Dergestalt - Kommentare

Alle Kommentare von Dergestalt

  • 5 .5
    Dergestalt 18.01.2016, 15:22 Geändert 18.01.2016, 15:23

    Könnte theoretisch ein bisschen Macho-mäßig werden, aber irgendwie mochte ich diese überzogene Gewaltdarstellung und der Freddy Krueger-Spruch war prima.

    • 6
      Dergestalt 18.01.2016, 14:39 Geändert 14.04.2020, 12:03

      Fast schon penetrant kündigt sich eine neue Generation des Horrors an. Nach "Unfriended" folgt und nun "Unfriend", beides Filme, die das Grauen im heutigen "Facebook"-Kontext situieren. Found Footage geschieht heutzutage synchron, denn wenn das ganze Leben zusätzlich in der Data des weiten Internets abläuft, dringt das Grauen aus allen Löchern. Und Simon Verhoeven versteht es, das Prinzip des Horrors als aufdringliches-unentrinnbares Phänomen in die Totalität des heutigen Medienkonsums einzubinden.
      Dazu zeigt er auf gelungene Weise gleich zu Beginn, wie sehr die netten Videos im Netz schnell in die Totale springen, Leben werden, das dann wiederum Video wird. Die Grenze zwischen Inszenierung und Wirklichkeit verschwimmt, da alles von luftigen Klangteppichen umhüllt und in satte Kinofarben getaucht ist. Idealer Hintergrund für das Grauen, das zunächst Fake zu sein scheint, dann aber immer realer wird, ohne aber seinen digitalen Grund zu verlassen. Damit hat es das Internet, die Lebenswelt der Twens, in seiner Gewalt.
      Indem Verhoeven Internet und Lebenswirklichkeit von Beginn an quasi gleichsetzt, entgeht er der Found Footage-Einschränkung allzu enger Medienbindung. So kann er die irrealen Internetwelten unmittelbar mit dem realen Grauen des Horrors verknüpfen. Die Frage nach der Logik stellt sich gar nicht mehr, da auch niemand mehr die Technik versteht. Sie ist nicht mehr dazwischen, sondern einfach da.
      Auf diesem weiten Spielplatz positioniert Verhoeven seine klassisch-okkulten Horrorthemen, würzt sie mit interessanten Symbolen und derb-gnadenlosen Tötungsszenen mitsamt reflektiertem Sounddesign. Für Liebesgeplänkel und horrortypische Charakterstereotypen nimmt er sich hingegen kaum Zeit. Erfreulich außergewöhnlich und gerade für einen Regisseur reaktionärer Klischee-Comedy wie "Männerherzen" sehr überraschend.
      Richtig gut ist "Unfriend" trotz spannender Prämisse und schöner Umsetzung aber trotzdem nicht. Die Hintergründe werden zwar psychologisch brav angeschnitten, bleiben emotional aber unausgefüllt. Die Handlung stagniert gerne bei einem "Final Destination"-artigen Todesmarathon und gräbt sich in Schockeffekte ein. Der atmosphärisch vage Grusel wird durch harte Buh-Jumpscares unterbrochen. Und der zu Beginn noch storytechnisch sinnvolle Wohlfühl-Sound wird später zum unreflektiert eingesetzten Dubstep-Gebretter, das manche Szenen unnötig dramatisiert. Eine fiese Bild-Ton-Schere ohne jegliches Potential.
      Aber, aber, aber. Trotzdem gratuliert man Verhoeven zu seinem guten Händchen für das richtige Material und hofft auf weitere Genrebeiträge, die dem Horror klug neue Facetten abgewinnen.

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      • Absolut verdient - mein lieber Eraserhead. :)

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        • Das großartige Jugendstilhaus in "The Strange Color Of Your Body's Tears" - überhaupt Giallo-Wohnungen -und Häuser.

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          • Was ist nur los? Lemmy, Bowie, Rickman?
            Ein großartiger Schauspieler, in allen Belangen wundervoll. Das ist so traurig...

