jacker - Kommentare

Alle Kommentare von jacker

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    #31 der #52FilmsByWomen in 2020.

    [...] Diese anfängliche Neugier auf den Menschen hinter der coolen New Yorker Hipster-Punk-Fassade, die Fragen dazu, wer sie wohl ist und was sie wohl im Kern ausmacht, werden bald von einer starken Ernüchterung abgelöst: Wren kann nämlich, abseits fragwürdiger Qualitäten wie “sich auf Drinks einladen lassen” oder “sich in fremden Wohnungen breit machen” absolut nichts. Und doch (was den Film, welcher Anfang der 80er entstanden ist, gerade in den heutigen Zeiten relevanter denn je macht) ist sie der Meinung, dass ihr bereits aufgrund ihres Seins, ein Stück vom großen Fame-Kuchen zustehen würde.

    “Kommt, um mich zu sehen” – Wren möchte den Prototypen des IT-Girls darstellen. Ihr ausgeprägter Narzissmus lässt sie glauben, dass Leute dies wirklich tun würden, eine ebenso ausgeprägte “Fuck Everything”-Punk-Attitude hilft dabei die Gründe für ihr baldiges Scheitern bei den Spießern und Idioten um sie rum zu suchen. [...]

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    • 9

      [...] Von Regeln gelöst, frei und eigenwillig, lässt dieses bunte Mischmasch aus Fantasy, Mystik, Disco-Vibes und Gore filmische Aspekte wie eine gewöhnliche Narration vollkommen links liegen, um Bild und Ton rauschhaft, exzessiv und in vollen Zügen zu zelebrieren. Funktioniert, denn von Freude und Spaß, über Herzschmerz bis Angst, ruft THE LURE, teils sprunghaft chaotisch, eine ganze Bandbreite an Emotionen ab. [...]

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      • 8

        #4 der #52FilmsByWomen 2020.

        Der erste Spielfilm der ersten Saudi-Arabischen Regisseurin dreht sich von vorn bis hinten um die “Rolle”, dechiffriert also “um die Unterdrückung” der Frau in der arabischen Gesellschaft.

        Es geht in diesem Film um eine, aus unserer (verdammt freien!) westlichen Sicht, ziemlich simple Sache: Ein Mädchen möchte Fahrrad fahren.

        Und dass dies in gewissen Teilen der Welt in diesem Jahrtausend so konsequent verhindert wird, dass es immer noch eine Unmöglichkeit darstellt, hat mich unglaublich wütend gemacht, mich in meinem Hass auf patriarchale Machtstrukturen bestärkt, es mir ein erneutes Mal umso schwerer Gemacht (sämtliche) Religion(en) nicht ebenso zu hassen, mich gerührt, mich bewegt und mir am Ende zum Glück auch ein Bisschen Hoffnung gemacht. [...]

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          #3 der #52FilmsByWomen 2020.

          Mit ihrem Regiedebut hat sich Brie Larson leider komplett verhoben, denn sich selbst in die Hauptrolle besetzen, war bei unerfahren Regisseur*innen in den seltensten Fällen eine gute Idee.

          So auch hier, Larson selbst stolpert verplant als (enorm) unsympathische Figur durch zwar bunte, aber dennoch ideenlose Settings und langweilt in Szenen voll holziger, repetitiver Dialoge. Befremdlich ist dabei vor allem ihr Humorverständnis – das Klamotten farbig, oder Frisuren wild sind, scheint ihr bereits als Gag zu taugen, psychische Verwirrtheit verwechselt sie mit Individualismus, angepissten Teenager-Vibe mit sympathischem Coming-of-age.

          Wirklich öde hoch zehn und eine Gurke von Film. In seinem farblosen Versuch ein aus der Welt gefallenes Manic-Pixie-Dreamgirl zu kreieren, ist Unicorn Store auf dem Feld der “bunt & querky”-Filme fast schon wieder herausragend.

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          • 10

            #2 der #52FilmsByWomen 2020.

            Ein zermürbender Film, dessen emotionale Wucht mich völlig umgehauen und lange nachgehalt hat. Die deprimierende Erkenntnis, dass es manchmal trotz aller Bemühungen des Umfelds und der Beteiligten für ein schwerwiegendes Problem keine Lösung gibt, schnürt Fingscheidt in ihrem Langfilmdebut zu einer unerträglich krassen Dosis Realität zusammen.

            Das Beispiel eines schwer, bzw. un-erziehbaren kleinen Mädchens, welches von Heim zu Heim und Pflegefamilie zu Pflegefamilie geschoben wird, brachte mich enorm zum Nachdenken über unser menschliches Wesen und die Einflussfaktoren darauf. Was formt uns, was spielt in unsere Wesensentwicklung rein? Und gibt es einen Point-of-no-return, an dem das Fehlen von menschlicher Wärme (und die angedeutete erfahrene Gewalt) bereits in jungen Jahren für irreversible Schäden sorgen?

            Der kleinen Benni wünscht man nur das Beste, weil sie doch eigentlich nur die Liebe ihrer Mutter möchte, ihr dabei zuzusehen, wie sie an den Institutionen scheitert (und diese an ihr) zerreißt das Herz, dass all diese Verfahrenheit zu verknotet ist, um sich noch aufzulösen, gibt den emotionalen Todesstoß.

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            • 6

              #1 der #52FilmsByWomen 2020.

              Ein atmosphärisch gelungener Cop-Thriller mit starken Anleihen an persönlich erzählte "Abstiegs-Dramen", der viel Zeit mit dem Schicksal der von Nicole Kidman gespielten Hauptfigur, sowie der Verschleierung der entscheidenden Momente in ihrer Vergangenheit verbringt. Teilweise packend, doch im Strom der Ereignisse tun sich immer wieder Durststrecken auf, der Verlauf wirkt etwas ziellos und zerfasert.

              Highlight sind zwei (überragende) Heist-Szenen, die vor Spannung zu zerbersten drohen und in denen ich Kidman alles geglaubt habe - ihre Wut, ihre Verzweiflung, ihre Gebrochenheit. Ganz im Gegensatz zur Maske, denn auch wenn sie darstellerisch alles tut, um ihre kaputte Figur auch ebenso wirken zu lassen - die Körperhaltung entspricht der einer alten Frau, Energie scheint sie selbst zum Atmen kaum noch übrig zu haben - konnte ich ihr insgesamt leider die Abgefucktheit nicht abkaufen. Zu aufgemalt sehen Furchen und Narben aus.

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              • 5

                #30 der #52FilmsByWomen in 2020.

