Fan der Trilogie bin ich leider nicht, mochte aber Park-Chan-wooks Grenzposten-Drama JOINT SECURITY AREA von 2000 sehr gerne. Jedenfalls machte der studierte Philosoph, Regisseur und Drehbuchautor das süd-koreanische Kino mit seinen Filmen zu einem der aufregendsten der Welt. Aber vor allem mit dem auf einem Manga basierenden OLDBOY setzte er sich ein unwiderrufliches Denkmal, dass unzählige Festival-Preise absahnte und zig Filmfans ganz vorne in ihrer asiatischen Filmmischung stehen haben. Ich weiß ihn zumindest zu schätzen, und finde ihn wenigstens … äußerst interessant.

                                    Im Mittelpunkt dieses unerbittlichen, aber gleichzeitig poetischen Rache-Thrillers steht das Schicksal eines Mannes, der zunächst nicht einmal weiß, warum er eigentlich Rache üben muss. 15 Jahre lang wird der Geschäftsmann Oh Dae-su (Choi Min-sik) von ihm unbekannten Entführern völlig isoliert in einen Raum gesperrt, mit einem Fernseher als einzige Verbindung zur Außenwelt. Dort erfährt er vom Mord an seiner Frau. Und dass er als Täter gesucht wird.
                                    Nach seiner überraschenden Freilassung lassen die Peiniger dem von Rachegefühlen zerfressenen Oh Dae-su genau fünf Tage Zeit, um herauszufinden, warum er so leiden musste…

                                    Ich finde ja die ganze Prämisse, bzw. den Grund für die Gefangennahme schon irgendwie schräg-komisch, zumal Choi Min-sik auch wesentlich älter ist als sein “Klassenkamerad” Yoo Ji-tae. Des weiteren ist dieses ganze Manipulation/Hypnose-Ding für mich völlig drüber. Allerdings bietet OLDBOY auch Szenen, die ich die letzten 20 Jahre nie vergessen habe, wie zB. die damals spektakuläre Plansequenz mit der Gegnerhorde auf dem Flur, der fachmännischen Überbiss-Korrektur per Hammer und natürlich die krasse Oktopus-Szene. Worauf die Geschichte letzten Endes hinaus läuft, ist natürlich immer noch ein Schlag ins Gesicht, den wohl nur die Wenigsten so haben kommen sehen.

                                    In der Summe eine extrem originelle und radikale Odyssee, die sich mit ihren verstörenden Bildern, inhaltlicher Kontroverse aber auch rundum inszenatorischer Brillanz tief ins Gedächtnis einbrennt . . .

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                                    Hier geht's zum Wok : : : https://www.moviepilot.de/liste/gruesse-aus-dem-wok-benaffenleck

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                                      BenAffenleck 02.08.2024, 10:04 Geändert 12.08.2024, 17:51

                                      BenAffenleck und die McDonagh-Brüder reden bei einem Guinness über schwarzen Humor, die Kunst eines guten Drehbuchs und die Fallstricke des Lebens.

                                      John Michael McDonagh - DIRTY COPS (2016)

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                                      Keine Ahnung, ob John Michael McDonagh in seiner dritten Regiearbeit DIRTY COPS noch den Bogen bekommen hat. Nach rund 45 Minuten gähnender Langeweile und einigen müden Schmunzlern hatte ich keinen Bock mehr. Fühlte sich nicht danach an, als ob der talentierte Schreiber und Regisseur von THE GUARD und AM SONNTAG BIST DU TOT hier auch nur irgendwas mit zu tun hatte. So gesehen eine derbe Überraschung . . .

