J.F.Lannister - Kommentare

Alle Kommentare von J.F.Lannister

  • Der Name geht auf das römische Sator-Quadrat zurück, wie ich vorhin gelesen habe.

    SATOR --> der Antagonist
    AREPO --> der Kunstfälscher
    TENET --> die Organisation
    OPERA --> die Intro-Szene
    ROTAS --> ???

    https://de.wikipedia.org/wiki/Sator-Quadrat

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      J.F.Lannister 29.08.2020, 16:47 Geändert 01.10.2021, 20:33
      über Tenet

      Christopher Nolan ist seit jeher ein großer "James Bond"-Fan, schon "Inception" war als Heist-Actionthriller spielend an exotischen Orten maßgeblich von "James Bond" beeinflusst. Einen Bond-Film zu drehen, war Nolan in den 2010er Jahren nicht vergönnt, vielleicht wollte er auch nicht in die Craig-Reihe eingreifen, zumal er sich ohnehin der Reihe und dem Handlungsbogen hätte unterordnen müssen. Jedenfalls scheint ihn diese Sehnsucht nach "Inception" ein weiteres Mal und diesmal noch stärker befallen zu haben, denn mit "Tenet" drehte Nolan nun tatsächlich einen - spanneneden und eindrucksvollen - Spionage-Actionthriller, der theoretisch auch als Bond-Film durchgehen könnte, würde man die Namen und Bezeichnungen austauschen.

      John David Washington spielt quasi James Bond, einen charmanten und humoristischen Geheimagenten, der die Welt retten muss. Kenneth Branagh tritt als russischer, reicher Antagonist mit extravagantem Weltvernichtungsplan auf (sein mimisches Spiel gerät leider zu überstilisiert schurkisch, die deutsche Synchro mit übertriebenem russischen Akzent ist furchtbar). Elizabeth Debicki verköpert das "Bond-Girl", welches mit dem Antagonisten liiert ist, von ihm unterdrückt wird und dann mit dem Geheimagenten anbandelt (bei Nolan natürlich ohne Sexualität und Erotik). Robert Pattinson gibt den externen Komplizen analog zu Felix Leiter, der dem Agenten tatkräftig zur Seite steht und diesen mit Informationen versorgt. Die Figuren, Figurenkonstellationen und das grobe Plotgerüst sind die gleichen wie in einem Bond-Film.

      Ab hier Spoiler:

      Nolan ist aber nicht an einem einfachen Spionage-Actionthriller gelegen, sondern reichert "Tenet" mit einigen moralischen und nachdenklich stimmenden Twists an. Formal und stilistisch begreift sich "Tenet" klar als "Inception 2.0", inhaltlich entwirft der Film aber mehr ein Alternativszenario zu "Interstellar". In beiden Filmen befindet sich die Erde in der Klimawandel-Endzeit, in "Interstellar" ist die Raumfahrt so weit fortgeschritten, dass die Menschheit das eigene Überleben und die Zukunft sichern kann, indem sie eine Raumreise antritt. In "Tenet" exisitert eine solche Raumfahrttechnologie nicht, die Menschheit bleibt gebunden an den sterbenden Planeten Erde. Wohl aber existiert hier die Technologie, die Materie der Entropie umzukehren und sich somit zeitumgekehrt fortzubewegen - eine Zeitreise anzutreten. Das Überleben des Planeten und der Menschheit, ihre Zukunft, liegt in "Tenet" also in der Vergangenheit.

      Dementsprechend arbeitet eine abstrakt gehaltene Organisation in der Zukunft daran, die gesamtheitliche Entropie des Universums zu invertieren, sodass sich nicht nur einzelne Objekte sondern auch die Erde und das Sonnensystem zeitumgekehrt bewegen. Der Twist an der Sache: Die Zeitinvertierung würde die Gegenwart der normalen Zeit auslöschen. Aber ehrlich gesagt, wer kann der zukünftigen Menschheit diesen Schritt verübeln? Es ist ein existentieller Kampf der Menschheit, ausgefochten zwischen der Kindergeneration und deren Eltern- und Großelterngenerationen (verdeutlicht durch das Großvater-Paradoxon), ausgelöst durch die Taten und die Untätigkeit der letzteren. Aus heutiger Sicht mag das schwer vorstellbar sein und albern wirken, wie oft wird zum Beispiel Fridays For Future mit Spott und Belächelung begegnet? Aber wehe dem, die klimabewusste Junggeneration der späten 2010er und 2020er Jahre würde über eine solche Macht verfügen wie in "Tenet"! Das würde so einige Angehörige der Altgenerationen voller Tatendrang aus ihren Löchern treiben.

      An diese Gesellschaftskritik geknüpft ist der gegenwärtige Antagonist Andrei Sator, der von der Zukunftsorganisation angeheuert wurde. Ein Mann, der die Zeichen der Zeit pessimistisch deutet und den Glauben an die Menschheit verloren hat (siehe auch Paul Schraders "First Reformed"). Aufgewachsen in der Sowjetunion und die Schrecken eines potentiellen, nuklearen Holocausts am eigenen Leib miterlebt, blickt er nun der Klimakatastrophe entgegen und hält es für eine Sünde, ein Kind in diese dem Ende zugehende Welt gesetzt zu haben. Unheilbar erkrankt am Bauchspeicheldrüsenkrebs, möchte er seinem Tod wenigstens einen Sinn geben, durch seinen Tod das Leben und das Überleben der (zukünftigen) Menschheit sicherstellen. Auch hier stellt sich die Frage, wer kann es ihm verübeln? Ein Antagonist, zu dem man fast mehr Sympathien hegt als zum eigentlichen Protagonisten, auch in Bond-Filmen eine Seltenheit.

