GlorreicherHalunke - Kommentare

Alle Kommentare von GlorreicherHalunke

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    "Paul Thomas Andersons "Licorice Pizza" ist mit vier Auszeichnungen der große Gewinner in der Bestenliste des Jahres 2021 des National Board of Review."

    https://beta.blickpunktfilm.de/details/466470

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    • 8 .5

      Nachgereicht.
      Zum 2. Advent für Tenet, der mir meinen ersten Kubrick-Kommentar verordnet hat.

      Doch kann ich nicht über gute Filme sprechen, ohne über Scorsese zu sprechen.

      Teil I – Mit welchen Mitteln Redmond Barry zum Namen und Titel des Barry Lyndon kam

      Zum Technischen ist alles gesagt. Meine Wenigkeit kann nur staunen.
      Und was Tenet zu „8 ½“ geschrieben hat, gilt auch hier.
      Eine Vielzahl von Kameraeinstellungen würde ich mir sofort in mein arkadisches Landhaus in der russischen Steppe hängen, während auf einem Plattenspieler in der Ecke die Sarabande in Dauerschleife tönt.

      „Der Pate“ kommt bei Kubrick und Scorsese seiner sprichwörtlichen Bedeutung nach.
      Vor seinem Abgesang aus dem Jahr 2019 modernisiert Scorsese die universellen Themen zur Rock-Opera in seinen großen Mafia-Filmen.
      Kubrick setzt auf Re-Enactment (gibt leider kein treffendes Wort in der deutschen Sprache). In dieser Rückbesinnung liegt Erhabenheit, wenn die vergangene Epoche als solche eingefangen wird, ohne sie zu (v)erklären. Die Epoche ist und geht vorüber und wird durch andere Epochen abgelöst.
      „Barry Lyndon“ zeigt, dass der Mensch den Moden seiner Zeit unterworfen ist. Sich nie von Ihnen befreien kann, da Fortschritt zwar notwendig ist, aber notwendigerweise auch nur mit der Zeit kommt. Wie der vergängliche Mensch. Auf der Leinwand bleibt der Mensch letztlich vergänglich und verletzbar. Die Epoche lodert im Hintergrund auf wie ein helles Strohfeuer, dass doch nur in der Melancholie des Regisseurs Bestand hat. In der Melancholie des Zuschauers verbindet sich das Strohfeuer mit den tanzenden Puppen und wird ihm so gegenwärtiger als es die Gegenwart jemals sein kann.
      Wie gern würde man selbst Abenteuer erleben, wie es Barry tat. Desertieren. Weibliche Festungen auf Bauernhöfe einnehmen. Schelmisch sein. Wir verweilen mit Barry. Sympathie ist Geschmacksfrage, aber Nachvollziehbarkeit und Verständnis ist Ausdruck der feinen Charakterzeichnung. Darauf kommt es an. Ein guter Regisseur wertet nicht; er beschönigt aber auch nicht. Er vollstreckt die Erzählung so wie sie erzählt werden muss, weil sie nur so stimmig ist. Barry Lyndon kann nicht in den liebenden Armen seiner Gattin enden, so sehr wir es ihm auch wünschen. Kern der Geschichte ist nicht die magische Kraft der Liebe, sondern der Selbstbetrug eines Mannes.
      Es ist eines der größten Geheimnisse der Menschheit. Wie kann ein Mensch sich selbst betrügen? Wir alle sind im Selbstbetrug verstrickt. Angelockt von den großen Versprechungen der Welt wird Tugend zur Zielstrebigkeit. Und die Zielstrebigkeit verwehrt sich dann dem Ende, das sie selbst immer heraufbeschworen hat. Weil im Leben andere Gesetze gelten, wie es uns jegliche Philosophie, Weltanschauung und eigenes Räsonieren einreden wollen. Der Mensch muss handeln. Und darin ist jegliche Tragik verwoben.

      Teil II – Enthält einen Bericht über das Unglück und die Katastrophen, welche Barry Lyndon widerfuhren

      Spätestens hier unterscheidet sich Kubrick von Scorsese. Ist der Abstieg bei Scorsese stets der schale Nachgeschmack einer krachenden Achterbahnfahrt, so räumt Kubrick diesem eine ähnliche Zeitspanne wie dem Aufstieg an. Der Zuschauer sieht Barry leiden und leidet über die Zeit mit. Vielmehr fällt ihm auf, dass Barry auch beim Aufstieg litt. Es ist keine bloße Abrechnung mit dem Lebensstil wie in Goodfellas, sondern ein trauriges Weitermarschieren Richtung Abgrund. Takt für Takt im Sarabandenschritt. All seiner Sünde Sold muss gezeigt werden. Endet Scorsese augenzwinkernd, schließt Kubrick die Augen der Zuschauer, um ihn vor dem weiteren Ungemach zu bewahren.
      „Es ist genug.“ mag Barry sagen.
      Der Wolf, Henry Hill oder Ace würden sagen: „Ich habe noch immer nicht genug.“
      Freilich. Ace und Barry kehren wieder zum Spieltisch zurück. Aber Ace ist nicht so tief gefallen wie Barry.
      Ace verlor seinen Status, Barry verlor sein ganzes Leben.
      Ace bleibt Hedonist. Barry wird Fatalist.
      Und darin zeigt sich nur, was oben behauptet worden ist. Epochen ändern Menschen. Nicht umgekehrt.
      Die Fallhöhe schrumpft. Ich darf jetzt nicht politisch werden.

      Zurück zum Eigentlichen.
      Im Mittelpunkt des Dramas stehen menschliche Entscheidungen. Reden, Hadern, Zaudern und schließlich die Tat oder das Unterlassen.
      Zum Schluss: Ein schaler Sieg oder langes Bedauern. Doch wo nichts mehr auf dem Spiel steht, schwindet erst die Tragik und dann die Verantwortlichkeit.

      Die Sarabande lockt mich. Sie lockt mich in die dunklen Ecken. In die dunklen Ecke jedes Menschen. Jedes Menschen, der es doch nur gut meint. Mit sich selbst. Und den anderen. Und doch blind bleibt.

      „Nachwort – Es war während der Regentschaft Georgs III., dass die vorerwähnten Personen lebten und stritten; gut oder böse, schön oder hässlich, arm oder reich, sie alle sind nun gleich.“
      Und dann verblendete das Licht der Aufklärung den menschlichen Geist weiterhin.

      Ein Werk wie Barry Lyndon ist in einer dauerzwinkernden Gesellschaft, die nur die guten Gefühle kultiviert, undenkbar und leider auch unnötig.
      Ein unnötiges Werk, das sich nicht aufdrängt. Ars gratia Ars. Nicht weil es Spaß macht, sondern weil es muss.

      10
      • 5

        I. Rundumschlag

        „Ford v Ferrari“ verhält sich zu der „Fast and the Furious“-Reihe wie „Gran Tourisimo“ zu „Need for Speed“.
        Das eine ist übertriebener und aufregend, das andere realistisch und einschläfernd.

        Man könnte auch sagen: Der Pixar-Hit „Cars“ ist endlich aus Sicht der Menschen verfilmt worden.
        Nicht, dass man das nicht schon vorher gemacht hätte.
        Aber denke ich zurück an die Stallone-Gurke „Drive“ hat man hier ein generalüberholtes Werk auf die Zuschauer zurasen lassen.

        Ansonsten kamen mir Autorennen bisher nur auf die komödiantische Art und Weise unter. Den schrulligen Tausendsassa „Dudu“ ziehe ich dabei jederzeit dem Schnösel „Herbie“ vor.

        Dann wäre da noch die Todesspielvariante „Death Race“ – ein wahrer Kracher, den ich mir lieber behalte, wie er sich in meiner Erinnerung festgesetzt hat. Vor kurzem habe ich die Gelegenheit einer erneuten Sichtung im Rahmen meiner „Todesspiel“-Phase bewusst verstreichen lassen.

        Zu guter Letzt bin ich natürlich auch schon mit dem „Transporter“ über die Pisten gejagt und habe mich dabei prächtig amüsiert.

        II. Zurück auf die Matte

        Mich reizt die Formel 1 nicht. Michael Schumacher war nie ein Idol für mich. Raser im freien Straßenverkehr blitzen bei mir ab; gerade die, die überholen und sich auf die Reaktionsgeschwindigkeit des Gegenverkehrs verlassen. Es steht für mich einfach zu viel auf dem Spiel in diesen Momenten. Aber gut, jeder hat seine Leidenschaft.
        Und das hatte ich mir dann doch erhofft: Dass der Film mir ein Stückweit den Spirit des Rennsports eröffnet; mich vielleicht neugierig macht. Und die Aussichten dafür standen bei einem ImdB-Ranking über 8,0 ja nicht schlecht.
        Doch, es passierte nichts.
        War das Cold Opening mit dem brennenden Damon noch vielversprechend, flachte es bei der salbungsvollen Rede über das Rennfahren schlagartig ab. Irgendetwas mit Identität. Er wird gegen Ende darauf zurückkommen, ohne dass ich wüsste, worauf er genau raus möchte. Es ist eine beliebige PKW-TV-Werbung.

        Das Drehbuch geriert sich so vorhersehbar, dass man sich teilweise wünschen würde, die Realität wäre etwas spannender. Die Charakterentwicklung des Protagonisten ist platt, schnörkellos und zum Ende versöhnlich abgerundet trotz des Schicksalsschlages, der wirklich gut, da distanziert, in Szene gesetzt wurde.
        Über die Technik des Sports habe ich selbstverständlich etwas gelernt, aber das hätte mir ein Kommentator genauso erklären können, vielleicht sogar unterhaltsamer.

        Doch die Dramaturgie wird in nicht hinzunehmender Art und Weise vereinfacht und zugespitzt.
        Bis heute ist zwar nicht geklärt, welche Beweggründe Ford II. zu dem „toten Rennen“ bewogen haben. Fest steht jedoch, dass es nicht unbedingt darum ging, Ken Miles eins auszuwischen. Ford II. hatte wohl auch berechtigte Sorge, dass die Fahrzeuge bei voller Auslastung einen technischen Defekt erleiden wie 9 der 12 von Ford sowie zahlreiche andere Rennsportwagen. Doch diese Sorge wird im Film gar nicht adressiert. Das Drehbuch will einen tief geläuterten Helden – und das wird dem angeblich realistischem Anstrich nicht gerecht.