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                                      Hier geht's zur Liste : : :
                                      www.moviepilot.de/liste/werkschau-mcdonaghs-s-benaffenleck

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                                        Der Argentinier Damián Szifron gibt mit CATCH THE KILLER sein US-Debüt und liefert einen äußerst gelungenen Thriller ab, in dem ein schier übermächtiger Scharfschütze im winterlichen Baltimore eiskalt 29 Menschen tötet. Streifen-Cop Eleanor Falco (Shailene Woodley) ist überzeugt, dass es sich um einen Serienkiller handelt. Genau wie FBI-Special Agent Lammark (Ben Mendelsohn), der die psychisch angeknackste Polizistin ins Team holt…

                                        Thriller wie MISANTHROPE (der mutigere vom Regisseur angedachte OT) laufen einem heutzutage nicht mehr in einer 6 Wochen-Taktung über den weg, es sei denn man zieht öfters mal etwas aus dem 90er-Jahre-Filmregal. Hier wirft man keine Blutwurst in sämtliche Nebengassen, um den Zuschauer zu verwirren oder im Dunkeln Twister spielen zu lassen. CATCH THE KILLER ist stringent und lässt den Fokus auf den Hauptfiguren und der Ermittlungsarbeit. Ich fand es als sehr angenehm und effektiv, wie langsam sich die Charaktere des Ermittler-Duos entfalten und durch immer mehr kleinere Info-Häppchen an Profil hinzu gewinnen. Der Film lässt einen natürlich sofort an den Massenmord in Las Vegas von 2017 denken, bei dem ein vorher nie auffälliger Mann (der auch Millionär war) aus rund 350 Metern 58 Menschen mit einem irren Arsenal an Gewehren tötete, und 869 (!) Menschen verletzte. Die Beklemmung und Unsicherheit sind auch in CATCH THE KILLER allgegenwärtig und werden von einer interessanten Inszenierung Szifrons getragen, der ungewöhnlich starke Kameraperspektiven findet und schon gleich zu Beginn (die Bilder für uns und) die Leben aller Beteiligten auf den Kopf stellt. Ganz stark.

                                        Auch mit mal mehr mal weniger offensichtlicher Kritik geizt der Thriller nicht. Egal ob NRA, Trump-Ultras, sensationsgeile Medien, die immerzu vorrangigen politischen Interessen und das Kompetenzgerangel der Behörden im Allgemeinen. Botschaften muss man hier nicht mit der Lupe suchen, wurden aber stimmig im Film verwoben.
                                        Etwas übers Mittelmaß wird CATCH THE KILLER allerdings von seinen beiden Hauptdarstellern gehoben, die ihren Charakteren genug Tiefe verleihen können. Ben Mendelsohn als unangepasster und charismatischer FBI-Agent ist schon super, aber Shailene Woodley hat mich mit ihrer sensiblen Darstellung einer angeknacksten Polizistin echt begeistert. Keine Ahnung warum, konnte mich aber voll abholen.

                                        Durchs Zielfernrohr betrachtet ist CATCH THE KILLER einer der besten Ermittlungs-Thriller der letzten Jahre, der stark inszeniert wurde, auch etwas Action zu bieten hat und einfach rundum klasse gespielt ist. Werde ich sicherlich nicht zum letzten Mal gesehen haben, auch wenn die Story hier sicherlich das schwächste Glied der Kette ist . . .

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                                          Als ich 1991 als junger Filmfan im einzigen Saal des Kinos saß, etwas Knabberkrams aus dem kleinen Kassenhäuschen und ne gekühlte Dose “Weiß-Gott-Was” vor mit stehend, konnte ich natürlich nicht ahnen, dass man die nächsten 2 Stunden in einem Feuerinferno und Brüder-Drama verweilen würde. Beides packte mich ungemein, da hatte ich zu Wörtern wie “Pathos” und “Stereotypen” aber auch lediglich nur zwei Fragezeichen parat.

                                          Bei BACKDRAFT handelt es sich um einen frühen Vertreter des 90er-Jahre-Blockbusterkinos, der nicht auf Sparflamme gekocht wurde. Ron Howard fuhr für seinen dramatischen Action-Thriller alles auf, was die Pyrotechnik zu bieten hatte und ließ etablierte und aufstrebende Hollywood-Sterne Seite an Seite um sein Freudenfeuer tanzen: Kurt Russel, William Baldwin, Robert De Niro, Donald Sutherland, Jennifer Jason Leigh, Scott Glenn, Rebecca De Mornay und J.T. Walsh darf man durchaus als spektakulären Cast betiteln. Hans Zimmer mischte einen Molotov-Cocktail aus pompös-heroischen Klängen zusammen, der THE ABYSS-Kameramann Mikael Salomon liefert wunderschöne Totalen, bekommt aber auch das "mittendrin-Gefühl" sehr gut hin. Das Team von ILM war seinerzeit Verantwortlich für die praktischen Tricksereien, und ließ mit seinen Ideen das Feuer so lebendig werden, wie man es vorher noch nie auf der Leinwand gesehen hatte.

