Dergestalt - Kommentare

Alle Kommentare von Dergestalt

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    Dergestalt 03.10.2015, 02:33 Geändert 14.04.2020, 11:52

    [Dergestalts Horrorctober 2015 | #1]

    Man mag zunächst kaum glauben, dass der Regisseur des anarchisch-verkommenen Kettensägenmassakers einen Blockbuster wie "Poltergeist" geschaffen hat. Aber es ist ja nicht bloß Hooper, sondern eben auch Spielberg, der hier seine Finger im Spiel hatte. Mutmaßte man im Falle vom Hoopers bösem Slasher noch über eine mögliche Beteiligung Spielbergs, die aufgrund dessen beginnender Hollywoodkarriere aber verleugnet wurde, kann man Spielbergs Einfluss hier nun kaum übersehen. Denn "Poltergeist" ist dickes, sanftes Hollywoodkino. Nichts Schlimmes, aber genau da liegt das Problem, denn das Horrorgenre lebt nun mal vom Schlimmen.
    Zunächst beginnt "Poltergeist" ganz ordentlich mit einigen netten Familien- und Nachbarschaftsszenen, sympathisch, leicht schrullig, souverän und locker. Dann auch einige Gruselmomente im Kinderzimmer, böse Schatten, fieser Donner, die gemeine Clownspuppe, die nicht zu starren aufhört. Irgendwo rauscht ein Fernseher, irgendetwas spricht und nur die kleine Tochter hört zu. Alles sehr gediegen gruselig, regelrecht angenehm. Dann aber plötzlich schlägt ein richtiger Orkan los, denn der Poltergeist ist kein Freund der Finsternis, er mag es grell, laut und bombastisch.
    "Poltergeist" ist ein klassischer "haunted house"-Film, nur eben in sehr großen Dimensionen gestaltet. Bezeichnenderweise tritt der Geist zu Beginn für die Familie als unterhaltsames Spektakel auf und auch während der schlimmen Ereignisse gibt es von den Betroffenen immer wieder erstaunte Blicke.
    Das Grauen unterläuft hier keine Sicherheitszonen oder verunsichert die allgemeine Wahrnehmung, es führt ein riesiges Spektakel auf und lässt die Figuren selbst zu verblüfften, aber auch distanzierten Zuschauern werden. - Wie in der Geisterbahn!
    Der Soundtrack, jenseits der Horrorkonventionen ausladend orchestral, passt sich dem an und fügt den Geist so in einen prachtvollen Bilderrahmen. Spielberg, I see you grinning!
    Entsprechend sind auch die Sets des Films gut ausgeleuchtet, beinahe jede unheimliche Situation wird bombastisch-sanft in heller Leindwandaction aufgelöst. Es geht ums Mitfiebern und Daumendrücken, nicht um das schreckliche Gefühl des Horrors (lat. „Starren, Erschauern"), das den Zuschauer lähmt.
    Sofern natürlich eine Sache der Erwartungen, aber auch als bloßer Unterhaltungsfilm kann "Poltergeist" nicht wirklich mitreißen. Das Auftreten des Geistes geschieht plötzlich und übertrieben monumental, sodass ein Spannungsaufbau auf Ebene der Gesamthandlung von Beginn an vereitelt wird. Innerhalb der einzelnen Szenen gelingt es dem Film zwar immer wieder eine unheimliche und spannende Atmosphäre zu kreieren, gerade wenn die Ungewissheit gegenüber dem Paranormalen deutlich wird, aber auch die wird immer wieder durch laute Effektorgien zersetzt. Der Film ordnet sich um seine Actionzentren an, feiert diese ausgiebig mit großen Bildern, bleibt so aber atem- und auch konturlos. Das liegt schließlich auch daran, dass der Geist vor allem über Monologe charakterisiert wird, selbst aber kaum charakteristische Akzente setzen kann. Er lässt es eben knallen, strahlen und gut ist. Der Film wirkt auch auf dieser Ebene sehr unausgegoren und lässt einen so schließlich zwar mit einem großen Rumms, aber auch einem unbefriedigten Gefühl zurück. Klar, ein netter Spaß, aber auch ein kurzatmiger und kaum gehaltvoller, die paar kritischen, kaum ausgearbeiteten Referenzen auf Amerika und den Kapitalismus kann man sich als Fußnoten schenken.
    Ich jedenfalls hatte am Ende den Eindruck, dass ich erstaunt und verblüfft sein sollte, wie die Figuren im Film, aber irgendwie musste ich nur an Hooper denken und warum keiner auf die Idee kam mit einer Kettensäge gegen den Geist zu kämpfen.