                In der letzten Superhero Unit (http://superherounit.de/superhero-unit-44-kick-ass-2010-super-2010/) haben wir lang und breit darüber diskutiert, ob es überhaupt möglich ist eine*n Reallife-Superheld*in in Szene zu setzen und ob die Menschen im Umfeld einer solchen Person nicht primär mit vollkommenem Unverständnis darauf reagieren müssten. Denn streng genommen ist die Kombination aus Kostüm, Selbstüberschätzung und angestrebter Weltrettung, so man sie denn in unsere realen Lebensumstände überführt, mindestens ein wenig albern, im schlimmsten Fall sogar höchst bedenklich, mit einer starken Schnittstelle zum Wahnsinn.

                ELECTRIC GIRL greift genau diesen Themenkomplex auf und lässt die eigene Protagonistin Mia - eine Synchronsprecherin für japanische Anime, die sich zunehmend, bis an dem Punkt, wo sie die im Anime vorherrschende Bedrohung, als real empfindet, in den von ihr synchronisierten Welten verliert - eine kuriose mentale wie optische Transformation durchleben, die in ihrem Umfeld für einige große Fragezeichen sorgt.

                Entscheidend dabei ist, dass die mit den konkreten Auswüchsen ihrer Veränderung durchweg gegen Wände rennt. Was diesen Aspekt betrifft, auch weil Regisseurin Ziska Riemann die Psyche der Protagonisten mit einer notwendigen Prise TAKE SHELTER'scher Weltuntergangs-Paranoia anreichert, funktioniert ELECTRIC GIRL weitaus besser, als die KICK-ASSe und SUPERs dieser Welt. Kein Zynismus, keine Verachtung gegenüber der eigensinnigen Hauptfigur, vielmehr eine klare Ausrichtung der Themen in die richtige Richtung: Psychische Probleme und Realitätsverlust spielen im Kopf von Mia zunehmend eine Rolle.

                Das klingt jetzt alles sehr vernünftig. Und wäre insgesamt ein stimmiger Film um dieses Hauptthema herum gestrickt, wäre ELECTRIC GIRL richtig gut. Leider verfranzt sich die Handlung immer wieder in unwichtigen Strängen, die Schauspielleistungen sind größtenteils noch ausbaufähig und im Ganzen fehlt hinten raus leider die Konsequenz. Sehen wir hier ein Psychodrama oder ein von magischem Realismus getragenes Werk aus der Fantastik? Nicht dass man das immer klar trennen müsste, aber die harten und durchaus bewegenden Drama-Aspekte werden durch die vorherrschende Ambivalenz etwas verwässert - der "reale" Charakter von Mias Wandlung wird mehrfach durch einen leichten, märchenhaften Charme aufgebrochen. So ganz klar ist nicht, ob vielleicht doch übernatürliche Kräfte im Spiel sind.

                Letzteres kann man auch positiv sehen, denn es reichert mit Symbolik an, webt eine Lesart ein, die Aspekte wie Kraft aus Selbstvertrauen und das Erreichen von Zielen durch festes an sich Glauben behandelt. Eine Fabel über Empowerment (umso glaubhafter umgesetzt, da der Film sowohl die Reise einer Protagonistin nachzeichnet, wie aus Feder zweier Frauen stammt.

                Alles in allem fand ich ELECTRIC GIRL relativ unrund, aber mochte ihn dennoch sehr gerne. Und besagte Gurken KICK-ASS und SUPER steckt Riemann locker in die Tasche.

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                • 2

                  Wenn ein Film so unterirdisch ist, dass jemand der ihn mittelmäßig und vergessenswert fand, mit dieser Position schon auf Seite der Verteidiger steht. Mehr dazu im Podcast ab Minute 42: https://enoughtalk.de/et064-der-falsche-karst-im-richtigen-monat/

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                  • 8

                    #29 der #52FilmsByWomen in 2020.

                    Die Meinungen über Sinn und Pflichten von Dokumentarfilmen klaffen meilenweit auseinander. Objektivität versus Meinungsmache, Informationsauftrag versus Unterhaltsamkeit versus gesellschaftspolitisches Statement, unkommentierte Ereignisse versus aktivem Spindoctoring - die Bandbreite in dieser Gattung von Film ist breit, jede Zuschauer_in sucht und erwartet etwas anderes, die Resultate polarisieren.

                    Ich selbst kann von der Moore'schen ideologischen Kampfschrift bis zur berieselnd-bunten Naturdoku, mit allen Varianten etwas anfangen, muss aber sagen, dass mir der Weg den BLACKFISH einschlägt - eine wohltarierte Balance zwischen Information, Meinung, Gesellschaftskritik und (ja, auch das darf eine Dokumentation leisten) Emotion - wohl mit am meisten zusagt.

                    Vordergründig handelt der Film von einer weltweit agierenden Kette Attraktionsparks, zu deren Kerngeschäft die Dressur von Ozeantieren, speziell des Orca-Wals und deren Einbindung in die täglichen Shows besteht. Doch aus diesem Grundgerüst leitet Regisseurin Cowperthwaite eine Vielzahl weiterer Themen ab, was zu enormer Komplexität und Vielschichtigkeit führt.

                    Wir nehmen den Einstieg über diverse, teils tödliche Unfälle in den Parks, schlagen darüber die Brücke zum Wesen, Sozialverhalten und der generellen Lebensweise besagter Tiere und dank der sorgsam konstruierten Argumentationsketten stellt sich mit absoluter Selbstverständlichkeit bald die Frage, ob ersteres aufgrund des gezeigten Systems zwingend aus letzterem hervorgehen muss? Darin schwingt die moralische Betrachtung der Thematik mit: Ist es, obwohl natürlich rein technisch möglich (da das Dressieren der Tiere gelingt), in irgendeiner Weise moralisch vertretbar, derart intelligente und gütige Tiere in die ewige Gefangenschaft zu verbannen und dort zum Schoßhündchen zu degradieren?

                    Die Antwort geht ohne großen Kommentar aus den Bildern und Interviews der Talking Heads hervor. So klar wie sie ist, wäre es ein leichtes mit voller Kraft auf die (offenkundig nicht ganz sauberen) Praktiken der Park-Betreiber ein zu prügeln und mit Ihnen jede weitere Person die Teil dieses Systems ist zu verurteilen. Doch Cowperthwaite geht den deutlich differenzierteren Weg und versucht deutlich zu machen, was die jungen Leute, die als Dompteure und Animateure in den Parks angestellt sind, dazu bewegt diesen Beruf zu ergreifen. Welche Faszination, welche Leidenschaft und welche - das wird absolut unmissverständlich in ihren Interviews klar - tiefe Liebe und Zuneigung sie für die Tiere empfinden. Und was sie schlussendlich motiviert in den Darbietungen sogar ihr Leben zu riskieren (auch wenn dieses Risiko konstant ausgeblendet wird).