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            • 7 .5
              Dergestalt 13.01.2016, 00:36 Geändert 14.04.2020, 12:03

              Wenn Erwartungshaltungen gefährlich sind, dann sicher gegenüber diesem Film. Wer aus dem malerischen Städtchen Twin Peaks mit all seinen skurrilen Mätzchen und Charakterköpfen heraustritt, weil er ein wenig Grusel schon gewohnt ist und voller Neugier erfahren möchte, was denn tatsächlich mit Laura Palmer passiert ist, sollte mit der vermeintlichen Lösung "Fire Walk With Me" vorsichtig sein. Natürlich ist Lynch nicht daran gelegen, Rätsel aufzulösen. Eher forscht er auf seine Weise in ihnen herum, versucht mehr Poesie, metaphorische Schlüssigkeit zu gewinnen. Nach Logik und Klarheit strebt er nicht. "Fire Walk With Me" ist weniger Auflösung als Stimmungszeugnis. Und da es sich auf das kaputte Leben der Laura Palmer bezieht, ist es ein äußerst düsteres.
              Lynchs Spielfilm-Sequel konzentriert sich ausschließlich auf Lauras Person und auf ihren engen Dunstkreis aus Paranoia und Angst. Alte Serienfiguren treten in geringer Anzahl und nur gelegentlich auf. Das ist konsequent, sucht Laura doch letztlich stets die Distanz zu ihren Freunden, aus Abscheu, aber auch Sorge. Sie ist nicht mehr Teil der liebenswerten Gesellschaft von Twin Peaks, gleitet zwangsweise vielmehr an dessen Rändern. Sie zeigt der scheinbar schönen Stadt, dass es dunkle Zonen gibt. Sex, Gewalt und Drogen treten anders als in der Serie nicht mehr indirekt, sondern sehr explizit auf, ätzen sich in das Bild der wunderbaren Kleinstadt. Für "Twin Peaks"-Fans sicher erschreckend bis abstoßend, wie tief eine geliebte Einwohnerin hier absinkt.
              "Fire Walk With Me" ist ein Angstzeugnis geworden, das in rätselhaften Sinn-, Zeit- und Raumüberlagerungen die Situation Lauras über die Stimmung zu erfassen sucht. Das gelingt dem Film auch vollkommen, die 135 Minuten gestalten sich durchweg als packend. Sheryl Lee schafft es jederzeit glaubhaft die zerrissene Persönlichkeit Lauras darzustellen, Sympathien und Mitleid des Zuschauers auf schmerzvoll-drastische Weise immer wieder herauszufordern. Ein Film, der schon deutlicher näher an einem dunklen "Blue Velvet" liegt als an der zugrundeliegenden charmanten Serie.
              Das alte, verschrobene Twin Peaks ist nicht mehr, denn für Laura ist es bereits verloren.

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              • Unter der Schlafkrankheit habe ich leider auch gelitten und zwar während seinen letzten Filmen. Daher muss ich trotz grundsätzlich spannendem Plot und guter bis großartiger Inszenierung besser passen.

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                • Laura Dern ist ein absolutes Lynch-Face, von demher wird ihr Auftritt in einer absoluten Lynch-Serie sicher wunderbar passen.
                  Glaube, man darf sich freuen.

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                    Dergestalt 10.01.2016, 03:36 Geändert 14.04.2020, 12:04