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      Dergestalt 02.10.2015, 18:44 Geändert 16.10.2019, 22:18

      Zur Herbstzeit eine herbe Empfehlung: "Black Moon." In neblig-trüber Atmosphäre tobt ein Krieg zwischen Frau und Mann, Zuflucht scheint ein idyllisches Landhäuschen mit Garten zu bieten. Schließlich wird es aber auch hier schräg, wirr, isolierend. Auf der Suche nach dem hässlichen Einhorn gilt es keine Gefahren, sondern Irritationen zu überstehen. Dies gilt sowohl für die Protagonistin als auch den Zuschauer.
      Louis Malles Ausnahmefilm ist echtes Kunstkino - frei im Bild, radikal in seiner Dramaturgie und damit sowohl aufregend wie auch anstrengend. Man mag das kennen, aber "Black Moon" ist sicher noch eine Stufe härter. Daher eine Warnung an alle, die sich mit skurrilen Ereignissen gern von einer Handlung ablenken lassen. Dieser Film ist zwar abgedreht, dies aber ohne echte Drehung, heißt: Ohne große Bewegung. Ein neblig-trübes Filmchen von ganz eigener langsam-irrealer, aber trotzdem durchdringender Machart.
      Ohne Spektakel entwirft der Film ein beklemmdes Szenario, das durch die herbstlich-schöne Ruhe der irrealen Bilder jedoch immer wieder durchbrochen wird. Die Gewalt im Film bleibt vor allem sublim: Verletzende Worte, Schweigen, Liebe und Entzug. Unter der Oberfläche kühler, aber merkwürdiger Bilder verschwimmen die Identitäten von Mann und Frau, jung und alt, was dem scheinbar großen Geschlechterkampf, Gegenüberstellungen, Logik überhaupt zuwider läuft.
      Die außenstehende Lily tritt als Alicefigur so in eine Fabelwelt ein, die lediglich durch das verfolgte Märchentier eine Art Sinnhaftigkeit erhält. Ansonsten gleitet alles an ihr herab und genauso darf es dem Zuschauer gehen. Man muss die Atmosphäre aufnehmen können, um die Irritation zu überstehen.
      "Black Moon" hat mich nicht enttäuscht, mit seinen surreal-märchenhaften Bildern wie schon "Valerie" sofort eingeladen und seinen verdienten Platz in meiner "Wahn"-Liste erhalten.

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      • Spannende Mischung aus Bekanntem und Unbekanntem, scheinbar Hochwertigen und scheinbar Schlechten. Whuhu!

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        • Alsooo:
          "Babadook" ist echt extrem interessant und stückweise auch packend, aber gruseliger als andere aktuellen Psychohorrorstreifen ist er in meinen Augen nicht.
          "Blair Witch Project" und "Paranormal Activity" sind für mich die besten found-footage-Streifen, auch wenns einige Logiklöcher gibt. Spielen wunderbar mit der Fantasie.

          Schöne Liste. "Chucky" muss ich auch irgendwann mal sehen.

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            Dergestalt 30.09.2015, 22:29 Geändert 14.04.2020, 11:52
            über Pi

            "So wie man nie das kleinste Korn der festen Körper, nie die einfachste Faser finden werde, weil alle Größe vor- und rückwärts sich ins Unendliche verliert, so sei es auch mit den Arten der Körper und Kräfte; auch hier gerate man auf neue Arten, neue Zusammensetzungen, neue Erscheinungen bis ins Unendliche. Sie schienen dann nur stillzustehn, wenn unser Fleiß ermatte, und so verschwende man die edle Zeit mit müßigen Betrachtungen und langweiligem Zählen und werde dies zuletzt ein wahrer Wahnsinn, ein fester Schwindel an der entsetzlichen Tiefe."

            [Novalis: "Die Lehrlinge zu Sais", Kapitel: "Die Natur"]

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            • Dergestalt 30.09.2015, 17:59 Geändert 29.03.2016, 01:48

              Fand den Trailer schon gar nicht ohne. An sich interessiert mich der Film ja nicht, aber diese gruselig hohen Seilszenen sahen schon böse aus. Und was böse aussieht, zieht mich leider an.

