JackoXL - Kommentare
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Alle Kommentare von JackoXL
Wo andere Filme aufhören, fängt ROOM erst an und hat selbst auf halber Strecke bereits ein so breites Spektrum der Emotionen sensibler, respektvoller und klüger bedient, davon wagen die meisten Filme nicht mal zu träumen…weil es außerhalb ihres Horizontes liegt. Was genau so gut ein reiner Entführungs-Thriller mit affektierter Ach-du-meine-Güte-Attitüde, rührseliger Tränen-Quetscher-Kitsch oder eine nicht bis um die nächste Ecke gedachte Ausschlachtung einer bitteren Grundidee hätte werden können (und das sehr schnell), ist ein wahnsinnig empathischer, wohlüberlegter und bis in kleinste Details nuancierter Achterbahnritt der Emotionen geworden, den es in den letzten Jahren so selten bis nie zu sehen gab. Im Grausamen wird Schönes, Unschuldiges und Hoffnungsvolles gefunden, in der scheinbaren Erlösung ebenso die Kehrseite der Medaille. Weil der Film die richtigen Fragen stellt und sich nicht anmaßt, für sie die allgemeingültigen, moralischen Antworten bereitzuhalten. Die gibt es nicht. Wie könnte es auch? Aufopferungsvoller Beschützer- und Mutterinstinkt kann als Egoismus ausgelegt werden, Erklärungen als Lügen, ein Raum als Mikrokosmus, die Freiheit wie eine Bürde, da nun alles anders ist und nie wieder so sein kann wie man es kannte oder je kennengelernt hat. Man muss sich neu finden, altes versuchen wieder herzustellen oder zumindest daran nicht zu zerbrechen. ROOM schildert besonders das „Danach“ so berührend, glaubhaft und ambivalent-ehrlich, da wird der Kloß im mit Tränen der Rührung aufgeweicht und gleitet trotzdem schwer den Hals herunter. Ein irrer Film, der sich viel traut und diesen Mut mit Qualität bestätigt.
[...] Ein zunächst kammerspielartiges Szenario in einem nahezu verwaisten Gotteshauses wird bei Ingmar Bergman (Szenen einer Ehe) – wie gewohnt – zum Diskurs über den Zwiespalt von Menschen am seelischen Scheideweg. Zweifel, Depression, Kummer, Glaube, Liebe, Erkenntnis und Hoffnung liegen bei ihm oft eng beieinander, sind in ihrer augenscheinlichen Diskrepanz näher miteinander verwoben als das sie sich widersprechen. Genau wie das, was Religiosität ausmacht und welchen Sinn die (eigentlich) verfolgt. Licht im Winter hinterfragt die Spiritualität und das blinde Vertrauen in eine höhere Macht auf sehr nachvollziehbare, intelligente und empathische Art und Weise, unterstreicht gleichzeitig die Notwendigkeit von Glauben oder zumindest der Institution der Kirche, selbst wenn man sie nur auf das Rationale reduziert. [...] Fast „versöhnlich“ erscheint in dem demaskierenden Umgang das Finale, in dem Ingmar Bergman seinem Psychodrama doch wieder ein Stück Spiritualität gönnt: Wenn Engelchen und Teufelchen auf (oder über) den Schultern der Hauptfiguren um deren Zugehörigkeit kämpfen, sie manipulieren bzw. ermutigen wollen, dann findet Licht im Winter wieder zurück zum Ursprung und hinterlässt mit dem überlegt-zweideutigen Eindruck, dass Gott und Teufel genauso real wie irreal sein können, aber wenigstens stehen sie für etwas, das immer allgegenwärtig und wichtig sein wird.