                    Sehr spät, aber besser als nie komme ich endlich zu meiner großen Lynch-Wissenslücke. Und sie ist geschlossen - endlich! Aber auch gleich eine Korrektur, denn die Serie bloß auf Lynch zu reduzieren, wäre den vielen anderen Kreativköpfen dahinter nicht nur unfair gegenüber, sondern auch irreführend. Klar, steckt hier einiges an Lynch drin, aber auch sehr viel Untypisches. Vor allem sind es die vielen liebevoll schrulligen Charaktere und die romantisch-rustikale Stimmung, die man in Lynchs Hauptwerk vergeblich sucht. Sogar die vergleichsweise geerdete Kleinstadthymne "Blue Velvet" war mehr elegant als lieblich, viel düsterer als dieses Kleinod. Ja, wie Leitfigur Dale Cooper darf sich der Zuschauer in Twin Peaks langsam einleben und lernt bald dessen ganz eigene, wunderbare Luft atmen. Neben jedem dunklen Aspekt steht ein heller, teils gehen diese Aspekte sogar ineinander über. Das vermögen sowohl die vielschichtigen Charaktere als auch die dynamische Inszenierung. So changiert die Stimmung der Serie, in ihren besten Momenten fließend, zwischen Idyll und Albtraum. Und genau hier ist Lynch schließlich zu finden.
                    Denn ihm geht es doch immer um das Surreale und er findet es im tieforiginären Amerika, der Folklore, in Twin Peaks. Im Kleinsten setzt er an: an den netten Schubladen, den putzigen Holzscheiten, den schönen Eulen und tranformiert sie langsam ins Irreale bis Unheimliche - und siehe, die Welt zieht mit. Ja, in seinen besten Momenten merkt der Zuschauer gar nicht, wie sich die scheinbar bodenständige Welt Twin Peaks' langsam verändert, denn der Holzboden bewegt sich, verrutscht, die Erde darunter wird sichtbar. Ja, man darf wühlen. Und was zum Vorschein kommt, ist dann ganz fremd, gehört als Irdisches aber doch zu uns - das Unbewusste.

                    [SPOILERGEFAHR]

                    So viel erst einmal zum Charme und geistigen Kern der Serie. Kein Wunder, dass bei diesem genial-konzipierten Cocktail alle in Verzückung geraten. Und ich sage es auch: "Twin Peaks" ist herausragend, spannend, bis heute andersartig und ein berechtigter Klassiker. Ungebrochen komme ich mit dieser Begeisterung jedoch nicht mit. Während Staffel 1, gerade auch aufgrund des kompakten Umfangs, ohne Durchhänger mitnimmt, wenn auch nicht überwältigt, bringt Staffel 2 zwar zu Beginn die großartigsten Begegnungen und den stärksten Spannungsaufbau, aber auch einen erheblichen Bruch in der Dynamik. Denn kaum ist es soweit, kaum ist gelüftet, wer der Mörder ist, ist die Spannung verschwunden. Hell und Dunkel driften lose auseinander und können für sich genommen nur noch teils überzeugen. Das Helle geht mit langweilig-uninspirierten, häufig auftretenden Comic-Abrissen wie Lucy/Andy/Dick mehr ins Gagheischende und nimmt auf abrupte Weise spannendere Konstellationen aus dem Fokus (Donna - James, Ben - Jerry, Anyone - Laura). Das Dunkle hingegen verabschiedet sich weitgehend vom vage-düsteren Symbolkabinett und wird zum schematisierten Kampf von Gut und Böse, bei dem nur manch groteskes Overacting etwas aufrütteln kann. Die unmittelbar erscheinende Surrealität eines Lynch verschwindet dabei zugunsten fahler Mysteryspekulationen und skurril-netter Situationskomik quasi vollkommen. Erst im Finale, das vom Meister selbst inszeniert ist, kehrt sie zurück und kreiert ein wahnsinniges Kabinett, faszinierend und gruselig wie seine Meisterstreiche "Lost Highway" und "Mulholland Drive". Rücksichtslos zersägt er dabei, beinahe als sei er unzufrieden mit der Entwicklung seiner Serie, das ganze Filmuniversum und lässt den Zuschauer irritiert zurück. Dark Lodge instead of Twin Peaks - eine Aussicht auf seine harmoniefreien späteren Filme. An sich stehe ich drauf - für die Serie wäre es vielleicht aber gesünder gewesen, hätte man den Rest gleichmäßiger mit einer solchen Surrealität durchdrungen.
                    So bleibt Staffel 2 und damit auch "Twin Peaks " in Teilen doch schematisch bis uninspiriert und das ist für so ein visionäres Projekt schon ein hartes Urteil. Aber nur dieses eine Urteil, sehr viel anderes spricht für die Serie: Konzept, Schauspiel, Atmosphäre, Wiedererkennungswert und vor allem diese Mischung, dieses Stück Lynch, das zwar nicht alles, aber jede Menge ist.