      Anhand der Beziehung zwischen Andrei Sator und seiner ihm entfremdeten Ehefrau Kat (Debicki) kreiert Nolan passend zum Überthema des Films eine Invertierung der Beziehung zwischen Cobb und Mal in "Inception". In "Tenet" ist es nicht der Ehemann sondern die Ehefrau, die sich ein sicheres und freies Leben mit ihrem Kind wünscht und alles dafür tut, während der Ehemann dann den manischen, antagonistischen Gegenpart darstellt.

      Nolan wird immer wieder vorgeworfen, den Plot seiner Filme zu verkomplizieren und verwirrend mit Handlungsebenen und Zeitschleifen herumzuspielen, aber gerade in "Tenet" fungiert das als aussagekräftige Metapher im Kontext des Krieges. Die großen Kriege des 20. und 21. Jahrhunderts waren und sind stets geprägt von neuartiger, unbekannter Kriegstechnologie und Strategie, von Überforderung und Unverständnis. Maschinengewehre, Panzer, Flugzeuge, U-Boote, Stacheldraht, Giftgas, Nuklearwaffen, Napalmbomben, Information und Datenverarbeitung, Massenarmeen, Weltkriege und selbst das Dschungel- oder Bergterrain in Vietnam bzw. Afghanistan. In "Tenet" ist es nun die Zeitinvertierung, die zu Kriegszwecken verwendet wird, und durch die Augen des protagonistischen Geheimagenten trifft das auch den Zuschauer vollkommen unvorbereitet und man versteht die Funktionsweise und das Ausmaß der Technologie und des Krieges erst nach und nach. Wie im 20. Jahrhundert muss der Krieg auch im 21. Jahrhundert jedes Mal erst neu erlernt werden. Über welchen Vernichtungsgrad die Zeitinvertierung verfügt und welche Verantwortung die Forschung dabei trägt, arbeitet "Tenet" darüberhinaus durch einen - seehr überdeutlichen - Vergleich mit Oppenheimer und der Atombombe heraus.

      Auch wenn in "Tenet" die Zeitfluktuation dominiert, scheint der Film doch in einer Sache aus der Zeit gefallen zu sein und stillzustehen. Es mag eventuell Nolans Bond-Faible entsprungen sein, aber es ist schon auffällig, dass sich hier ein protagonistischer CIA-Agent und ein antagonistischer, russischer Oligarch gegenüberstehen. Für mich wirft dieses Szenario im Kontext des durch die Zeitinvertierung stetig im Wandel befindenen Geschehens einen bitteren Blick auf das 21. Jahrhundert. Die Welt verändert sich rasend schnell und der kalte Krieg ist seit 30 Jahren beendet, der Eiserne Vorhang besteht heutzutage gewisserweise aber weiterhin. "West" und "Ost" stehen sich immer noch misstrauisch und gefühlt verfeindet gegenüber, erst recht verstärkt im Hinblick auf die letzten paar Jahre.

      Drei Anmerkungen zum Filmischen: Nolan beweist für mich abermals, dass er Action eben doch kann, insbesondere im Kino ein Augenschmaus. Ludwig Göransson ("Creed", "Black Panther") ersetzt hier Hans Zimmer als Komponist, aber anstatt etwas Eigenes zu kreieren, eifert er Zimmer nach, ohne dessen Qualität wirklich zu erreichen. Der Filmmusikeinsatz ist des Öfteren unpassend, Dialoge werden überdeckt, in ruhigen Drama- und Charakterszenen wird Bombastmusik eingespielt.

      Fazit: Aus meiner Sicht bleibt der Umstand bestehen, dass Nolan noch keinen schlechten Film gedreht hat, der nächste kann kommen! Gegen einen neuen Mysteryfilm der Marke "Prestige" oder Hard-Science-Fiction-Film der Marke "Interstellar" hätte ich nichts einzuwenden. Oder wie wäre es mal mit einem Horrorfilm?

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        J.F.Lannister 26.08.2020, 21:03 Geändert 26.08.2020, 21:07

        In der für mich stärksten Szene in der letzten Episode dieser Staffel wird der erkenntnistheoretische Gedankengang der ikonischen Pillen-Szene aus "The Matrix" auf das Themengebiet des Drogenhandels und Drogenkonsums angewandt, in einen anderen Kontext gesetzt und radikal umgedacht. Schluck die blaue Pille und du kehrst zurück in die heile Traumwelt, die rote Pille dagegen wird dir die Augen öffnen für die Welt, wie sie tatsächlich ist.

        Im Fall von Ecstasy sagen Farben freilich überhaupt nichts aus, es ist die gleiche Substanz und bei gleicher Menge wird die Drogenpille exakt die gleiche Wirkung haben. Dementsprechend macht sich die Serie lustig über diesen Umstand und über die Erwartungen der Zuschauer, die mit ihrem Matrix-Vorwissen an die Szene herantreten. Auch die Gedanken des Drogenhändlers Mo kreisen sich nur um die Tatsache, dass es zwei einfache Ecstasy-Pillen sind, und fürchtet sich vor der pharmakologischen Wirkung der Droge.

        Brutal und erschreckend entpuppt sich diese vermeintliche Tatsache jedoch als Schein. Mo überwindet schließlich seine Ängste und nimmt die rote Pille, sein Gegenüber, die niederländische Drogenhänderlin Beeke, die aus dem Geschäft aussteigen möchte, nimmt die blaue Pille. Noch in Gedanken an die Drogenwirkung und anbahnende Liebelei zwischen den beiden, wird Beeke auf einmal vor den Augen von Mo und des Zuschauers aufgrund ihres Ausstiegswunsches ermordet.

        Über Mo, der die rote Pille nahm, bricht nun die Wahrheit herein, und er erkennt, dass die niederländische Drogenhandelsorganisation sich nach außen zwar als nett und harmlos verkauft, im Inneren aber eindeutig kriminell organisiert ist und den Geschäftsbetrieb auch durch gezielte Tötungen aufrechterhält. Eine Rückkehr in die heile Traumwelt existiert im organisierten Verbrechen dagegen nicht, wer die blaue Pille nimmt und aussteigen möchte, muss mit dem Tod rechnen.