              • Dergestalt 30.09.2015, 15:01 Geändert 30.09.2015, 15:02

                Sieht schon sehr aufgeblasen aus und wahrscheinlich wird der Film auch ein bisschen prätentiös und effekthascherisch sein. Aber das kann Noé wiederum so gut und böse kompromisslos, dass ich mich schon sehr drauf freue. Noé + Sex + 3D könnte das leidige Bildformat endlich mal in ansprechende Dimensionen heben. Schließlich haben wir hier es mit einem Virtuosen in Sachen suggestives Kino zu tun.
                Noch lieber wäre mir allerdings "Enter the Void" in gutem 3D, das würde einem die Birne wegbraten. :D

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                  Dergestalt 28.09.2015, 18:50 Geändert 14.04.2020, 11:52

                  "Dellamorte Dellamore" ist ein experimentellerer Horrorfilme im Windschatten des Giallo, also der Vereinigung von Horror und tiefem Stilbewusstsein. Das bedeutet einige sehr schöne Einstellungen voller Bildmetamorphorik an der Grenze von Sex und Tod. Leider bedeutet dies im Falle der eindeutigen Zombiethematik auch trashig überzogene Horrorszenen, saloppen Humor und zigtausend abrupte Wendungen, die jenseits aller Logik schon stark ans Trashbewusstsein appellieren, vor allem gegen Ende aber auch irgendwie ernstgenommen werden wollen. Zwei Worte: Quo vadis?
                  Ich mag sowohl die Giallo-Ästhetik als auch den Trash, beides liegt ja nicht immer allzu weit auseinander. Aber dieser Hybrid wollte mir gar keinen Spaß machen. Vor allem fand ich ihn nicht besonders spannend, dafür ist er zu reflexiv, kreisend, und über den aufgedrückten Voice-Over mit seinen Weisheiten auch noch ärgerlich bedeutungsschwanger. Hier wäre eine klare Orientierung am Bild, dem Impliziten, schöner gewesen, gerade zu Anfang blieb der Film der Prämisse "show, don't tell" auch noch wunderbar treu. Aber gut, mit Blick auf einen Tarkowski oder auch Żuławski muss das auch nichts heißen. Nur sind die "Erkenntnisse" hier für mich nicht mehr als ein paar reizvolle Gedankenspiele. Nichts, was neben dem ganzen Trashausdruck allzu wichtig erscheint. Horror, ob tiefgehend oder nicht, funktioniert für mich vor allem dann am besten, wenn er das Unaussprechliche nicht fett thematisieren muss. Somit bleibt "Dellamorte Dellamore" ein liebevoll gestalteter, durchaus sympathischer Streifen mit guten Ideen, der in seiner Umsetzung aber schwerfällig und wenig erkenntnisreich ist.
                  Lovers gonna love...

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                  • Dergestalt 27.09.2015, 18:17 Geändert 27.09.2015, 18:17

                    Aharr! Dann erhält das Horrorfestival ja gleich noch einen erweiterten Bildungsauftrag! "Vampyr" wird dir als Genießer älteren Filmguts sicher gefallen - sehr schöner, wohlkomponierter Streifen. Wünsche dir gute Nerven, jenseits des Horrorfests hast du ja verträglichere Filme gewählt. Auch gut!

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                      Dergestalt 25.09.2015, 22:50 Geändert 25.09.2015, 22:51
                      über Zardoz

                      Blendet man den angestaubten 70er-Pathos und die esoterischen Voiceover-Schwurbeleien aus, muss man doch feststellen, dass "Zardoz" eine ziemlich gut getroffene Auseinandersetzung mit Göttlichkeit, Unendlichkeit und dem Prinzip der Religion ist. Dass der Film damit keine Neuheiten kreiert, ist ihm selbst bewusst, daher verweist er auch brav auf seine Quellen, die Philosophie, die Zardoz selbst gelesen hat und im Film auch zitiert.
                      Wichtiger ist sowieso, wie Boormans Werk als visuelles Medium diese Thematik verhandelt. Und darin zeigt "Zardoz" schließlich seine absolute Stärke: Die hippiesk-groteske Bildlichkeit, die man von einem Jodorowsky, Makavejev oder Jacopetti kennt ist auch hier zu finden und kreiert eine wunderbar diverse Welt, in der Konkretheit auf Abstraktion, Idylle auf Wahnsinn trifft. Entsprechend psychedelisch mutet "Zardoz" an und so trifft er tatsächlich eine Stimmung die zum transzendentalen Ansatz wunderbar passt. Wer also auf fantastisch-groteskes Kino mit haushohen Ambitionen steht sollte sich den Streifen unbedingt ansehen.