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                    • Dergestalt 09.01.2016, 11:58 Geändert 09.01.2016, 15:53

                      Abgesehen von "Birdman" sind alle im Artikel aufgeführten Kandidaten mindestens teilweise kritisch aufgenommen worden. "Inception" wird als Nolan-Produkt hier so gespalten bewertet wie sonst nur ein Malick.

                      Aber jetzt einmal zu mir. Selbstverständlich mit Kontroversenqualität:

                      - "Match Point" (Mit Gruß an Iamthesword)
                      - "Swimming Pool" (Ozon)
                      - "Borgman"
                      - "Bubba Ho-tep"
                      - "Stoker"
                      - "Picknick am Valentinstag"
                      - "Spiel mir das Lied vom Tod"

                      Für mich zwar noch okay, aber in Relation zu den allumfassenden Wertschätzungen, Begeisterungen bis Apotheosen doch nennenswert:
                      - "Vertigo"
                      Ansonsten mag ich Hitchcock aber gerne (ich weiß, das macht es noch schlimmer!).

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                      • 6 .5

                        Plot klingt mittelmäßig spannend, Trailer ist okay. Der Film kommt allerdings von Ben Wheatly (zwei prima Filme: "Kill List" + "A Field in England"). Mal abwarten und gespannt sein.

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                        • Sicher etwas zugespitzt, aber grundsätzlich schon nachvollziehbar, da transparent erläutert. Jeden Hype würde ich erst einmal skeptisch betrachten und das ganze Lob, das "Victoria" bloß für ein neutral-technisches Fakt erhält, macht mich gegenüber manchen Kritikern schon stutzig. Ich finde allerdings schon, dass Schipper sein One-Take ordentlich (wenn auch nicht ideal) nutzt und auch, dass die Räuberhandlung da ganz gut reinpasst. Die Dynamik zwischen schwerelosem Treibenlassen (erste Filmhälfte) und absoluter Enge (zweite Filmhälfte) gelingt ihm gut, auch weil er das Kippen ins Kriminelle lange diffus hält und so viel Verunsicherung schafft. Die plötzliche, hektische, panische Autofahrt nutzt das Quälende der Takelosigkeit dann ideal aus. Das ist dann ein Treibenlassen im Ungewissen.

                          Von der inhaltlichen Substanz her würde ich dir teils aber schon Recht geben. Mit der Motivation hatte ich weniger Probleme, da dort das Meiste auch implizit läuft, was gerade durch die Offenheit des Konzepts begünstigt wird. Victoria, die als "Gebildete" ja eigentlich nicht zu den "Debilen" passt, trifft sich mit ihnen trotz Reibereien wegen Ethos ("Say sorry!") gerade wegen der gemeinsam gesuchten Naivität, dem Loslassenwollen, das in einer einengend bürokratisierten Bologna-Zeit sicher viele junge Leute befeuert. Das finde ich gut und stimmig eingefangen.
                          Richtig störend ist für mich allerdings die Umsetzung der Räuberhandlung mit ihren tausend Verhaltenslogiklöchern. Da stört es gerade, dass man so lange bei den Charakteren war und sich in die einfühlen konnte und dann solch ultimativ-irrational-idiotisches Verhalten serviert bekommt.

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                          • 6 .5
                            Dergestalt 05.01.2016, 22:48 Geändert 14.04.2020, 11:53

                            Die Hölle kann so schön sein. Und die schönste Gewalt ist doch irreal, abrupt. In "Jigoku", dieser wunderbar düsteren Jenseitsvision voller surrealer Schübe kommt beides zusammen. Wie Hieronymos Bosch versteht es Nakagawa die Sündenhölle als betörend-verstörenden Strudel zu inszenieren. Blumen voller Schönheit, die ihre verfaulte Wurzel an sich tragen. Wunderbare Kompositionen, zerschnittene Einstellungen und Körper.
                            Dann gibt es noch die andere Seite, die irdische Wirklichkeit. Hier eigentlich noch dunkler als die Hölle selbst, eng und aussichtslos, eigentlich eine einzig schiefe Fläche, die bloß noch hinabführt. Tragisch wirkt sie aber nicht.
                            Ehe die tatsächlich schockierenden Höllenvisionen einsetzen, rollt sich "Jigoku" in spröden, lose zusammenhängenden Begegnungen, die konstruiert immer wieder auf die Sünde hinführen müssen, selbst jedoch vollkommen konturlos bleiben. Es ist eben schwierig über Gerechtigkeit zu sprechen, wenn man als Maßstab nur die Sünde nimmt, dieses diffus-sperrige Ding, das aber auch so schöne Bilder bringt.

