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Alle Kommentare von Geistertexter
Es geschah an einem Spätsommertag. Niedergeschlagen verließ Akira Kurosawa das Gelände des Shochiku-Filmstudios. Seine Argumente waren fruchtlos geblieben, seine Überzeugungskraft hatte versagt. Für eine Weile würde er "kalten Reis essen" müssen, dachte er auf dem Weg nach Hause und wollte darum zuerst nicht glauben, was er dort
zu hören bekam. Im fernen Venedig hatte sich eine Art kleines Wunder ereignet. "Es war, als hätte man die schwerhörigen Ohren der japanischen Filmindustrie mit Wasser ausgespült." Was war geschehen? Eigentlich nichts Ungewöhnliches, wenn man die Entdeckung eines außergewöhnlichen Filmemachers für alltäglich nimmt. Eigenwillig und perfektionistisch Der für seine Eigenwilligkeit und seinen Perfektionismus berüchtigte Kurosawa hatte mit "Hakuchi" einen Film gemacht, über den man in seiner Heimat nur irritiert den Kopf schüttelte. Seine Verfilmung von Dostojewskis "Der Idiot" war ein derart durchschlagender Mißerfolg bei Publikum und Kritikern, daß umgehend alle weiteren Regieaufträge storniert wurden. Trotz des vielversprechenden Beginns seiner Karriere mit zwölf Spielfilmen in acht Jahren stand Kurosawa praktisch vor dem Aus. Doch wieder erschien "ein Engel aus dem Nichts". Auf dem Filmfest in Venedig 1951 gewann der ein Jahr zuvor gedrehte "Rashomon" den Großen Preis und bewahrte den Regisseur von "Die sieben Samurai", "Das Schloß im Spinnwebfeld" und "Kagemusha", das Idol so unterschiedlicher Cineasten wie Werner Herzog, Martin Scorsese und Steven Spielberg davor, "kalten Reis essen" zu müssen. Der Erfolg von "Rashomon" bedeutete nicht nur für Kurosawa den Eintritt in die internationale Filmwelt. Auch andere japanische Meister wie Kenji Mizogouchi und Yasujiro Ozu wurden in seinem Gefolge entdeckt. Im Gegensatz aber zum Traditionsbewußtsein ihrer Formen und Themen, verstand sich Kurosawa früh als Grenzüberschreitender Ermittler zwischen den Kulturen. Die Erfahrungen des Krieges hatten den streng konservativ erzogenen Nachfahren eines Samuraigeschlechts belehrt. Der Weg der Väter und Vorväter hatte nach Hiroshima und Nagasaki geführt, ein Vorbild konnte er nicht mehr sein. Mit seiner Kunst hoffte Kurosawa, die Menschlichkeit als universelle Weltanschauung zu etablieren nicht nur in den Köpfen der Geschlagenen. Bereits in seiner Jugend schwärmte Kurosawa für Cézanne und van Gogh, er war von Shakespeare fasziniert, interessierte sich für die Filme von D. W. Griffith und die Meisterwerke des deutschen expressionistischen Stummfilms. Später verehrte er die Filme von John Ford und Jean Renoir und auch die Romane von Fjodor Dostojewski. Seine wahre Liebe galt jedoch dem klassischen japanischen No-Theater. Aus dieser Quelle schöpfte er jene unverwechselbare formale Sicherheit und jenen gespenstischen Gleichmut, mit denen er die seelischen Grabenkriege seiner betrogenen Betrüger, pathetischen Verlierer, ehrlosen Meuchelmörder und skrupellosen Schlachtenlenker darstellt. Erst aus der spannungsreichen Verbindung von westlich geprägtem Idealismus und fernöstlicher Mystik entwickelte sich Kurosawas epischer Erzählgestus. Mit bestechend durchkomponierten Tableaus erwirbt er mitunter prahlerisch, aber nie anbiedernd unsere Aufmerksamkeit, um uns dann schonungslos die launenhafte Bestie Mensch vorzuführen. Haß, Gewalt und Krieg sind in Kurosawas uvre stets Ausdrucksformen der menschlichen Selbstherrlichkeit und der Unfähigkeit des Menschen, seine wahren Absichten zu erkennen. Die Angst vor der Wahrheit macht ihn schwach, und die Angst vor dieser Schwäche, läßt ihn schließlich zum Verbrecher an der Menschlichkeit werden oder wie es der am Irrsinn der Wahrheit verzweifelnde Mönch in "Rashomon" ausdrückt: "Wenn der Mensch nicht mehr an den Menschen glaubt, ist die Welt eine Hölle. Nur eine selbstlose Tat, wie die Errichtung eines Kinderspielplatzes in "Ikuru" ("Leben", 1952), nur eine Geste des guten Willens, wie die Großmütigkeit der Besitzlosen in "Nachtasyl" (1957), versöhnt seine Nicht-Helden mit ihrem Schicksal und überläßt auch uns einen Funken Hoffnung, einen Schimmer von Zuversicht. Auch in seinem letzten, Shakespeares "King Lear" nachempfundenen Meisterwerk "Ran" (1985) verknüpfte Kurosawa den Geist der Aufklärung mit seiner desillusionierten Lebenserfahrung. Nicht unähnlich der Situation des Fürstensohnes Saburo, der wegen seiner unerschrocken spöttischen Aufrichtigkeit von seinem Vater verstoßen wird, sah sich auch Kurosawa lange Zeit als ein unverstandener Sohn Japans, als ein Künstler, der seine Heimat über alles liebte und dennoch in den Herzen der Menschen keinen Platz fand. Verkannt und gekränkt Besonders von japanischen Kritikern wurde Kurosawa oft vorgeworfen, er würde in seiner Neigung zu historischen Sujets nur die abendländische Neugier und Vorliebe für exotische Stoffe bedienen. Die Verkennung seiner künstlerischen Absichten kränkte in zeitlebens und führte nach dem finanziellen Desaster seines ersten Farbfilms "Dodeskaden" (1970) wohl mitentscheidend zu jenem Selbstmordversuch, über dessen Hintergründe der zurückgezogen lebende Kurosawa nie Auskunft gegeben hat. Akira Kurosawa wurde 88 Jahre alt, nach langem Leiden verstarb er am 06. September 1998 in Tokio. All seinen Niederlagen zum Trotz, zeichnete ihn die ungebrochene Würde eines Idealisten aus, er ist kein Zyniker geworden, sondern Humanist geblieben.