„Ich hab‘ Glassplitter in meinem Auge!“
Fettreduzierter, schnörkelloser 70er-Gangsterfilm von LOCK UP-Regisseur John Flynn, in dem Robert Duvall und Joe Don Baker auf der Abschussliste des Syndikats landen und statt den Schwanz einzuziehen den Spieß einfach umdrehen, das Outfit als Zwei-Mann-Armee auf links drehen. Das übermächtige, organisierte Verbrechen kommt bald mächtig ins Schwitzen, ist es doch Widerstand in dieser Form nicht gewohnt. Reines Männerkino im Stil von Sam Peckinpah und (später) Walter Hill. Frauen sind hier nur Zierfische, intrigante Huren, werden weggeboxt wenn sie im Weg rumstehen oder wie Karen Black als besseres Maskottchen mitgeschleift und zur Vernunft geohrfeigt, wenn das hysterische Gewinsel zu sehr nervt. Trotzdem verfallen die raubeinigen Antihelden nicht blind in den rücksichtslosen Rachemodus: Die armen Handlanger am Ende der Nahrungskette kommen in der Regel mit blauen Ohren und glasigen Augen davon, scharf geschossen wird nur nach oben. Ein Aufstand des Gangster-Proletariats gegen die nur Befehle gebenden und sich feige in ihren Elfenbeintürmen verschanzenden Bosse. Der schlichte Plot kennt dabei kaum Links oder Rechts, was ihm sehr gut tut. Zwischen Waffen-Shopping auf dem Rücksitz eines fahrenden Autos und gesprengten Pokerrunden findet der Film Noir-Ableger manchmal in seiner Trockenheit erstklassige Momente (die „falschen Jäger“ im Diner!), würzt mit kurz-knackigen Actionszenen bis zum Western-Showdown. Einwandfreie Räuberpistole, der anspruchslose Filmabend ist gerettet.
-„Also, wohin?“
-„Es bleibt nur noch ein Ort übrig!“
[...] Statt auf explizite Härte setzt dieser Film dankenswerterweise auf das, was The Collector extrem von The Collection unterscheidet: Er ist nach einem eher langsamen, aber recht ordentlich aufgebauten Start wesentlich deutlicher auf die angespannte Situation fokussiert, stellt die Spannung dem Schauwert voran. Besonders innovativ oder kreativ ist das nicht, dafür zweckdienlich. Die Inszenierung stimmt, das Skript dürfte gerne mit höherem Einfallsreichtum glänzen. Das Vorgetragene dürfte die Wenigsten vom Hocker hauen und verläuft ohne große Haken schnurstracks geradeaus, funktioniert allerdings auch durch diese Schlichtheit immer grundsolide. Die grobkörnige Optik passt wunderbar zu der ranzigen Südstaaten-Niemandsland-Atmosphäre, leicht erinnernd an Tobe Hooper oder Rob Zombie, insgesamt verfolgt der Film einen angenehm bodenständigen Stil, der wenn vernünftig präsentiert immer Wirkung entfaltet. Das ist keine Perle, aber ein vorzeigbares B-Movie, dass seine simple Prämisse befriedigend und kurzweilig zu nutzen weiß.
[...] Dass der Film sich bierernst nimmt, sich nicht mal zufälliger Humor in der aus 20 Jahre alten Fond angesetzten Brühe fischen lässt ist schon verwunderlich, dann muss zumindest die Action stimmen. Der nun alles andere als taufrische und Spagat-unfähige Van Damme kann bei seinen wenigen, körperlichen Szenen mühelos mithalten, so schnarchig wird der Nahkampf hier serviert. Das hat kaum Dynamik, vermittelt nie das Gefühl von echter Körperlichkeit, ist unterdurchschnittlich geschnitten und arrangiert. Man sollte natürlich nicht bei Maßstäbe von z.B. The Raid ansetzen, aber heutzutage gelten auch im DTV-Grabbeltisch-Bereich schon andere Gesetze (Stichwort: Scott Atkins). Passend dazu hält Dave Bautista auch nur seinen massiven Körper in die Kamera, seine Bewegungen gleichen denen eines angeketteten Tanzbären. Der Unterhaltungswert tendiert zwischenzeitlich gen Null, den einzigen „Lichtblick“ (was traurig genug ist), stellt Van Damme dar. Nicht etwa weil seine Leitung so spitze ist oder er sich besonders viel Mühe gibt, er watschelt als Einziger halbwegs entspannt mit Sonnenbrille und Hut lässig durch den Murks und tut wenigstens nicht so, als gebe es hier irgendwas zu beschönigen. Dieser Spritzer Lockerheit geht dem Film durchgehend ab. Wer tapfer bis zum Abspann dran bleibt bekommt dann wenigstens den ultimativen Direktvergleich, warum dieser Kickboxer von vornherein eine verdammt dumme Idee war.