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                            • Dergestalt 05.01.2016, 11:45 Geändert 05.01.2016, 11:49

                              Man mag von dem konstruiert-klischeeigen "Unfaithful" halten was man will, aber die erotische Erinnerung in der Straßenbahn ist schon prima inszeniert.
                              Dazu kommen noch aus der Arthaus-Ecke:

                              - "Posession" (Einkaufstüte)
                              - "La Bête"
                              - "Singapore Sling"

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                                • Trotz üblichem Klickstrecken-Terror doch eine brauchbare Auswahl. Obwohl "Insidious 3" nicht mehr an die Eindringlichkeit der ersten Filme anschließen kann, ist mir die Winke-Winke-Szene noch positiv unangenehm hängen geblieben. Aber auch die Skype-Szene hatte einen simplen, aber geschickten Gruseleffekt.
                                  Vor allem aber die "It Follows"-Szene. Da ging mir ein ganz kaltes Tier vom Po bis ins Hirn hinauf. Sehr fies, surreal - effektiv und kunstvoll. Man sieht es wirklich nicht kommen und es sieht furchtbar aus.

                                  • Großartig!
                                    Allerdings darf (der unterschätzte) "The Beast of Yucca Flats" nicht fehlen. So trashig-verschroben, dass er es sogar auf die weird-movies-Liste geschafft hat! Verdiente 8 Punkte von meiner Seite.

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                                    • 5 .5
                                      über Love

                                      Dieser Song hätte die Promo-Single werden sollen, oder der finale Abspannsong.

                                      http://www.dailymotion.com/video/x2j53bc

                                      Melancholisch und trotzdem schnittig, edel und trotzdem bekifft. Was will der Noé mehr?

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                                      • Dergestalt 15.12.2015, 10:45 Geändert 15.12.2015, 10:46

                                        Ja, dieses Jahr sah es horrortechnisch wirklich gut aus. Wirklich großartig war vor allem "It Follows", aber auch die Genrehoffnungen "A Girl Walks Home...", "Babadook" und "Spring" waren spannend - insgesamt sehr innovative Arbeit. Damit kanns gern weitergehen.
                                        "Crimson Peak" hingegen sollte überhaupt nicht höher stehen, eher abgestraft werden. Dass gerade der Regisseur eines spannenden Meisterstreichs wie "Pans Labyrinth" solche fahle Standardware liefert...
                                        Und "Horns" überrascht mich hier, dachte, der Film sei halbgare Scheiße.

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                                        • 7 .5
                                          Dergestalt 15.12.2015, 00:03 Geändert 14.04.2020, 11:53