        Nach dem Mord an Beeke erbricht sich Mo, von der Situation psychisch überwältigt, in ein Waschbecken, er erbricht die rote Pille. Das Erbrechen der Pille als körperliche Schutzreaktion steht hier wider Erwarten nicht im Kontext der Droge, sondern im Kontext des kapitalistischen, reich machenden Drogengeschäfts. Das Drogengeschäft als berauschendes, aufputschendes und abhängig machendes Gift. Mo möchte sich dieses Gifts und dieser Sucht entledigen, doch die Droge befand sich schon zu lange in seinem Körper, er befindet sich längst in den Fesseln des organisierten Verbrechens.

        Die Szene begann mit zwei Ecstasy-Pillen und Mos Angst vor der pharmakologischen Wirkung. Zum Schluss der Szene hat sich diese Angst vor Drogen für Mo im Vergleich mit der drohenden Gefahr durch die Arbeit im organisierten Drogengeschäft als ein banales Nichts offenbart.

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          J.F.Lannister 26.08.2020, 01:40 Geändert 26.08.2020, 10:58
          über Aquaman

          Eine stupide, pseudocoole und daher gelegentlich cringige Actionkomödie und lauer Abklatsch von "King Arthur", "Thor" und "Black Panther", die nichts zu erzählen hat und sich von einer CGI-Bombastszene zur nächsten hangelt. Das DCEU ist stilistisch wohl endgültig dort angelangt, wo sich das MCU befindet, aber das ist für mich nichts Gutes. "Aquaman" zeugt von ähnlicher Formalhaftigkeit und James Wan, mit dessen Filmographie ich zwar auch auf dem Kriegsfuß stehe, dem ich aber eine Horrorvison nicht absprechen kann, degradiert sich hier selbst zum unbedeutenden Auftragsregisseur.

          Dabei bargen Aquamans Geschichte, das World Building, die Themen der Umweltverschmutzung und Überbejagung durch den Menschen von vorneherein großes Potential... schade. Im Prinzip hätte man für das gleiche Geld auch "Der Schwarm" vernünftig für die Kinoleinwand adaptieren können. Und was für eine Castverschwendung das auch ist! Jason Momoa als Idealbesetzung, dazu noch Willem Dafoe, Nicole Kidman, Patrick Wilson, Amber Heard und Dolph Lundgren, die wirken in ihren Rollen, vor dem Dauer-Greenscreen und in den Superheldenkostümen dermaßen unterfordert, dass ich mich fragte, ob sie sich beim Dreh oder danach nicht insgeheim auch dachten, in was für einem Quatsch sie hier mitspielen.

          Neben wenigen unterhaltsamen Actionsequenzen (z.B. die Verfolgungsjagd durch den Trench mit den Meeresghoulen) oder epischen Momenten blitzt hin und wieder auch mal ein Funke der kompletten Überstilisierung durch, zum Beispiel in einer Szene mit einem 80er-Synthiescore oder der Sahara-Szene mit dem Electroremix von Totos "Africa". Hätte "Aquaman" den Mut gehabt, sich dem mehr zu öffnen, dann wäre es eine befreite, ehrliche und tatsächlich lustige (Edeltrash)-Actionkomödie geworden. Unter der Ägide der "Fast & Furious"-Produzenten oder mit den Wachowskis oder Waititi auf dem Regiestuhl hätte der Film mal gedreht werden sollen.

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          • J.F.Lannister 25.08.2020, 15:21 Geändert 25.08.2020, 15:22

            Mein Opa ist vom gleichen Jahrgang wie Sean Connery und wurde bereits vor zwei Wochen 90 Jahre alt. Man weiß natürlich, dass das ein stolzes Alter ist, aber wirklich bewusst und greifbar wurde es für mich erst vor zwei Wochen auf der kleinen Geburtstagsfeier meines Opas. Insbesondere aus dem Grund, da mein Opa körperlich und geistig noch recht fit ist.

            Von daher: Herlichen Glückwunsch, Mr. Connery!
            90 Jahre alt zu werden, das schafft nicht jeder.

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              J.F.Lannister 25.08.2020, 12:07 Geändert 25.08.2020, 12:25

              Auf wahren Begebenheiten beruhend (Mehran Karimi Nasseri), strandet ein Mann aus einem Land der ehemaligen Sowjetunion auf dem New Yorker Flughafen JFK, befindet sich in einem diplomatischen und bürokratischen Loch und muss daher für Monate auf dem Flughafen leben.

              Eine routiniert gute Arbeit von Steven Spielberg, John Williams und des Casts (Tom Hanks, Catherine Zeta-Jones, Stanley Tucci, ...), das kann man nicht anders sagen. Es hat Spaß gemacht, mir den Film anzusehen. Zu meiner Enttäuschung werden Flughafenstress und -hektik, Bürokratiewahnsinn und Fremdenparanoia jedoch lediglich als Fundament für eine einseitig gezeichnete, rührselige Feel-Good- und Liebesdramödie verwendet. Vielleicht war es drei Jahre nach 9/11 noch zu früh, vielleicht brauchte es da noch diese eskapistische Weltfremdheit, mir persönlich gibt das aber leider kaum etwas.

              Ein antiemanzipatorisches Ärgernis im Nebenplot: Tom Hanks arrangiert für den schüchternen Diego Luna die Ehe mit Zoe Saldana, letztere sagt ja, ohne ihren zukünftigen Ehemann auch nur einmal bewusst gesehen oder ein persönliches Wort mit ihm gesprochen zu haben.

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              • J.F.Lannister 19.08.2020, 18:47 Geändert 19.08.2020, 18:48

                "Ich werde Kommentare dieser Art ignorieren. Ich habe für derlei User nur noch Profanität übrig, die ich mir auf dieser Ebene zukünftig ersparen möchte, obwohl es mir tatsächlich sehr schwerfällt ein Kind nicht beim Namen zu nennen."