„Sie wissen schon, dass wir jetzt in einer Demokratie leben…Wir leben jetzt in einem anderen Land.“
Das mag sein. 40 Jahre Franco-Faschismus in Zeiten, als Hitler-Deutschland schon in der Schule gelehrt werden musste, hinterlässt dennoch seine Spuren und kann nicht mit seinem plötzlichen (längst überfälligen) Wandel bis in letzte Hinterland lückenlos vordrängen, dazu ist das Kind viel zu tief in den Brunne gefallen. In manchen Regionen ticken die Uhren noch anders, langsamer und die gesellschaftliche Umstellung kann nicht durch einen politischen Ruck von 0 auf 100 erfolgen. Die Menschen bleiben die selben, wie ihre Gepflogenheiten und der jahrzehntelang erprobte Umgang mit Extremsituationen, in denen das Verschwinden von zwei „Flittchen“ eines der geringeren Probleme darstellte. Schweigen ist hier immer noch besser als unnötig auf den Busch zu klopfen, der mögliche Flächenbrand ließe sich in seinem Ausmaß (immer noch) nicht abwägen. Ein vom Generationenkonflikt nicht unberührtes Cop-Duo muss seine Handlungsweisen der Situation anpassen, schnell eine gut geölte Maschine zum Laufen bringen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Nicht bis in die letzte Ecke, aber mehr ist hier kaum zu erwarten. Warum sollten der alte Haudegen mit finsterer Vergangenheit und der Jungspund mit modernerer Ethik mehr bewegen, als es ein Land im verspäteten Umdenken erst jetzt ansatzweise versucht? Die Protagonisten-und Story-Konstellation erinnert an Alan Parkes Mississippi Burning, wobei der gesellschaftliche Hintergrund hier zunächst nur als Kulisse zu dienen scheint. Tatsächlich überflügelt er schleichend den gesamten Film, der eher dezent ein unentschlossenes Land zwischen Erblast, Aufbegehren und eben dieser schwierigen Grauzone des Neuanfangs wiederspiegelt. Das macht La isla mínima eigentlich spannender als seine eh schon gut entwickelten und fantastisch ins optische, beobachtende Licht gerückten Krimi-Plot, der Mut zur Lücke beweist. Im Wissen um seinen Subtext, der mehr erzählt als die offenkundige Handlung.
[...] Polarisierende Sonderlinge – verloren in ihrem eindeutig krankhaften Ego-Trip – prallen nahezu ungebremst aufeinander, da sich ihre „Beschützer“ wider besseren Wissens nicht in der Lage sehen, dem etwas entgegenbieten zu können. Unheimlich wird es erst, als die aufgezwungene Image-Kampagne eines paranoiden Trolls mit Minderwertigkeitskomplexen und die entgleisten Gedanken eines bedauernswerten Kleinkindes im Körper eines gefeierten und niemals hinterfragten Stars sich sehr nahe sind. [...] Der King ist nicht mehr der Strahlemann von einst, nur noch ein verblendeter und niemals integrierter Spinner, vor dem ehrfürchtig auf die Knie gefallen wird, damit er gemütlich durch sein Wolkenkuckucksheim spazieren kann. Kein Wunder, dass er den Schuss nicht mehr gehört hat. Hat man sich von optischen Diskrepanzen gelöst, voll auf die ehrliche Demontage dieser Figur eingelassen, erfüllt sie Shannon exzellent, da er die Ikone mehr demaskiert als sie zu kopieren. [...] Obwohl Richard Nixon schon häufiger auf der Leinwand präsentiert wurde – auch in großen Auftritten von Anthony Hopkins (Nixon – Der Untergang eines Präsidenten) oder Frank Langella (Frost/Nixon) -, niemand war so überzeugend wie hier Kevin Spacey, obwohl er ihn nur karikiert. Mimik, Gestik, allgemeine Körpersprache und besonders Stimme und deren Klangfarbe sind sensationell dran am Original. Eine umwerfende Performance, die in der Parodie dem Vorbild am nächsten kommt. Was das über den echten Richard Nixon am Rande aussagt, ist schon Satire genug. [...] Eine fiktionale Gaudi mit hervorragenden Darstellern, die zwischen den Zeilen nicht nur eine Legende (und damit ist nicht Nixon gemeint) ungewohnt kontrovers seziert, sondern auch die sonderbare Doppelmoral, Ikonenbildung und Show-Mentalität der Amerikaner kritisch in Frage stellt, was aktueller ja kaum sein könnte. [...]
