Dergestalt - Kommentare

Alle Kommentare von Dergestalt

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    Dergestalt 13.04.2016, 20:51 Geändert 14.04.2020, 12:09

    Eine wunderbar flackernde Sense- und Brainfucktour zwischen Materialtest und Horrorfilm. Knackend und knarzend tritt das Filmband dem abgebildeten Film selbst entgegen, zerfetzt auf wirklich abartige Weise Handlung, Raum und überhaupt jegliche erzählerische Logik. Das grob erkennbare Geschehen zeigt Mord, Gewalt und korreliert so fabelhaft mit dem brutalen Schnittgeschehen: Fleisch und Filmband werden malträtiert, der Zuschauer mittendrin sowieso. Flackern lassen und genießen. Übrigens: Wer sich solch choatische Schnittfolgen im Langfilm ersehnt, der möge sich "Slipstream Dream" geben.

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    • Verdammt, die Liste hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Obwohl ich die Site eigentlich kenne - wieder einmal großartige Transferarbeit, Mimuschka!
      Und ran an die Arbeit...!

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        Dergestalt 08.04.2016, 00:15 Geändert 08.04.2016, 00:17

        Ein Film, der die sexuellen Obsessionen wie ein "Im Reich der Sinne" zu thematisieren weiß. Jedoch deutlich surrealer und verschränkter, wie alleine das hochkreative Setdesign beweist, das sich vor allem durch übergroße Organskulpturen und Tonkörper auszeichnet. Hält sich der Film zunächst lange Zeit in typischen, unaufregenden Opfer/Täter-Verhältnissen, wobei er mit idiotischen Figurenhandlungen nicht spart, springt er im letzten Abschnitt in eine fast allegorische Dimension, in der sich Setdesign und Handlungen auf faszinierend-düstere Weise verbinden. Die Frage nach Charaktermotivationen stellt sich hier bereits nicht mehr, denn es geht um viel allgemeinere Dinge: Sensuales Erleben, Grenzen der Sexualität, überhaupt die Spannung zwischen körperlicher Lust und körperlichen Grenzen. Das erhält durch die großartigen Skulpturen einen visuell starken Widerhall und überzeugt am Ende, auch wenn der Weg dorthin bisweilen fad, dröge und uninspiriert wirkte.

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        • Wer Lust darauf hat, viele kleine Einblicke ins Schaffen dieses kunterbunt-irren Regisseurs zu erhalten, bekommt auf ubu.com die Möglichkeit diverse Kurzfilme, aber auch die Langfilme "The Boxer", "Emperor Tomato Ketchup" (70-Min.-Version) zu sehen. Holy shit.

          http://www.ubu.com/film/terayama.html

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            Dergestalt 04.04.2016, 23:13 Geändert 14.04.2020, 12:09

            Okay, "Mysterious Skin" ist definitiv der irritierende bis schockierende Film, als der er generell gehandhabt wird. Trotz seiner weitgehend ruhigen, fast träumerischen Art, da hier aus der verzerrten Perspektive der Opfer berichtet wird und daher zunächst Glorifizierungen und Mystifizierungen als Deutungsansätze für das geschehene Grauen vorherrschen. Die tatsächliche Subtilität des Grauens ist, wie schon Murray treffend herausgestellt hat, schließlich aber gerade das Heftige. Wie langsam, fast zärtlich der Schrecken lauert, wie leicht Abhängigkeiten und Verstrickungen entstehen, das vermag Araki klug darzustellen. "Mysterious Skin" verfällt nie in dumpfe Gerechtigkeitsmechanismen, nie werden die Figuren zugunsten höherer Ideale instrumentalisiert, wie es bei Filmen mit Opferthematiken gerne geschieht. Der Film bleibt immer dicht an ihnen und zeigt stets Mitgefühl, nie wagt er sich über ihre Position heraus, nie tritt eine höhere, rettende Instanz auf. Die sehr glaubhaft agierenden Schauspieler tragen diesen figurennahen Ansatz überdies sehr gut.
            Trotzdem hatte ich schließlich meine Schwierigkeiten mit dem Drehbuch, da die Auflösung des Ganzen, die hier essentiell ist, sehr abrupt geschieht. Sonst gelingt es dem Film seine verschiedenen Deutungsansätze überzeugend miteinander zu verschränken - am Schluss scheint er aber aus seiner träumerischen Atmosphäre gezielt ausbrechen zu wollen, was den Erzählfluss doch arg springen lässt. Die großartige Schlusseinstellung vermag aber auch das einigermaßen aufzufangen. Und schließlich: Slowdive, Sigur Rós, Shoegaze überhaupt - Araki hat einen verdammt tollen Musikgeschmack.