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                      • Prognose: Du wirst dich in "A Tale of Two Sisters" verlieben.

                        • Dergestalt 25.09.2015, 16:56 Geändert 25.09.2015, 16:56

                          Schün bunte Mischung - sehr spannend!

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                              Dergestalt 23.09.2015, 01:48 Geändert 16.10.2019, 22:19

                              "Escape from Tomorrow" ist ein herrlich erfrischender Irrsinn! Was zunächst wie eine schräge, schwarzhumorige Familienkomödie wirkt, reißt sich bald von allen Genreansätzen los und ist dann vor allem eins: Ungreifbare Paranoia.
                              Der Vergleich mit Lynch drängt sich daher natürlich auf. Plötzliche Identitätswechsel, merkwürdig souveräne Fremde, die mehr über die eigene Person zu wissen scheinen als man selbst - das erinnert schon sehr an "Lost Highway" und gegen Ende vor allem an "Mulholland Drive", da auch der Tod nur eine sekundäre Existenz bedeutet.
                              Aber Lynch ist hier längst nicht alles, denn der Film hat seine ganz eigene Ausgangsbasis, die weit mehr als ein nettes Gadget ist: Disney. Frei und unverblümt nimmt sich der Film alle möglichen Figuren, Symbole, Chiffren des bekannten Kinderuniversums und fügt sie in schrille bis beängstigend fremde Kontexte. Gerade, indem er dabei reale Örtlichkeiten verwendet, verschärft sich dessen Surrealität. Wenn sich genau an diesem, exakt zu lokalisierenden Ort absolut wahnwitzige, diffuse Dinge ereignen entsteht eine Mischung aus Realität und Fantastik, die eine neue Über-Realität manifestiert. Daher gibt es natürlich kein Entkommen aus der Paranoia, daher wird jeder Mikrokosmos sofort zum Makrokosmos, daher spritzt die Creme wie Sperma wie Wasser.
                              "Escape from Tomorrow" ist im besten Sinne subversiv, ohne platte Kapitalismuskritik. Der Film schält die Bewusstseinsschichten genüsslich herunter, die der Figuren, die des Zuschauers. Damit dann auch alle Erwartungen an einen Genrefilm, an einen Kunstfilm, an einen Film, wie man ihn auch nur irgendwoher zu kennen glaubt. Ein herrlich erfrischender Irrsinn!

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                              • Wer eine knackig harte Abrechnung mit der Filmkrake Sandler sucht, der wird hier bedient:
                                http://www.rogerebert.com/scanners/adam-sandlers-house-of-cruelty

                                Zum Weiterlesen (mit Bezug auf "Pixels") dann dieser Link:
                                http://postmondaen.net/2015/08/08/der-zorn-der-filmkritik-pixels-2015/

                                ...und Sandler erscheint in neuem Licht. :)

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                                • Dergestalt 21.09.2015, 13:03 Geändert 21.09.2015, 13:05

                                  Gut, wenn man vom bildungsbürgerlich-klischeehaften Auftreten des lieben Herrn Wolfgang M. Schmitt jun. (!) absieht, kann man neben der stark forcierten und bisweilen selbstgefälligen Polemik schon einige handfeste Kritikpunkte aufgreifen, die ich Malick auch entgegenhalten würde.
                                  Die absolute (Kamera-)perspektive des göttlich-allwissenden Erzählers ist gut herausgearbeitet, ebenso die hoch suggestiv-platten Voiceover und die Kalenderästhetik.