        III. ADRIAAAAAAAAAAAAN!

        Sylvester Stallone hat denselben Film schon mal gedreht. Behaupte ich mal. Gut, Rocky ist eine Underdog-Geschichte eines Einzelnen, während es hier eine ganze Firma nach Profit und Image lechzt. Die Personalie „Ken“ ist daher umstritten, aber letztlich beweist er sich, wandelt sich vom Egoisten zum versöhnlich-betrogenen Teamplayer und kehrt immer wieder in die fürsorglichen Armen seiner Frau zurück.
        Vor, nach und während jedem Rennen hält er engen Kontakt zu ihr. Zu der Frau, die weiß, dass ein Mann tun muss, was ein Mann tun muss, und sich dabei selber taff und quirlig verhält, ohne ihn je von seiner Leidenschaft abbringen zu wollen.
        Wie Adrian ihren Rocky im TV anfeuerte, so setzt sie sich samt Sohn vor dem Fernseher, um dem Pater Familias zuzuschauen.
        Über die Rolle der Frau in diesem Film bin ich erstaunt, freilich spielt der Film in der Vergangenheit, aber ich könnte mich nicht daran erinnern, dass die Ehe in den letzten Jahren in Hollywood als so etwas Wunderbares dargestellt wird.

        Rocky kämpft nur für sich. Ken Miles kämpft für Ford.
        Ken Miles´ Status als Arbeitnehmer gilt in der heutigen Gesellschaft als erstrebenswert. Der Arbeitgeber gesteht ihm nach anfänglicher Skepsis ein paar Narrenfreiheiten zu und erfreut sich, wenn sich das für die Firma auszahlt.
        Ken Miles fügt sich am Ende des Rennens der harten Linie seines Arbeitgebers und als es überraschenderweise nicht zur verdienten Ehrung kommt, sind seine Gedanken schon wieder ganz auf die Verbesserung „seines“ Produkts ausgerichtet.
        Dass er am Ende doch nur Kohle für einen weltweiten Verein scheffelt, interessiert ihn nicht, da er genau das machen darf, was er immer machen wollte. Für Ford ist nur wichtig, dass Miles es sich nicht leisten kann, ein eigenes Unternehmen aufzubauen.
        So stellt sich am Ende die Frage, wer es besser hat? Der, der nach harten Anweisungen sein Brot sauer verdient, oder der, der seine Leidenschaft aus Mitteln und zugunsten eines Begüterteren auslebt?

        IV. Kein Abschluss

        Wir lieben es, unsere Helden aufsteigen zu sehen, aber sinnstiftende Dramatik ergibt sich erst, wenn sie fallen. Ken Miles ist zwar gefallen, aber er blieb ein makelloser Held, weil er sich nicht treu blieb. Zwar konnte er seine Sturheit in Bezug auf sich selbst überwinden, aber dem Sport blieb er aufs Äußerste verbunden. So blieb er auf dem Schlachtfeld zurück, das er sich auserkoren hatte.
        Der Film spult am Ende noch sehr überhastet ein paar Trivia-Fakten auf, die sich mit dem Erfolg der Ford Company in den nächsten 4,5 Jahren beschäftigen.
        Doch was war danach? Hörte die Rivalität zwischen Ford und Ferrari einfach so auf, ging man seitens Ford ein anderes Marketing ein. Der Zuschauer weiß es nicht und ich bin der Recherche überflüssig *seufz*.
        Fest steht jedenfalls, dass Ford heute für ein anderes Klientel produziert als Ferrari.
        Im Film nur die Glanzzeit Fords zu zeigen, mag zwar legitim sein, unterhaltsam und erkenntnisfördernd ist es nicht.
        Und doch hebt Enzo persönlich zum Schluss stil(l)voll seinen Hut vor Ken Miles.
        Die Geschäftsleitung von Ford hat den Coup, Enzo die Chuzpe.

        Und überhaupt sollte der Titel nicht „Ford v Ferrari“ lauten, sondern „Ford v Ford“.
        Man erfährt mehr über die Nickligkeiten untereinander als zwischen der Auseinandersetzung zweier mächtiger Automobilproduzenten. Auch der Fahrer des Ferraris im letzten Rennen kommt nicht über seinen Status als Pappkamerad „Unsympathisant“ hinaus.

        So soll man sich am Ende ja auch gar nicht freuen, dass Ford gewonnen hat, sondern dass Ken Miles ein besserer Mensch geworden ist. Und bessere Menschen werden entweder noch besser oder sie treten ein letztes Mal aufs Gas.

        V. Fazit
        Handwerklich mit Ausnahme des schablonenhaften Drehbuchs top, aber für mich kein Wiederschauwert.

        7
        • 6 .5

          habe nicht so viele Bergsteigerdokus geschaut, aber in 6 Monaten und 6 Tagen alle 8.000er zu erklimmen. Wahnsinn!
          Wie hieß es am Ende zurecht: Wäre das einem Westler gelungen, hätte es höhere Wellen geschlagen.
          Nunja, zumindest NF hat sich jetzt erbarmt.

          7
          • 10
            über Maid

            Zur Auftaktepisode

            Ich muss überschwänglich werden.
            Das war eine der besten Auftaktepisoden, die ich jemals sehen durfte. Sie funktioniert sogar als Kurzfilm bzw. als Teil einer Anthologieserie. Es hätte sogar als Vorgeschichte zu Squid Game gepasst, aber hier gibt es kein magisches Spiel, das Erlösung verheißt.
            Bärenstark spielt Margare Qualley, deren großes Talent mir schon in ihrer feinen Rolle als Pussy Cat in „Once upon a time... in Hollywood“ aufgefallen ist.
            Die restlichen Figuren fallen dementsprechend etwas ab, ohne jedoch konturlos zu wirken.

            Nacherzählung der ersten Episode

            Margaret Qualley ist Alex.
            Alex hat es satt.
            „Es“ meint vor allem ihren Freund Sean, der ein guter Kerl sein könnte, wenn er unter Alkoholeinfluss nicht zur Gefahr für Alex und deren gemeinsame Tochter Maddy wird.

            Alex haut ab.
            Mitten in der Nacht schleicht sie sich vom gemeinsamen Bett, in dem ihr Freund schlafend liegt. Sie nimmt Maddy mit.

            Alex hat keinen Plan.
            Alles ist besser als das. Sie übernimmt Verantwortung, klappert die staatlichen und karitativen Fälle ab. Es wird schnell klar; sie fällt komplett durch das Raster.

            Alex hat keine Ausbildung.
            Eine Sachbearbeiterin im Büro hatte sie auf eine Reinigungsfirma hingewiesen. Den Code „häufiger Personalwechsel“ hört sich nicht oder sie hört geflissentlich weg.
            Mit Wille zum Arbeiten wird sie schon durchkommen.

            Alex hat kein Geld.
            Und auch nach ihrem ersten Einsatz auf einer Insel, deren Überfahrt sie selbst bezahlen muss, wird sie kaum Geld haben. Sie muss ihre Arbeitsutensilien selbst bezahlen. Lappen, Reinigungsmittel, ihre Arbeitskluft. Und sogar die Überfahrt mit der Fähre. Nur der Staubsauger wird ihr gestellt. Eine unbezahlte Probearbeit.

            Alex hat kein Glück.
            Sie muss Maddy bei ihrer eigenen Mutter lassen. Ein gewagtes Unterfangen. Umso gewagter, da man auf der Insel keinen Empfang hat.
            Sie hängt sich rein und klappt zusammen. Die penible Luxushausbesitzerin hilft ihr auf. Später bekommt sie einen Anruf. Die Besitzerin wünscht die sofortige Nachbesserung bei den Außenmöbeln; diese seien nicht hinreichend genug entstaubt worden. Es hilft nichts. Sie muss zurück auf die Insel mit ihrer Tochter, die sie ihrem Freund wieder abnehmen musste. Die Tochter schreit. Krach. Bumm. Das Auto, das sie immer nur geradeso getankt hatte von ihrem prinzipiell nicht vorhandenen Budget, das immer wieder eingeblendet wird und aus Kleinstbeträgen besteht, ist Schrott. Ihr Vater bringt sie zum nächsten Bahnhof; sie kauft ihrer Tochter noch eine Puppe und hat nur noch ein paar Cents übrig. Den Job kann sie wohl vergessen.

            Alex hat am Ende nichts mehr. Und die Bürger, die morgens pflichtbewusst ihrer Arbeit nachgehen, laufen achtlos an ihr vorbei.
            Wer ganz unten ist, hat nicht mehr viele Optionen.

            Kurze Kritik
            Dieser ganze Wahnsinn wird in knapp unter einer Stunde nachvollziehbar und packend erzählt. Man leidet mit, als sie aus dem Kühlschrank die frischen Lebensmittel vernichten muss. Sie kann nicht mal zum Himmel schreien, muss alles runterschlucken.

            Emanzipation und Scorsese-Vergleich
            Emanzipation wird hier groß geschrieben. So groß, dass es weh tut.
            Ihre Startbedingungen sind suboptimal, um nicht zu sagen beschissen suboptimal.
            Und doch wagt sie es. Weil sie sich nicht damit abfinden will, mit einem drittklassigem Mann ihr Leben zu vergeuden. Ihm zu vergeben, weil er ja so ein lieber Kerl ist, wenn er nicht betrunken ist.

            Martin Scorsese hat mit „Alice lebt hier nicht mehr“ 1974 eine ähnliche Geschichte erzählt.
            Dort war es der plötzliche Unfalltod ihres Gatten, mit dem sie nur noch mehr schlecht als recht ausgekommen ist. Alice (Ellen Burstyn) zog mit ihren halbwüchsigen Sohn in eine Kleinstadt, ging ihrem Traum nach, Sängerin zu werden und endet schließlich als Kellnerin, die sich bald in den Armen des Charmeurs David (Kris Kristofferson) wiederfindet. Ein kleines Märchen mit großem Happy-End.
            Alex kann nicht mehr träumen. Sie kann nicht Sängerin werden; ja sogar zur Putze stellt sich zu blöd an… könnte sie sich in ihrer dunkelsten Stunde denken. Ich gehe auch nicht davon aus, dass hier der Ritter in glänzender Rüstung präsentiert wird. Sie wird weiter kämpfen (müssen).

            Ausblick
            Ich erhoffe mir nichts weniger als eine Tour de Force mit dem American Dream und am Ende hoffentlich ein versöhnliches, positives Ende, auch wenn es das in der Realität wohl selten genug gibt.

            Randbemerkung
            Die restlichen Folgen gebe ich mir nach meinem kostenlosen Disney+ -Probemonat. Devs hat mich auch schon ganz gebannt.

            7
            • 4 .5

              Keinen Zugang gefunden. Weird.

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              • über MUBI

                Gibt jetzt ein neues Sonderangebot. Sind sogar nochmal 5 € runter.
                50 € für ein Jahr MUBI mit Mediathek - soll ich oder nicht?

                2
                • 4

                  Mein Problem mit bzw. meine Frage an B-Movies.
                  Nicht die eben zweit- bis drittklassige technische Ausstattung.
                  Sondern die Einfallslosigkeit im engeren Sinn der Regisseure und Drehbuchautoren.