                    Der Film macht nachvollziehbar und nicht ohne fühlbare Emotion klar, dass hinter diesen Menschen Werdegänge und Schicksale hängen. Dass sie durch persönliche, teils nicht einfache Geschichten geprägt sind, deren Summe diese Menschen in ihre jeweilige Position gebracht hat und das sie mit dem Durchführen der Shows einen Job ausüben, bei dem einiges an Zuspruch zurück kommt - was das eigene Ego aufbaut und jedem Einzelnen (täglich) seine "X Minutes of Stardom" beschert. Was den Film nach Fragen zu Konzernen, Tierschutz, Moral und mehr zuletzt zu einer kritischen Betrachtung des Showgeschäftes an sich und ihrer "Show must go on"-Mentalität bringt. Wie weit würde es kommen, wenn das Publikum sich etwas weniger nach Attraktion verzehrte?

                    Was BLACKFISH so großartig macht, ist das Bewusstsein für die nicht wegzudenkende Verwobenheit all dieser Aspekte. Keins der oben genannten Themen und keiner der Akteure könnte für sich existieren, sie alle bedingen und katalysieren sich gegenseitig, keiner der vorhandenen Knoten ist einfach (oder überhaupt) aufzulösen. Denn was gezeigt wird, sind keine einfachen Aspekte eines einfachen Systems, sondern komplexe Realitäten, die von zig Interessen, Empfindungen und individuellen Einflussfaktoren bestimmt sind. Der Versuch ein derartiges Geflecht ganzheitlich zu analysieren, um Zusammenhänge zu verstehen und trotz, rational gesehen, vollkommen klarer Lösung der Probleme (Tiere frei lassen, Parks schließen, alles andere ist indiskutabel) die Verfahrenheit der Situation heraus zu arbeiten, ist leider selten geworden. Wie es hier praktiziert wird, kann als Lehrstück genommen werden.

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                      #28 der #52FilmsByWomen in 2020.

                      Ein bewegendes Drama, das in traumhaft-wabernden Bildern von Leere, von totalem Kontrollverlust nach einem unerwarteten Schicksalsschlag erzählt und durch zwei brillante Schauspielleistungen zeitweise eine immense Intensität entwickelt.

                      Saskia Rosendahl (die ich bis jetzt noch nicht kannte) spielt die von Verlust und der daraus resultierenden totalen Lethargie geplagte Protagonistin zerbrechlich, wütend, verzweifelt und verkörpert jede einzelne dieser Gefühlsregungen absolut überragend. Ihr gegenüber steht ihr Hasanovic, über den man exakt die gleichen Worte sagen könnte - die Gratwanderung zwischen lockerem, leicht ins Tumbe reichendem Auftreten und stetiger innerer Zerrissenheit meistert er brillant, seine Ausbrüche entwickeln intensive Explosivität (wie immer).

                      Ihre beiden Figuren haben im Leben mit kaum vorstellbarem Leid zu kämpfen, beide suchen einen Ausweg und drohen sich zu verlieren, unter der Last zu zerbrechen - wäre da nicht eine (von zwei) zufällige(n) Begegnung(en) in der ihre Schicksale zusammengeführt werden, sich kreuzen und eine neue, gemeinsame Bahn einschlagen. Bereits der Titel deutet diese Verknüpfung an, verrät aber nicht, dass es über das Thema des Schicksals und der Verwobenheit eben dieser zwei dramatischen Lebenswege weit hinaus geht.

                      Durch die verschachtelte (rückwirkend durchaus frisch wirkende) Erzählweise zunächst gekonnt verschleiert, kommt es zu einigen inhaltlichen Wendungen, deren Originalität zwar etwas zu wünschen übrig lässt, was jedoch problemlos von der emotionalen Wucht der entstehenden Szenen ausgeglichen wird. Worauf der "Plot" des Films hinaus läuft, mag bei hauptberuflichen Twist-Detektiven sicher für Spott sorgen - manche Momente sind sicher etwas zu stark konstruiert - aber bietet Raum für einen glaubhaften emotionalen Rollercoaster.

                      Denn Autorin und Regisseurin Mariko Minoguchi geht einigen hochkomplexen Themenfeldern auf den Grund. Mit den bereits genannten Folgen von Verlust ist es nicht getan, auch weitere Aspekte werden ausgelotet. Von Schuld und Verzweiflung getrieben, kommen Fragen nach dem Wert des Lebens auf, danach wofür man überhaupt lebt und wofür es sich lohnt weiter zu machen. Und dieser Lebensmüdigkeit (falls es dieses Substantiv wirklich gibt) stehen Hoffnung auf Besserung, auf Vergebung der eigenen Taten und - überraschend unkitschig inszeniert - die Kraft neuer Liebe gegenüber.

                      Insgesamt ziemlich stimmig. Dass dieser Film ein Debut ist, macht Hoffnung auf mehr.

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                        Ähnlicher Dreck wie James Gunns SUPER, aber verachtet die eigenen Figuren immerhin nicht in dem Maße wie genanntes Indie-Pendant. Unterm Strich aber trotzdem unnötig aufgebläht, eklig zynisch und vom gleichen Unverständnis bzgl. der Wirkung der ausufernd inszenierten Gewaltorgien gezeichnet.

                        Bald in der SUPERHERO UNIT im Podcast...

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                        • 2

                          "Guckt mal, ich hole TITTEN, Gay-Jokes und mega-ub0r-awesome Gewalt in einen Superheldenfilm! Und jetzt feiert mich bitte für meine Edgyness"

                          Ja, James, du bist schon ganz schön KRASS in deinen kalkulierten Tabubrüchen. Und genau so krass, wie du dich fühlst, so flach und boring ist dieses widerliche Machwerk.

                          Bald in der SUPERHERO UNIT im Podcast...

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                            über Tenet

                            2. Text zu TENET, nach Rewatch, Wertung 8 Punkte:

                            Zweiter Versuch.

                            TENET nagte und brodelte in mir, seit ich ihn das erste Mal sah, ich war von einigen Aspekten enttäuscht, von anderen regelrecht euphorisiert. Also war ich gestern zeitnah noch mal im Kino und habe bei diesem zweitem Schauen direkt gemerkt, dass beim ersten Besuch einige wichtige Aspekte des Films auf kolossalem Level an mir vorbei gelaufen sein müssen. Statt Überfrachtung und der daraus resultierenden Skepsis bzgl. Nolans Erzählweise kam mir jetzt alles deutlich schlüssiger und bzgl. der Story stringenter, besser, organischer konstruiert vor. Mein Fazit zum ersten Kinobesuch (nachdem ich ja eine Mischung aus Verriss und Lobhudelei verfasste) lautet jetzt wohl in etwa: "Obwohl nonstop auf mich eingeredet wurde, kam kaum etwas davon bei mir an".