                                          Inhaltlich wirkt die Geschichte ziemlich aufgeplustert und verliert immer mal wieder ihren Fokus, da man hier einfach zu viele storytechnische Brandherde gleichzeitig aufmacht. Da bleibt die ein oder andere durchhängende Drehleiter im Mittelbereich nicht aus, dafür entschädigt dann aber noch mal das hitzige Finale mit reichlich Feuer, Action und Drama. BACKDRAFT ist ein gut ausgewogener Brandbeschleuniger, der im Laufe der Jahre und unzähliger Sichtungen etwas von seinem Wumms verloren hat, sich aber immer noch wunderbar entzündet und für reichlich nostalgische Brandflecken auf der Leinwand sorgt . . .

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                                            Mit OVER THE TOP wollte sich der zum gefeierten Action-Star aufgestiegene Stallone nach RAMBO 2, ROCKY IV und DIE CITY COBRA endlich mal in einem bodenständigen Film behaupten, kann man zumindest meinen. Aber überzeugt haben ihn dann nur ein 12 Millionen Dollar Scheck (wohlgemerkt, für einen Cannon-Film!) und sämtliche Freiheiten rund um den Film, was sich gleich in einer Drehbuch-Nachbearbeitung seinerseits ausdrückte. Letzten Endes ist das Drehbuch aber flach wie der Bizeps von Micky Maus, hält so einige ROCKY-Anleihen parat und trägt ein weiteres Mal US-Working-Class-Underdog-Fantasien in die Kinosäle.

                                            Storytechnische Höhenflüge sollte man hier nicht erwarten, und obwohl dieses Vater/Sohn-Drama reichlich Pathos bietet und vorhersehbar ist, kann der kurzweilige Film immer noch bestens unterhalten, man fühlt sich einfach wohl. Cannon-Chef Menahem Golan ließ es sich auch nicht nehmen, bei OVER THE TOP Regie zu führen. Und ich muss schon sagen, für Kino hat er ein gutes Feeling, denn etliche große Bilder schüren in Verbindung mit dem feinen 80er-Rock-Score durchaus US-Fernweh und kommen schon ordentlich melancholisch daher. Die Mischung aus Drama, Road-Movie, Entfremdungsgeschichte und etwas (Arm-Wrestling-)Action ist schon über alle Maße im positiven Sinne zweckdienlich. Stallone bringt den Underdog und die teils etwas dick aufgetragenen Zeilen aber auch ungemein authentisch rüber, ich mag ihn in dieser Rolle total gerne sehen. Der Rest vom Cast reißt sich bei ihren Jobs keinen Arm aus, bleibt jetzt aber auch nicht nachhaltig negativ in Erinnerung. An den Kinokassen konnte er nur etwas über die Hälfte seines 25 Millionen Dollar Budgets einspielen, in den Videotheken erwies sich OVER THE TOP aber als echter Renner.

                                            Nach wie vor ein unterhaltsamer Genre-Mix, dem aber sicherlich auch etwas Nostalgie-Bonus innewohnt. Würde ich aber trotz erstmal nur 6 Punkten jederzeit wieder in den Player legen . . .

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                                              Die spanische Serie HAUS DES GELDES lief in ihrem Heimatland alles andere als gut, bis Netflix sie aufkaufte, umschnitt und schließlich vor allem durch Mund zu Mund Propaganda an Popularität zulegte, schlussendlich sogar zu einem regelrechten Phänomen wurde. Kein Wunder, denn in den ersten beiden mir bekannten Staffeln handelt es sich um eine äußerst durchdachte und unheimlich spannende Serie rund um den perfekten Raub in einer staatlichen Banknotendruckerei, viele Jahre lang geplant von dem sogenannten "Professor". 67 Geiseln sollen mit den zusammengewürfelten, charakteristisch völlig unterschiedlichen aber gut vorbereiteten Räubern (und nun auch Geiselnehmern) kooperieren und den Verbrechern vor allem eines verschaffen: Zeit zum Geld drucken. Doch bald muss auch der “Professor” feststellen, dass egal wie gut man etwas geplant hat, nicht immer alles nach Plan läuft.