                Tja, offensichtlich war das nicht der Fall^^

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                • "Ich wünsche mir eine Zeit, in der nach Qualität geschrieben wird und nicht nach den politischen Bedürfnissen und persönlichen Befindlichkeiten von Leuten, die selber nichts leisten"

                  Da stellt sich jetzt die Frage, warum man etwas (für die Gesellschaft) geleistet haben muss, um Kulturschaffender und/oder Kulturkritiker zu werden? Was hast du denn geleistet, dass du hier einen solchen Text schreibst und veröffentlichen darfst?

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                  • "Und egal wie übel es von Links bzw. Rechts stinkt: Die Mehrheit schweigt und duckt sich weg, denn da wo ´33 die SA an die Tür geklopft hat, da lauert heute die (teil-)gesellschaftliche Ächtung per Internet-Mob."

                    Diskriminierung und Diffamierung allgemein und speziell im Internet sind ein Krebs, das stimme ich dir vollkommen zu. Zum Glück gehen Plattformen wie Twitter und Facebook nun ja auch aktiv(er) gegen solche Postings und deren Urheber vor.

                    Der Internet-Mob ist aber weder staatlich organisiert, noch deportiert und ermordet er gesellschaftliche Minderheiten. Hier verrennst du dich mit einer solchen NS-Relativierung total.

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                    • "bei der Hautfarbe einer Minderheit engt sich logischerweise der Kreis der Verdächtigen noch weiter ein. Letztlich aber alles keine große Sache, so ist das nun mal bei Storys über Superhelden -> “Suspension of disbelief”. Anstrengend wird es nur, wenn Leute darauf bestehen diese “Verabredung mit dem Publikum” als total logisch und realistisch hinzustellen"

                      Logisch und realistisch eben im Sinne der Suspension of Disbelief, wovon man bei Superheldengeschichte ja automatisch ausgehen muss. Die Sache ist eben die, dass du bei weißen Superhelden (Superman, Batman, Green Lantern, Batwoman, ...) die Suspension of Disbelief stets als gegeben hingenommen hast. Zumindest ist mir bei dir aus den letzten Jahren kein Kommentar bekannt, der Gegenteiliges behaupten würde. Sobald dann aber eine Schwarze als Batwoman gecastet wird, regst du dich auf und suchst akribisch nach dem Logikhaar in der Superheldensuppe.

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                      • J.F.Lannister 19.08.2020, 18:09 Geändert 19.08.2020, 18:12

                        "die angeblich bisexuell ist und damit automatisch (?) zur LGTBQ-Community gehört"

                        Das B in LGBT steht für Bisexual. Also ja, sie gehört dazu.

                        "Damals wäre niemand auf die Idee gekommen den heterosexuellen Schauspielern Heath Ledger und Jake Gyllenhal vorzuwerfen, dass sie nicht “schwul genug” seien, um diese Rollen zu spielen."

                        Da fällt mir noch ein Gegenbeispiel aus früherer Zeit ein, von der umgekehrten Seite aus betrachtet. Bekanntlich spielt der homosexuelle Neil Patrick Harris in der Serie "HIMYM" äußerst überzeugend den heterosexuellen Frauenschwarm Barney Stinson. Als sein Outing der Fanbase dann bewusst wurde, äußerten sich Teile davon doch schon sehr verwundert. Wie es denn sein könne, dass ein Homosexueller einen Heterosexuellen so überzeugend spielt. Oder dass dieser Umstand gar nicht erst sein dürfe. Hier also der Fall, dass sein Heteroseuxeller nicht "heteroseuxell genug" gecastet wurde.

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                        • Lol. Schön den Artikel löschen und neu hochladen, damit meine kritischen Antworten verschwinden. Was für ein erbärmliches Diskussionsverhalten.

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                          • "Gestorbener Darsteller würde Game of Thrones-Petition unterschreiben"

                            Die fehlerhafte Absatzüberschrift (es fehlt das Wort "Figur" o.Ä.) leicht umgestellt, es würde den Wahnsinn im Bezug auf die finale GoT-Staffel perfekt wiedergeben.

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                              Zitat aus einem gestrigen WhatsApp-Chat zum Film:

                              "Kann die Familie Brody nicht einfach ins Innenland ziehen?"
                              "Dann wäre der Hai irgendwann unter der Dusche."

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                                J.F.Lannister 11.08.2020, 16:25 Geändert 11.08.2020, 16:26

                                Funfact:
                                "Jaws 3D" kam 1983 mit einem PG-Rating in die US-Kinos :D
                                PG-13 gab es damals noch nicht.

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                                  Wider meiner Erwartung eine Steigerung nach dem zweiten Teil.

                                  Während in den beiden Vorgängern der Hai noch klar als Antagonist verstanden wird, kehrt Teil 3 diese Charakterisierung teilweise um, die "Jaws"-Reihe weckt hier zum ersten Mal Sympathien für den Hai. Beziehungsweise für die Haie, denn es handelt sich um ein Muttertier und ihr Junges. Setting ist diesmal ein Seaworld-Vergnügungspark, der vom Film kritisch ins Visier genommen wird. Unwissentlich schwimmen die beiden Haie in das Außengelände des Seaword-Parks und sitzen dort fest, das Haijunge wird eingefangen - ein lebender Weißer Hai im Park, die Sensation! - und leidet fortan enorm unter nicht-artgerechter Haltung und Stress durch die Zurschaustellung. Das Filmfinale wird dann als Racheakt des Muttertiers in Szene gesetzt.

                                  Mit der Action und dem Horror hält sich "Jaws 3D" in den ersten zwei Dritteln abgesehen von wenigen Spitzen überraschenderweise zurück. Stattdessen erzählt der Film von der Suche nach einem verschollenen Parkarbeiter (als Zuschauer weiß man, dass er zu Beginn vom Hai getötet wurde), diese Erzählung zeichnet sich durch eine gut konstruierte, dynamische und spannende Dramturgie aus, in die dann oben beschriebene Seaworld-Kritik miteinfließt.