                            Ich stelle fest, dass mir die (nun weit klarer beobachteten) Grundthemen im ersten Durchlauf durchweg verborgen blieben. Das ging so weit, dass ich im Rewatch regelrecht verwundert war, ob ich einige der Dialoge überhaupt schon mal gehört hatte. Geringe Aufnahmefähigkeit, gepaart mit (erstmalig seit was-weiß-ich-wie-vielen Jahren) argen Verständnisproblemen in der OV, sind offenbar nicht die beste Voraussetzung für ziemlich schnell voran getriebenen Agenten-Thriller Plot im Hybrid mit High-Concept Sci-Fi.

                            Bzgl. Verständnis: Der Soundmix ist im Originalton irgendwie seltsam. Anstrengend zu verstehen, so dass das Zuhören zur Herausforderung wird. Und da man sehr viel davon leisten muss, ist aufgrund der bereits (und da muss ich sagen: nach wie vor) kritisierten Dialog- und Expositionsdichte mein müdes Hirn scheinbar bereits beim ersten Trip nach Mumbai auf Tilt gegangen, so dass mir (obwohl offen thematisiert) nach dem Film sogar elementare Beweggründe der Figuren nicht bis ins Letzte klar waren.

                            Ging mir aber zum Glück kein weiteres Mal so. Mit Kenntnis über Figuren und Handlung, fiel es mir deutlich leichter auch Themen und Inhalt, sowie die Symbolik und Allegorien im Film zu reflektieren. In einem Film, dessen zentrales Device der Umkehr der Fluss der Zeit ist, will die Zukunft die Vergangenheit auslöschen, "because their rivers run dry and their oceans flood everything" (so in etwa ging das Zitat). Was sagt uns das über das Jetzt? Über unseren Umgang mit der Welt? Einiges. Und in Verbindung mit dem letzten Monolog unseres Protagonisten, "Nobody cares about the bomb that didn't go off" stecken hier einige schöne Bilder über unseren Handlungsbedarf im Jetzt drin: Lasst uns der Zukunft keinen Grund geben und auslöschen zu wollen. Don't let the bomb go off, so they won't care.

                            In dem Aspekt, auch verbunden mit dem Zusammenspiel der Figuren des Films, ist TENET unerwartet mahnend und optimistisch zugleich. Eine Zukunft, die so wenig lebenswert ist, dass die Menschen in ihr die Gründe für diese Entwicklung in der Vergangenheit bereinigen wollen, OHNE ZU WISSEN, ob es eine Zukunft danach überhaupt noch gibt, klingt nach absoluter Hölle auf Erden. "Nach Wut kommt Verzweiflung". Aber Nolan zeigt uns auch, dass wir, obwohl es kurz vor 12 ist, noch die Macht hätten das Ruder (zumindest in einem gewissen Maße) rum zu reißen - auch wenn dieser Erfolg nicht vom Himmel fallen wird. Es braucht Leute die sich dieser Sache vollkommen verschreiben, die 100% committed sind. "That test you passed, not everybody does"

                            Nolan bleibt seiner Historie mit TENET relativ treu - der Film funktioniert eher über seine Konstruktion, seine unterschwelligen Themen und vor allem das, was man im Nachgang als Zuschauer aus ihnen macht, weniger über Figuren, Drama und/oder Charakterzeichnung. Und auch wenn mein Hauptkritikpunkt aus dem ersten Text - die fast ausschließliche Vermittlung/Erzielung von Plot-Progress über Dialoge, bzw. wenn wir einfach mal Momente erleben, eine fast schon zwanghafte (über vor- und nachgelagerte Erklärungen erzielte) "Validierung" des Erlebten - nach wie vor steht, ich weiterhin finde, dass Nolan Plot und Figuren nicht sehr geschickt entwickelt, kann ich doch sagen, dass er dies zumindest in einem angenehmen Fluss tut. Überwiegend. In der Mitte des Films (Mittelmeer, Segeln, Yacht-Szene) gerät der Film ins Stocken, nimmt er kurzzeitig zu viel Wind aus den Segeln (pardon the pun, AGAIN!). Der danach einsetzende Orkan macht es aber wieder gut.

                            Ich glaube dass dieser Film noch wachsen kann und in zunehmenden Sichtungen eher interessanter wird - eine Aussage, die man Gott weis nicht über jeden Nolan-Film treffen kann.

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                              [PODCAST] Nun ist es so weit, in unserer dritten Ausgabe des Clash Of The Andersons fahren wir, also Enough Talk! x Bildnachwirkung, (endgültig) die ganz schweren Geschütze auf. Auch wenn beide Andersons vorher schon prämierte Filme drehten, die als große Werke der Filmgeschichte gelten, sind es MAGNOLIA von 1999 und THE ROYAL TENENBAUMS von 2001, durch die sie unwiederbringlich in die erste Reihe der Filmschaffenden katapultiert wurden.

                              Beiden Filmen widmen wir jeweils ca. 2 Stunden, um in den Inhalt abzutauchen – Vater/Sohn-Beziehungen, unfassbares Schauspiel, Stil en masse, feine Kamera, ebenso feine Musik, kreatives Setdesign, tausend andere Themen, tief bewegende Emotionen, puuuuh. Es gibt verdammt viel zu besprechen, verdammt viel zu loben und – haltet euch fest – vor allem für Nenad verhältnismäßig wenig zu meckern. Awesome.

                              Hört rein: https://enoughtalk.de/et062-3-papa-ist-doof-feat-bildnachwirkung/

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                                [PODCAST] Nun ist es so weit, in unserer dritten Ausgabe des Clash Of The Andersons fahren wir, also Enough Talk! x Bildnachwirkung, (endgültig) die ganz schweren Geschütze auf. Auch wenn beide Andersons vorher schon prämierte Filme drehten, die als große Werke der Filmgeschichte gelten, sind es MAGNOLIA von 1999 und THE ROYAL TENENBAUMS von 2001, durch die sie unwiederbringlich in die erste Reihe der Filmschaffenden katapultiert wurden.