Ängstlich blickt der kleine Junge um sich. Weit und breit ist niemand zu sehen, der ihm beistehen könnte, und für wenige Augenblicke scheint sich alles Unglück der Welt in seinen großen, dunklen Kinderaugen zu sammeln. Ein streunender Hund versperrt ihm böse knurrend den Weg nach Hause. Das Leben scheint stillzustehen. Ratlos folgt er schließlich einem alten Mann, doch der biegt vorher ab. Den Tränen nahe, sucht er nach einer Lösung. Da erinnert er sich an den Laib Brot unter seinem Arm.
Bereits in seinem zehnminütigen Erstlingsfilm "Das Brot und die Straße" aus dem Jahre 1969 (https://www.youtube.com/watch?v=WK-Im835IpI) entfaltet der iranische Filmemacher Abbas Kiarostami die für sein Oeuvre charakteristischen Merkmale eines semidokumentarischen Märchens. Alltag und Alptraum werden auf poetische Weise zu einer universalen Erkenntnis verknüpft. Die oberflächlich banale Alltagswelt des Kindes verwandelt sich urplötzlich in die alptraumhaft überzeichnete Angst aller Menschen vor dem Unbekannten. Erst mit der List des Jungen, den Hund mit einem Stück Brot von sich abzulenken, entspannt sich die Situation und offenbart sich Kiarostamis humanistischer Wille, seinem Publikum mit sanfter Didaktik Lebensmut zuzusprechen. Das Leben geht immer irgendwie weiter.
Fast alle Filme Kiarostamis wurden produziert vom "Institut zur intellektuellen Entwicklung der Kinder und jungen Erwachsenen", an dessen Gründung der Filmemacher Ende der Sechziger beteiligt gewesen ist. Doch nicht nur darum stehen Kinder im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit. Für ihn haben Kinderaugen etwas Magisches. Die Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen, bedeutet, an die Ursprünge der Wahrnehmung zurückzukehren. "Ich versuche, alles so zu sehen wie sie. Sie sind die Philosophen, sie sehen die Wirklichkeit viel klarer als wir Erwachsenen." In Kiarostamis erstem Spielfilm "Der Reisende" (1974) setzt ein fußballbegeisterter Junge Himmel und Hölle in Bewegung, um das Nationalteam im fernen Teheran spielen zu sehen. In "Wo ist das Haus meines Freundes" (1987), dem Film, der Kiarostami auch bei uns bekannt machte, will ein Achtjähriger seinem Freund im Nachbardorf ein versehentlich eingepacktes Schulheft zurückbringen. Das Vorhaben scheitert nach vielen Irrwegen an der Ignoranz der Erwachsenenwelt. Dennoch läßt sich der Junge nicht entmutigen und löst das Problem auf seine Weise. Beide Male ist es der noch ungebrochene Optimismus eines Kindes, der das schier Unmögliche möglich macht und durch bewußte Verstöße gegen autoritäre Regeln ein positives Menschenbild hervorkehrt.
Kiarostamis frühes iranisches Kino ist ein Kino der kleinen Gesten. Ihre Eindringlichkeit verdanken diese Filme der allgegenwärtig spürbaren Authentizität der Gefühle. Sie entsteht durch Improvisation in der Arbeit mit Laiendarstellern, durch die Dreharbeiten an Originalschauplätzen und durch den Verzicht auf technische Effekte jeglicher Art: "Ich glaube, die Technik für sich genommen ist eine große Lüge. Sie reagiert nicht auf echte Gefühle und echte Bedürfnisse." In langen Einstellungen sucht er nach jenen außergewöhnlichen Momenten, die Wahrheit in sich tragen, nach Augenblicken, deren unmittelbare Lebensenergie die vermittelnde Kraft eines Regisseurs nicht mehr bedarf.
Tschechien kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges. Ein Mann liegt im Bett und schläft. Als der Morgen graut, wird er unfreundlich geweckt. Die Sirenen heulen. Fliegerangriff. Die Bomben zerstören sein Haus. Nur der hintere Teil, dort, wo sein Bett steht, in dem er immer noch liegt, als wäre nichts geschehen, ist wie durch ein Wunder unbeschädigt geblieben. Verdutzt schaut sich der Mann um, wird sich der weggesprengten Mauern bewußt, vermag sein Glück im Unglück nicht zu fassen und beginnt zu lachen, lacht aus vollem Hals.
Bereits in "Liebe nach Fahrplan" (1966), dem ersten abendfüllenden Spielfilm Jiri Menzels, zeigt sich frühvollendet das tragikomische Talent des international profilierten tschechischen Filmemachers. Statt sich kathartisch aufzublasen, gluckert das Leid nur mehr absurd als zartbitterer Lacher die Kehle hinunter.
Im Mittelpunkt des 1968 mit einem Oscar ausgezeichneten Films stehen die sehr beschaulich inszenierten Ereignisse auf einem kleinen Provinzbahnhof. Alltäglich passieren deutsche Militärtransporte den Bahnhof. Doch niemand vom Personal scheint den Krieg ernst zu nehmen. Jeder ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, der Stationsvorsteher mit seinen Tauben, der Fahrdienstleiter mit der Telegraphistin und der schüchterne Lehrling Milos mit dem Verlust seiner Jungfräulichkeit. Gern wäre Milos ein Held im Feld und im Bett, ein ganzer Kerl, wie einst sein Vater und sein Großvater. Am Ende geht der Traum in Erfüllung. Erst verliert er seine Unschuld und kurz darauf, als er einen Munitionszug in die Luft sprengt, im Übermut auch noch sein Leben.
Wie viele andere seiner burlesk angekurbelten Komödien wider Willen, entstand auch "Liebe nach Fahrplan" nach einer literarischen Vorlage des Erzählers und Satirikers Bohumil Hrabal. Hrabals sanfter schwarzer Humor prägte den feinsinnigen Stil Menzels weitaus stärker als der zeitgenössische Einfluß westlicher Filmemacher. Darum geht es in seinen Filmen nicht zuletzt mit Vorliebe gemütlich zu. Kaum hat man Platz genommen, scheinen einem auch schon wohlig dampfende Gerüche aus der stets präsenten böhmischen Küche in die Nase zu steigen, verdichten sich in unprätentiöser Folge lakonische Alltäglichkeiten zu einer unsentimentalen Behaglichkeit, in deren kleinbürgerlichem Widerschein ein Ensemble skurriler Charaktere seine ganz privaten Süppchen kocht. Fast könnte man meinen, die Uhren seien stehengeblieben, das unentwegte Schwungrad der Moderne sei ideologisch abgenabelt von der Welt ins Stokken geraten.