Atmosphärisches, beunruhigendes Schauerstück zwischen Volkssage, Horror-Märchen und zermürbendem Familien-Psychogramm. Kommt das Grauen bei Robert Eggers Mini-ANTICHRIST wirklich als Hexen-Fluch aus dem Unterholz des dunklen Waldes gekrochen oder entfesselt es sich nur aus Angst und Misstrauen im Schoß einer vom Schicksal gebeutelten Familie? Zwischen Glaube und Aberglaube liegt ein schmaler Grat. Besonders zu Zeiten, als Religiosität noch keine freiwählbare Option aus Überzeugung war. Als Strohhalm und Hoffnungsschimmer in einer grausamen Welt diente, um auch die schlimmsten Zeiten irgendwie durchzustehen, Unerklärliches einzuordnen. Eine von der Intention gute und sinnvolle Sache kann zur wahren Hexe werden. Leider kein ausgerottetes Phänomen, dass sich heute nur anders äußert. The Witch ist dann bärenstark, wenn er nur andeutet, in den Raum wirft und das Geschehen ganz zwanglos interpretierbar gestaltet. Vielleicht wird er zum Ende hin etwas zu konkret in seinen Bildern, doch lässt immer noch geschickt das Hintertürchen offen, in wie weit die über Monate hinweg längst nicht nur angeknacksten Psychen der Figuren ihnen und uns nur einen Streich spielen. Subversive, subtile und (un)angenehm entschleunigte Grusel-Parabel, die nach dem Abspann durchaus noch den ein oder anderen Gedanken wert ist.
Schon bei Dressed to Kill huldigte De Palma Hitchcocks Psycho (wie Argento und dem Giallo) und war sich dafür nicht zu schade, ein gewisses Publikum irritiert auszuschließen. Bei Mein Bruder Kain geht er damit eigentlich noch viel weiter. Nun droht er sogar das aufgebaute Fan-Lager zu verprellen, in dem er die Handlung oftmals über die Grenzen des akzeptierten Unsinns verlagert, seinen Hauptdarsteller (John Lithgow, aufopferungsvoll chargierend bis ans Limit) in kuriose Mehrfachrollen zwängt, die dieser mit süffisanter Spielfreude - und dem genauen Wissen, worauf die ganze Zirkusnummer hinauslaufen wird – ausfüllt. Die typische, inszenatorische Eleganz des Regisseurs ist weiterhin gegeben (einige Plansequenzen, speziell die mit der etwas orientierungslosen Francis Sternhagen, sind technisch wie metaphorisch erstklassig), das Erzählte – und besonders wie das geschieht – verwundert durchaus. Aber es ist Teil des Konzepts, dass sich erst mit fortlaufender Zeit erschließt und dann fast begeistert. Fast, aber das ist schon so selbstbewusst und risikofreudig, es lässt sich kaum nicht anerkennen. Die üblichen Hitchcock- und speziell Psycho-Referenzen sind schon früh da (die multiple Persönlichkeit), werden bildhaft sehr konkret (das versumpfenden Auto), aber das ist ja erst der Anfang. Spätestens in der zweiten Hälfte outet sich Mein Bruder Kain unmissverständlich als ironischer Jux („…und Sie müssten mal ihren Gesichtsausdruck sehen!“), der immer wieder völlig überraschende und kuriose Entwicklungen nimmt, gipfelnd in einen Showdown, bei dem einem der Mund offen steht. Im Finale zitiert De Palma nicht mal mehr Psycho, dafür aber alles andere, gerne das eigene Schaffen. Die an sich absurde Pointe ist nur ein weiteres Knallbonbon, um innerhalb weniger Minuten u.a. Dressed to Kill (der Fahrstuhl, der Rest aus Spoilergründen nicht genannt), The Untouchables (der Kinderwagen), Wenn die Gondeln Trauer tragen (das Kind im roten Mantel) und sogar Der Pate (das kullernden Obst) mit durch den Fleischwolf zu drehen. Das ist so abgewichst und vogelwild, spätestens jetzt müsste der Groschen restlos fallen. Brian De Palma will hier gar nicht an andere und die eigenen Klassiker heranreichen, er will sie augenzwinkernd und auch mit einem gewissen Appell an deren eigenen (minimalen) Trash-Faktor auf die Schippe nehmen. Das ist immer noch etwas klobig, niemals auch nur annährend brillant, aber teilweise schon leicht geil. Auf eine ganz spezielle Art und Weise.