                                Beiden Filmen widmen wir jeweils ca. 2 Stunden, um in den Inhalt abzutauchen – Vater/Sohn-Beziehungen, unfassbares Schauspiel, Stil en masse, feine Kamera, ebenso feine Musik, kreatives Setdesign, tausend andere Themen, tief bewegende Emotionen, puuuuh. Es gibt verdammt viel zu besprechen, verdammt viel zu loben und – haltet euch fest – vor allem für Nenad verhältnismäßig wenig zu meckern. Awesome.

                                Hört rein: https://enoughtalk.de/et062-3-papa-ist-doof-feat-bildnachwirkung/

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                                  über Tenet

                                  1, Text zu TENET, verfasst nach Ersichtung in OV, damalige Wertung 6 Punkte:

                                  Wer INCEPTION bereits Exposition-heavy fand, wird mit TENET die helle "Freude" haben, denn hier reist der Erklärbär sogar aus ferner Zukunft an, um uns die ersten zwei Drittel des Filmes in einem nie dagewesenen Maße wahlweise mit allerlei Jibberish über Algorithmen, Antimaterie, invertierte Protonen, oder einfach nur dem prognostizierten Fortgang der profanen Handlung in jedem noch so banalen Detail zu zu quasseln, bis kein Ohr mehr ohne Schmerzen ist. 

                                  In Szene über Szene über Szene wird den Figuren erklärt, was sie als nächstes tun, mit wem sie sprechen müssen, ihre Pläne Schritt für Schritt durch gegangen, wird uns erklärt wie das Gimmick des Films funktioniert, oder wird von den Anwesenden verbal erklärt, wie sie sich fühlen (was aber leider nie wirklich FÜHLBAR wird). "Show, don't tell" war noch nie Nolans Stärke, das wissen wir mittlerweile, aber konsequent jede nächste Szene und jeden nächsten Eckpunkt des Plots in einem drögen Dialog anzukündigen, plus minutiös durch zu exerzieren, wer nun wo hin muss, um was genau zu tun, ist schlichtweg stümperhaftes Erzählen. Und niemand, aber wirklich niemand brauchte irgendwelche Pseudo-Wissenschaftlichen Hintergründe, die uns weismachen, warum das Gimmick des Films so funktioniert wie es funktioniert.

                                  Klar, die "das ist aber alles wissenschaftlich inakurat und deswegen ist es ein Kackfilm"-Fraktion verschafft sich laut gehör - mir unbegreiflich ist aber, dass sie anscheinend mittlerweile tatsächlich die Macht hat, selbst Filmemacher, welche schlichtweg machen könnten was sie wollen, dazu zu verleiten, als Schutzschild gegen "Unlogik" vermeintliche doppelte Böden in ihre Filme einzuflechten. Aber wahrscheinlich ist Nolan selbst so verkopft, dass er auch sich weismachen muss, in seinen Skripten sei alles von akurater Logik getragen und mache "Sinn". Wie auch immer, etwas mehr laufen lassen und statt Erklärung ein paar Leerstellen täten TENET ziemlich gut. 

                                  Das klingt nun alles ziemlich negativ und nach ca. 80 Minuten des Films war ich tatsächlich soweit, dass ich begann mich im Kinosessel zu winden und drüber nachzudenken, ob Nolan hier seinen ersten Totalausfall abgeliefert hat... Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, denn plötzlich wurde es interessant. Denn von einem Moment auf den anderen beginnt Nolan seine Stärken auszuspielen - inszenieren statt erzählen - und besagtes Gimmick kickt in vollem Effekt rein. Was dann in der letzten Stunde aufgefahren wird, inhaltlich wie visuell, entschädigt in exorbitante Maße für die zuvor ausgesessenen knapp 90 Minuten. 

                                  Spätestens ab der Autobahn-Szene sehen wir hier Dinge, auf eine Weise dargestellt, die ich in dieser Form noch nicht ansatzweise in Filmen erlebt habe. Die Grundidee birgt enormes Potential für abgefahrene Momente und Nolan nutzt diese. Präzise wie ein Uhrwerk (pardon the pun) greift die Konstruktion der Abläufe ineinander - zwar nicht überraschend, aber beeindruckend - Nolan spielt mit diebischer Freude mit dem hier verdrehten Konzept der Zeit und steht mit absoluter Konsequenz zu seinem Stoff. Das Resultat ist ein reißender Sog, der sich in einem ziemlich atemberaubenden Finale entlädt. Als plötzlich nicht mehr gequasselt, sondern agiert wird, macht TENET alles richtig. Großen Anteil daran haben auch van  Hoytemas durchweg brillante Kamera und der flimmernd-mesmerisierende Score von Goransson (diese Isländer, verdammt!). 

                                  Natürlich muss man sich eingestehen, dass die Idee im Grunde genommen nur ein Big Budget-Remake von PRIMER ist, was jedoch aus diesem Ansatz an visuellen und perspektivischen Momenten herausgeholt wird, hat mich dann doch ziemlich begeistert, weil Szenen- und Handlungsaufbau durch das Sci-Fi-Element mal gänzlich anders gedacht werden.

                                  Ich verbleibe ambivalent, denn Nolan war nie stärker Opfer seiner eigenen Schwächen (bzw. vielleicht doch, ich sollte INCEPTION mal rewatchen), spielte aber im gleichen Zuge auch nie seine Stärken brillanter aus.

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                                    #27 der #52FilmsByWomen in 2020.

                                    Hölle, was für ein unglaublich unangenehmer Film.

                                    In ihrem Debüt lässt Maren Ade eine junge Frau voller Unsicherheiten, Einsamkeit und einer gesunden Prise sozialer Awkwardness auf die Welt los und das Resultat - ihr epochales Scheitern an allen denkbaren Fronten - ist kaum auszuhalten. Primär Mitleid, gespickt mit einer nicht zu verachtenden Dosis Fremdscham, löst es aus Protagonistin Melanie dabei zuzusehen, wie sie zu gleichen Teilen an der Welt und an sich selbst zerbricht.

                                    Als Mensch, der sich nicht einen Deut durchsetzen kann, hat sie mit dem Lehrerberuf definitiv den falschen gewählt. Direkt nach einer Trennung in die Einsamkeit einer neuen Stadt zu ziehen ist bei ihrer Fähigkeit soziale Kontakte zu knüpfen auch nicht die beste Idee und unterm Strich läuft es einfach richtig beschissen. Schüler die ihr auf der Nase rumtanzen, Kollegen die sie nicht ernst nehmen, eine Nachbarin der sie sich (nah am Stalking) förmlich aufzwingt duldet sie zwar, aber hat immer wieder arge Probleme zu verbergen, dass ihr das gemeinsame Auftreten eigentlich ziemlich peinlich ist. Hartes Schicksal.