                  Zur Definition der „Einfallslosigkeit im weitem Sinn“ verweise ich auf „Asylum“-Produktionen. Es wird ein Name bzw. ein Konzept geklaut und schlecht verfilmt, während man beim Verkauf auf Verwechslung hofft oder doch nur Drogengelder wäscht. Wie dem auch sei.

                  Ich könnte diese Kritik auch zu „Respire“ schreiben, aber „Ghostmaker“ ist mir noch etwas präsenter.
                  Die Grundidee ist nicht nur gar nicht schlecht, sondern gut. Eine Maschine versetzt dich in einen Todeszustand und du kannst in der Zeit als Geist die Gegend unsicher machen. Schade, dass die Kreativität an dem Punkt auch schon wieder aufhört.
                  Stattdessen verwebt man es mit 08/15 Geschichten. Der an den Rollstuhl Gefesselte giert nach der Freundin seines WG-Kollegen, der wiederum in Drogenschulden abrutscht. Das war´s. Der dritte im Bunde ist der obligatorische Nerd, der noch den besten Part hat, da er ein bisschen naturwissenschaftlich und historisch forschen darf – aber auch dort wäre noch Luft nach oben gewesen.

                  Was mich zu der Frage führt: Warum liefert man so halbgar ab?
                  Wäre es ein großer Hollywoodfilm, würde ich die Oberflächlichkeit nachvollziehen können, aber warum kann es bei einem B-Movie nicht einmal mehr um die Ecke gedacht sein?

                  Falls mir jemand weiterhelfen möchte, ab in die Kommentare damit! Danke.

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                  • 7
                    GlorreicherHalunke 02.11.2021, 10:53 Geändert 02.11.2021, 11:49

                    Ich möchte meine kleine Reihe zu den Menschenjagden mit dem Prototyp schließen und komme am Ende auch nochmal ausführlich auf „Squid Game“ zu sprechen.

                    Die Kurzgeschichte „The Most Dangerous Game“ von Richard Connell aus dem Jahr 1924 ist mit dieser Verfilmung leider etwas verwässert worden, auch wenn der Kern bestehen bleibt.
                    Zum einen ist eine Frau neben dem Protagonisten Rainsford in den Film geschmuggelt und der Schluss abgeändert worden, zum anderen ist der Film mehr actionlastig, während 2/3 der Kurzgeschichte in Dialogform abgehalten wird und erst im letzten Drittel die Hatz beginnt.

                    Ein der Tierjagd müde gewordener Graf zieht sich auf eine kleine Insel zurück und jagt dort die nicht ganz zufälligen Schiffbrüchigen – zu seinem Vergnügen.
                    3 Tage muss der Gejagte überleben (im Film: 1 Tag). Bisher hat der Graf jedoch immer gewonnen.
                    Rainsford ist selbst ein versierter Jäger und hat mehrere Bücher darüber geschrieben, die auch der Graf gelesen hat.

                    Die Schwarz-Weiß-Fassung ist vorzuziehen, in der nachkolorierten Fassung kam für mich keine Stimmung auf.

                    I. Abriss des Dialogs zwischen Zaroff und Rainsford

                    Der Dialog ist in der Kurzgeschichte ausführlicher als im Film. Es ist für den folgenden Vergleich mit Squid Game jedoch von Vorteil, sich einen Überblick über die ausgetauschten Argumente zu verschaffen. In Ausführungszeichen aufgeführte englische Texte sind der Kurzgeschichte entnommen.

                    „God makes some men poets. Some He makes kings, some beggars. Me He made a hunter.“
                    So stellt sich der Kosake Zaroff vor. Sein Jagdtrieb sei gottgegeben; impliziert wird, dass er sich nicht dafür entschieden hätte, ein Jäger zu werden, sondern lediglich dem Ruf der Wildnis folgt. Zaroff lässt dabei aber auch nicht unerwähnt, dass er in eine reiche Familie geboren worden ist, deren Reichtum er nach dem Zarensturz glücklicherweise durch Investitionen in amerikanische Sicherheitseinlagen im Gegensatz zum Großteil des damaligen russischen Adels retten konnte.

                    „No thrill left in tigers, no real danger. I live for danger.“
                    Er hat schon so viele Wildtiere gejagt, dass ein weiteres Exemplar ihn nicht mehr reizt.

                    „I have heard that in America businessmen often go to pieces when they give up the business that has been their life.“
                    Der weit umhergereiste Zaroff sieht sich selbst in Gefahr. Gäbe er auf, fürchtet er, zugrunde zu gehen.

                    Im Folgenden wird er es gar als mathematische Notwendigkeit sehen, dass immer er und nicht das Tier gewinnt.
                    „Hunting had ceased to be what you call `a sporting proposition.' It had become too easy. I always got my quarry. Always.
                    There is no greater bore than perfection."

                    Es gibt nichts Langweiligeres als Perfektion. Eine Zeile zum Verweilen.
                    Der Mensch strebt mehr nach Immer-Mehr als nach dem Abschluss, d.h. das Erreichen des letzten Ziels.
                    Der Graf sieht daher nur einen Ausweg.
                    Er lässt Rainsford selber schlussfolgern, dass nur der Mensch einen „echten“ Gegner darstellt, da er das einzige „Tier“ sei, dass mit Verstand ausgestattet ist. Rainsford wird darüber verärgert. Der Graf wirft ihm nun vor:
                    "I refuse to believe that so modern and civilized a young man as you seem to be harbors romantic ideas about the value of human life. Surely your experiences in the war--"
                    "Did not make me condone cold-blooded murder," finished Rainsford stiffly.

                    Rainsford behält seinen Idealismus, der Idee der Würde jedes einzelnen Menschenleben.
                    Zaroff kommt auf die Kriegserfahrungen Rainsfords zu sprechen. Auch wenn der Satz nicht zu Ende gesprochen wird, kann er doch im Geiste Zaroffs zu Ende gedacht werden. Im Krieg hast du doch gesehen, wozu die Menschen fähig sind. Im Krieg hast du gesehen, wie wertlos ein einzelnes Menschenleben sein kann. Doch Rainsford lässt sich darauf nicht ein. Er sieht sich als Jäger, nicht als Mörder, wird er sogleich bekräftigen. Doch auch das überzeugt Zaroff nicht.
                    „Life is for the strong, to be lived by the strong, and, if needs be, taken by the strong. The weak of the world were put here to give the strong pleasure. I am strong. Why should I not use my gift? If I wish to hunt, why should I not? I hunt the scum of the earth: sailors from tramp ships--lassars, blacks, Chinese, whites, mongrels--a thoroughbred horse or hound is worth more than a score of them."
                    Ein Rückgriff auf die Evolution ist sicher nicht weit hergeholt, auch wenn sich Zaroff auf „strong“ statt „fittest“ beruft.
                    Die Schwachen der Welt sollen den Starken Lust verschaffen.

                    An dieser Stelle schwenkt das Gespräch auf die Organisation des „Spiels“ um.

                    Der letzte interessante Aspekt stellt die Herbeiführung der Teilnahme an dem Spiel dar.
                    „ He need not play that game if he doesn't wish to. If he does not wish to hunt, I turn him over to Ivan. Ivan once had the honor of serving as official knouter to the Great White Czar, and he has his own ideas of sport.
                    Invariably, Mr. Rainsford, invariably they choose the hunt."

                    Ivan ist der einzige Angestellte des Grafen und war in seinem vorherigen Leben wohl Kerkermeister und Folterer für den Zar höchstpersönlich.

                    Auch die Hatz, von Zaroff als „Outdoor Chess“ bezeichnet, gestaltet sich in der Kurzgeschichte interessanter als im Film.
                    In der Vorlage lässt der Graf Rainsford einmal absichtlich überleben, da er seinen Gegner nicht so leicht verlieren, sondern auskosten möchte. Zudem gibt er ihm Tipps, welche Schuhe er tragen soll und welche Bereiche der Insel er doch bitte meiden mögen, namentlich den Sumpf mit dem Treibsand.

                    Der abschließende Schlusskampf im Schloss Zaroffs wird im Film bemüht gezeigt, während er in der Vorlage elliptisch behandelt wird. Das Spiel ist aus.

                    II. Vergleich mit Squid Game (SPOILER zur Serie)

                    „The weak of the world were put here to give the strong pleasure.“

                    Ein russischer Reicher, der zum Vergnügen Jagd auf Menschen macht.
                    Squid Game rochiert diesen Grundgedanken.
                    Der Greis Oh Il-nam (Nummer 001) hat jahrelang Spiele, wohlgemerkt auf einer verlassenen Insel, veranstaltet, und war dabei bisher nur Zuschauer. Im Finale der ersten Staffel wird enthüllt, dass er als Veranstalter selbst an den Spielen teilgenommen hat. Um nochmal etwas zu erleben, bevor sein Gehirntumor ihm den Rest geben wird.

                    Für Il-nam sind höchstmögliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, wobei ziemlich wahrscheinlich ist, dass er davon wusste (Warum sonst sollte er freiwillig das Murmelspiel verlieren?).
                    Graf Zaroff würde sich damit schwerlich zufrieden geben. Nur die echte Gefahr selbst vermag einen Funken in ihm zu wecken. Er ist von Sicherheiten und Notwendigkeiten gelangweilt. Er sieht seine Fähigkeiten zwar als unübertreffbar an, aber will sich mit dem eigenen Wissen darum begnügen, sondern sich stets neu beweisen.
                    Somit bietet „The Most Dangerous Game“ den radikaleren Ansatz, was die Rolle des Starken angeht.
                    Doch „Squid Game“ baut die Hatz munter aus, vergrößert das Spielfeld und den Einsatz.
                    Waren es beim Grafen ein paar Schiffbrüchige, die genötigt werden, um ihr blankes Überleben zu spielen, liefert die südkoreanische Serie den größeren Gewinnpott. Die Teilnehmer überleben schon in der Wirklichkeit mehr schlecht als recht und allein das Geld kann sie zu einem „echten“ Leben führen.

                    Bei allen Unterschiedlichkeiten und Variationen prangt die o.g. Sentenz dennoch über beiden Konstellationen.
                    Einmal mehr müssen die Schwachen herhalten für die Lust der Reichen.
                    Bereits in der römisch-griechischen Antike wurde durch die Haltung von Lustknaben dieser Logik gefrönt, wobei sich hier der Dominus als Wohltäter des Knaben aufschwang.

                    Bei Zaroff die Karte des Sozialdarwinismus auszuspielen scheint überzogen.
                    Schließlich möchte nur ein Individuum sich an einem anderen ergötzen.
                    Bei Squid Game verschwimmen die Grenzen etwas.
                    Die Gewinner der Spieler teilen sich einen großen Batzen Geld und steigen so direkt in der sozialen Hierarchie auf.
                    Die Motivation der Veranstalter sollte in dieser Hinsicht aber nicht überspannt werden. Man reagiert eher auf die sozialen Missstände als diese eine Auslese im großen Stil entgegenzuhalten. Anwerben lassen sich jedoch in der Regel die Menschen ohne jegliche anderweitige Hoffnung, die bereit sind, um ihr Leben zu spielen. Und solange es keine Möglichkeit gibt, sein Leben zu verewigen, muss die Lust eben gesteigert werden – koste es, was es wolle.