[...] Europäisches Grindhouse-Kino, das die Sub-Genregrenzen experimentierfreudig auslotet. Highway-Horror, moderner Italo-Western, Geiselnahme-Psycho-Thriller und Rape & Revenge, das zwischen vulgärem Umgangston und roher Gewalt immer mal wieder das Tempo rausnimmt, aber nie die wahnsinnig angespannte Situation auch nur annährend entschärft. Eher noch durch vorwurfsvolle Blicke, griffige und wohl überlegte Nebensätze sowie einen immer latent vorhandenen, sexuellen Kontext stetig steigert, bis sich alles in radikaler Konsequenz entlädt. Der Film spielt unter seiner wüsten Exploitation-Schale bissig mit plakativen Gender-Klischees, lässt primitive Gockel um das Kapitänsamt auf dem sinkenden Schiff kämpfen, während die ganze Zeit eigentlich nur - nicht nur faktisch – die einzige Frau an Bord das Steuer in der Hand und die Rettung an noch ganz anderen Stellen bereithält. Frauen sind klüger, opferbereiter, aber zu gutherzig. Wie die „Schwuchteln“, die letztlich auch über ihre weibische Empathie stolpern.
Wenn man glaubt, das Ende von Wenn du krepierst – lebe ich bereits durschaut zu haben, abwarten. Dieser offenbar grobe aber wahnsinnig clevere Road-Thriller mit leichten Anleihen bei Spielbergs Duell, Peckinpahs Wer Gewalt sät und einer dicken Schippe Inspiration für Hitcher, der Highwaykiller dreht den bitterbösen Spieß mehrfach um und läuft auf genau diesen Moment heraus, den man vielleicht schon riechen, aber bei aller Abgebrühtheit nicht wahrhaben wollte. Wer macht so was schon? Dieser Film! Weil er so abgekocht ist, da bleibt einem das perfide Lachen im Halse stecken. Der Kreis schließt sich. [...]
[...] Auch bei Father’s Day (steht in keinem Zusammenhang mit dem frühen Hausmarke-Klassiker Muttertag – Ein Alptraum aus Blut und Gewalt) könnte man sich selbst als erprobter Zuschauer zwischendurch (bevorzugt zu Beginn) immer mal bei dem Gedanken erwischen, ob man das jetzt die gesamten 99 Minuten über sich ergehen lassen will. Warum nicht stattdessen einen Bergman, Kubrick oder Hitchcock gucken…oder alternativ einfach alles andere, in dem nicht (scheinbar) hirntoter Flachwixer-Humor auf übertrieben ekelhafte Kotzmomente treffen, inszeniert wie zu schlimmsten VHS-Anfangszeiten, als man es nicht besser konnte? Weil genau dieser Troma-Zauberstaub draufliegt und diese Herrschaften – im Gegensatz zu den Möchtegern-Trashis von The Asylum (Sharknado) – den Shit ganz klar noch selbst hemmungslos abfeiern. Es scheint fast schwieriger als simpel zu sein, einen Film im Jahr 2011 so auftreten zu lassen wie Father’s Day, den muss man ja beinah aufwändig auf ganz groben 80er-Schund runterpitchen und sich einfach nicht zu schade sein, überhaupt keine Zugeständnisse auch nur versehentlich durchrutschen zu lassen. Das fünfköpfige Drehbuch- UND Regiekollektiv Astro-6 (darunter auch die drei Hauptdarsteller) demontiert einfach alles, was irgendwie zum guten Ton gehört. Blasphemie am laufenden Band, Gewalt, Gaga-Humor, im wahrsten Sinne des Wortes gefickte Rollenbilder und Inzest, die Troma-Geschmacksdampfwalze macht vor nichts und niemanden halt. Chapeau. [...]
-„Wo ist Gott?“
-„In seinem Büro, am Ende des Flurs.“
[...] Das Bloodsport gar keine richtige Geschichte besitzt dürfte anhand der Voraussetzungen wenig überraschend und ehrlich betrachtet auch nicht unbedingt erwünscht sein, dass er in der ersten halben Stunden dennoch so tut kommt für ihn unvorteilhaft daher. Da gibt es keine (sehenswerte) Action, nur einen mit dem „Schauspiel-Part“ sichtlich überforderten Van Damme, der zu allem Überfluss in den Rückblenden durch den wohl dödeligsten Teenie-Stöpsel verkörpert wird, der beim Clearasil-Casting den vorletzten Platz belegt hat. Hat man das überlebt, gibt es jetzt endlich ordentlich aufs Maul, in allen möglichen Kampfkünsten, wenn man das Dargestellte teilweise denn so nennen mag. Straff choreographierte, knackige Fights wechseln sich ab mit dem latent rassistisch angehauchten Auftritt eines an Kokosnüssen trainierten Capoeira-Äffchens, das wie von der wilden Bimbo-Tarantel gestochen durch den Ring hopst und natürlich dem Best-Buddy von JCVD, einem schielenden Harley-Davidson-Grizzley namens Ray. Der bewegt sich so behände wie ein Kühlschrank, schlägt dafür eine Dampfhammer-Pranke wie Bud Spencer, nur in blutig. Außer gegen Chong Li, das skrupellose Kraftpaket aus Fernost, der selbstverständlich der einzige, echte Gegner für Dux sein darf.