                                    Eva Löbau spielt das alles mit einer bestechenden Naivität und absolut herzzerreißender Unsicherheit - man weiß nicht recht, ob man sie in den Arm nehmen und trösten oder durchschütteln, anschreien und zum Aufwachen aus ihrer Lethargie bringen will. Irgendetwas dazwischen und beides zugleich. Fakt ist, dass das Schicksal dieser Personen mir beim Zuschauen ziemlich nah ging, denn in der emotionalen Wirkung und der Betrachtungen zwischenmenschlicher Ebenen steht dieses Debüt dem Jahre später zu Ruhm gekommenen TONI ERDMANN in nichts nach. Auch weil Ade hier bereits viel über ekelhaftes Gatekeeping in bestehenden Sozialsystemen (Schule bzw. Kollegium, Freundeskreise, etc.) erzählt.

                                    Einziges Manko ist wohl nur, dass man dem Film seine Entstehung als ohne nennenswertes Budget produzierter Abschlussfilm enorm ansieht. "Fernseh-Look", wäre der visuellen Darbietung noch geschmeichelt, der Film ist so flach ausgeleuchtet und schmucklos, dass man mit etwas Vorstellungskraft fast schon den Dogma-Stempel drauf klatschen könnte - was dann auch schon wieder etwas schmeichelhaftes hätte. Wohlwollend kann man dem Ganzen zwar zugute halten, dass das karge Leben unsere Protagonisten in der visuellen Form eine ganz eindeutige Entsprechung gefunden hat, dennoch schmerzt der Look ähnlich stark wie der Inhalt. Letzteres hat aber definitiv eine weitaus höhere Gewichtung, denn die Emotionen sitzen.

                                    Wirklich starkes Debüt.

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                                      #26 der #52FilmsByWomen in 2020.

                                      Stilsicher, bewegend und auch ein wenig humorvoll inszeniert Isabel Prahl in ihrem Debüt ein Drama über das Aufwachsen, das Elternsein und zuletzt wohl am meisten über das Loslassen.

                                      Was tun, wenn das eigene Kind sich zunehmend abkapselt, man es kaum noch zu Gesicht bekommt und schlussendlich der Kontakt völlig abbricht? Was in der Realität wohl der symbolische Horror liebender Eltern ist - ein Kind das sich einmauert und in die Unsichtbarkeit verschwindet - wird in Prahls Film zu greifbarer Realität. Der Sohn der kleinen Filmfamilie macht die Tür zu und kommt nicht mehr raus. Reagiert nicht auf Ansprachen, auf wütende Eskalation der Eltern im Flur vor seinem Zimmer, auch nicht darauf wie der verzweifelte Vater im Garten seinem Frust durch Verbrennen ausgewählter Objekte aus der gemeinsamen Vergangenheit Luft macht. Stille. Und auf diese Stille folgt im Leben der Eltern (beide stark gespielt von Bibiana Beglau und Bjarne Mädel) Unverständnis, dann Wut, nach Wut Leere und irgendwann die Suche nach einem Ersatz-Sinn (die sich in einem fantastischem Ringkampf und einer wundervollen Rauch-Szene manifestiert).

                                      Auch wenn einiges in 1000 ARTEN nicht bis ins Letzte aufgeht - einige lose Fäden werden nie wieder aufgegriffen, bzw. Checkovs Guns nicht eingelöst, die Geschichte der Tochter läuft eher unabhängig vom eigentlichen Haupt-Plot ab und insgesamt hätte ich mir weit mehr Zeit mit den Figuren und ihren treffsicher ausgeloteten seelischen Zuständen gewünscht - ist Prahl durchweg so nah an ihren Figuren, dass der Film durchweg bewegt. Aber ab und an auch ein Schmunzeln auf die Lippen zaubert. Dass das hier gezeigte "was-wäre-wenn"-Szenario weitreichende Folgen auf Leben und Psyche der betroffenen Familie hat, wird in verschiedenen emotionalen Facetten deutlich fühlbar inszeniert. Düsterer wird es zwar, wenn man den Dauerregen im verschlossenen Zimmer als Symbol für das "Gefängnis Depression" liest, aber trotz dieser nicht allzu weit hergeholten Lesart ist der Film kein kompletter Downer.

                                      Und besticht audiovisuell. Mehrmals fallen bewusst durchkomponierte Bilder ins Auge, oft umschmiegt von einem sehr gefühlvollen, in einigen Momenten bis zum zerreißen aufgeladenen Score (der, wie der Abspann mir eröffnete, aus Hauschkas Feder entsprang), was dem ganzen Wertigkeit und den Anschein einer sehr bewussten, an Wirkung interessierten Inszenierung gibt.

                                      Mochte ich.

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                                        #25 der #52FilmsByWomen in 2020.

                                        Das generelle Anliegen von LOST GIRLS ist ein feines. Denn die Suche (oder eben Nicht-Suche) nach einem Serienkiller, welcher mehrfach Prostituierte getötet und zerstückelt hat, wird hier aus Sicht der von Trauer zerfressenen Hinterbliebenen (Mütter und Schwestern) erzählt, anstatt sich auf die gängigen Procedural-Pfade zu begeben, auf denen in der Regel zwei Detectives (also zwei Männer) kreativ ermitteln. Dieser Perspektivwechsel gibt dem Genre einen Spin, der für frischen Wind sorgt, bzw. die Geschichte überwiegend in ein gänzlich anderes Genre verlagert. Verlustdrama mit systemkritischen Elementen statt purem Thriller.

                                        Und die Wut, die Regisseurin Garbus all den Männern entgegen schreit, die mit absoluter Selbstverständlichkeit Frauen wie Objekte behandeln, welche man kaufen und misshandeln, erniedrigen, gar töten kann und wenn dann alles raus kommt ist es egal, weil diejenigen die den Tätern auf den Leib Rücken sollten einen Scheiß drauf geben, ob der Mörder von ein paar "wertlosen Nutten" gefunden wird, steht dem Film gut. Garbus arbeitet viel über Wert und Status der Frau in der Gesellschaft, Machtstrukturen und -missbrauch, Objektifizierung, etc. heraus.

                                        Die Krux dabei: Leider gelingen ihr trotz diesem starken Inhalt auf filmischer und erzählerischer Ebene einige essenzielle Dinge nicht. Der Film versäumt es ein ums andere Mal uns Dinge zu zeigen und mitfühlen zu lassen, anstatt sie uns immer wieder bloß verbal zu erzählen - ständig sprechen Figuren platt die offensichtlichen Anklagen aus ("you men just don't give a shit about us") und wir bekommen haarklein erklärt, was jedem denkenden Menschen längst klar ist (bzw. sein sollte). Das wirkt dem Thema irgendwie unangemessen und lässt wuchtige Anklagen in einer leb und ideenlosen Inszenierung verpuffen. So fad wie sein Colorgrading fühlt sich LOST GIRLS leider im Ganzen an.