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              Dergestalt 01.04.2016, 20:05 Geändert 01.04.2016, 20:13

              "Paranoia Agent" ist eine äußerst kühn konzipierte Serie, die sich zwischen ihren diversen Handlungssträngen gar nicht recht entscheiden mag, manchmal auch ganz fernab ihre Runden dreht. Gerade darin ist sie am stärksten, wenn sie ihre eigene Poesie, Obskurität entfaltet und grenzenlos für sich wuchern lässt. Die gekonnt komponierten, atmosphärischen Bilder, die Raum und Logik überkommenden Schnitte, der fantastische Soundtrack und die vielen Verweise machen das immer wieder zum Vergnügen. Weit weniger hat mir die deutliche Psychologisierung gefallen, die mal cleverer als Massenpsychologie / Gesellschaftskritik, mal plakativer als profanste Dechiffrierung von Schuldkomplexen vorgeht. Letztlich geht damit auch eine äußerst krasse Entzauberung vonstatten, die einige surreale Phänomene als bloße Symptomatiken verkommen lässt. Obgleich vieles obskur bleibt und zum wiederholten Sehen anregt, bleibt einige anfängliche Faszination gegenüber dem Unbekannten, Beunruhigenden so zugunsten einer schematisch angelegten Einfühlung in die Figuren auf der Strecke.

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                Dergestalt 30.03.2016, 21:02 Geändert 14.04.2020, 12:10

                Ja, wer schon immer einmal wissen wollte, wie sich kitschig-bunter Zeichentricklook à la "Power Puff Girls" mit "South Park"-artiger Perversität verträgt, muss natürlich nach Japan blicken. Dort findet man entsprechende Mixturen wie "Panty & Stocking with Garterbelt". Zwei Engel zwischen Geilheit und Völlerei, ein BDSM-Pädo-Afro-Priester, seltsame Rucksackhaustiere und Tonnen bunter Bilder voller Fäkalhumor und schriller Actionexzesse. Ohne Rücksicht auf irgendwelche Tabuzonen grast die Serie in ihrer Launenhaftigkeit dabei alle möglichen Szenarien ab. Meist relativ schematisch ziehen die beiden Antiheldinnen gegen oft nur unwesentlich perversere Dämomen und Geister in den Kampf. Dazu gibts eine manga-/animetypische "Loser/Nerd loves Powerwoman"-Konstellation, einige Plänkeleien zwischen den Engeln, also forciertester "Zickenterror", und Sex in allen möglichen Kontexten.
                Trotz witziger bis großartig wahnwitziger Ideen bleibt die Serie dabei auf purem Spaßniveau, wiederholt sich in ihren Grundmotiven immer wieder und wird eigentlich erst durch den Schluss aufgebrochen. Allerdings ist eine zweite Staffel auch nicht in Sicht, sodass vor einem ewigen Cliffhanger gewarnt werden muss. Hervor tut sich "Pany & Stocking" nicht nur durch ihre enorme Geschwindigkeit und Überzogenheit, die teils an den Sex- und Actionexzess von "Dead Leaves" erinnert, sondern auch durch den ausgefallenen Look. Quietschbunter Zeichentrick, typischer Animelook in schrill und monoton, imitierte Styles aus Film und Popkultur und billige Tonpuppenanimation - der Netzhaut kanns kaum langweilig werden. Nicht zu vergessen der unverschänt penetrant-poppige Soundtrack, der sich wie pinke Säure in die Gehörgänge fräst. Großartige Unterhaltung für zwischendurch.

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                • Bitte sehr @"La Femme Qui Se Poudre"! Da lag ich mit meiner Einschätzung also sehr richtig.

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                  • Ich bin wirklich weitab davon Affleck-Fan zu sein, aber dieses traurige Bärengesicht ist echt mitleidserregend. Das Video dazu - großartig!