Auf einem Schrottplatz in der Industriestadt Kladno sitzt eine seltsame Gesellschaft beisammen. Sogenannte "bourgeoise Elemente", kritische Intellektuelle, halsstarrige Juristen und enteignete Geschäftsmänner sollen durch Zwangsarbeit "umerzogen" werden. Doch der Plan der Planwirtschaftler scheitert. Die Feinde des Systems erweisen sich als die einzigen Freunde des wahren Sozialismus und bringen statt sich den ehrgeizigen Parteifunktionär ins Schwitzen. Trotz der versöhnlich gestimmten Untertöne wurde Menzels wichtigster Film "Lerchen am Faden" 1969 sofort verboten und erst 1990 auf der Berlinale uraufgeführt. Menzel selbst wurde mit einem Arbeitsverbot belegt, ist aber im Unterschied zu anderen "konterrevolutionären" Filmemachern des "Prager Frühlings" wie Milos Forman oder Ivan Passer, die in Hollywood ihr Glück versuchten, nicht emigriert. Erst ab 1975 konnte er wieder Filme drehen.
Cornell Woolrich ist bekanntermaßen ein guter Autor, leider ist Roy William Neil, der in den 1940ern mehrere Sherlock-Holmes-Filme mit dem großartigen Basil Rathbone inszenierte, kein wirklich begabter Regisseur. Die Produzenten hatten anscheinend kein großes Vertrauen in den Stoff, der das Zeug zum Klassiker gehabt hätte - mit einem entsprechenden Stab und den passenden Darstellern. Vor allem die beiden Hauptdarsteller nämlich sind nicht überzeugend, June Vincent sogar gewöhnungsbedürftig. Höhepunkte dagegen bieten die sehenswerten Auftritte von Peter Lorre als Clubbesitzer Marco, dessen Einsamkeit und Melancholie Lorre mit wenigen Gesten und kargen mimischen Nuancen brilliant zum Ausdruck bringt. Ansonsten schafft es der Film das eigentlich logische Ende - Sherlock Holmes hätte nicht mehr als sechzig Sekunden gebraucht, um den Fall zu lösen - recht erfolgreich zu verschleiern, um dann in einem überkonstruierten Finale alle erworbenen Verdienste wieder Preis zu geben.
Bis auf den interessanten Hund als Begleiter von Hondo, der leider recht früh massakriert wird, ein Western-Kitsch, der es allen recht machen will. John Wayne spielt John Wayne als Mann, der bei den Apachen lebte und vorgeblich eine besondere Beziehung zu ihnen hat. Davon merkt man abgesehen von einigen banalen Phrasen wie "Die Indianer mögen keine Lügen" nichts bei Wayne und auch nichts im Film von John Farrow, einem Mann für B-Flme, der hier glatt überfordert war. Der pseudo-politisch-korrekte Murks giftelt in der Aussage Hondos: "Ja wir werden sie alle töten müssen, ihre Lebenart wird verschwinden. Schade um sie." Und er sagt das in einem Tonfall, als ginge es um Rindviecher und nicht um die Tragödie einer Volksgruppe der amerikanischen Ureinwohner.
Wovon träumt ein Nachtportier, wenn er im strömenden Regen zu seiner Arbeit radelt, wenn ihm durchnässt bis auf die Knochen alle zehn Meter die Kette abspringt und er das Rad, von allen vergeblichen Mühen frustriert, schließlich tragen muss. Er träumt von einem Motorroller und ein Leben lang Benzin gratis dazu. Denn nicht nur das Fahrrad ist eine Ruine, mit seinen Finanzen steht es ebenfalls nicht zum Besten. Zum Glück für Dom kommt Fiona des Weges. Ohne Gepäck und ohne Schuhe und nur mit einem Schlafanzug bekleidet, bittet sie um ein Zimmer. Sie behauptet eine Fee zu sein. Drei Wünsche wolle sie ihm erfüllen, sagt sie ungerührt, als ginge es um ein kostenloses Probeabonnement. Zwei Wünsche sind bekannt, der Dritte bleibt offen.
Vor drei Jahren war die hinreißende Burleske „Rumba“ in den deutschen Kinos zu sehen. Sehr zum Vergnügen des Publikums stürzt darin das Leben des tanzbegeisterten Lehrerpär-chens Fiona und Dom auf fabelhaft skurrile Weise ins Chaos. Damals wie heute schrieben und inszenierten sich die beiden Hauptakteure Fiona Gordon und Dominique Abel gemein-sam mit Bruno Romy, der in „Die Fee“ als beinah blinder Barkeeper zu sehen ist, ihre Rollen wie Maßanzüge auf den biegsamen Leib. Zu Recht, wie sich erneut zeigt, vertrauen die bei-den früheren Tanz-Theaterkünstler vor allem auf ihr bemerkenswert reichhaltiges Repertoire an körperlichen Ausdrucksformen. Dialoge und Schauspiel finden kaum mehr als angedeutet statt. Lose gespannte Handlungsfäden verschnüren originäre Einfälle und altbewährte Slapstick-Gags, die liebgewonnene Erinnerungen wecken an alte Meister wie Chaplin, Keaton und Tati.
In dieser besonderen Verbindung von Elementen des modernen Tanzes mit der klassischen Körperkomik liegt die eigentliche Kraft des Humors in „Die Fee“, dem Eröffnungsfilm der Quinzaine des Réalisateurs beim letztjährigen Filmfestival in Cannes. Maßgeblich unterstützt von einem vielfältig swingenden Soundtrack, geben die pointiert inszenierten Stimmungs-wechsel dem überdrehten Plot immer wieder Kontur. Erste Höhepunkte sind der verschluck-te Deckel einer Ketchup-Flasche, der zu akrobatischen Atemblockaden führt und Fionas schrille Tanzperformance auf dem Rücken des völlig ermatteten Dom. Allerdings erweisen sich bei der Vielzahl der Ideen nicht alle gleichermaßen als derart tragfähig, wodurch es der einen oder anderen Situation an Schärfe fehlt und der Spannung an Niveau.
Während Handlung und Bildgestaltung in „Rumba“ von den schrägen, bonbonfarbenen Me-lodramen eines Pedro Almodovar inspiriert schienen, treten der Nachtportier und die Fee eher auf wie Angehörige der traurigen Gestalten des Finnen Aki Kaurismäki. Dass dessen letzter Film wie „Die Fee“ in der nordfranzösischen Küstenstadt Le Havre angesiedelt ist, dürfte Zufall sein, schließlich wirkt der pittoreske Stadtkern wie gemacht für eigenwillige Kinostoffe. Durchaus gewollt ist aber wohl, dass der unterkühlt heitere Kaurismäki-Touch adaptiert wurde, um dieser sehenswerten Farce über soziale Außenseiter allen Narreteien des Ensembles zum Trotz eine nüchterne Gestalt zu geben.