                    III. Und wir heute?

                    „The weak of the world were put here to give the strong pleasure.“

                    Sind wir wirklich besser?
                    Was hat unsere Kultur hervorgebracht außer Straßen, Aquädukte und große Bauten?
                    Folgen Shows wie „Bauer sucht Frau (Mann)“ und „Schwiegertochter gesucht“ nicht dem obigen Leitsatz?
                    Freiwilligkeit entsteht auch hier, in manchen Fällen wohl auf Grundlage der Ausnutzung von Verhältnissen und Persönlichkeitsstrukturen.

                    Bereits die sogenannten „Freak Shows“ um die Jahrhundertwende zum 20. Jhd. reizten die Neugier der Zuschauer. Eine 1:1-Übertragung auf das moderne Fernsehen wäre unangebracht, wenn auch nicht gerade weit hergeholt. Der Zuschauer sucht den Reiz, ohne „gereizt“ sein zu wollen. Im Zentrum steht die „Anregung“ durch die Schau des Anderen. Der größte Feind ist die Langeweile. Und hier treffen wir auf ein letztes Mysterium: Warum werden manche Sachen schnell langweilig und andere scheinbar gar nicht?
                    DSDS, Bauer sucht Frau (Mann), Das Supertalent, Dschungelcamp – all diese Shows haben mittlerweile etwas gemeinsam: ihre Langlebigkeit. Länger als jede durchschnittliche Serie flimmern diese nun schon durch die TV-Landschaft, was zum einen daran liegt, dass jedes Mal neue Geschichten erzählt werden, zum anderen aber viel mehr daran, dass nur eine einzige Geschichte erzählt wird. Die Quoten sind allerdings nur stabil bis nicht beunruhigend abfallend, während „Squid Game“ zum Welterfolg wurde, auch wenn prinzipiell nichts Neues oder auch nur ansatzweise etwas Relevantes geboten wurde; ausschlaggebend war, dass es eben in letzter Zeit nichts Vergleichbares gegeben hat (Marktlücke).
                    TV-Shows haben es einfacher, sich zu wiederholen, da man als Zuschauer auch eher eine Wahl hat, für wen man „mitfiebert“. Der Zuschauer wird dadurch mehr zu einem Beurteiler als zu einem bloßen Konsumenten; ja, er darf sogar die Jury kritisieren. In „Squid Game“ dagegen waren die Rollen klar vorgegeben (Zugegeben: Leute wie Jimmy Conway sind immer für die Bösen, aber bei einer herkömmlichen Show gibt es ja gar keine Bösen).
                    Könnte Squid Game mit einer zweiten Ausgabe, die nur eine neue Runde zeigt, genauso oder auch nur annähernd erfolgreich werden? Ich bezweifle es, auch wenn mir bewusst ist, dass es bei Serien wie 24 und so gut wie jeder Crime-Procedural-Serie sehr gut funktioniert hat. Doch „Squid Game“ haftet das unerbittliche Merkmal der Besonderheit an. 24 und Konsorten wurden geschaut, weil man sich am Wiederkehrenden mit je leicht verdaulichen Variationen erfreuen mochte. „Squid Game“ wurde und wird geschaut, weil es anders war. Und da passt eine bloße Wiederholung der Spiele einfach nicht zur Erwartungshaltung. Man könnte zwar dagegen halten, dass auch hier der Wiederholungseffekt sich niederschlagen würde, aber ich halte das aus nachfolgenden Gründen für ausgeschlossen.
                    Erstens steht die Serie unter massiver Kritik von Pädagogen. Jede Aufmerksamkeit ist zwar Aufmerksamkeit, aber bei reiner Wiederholung der Schlagzeilen würde der negative Touch überwiegen.
                    Ferner bemerkt man bei Serien wie „Haus des Geldes“, dass Netflix selbst seine flottesten Pferde relativ früh absetzt, was per se nicht schlecht ist. Andererseits ist die Schnelllebigkeit des Streaming-Marktes zu beachten. Zu Zeit der wöchentlichen TV-Ausstrahlung musste man realiter ein Abo über mehrere Monate abschließen, um mitreden zu können. Heute kann man sich schnell ein Monatsabo für „Squid Game“ für ein paar Zerquetschte (pun intented) geben und danach schnell weiter zu Apple ziehen, um Foundation und Ted Lasso hopps zu nehmen usw.
                    Vor ein paar Jahren ist die Goldene Serienzeit ausgerufen wurden und seitdem auch schon mehrmals wieder begraben worden.
                    Auf Peak TV folgte Streaming Peak. Und noch gibt es genügend Lichtblicke im Dickicht des Dschungels. Auch wir sind Jäger und suchen den nächsten großen Reiz, bevor es düster wird.

                    Auch wenn sich die Gesellschaft nicht in der Art und Weise fortentwickelt hat, wie es wünschenswert gewesen wäre, heißt das nicht, dass alles schlecht wäre und es keinen Raum für Veränderungen und Transformationen, Umdenken, ergo Buße, gäbe!

                    8
                    • 6 .5

                      Noch kurz nachgeschoben.
                      Wieder Robert Sheckley.

                      Diesmal aber mehr Ulk als Thrill mit einer Prise "Mr. and Mrs. Smith".
                      Da hat "Das Millionenspiel" 5 Jahre später mehr Tiefgang geliefert.

                      Wer auf sonderbaren Humor und gut gekleidete Menschen steht, die sich ab und an zu massakrieren versuchen, ist hier in besten Händen.

                      Überschwängliche 6,5 von 10 Nippelknarren

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                      • 9
                        GlorreicherHalunke 27.10.2021, 14:04 Geändert 27.10.2021, 14:15

                        Dieser Kommentar ist Siegemund gewidmet, ohne den ich gar nicht das Vergnügen mit diesem Teil der Deutschen Fernsehgeschichte aus dem Jahre 1970 gehabt hätte.

                        Adaptiert wird die Kurzgeschichte „Prize of Peril“ des amerikanischen Autors Robert Sheckley aus dem Mai 1957.

                        I. Handlung und etwas Trivia

                        Ein im Leben gescheiterter Mann, der schon an mehreren Spielshows erfolgreich teilgenommen hat, qualifiziert sich als 15. Teilnehmer für „Das Millionenspiel“. Er muss 1 Woche überleben, während ihn die Köhlerbande jagt und töten will (Herrlich in der Nebenrolle: Didi Hallervorden, ganz unkomisch). Je später er stirbt, desto höher fällt für die Jäger die Belohnung aus. Er ist per Funk mit dem Produktionsteam verbunden und eine ganze Schar von Kameraleuten versuchen ihm auf Schritt und Tritt zu folgen.
                        Die Bevölkerung ist dazu aufgerufen, ihm zu helfen (Guter Samariter) oder ihn zu verraten.
                        Der Film zeigt den letzten Tag, in dem die Show in einer Halle mit dem damals wohl sehr bekannten „Showmaster“ Dieter Thomas Heck vor Livepublikum bundesweit ausgestrahlt wird.
                        Einem Spiegel-Artikel zufolge nach kam das damals so gut an, dass alsbald viele Freiwillige als auch empörte Zuschauer sich beim Sender gemeldet haben. Die Geschichte des einfahrenden Zugs at La Ciotat wird gewissermaßen fortgeschrieben.
                        Es wird jedoch deutlich gemacht, dass es sich um ein fiktives Werk handelt. Lustigerweise wurde ein paar Wochen zuvor mit „Die Delegation“ eine Mockumentary über einen vermeintlichen Ufo-Angriff ausgestrahlt, was wiederum in der Tradition des berühmt-berüchtigten Hörspiels von Orson Welles aus dem Jahr 1938 darstellt, aber wohl eher auf den damaligen Hype um Erich-von-Däniken reagierte.
                        Die erste Mockumentary im TV ist laut dem deutschen Eintrag in der Wikipedia der als Aprilscherz ausgestrahlte BBC-Kurzfilm über die Spaghetti-Ernte von Bäumen in der Schweiz.
                        Einen Boom hat das Format kurz nach der Jahrtausendwende, insbesondere im Serienbereich, erfahren, also zu dem Zeitpunkt als DSDS & Co. auch an Fahrt aufnahmen. Seit einigen Jahren schlägt man sich mit der Thematik „Fake News“ herum. Aber genug dazu.
                        Im Millionenspiel gibt es lediglich Fake-Werbeeinblendungen für nutzlose oder bedenkliche Waren (die Werbung zu den Messern ist die allerbeste; „das Messer für die Frau, die zu viel redet.“ – das kam so heftig unerwartet) des fiktiven Konzern Stabil-Elite, nach dem sich 2007 sogar eine Band, die Elektro und Klassik mischt, benannt hat.

                        II. Propheten im Wandel der Zeit

                        Der Film wird oftmals mit dem Gütesiegel „prophetisch“ versehen. Und der Prophet wird meist nur rückblickend anerkannt, aber vorliegend auch völlig zurecht.

                        Neuere Produktionen, die in die gleiche Kerbe des „Geld gegen Lebensrisiko“-Genre schlagen wie etwa „Tribute von Panem“, tun dies unter umgekehrten Vorzeichen.
                        Die damals vorhergesehene oder befürchtete Dystopie ist schon längst Realität geworden. Oder doch nicht?
                        An dieser Stelle muss aus der Besprechung des Spiegels im direkten Anschluss an die Erstausstrahlung zitiert werden:
                        „Schon jetzt bestehen im amerikanischen Kommerz-Fernsehen, wo es den Geldgebern aus der Wirtschaft ausschließlich auf hohe Einschaltquoten und den größten Werbeeffekt ankommt, drei Viertel aller Unterhaltungsdarbietungen aus Mord und Totschlag. Innerhalb von sieben Jahren, so haben Wissenschaftler ermittelt, ist die Häufigkeit brutaler Darstellungen auf den US-Bildschirmen um 300 Prozent gestiegen.“
                        Link: https://www.spiegel.de/kultur/vor-der-flinte-a-fed04b6b-0002-0001-0000-000043787231

                        Dem Kulturpessimismus wurde also auch damals gefrönt; doch das Skandalöse ist verschwunden. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen man zivilcouragiert den Wandel aufzuhalten gedachte und auf die Barrikaden ging. Wer nicht hinschaut, ist selber schuld. Und wer dennoch hinschaut, akzeptiert die Bedingungen der auf wohldosierten Skandal getrimmten Kuppelshows; der moderne Zuschauer mag selbst-masochistisch sein, aber er braucht kein Safeword mehr.