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                      Dergestalt 25.03.2016, 18:30 Geändert 26.03.2016, 13:55

                      "Cannibal Holocaust" schockiert in seiner dreckigen Asozialität tatsächlich noch heute. Zusammen mit dem teils wunderschönen (!) Soundtrack, den unmittelbaren Dschungelaufnahmen und dem pseudodokumentarischen Aufzug sorgt er darüber hinaus sogar für einige cineastische Großmomente. Ob die Thematisierung der Gewalt nun tatsächlich so medienkritisch ist oder nicht vielmehr als Begründung exploitativer Schockeinlagen dient, lässt sich nicht eindeutig klären. Sicherlich steckt beides darin. Klug gelöst, denn so bekommen sowohl gewaltgeile Zuschauer als auch skeptische Kulturkritiker etwas zu beißen. Letztere vielleicht etwas weniger, da die explizite Härte des Films den letztlich etwas undifferenzierten Subtext (Wir sind alle Kannibalen) insgesamt doch hinter sich lässt. Man sollte also besser Kannibale als Kulturkritiker sein.

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                        Peter Greenaway, der vielleicht schillerndste Kunstfilmer der 80er-Jahre widmet sich mit "A Zed & Two Noughts" der Mischung von Schönheit und bizarrem Schrecken. Vor prachtvollen Kulissen voller Symmetrie und Farbeffekte geben sich Naturwissenschaften, alte Künste und pointiert-schwarzhumorige Dialoge genüsslich die Hand. Übereilt wird hier nichts, sorgfältig bewegen sich Figuren und Handlungen im Bildgefüge, legen Ornament und Symbolwerk fein ineinander und sorgen so immer wieder für ein bisweilen erschlagendes Verweisspektrum. Selten weiß man dabei, wohin der Film überhaupt will, wer hier welche Rolle spielt und ob es Sinn macht, den Sinn hier nach konventionellen Maßstäben zu suchen. Greenaway scheint sein ganz eigenes Universum konstruieren und immer wieder neu prägen zu wollen und dieser unbedingte Stilwille bleibt nur zu bewundern.
                        Seine Sturheit erzeugte für mich schließlich aber auch einen, trotz schöner und assoziationsreicher Bilder, doch ermüdend starren Film, der um seine eigene faszinierende Welt schritt, kaum aber Einlass bot. Als Freund filmischer Dynamiken blieb er mir schließlich doch zu sehr bebildertes Traktat, um einnehmend zu sein. Nur die pointierten Dialoge halfen aus dieser Starre manchmal heraus, die doch eher an einen (wenn auch ertragreichen, guten) Museumsbesuch erinnerte als an einen Film.

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                          Zwei Touristen kommen auf eine schöne griechische Insel - man ahnt, da könnte ihnen was passieren. Und schon ahnt man falsch, denn sie sind es, die Dinge passieren lassen. In bester, wenn auch verdrehter Home-Invasion-Manier zeigen die beiden englischen Mittelständler, was ein deftiger Cocktail aus Gerammel, Folter, Zoophilie und Vergewaltigung aus der mediterranen Idylle so macht. Ihr grenzenloser Hass, die gelebte Selbstgerechtigkeit gegen alles Andersartige führen jedoch bald zu Gegenreaktionen. Die Stimmung auf Mykonos wird angeheizt - die Einheimischen entdecken selbst, wie man ein sadomasochistisches Fest anrichtet. Gewalt gegen Gewalt gegen Gewalt. Ein atemlos geilgescheuerter Film.

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                          • Bin über ARTE-Tracks über sein surreal-fantastisches Bilduniversum gestolpert. Dekadenz, Sex und Farbfilter - da werde ich sehr schwach. Hat wer irgendeine Ahnung, wie man an sein filmisches Schaffen kommt?