                                        Und in Folge dessen bleiben die Schicksale, die krassen Verluste der gezeigten Familien und auch die Grausamkeiten des Killers abstrakt, sind wenig fühlbar, lösen nichts aus, keine Response abseits der rationalen Erkenntnis, dass wir hier grundlegend Falsches sehen. Es fehlt dem Film leider fast vollständig an emotionaler Wucht. Alles karg, alles bedrückend, aber wirklich fühlen, tut man beim Sehen nichts. Schade, denn einen so trägen Film hat dieses heikle Thema absolut nicht verdient.

                                        Aber: Thomasin McKenzie wird (hoffentlich) mal ganz groß!

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                                          #24 der #52FilmsByWomen 2020

                                          Bisher hatte ich von Hausner nur den durchaus gelungenen, weil tief in die eigene mysteriöse Stimmung abtauchenden HOTEL gesehen. War bereits stark. LITTLE JOE ist nun ein ebenso stark durch Wirkung definierter Film, dessen Stil jedoch eine ganz klare Weiterentwicklung darstellt. Im Grunde hat der Film alles mit dem man mich leicht zufrieden stellen kann - weirde Vibes, strahlende Farben, irgendwo zwischen leicht off und komplett awkward agierende Figuren, die seltsame Klamotten tragen, multiple Lesarten, Allegorien auf seelische Zustände, Einflüsse aus Science-Fiction - leicht macht er es einem aber keinesfalls und das ist auch gut so.

                                          Denn das teilweise quälend-langsame Erzähltempo, die eindeutige Inszeniertheit (ja, niemand redet so, wie die Figuren hier) und der sehr ungewöhnliche Look gehen wohl bei 90% der Zuschauer als zu sperrig durch. Ich empfand LITTLE JOE jedoch auf allen Ebenen als Hochgenuss, denn neben der überragenden Audiovisualität verhandelt der Film auf intelligente Weise Fragen des modernen Lebens, bzw. einer modernen Gesellschaft. Wie vereinen beruflich erfolgreiche Frauen ganz klare Karriereziele und Familienleben? Wie sehr neigen wir mittlerweile dazu Leere und/oder zwischenmenschliche Defizite durch Tools und Technologie zu füllen von denen wir uns den gleichen Benefit versprechen. Und zuletzt die uns seit jeher in der Sci-Fi umtreibende Frage an der sich Tarkovsky, Scott, die Wachowskis und wer nicht sonst noch alles abarbeiteten: Ist die perfekte Simulation dem realen eventuell gar ebenbürtig?

                                          Ich muss gestehen, dass ich im ersten Durchgang LITTLE JOE rein genossen und in seinen vielen kleinteiligen Details wenig durchdacht habe, bin mir aber sicher dies bei diversen weiteren Sichtungen zu tun. Denn Hausner's Farbflut ist gewiss nicht das letzte Mal über meinen Schirm geflimmert.

                                          Nachtrag: So hübsch der Film auch ist, er kassiert mit absoluter Sicherheit den Award für den hässlichsten Vorspann, ever! Außerdem fast schon beängstigend prophetisch, wie einer der letzten Pre-COVID Kinostarts die Wichtigkeit von Atemmasken hoch hält.

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                                            über Joy

                                            #23 der #52FilmsByWomen 2020.

                                            JOY ist einer der Filme, der einem (ganz in nüchterner österreichischer Tradition) eine so unerträgliche Dosis Realität um die Ohren knallt, dass ich als der Abspann rollte einfach nur schreien, heulen und kotzen wollte.

                                            Es geht um nigerianische Zwangsprostituierte in Europa, die durch einen auf Aberglauben basierenden Pakt, die daraus resultierende Angst, sowie den Frauen (bzw. Mädchen) aufgeladene immense Schulden in einer unterdrückerischen Organisation gefangen sind und auf den Strich gezwungen werden. Ein Großteil des verdienten Geldes wird an eine dubiose Big Mama (der sie für dieses "bessere Leben" auch noch dankbar sein sollen) abgedrückt, wer mit der neuen Situation nicht klar kommt, oder zu wenig verdient, wird von Mamas Schergen per Massenvergewaltigung auf Linie gebracht, wer unter den widerlichen Verhältnissen zu zerbrechen droht, kriegt drastisch vermittelt, dass der Familie zuhause jederzeit etwas passieren könnte. Mir ist schon wieder schlecht.

                                            Dem Ganzen wird neben diesen offensichtlichen Gewaltakten dann allerdings auf unterschwelliger Ebene die Schlechtfühl-Krone aufgesetzt. Mortezai führt uns langsam und nachdrücklich vor Augen, was die perfiden Mechanismen eines solchen Systems mit dem Wesen der betroffenen Frauen anstellen. Wie sie, trotz oberflächlicher Solidarität, von der omnipräsenten Angst und Verzweiflung zunehmend - wie auch sonst - in einen alles dominierenden Egoismus getrieben werden. Alles was zählt ist Geld, denn es ist das einzige Gut, welches vermeintlich in der Lage ist, dem eigenen Leben Sicherheit zu geben und auf lange Sicht einen Ausweg zu bieten. Und demnach diktiert es das Handeln, bis über einen Punkt hinaus, wo Opfer/Täter-Trennlinien verschwimmen und sich aufzulösen drohen. Gewalt erzeugt Gegengewalt, Druck braucht ein ventil, und die Verlockung nach unten zu treten, sei es nur, um das eigene Leid wenigstens in Teilen zu vergessen, ist groß.

                                            Weil nichts was wir hier sehen Fiktion ist - weder die Zustände in Europa, noch die Ursprünge in der Armut der afrikanischen Systeme, welche Mortezai auch grob skizziert, hatte JOY auf mich eine niederschmetternde Wirkung, wie lange kein Film mehr. Dreckswelt, diese.

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                                              #22 der #52FilmsByWomen in 2020.

                                              Als ich TONI ERDMANN vor einigen Jahren das erste mal sah, fand ich den Film bereits sehr gut. Humorvoll, satirisch, menschlich. Und doch wurde ich beim nun erfolgten Rewatch das Gefühl nicht los, im ersten Durchlauf nur TONI ERDMANN light erlebt zu haben, denn die gesamte Bandbreite der durch den Film getriggerten Emotionen traf mich nun nochmal mit deutlich gesteigerter Intensität.