                                          Natürlich, es wundert nicht, dass Sorrentino keinen zweiten "La Grande Bellezza" schaffen konnte. Natürlich, denn es geht ihm immer ums Elementare, Originäre und jedem Film soll seine Eigenheit gelassen werden. Auf die große Schönheit der Welt folgt nun also das persönliche Alter. Das vollkommene, abgeschiedene Alter jenseits einer kulturschweren Stadt wie Rom. Ganz wie in Thomas Manns Lungensanatorium darf in den Schweizer Bergen nun ungebrochen reflektiert werden - die fetten Partys eines alten Jep sind vorüber. Und plötzlich ist da Platz für zwei alte Männer, die sich weitaus weniger pointiert, gern auch geschmacklos unterhalten dürfen. Immer auch ein bisschen am Schmerz, wenn das Weltmännische zu kühn zu werden droht. Sorrentino ist, wie Fred, schließlich kein Intellektueller, sondern ein Sensueller. Er sucht Licht, Farbe, aber auch immer die Menschlichkeit, die Berührungspunkte, die jederzeit in jedem stolzen Bildkunstwerk aufscheinen können.
                                          So überzeugt auch "The Youth" mit doppelsinnigen Bildern, diesem ungefähren Changieren zwischen Witz und Tragödie, zwischen leichtfüßiger Irrealität und bloßer Ehrlichkeit. Immer gefasst von malerischen Kompositionen, schwebenden Kamerafahrten und einem Soundtrack, der vorurteilsfrei zwischen Pop und Klassik steht. Sorrentino bleibt selbstbewusst in seinem Umgang mit dem filmischen Medium. Manchmal sogar ein wenig zu sehr, denn bestimmte Griffe ins fast Surreale und Groteske wirken schon gewollt, riechen noch sehr nach dem Vorgänger. Aber man will das durchgehen lassen, denn wieder ist es in audiovisueller Perfektion festgehalten.
                                          Wirklich schade ist hingegen, dass es Sorrentino dieses Mal nicht gelingt, dem flotten Schlagabtausch eine durchgehend greifbare emotionale Ebene gegenüberzustellen. Die enorme Verkürzung persönlicher Dramen funktioniert im Szenenrahmen, für den gesamten Film allerdings nicht. Die Ballung, Verknappung und bloße Andeutung war schon in "La Grande Bellezza" vorhanden, im großen Bilderrausch allerdings nur konsequent. Da Sorrentino nun in einem genüsslich gemütlichem Ambiente arbeitet, wo die alpinste Luft zum Atmen bleibt, wirken solche Andeutungen im Gesamten wie schale Skizzen. Wäre da kein nuanciertes Schauspiel aller Beteiligten könnte man sie sogar als Drehbuchlöcher wahrnehmen. So aber hält Sorrentino alles gerade noch zusammen, womit nur der abrupte, wenn auch absehbare Schlusstwist deutlich ungedämpft im Raum stehen bleibt.
                                          Die Jugend mag ewig sein, der Film bleibt merkwürdig gebrochen. Vielleicht also wie das Alter.

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                                            Dergestalt 10.12.2015, 13:29 Geändert 14.04.2020, 11:54
                                            über Krampus

                                            "Krampus" ist schon von der Produktionsanlage ein außergewöhnlicher Film. Denn hier verfilmen Amerikaner einen tiefeuropäischen Volksglauben. Andererseits auch nicht verwunderlich, denn Amerika ist ein Land der Einwanderer, der verschiedenen Kulturen. Culture Clashs überraschen also nicht, auch wenn man oberflächlich gern vom amerikanischen Volk redet. Die Wurzeln reichen tiefer, bis ins Unangenehme, wie "Krampus" zeigt.
                                            Zunächst aber ist es wieder purer Konsumterror, die Leute rennen sich um, verspotten einander, jeder will der Erste, Wichtigste und Beste sein. Ja, es ist Weihnachten, das stellt der Film mit ausladendem Sarkasmus freudig zur Schau. Amerika ist längst nicht das unter Gott geeinte und daher gerade zu Christi Geburt besonders einhellige Volk, sondern eines egoistischer Einzelinteressen. Und genau hier setzt der Krampus an. Er straft die Unseligen, Streitsüchtigen, die sich vom Kern der Weihnacht, der frohlockenden Zusammenkunft entfernen. Die Figur des Krampus ist also eine Figur des Ursprünglichen, ein Dämon, der gnadenlos für eine alte Ordnung steht. Das Konsumreich Amerika wird zu seinen tiefchristlichen Wurzeln zurückgeholt, mit der Schockwirkung, die man 2015 braucht, um dem kalten Konsumterror noch Einhalt zu gebieten. "Krampus" ist ganz konsequent ein Horrorfilm. Ja, und ein guter noch dazu.
                                            Zwar braucht er ein wenig, bis sich eine düstere Stimmung einstellt, dann aber fährt er ein Figurenarsenal verrück-karnevalesker Horrorgestalten auf, an denen auch Freddy Krueger seine echte Freude gehabt hätte. Der Film funktioniert auch viel weniger als behäbiges Gruselstück denn als schwunghaft-böse Abrechnung mit dem schal gewordenen Familienfest. Jenseits von Hollywood zelebriert der Film den Krampus als tiefeuropäische Märchengestalt, wie man sie aus den schaurigen Hausmärchen kennt. Keine Erlösungshoffnungen, nur pure Willkür, fast ein alttestamentarischer Ansatz, ganz entgegen einem amerikanischen, wirtschaftstauglichen Protestantismus. Die Sünde wird bestraft - abgegolten oder -gekauft war sie nie. Der Krampus kommt wieder. Ein wunderbar konsequenter, altmodisch düsterer Film, der in Amerika gerade richtig aufgehoben ist.