                            Wer sich einmal ein paar Filmausschnitte hier anguckt, weiß, warum ich so scharf auf sein Werk bin:
                            http://tracks.arte.tv/de/bertrand-mandico-ein-surrealistischer-frankenstein

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                              Dergestalt 13.03.2016, 11:23 Geändert 13.03.2016, 11:35

                              Dieser Film ist ziemlich einfach als Komödie zu werten - man braucht nur ausreichend schwarzen Humor und eventuell die deutsche Synchronfassung ("Verfick dich!"). Natürlich ist "Ebola Syndrome" (!) zunächst einmal abartig, sucht sich immer wieder respektlose Momente heraus und zelebriert den Ekel darin. Dank dem rücksichtslosen Protagonisten, der gleichzeitig ziemlich weinerlich ist und vielen hochdebilen Dialogen wird es jedoch nie zu düster. Immer wieder durchbricht der Film seine grundmorbide, aber eben auch absolut übersteuerte Handlung durch dramaturgisch bloß reingeklatschte Sequenzen, die mal Exploitationkino (Sex, Leichenbeschau), mal vulgären Slapstick versuchen (Kotz- und Pinkeleinlagen). Dazu absolute Oberflächlichkeit, gestellt-splatterselige Kämpfe und enorm viel Gefluche.
                              In seiner ersten Hälfte ist das in seiner Kompromiss- und Grundlosigkeit ("Ach egal, ich will ficken!") noch herrlich anarchisch-böse, in seiner zweiten Hälfte, die tatsächlich eine Art Kriminalhandlung etabliert, aber nur noch mäßig packend. Hier wird der Film trotz witziger Infektionsanimationen doch ziemlich eingefangen. Insgesamt rettet der Protagonist aber auch diese Szenen mit seinen abstrus-motivierten Handlungen. Es bleibt also ein großer Spaß für alle Exploitationliebhaber.

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                                Dergestalt 07.03.2016, 14:56 Geändert 14.04.2020, 12:04
                                über Pola X

                                Leos Carax dürfte den meisten durch sein mindfuckiges Meisterwerk "Holy Motors" bekannt sein, vielleicht auch durch den romantischen "Les Amants du Pont-Neuf". Seine poetisch-schillernde Bildkraft weicht im profan betitelten "Pola X" nun einem düster-kargen Charakterdrama, das seine Verfallsgeschichte auf eine sprunghaft-unpsychologisierte Art erzählt. Der schönen, aber schon durch die seichte Musik als oberflächlich untergrabenen High-Society-Welt (entsprechend durch die Präsenz der großen Deneuve verkörpert) stellt Carax eine düster-industrielle Stadtatmosphäre entgegen. Dass er gerade dieser eine eigene, durchaus schwer zu greifende Poesie verleiht, macht den Film jenseits bloßer Charakterdramen faszinierend.
                                Denn Carax geht es nur vordergründig um die Wahrheit, die Psychologie - die Ereignisse selbst sind für ihn interessant: Das unmittelbare Verhalten, die (poetischen) Interpretationen und gerade auch Fehlschläge rücken für ihn in den Fokus. Entsprechend blendet er fast beiläufig Szenarien aus, lässt Figuren ungesehen ihr Verhalten ändern. Zudem gibt es radikal-irritierende Elemente wie den Auftritt eines obskuren Industrialorchesters mitsamt Blixa-Bargeld-Gedächtnisfigur, das möglicherweise einen philosophisch-motivierten Putsch plant. All das lässt an Carax' Methode der Verwirrung des "wahrhaften" Geschehens keinen Zweifel. Wer Recht hat und wer nicht, ist am Ende zweitrangig, da sich das irrationale Gefühl bereits Bahn geschlagen hat. Ein sehr ungreifbarer, rauer, aber auch mitleidender Film, in seiner Poesie auffallend radikal.

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                                  Dergestalt 07.03.2016, 00:24 Geändert 14.04.2020, 12:05