                        Und so implementierten sich o.g. Produktionen selbst eher in die Reality-Shows als diesen etwas entgegenzuhalten. Das Fiktive und das gescriptete Reality-TV verwischen sich gegenseitig die Grenzen; dabei gilt: Reality TV zeigt Sex. Fiktive Produktionen zeigen Tod. Durchsetzungsvermögen und Charisma herrschen hüben wie drüben. Und irgendwie sind wir ja alle für Weltfrieden, wie Mrs. Undercover beim Schönheitswettbewerb damals schon feststellte.
                        Im Gegensatz zu früheren Zeiten eher ein fatalistischer Schnellschluss gezogen als sich mit den Problemen, und auch den eigenen!, selbst zu beschäftigen. Der Propheten stoßen so auf taube Ohren und harte Herzen.

                        Diese Mockumentary ist außerdem aufregender als es ein Fernsehabend mit „Terror – Ihr Urteil“ oder „Gott“ (Sterbehilfe) je sein könnte. Von Schirach verhandelt stets den aktuellen gesellschaftlichen Diskurs, trägt Argumente zusammen und verdichtet diese. Er bleibt dabei trocken und nüchtern, tritt zurück, um dem Volk bzw. dem Leser die Wahl zu lassen.
                        Auch solche Formate tragen sicherlich zur gesellschaftlichen Meinungsbildung bei; doch es fehlt an Vision und Weitblick und – auch das – an Provokation. Die verhandelten Fragen bleiben doch recht theoretisch; und auch die wohlweislich abgewogenen Antworten steuern auf einen Minimalkonsens zu, der einen breiten Rahmen zur Ausübung der Eigenverantwortung gewährleistet.
                        Und: Es fällt doch auf. Von Schirach ist kein Schriftsteller im eigentlichen Sinn. Er ist Jurist und dies schlägt sich zum einen stilistisch auf seine Texte um.
                        Das ist per se kein Malus, aber zum anderen verengt seine Bücher oftmals auf seine juristische Betrachtungsweise, so dass „das Menschliche“, dem sich die Kunst eigentlich nähern sollte, etwas auf der Strecke bleibt. Seine oben genannten TV-Beiträge finden folgerichtig im Gerichtssaal statt und nicht im „echten“ Leben. So kann auch der Zuschauer sich zurücklehnen.
                        Der juristische Blick, der stets an dem Versuch scheitert, die Realität mit dem geltenden Recht in Einklang zu bringen, versperrt die Sicht auf visionäre Änderungen. Juristerei ist schnödes Handwerk. Ohne Anspruch auf Prophetie.

                        Das Millionenspiel ist auch keine Wissenschaftssendung. Die Naturwissenschaft schwingt sich seit einigen Jahren zum Propheten der Menschheit auf, auch aus dem Grund, weil es sonst keiner aus Politik, Kirche etc. tut. Ich möchte an dieser Stelle nicht darin abtauchen, sondern nur daraufhin weisen, dass auch der starre Blick der Naturwissenschaften verengt sein – und ich unterstreiche - kann.
                        Aus rechtem Milieu wird gar gefordert, FFF verfassungsschutzmäßig zu beobachten. Bevor man hier allzu schnell zurück schlägt, sollte man mal kurz darüber nachdenken, um seine Argumentation zu intensivieren.

                        Zurück zu dem, wo wirklich alle mitreden können.

                        III. Die Traurigkeit der Propheten

                        Jedem Propheten wohnt ein Teil Traurigkeit inne. Der klagende Prophet Jeremia hat darüber sogar ein eigenes Buch geschrieben.
                        Er freut sich nicht, wenn die Umstände sich so entwickeln, wie er es vorhergesehen hatte. Er gewinnt auch nicht dabei. Er kennt die Points-of-No-Return und hofft bis zur letzten Sekunde auf Besserung. Und er weiß, dass er es nicht alleine schaffen kann. Es geht um Buße, um Umdenken.
                        Alttestamentarische Propheten holen deswegen häufig den Hammer heraus. „Wähle das Leben (=gottesfürchtiges Leben) oder den Tod (=Leben ohne das Gesetz Gottes).“

                        Dem Millionenspiel dagegen geht es als Kunstwerk nicht um profane Deutungen oder eindringliche Appelle.
                        Man bricht auf intelligente Art und Weisen die vierte Wand, ohne in eine überironische Deadpool-Referenzialität abzurutschen.
                        Einige Zuschauer werden „live“ in der Halle interviewt, ohne dass so recht klar wird, ob es gescriptede oder authentische Aussagen sind. Abgedeckt wird durch die kurzen Äußerungen ein breites Feld, wobei sich keiner für ein Verbot der Spiele einsetzt. Das kann aber auch geschickte Taktik sein, da man so den Elefanten im Raum dem Zuschauer überlässt, ohne ein „tu quoque“ (du auch) zu zücken.

                        Wie oben schon angedeutet, zieht man die Show nicht völlig durch. So ist der Protagonist kurz vor Ende des Spiels zusammengebrochen. Nachdem man ihm notdürftig wieder aufgepeppelt hat, fordert man ihn auf, nochmal durch das Tor zu laufen, damit man etwas Relevantes zum Senden ergattert. Die Wahrheit ist dem Reality-TV nicht genug, wenn sie nicht unterhaltsam ist. Der Fiktion gesteht der Zuschauer Dramatisierungen und Überspitzungen zu (Willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit); dies reicht beim Reality-TV aber nicht mehr aus. Warum?
                        „Bauer sucht Frau (Mann)“ würde als fiktives Werk nicht genug zur abendlichen Unterhaltung beitragen, der Reiz liegt eben in der unterhaltsamen Abbildung der Wirklichkeit. Es verhält sich geradezu umgedreht; der Zuschauer will es gar nicht so genau wissen; er schwankt zwischen Glauben und Zweifel, doch nicht in einem solchen Maß, dass der Spaß abhandenkäme.
                        Man kann selbst entscheiden, was man glauben möchte und überhaupt - Hauptsache, es schmeckt.

                        Der Teilnehmer des Millionenspiels muss sich durch die vorherige Teilnahme an anderen nicht unbedingt ungefährlicheren Spielen für seinen „großen“ Auftritt bewähren. Ein Gedanke, der heute durch die Installation der verschiedenen Runden und „Recall“ (Normalerweise werden ja nur verderbliche Waren zurückgerufen) verwirklicht ist.
                        Wer aus der Masse hervorstechen und Bestand haben will, muss liefern.
                        Eine Lektion, die schon Maximus in „Gladiator“ annehmen musste.
                        Und der eine wie der andere wurde schwer verletzt aus der Arena getragen; sie hatten ausgedient.

                        IV. Ausblick

                        Der Wandel der Gesellschaft der letzten 50 Jahren (68er) kann mit dem „Millionenspiel“ selbstverständlich nicht vollständig skizziert werden.
                        Freilich müsste der Gewinnbetrag heute nicht nur inflationsbedingt angehoben werden. 500.000 € reichen heute kaum aus, um ein Einfamilienhaus an den Stadtrand zu bauen.
                        So sind auch die Wünsche angestiegen; nicht nur rein materiell. Die nimmersatte Gier des Menschen sehnt sich heute nach Aufmerksamkeit, Marketingdeals, Aktienoptionen und der allgemeinen Sinnerfüllung.
                        Müßig wäre die Diskussion um das Huhn und das Ei; also ob es Reality-TV, „Talent“- oder „Aufmerksamkeitswettbewerbe“ gibt, weil die Menschen sich danach sehnen, oder ob es die Sehnsucht der Menschen gibt, weil es solche Wettbewerbe gibt.
                        Die Fakten sprechen eine klare Sprache. Das Zeug kommt an. Ein Spruch, der im Regieraum des Millionenspiels auch zwei-, dreimal fällt.

                        Wagen wir einen letzten Ausflug und übersetzen das Millionenspiel in heutige Begebenheiten.
                        Geld und Ruhm sind vergänglich. Allein das Überleben zählt.
                        Und warum sollte Jeff Bezos nicht in allzu ferner Zukunft ein Platz an der Sonne, sprich in seiner eigenen Raumstation, versteigern oder eben „erspielen“ lassen?
                        A******* Prime könnte so eine Show sicher gut vermarkten.

                        EDIT: Ist jetzt nicht dein Ernst?!! Warum auch immer die Stadt Bremerhaven darüber berichtet :D

                        "Am 3. Dezember startet bei Prime Video die neue Reality-Adventure Serie „Celebrity Hunted“ – Jede Spur kann dich verraten. In der Show begeben sich zehn deutsche Promis auf die Flucht vor Profi-Ermittlern. Allein oder zu zweit und mit begrenzten finanziellen Mitteln versuchen sie zehn Tage lang innerhalb von Deutschland den professionellen Ermittlerteams zu entwischen. Das Team besteht aus Ermittler, Cyber-Analysten sowie Online-Profilern rund um Erich Vad, einem ehemaligen Sekretär des Bundessicherheitsrates und militärpolitischen Berater der Bundeskanzlerin. Die haben – im legalen Rahmen – eben die Aufgabe die Prominenten aufzuspüren. Die Promis treten in sechs Teams an. Darunter: der frühere Boxweltmeister und Unternehmer Dr. Wladimir Klitschko, Model und Schauspielerin Stefanie Giesinger, Sängerin Vanessa Mai mit Ehemann und Manager Andreas Ferber, Schauspieler und Sänger Tom Beck mit Schauspieler und Comedian Axel Stein, die Social-Media-Stars Diana (@diademlori) und Melisa (@memira.x), sowie Schauspieler Kida Khodr Ramadan mit Rapper Summer Cem."

                        Link: https://stadt-bremerhaven.de/celebrity-hunted-neue-prime-video-serie-auf-der-jagd-nach-deutschen-promis/

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                        • 4 .5

                          Im Zuge des Hypes um Squid Game habe ich mir auch diesen Streifen gegeben.
                          Als OmeU. Nicht, weil ich das so wollte. Er war auf YT eben so frei verfügbar.

                          I. Ein Interview

                          Man soll doch Fragen an ein Kunstwerk stellen. Wohlan!
                          Kreierst du einen Helden, dem ich nacheifern kann, Battle Royale? Ein schmetterndes Nein! hallt mir entgegen.
                          Kreierst du einen Antihelden, an dessen Missetaten ich Weisheit lernen könnte? Die Stimme wird leiser, haucht ein „Nein, auch das nicht.“ ins Angesicht.
                          Was kann ich dann von dir lernen?
                          „homo homini lupus.“ (Der Mensch ist des Menschen Wolf)
                          Ein lateinisches Zitat aus einer Eselei, zudem verkürzt zitiert. Sollte man nicht vielmehr ein „solange man sich nicht kennt.“ anhängen?
                          „Aber die Schulklasse kannte sich doch.“
                          Die perversen Regeln ließen keinen Ausweg zu. Nur einer darf leben. Die Natur selbst ist nicht so grausam. Der menschliche Geist übersteigt also die rohen Kräfte der Natur? Aber das zeigt mir doch jeder Blick in eine Tageszeitung!
                          Verärgert ziehe ich von dannen.