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                                              Dergestalt 03.12.2015, 01:23 Geändert 14.04.2020, 11:55
                                              über Love

                                              Es ist immer spannend anzusehen, wenn sich ein radikaler Formkünstler an geerdetem Inhaltskino versucht. Wobei Gaspar Noés Ausflug ins Beziehungsdrama zunächst wie ein weiterer "Enter the Void" wirkte: 3D-Sex auf 141 Minuten? Klang zunächst nach einem weiteren Trip. Und leider muss ich sagen: Wäre es einer gewesen, hätte das den Film weitaus interessanter gemacht, weil es angesichts des unbestreitbaren Talent Noés spannende Formfragen aufgeworfen hätte. Tatsächlich enttäuscht der Film mit seinem Fokus auf einer klischeehaften Liebesgeschichte und verkommt oft zur nervend einfältigen Beziehungsschau.
                                              Es beginnt und hängt am autobiografisch überformten Protagonisten Murphy, der in Til-Schweigerscher Dauererregung glaubt Welt, Liebe und Metaphysik überblicken und fassen zu können, schließlich aber doch nur ein eingeschränkter, schweißnass-prustender Kunstprolet bleibt. Gerne das, was man Noé selbst vorwirft - man könnte es hier bestätigt sehen. Von den heteronormativen und transgender-Klischees ganz zu schweigen. Murphys Gegenüber bleibt dagegen ungreifbar, entsprechend trägt sie den obskur-vielsagenden Namen Elektra. Klug komponiert (oder vielleicht doch nur einem weiteren Klischee nach) treffen hier männliche Profanität und weibliches Geheimnis aufeinander. Vor der Folie der diffusen Elektra-Figur zeichnen sich Fragen ab, die sich jeder Liebende wohl einmal gestellt hat:
                                              Was ist Liebe?
                                              Wie dauerhaft ist Liebe?
                                              Wie schmerzhaft ist Liebe?
                                              Wie weit geht Liebe?
                                              Was ist Liebe?
                                              Soweit so einfach, soweit so anspruchsvoll, will man diesen Fragen filmisch genügen. Noé hatte in "Irreversibel" und "Enter the Void" ähnlich philosophische Bereiche betreten und sie mit experimentellem Erlebniskino hochsubjektiv, aber so auf die einzig nachvollziehbare, weil angemessen vage Art bearbeitet. Hier will er nun echtes Drama bringen und tut das mit all den Problemen holprigen Charakterkinos: Schwache Dialoge, stumpfe Rollen- und Sexualklischees und fehlende Dynamik, gerade angesichts der stolzen Laufzeit. Und das Drama überwiegt: der Sex erscheint nur punktuell, der visuelle Rausch bleibt beinahe vollständig aus. Für Noés Verhältnisse geht es gesittet zu, die Kamera bleibt still, statt Porno gibt es weich-expliziten Gefühlssex. Und an den kann man sich gewöhnen, an die fein komponierten Farben, Schatten und die tolle Musik - gerade der vermeintlich provokante Dreier zeigt sich als hochsensible Beobachtung körperlicher Gemeinsamkeit. Dieses Gespür für das Visuelle hebt "Love" hervor, ebenso auch die klug gesetzten Momente der Ratlosigkeit, die dem dominanten Proklamiergehabe des Protagonisten angenehm entlarvend gegenüberstehen. Denn nahe dem Void, den Grenzen des Erzählbaren, bleibt Noé weiterhin visionär. So ist auch "Love" eine formal teils interessante Antwort auf große Fragen, die ohne den inhaltlich halbgaren Brei aber weitaus besser funktioniert hätte.