                                  Schwarze Beeren ins Maul und los! Wer hier einen Horrorfilm nach bekannten Genrepfaden erwartet, stolpert schnell auf eine weite, leere Ebene. Das hier ist weniger Horror als merkwürdigstes Psychokino. Am ehesten würde ich den Film noch mit "A Field in England" vergleichen, ähnlich ziellos und zugleich intensiv fühlte er sich an.
                                  War "Blair Witch Project" schon überraschend in seiner Zurückhaltung des konkreten Grauens, geht dieser Film in seiner Immaterialität noch deutlich weiter. Als Dauersoundtrack läuft hier leicht verhallter, aber durchaus netter Jazz, während psychisch gestörte Menschen irritiert, bis krank, bis aggressiv durch die Gegend stolpern. Das fühlt sich letztlich auch genauso psychedelisch bis psychotisch an wie es klingt. Bild und Ton klaffen teilweise so heftig auseinander, dass der Surrealismus mit fieser Fratze schon vor der Tür steht.
                                  Durch die nervliche Dauerbelastung, die sich nicht entladen will, wurde der Film für mich zu einer hochintensiven Tortur, dauergruselig bis zum, zugegebenermaßen effekthaschenden, aber herrlich kaputten Ende. Als Freund des Erlebniskinos, das versucht die Orientierung des Zuschauers fundamental zu übernehmen und gerne auch zu zerstreuen, hat mich dieser Film gefreut bis teilweise begeistert. Die zwangsläufig entstehenden Längen konnte ich als weitere Erlebnisqualität da durchaus verschmerzen. Man leidet mit den Figuren, spürt die Leere der Figuren - man steckt ungebrochen in ihrer Haut. Wer quasi-drogeninduzierte Zustände simuliert haben will (/Extremzustände), fährt mit diesem Film sicher nicht schlecht. Unmittelbarkeit als pure Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Zuschauer. Horror als Nervenbelastung.
                                  Also: Wer auf Mindfuck-Kino steht, wird bedient, wer sich einfach nur gruseln will, wird wahrscheinlich bloß weggenoist.

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                                    Dergestalt 06.03.2016, 20:11 Geändert 14.04.2020, 12:05

                                    Zwischen Expressionismus, Surrealismus und psychedelischer Abstraktion führt uns "La Femme Qui Se Poudre" in eine enge, schrecklich verzerrte Welt. Dort gucken merkwürdige Fratzen zu uns herüber, die Größenverhältnisse gehen verloren, Statisches verbindet sich mit beweglichen Objekten. Dieser Reizzirkus wird durch die schrill-atonale Musik noch unterstützt, die fast mäandernd über dem Geschehen hängt. Für mich definitiv eine Entsprechung zum Fiebertraum, der sich im Moment größter Erregung in einen Albtraum verwandelt. Karg, düster, sehenswert.
                                    Übrigens: Wer halbabstrakt weiter gruseln möchte, dem sei als Anschluss dieser Film empfohlen: https://vimeo.com/4913826

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                                      Dergestalt 06.03.2016, 19:42 Geändert 06.03.2016, 19:46

                                      Ging Karim Hussains Debüt "Subconscious Cruelty" zwischen surrealer Atmosphäre und pubertärer Skandalgewalt seiner spannenden Prämisse noch verloren, entspricht sein Kurzfilm "La dernière voix" dieser nun vollkommen. Auch hier wird der Körper zum wesentlichen Sinnträger abstrakter Gedanken, das Fleisch zum Urgrund der Ideen. Gewalt, Veränderung des Körpers hat so immer eine Bedeutung, eine Botschaft. In einer Welt, in der es keine Sicherheiten gibt, in der aufgrund ewiger Regenfälle alle menschliche Technik versagt, wird das deformierte Fleisch zum Medium, teils sogar Fetischobjekt.
                                      Indem Hussain seine surrealen Überlegungen in ruhige, atmosphärische Bilder setzt, ihnen viel Raum gibt, wirkt seine Gewalt viel stärker. War sein Debüt noch ein verqueres Gedankenexperiment, ergibt sich hier zum ersten Mal eine deutliche (melancholische) Stoßrichtung. Man weiß zwar nicht ganz, was das soll, aber es ist irgendwie schön, schön und verstörend.

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                                        Dergestalt 05.03.2016, 19:40 Geändert 14.04.2020, 12:05