                                  Auch wenn die Seaworld-Kritik zu den Stärken des Films zählt, ist sie nichtsdestotrotz zu kurz gedacht. Auf den Orca und die Delfine im Park greift die Kritik nicht über, vielmehr noch gelten die Delfine als vermenschlichte, beste Freunde des Menschen, als sei "Jaws 3" in Wahrheit ein Spin-Off von "Flipper".

                                  Um noch wenigstens über eine rudimentäre Verbindung zu den beiden Vorgängern zu verfügen, werden hier die beiden Brody-Söhne als Hauptcharaktere angelegt, interessanter gestalten sich die menschlichen Charaktere dadurch allerdings nicht. Sean Brodys Meerestrauma aus Teil 2 und eine entsprechende Aufarbeitung werden zwar gelungen angerissen, laufen zugunsten des Actionfinales dann jedoch ins Leere. Michael Brody wird immerhin noch von einem jungen Dennis Quaid gespielt.

                                  Als das wahre Ärgernis stellen sich allerdings die Actionszenen und Effekte bezogen auf das Hai-Muttertier heraus. Einerseits werden dadurch leider doch noch die niederen Genreklischees bedient, durch die sich Tierhorrorfilme oft auszeichnen. Andererseits setzt Teil 3 aufgrund der 3D-Effekte als erster Film der Reihe verstärkt auf CGI-Effekte, die heutzutage nur noch als miesester Trash durchgehen und jede Atmosphäre und Immersion sofort zunichtemachen. Beim 3D handelt es sich stets um selbstzweckhafte Pop-Out-Effekte, die oft auch geschmacklos ausfallen, wenn der Film dem Zuschauer abgetrennte Körperteile vor das Gesicht hält.

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                                    "Jaws 2" orientiert sich an der Introszene des Vorgängers und funktioniert den Haihorror zur reinen Teenie-Coming-of-Age-Geschichte um, was keine allzu gute Idee ist. An die Stelle des psychologischen und vielschichtigen Charakterkonflikts tritt nun eine Gruppe schablonenhaft ausgearbeiteter Jugendliche, deren laienhaften Schauspieler overactend und hysterisch um die Wette kreischen. Die Teenager haben Spaß, flirten und knutschen rum, widersetzen sich den Anweisungen ihrer Eltern und werden von dem Hai gefressen, "Jaws 2" nimmt also bereits sämtliche Negativeigenschaften des Slashergenres vorweg.

                                    Roy Schneider als Polizeichef Brody muss sich derweil mit der undankbaren Rolle begnügen, trotz seiner Erfahrungen als paranoider Irrer zu gelten, dessen Warnungen diesmal nicht nur in den Wind geschlagen werden, sondern die auch zu seiner Entlassung führen.

                                    Immerhin rettet Schneider in seinen Szenen noch einigermaßen den Tag, zusammen mit den Haieffekten in den Actionszenen und John Willimas Filmmusik, dessen neuarrangierte Melodien aus dem Vorgänger wie von selbst laufen.

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                                      Am Sonntag im Kino gesehen.

                                      Im Prinzip handelt es sich bei "Jaws" um eine in die Neuzeit verlegte "Moby Dick"-Erzählung. Quint ist analog zu Ahab geradezu besessen von Haien im Allgemeinen und später dann von dem einen Weißen Hai im Speziellen, in abgeschwächter und gesunder Form lässt sich das zudem noch anhand von Hoopers Liebe für Haie beobachten. In beiden Fällen geht die Beziehung zu Haien wie bei Ahab und dem Wal zurück auf traumatische Ereignisse in der Vergangenheit. Quint war 1945 als Marinesoldat auf dem Kriegsschiff USS Indianapolis stationiert, welches Material für den erste Atombombe transportierte und danach von einem japanischen U-Boot versenkt wurde. 1100 Mann mussten vier Tage lang im Wasser überleben und waren ständigen Haiattacken ausgesetzt, am Ende überlebten nur 300 der Männer. Hooper hatte als Kind beim Angeln auf dem Meer einen Tigerhai am Haken, der im Folgenden sein Boot zerstörte, sodass Hooper sich schwimmend an Land retten musste.

                                      Im Bezug auf die Weltkriegs-Veteranenschaft erstellt "Jaws" als Film der 70er Jahre ein direktes Abbild dieser Gesellschaftsgruppe, was sich aus heutiger Sicht als großer Vorteil entpuppt, weil der psychologische Konflikt zwischen den drei Männern auf dem Boot dadurch ein größeres Gewicht erlangt. Quint und Hooper prahlen mit ihren durch Meerestierangriffe verursachten Narben so als seien es Kriegsnarben; und das, obwohl Hooper selbst nur ein Jüngling ist, der den Krieg nie aktiv miterlebt hat. Ein unterbewusster Schwanzvergleich. Brody wirft währenddessen einen Blick auf seine Schussnarbe am Bauch, ist aber zu verschämt, um sie Quint und Hooper zu offenbaren, oder er hält diese Narbenprahlerei für albern und steht über diesem Machogetue.