                                  Was ich allerdings arg daneben und von seiner Seite aus wiederum allwissend platt empfinde, ist der Vorwurf, dass Malick den Krieg durch die Frage nach dem Bösen ins Esoterische verschiebt.
                                  Den Drift ins Übernatürliche gabs ja schon in "Apocalypse Now" und zwar zurecht, weil die Grundfrage des "Warum passiert das?" (siehe auch "Tree of Life") vonseiten Malicks angesichts sinnerschütternder Ereignisse zwar hoch subjektiv, gerade deshalb aber auch sehr naheliegend ist. Von demher lässt sich ein Krieg niemals als bloß strategische Angelegenheit abhandeln - das weiß jeder Anti-Kriegsfilm und daher ist ein Meisterwerk wie "Apocalypse Now" gerade durch seinen irritierenden Schlussteil besonders eindringlich. Es sind immer auch Gedanken, Konzepte und schließlich Sinnstiftung, die einen Krieg bestimmen. Der "War on terror" ist da auch ein gutes Beispiel.

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                                  • Dergestalt 18.09.2015, 16:54 Geändert 18.09.2015, 16:56

                                    "Symbol" fehlt natürlich, genauso "Gozu", genauso "Visitor Q" (oder vielleicht generell ein Eintrag zu Takeshi Miike).
                                    Und ganz besonders: "Hausu"!
                                    Ansonsten aber eine sehr inspirierende Liste. Längst überfällig. :)

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                                      Softig zwischen Instagram und kleiner Horrorshow bietet "Spring" einen echten Genrefrühling. An den richtigen Stellen herb, ansonsten aber strahlefroh und mild. Kaum wirklich Horror, denn dafür gibt es schlicht keine echte Bedrohung, aber leider auch kaum ernstzunehmendes Beziehungsdrama, denn dafür sind mir Charaktere und Dialoge doch zu fade und schematisch gearbeitet. Irgendwie alles doch sehr Hollywood, die vielen ironischen Brüche hin oder her.
                                      Tatsächlich hätte dem Film ein bisschen mehr Luft gut getan, zwischen die Dialoge, die Figuren und auch den Sci-Fi-Unterbau. So wird zu vieles abgehandelt und erklärt, wirklich Flirt, wirklich Mindgame war da zu wenig. Gerade schade, weil der Film an einigen wenigen Stellen wunderbar unfertig und wagemutig, wie gutes Indie-Kino wirkt.
                                      Durchweg überzeugen kann der Film aber an anderer Stelle: Wunderbare Symboliken (Fruchtbarkeit vs. Verfall), weiche Kamerafahrten, stimmig eingesetzte Musik, der nötige Witz und natürlich eine tolle Idee, die größtenteils auch durchkommt, wenngleich auch etwas zu sicher durchgearbeitet ist.
                                      "Spring" ist damit sicher eine Empfehlung für alle, die ein bisschen genrefreies Genrekino suchen, schöne Impulse und feine Momente. Dann ist aber auch schon Schluss mit dem Frühlingshauch - einen schönen Abend euch allen!

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                                        Dergestalt 13.09.2015, 22:53 Geändert 14.09.2015, 11:20

                                        "Wrong Cops" sucht schon über den Namen die Verbindung zum Vorgänger "Wrong". Und tatsächlich ist es wieder ein abstruses Figurenkabinett, das schulterzuckend den alltäglichen Wahnsinn geschehen lässt. Das trockene Unterstatement lässt sich klar als Dupieux' Handschrift erkennen, dessen Talent für grotesk verschlungene Beziehungen lässt er hier aber definitiv nicht durchkommen. Ähnlich wie in Buñuels "Gespenst der Freiheit" sehen wir verschiedene Charaktere, die nur äußerlich miteinander zu tun haben, willkürlichen Mist fabrizieren.
                                        Was sich bei "Wrong", der ähnlich vorging, zu einem drückend-assoziativen Wahn verdichtete, bei dem schließlich alles doch miteinander zu tun hatte, bleibt hier in den Kinderschuhen. Es bleiben halt ein paar Polizisten, die halt ein bisschen auf die Kacke hauen, auf mal mehr mal weniger lustige Art ihre Authorität missbrauchen. Teilweise schaukeln sich die Situationen ganz gelungen hoch (das Polizist-Halbleichen-Duo etwa), größtenteils passiert aber nichts Besonderes. Der Schluss wagt noch einen etwas verqueren Mystizismus, wie man ihn von Dupieux sonst deutlicher kennt, aber auch der bleibt irgendwo in seiner faden Andeutung stecken.
                                        "Rubber" war lustig und intelligent, "Wrong" war lustig und hat zum Nachdenken angeregt, aber "Wrong Cops" hat nichts von beidem. Eine kleine Diashow der Möglichkeiten, aber die braucht echt niemand, vor allem kein Quentin Dupieux.