                          II. Persönliche Antwort

                          Die Feststellung, dass mich der Film nicht sonderlich schockierte, schmerzt mich.
                          Ich möchte die Schuld auch nicht in der vermeintlich immer roheren Gesellschaft suchen, sondern in mir selbst.
                          Woher kommt die Abneigung gegen schlechte Nachrichten?
                          Zu unterscheiden ist hierbei zwischen schlechte Nachrichten, die man über persönliche Beziehungen erfährt und solche, die über Massenmedien verteilt werden.
                          Das menschliche Maß an Empathie und Mitleid ist eben nicht grenzenlos. Das Unbehagen folgt vielmehr daraus, dass man sich selbst als abgestumpft betrachtet, wenn man eine entsprechende Meldung die emotionale Einordnung verweigert.

                          Die Schönheit einer Kameraeinstellung des italienischen Ausnahmeregisseurs Paolo Sorrentino berührt mich jedes Mal erneut.
                          Bei repetitiven Nachrichten über erneute Gewalttaten, seien sie familiär, religiös oder politisch motiviert, schalte ich mittlerweile auf Durchzug. Zum Selbstschutz – wie man so schön vorschiebt. Und zugegeben: Groß ändern kann ich auch nichts. Und mich für jede Nachricht 10 Minuten schlecht zu fühlen, verdoppelt die Heuchelei.

                          Schon als Kind konnte ich dem Vers „Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst.“ nichts abgewinnen. Wen es gar nicht gibt, den kann man doch nicht vermissen. Und so wähnte ich einen Haufen Heuchler um mich herum. Der Buchstabe tötet. Der Geist macht lebendig. Und so beginne ich hinter die Fassaden zu sehen. Auch hinter denen, die ich einst als vorgespielte Heuchelei abtat. Die von mir vertretene Logik hat bisher gelautet, dass man ohnehin als Zyniker stirbt, also warum nicht gleich als einer leben?
                          Ihr seid alle Lügner! So lässt sich der jugendliche Überschwang m.E. gut zusammenfassen.
                          Aber sobald ein Funken Aufrichtigkeit zu verspüren ist, dann lohnt es sich auch, diesem nachzugehen. Durch Reibung entsteht Wärme. Ob es zu einem alles verzehrenden Feuer oder glühender Leidenschaft wird, das kann nur die Zeit zeigen.

                          Auch eine Sorrentino-Einstellung verbessert mein Leben nicht nachhaltig. Aber es wäre doch schade gewesen, sie nicht einfach so an sich vorbeiziehen zu lassen.
                          Es liegt ein kleiner Impetus darin, auf die „bright side of life“ zu sehen und sich nicht dem Fatalismus hinzugeben. Und wenn ich die Welt nicht verbessern kann, dann kann ich doch wenigstens dafür sorgen, dass es nicht ein noch schlimmerer Ort wird. In aller Bescheidenheit. In der Tradition der Menschen, die nicht das Rampenlicht suchten, sondern in aller Stille ihre Pflicht erfüllten. Für andere das taten, was diese nicht selber tun konnten. Stille Nächstenliebe.
                          Nicht jeder Verbrecher sucht die Aufmerksamkeit.
                          Aber jeder Verbrecher verliert zuerst den Kampf gegen sein Gewissen.
                          Sich selbst sozusagen.
                          Und darin liegt auch der Sieg der Hässlichkeit über der Schönheit. Man wird selber hässlich. Zur Fratze. Man sucht nur noch sein eigenes Vergnügen. So wird die Welt nach und nach hässlich, weil sich keiner mehr um Schönheit schert. Und die Tragödie nimmt ihren Lauf.

                          III. Die Aussagelosigkeit

                          Es darf nur einer überleben, ansonsten werden alle exekutiert.
                          Durch diesen Film erfährt man nichts Wesentliches über die menschliche Natur.
                          Freilich es gibt die, die gegeneinander bis aufs Blut kämpfen und die, die aufgeben. Aber sollen das unsere Alternativen sein?

                          Dostojewskij betrachtete den Menschen als ein zu lösendes Rätsel.
                          Battle Royale wirft Selbigen in ein sinnbefreites Experiment, ohne dabei wahre Freiheit entstehen zu lassen. Das Drama wird erzwungen, ergibt sich nicht von selbst aus den ureigenen Ängsten der Protagonisten und deren Interaktion untereinander.

                          Welchen Aspekt der Gesellschaft versucht man, hier abzubilden?
                          Die rohe, ursprüngliche Natur des Menschen etwa?
                          Sicher nicht. Es bestand zu keiner Zeit die Notwendigkeit, alle seine Genossen zu töten, im Gegenteil hätte sich das als in mehrerlei Hinsicht selbstschädigend ausgewirkt.
                          Der Beweis dafür, dass in jedem Menschen das Böse lauert und darauf wartet, geweckt zu werden?
                          Bleiben wir beim Gezeigten. Der Suizid einiger Teilnehmer reicht als Widerlegung der Behauptung aus.
                          Bei dieser Frage darf man auch nicht vergessen, dass es sich um ein fiktives Werk handelt, das unterhalten möchte. Und das tut es, auf plumpe, einfallslose Art und Weise. Schnitt und blutiger Gegenschnitt.
                          Warum nicht weiterdenken? Oder zumindest zurückdenken; an die weihnachtliche Fraternisierung der Soldaten im 1. Weltkrieg mit dem Feinde.

                          Auch wenn im Menschen nichts Gutes stecken mag, ist er doch nicht in der Weise schlecht, die Battle Royale uns zu glauben machen versucht.

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                          • 5

                            Eine südkoreanische Produktion rockt den Planeten.

                            Zugegeben. Ich habe mal wieder einen Binge eingelegt.
                            Zugegeben. Es wäre nicht unbedingt nötig gewesen.
                            Zugegeben. Es hat mich unterhalten, die Zeit verfliegen lassen.

                            Aber jetzt mal offen und ehrlich: Ich verstehe den Hype schon; genauso wie ich es verstehe, warum es überall McDonalds gibt. Es ist Massenkost, trotz aller Drastik am Ende doch leicht verdaulich und man greift dann eben gerne zu.
                            Eine Verrohung der Gesellschaft vermag ich darin nicht zu erkennen; vielleicht bin ich zu abgestumpft. Das Spiel um Leben und Tod bietet stets die höchste Dramatik.

                            Die ersten zwei Folgen und der Epilog haben mir am besten gefallen. Die sozialen Fragen werden uns noch lange beschäftigen. Der Protagonist tritt zu Beginn die Rechte an seinem Körper ab; ein Vertrag, der hoffentlich niemals vor Gericht Bestand haben wird.

                            SPOILER!!

                            Was hätte man weglassen können?
                            Die Nebenstränge sind vernachlässigenswert, wenngleich sie die Handlung nicht überladen. Aber die FalseFlagNummer hat im Endeffekt doch nur den Umstand zu Tage gebracht, dass es die Spiele schon seit den 90ern gibt. Ein Umstand, den man bei der Unterhaltung am Sterbebett én passant hätte unterbringen können. Und auch die Story mit dem Organhandel und der Beinahe-Nekrophilie verläuft einfach im Sande.

                            Was macht die Spiele aus?
                            Simple Regeln, die über Leben und Tod entscheiden. Wer am Ende noch lebt, bekommt eine Menge Geld, die sich nach der Anzahl der verstorbenen Mitspieler bemisst.
                            Der Zuschauer wird also nicht überfordert. Gut so.
                            Mir war es auch egal, wer von den 456 das Spiel gewinnt. Fakt ist doch, dass sie alle eine andere Lösung verdient gehabt hätten als das Dargebotene.

                            Wie sollen wir denn leben?
                            Das vermittelte Menschenbild halte ich für problematisch.
                            Die weite Entfernung vom „edlen, hülfreich und guten Menschen“ muss nicht weiter erläutert werden.
                            Das Ende der Staffel bietet keine Antwort auf die uralte Menschheitsfrage, wie man leben soll. Es wurde allenfalls gezeigt, wie man nicht leben soll.
                            Mach keine Schulden! Töte keine Menschen! Werde nicht reich und gelangweilt! Gib dich nicht dem Spaß hin! Aber wenn du denkst, dass ein edler Charakter dich in dieser Welt weiterbringt, gehst du in die Irre.
                            Ist also die Gesellschaft schuld? Auch dazu bietet mir die Serie zu wenig. An den Spielen nehmen Flüchtlinge, Finanzbetrüger, Spielsüchtige, Kleinganoven teil. Sie alle haben Geldprobleme. So wird es dem Zuschauer jedenfalls verkauft.
                            Doch sind die Probleme wirklich nur finanzieller Art? Die alte Oma, die in der Nebenstraße einen kärglichen Imbiss führt, hat auch Geldprobleme. Was unterscheidet sie von den Spielern? Sie hofft nicht auf ein besseres Leben und behält dadurch die Hoffnung. Gewissermaßen.
                            187 von 201 Spielern kehren nach Abbruch der Spieler zurück, weil sie alle Hoffnung aufgegeben haben. Sie haben die Hoffnung aufgegeben, dass aus ihrem Leben aus eigener Kraft noch etwas wird. Entweder der Tod oder ein Leben in Luxus. Warum das Leben in Luxus erstrebenswert ist, wird nicht hinterfragt, sondern nur als bessere Alternative zu den prekären Verhältnissen dargestellt.

                            Pretty in Pink
                            Wie werden eigentlich die Ordnungshüter ausgewählt bzw. geködert? Eine Frage, auf die eine Nachfolgeserie eine stichhaltige Antwort liefern müsste. Ausgeschlossen ist, dass Zwang ausgeübt wird, da man sie mit scharfer Munition ausrüstet. Und wenn es am Ende doch der schnöde Mammon ist - wie unterscheiden sie sich von den Spielern? Werden sie nur einmal tätig? Wie wird die Verschwiegenheit gewährleistet? Oder erschießt man sie am Ende auch einfach?
                            Die Anonymität der pinken Ordnungshüter schützt sie vor den Urteilen der anderen; doch wie kann man so gewissenlos und kalt agieren?
                            Der Mord in Dostojewskis Schuld und Sühne kommt erst nach einem geraumen Abschnitt, in dem Raskolnikow mit seinen bösen Absichten ringt und hadert.
                            Die Serie problematisiert das noch nicht mal. Menschen tun so etwas einfach, scheint man zu behaupten.
                            Im ersten Spiel ist es eine KI, die per automatische Feuerwaffe mit Bewegungssensor die Verlierer eliminiert. Beim Tauziehen und Glasplattenhüpfen ist kein externer Eingriff erforderlich.
                            Aber beim Figurenausstechen- und Murmelspiel ist eine Exekution durch menschliches Handeln erforderlich. Warum eigentlich?
                            Menschen machen Fehler, aber die Menschen in pink machen keine Fehler; sie sind durch ihre Maske entmenschlicht. Wo bei Haus des Geldes noch Charaktere hinter den Dali-Masken mit - wenn auch verschrobenen - Prinzipien Platz nehmen, ist es vorliegend eine Maske, hinter die wir - wie die Spieler selbst - nicht blicken können. Die geometrischen Figuren deuten auf eine Hierarchie hin, die für die Spieler ohnehin irrelevant ist, und nur der Kommunikation untereinander dient.