                                      Der Hai fungiert als Ausdrucksmittel und Katalysator menschlicher und maskuliner Hybris, darüberhinaus treibt er den Konflikt innerhalb der Alphamännchen- und Autöritätsstrukturen auf dem Boot an. Quint, Hooper und Brody fahren mit dem Selbstverständnis auf das Meer hinaus, dass der Hai eine Bedrohung für die Menschheit darstellt und in jedem Fall getötet werden muss. Jeder der drei Männer hat Autoritätspositionen inne - Brody ist Polizeichef, Quint ist ein erfahrener, raubeiniger Haijäger, Hooper ist Ozeanologe - aus deren Anspruch heraus sie regelmäßig und heftig aneinandergeraten. So entbrennt zum Beispiel ein Streit wegen der Frage, wer welche Aufgaben übernimmt. Quint und Hooper streiten sich darüber, wer von beiden über die Befehlsgewalt über die Jagdmethodik und den Job des Jägers verfügt. Hooper verliert, darf stattdessen zwar die ebenso ehrbare Arbeit des Bootsfahrers ausüben, als solcher er allerdings dem Jäger Quint unterstellt ist. Sich Befehle geben zu lassen, stört Hooper sichtlich. Brody muss sich derweil mit der niederen, ekligen Arbeit des Köderers zufriedengeben und beschwert sich vergebens, warum ihn Hooper nicht wenigstens einmal ablöst. Ansonsten entbrennt zwischen Hooper und Quint noch ein Streit zwischen dem Städtisch-Akademischen und Ländlich-Praktischen sowie zwischen altbewährt-traditioneller und neuartiger Jagdtechnik.

                                      Im Gegensatz zu Quint und Hooper zeichnet sich Brody allerdings oft durch Ausgewogenheit und Rationalität aus. Zum Bootsuntergang führt letztendlich auch nicht der Angriff durch den Hai, sondern die Überbelastung des Bootes durch Quints Aktionen und Quints stetiges Ignorieren von Brodys Anmerkungen, dass man für so einen Hai ein größeres Boot benötige. Des Weiteren wird der Hai weder durch Quints traditionelle noch durch Hoopers neuartige Methoden getötet, sondern durch Brodys Improvisationstalent, der beide Methoden miteinander kombiniert. Mit Hilfe eines Karabiners bringt er eine Druckluftflasche im Maul des Hais zur Explosion. Eine Zusammenarbeit der widerstreitenden Positionen Quints und Hoopers führt also schließlich zum Erfolg und Brodys Charakterzüge qualifizieren ihn zum Heldendasein und Monstertöter. Währenddessen bezahlt Quint aufgrund seiner Selbstüberschätzung und seines starken Autoritätsverhaltens mit dem Tod und Hooper mit ähnlicher, jedoch schwächer ausgeprägten Veranlagung mit einer Nahtoderfahrung.

                                      Auch wenn man "Jaws" eine Haidämonisierung und Realitätsverzerrung nicht absprechen kann, gibt sich der Film doch Mühe, den Hai nicht als Aggressor im ursprünglichen Sinn darzustellen. Der Hai agiert nur seinen Fressinstinkten innerhalb seines Jagdterritoriums entsprechend. Die Angriffe und Tötungen geschehen nur, weil die Touristen und Haijäger in das Territorium des Hais eindringen und weil die Verwaltung und Tourismusbranche die wirtschaftlich-kulturelle Notwendigkeit des Tourismus über das Wohl der Menschen stellen.

                                      Ansonsten wurde "Jaws", wie man es schon zigmal gelesen hat, genial in Szene gesetzt, zu nennen sind da Kameraarbeit, Schnitt, Musik, Hai- und Horroreffekte. Im Kino auch nochmal beeindruckender. Im Folgenden ein Highlight, welches ich nicht mehr in Erinnerung hatte: Der Vertigo-Shot, der Brodys Gefühlslage als Momentaufnahme perfekt visualisiert, als er nach dem ersten Tod am Strand Wache hält und dann der Junge vom Hai attackiert wird.

                                      8 - 8,5 von 10 Punkten

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                                      • David Hasselhoff in "Moped Rider".
                                        Ein zweiminütiger Kurzfilm für mobile.de

                                        https://www.youtube.com/watch?v=iByp3UoloAM

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                                          J.F.Lannister 04.08.2020, 23:41 Geändert 05.08.2020, 18:11

                                          Im Kino gesehen, erneut und noch mehr beeindruckt worden.

                                          Was mir bisher (glaube ich) noch nie aufgefallen ist:

                                          Die Protagonisten sehen das (naturwissenschaftliche) Zum Leben Erwecken der Dinosaurier wie die Filmzuschauer ebenfalls begeistert auf einer Großleinwand. Parkgründer John Hammond interagiert mit seinem Leinwand-Ich, ähnlich wie auch John Hammond eine Art Alter Ego des Regisseurs Steven Spielberg darstellt. Durch den gesamten Film und explizit in einem Dialog zwischen Hammond und Ellie Sattler zieht sich die Fragestellung, ob man an das Projekt "Jurassic Park" mit Rationalität und kritischem Hinterfragen oder mit Emotionalität, Magie und Begeisterung herantreten sollte. Das könnte gefühlt auch ein Dialog zwischen Spielberg und Roman- sowie Drehbuchautor Crichton sein.

                                          Der Verlauf der Handlung wird im Prinzip schon dadurch vorhergesagt, dass die Protagonisten Grant, Sattler und Malcolm aus dem Drehscheiben-Sitzbereich ausbrechen, um die lebenden Dinos zu begutachten, während der Anwalt Gennaro noch fragt, ob sie das überhaupt dürfen. Das Leben finde immer einen Weg und die Evolution überwinde jede Barriere, so heißt es. Grant, Sattler und Malcolm sind diejenigen, die Bedenken ob der natürlichen, biologisch-evolutionären Macht äußern, sie akzeptieren und sich ihr fügen, während Gennaro abseits der Regelkonformität nur an den Profit denkt. Dementsprechend gewinnen die evolutionären Grant, Sattler und Malcolm auch den Überlebenskampf, während Gennaro gefressen wird. Auch hier findet eine Selektion statt.

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                                          • 6 .5
                                            über Quay

                                            Den verschollenen Brüdern Werner Herzogs (Quay Brothers) beim Drehen eines Stop-Motion-Animationsfilms zuschauen.

                                            https://www.youtube.com/watch?v=z-xoS73f53A

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                                            • Wo hast du "Quay" gesehen?