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                                        • Dergestalt 10.09.2015, 09:30 Geändert 10.09.2015, 09:30

                                          MÖP! "Per Anhalter..." ist zunächst einmal ein Buch! Aber joa, Filmgucken reicht wahrscheinlich für die 42.

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                                          • Kack-Vorlage, aber tolles Script = Interessantes Projekt.

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                                              Dergestalt 07.09.2015, 23:31 Geändert 07.09.2015, 23:32

                                              Tja, "The Others". Von vielen Seiten für seine schöne, klassische Gruselatmosphäre und seinen phänomenalen Twist bewundert. Tatsächlich: Handwerklich überzeugt er durch seine sorgfältige Charakterzeichnung, die schönen Sets und das facettenreiche Spiel von ausnahmslos jedem Schauspieler. Auch ist die Handlung interessant gestaltet und enthält Passagen, die eine angenehme Spannung bereiten. Punkt. Dann aber: Wirklich gruselig, auch nicht im altmodisch-schönsten Sinne, wird "The Others" nie. Das liegt maßgeblich daran, dass das eigentlich Bedrohliche, Andere immer skizzenhaft bleiben muss und nur in sehr wenigen Momenten zeigen darf, dass es auch wirklich Macht hat.
                                              Ansonsten wird hier auf sanfter Sparflamme gekocht, vielleicht auch mal umgerührt. Ja, es wird auch reflektiert, durchdacht, enthüllt - manchmal auch lächerlich plakativ ("Du, kehr mal flott das Laub über den Grabstein da drüben. Nicht, dass den wer sieht!"). Aber kein Hals- und Beinbruch, alles nicht so schlimm.
                                              Aber eben das ist das Problem: "The Others" tut keinem weh, er spielt nur. Er erschrickt nicht, bereitet kein großes Unbehagen, wirkt nicht tragisch (auch wenn er es schließlich sein will). Er unterhält einfach vor sich hin, handwerklich makellos und mit gutem Drehbuch. Etwas Packendes gestaltet er daraus allerdings nicht.

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                                              • Moment - soll das Skelettding im Hintergrund irgendwie bedrohlich wirken? Ansonsten: Bonds Pose ist so 70er!

                                                • Dergestalt 07.09.2015, 13:43 Geändert 07.09.2015, 15:24

                                                  Wunderbarer Artikel und eine schön tiefgehende Betrachtung seiner Filme. Vor allem die Augenmetapher als Zustandsbeschreibung des Zuschauers finde ich gelungen.
                                                  Mit "Suspiria" hat mich Argento eingefangen und mit "Horror Infernal" weiter gepackt. Freue mich nun auf weitere Filme von ihm. Stimme dir auch vollkommen zu, dass der ständige Vorwurf, seine Handlungen seien schwach, irreführend ist. Er bringt eben ein visuelles Narrativ. So.

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                                                    Dergestalt 05.09.2015, 21:31 Geändert 05.09.2015, 21:43

                                                    Ein schwieriger Film. Zu abgründig und kaputt, um wirklich witzig zu sein, durch seine komischen Kalauer und skurrilen Figuren aber auch nicht ganz ernst zu nehmen. Dann auch ärgerlich, weil kaum ausgereift und an vielen Punkten nur anskizziert, wie lieber_tee schon herausgestellt hat.
                                                    Auch stimme ich seinem Kommentar insofern zu, dass der Film zu Beginn tatsächlich packend ist, mit seiner interessanten Ausgangslage und dem großartig aufspielenden Michael Parks. Dann aber folgt ein quälend langsamer Gang durch die Schmerzensstadien zwischen Mensch und Tier. Vom Potential her immer aufregend und teils auch genial, aber immer auch jenseits von Logik und Erlösung. So endet der Film auch grausig stumpf und traurig. Wenn das Menschsein zur berührungslosen Einsamkeit wird, davor aber noch ein fetziger Song ertönt, wird das Gesamtergebnis Film zum abstoßenden Erlebnis. Irgendwo auch eine Leistung.

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