                                        Ein Horror-Experimentalfilm mit effekthaschendem Titel, der selbstverständlich auch Programm ist - das klingt natürlich erst einmal billig. Dann habe ich viele schlechte Bewertungen zum Film gesehen und mich schon mal auf einen effektgeilen Pseudokunstfilm eingestellt - hauptsache krass. Ja, so ungefähr traf das dann auch zu.
                                        Die erste Hälfte des Films wirkte dabei noch erstaunlich surreal, mit einer durchaus faszinierenden Atmosphäre. Traumartig-eingefärbte Innenräume mit ambientartiger Musik, dazu ein schön-morbider Voice-Over. Überhaupt äußerte der gar keine allzu platten Gedanken. Der krasse "Klimax" dieser Episode rundete das ganze dann fleischlich ab. Sicher nicht meisterhaft - in seiner düster-weltabgewandten Art aber subconsciously interesting. Die zweite Hälfte war dann eher billig. Viel phallisches Rumgestöber, Hardcore-Szenen, überdeutliche, auf Kontroverse gebürstete Angriffe auf Kirche und Jesus. Handwerklich schöne Goreszenen trafen auf vollkommen austauschbare Skandalkontexte. Das durchaus spannende Grundmotiv Mentales (Gehirn) mit Physischem (Würmer am Hirn) zu kombinieren, ging, anders als noch im ersten Part, in billiger Effekthascherei unter. Schade eigentlich.

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                                          Dergestalt 05.03.2016, 00:05 Geändert 05.03.2016, 12:46

                                          Der ganz sanfte Hype um die Vimeo-Serie "High Maintenance" darf sicher als gerechtfertigt gelten. Denn ähnlich wie ein bisschen Gras wirkt auch die Serie entspannend, benebelt aber nicht, behält den klugen Blick für die Eigenheiten der hier gezeigten New Yorker Post-Hipster. Die Leute, die der "Guy" besucht, haben oft Probleme mit festen Bindungen, festen Orten und überhaupt einem klaren Lebensplan. Sie scheitern, meist sehr sympathisch, an den eigenen Ansprüchen, lassen sich mit einer schönen Droge zwischendurch aber auch wieder zum Luftholen bewegen.
                                          Entsprechend funktioniert auch die Serie: sie löst keine Probleme, sie zeigt nur, was ist, wie es möglicherweise auch gehen könnte, aber vielleicht auch doch nicht. Kein Stress aber. Zwischendurch bleibt es entspannt, Panik braucht keiner schieben. Lockerer Elektrosound, viele sommerliche Farben und ein grundsympathischer "Guy" sorgen bei aller Problematik immer wieder für gute Laune.
                                          Mit süßen Momenten, viel zwischenmenschlichen Macken und einem Schuss Groteske lässt einen die Serie zwar im Alltag, weist aber gleichzeitig auf die schön-schrägen Momente darin hin. Am Ende fühlt man sich besser und guckt gern noch eine Folge.

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                                            Dergestalt 04.03.2016, 12:49 Geändert 14.04.2020, 12:06

                                            Für meinen ersten Naziploitation-Film habe ich mir den nach moviepilot besten Streifen des Genres ausgewählt: "Ilsa, She Wolf of the SS". Klar ist natürlich: Hier geht es nicht um historische korrekte Darstellung, ebensowenig um irgendeine Handlung. Nein, ganz im Geiste des Exploitationkinos zählen vor allem Ausgangslage und Figuren - hier eine nymphomanische KZ-Leiterin, welche das deutsche Weib als dem Manne ebenbürtig herausstellen möchte. Also braucht es medizinische Versuche an nicht-"arischen" (!) weiblichen Gefangenen, um das Durchhaltevermögen der Frau zu beweisen. Diese derbe Ausschlachtung emanzipatorischer Ideen der 70er-Jahre im Nazi-Kontext führt natürlich zu viel Sex und Gewalt, gern in sadomasochistischer Mischform. Wer darauf nicht steht, oder zumindest nicht schwarzhumorig drüber lachen kann, dürfte hier gewaltig falsch sein.
                                            Denn "Ilsa" schert sich einen genüsslichen Dreck um Anstand und präsentiert pervers-frivole Bilder am laufenden Band. Geil werden Körper mit Elektro-Vibratoren geschunden, Brustwarzen elektrisch totstimuliert oder mit zitternder Erregung Naziuniformen bepinkelt. Das Aushalten harter Schmerzen bedeutet hier auch das Aushalten harter Geilheit. Überhaupt sind die Nazis ständig erregt und auch der amerikanische Held hält seine Geilheit, die er ja nur im Namen der Menschlichkeit nutzt, überhaupt nicht zurück. Mit ihm gibt es auch einen Rettungsplot, der dem Film noch eine kritische Note, vielleicht auch nur etwas Actionmomente bescheren will. Garniert mit heldenhaft vorgetragenen Sprüchen wie "Size doesn't matter" wird aber auch die KZ-Befreiung zum grotesken SM-Zirkus. Das macht in seiner schrill-respektlosen Art viel Freude, zieht sich aufgrund inhaltlicher Nichtigkeit bisweilen aber auch gewaltig in die Länge. Statt manch brav-fader Softcore-Szene hätten mehr groteske Wahnfantasien deutlich mehr irren Spaß beschert. In seiner abartigen Skurrilität trotzdem sehenswert.