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                                                J.F.Lannister 30.07.2020, 20:30 Geändert 31.07.2020, 17:51

                                                Einem unwahrscheinlichen und lustigen Zufall entspringend, ist "Fisherman's Friends" Teil meiner Kindheit, obwohl der Film erst 2019 erschien und ich gestern zum ersten Mal von ihm gehört habe. Mein Vater berichtete meiner Mutter und mir gestern Abend begeistert vom Film, den er im TV gesehen hatte, und schwelgte gleichzeitig vom Urlaub 1993 in England. Der Name Port Isaac und das Hafenstädtchen selbst kamen meinen Eltern seltsam bekannt vor, also schnell das Fotoalbum von damals aus dem Regal gezogen und tatsächlich: Genau dort waren wir im August 1993 im Urlaub! Die Fotos entsprechen fast 1:1 den Natur- und Stadtaufnahmen im Film. Ich war damals gerade mal ein Jahr alt und saß noch im Buggy, kann mich nun verständlicherweise aber leider überhaupt nicht mehr an den Urlaub erinnern^^ Daher musste ich mir "Fisherman's Friends" sofort in der ARD-Mediathek anschauen.

                                                Der Film erzählt die auf wahren Begenheiten beruhende Erfolgsgeschichte einer aus gealterten Fischern bestehende Shanty-Band aus Cornwall, die aller Widrigkeiten und Stolpersteine zum Trotz die britischen Charts stürmt und das meistverkaufteste Shanty-Album der Musikgeschichte produziert. Angereichert mit Stadt-Land-Culture-Clash, einer Lovestory und dem Charakterwandel eines Workoholics aus dem Musikbusiness, der am Leben vorbeilebt. Dramaturgisch und inhaltlich arg konventionell und klischeehaft, aber dennoch:

                                                "Fischerman's Friends" ist überaus herzlich und sympathisch und in seiner Sache so einnehmend, dass ich ihn sofort lieb gewann. Der Cast harmoniert wunderbar miteinander, bringt auch manch überzeugende Einzelleistung hervor (James Purefoy) und profitiert des Weiteren von der bezaubernden Tuppence Middelton ("Sense8"). Der Culture Clash ist witzig genug, um über die Drehbuchschwächen hinwegzutäuschen, und dann sind da eben noch die hochatmosphärischen Shanty-Songs. Bestes Seefahrerfeeling seit den (alten) "Fluch der Karibik"-Filmen - und dabei gibt es hier gar nicht mal so viele Seefahrtszenen!

                                                Wie um die Sache perfekt zu machen und eine Brücke zurück zum Urlaub 1993 zu schlagen, beginnt am Wochenende erneut der August. In dreieinhalb Wochen werde ich nicht 1 Jahr sondern 28 Jahre alt, das gleichnamige Charts-Album der Port Isaac's Fischerman's Friends steht bereits ganz oben auf meiner Geschenkwunschliste^^

                                                https://www.youtube.com/watch?v=p3afGi3REu8

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                                                • @Moviepilot-Redaktion
                                                  Mich wundert es, dass gerade so eine Filmpersönlichkeit wie Olivia de Havilland kein Profilbild hat. Könnt ihr ein solches einfügen?

                                                  Möge sie in Frieden ruhen.

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                                                  • "Robinson Crusoe" von Daniel Defoe (1719)

                                                    "Es ist nie zu spät, um klug zu werden." - Robinson Crusoe

                                                    Zum Einen stehen im Roman zwar Gottlosigkeit und Sünde, Gottesfürchtigkeit und Bestrafung im Fokus, zum Anderen werden dem im Zeichen der Aufklärung aber auch vernunftbegabtes Denken und Gebrauchen des Verstandes gegenübergestellt. Oft geschieht es, dass Schicksalsschläge und Ereignisse Robinson Crusoe so sehr verzweifeln und ängstigen, dass dies irrationale Züge annimmt und er übernatürliche Kräfte dafür verantwortlich macht. Als er zum Beispiel den menschlichen Fußabdruck entdeckt, glaubt er zunächst, der Teufel sei hinter ihm her. Sobald Crusoe allerdings in Ruhe, rational und logisch über die Geschehnisse nachdenkt, erschließen sich ihm neue Sichtweisen und Erkenntnisse, kann er die Geschehnisse besser und sinnvoller einordnen und das Übernatürliche fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Wäre zum Beispiel der Teufel hinter Crusoe her, würde er sich eine schrecklichere Gestalt als die eines Menschen aussuchen und würde auch keinen Fußabdruck am anderen Ende der Insel hinterlassen, dessen Entdeckung ein reiner und unwahrscheinlicher Zufall ist.

                                                    Neben einer Kritik an menschlicher Habgier wohnt dem Roman auch eine philosophische - ich würde sogar sagen buddhistische - Note inne. Der Mensch ist Sklave seiner Erwartungen, Wünsche und Begierden. Erst wenn der Mensch sich von diesen Einflüssen und von hedonistischen Neigungen befreit und schätzen lernt, was er bereits hat - sofern er unabhängig von Armut und Gefangenschaft ist -, wird er wahres Glück finden. Wenn ich das so betrachte, kann man die oben aufgeführten, christlichen Sünden und Bestrafungen auch als buddhistisches Karma interpretieren. Treffenderweise gerät Robinson Crusoe nach seinem "sündigen" Leben als gottloser, ruheloser und abenteuerischer Seefahrer sowie ferner als habgieriger Tabakplantagenbesitzer, der sich auf kriminellem Weg mehr Sklaven verschaffen möchte (das war damals noch streng reguliert), in einen heftigen Seesturm und wird aus dem Wasser kommend auf der einsamen Insel wiedergeboren.