                            Sehen so die Gladiatorenspiele der Moderne aus?
                            Brot und Spiele! - Das war einmal.
                            In einer Zeit, in der Erntedankfeste zu Völlereigelagen ausarten, ist eines doch konstant. Die Sache mit der Langeweile und der Hang des Menschen zum Spiel und Spektakel.
                            Doch die Schauplätze in Squid Game sind keine Arena.
                            Die Spieler wissen nicht, ob sie beobachtet werden und wenn doch, von wem? So wird nicht der weltweite Markt gesucht, sondern der Zugang dazu wird künstlich verknappt.
                            Fiktion ist das eine, Realität das andere. Und der alte Mann treibt es noch weiter; er wird zum Einsteiger. Voyeurismus allein stillt die Sehnsucht nach Teilhabe nicht. Er gibt es am Ende doch unumwunden zu; er tat es, um Spaß zu haben.
                            Welcher römische Senator hätte sich schon gewünscht, selbst in der Arena zu stehen?

                            Worüber soll ich noch schreiben zum Schluss? Achja, die alte Frage nach dem moralischen Dilemma: Was würdest du tun? Ich? Ich wüsste, dass ich es ohnehin nicht überleben würde. Erschießt mich einfach. Danke.

                            P.S. Mir sind die weißen Sneakers nicht mal groß aufgefallen. Bin einfach kein Modemensch!

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                            • 5

                              Spannend, aber plump und erwartbar.

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                              • 8 .5

                                Es ist soweit. Legenden müssen beklatscht werden. Vor Ehrfurcht zu erblassen und die Händen in den Schoß legen. Reicht nicht!
                                Wenn Tarantino etwas macht, dann macht er es richtig. Und mit der Zeit trifft es immer mehr. Zumindest mich.
                                Der reine Instrumentalsoundtrack vom Alterwürdigen Morricone passte genau in die beklemmende Atmosphäre eines Westerns, der nicht wirklich einer war. Nie wirklich einer werden sollte.

                                „I wanna tell you a Story.“
                                Aber wir verlassen die verschneiten Landschaften und vereisten Herzen – ét voila! – da sind wir. Ende der 1960er. Hollywood. Wir schwingen unseren Allerwertesten auf die Rückbank eines Fahrzeugs: Es wird einmal Legende genannt werden, aber für uns ist es nur ein Fahrzeug.

                                „Walk with me this way!“
                                Wir wollen von A nach B. Der Fahrer dreht mit seinen fleischigen Finger an dem Regler herum. Und plötzlich widerfährt es uns. Die Offenbarung. „It´s heaven sent!“ Warmherzige Melancholie, gepresst in eine Radioshow. Pulp. Gefühl. Leben. Good Times. Wir fahren durch die Hills, endlich frei.

                                „Keep me hanging on!“
                                Die Fahrmanöver werden waghalsiger, bald unmöglich. Unsere Sinne spielen verrückt und doch kommt uns erst jetzt alles gerade vor. In uns steigen Träume auf. Größer als wir es je für möglich erachtet hatten.

                                „Bring a little Wine“.
                                Wir werden übermütig. Berauschen uns an der Musik und es reicht unseren Herzen doch nicht aus. Der Tank braucht Kraftstoff. Und so auch wir. Bis es uns zu Kopfe steigt.
                                Filmriss. Doch jeder weiß, was damals jetzt geschah.

                                „The Seasons go round and round“
                                Wir erwachen. Verkatert. Müssen nichts bereuen!

                                Der Soundtrack läuft bei mir zurzeit hoch und runter. Diese 70-minütige Radioshow ist der beste Tarantino-Soundtrack und wird wohl niemals mehr „alt“; dafür wäre es jetzt auch viel zu spät.
                                Auch ich wurde in Arkadien geboren! Vergnügliches Reiten!

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                                • 5

                                  Gut geratene Zutaten, die zum Schluss leider doch nur Einheitsbrei (weder Fisch, noch Fleisch) mit zu vielen Fragezeichen ergeben.
                                  Aber der Reihe nach: Die Verbindung von Hexentum und Social Media anhand des schwarzen Spiegel ist ein guter Aufhänger!

                                  Ob der massiven Kritik, die weiter unten folgt, frage ich mich gerade, was mir an dem Film überhaupt gefallen hat. Ich hatte einfach ein „gutes Gefühl“ bei der Sichtung und die enttäuschten Hoffnungen, die sich ob meiner Unkenntnis vorSichtung erst in den ersten Minuten bildeten, wiegen nicht schwer.
                                  Die Schauspieler sind okay.
                                  Besonders hat mir gefallen, dass die Tötungsszenen nicht ganz so drastisch ausgefallen sind.
                                  Auf die JumpScares hätte ich verzichten können, aber sie haben mich auch nicht weiter gestört.
                                  Die Handlung war halbwegs spannend und auch wenn ich kurz vor dem Finale für ein Sekündchen weggeknickt bin, fande ich die Auflösung ganz gut und hätte auch weitergeschaut.

                                  Fragen sind gut, wenn sie uns weiterführen und schließlich zur näheren Betrachtung zurückführen.
                                  Doch solche Fragen stellt man sich im Verlauf des Films nicht. Es sind bedauerlicherweise viele Schnitzer im Drehbuch. So ist es doch völlig unrealistisch, dass der gesamte Campus wirklich davon ausgeht, dass sie die Videos teilt, wenn ihre Freunde das entsprechend kommunizieren.
                                  Desweiteren hätte sie einfach einen neuen Account eröffnen können - gut, der hätte auch wieder gekapert werden können, aber das hätte die Ausweglosigkeit nur noch deutlicher unterstrichen.
                                  Ich hatte anfangs noch gehofft, dass es sich an dem anderen großen Schwarzen Spiegel orientiert und mehr in den Horror der Sozialen Medien eingegangen wird.
                                  Die Freundesliste, die immer mehr nach unten zählt, war in Black Mirror 4x01 ein gelungenes Element, während es hier nur wie überflüssiges Beiwerk zählt.
                                  Wenn man etwas aus dem Film lernt ist es, dass deine Freunde sowieso immer für dich da sind und der Statusverlust durch die schwindenden Online-Freunde gar nicht weiter ins Gewicht fällt, aber hier nehme ich den Film wohl schon ernster als er das gerne hätte.

                                  Wer einen über ganz weite Strecken blutarmen Horrorfilm wegsnacken will, ist hier gerade richtig.
                                  Wenn Sie mehr sehen wollen, sehen Sie woanders hin.

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                                  • 4 .5

                                    Der erste Teil konnte mich schon nicht wirklich überzeugen (5.5).
                                    Doch zumindest gab es Anklänge an die Stand by me-Idylle, die man nun im zweiten Teil erneut aufzuleben versucht. Es funktioniert nicht. Nicht bei mir.
                                    Man quält sich durch 3 lange Stunden und die Charaktere wirken mehr aufgewärmt statt vertieft.
                                    Ab dem Besuch im China-Schuppen geht die Spannungskurve rapide bergab und erholt sich auch nicht mehr bei der viel zu langen Hatz von ES.
                                    Zwischendrin habe ich mal an einem beliebigen Monsterfilm gedacht. Da ist es auch immer zu dunkel. ES war zu diesem Zeitpunkt völlig austauschbar.

                                    Nur die Schlussansprache hat für mich das Ruder noch etwas herumgerissen.
                                    Sei, wer du willst. Fühl dich frei.
                                    Doch wir werden immer Loser sein.
                                    Ein Schlag in die Magengrube, der viel, viel zu spät kommt.

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                                    • 5 .5

                                      Die Jack-Gyllenhall-One-Man-Show.
                                      Ein Film, der definitiv nicht fürs Kino gemacht worden ist, und bei dem man tatsächlich mehr sieht, wenn man gar nicht hinschaut.

                                      Wir müssen dennoch reden. Über die Wahl des Mediums.
                                      Das Einzige, was du neben Gyllenhalls prächtigem Schauspiel, auf dem Bilschirm siehst, ist eine rotes Licht, das Anfang und Ende des jeweiligen Anrufs markiert, ein Computerschirm. Und ein vollgekotztes Klo.
                                      Man kann daraus einen spannenden Thriller stricken, bei der die letzte Wendung für mich nicht wirklich aufgehen will, aber seis drum...

                                      Doch ich habe mir den Spaß erlaubt, die Augen zu schließen und mir die Anrufer vorzustellen. Funktioniert prächtig, da das Auge nicht durch die Wiederkehr des ewig Gleichen in Beschlag genommen wird.
                                      So können auch viele Sitcoms problemlos nur mit ihren Stimmen unterhalten.

                                      Eine plumpe Kritik unter umschweifigen Hinweis auf das alte "Show, not tell" greift hier jedoch zu kurz. Denn zumindest für ein handlungstragendes Element steigert sich der Horror durch den sparsamen Ansatz.
                                      SPOILER ANFANG
                                      Gemeint ist das Baby mit aufgeschlitztem Bauch, das zum Schluss noch überlebt.
                                      Wer will so etwas wirklich auf der Leinwand sehen?
                                      SPOILER ENDE

                                      Das Konzept erlaubt außerdem eine Identifizierung des Zuschauers mit DER Hauptperson, auch wenn es da noch ein paar Geheimnisse zu entdecken gibt.
                                      Wir wissen nicht genau, wer er ist und was er da verbrochen hat - doch wir sehen genau, was er tut und fiebern bald mit.
                                      Es ist keine Zeit für Vorgeplänkel. Es ist streng genommen gar keine Zeit. Wir drücken auf die Kurzwahltasten und bangen dem nächsten Anruf entgegen.
                                      Das hätte mir gereicht. Der Ballast mit der beruflichen Verfehlung sowie den persönlichen Liebesprobleme lenkt nur ab und verwässert die bürokratische Action!
                                      Doch die Krimiabteilung der Buchläden schreit es einem in den letzten Jahren förmlich entgegen: Jeder Polizist, Detektiv etc. hat persönliche Probleme und Traumate, die erzählt werden müssen. So erhofft man sich eine psychologische Düsterkeit, die bei mir schon auf den Umschlagblättern zum sofortigen Zurücklegen gereicht.