Das Märchen der coolen Fee droht denn auch bald an den humorlosen Beschränkungen der Realität zu scheitern. Dom ist ein argloser Habenichts, der nichts hat, weil er nichts sein will. Er scheint zufrieden mit sich und dem kleinen Hotel als Mittelpunkt seiner mehr als beschei-denen Welt, bis Fiona ihn überzeugt, dass das ungebundene Leben als Gesetzloser wesentlich reizvoller ist. Sie ist nämlich aus einer Anstalt für verhaltensoriginelle Persönlichkeiten ausgerückt und erfüllt Wünsche, auch ihre eigenen, indem sie frech sich nimmt, was ihr nicht gehört. Das bleibt nicht ohne Folgen. Wie auch die gemeinsam verbrachte Nacht auf dem Meeresgrund, in der sich Dom und Fiona bei einem exotischen Tanz näher kommen. Am Morgen darauf erwacht Dom am Strand wild zerzaust und allein. War alles nur ein bizarrer Traum?
Der berauschten Nacht am Meer folgt rasch die Bilanz der Natur. Zurück in der Anstalt wächst Fiona in Windeseile ein Bauch von exorbitantem Ausmaß. Irgendwie kann man sich aber nicht des Eindrucks erwehren, als stecke eine Art Blasebalg dahinter. Kann das sein? Ein billiger Trick? Oder nimmt der witzige Kniff gar das rührige Klischee von der unbefleckten Empfängnis aufs Korn? Wen diese Fragen nicht kalt lassen, sollte die Entbindung nicht ver-passen. Danach weiß man, dass Geburtsvorbereitungskurse die reine Zeitverschwendung sind. Darauf, was hier passiert, kann man sich nicht vorbereiten.
Fiona und Dom gehören zu jenen sympathischen Leichtfüßen, die seit Anbeginn des Kinos zwar belächelt, jedoch nie ausgelacht werden. Mögen die Hürden auch unüberwindlich an-muten, ihre vor Lebenslust sprühende Unvernunft sowie das Talent, die Wirklichkeit in der größten Not ausblenden zu können, bleiben ungebrochen. Nach einer irrwitzigen Verfol-gungsjagd springen Fiona und Dom ihrem fahrlässig verloren gegangenen Sprössling vom Rand einer Steilküste hinterher und nähern sich derart entspannt dem Abgrund als wären sie im Fahrstuhl unterwegs. Das Groteske wird zum Maßstab des Realen, die Rationalität als unzulässig abgelehnt. Dass diese schlussendlich doch die Oberhand behält, spätestens wenn im Kino die Lichter wieder angehen, daran vermag auch eine gute Fee nichts zu ändern.
Die Liebe zwischen Struensee und Königin erlebte ich im Kino nur als Behauptung. Nichts in dieser aufgesetzten Amour Fou, die in der ursprünglich gedachten politischen Erzählung zu viel Raum einnimmt, läßt sich aus meiner Warte als romantische Innigkeit oder aufrichtige und letztgültige Hingebung deuten. Beide Hauptdarsteller lassen die Tiefe der von ihnen abgebildeten Charaktere in meinen Augen blass und ohne Esprit im wankelmütigen Spiel zwischen Macht und Lust verkümmern. Hätte das große europäische Thema der Aufklärung statt des ausgewalzten Herzschmerzes detaillierter im Dialog und auch in differenzierteren Nebenfiguren abseits des gezeigten Gut-Böse-Schemas seinen Ausdruck gefunden und im eigentlichen Zentrum der Handlung gestanden, wozu auch der König Chistian (großartig Mikkel Følsgaard) und dessen verhaltensoriginelle Eigenarten gehören, dann wäre es womöglich tatsächlich der Film geworden, der den Preis für das Beste Drehbuch auf der Berlinale 2012 verdient gehabt hätte.
Ozons Geschichte hat viele berührende Momente. Merkwürdig nur, dass der Film einen - ähnlich wie das am Ende davon fliegende Kind seine Mutter - eher gleichgültig zurück läßt.
Als Milos Forman im Spätjahr 1965 ins Riesengebirge reist, gilt er nach zwei gefeierten Spielfilmen als Hoffnungsträger des jungen tschechoslowakischen Kinos. Gemeinsam mit seinen Drehbuchautoren will er in der Abgeschiedenheit der Stadt Vrchlabi ein neues Filmprojekt vorantreiben. Eines Abends nötigt ihn die kleinstädtische Langweile einen Feuerwehrball zu besuchen. Was er dort erlebt, ist derart alptraumhaft und anrührend zugleich, dass dieses Erlebnis ihn nicht mehr loslässt.
Etwa zwei Jahre später feiert die Komödie „Der Feuerwehrball“ Premiere. Im Mittelpunkt dieses satirischen Kleinods steht das absurde Treiben um eine Miss-Wahl. Als es zur Ent-scheidung kommen soll, flüchten die vom Feuerwehrvorstand geprüften Kandidatinnen pa-nisch auf die Toilette. Auch die geplante Tombola findet nicht statt. Sämtliche Preise wurden gestohlen. Als im Ort ein Feuer ausbricht, bleibt die Feuerwehr im Schnee stecken. Das Haus brennt ab.
Die feinsinnigen Anspielungen auf die Unfähigkeit der Staatsmacht trugen sicherlich zum Erfolg des Films bei, doch mit dem Ende des „Prager Frühlings“ im August 1968, bekam die Zensur kalte Füße und verbot Formans Filme. Als die Truppen des Warschauer Paktes in Prag einmarschierten, weilte Forman in Paris. Ihm war klar, dass seine Karriere in der Heimat beendet war, also nutzte er die Gelegenheit, um im Westen zu bleiben. Er emigrierte in die USA und begann für „Paramount“ zu arbeiten.
Aus dem Tschechen Forman wurde schließlich ein berühmter amerikanischer Filmregisseur. Welterfolge wie „Einer flog über das Kuckucksnest“ (1975) und „Amadeus“ (1986) bilden die Höhepunkte seiner Karriere. Für beide Filme wurde er als bester Regisseur mit einem Oscar ausgezeichnet.
Wären ihm diese Erfolge bereits 1940 vorhergesagt worden, als die Gestapo vor seinen Au-gen seine Eltern verhaftete, hätte es ihm womöglich Mut gemacht. Da war der nahe Prag als jüngster Sohn eines jüdischen Lehrers geborene Jan Tomáš Forman gerade mal acht Jahre alt. Er sah seine Eltern nie wieder. Seine Mutter wurde 1943 in Auschwitz, sein Vater 1944 in Buchenwald ermordet. Er wuchs mit seinen zwei Brüdern bei Freunden der Eltern und Verwandten auf, nach Kriegsende kam er in ein Waiseninternat. Dort begann er, sich für das Kino zu begeistern. Neben den Filmen von Charles Chaplin und Buster Keaton bewunderte er die Western von John Ford. Er absolvierte eine Ausbildung als Drehbuchautor an der Prager Filmakademie und probierte sich einige Jahre im Theater aus, bevor er Film-regisseur werden wollte.