                                              Viel lustiger, viel bissiger, viel tragischer erschienen mir diese starke Geschichte um das kaputte Verhältnis zwischen einer Tochter und ihrem Vater.

                                              Der Film ist derselbe, doch hat sich natürlich meine Wahrnehmung verändert - mein Blick auf, bzw. mein Verständnis von Filmen, speziell den weniger offensichtlichen, leiseren Tönen in ihnen, sowie, was für die Satire und Gesellschaftskritik in T. E. eine entscheidende Rolle spielt, meine Erfahrungen mit der Corporate Reality des globalisierten Fastlane-Kapitalismus.

                                              Die sich hier wundervoll selbst vorführenden, mit Anglizismen und Consulting-Sprech um sich werfenden jungdynamischen, Arbeit und Leben zu einem großen Ganzen verschmelzenden Aufsteiger sind für mich kein übersteigertes Konstrukt aus Ades Feder mehr, sondern ich habe genau die Exemplare aus dem Umfeld von Hüllers Figur mittlerweile zigfach selbst getroffen (und genau wie hier dargestellt erlebt).

                                              Diese Deckung mit der Realität lies mich schnell eine noch größere Anerkennung für Ades Beobachtungsgabe und Fähigkeit messerscharf die Absurdität gewisser zeitgenössischer Lebens-/Arbeitsrealitäten freizulegen entwickeln. Und obwohl ich tausende von Wörtern lang ein Loblied auf die selbstverständliche Art singen könnte, mit der die Autorenfilmerin ganz beiläufig sogar den Raubbau des westlichen Konzern-Imperialismus in weniger gut situierten Regionen kritisiert, möchte ich stattdessen so laut wie möglich betonen, wie stark mich die Vater/Tochter-Geschichte dieses mal emotional umgerissen hat.

                                              Jeder Blick, jede Geste, jede noch so beiläufige Interaktion zwischen den zwei Menschen ist bis kurz vor Explosion aufgeladen und es ist unglaublich wie viel zwischenmenschliche Geschichte, wie viel enttäuschte Erwartungen, aber auch Hoffnung auf Besserung in den allerkleinsten Momenten steckt. Absoluter Wahnsinn. Und so lustig der Film auch sein mag, unterm Strich ist dies der Kern für mich und katapultiert TONI ERDMANN ganz weit nach oben in den Rängen der stärksten (deutschen) Dramen überhaupt.

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                                                #21 der #52FilmsByWomen in 2020.

                                                Von Eltern aus der einen Welt in eine vollkommen Andere geboren, mit beiden Kulturen irgendwie verbunden, und doch oft ein Fremdkörper, wenn es um die seltsamen Gepflogenheiten der ersten und das "Funktionieren" in der anderen Gesellschaft geht. Autobiographisch berichtet Lulu Wang von ihren befremdlichen Erlebnissen mit der chinesischen Mentalität und vermittelt jemandem wie mir, der kein Einwandererkind ist, ein greifbares Bild davon, wie es sein könnte, nirgendwo, nicht mal in die eigene Familie, so richtig rein zu passen (und sei es nur auf emotionaler Ebene). Als Tochter chinesischer Eltern in den USA aufgewachsen, wurden für sie familiäre Banden und das große Miteinander erstmalig schwer auf die Probe gestellt, als ihre Großmutter in China tödlich an Krebs erkrankte, jedoch von ihrer Familie darüber (weil man es dort eben so macht) im Unklaren gelassen wurde.

                                                Dies verarbeitet sie, nachdenklich, melancholisch, aber auch humorvoll in THE FAREWELL. Mal tragisch bewegend, mal heiter, mal zum Brüllen komisch, dürfen wir der gesamten Familie, die neben den USA auch noch nach Japan verstreut lebt und somit noch weitere kulturelle Einflüsse aus anderen Nationen einbringt, dabei zusehen, wie sie von der einen Absurdität in die andere stolpert. Im Kern geht es dabei um viel mehr, als nur den (aus unserer Sicht) fragwürdigen Umgang mit dem nahenden Tod der Großmutter - um (geplatzte) Lebensträume, um besagte Problematik des "nirgendwo zu Hause seins", um emotionale Barrieren zwischen Eltern und Kindern, um den Lauf der Zeit, um Heim- und Fernweh. Klingt nach einer Last, an der man sich leicht verheben könnte, aber Wang schnürt aus den vielen Themen leichtfüßig ein stimmiges Gesamtpaket.

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                                                  Inmitten der Anderson- Reihe “tauchen wir kurz mal” in andere Themen “ab” und gönnen euch etwas Abwechslung.

                                                  Lernt im ENOUGH TALK! #63 von René, warum man nach einer Flasche Rotwein schon “absaufen” kann, hört Arne schwadronieren, warum man gar nicht mal im Geld “schwimmen” muss, um Heimkino-technisch topnotch aufgestellt zu sein und folgt Jens bei seiner Kritik an der wenig “flüssigen” Menüführung von PRIME Video zu, bevor es dann nach dem ganzen “Geplätscher” endlich ab in den Keller/die Tiefsee geht und wir anfangen Filme zu besprechen.

                                                  Die Puns im ersten Absatz deuteten es an: Hier wird es um Wasser gehen. Genau genommen, um Horror der im Wasser spielt. In unserem doppelten Creature Feature nehmen wir uns die zwei jüngeren Vertreter CRAWL von Alexandre Aja und UNDERWATER von William Eubank vor.

                                                  Viel Spaß!

                                                  Hören: https://enoughtalk.de/et063-kann-man-unter-wasser-kraulen/

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                                                    Inmitten der Anderson- Reihe “tauchen wir kurz mal” in andere Themen “ab” und gönnen euch etwas Abwechslung.

                                                    Lernt im ENOUGH TALK! #63 von René, warum man nach einer Flasche Rotwein schon “absaufen” kann, hört Arne schwadronieren, warum man gar nicht mal im Geld “schwimmen” muss, um Heimkino-technisch topnotch aufgestellt zu sein und folgt Jens bei seiner Kritik an der wenig “flüssigen” Menüführung von PRIME Video zu, bevor es dann nach dem ganzen “Geplätscher” endlich ab in den Keller/die Tiefsee geht und wir anfangen Filme zu besprechen.

                                                    Die Puns im ersten Absatz deuteten es an: Hier wird es um Wasser gehen. Genau genommen, um Horror der im Wasser spielt. In unserem doppelten Creature Feature nehmen wir uns die zwei jüngeren Vertreter CRAWL von Alexandre Aja und UNDERWATER von William Eubank vor.

                                                    Viel Spaß!

                                                    Hören: https://enoughtalk.de/et063-kann-man-unter-wasser-kraulen/

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