                                              Da der gesamte Raubüberfall aus 3 Perspektiven erzählt wird (Räuber, Polizei und Geiseln) gibt es keinerlei Leerlauf. Gut geschriebene Charaktere, plötzliche Wendungen und jede Menge Spannung halten die Show immer am Laufen. Je weiter der Raub fortschreitet, um so öfter muss man allerdings auch mal die Augen zukneifen, denn Handlung und Charaktere werden immer konstruierter und überzeichneter, wodurch sich wiederum der Entertainment-Faktor bis an den Anschlag pushen lässt.

                                              Der Cast war mir auch gänzlich unbekannt, kenne mich im spanischen Kino aber auch kaum aus. Darstellerisch gibt es jedenfalls nichts zu meckern, eher zu entdecken. Gerade Álvaro Morte und Itziar Ituño Martínez als “Professor” und Kommissarin erhalten immer wieder Gelegenheiten um zu glänzen und sind die beiden hellsten Punkte eines wirklich gut zusammengestellten Darsteller-Ensembles.
                                              Ich werde mich die Tage dann mal an Staffel 3 machen, natürlich mit etwas gemischten Gefühlen, denn Staffel 2 hatte ein wunderbares und stimmiges Ende. Trotzdem freue ich mich schon, die Gang wieder zu sehen und mit ihr möglicherweise das nächste große Ding durchzuziehen. Action, Spannung und Drama sind halt eine fantastische Mischung. In diesem Sinne: Oh bella, ciao! Bella, ciao! Bella, ciao, ciao, ciao!

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                                                über DogMan

                                                Bei einer Verkehrskontrolle wird Doug (Caleb Landry Jones) blutverschmiert und im Abendkleid, am Steuer eines Lastwagens voller Hunde aufgegriffen und festgenommen. Auf der Polizeiwache offenbart er der Polizeipsychologin Evelyn (Jojo T. Gibbs) bereitwillig seine bittere Lebensgeschichte…

                                                Mit einer oft erprobten Rückblenden-Erzählstruktur vermischt Luc Besson gekonnt Drama, Thriller und (etwas) Action in einem Napf, und serviert das dem interessierten Zuschauer mit einem wild geschminkten JOKER-Gesicht. Bei einem Innovationswettbewerb braucht DOGMAN gar nicht erst antreten, trotzdem handelt es sich um den besten Besson-Film seit langer Zeit, obwohl ich die mäßig erfolgreichen ANNA und MALAVITA gar nicht mal übel fand. DOGMAN lässt sich jedenfalls auch kaum in ein Genre einordnen, man sollte hier allerdings keinen Actionfilm erwarten. Angenehm langsam und zurückhaltend öffnet sich ein durchaus bewegendes Drama über die ausgespuckten Reste eines Kindes, das nun zum Mann geworden, akzeptiert hat, dass es für ihn keinen Platz in der Welt gibt, außer bei seinen Hunden.

                                                Das wird sicherlich nicht jedem gefallen, aber mit fortschreitender Laufzeit beisst sich DOGMAN doch fest, was aber auch vor allem an dem charismatischen und wahnsinnig gut aufspielenden Caleb Landry Jones, dessen Namen ich seit seiner überzeugenden aber recht schrägen Rolle in DENEN MAN VERGIBT seit einigen Monaten endlich auf dem Schirm habe. Ein wirklich außergewöhnlicher Darsteller, ohne dessen hingebungsvoller und mitreißender Darbietung DOGMAN nur die Hälfte wert wäre. Seine Figur Doug ist faszinierend und vielschichtig und damit außergewöhnlich interessant.

                                                Die bekannten und offensichtlichen Vorbilder werden zwar nie erreicht, dennoch liefert Luc Besson mit DOGMAN einen äußerst interessante Genre-Züchtung ab, stilvoll bebildert und mit einer herausragenden Performance seines Hauptdarstellers gesegnet . . .