Bereits Formans wunderbar ungezwungener und heiterer erster Spielfilm „Der schwarze Peter“ (1964) zeigt sein zentrales Thema, die individuellen Grenzen des Erlaubten und des Machbaren. Geschildert werden zwei Tage aus dem Leben des 16-jährigen Lehrlings Peter. Ohne ideologische Eintrübung erleben wir im Stile des cinéma vérité die empathisch abge-bildeten Liebes- und Lebensgefühle Jugendlicher im Konflikt mit Elternhaus und kleinbürgerlicher Ordnung. Sie suchen ihre eigenen Wege und erkennen, dass sie auf sich allein gestellt sind.
Immer wieder beschreiten Formans Protagonisten diesen beschwerlichen Weg der Selbster-kundung. Zunächst eher zurückhaltend und verträumt, wie der „schwarze“ Peter oder die blonde Andula in Formans zweitem Film „Die Liebe einer Blondine“, der im Jahr darauf in die Kinos kam. Später dann in Hollywood, dass in den Siebzigern mit Talenten wie Scorsese, Coppola und eben auch Forman keinen politischen, aber einen künstlerischen Frühling produzierte, waren die Charaktere etwas großspuriger im Ton und ihre Geschichten ebenso. Darin ging es schon mal, wenn nichts mehr ging, mit dem Kopf durch die Wand.
Das markanteste Beispiel dafür ist die Figur des McMurphy aus „Einer flog über das Ku-ckucksnest“, entstanden 1975 nach Ken Keseys Kult-Roman. Von ihm, dem angeblichen Sit-tenstrolch, der auf unzurechnungsfähig plädierte, um dem Gefängnis zu entgehen, lassen sich die systematisch unterdrückten Insassen einer Nervenheilanstalt in den Fünfzigern zum zivilen Ungehorsam verführen. Während einer nächtlichen Party mit Frauen und Whisky eskaliert die Situation. Auf die spontane Revolution folgen die gezielte Rache des Systems und die (geistige) Vernichtung. Es ist der Film von Forman, der dem Horror des Nationalsozialismus nicht nahe, aber am nächsten kommt.
Jack Nicholson agiert als klassischer Anti-Held mit beißendem Humor und angekratzter Wür-de. Hierin zeigt sich bereits, was auch die späteren Arbeiten Formans auszeichnet. Er hat kein Interesse an der Stilisierung seiner Protagonisten zu Übermenschen. Hinter ihren vielfältigen Verkleidungen lässt er stets tiefe Menschlichkeit durchscheinen, wir erkennen ihre Verletzbarkeit und sehen ihre Ängste, ohne uns mit ihnen identifizieren zu müssen. Besonders nachdrücklich zeigt sich dies 1986 in „Amadeus“, für den Forman das erste Mal wieder in Prag und erneut mit Kameramann Miroslav Ondříček arbeitete, mit dem er insgesamt sechs seiner zwölf Filme drehte.
„Amadeus“ löste eine weltweite Mozartbegeisterung aus. In dem Film wird Mozart aller-dings nicht als das aus der Zeit gefallene Genie dargestellt, sondern, wie in dem gleichnami-gen Theaterstück von Peter Shaffer, der auch das Drehbuch schrieb, als ein in die Jahre ge-kommenes Wunderkind. Verkörpert von dem TV-Darsteller Tom Hulce, brennt das komposi-torische Genie im korrumpierten Wiener Kulturbetrieb regelrecht aus. Er macht sich den Hofkomponisten des Kaisers, Antonio Salieri, zum Feind. F. Murray Abraham glänzt in dieser Rolle wie in keiner zuvor und danach. Salieri bewundert Mozarts Musik, verabscheut aber den Menschen als „infantile Kreatur“. Als er erkennt, dass allein Mozart und nicht er „Gottes Geschöpf“ ist, beginnt Salieri ein blasphemisches Zerstörungswerk.
Einer, der die schöpferische Lebensgier des Amadeus und die Doppelgesichtigkeit eines Sali-eri in sich vereint, ist der vom großartigen Woody Harrelson gespielte „Larry Flynt“ in dem gleichnamigen Film. Wieder geht es um einen historisch verbürgten Blasphemiker. Als Verleger des Pornomagazins „The Hustler“ hält Flynt der prüden Öffentlichkeit den Spiegel vor und die lässt sich nicht lange bitten. Ein Prozess folgt dem nächsten. Doch der streitsüchtige Flynt bleibt unbeugsam. Sogar nach einem Anschlag auf sein Leben, der ihn in den Rollstuhl zwingt, kämpft er weiter für seine Form der Meinungsfreiheit.
Larry Flynt ist eine Figur ganz nach Formans Geschmack, ein sarkastischer Mensch voller Empfindsamkeiten und Widersprüche auf der Suche nach der eigenen Wahrheit. Forman zeigt ihn großmäulig und kleinmütig, gewalttätig und niedergeschlagen, aber ohne dabei seine Schwächen entlarven oder desavouieren zu wollen. Er liebt diesen Flynt, ebenso wie er von Peter und Andula oder McMurphy und Salieri eingenommen ist und er erweist ihnen den Respekt, den sie verdienen, weil sie sich nicht abfinden lassen mit den Grenzen ihrer Lebenswirklichkeit.
Den Erfolg von „Amadeus“ konnte Forman nicht wiederholen. Mit „Larry Flynt“ gewann er zwar 1996 den Goldenen Bären auf der Berlinale und wurde ein drittes Mal für einen Oscar nominiert. Wie so oft aber blieb das große Publikum aus. Die Gründe sind nicht in der Quali-tät seiner Filme zu suchen, sie bieten stets ausgezeichnete Darsteller und geistreiche Unter-haltung. Es hat mit den Gesetzen des Marktes zu tun. Forman schenkt diesen keine große Beachtung und realisiert schlicht „seine“ Filme, auch wenn es einige Jahre dauert, bis eine Produktion steht.
Die Musical-Verfilmung „Hair“, eine vitale Revue über Anti-Vietnamkriegsbewegung und sexuelle Befreiung, hinkte 1977 ihrer Zeit ein paar Jahre hinterher. Mit „Ragtime“ realisierte er vier Jahre später E.L. Doctorows Roman um einen afroamerikanischen Kohlhaas mit großer Ausstattung und mit Hollywood-Legende James Cagney in einer Nebenrolle. Zuletzt kam 2006 das groteske Kostümdrama „Goyas Geister“ mit Javier Bardem und Natalie Portman in die Kinos.