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                                            • Dergestalt 04.03.2016, 01:49 Geändert 04.03.2016, 01:49

                                              Großartige Liste! Würde da durchaus noch "Hausu" reinpacken, der das klassische Haunted-House-Horrorgenre für einige over-the-top-Splatter- und Nakedei-Szenen missbraucht und überhaupt sehr degeneriert daherkommt.
                                              Und "Singapore Sling" wirkt in seinen diversen SM-Spielarten auch äußerst selbstzweckhaft.

                                              • Klingt ja mal schrill und komisch (für so ein Projekt keine schlechten Voraussetzungen). Das Original verhunzt mir eh keiner, deswegen bleibe ich mal ganz leicht neugierig.

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                                                • 7 .5
                                                  Dergestalt 02.03.2016, 23:16 Geändert 16.10.2019, 22:35

                                                  Endlich kam ich heute zur Zweitsichtung dieses pervers-obskuren Werks. Und auch wenn es aufgrund doch deutlicher Längen einige leichte Abzüge gibt, bleibt die Faszination für diesen radikal eigenständigen Film bestehen. Wann trifft man denn sonst auf einen Cocktail (!) aus unverhohlenem Film-Noir, Brecht'scher Illusionsbrechung und dekadent-verschrobener SM-Fantasie? "Singapore Sling" verbindet leichterhand alles Mögliche miteinander, befeuchtet, elektrisiert, sexualisiert bis zum Exzess. Handlungen werden dabei zu Handlungsmöglichkeiten, alles wird vage und doppelbödig. Am Ende ist da nur Schmerz, Schmerz als ewige Geilheit.
                                                  "Singapore Sling" beginnt fast schon parodistisch noirgetreu in S/W, mit stetem Regenfall, Saxophon, einem Detektiv, der Kriminalfall und Leidenschaft nicht mehr auseinanderhalten kann und die Kontrolle verliert. Er sucht Laura, eine verlorene Sehnsucht. Nur trifft er hier auf ein schickes Anwesen mit zwei irren Frauenfiguren, die face-to-face zum Zuschauer ständig neue Identitätswechsel spielen. Souverän gebieten sie über Wahrheit und Lüge. Die Mutter erscheint als herrschsüchtig und nervös, die Tochter als traumatisiert und sexbesessen. In ihren grenzenlosen, alle Grenzen des Inzestuösen und Vergewaltigenden mühelos überspielenden Fickfantasien fordern sie den Rahmen des Noir-Genres nicht bloß heraus, sie zersetzen ihn.
                                                  Die diffuse Sehnsuchtsfigur Laura erscheint hier immer wieder, die Unfähigkeit des Detektivs ist omnipräsent. Und diese Kombination aus Lust und Schwäche kostet der Film aus. Er überführt sie in obskur-krasse Sexpraktiken, die oft die Grenze des Bedeutenden zugunsten exotischer Pornografie verlassen. Gleichzeitig fordert der Film in seinen vielschichtigen Motiviken und Identitätsspielen heftig heraus, sodass man zwischen Sinnlichem und Intellektuellem kaum mehr einen Gedanken fassen kann. Irgendwie will man selbst nur noch kotzen, denn das ist alles irgendwie zu viel, aber irgendwie fühlt sich das, wie für die Protagonisten, auch ziemlich geil an.

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                                                  • Ausnahmsweise echoe ich hoffman587 mal nach, um darauf aufmerksam zu machen:

                                                    WRONG AUF ARTE! (22:45 Uhr)

                                                    Wachbleiben und genießen. Pflichtfilm für alle Leute, die irren Scheiß mögen.

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