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                                                  Bei den Preisen und Vorschusslorbeeren für ANATOMIE EINES FALLS waren die Erwartungen und die mögliche Fallhöhe natürlich hoch. Das französisches Drama mit einer bemerkenswert aufspielenden Sandra Hüller, die sich nach dem Tod ihres Mannes als Hauptverdächtige vor Gericht verteidigen muss, ist die Anatomie einer toxischen Beziehung, dessen finale Beurteilung dem Publikum überlassen wird. Mir war das bei zweieinhalb Stunden Laufzeit aber alles viel zu langatmig vorgetragen, durchgehende Spannung war hier Fehlanzeige. Da ich aber am Ende auf d e n einen g r o ß e n Moment der Auflösung oder einen Twist gewartet habe, der einem den Atem verschlägt, blieb ich dran. Aber auch hier überlässt es Autorenfilmerin Justine Triet dem Zuschauer, zu werten und zu beurteilen. War leider nicht meins, da schaue ich doch lieber die polierten und laut posaunenden US-Varianten ähnlichen Inhaltes . . .

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                                                    BenAffenleck 17.07.2024, 07:29 Geändert 12.08.2024, 17:52

                                                    BenAffenleck und die McDonagh-Brüder reden bei einem Guinness über schwarzen Humor, die Kunst eines guten Drehbuchs und die Fallstricke des Lebens.

                                                    John Michael McDonagh - AM SONNTAG BIST DU TOT (2014)

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                                                    Nach dem derb-ironischen Krimispaß THE GUARD schlägt der Ire John Michael McDonagh mit AM SONNTAG BIST DU TOT deutlich düstere Töne an, bei denen einem das Lachen oft im Hals stecken bleibt.

                                                    In dem Schuld- und Sühne-Drama geht es um den unbescholtenen Dorfpriester James Lavelle (Brendan Gleeson), der für seine zynischen und verlorenen Schäfchen in einem Provinznest an der irischen Küste ein wahrer Fels in der Brandung ist. Eines Sonntags erfährt James von einem Mann in seinem Beichtstuhl, dass dieser als Kind hundertfach von einem Priester missbraucht wurde. Da der Mann auf Rache sinnt, der Täter aber längst verstorben ist, soll nun Pfarrer James stellvertretend für die Sünden seiner katholischen Kollegen büßen und somit sterben. Sieben Tage bleiben ihm von nun an um jedes seiner Schäfchen zu treffen, sein Leben zu ordnen und auch mit seiner suizidalen Tochter (Kelly Reilly) ins Reine zu kommen…

                                                    McDonagh gelingt hier vor malerischer Kulisse der Grünen Insel ein mutiger Balanceakt zwischen bösem Humor, Kirchen-Kritik und Charakterdrama. Was anfangs noch als bissiges Porträt des Alltags eines typisch irischen Fischerdorfes für skurrile Komik sorgt, entwickelt sich im weiteren Verlauf zu einer tragischen Schicksalsgeschichte über Schuld, Vergebung und innere Dämonen. Hauptdarsteller Brendan Gleeson liefert darin einmal mehr eine Glanzleistung ab. Er spielt den Dorfpriester mit einer unglaublichen Präsenz, viel Wärme und zutiefst menschlich, wodurch sich schnell eine starke positive Nähe zum Zuschauer entwickelt.

                                                    Thematisch ist AM SONNTAG BIST DU TOT nicht gerade leichte Kost, lockert das aber immer wieder mit schräg-gimmigem Humor auf. Das entschleunigte Erzähltempo ist sicherlich nicht für jeden was, passt hier aber auch irgendwie wie das Guinness ins Glas und wirkt genau wie der Film noch etwas nach. Einige Wochen nach der Erstsichtung habe ich den sogar noch mal gesehen, weil der mich nicht losließ. Da konnte er mich sogar richtig bewegen. Der Dorfpriester der versucht, dass Feuer des Glauben in sich am brennen zu halten und die Gemeinschaft, die alles daran setzt, dieses Feuer zu löschen. Ein wirklich außergewöhnlicher, bitterer und ungemein atmosphärischer Film . . .

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                                                    www.moviepilot.de/liste/werkschau-mcdonaghs-s-benaffenleck

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