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                                                Dergestalt 29.11.2015, 11:02 Geändert 30.01.2020, 17:34

                                                Natürlich, wer Inhaltskino sucht, sollte einen weiten Bogen um "Trydno byt bogom" schlagen. Der Film ist ein visueller Hammer, mit ordentlich Dreck, Scheiße nebst Darm und Blut bespritzt.
                                                Die Kamera, die uns das zeigt, ist eine intime Kameradin, die mit den Körpern und deren Umgebung stets auf Kollision steht. Die Figuren witzeln, klagen vor ihr oder bespritzen sie, niemals aber lässt man sie auf große Distanz. Da setzt der Beginn mit sanft gleitender Totalen und wohlig-einstimmendem Off-Kommentar sicher die falschen Erwartungen. Das ist kein Tarkovsky, aber auch kein Żuławski. Das ist neu, unmittelbarer als alles, filmische Physis als Grenzerfahrung für den mitfühlenden Zuschauer.
                                                Also muss der auch viel Geduld mitbringen. Denn niemals lässt ihn die Kamera in diesen quälend langen 177 Minuten in Ruhe. Niemals gibt es Zeit zur Ordnung. Immer ist es Bewegung, Hektik. Nur eines verbindet diesen Film (neben seiner metaphysischen Schwere) da mit einem Tarkovsky: Die Welt hier ruht in sich selbst. Obwohl überall Gewalt und Entäußerung sind, bleiben die Charaktere, anders als die Kamera, zufrieden darin stehen. Sehr selten kommt es ansatzweise zu einer Eskalation, einem nachvollziehbaren Gefühlsausdruck. Das macht den Film schließlich noch schwieriger. Man kann unmöglich mitfühlen, aber irgendwie fühlt man doch angesichts dieser direkten Bilder. Einen Katalysator bekommt man nicht, ein Leidenszwist, eine Leerstelle, die dieser bildgewaltig-hässlichschöne Film beschwört. Ja, es ist schwer ein Zuschauer zu sein, in dieser Welt, die in sich selbst versinkt.
                                                Ein starkes, unangenehmes Zeugnis.

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                                                  Dergestalt 24.11.2015, 23:04 Geändert 14.04.2020, 11:55

                                                  Bruges-la-Morte.
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                                                  Gegenüber dieser nahezu still-perfekten Kompositionssprache steht der fürchterlich banale Inhalt. Niemals überrascht das Drehbuch durch besondere Einfälle, maximal verwirrt es über abstruse Charakterhandlungen. Vor allem jene der dumm-devoten Valerie, die in ihrer weißen Unschuld die ideale Folie für ein zu einfaches Spiel von Macht und Verführung stellt. Zwischen den Polen herrischer Männlichkeit und verführerischer Weiblichkeit geht sie widerstandslos hin und her. Entscheidungen treffen andere.
                                                  Das passt zum einen zum weltvergessenen, dahintreibenden Charakter des Films, zum anderen nimmt es ihm auch jegliche Eindriglichkeit, wie man sie von einem Vampirfilm durchaus erwartet. Gerade auch da die stimmungsgebenden Hauptcharaktere doch nur das fahle, B-Movie-hafte Spiel von Anziehung und Abstoßung spielen, das wie das Vorspiel zu einem Softporno, irgendeinem markanten Ausbruch wirkt, der hier jedoch nicht folgt. "Les lèvres rouges" bleibt ein ernüchternd effektarmes Spektakel, das nichts fordert und nichts nimmt, sein schwaches Drehbuch vielmehr müde, routiniert verfilmt. Ein Schrecken, wie blass der Tod doch ist.

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                                                  • Bester Dupieux zur besten Sendezeit. Für jeden, der auf Surrealismus und Artverwandtes steht, ein echtes Must-See.
                                                    Steht danach möglicherweise auch online in der Mediathek - also keine Ausreden!

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