Ob erfolgreich oder nicht, alle seine Filme zeugen von Formans künstlerischer Eigenständig-keit und seinem Willen als aufrührerischer Geist den Außenseitern und Ausgestoßenen eine Stimme zu geben und Unmenschlichkeit dort anzuprangern, wo er sie vorfindet. Nicht zuletzt darum gelingt es ihm unverändert, ein namhaftes Team und brillante Darsteller zu verpflichten. Sie drehen mit ihm, weil sie etwas Besonderes erwartet, die Arbeit mit einem Menschenfreund von hohem Rang.
Aktuell bereitet er die Produktion von „The Ghosts of Munich“ vor. Geschildert werden sollen die Ereignisse auf der Münchner Konferenz 1938, die das politische Ende der damaligen Tschechoslowakei und damit auch die Ermordung sei-ner Eltern zur Folge hatte. Nach so vielen Jahren scheint er sich den Phantomen seiner Kindheit selbst stellen zu wollen. Man darf gespannt sein.
Im Kino sind es oft die einfachen Geschichten, die tief bewegen. Dabei ist mit einfach keineswegs simpel, sondern vielmehr eine filmische Erzählung des Alltäglichen gemeint, die mit schlichten, aber anschaulichen Mitteln eine differenzierte Deutung des Lebens vornimmt. Wenn das gelingt, entstehen ungekünstelte, universell gültige Menschenbilder, die sowohl die widersprüchlichen Gefühlslagen zwischen den Generationen als auch die sozialen Differenzen einer Gesellschaft feinsinniger und unverwechselbarer wiederzugeben vermögen als die angepassten Filme des Mainstream.
Für die eigenwilligen Arbeiten des französischen Regisseurs, Autors und Produzenten Robert Guédiguian gilt das besonders. Seit nun mehr dreißig Jahren macht er Filme und wird in Deutschland bislang kaum wahrgenommen. Vielleicht liegt es daran, dass seine Themen speziell auf den gesellschaftspolitischen Kontext Frankreichs zugeschnitten sind. Im Grunde aber haben es französische Filme seit jeher schwer auf dem deutschen Kinomarkt, von vereinzelten Kassenerfolgen wie „Willkommen bei den Sch‘tis“ oder „Ziemlich beste Freunde“ einmal abgesehen. Sein hierzulande bekanntester Film „Marius et Jeannette“ (1997) ist eines der besten Beispiele für Guédiguians Talent, das Leben der nach außen hin einfachen Menschen glaubwürdig zu dramatisieren. Der beiläufige Humor und der unverbesserliche Optimismus, der seine Figuren auszeichnet, verleiht seinen Werken bei aller inhaltlichen Schwere etwas Leichtes und Unbekümmertes.
Vor der sonnenlichtgetränkten Kulisse seiner Heimatstadt Marseille, wo Guédiguian neben „Marius et Jeannette“ viele seiner Filme drehte, spielt auch die Geschichte seines neuen, bereits siebzehnten Films „Der Schnee am Kilimandscharo“. Im Mittelpunkt stehen Michel und Marie-Claire, beide über Fünfzig. Sie fühlen sich nicht mehr ganz jung, aber auch längst noch nicht alt. Sie sind das, was man gemeinhin glücklich nennt. Sie lieben und achten ei-nander, haben ein schmuckes, eigenes Haus, zwei erwachsene Kinder, süße Enkel und gute Freunde. Alles ist, wie es sein soll. Sogar die plötzliche Arbeitslosigkeit des Hafenarbeiters und leidenschaftlichen Gewerkschafters Michel trübt das Glück nur vorübergehend. Nach einer kurzen Phase des Selbstmitleids rappelt er sich der wieder auf und richtet sich in der Rolle des Hausmanns ein.
Guédiguian nimmt sich Zeit, um seine Figuren und ihr soziales Umfeld vorzustellen und wird dabei von seinen Hauptdarstellern Jean-Pierre Darroussin und Ariane Ascaride (die Jeannet-te spielte) auf brillant unauffällige Art unterstützt. Bald erscheinen Michel und Marie-Claire einem so vertraut wie gute Bekannte, mit denen man auf ihrer Terrasse gern ein Glas Wein trinken würde. Angelehnt an ihr gemeinsames Lieblingslied „Les Neiges du Kilimandjaro“ bekommen sie zum dreißigsten Hochzeitstag die Flugtickets und das Geld für eine Reise nach Kenia zum Kilimandscharo geschenkt. Was von ihren Freunden und der Familie als Krönung ihres gemeinsamen Lebens gedacht ist, entpuppt sich aber bald als der Beginn einer Kata-strophe. Eines Abends zu Hause, sie sitzen mit Freunden beisammen, dringen Maskierte be-waffnet in das Haus ein und lösen mit diesem Gewaltakt ein Trauma aus.
Plausibel verdichtet Guédiguian die sich nun entwickelnden Ereignisse zu einem Drama über soziale Differenzen und durchleuchtet subtil die Spannungen zwischen den gefestigten Ge-fühlen des Paares und dem brutalen Verbrechen. Während die stabile und unbeschwerte Marie-Claire innerhalb kurzer Zeit in den Alltag zurückfindet, tut sich der grüblerische Michel damit schwer. Die Demütigung durch die Räuber verfolgt ihn. Unvorhergesehen trifft er einen Bekannten auf der Straße und erkennt in ihm einen der Täter. Michel folgt ihm und schleicht sich ein in sein Leben. Der junge Mann lebt mit zwei jüngeren Geschwistern, um die er sich fürsorglich aufkommt. Schnell wird klar, dass das gestohlene Geld der Unterhalt für die Kinder ist. Michel zweifelt. Soll er ihn anzeigen? Was wäre die Alternative? Vergeben und vergessen? Michel kann aber nicht vergessen und vergeben erst recht nicht, also lässt er ihn verhaften. Der Kommissar bietet Michel sogar die Gelegenheit sich zu rächen und den gefesselten Täter zu schlagen. Doch Michel will ihn verbal demütigen, was nicht gelingt. Stattdessen macht der geständige Räuber ihm, dem gestandenen Sozialisten, schwere Vorwürfe wegen seiner materialistischen Lebensweise.