                                                    Ansonsten bin ich sowohl bezogen auf das Erscheinungsjahr 1719 als auch das Handlungsjahr 1659 überrascht, dass die Verbrechen der Spanier in Südamerika schon damals von sämtlichen europäisch-christlichen Mächten scharf verurteilt wurden. Daran knüpft Defoe im Roman Robinson Crusoes Meinung über die karibischen Kannibalen und lässt ihn ein Plädoyer für gesetzliches Recht und eine vernünftige Rechtspflege halten. Crusoe verachtet die Kannibalen zunächst wegen ihres Kannibalendaseins und ihres Verbrechens gegen die menschliche Natur und möchte sie deshalb (hin)richten. Später wird ihm bewusst, dass er die Kannibalen lediglich aus seinem christlichen Weltbild heraus beurteilt hat, für ihn als Christ mag der Mensch heilig sein, für die Kannibalen ist es nichts anderes, als würden sie ein Schwein schlachten. Als Mensch obliege ihm nicht, über Menschen anderer Weltvorstellungen zu richten, die oberste und einzig wahre Gerichtbarkeit geht für Crusoe, für das Christentum, schließlich von Gott aus. Gott müsse über die Kannibalen richten, falls Crusoe selbst es tue, mache er sich wie die Spanier einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig. Die Mayas und Azteken seien zwar auch gottlos gewesen und hätten Menschenopfer dargebracht, seien in ihrem Wesen und Dasein aber unschuldig gewesen.

                                                    Die Beziehung zwischen Crusoe und dem Kannibalen Freitag steht im Zeichen der Missionierung des "Heiden" hin zum guten Christen. Defoe lässt Freitag dabei sogar Zweifel ob der Widersprüche im christlichen Weltbild hegen und beschreibt Crusoe als mäßig talentierten Glaubenslehrer, geht dann aber ohne Weiteres darüber hinweg und lässt Freitag im Widerspruch zu seiner eigentlichen Charakterisierung zum Christentum konvertieren. Bezüglich der antagonistischen Kannibalen, sobald diese einen Christen töten und essen wollen, wendet sich Crusoe von seiner ursprünglichen neutralen, gesetzes- und justizbezogenen Haltung ab und entschließt sich bereitwillig zur Selbstjustiz und Tötung der Kannibalen. Letztendlich gewichtet er das Leben eines Christen dann doch höher als das eines "Heiden".

                                                    Abseits davon wird hier aber eben auch eine sehr innige Freundschaft zwischen einem Europäer und einem Eingeborenen aufgebaut, die sich gegenseitig perfekt ergänzen und jeweils die Schwächen des anderen ausgleichen. Sicherlich ist diese Freundschaft klar durch die christliche Konvertierung Freitags bedingt, sie fußt allerdings nicht auf einer reinen Überlegenheit des Europäers gegenüber dem amerikanischen Eingeborenen. Freitag ist Crusoe zum Beispiel körperlich und im Umgang mit der Waffe überlegen. Auch wird Freitags kannibalischer Stamm im Gegensatz zum antagonistischen Kannibalenstamm den Europäern gegenüber als freundlich, hilfsbereit und friedliebend charakterisiert, die Eingeborenen werden im Roman also ambivalent gezeichnet. Und hier muss man wohl auch das Erscheinungsjahr berücksichtigen, ich habe keine Ahnung, wie (un)konventionell die Annahme einer solchen Freundschaft zu Beginn des 18. Jahrhunderts ausfiel. In jedem Fall kommt "Robinson Crusoe" ohne Romantisierungen und nationale Mythenbildung aus, wenn man die Freundschaft Crusoes und Freitags mal mit jener von Old Shatterhand und Winnetou in den Büchern Karl Mays vergleicht.

                                                    Sehr gut gefallen hat mir darüberhinaus die Passage in den Pyrenäen gegen Ende des Romans, die an sich so gar nicht in die Geschichte passen möchte, sich im Endeffekt jedoch als gelungene Spiegelung des Afrika-Bildes entpuppt, welches Defoe zu Beginn des Romans zeichnet. Afrika wird in "Robinson Crusoe" unter Anderem beschrieben als ein Land der wilden Menschen (auch als ein Land der Neger- und Mohrenvölker), der wilden Natur und der tierischen Bestien (Löwen, Leoparden), welche dem Menschen nach dem Tod trachten. In den Pyrenäen müssen die Menschen im Allgemeinen und Crusoe, Freitag und ihre Gefährten im Speziellen ebenso der wilden Natur trotzen. Ein kalter, verschneiter Winter treibt Wölfe und Bären in die Siedlungen, Crusoes Gruppe muss während der Überquerung der Pyrenäen nicht nur gegen das Wetter sondern auch gegen Bären und Hunderte von Wölfen ankämpfen, was in der Form analog zum Afrika-Bild geradezu grotesk anmutet. Zudem hat die Gruppe Angst davor, "Wölfen auf zwei Beinen" zu begegnen.

                                                    Drei kurze Passagen, die mir ansonsten noch Kopfschmerzen bereiteten: Das zum Narren Halten und Erschießen eines Bären in den Pyrenäen, was als großer, witziger und vergnüglicher Spaß dargestellt wird. Das Zwingen von Eingeborenen-Frauen in die Ehe mit europäischen Männern, was Defoe als etwas Einverständliches und Gutes, gar als Happy End versteht. Gegen Ende entwickelt Crusoe Allmachtsfantasien und Herrschaftswillen gegenüber den Spaniern auf der Insel, die sich laut Defoe bereitwillig und entgegen vorheriger Motive in dieses Schicksal fügen. Da sich am Rand der Konflikt zwischen Katholizismus und Protestantismus durch den Roman zieht, scheint es so, als wolle der protestantische Engländer Defoe hier etwas mit den katholischen Spaniern abrechnen. Erst recht, wenn man bedenkt, dass sich England und Spanien im 16. und 17. Jahrhundert mehrfach u.A. aus religiösen Gründen im Krieg miteinander befanden.

                                                    Alles in Allem würde ich "Robinson Crusoe" wohl mit 7-8 von 10 Punkten bewerten. Trotz so Einigem an Befremdlichkeit und Überholtheit ein durchaus progressiver Roman, den es sich auch heute noch zu lesen oder hören lohnt.

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