                                      Man hätte die Geschichte eines gesichtslosen Bürokraten erzählen können - genau dadurch, dass man die ganze Zeit nur sein Gesicht gezeigt hätte.
                                      Schade, dass dies schon das Remake einer nordischen Vorlage ist. So wird sich da allzu bald keiner mehr ranwagen. Schade!

                                      5
                                      • 4 .5

                                        Melissa McCarthy hatte ich eigentlich abgeschrieben.
                                        Aber dieses Drama, in dem sie mit Chris "IT Crowd" O´´ ´´´Dowd auftritt, hat mich dann doch noch einmal gereizt.
                                        Aus der dramatischen Ausgangssituation wird nicht viel gemacht.
                                        Die zwischenzeitliche Verletzung des titelgebenden Vogels hat mich mehr mitgerissen als die Trauer des gar nicht mal mehr ganz so jungen Paares.

                                        Zu "Der Hochzeit" hat meine Kritik gelautet, dass das Drama in mir einfach nichts auslöst. So fern schien mir das Thema "Scheidung" damals.
                                        Doch hier muss ich abweichend konstatieren, dass es ein Drama ist, von dem ich mir wünschte, dass es in mir etwas ausgelöst hätte.
                                        In meinem Umfeld gab es in den letzten Monaten einige Geburten und auch einige Fehlgeburten. Ich leide mit, doch versinke persönlich nicht in dem eigentlichen Meer der Gedanken. Ich hatte mir erhofft, hier etwas mehr Einblick zu bekommen. Vergebens.

                                        Die dargebotenen Dialoge waren blutleer. Rote Karte an den Drehbuchautor.
                                        Nach den 100 Minuten findet das Paar eben wieder zusammen. Man war mal böse aufeinander, hat sich gegenseitig ignoriert, das Schicksal verflucht und die Trauer ansatzweise verarbeitet.
                                        Bekommt das Paar doch noch ein Kind? Will es das überhaupt noch?
                                        Diese durchaus interessanten Fragen werden gar nicht angerissen. Stattdessen setzt man auf eine fast alberne Hatz durch den eigenen Garten und wird wieder von dem "Mistkerl" angegriffen.
                                        Das Leben geht weiter........, auch wenn man sich diesen Film nicht angesehen hat.

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                                        • 4 .5

                                          Die Grundideen von "Training Day" und "Guess Who - Meine Tochter kriegst du nicht!" prallen aufeinander.
                                          Der Gamer, der als Polizist Karriere machen will (Hart), ist mit der Schwester eines vorgeblich stahlharten Polizisten (Cube) liiert und muss diesem an einem ganzen Tag auf Streife beweisen, dass er für seine Schwester "gut genug" ist.
                                          Der lakonische Einzelgänger Cube rechnet dem Quasselmaul Hart hierbei keinerlei Chancen aus und lässt seine Kollegen hierzu sogar einige Fälle stellen, um ihn zu blamieren. Dieser erbärmliche Umstand wird im weiteren Verlauf zwar aufgegriffen, aber nicht mehr bereinigt.

                                          Cube wird nicht als Frauenheld etabliert.
                                          Das ist für die Handlung auch gar nicht nötig. Nicht Frauen, sondern die Anerkennung anderer Männer soll erobert werden.
                                          Dies gelingt aber erst, wenn Hart blank blufft und freidreht.
                                          Ein verqueres Bild von Männlichkeit.

                                          Ein Blick auf die Frauen. Also auf die Frau.
                                          Diese dient als vorgeblicher Motor der Handlung, ohne je selbst aktiv zu werden.
                                          Somit wird sie auf ihren Körper und ihre Emotionen reduziert. Sie liebt Hart einfach und kann das nicht ändern.
                                          Der Männlichkeitswettbewerb verkommt so zur Farce. Zur Blödelei zwischen zwei Männern, die jeweils auf ihre eigene Weise Buben geblieben sind.
                                          Und wir erkennen: Die Maschine ist nie richtig angesprungen. Die Frau hat durch ihr Schweigen lediglich ein paar "Brumm, brumm"-Laute von sich gegeben, um die Männer im Glauben zu lassen, diese hätten alles unter Kontrolle.
                                          Tiefergehende Erkenntnisse bleiben somit verwehrt.

                                          Aber auch abseits der strittigen Ideologiekritik bietet dieser Film nicht mehr als Altbekanntes und müde Lacher.
                                          Ein singulärer Lacher ist mir dann doch noch entfleucht.
                                          Cube bittet den ins Bein geschossenen Hart um dessen Gürtel.
                                          Replik: "Willst du mich zur Strafe auspeitschen, weil ich angeschossen wurde?!"
                                          Zu wenig.

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                                          • Spaßiger old-School-Zeichentrickfilm mit einer schön ausstaffierten Schema-F-Handlung.

                                            "Nur du allein kannst entscheiden, wer du bist." - Über den Satz könnte man sicherlich lange streiten.
                                            Ggf. komme ich mal drauf zurück.

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                                            • 6

                                              Der Comic hat mich 35 Minuten beansprucht und deutlich besser unterhalten als dieser nette Abklatsch.

                                              Die Abweichungen sind allesamt unlustiger als in der Vorlage und zum Schluss verschusselt man auch noch die Einführung Cäsars, der im Comic erst im Halbschatten steht und dann hervortritt.

                                              Alles in allem ein passabler Streifen, bei dem es bei mir keinen großen Nostalgiebonus geht.
                                              Wir sehen uns wieder. In Rom.

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                                              • 9

                                                Wahrscheinlich bräuchte es 5 Doktorarbeiten, um dieses italienische Brett zu würdigen, aber die Bilder sprechen für sich.
                                                Ganz, ganz großes Kino.

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                                                • 7 .5

                                                  Eine kleine Perle aus Island.
                                                  Der Dank geht an ARTE. (OmU)

                                                  Dramedy mit stark melancholischem Einschlag.
                                                  Für hingebungsvolle Gemüter der Ruhe und Sturrheit bietet man mit diesem Gedeck ein wahres Verweilfest.
                                                  Wer "Am Sonntag bist du tot" mochte, darf auch hier zugreifen.
                                                  Und gerade die Lieder, die in der finalen Episode nochmal gezückt werden, sind sehr schön.

                                                  Um was gehts?
                                                  Der gerade pensionierte Bankangestellte bekommt erst einen unhaltbaren Ausstand und dann eine lebensverändernde Prognose. Hirntumor. Wenn er überlebt, wird er nie mehr derselbe sein.
                                                  Drogenhandel und die Sorge um seinen Sohn mit Anhang liegen ihm nicht. Er kann mit der Generation seines Sohnes nichts anfangen. Zu faul, zu verschwenderisch, nicht zur harten Arbeit brauchbar. Dass sich die (Geld-)politik geändert hat übersieht er und als ihm sein Sohn damit konfrontiert, antwortet er lapidar, er solle doch alle seine unnötigen Ausgaben streichen, so könne er sich die erste Rate für ein Häuschen leisten.
                                                  Weiter denkt unser Opa nicht. Warum sollte er auch?
                                                  Er, der immer sparsam war, verprasst sein Geld, um einmal richtig gelebt zu haben.
                                                  Und: Er plant seine eigene Beerdigung. Passt darauf auf, dass er ja einen weichen Sarg erwischt.
                                                  Er wird sich von allen verabschieden. Als noch Lebender. Denn danach ist es entweder zu spät oder er würde keinen mehr erkennen.

                                                  Wie kommt es an?
                                                  Der Hauptdarsteller stellt den ambivalenten Charakter mit Bravour dar. Sein ihn umgebendes Ensemble steht ihm hier in nichts nach, auch wenn diese selbstverständlich nicht dieselbe Charaktertiefe erreichen können, aber die Grenze zur Austauschbarkeit weit überschritten haben.
                                                  So ist es beinah ein kleiner Widerhall an Breaking Bad. Was hätte Walter White getan, wenn seine Kinder schon größer gewesen wären und er die Diagnose bekommen hätte?
                                                  Gleichzeitig fügt es sich in die auch mit z.B. "Das letzte Wort" entstandene Nische der Serien, die sich mit dem Sterben beschäftigen, ein.
                                                  Freilich kreist auch hier einiges um die kleine Schwester des Todes, der Liebe.
                                                  Was wäre gewesen, wenn er sich nicht von seiner Frau getrennt hätte?
                                                  Was wäre gewesen, wenn er deren Nebenbuhlerin geehelicht hätte?
                                                  Der Konjunktiv spielt dann eine wichtige Rolle.
                                                  Er erreicht sein letztes selbst gestecktes Ziel, sieht es aber nicht, sieht sich als Scheiternder. Hätte er nur länger zugesehen.
                                                  Herausforderungen wie die Versöhnung mit seinem Sohn hat er längst aufgegeben. Spricht es zum Schluss offen aus und kann doch nicht, nein, er will nicht und er muss auch nicht.
                                                  Schließlich ist das Leben endlich.

                                                  Was kommt dabei heraus?
                                                  Die Schlussszene grenzt etwas an Kitsch, er wird jedoch durch die anstehende Dunkelheit gerechtfertigt und überlagert. Wir sehen ihn in seinen letztem lichten Moment. Danach wird alles anders sein. Für immer.
                                                  Er hätte ein besserer Mensch sein können. Er wollte aber nicht.

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                                                    über Prey

                                                    Mehr Stummfilm wagen!

                                                    5 Männer im düsteren, düsteren Wald.
                                                    Ich bin gleich mitten im Geschehen. Eine Kanufahrt geht zu Ende. Die Männer geben Laute vor sich, die noch keinen Sinn ergeben wollen. Man schäckert, hat Spaß am Leben.
                                                    Die Dialoge folgen dann leider doch. Sie haben keinen Mehrwert für den Film. Man hätte hier mehr wagen können; ein dadaistisches Element implementieren können.
                                                    So bleibt dieser Survival-Thriller mit mehr Drama- als Horroreinschlag in ganz bekannten Fahrwassern und unterhält mich doch ziemlich gut über seine knackige Laufzeit von 80 Minuten. Die Rückblenden hätte man komplett rausstreichen sollen; die lenken nur vom schaurigem Waldsetting ab.

                                                    Die Kopfschüsse sitzen so locker effektiv wie im für diese Belange stets zu referenzierenden John Wick, dezimieren aber im Gegensatz zu jenen die Gruppe nachhaltig.

                                                    Ganz zum Schluss hatte ich dann beinahe etwas Bammel, das jetzt noch die große Ansprache des Bösewichts kommt, aber zum Glück verkneift man sich jeden Dialog und erzählt seine recht dünne Geschichte weiter auf visueller Ebene.

                                                    Ein deutscher Film, der sich sehen lassen kann, auch wenn er zuletzt blass bleibt.

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