Guédiguian treibt hier einen politischen Diskurs auf die Spitze, der in Deutschland - man denke an den Porsche des Herrn Ernst - ebenfalls nicht unbekannt ist und hält der alternden Führung der sozialistischen Partei Frankreichs, für die er sich seit langem engagiert, den Spiegel der enttäuschten Jugend vor. Der Filmemacher verhandelt aber mehr als eine oberflächliche Debatte über lasch gewordene Sozialisten. Er hinterfragt die verschiedenen For-men der Gerechtigkeit, die ein Verbrechen und dessen Aufklärung begleiten. Zwischenzeit-lich entwickelt der Film sogar den Sog eines Kriminalfilms. Wem nützt die Verurteilung des Täters? Ist der juristischen Gerechtigkeit damit Genüge getan? Der bestimmt, denn er muss seine Tat im Gefängnis sühnen. Hinter die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit aber macht Guédiguian ein dickes Fragezeichen, was ihm von konservativen Kreisen den Vorwurf ein-brachte, diese Art von Delikten zu verharmlosen. Aber ist es eine Verharmlosung, das Für und Wider einer Strafe zu diskutieren, wenn sie den Kindern den Ernährer raubt? Michel und Marie-Claire jedenfalls wissen, was zu tun ist.
Am Ende verleiht Robert Guédiguian seinem klug ausbalancierten Film, der sich der den An-spielungen einer Komödie in einzelnen genau skizzierten Situationen ebenso wenig ver-schließt wie der Tragik des Täters, einen Zug ins Märchenhafte. Nach einem gerüttelt Maß an Kümmernissen möchte er seinen Hauptfiguren etwas Gutes zu tun. Aber ein Happy End? Nein, dafür ist selbst der ewige Schnee am Kilimandscharo, wie Marie-Claire und Michel schmerzlich erfahren müssen, zu vergänglich und im Grunde auch nicht der Rede wert.
Manche Filme, die einem gut gefallen, will man nicht unbedingt ein zweites Mal anschauen. Man ist froh, sie ausgehalten zu haben. „Tyrannosaur“ ist einer von diesen Filmen. Bereits der Untertitel der deutschen Verleihfassung ist eine Zumutung für jeden, der mit dieser "Liebesgeschichte" romantische Erwartungen verknüpft. Das Vokabular klassischer Love Stories kommt mit keiner Silbe zur Sprache. Nur vereinzelte, verschämte Blicke verweisen auf konkrete zwischenmenschliche Neigungen. Die plötzlichen Ausbrüche rücksichtsloser Härte dagegen zeigen nachhaltig Wirkung.
Ein Mann kommt aus der Kneipe, stark angetrunken und stinksauer verpasst er seinem Hund ein paar derbe Fußtritte in den Leib. Der Hund stirbt. Kurz darauf sitzt der Mann, er heißt Joseph, allein im Dunkeln in einem schäbigen Garten und trauert um das Tier, das seine Tage meist in einem baufälligen Schuppen verbrachte, wie um einen guten Freund, verzweifelt und noch wütender.
Wenige Szenen später sehen wir Hannah in ihrem blitzblanken Eigenheim auf dem Sofa liegen. Sie scheint zu schlafen. Ihr Ehemann kommt nach Hause, sie rührt sich nicht. Wenig später steht er neben ihr und pinkelt sie an. Hin und her wandert der Strahl auf ihrem regungslosen Körper. Sie rührt sich noch immer nicht. Dann geht er weg. Zurück bleibt vollkommene Stille. Dann plötzlich bewegt sie sich. Schnitt. Am nächsten Morgen putzt sie akribisch das Sofa. Das Leben geht weiter.
Das gilt auch für den Zuschauer, der wieder zurück finden muss in seine Rolle. Nur gut, dass ihm genügend Raum dafür gelassen wird. Anstatt die Konfliktherde weiter eskalieren zu lassen, wie es die ersten Szenen mit harten Blicken und Schnitten andeuten, geschieht das Unwahrscheinliche. Zwischen dem wütenden Joseph aus der Sozialbausiedlung und der demütigen Olivia aus der gutbürgerlichen Gegend entwickelt sich eine Art von Freundschaft, die mit den altgedienten Bedeutungen des Wortes "Liebe" zunächst wenig gemein hat.
Dass der Schauspieler Paddy Considine in seinem Regiedebüt großes filmisches Talent beweist, sieht man in beinah jeder Einstellung. Die Bilder von Kameramann Erik Alexander Wilson sind streng komponiert, kalte Farben beleuchten matt eine eisige Welt, aus der es kein Entkommen gibt. Weder Lügen noch andere Ausflüchte helfen weiter. Die stupide Nüchternheit des Alltags holt die Menschen schnell wieder ein. Allein der Alkohol ist ein treuer Freund, dem man sein Leben anvertraut. Herzhaft lachen sieht man Considines Ensemble der Desillusionierten nur bei einer Beerdigung mit Tanz und Tralala. Ansonsten herrschen Gewalt und Ohnmacht.
Der Titel des Films entstammt einer Erzählung Josephs über seine verstorbene Frau, die füllig und gutmütig sein Leben diktierte, was ihm nun zu fehlen scheint, denn zumindest so viel wird deutlich, nach diesem Verlust, überkam ihn die Wut und mit ihrem Toben in seinem Kopf gab er die Kontrolle über sein Leben auf. Wenn seine Frau, so erzählt er, schwer atmend die Treppe in den ersten Stock stieg, wo er gern seinen Tee trank, bebte das Haus und der Tee in der Tasse zitterte. Wie in „Jurassic Park“, sagt er, darum nannte er sie Tyrannosaur. In Steven Spielbergs Science-Fiction-Abenteuerfilm jagt der Tyrannosaurus den Menschen panische Angst ein, das Untier betrachtet sie mitleidlos als Nahrung.
Die Vorgeschichte der Figuren, die Rückschlüsse zulassen würde auf ihr Handeln und Fühlen verharrt in knappen Andeutungen. Offene Fragen springen einen an. Woher kommt diese Wut? Woher kommt diese Demut? Considine liefert keine fertigen Antworten, aber eine konkrete Ahnung, die alle angeht. In einer modernen Industriegesellschaft, deren ökonomische Zwänge einen wachsenden Teil ihrer Gemeinschaft ausgrenzen, gehört die Angst vor dem Gefressen werden zum Alltag. Wenn das Selbstbewusstsein auf die schiefe Bahn gerät, könnte es jedem ergehen wie Hannah und Joseph. Bleibt das Stolpern aber nicht die Ausnahme, weil niemand Anteil nimmt an ihrem Verhängnis, wird das Scheitern zum Normalfall.
Nicht Anteil zu nehmen, wird einem aber alles andere als leicht gemacht. Die gezielten Rohheiten laden regelrecht ein, Partei zu ergreifen. Aber für wen? Wer ist unschuldig, wer schuldig? Es gibt keine eindeutigen Zuweisungen. Moralische Kategorien werden nicht erörtert. Hohl klingen denn auch die Rufe nach Glaube, Liebe Hoffnung durch Olivia. Als Joseph eines Tages schwer verprügelt ihre Nähe sucht, betet sie mit ihm. Er aber weist ihren Trost als verlogenes Geschwätz zurück. Die Werte ihrer vertrauten, bürgerlichen Welt haben für ihn jeden Sinn eingebüßt. „Tyrannosaur“ handelt davon, wie steinig der Weg ist, diese erneut mit Bedeutung zu füllen.
Inhaltlich und stilistisch geprägt von der Nähe zur sozialrealistischen Tradition des britischen Kinos, dessen renommierteste Vertreter Ken Loach und Mike Leigh in unseren Kinos seit längerem keine Unbekannten sind, stellt Considine die im Mainstream-Kino oft unscharfen Ränder der Figuren in den Mittelpunkt des Geschehens und entwickelt mit seinen außerordentlichen Darstellern Peter Mullan als Joseph und Olivia Colman als Hannah ein Kammerspiel von großer Eindringlichkeit.
Selbstlos gestaltet die Kamera den Blick in das Innere des scheuen Liebespaares. Sequenz für Sequenz lernt man es besser kennen, wird zum tief bewegten Zeugen einer seelischen Annäherung. Bald zeigt sich, nur äußerlich sind beide grundverschiedene Menschen. In ihrer emotionalen Isolation spüren sie eine Verbundenheit, die unaussprechbar ist, sie aber wie ein Sog zusammen führt.
Hannah und Joseph wären einander gewiss fremd geblieben, gäbe es nicht wenigstens im Kino hin und wieder ein kleines Wunder. In einer fabelhaften Einstellung am Ende glänzt der Stacheldraht eines Gefängnisses im winterlichen Himmelblau wie ein Silberstreifen am Horizont, dennoch ist klar, geschenkt wird ihnen nichts, Hannah und Joseph werden weiter um ihr kleines Stück vom Glück kämpfen müssen.
Tatsächlich ist Depardieu ein fimisches Monstrum, der die Szenen an sich reisst, weil er es gewohnt ist, dass man ihn machen lässt. Schlechtere Filmemacher sind von ihm abhängig. Charbrol dagegen nutzt das elefantöse Ego des Stars (natürlich mit dessen Einwilligung), um der Selbstgefälligkeit des ebenso berühmten wie beleibten Kommissars (Maigret lässt grüßen) die nötige Fülle zu geben und um die schlussendliche Demontage des Detektivs als Ermittler und vor allem als Mensch noch eklatanter werden zu lassen.
Bruno Ganz ganz groß!
In all seinen Filmen gelingt es Malick das Großartige, Magische und Tragische in den wesentlichen Momenten des Menschlichen einzufangen. Immer wieder findet er neue unverbrauchte Bilder für seine stetig wiederkehrenden, mutigen Psalme. Auch in seiner neuen Schöpfungsgeschichte "Tree of Life" berührt er die innigsten Tiefen der Gefühle seiner Figuren, zeigt ihre Vergeblichkeit und offenbart die Härte ihres Versagens vor sich selbst mit einer einzigartigen Zartheit und auch mit einer hellsichtigen Naivität, die uns spüren lassen will, dass wir angesichts der Urgewalten des Kosmos nur einen Lidschlag vom Abgrund des Ewigen entfernt sind.
Brilliante Darbietung von Felicity Huffman in einem ansonsten eher durchschnittlichen Film.
Wunderbare Szenen mit Kaufmann und Herbst (siehe Ruderboot). Leider ist der Rest meist zu brav und manchmal kitschig, aber oft auch eben nicht kindgerecht. Meine Tochter (5) fands grausig, Abschalten nach 30 Minuten, den Rest alleine geguckt. Kinderfilm??
Breloers Größenwahn sich mit Visconti messen zu wollen, ist "Buddenbrooks" Untergang. Die bemühten Darsteller halten einen noch eine Weile bei Laune, aber die eintönigen Bilder von Roll und die Einfallslosigkeit der Regie schläfern bald jedes Interesse ein. Ich empfehle die sehr gute mehrteilige Fernsehfassung von Franz Peter Wirth aus dem Jahr 1979.
Im Gegensatz zum Vorbild wird hier zu häufig psychologisiert. Das Schuld-und Sühne-Gequatsche ist lästig und überflüssig. Richet hat Talent, er schafft es aber nicht, dem Film seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Es wird deutlich, warum Carpenters unprätentiöseres Original ein Klassiker geworden ist.
Sehr sympathische, kluge und kindgerechte Unterhaltung auch für die Kleineren. Meinen Töchtern, vier und acht, hat der Film viel Spaß gemacht, gerade weil ihnen die in vielen sogenannten Kinderfilmen mit übertriebener Spannung aufgeladene Konfliktwelt der Erwachsenen erspart blieb.
Erinnert in seiner kompromisslosen Geradlinigkeit stark an Boormans "Point Blank": "I want my money back". Es fehlt aber an Esprit und stilistischer Originalität um dem Klassiker-Vorbild gerecht zu werden. Liam Neeson überzeugt dagegen in einer Bruce-Willis-Rolle mit Charakter und Loser-Charme. Leider dampft das kitschige Ende den ganzen Plot auf Mittelmaß ein.
Für mich gehören zu einem sehenswerten Spielfilm unabdingbar auch immer sehenswerte Schauspieler. Orlando Bloom und Eva Green überzeugen mich hier nicht. Zu wenig Ausstrahlung, zu wenig Charisma besonders in ihren gemeinsamen Szenen. Ansonsten leistet das Gespann Scott und Monahan gute Arbeit und ist dem eher islamfeindlichen Massengeschmack des Westens hoch überlegen.
So stellen sich die Briten die Wannseekonferenz vor, die verkniffenen, krankhaft dienstbeflissenen Deutschen planen den Massenmord an allen Juden in Europa. So oder so ähnlich würde das wohl jeder Zuschauer auch erwarten. Tatsächlich ist die deutsche Version der Konferenz von Heinz Schirk aus dem Jahr 1984 viel erschreckender: Die Verbrecher lachen und lachen und lachen, als sie beschließen 11 Millionen Menschen umzubringen.
Haggis ist ein guter Drehbuchautor und auch ein guter Regisseur, dass er dennoch keine guten Filme macht, liegt daran, dass ihm seine Schlüsselbotschaften wichtiger sind als die künstlerische Kraft seiner Arbeiten.
Bis auf ein paar gelungene Ideen, die tröpfchenweise das erzählerische Elend der Phantasie - und Humorlosigkeit (wer sagte noch, das sei eine Komödie?) auflockern, ein gnadenlos sich selbst überschätzender Film.
Spannende Verwicklungen aus den Tagen des Kalten Krieges, diesmal aus sowjetischer Sicht, die, dramaturgisch leider wenig interessant, schließlich in der ach so bekannten Heldensackgasse Hollywoods verkümmern.