Um notdürftig den Rest aus der Film-Checkliste zu bewerkstelligen und nicht nur die Agilität des Hauptdarstellers herhalten muss (was als einziges das Ansehen rechtfertigt), gibt es eine äußerst deplatzierte Fast-Slapstick-Verfolgungsjagd (freiwilliger Humor: Abgehakt) und die nicht zu vermeidende Love-Story mit einer investigativen Journalistin, die anfangs noch Moralpredigten über das Blutvergießen hält, aber am Ende sich bis kurz vorm Eissprung jubelt. Wie auch die Feldjäger der Army, warum auch nicht? Alles unterlegt mit heroisch-pathetischer Pop-Musik, während Van Damme über den Dächern von Hong Kong die Gräten breit macht. Diese Formel hat damals einwandfrei funktioniert, heute sieht das extrem dünn aus. Hohler geht kaum, aber selbst jetzt hat Bloodsport auch dank dieses naiven Charmes und diesem schlichten Selbstverständnisses noch einen – deutlich geminderten – Quasi-Unterhaltungswert, allerdings mehr beiläufig. [...]
Der Erstling kochte natürlich auch nur mit Wasser, verstand es dafür sehr angenehm das altmodische Haunted-House- und Spukkino mit liebevoller Hand wiederaufstehen zu lassen. Das kann und sollte man gerne mal machen, aber wie oft ist die Frage, besonders wenn es eindeutig nicht besser wird. Bis auf die am Gewinn Beteiligten brauchte und wollte wohl niemand ein Sequel zu einem komplett erzählten Film. Bitte schön, hier ist Conjuring 2. James Wan macht im Prinzip alles wie immer, nur leider hat er das quasi parallel mit der Insidious-Reihe in nur wenigen Jahren schon komplett überreizt. Ohne Vera Farmiga ließe sich kaum unterscheiden, wo und durch welches Franchise gerade gegeistert wird, alles gleichgeschaltet und austauschbar. Es erscheint lustlos, selbst wie nur eine auferlegte Pflichtübung, die dazu noch auf verrückte 134 Minuten gestreckt wird, für die es keinerlei ersichtlichen Grund gibt. Dazu angereichert mit einigen fast komischen Sequenzen, über die man nicht lachen mag, inklusive Rumpelstilzchen-Showdown. Dank der sich geschmeidig bewegenden Kamera und dem für einen Genre-Film überdurchschnittlichen guten Cast bleibt das erträglich, insgesamt aber verdammt ödes, vierfach aufgewärmtes Konservenfutter mit hübscher Verpackung ohne erkennbares Esprit.
Inhaltlich bewusst sehr schlicht gehaltenes Terror- und Survivalkino, teilweise so roh, ranzig und abgefuckt wie seine Location. Einem leicht stolperigen Beginn folgt der knackige Belagerungszustand mit panischen Fluchtversuchen, die die sich dadurch kontinuierlich dezimierende Gruppe immer wieder zurück treibt in ihren grünen Hundezwinger. Jeremy Saulnier versteht das Gefühl von Panik und Überforderung gerade dadurch treffend auszuformulieren, da die Personen oft nicht so reagieren, wie man es aufgrund üblicher Filmerfahrung erwartet. Das wirkt manchmal etwas planlos bis konfus, doch genau sollte man in eben diese Situation geraten, wer würde es wohl besser machen? Das trifft sogar auf die rotbeschnürten „Geiselnehmer“ zu, angeführt von einem nicht wild drauflospolternden, sondern angenehm zurückhaltenden, fast befremdlich in sich ruhenden Patrick Stewart, der sein Rudel wilder Kampfhunde wie willenlose Schachfiguren von A nach B schiebt und nicht vor Bauernopfern zurückschreckt. Kompromisslose, plötzlich aufheulende Gewaltspitzen sorgen mitunter für ein Aufzucken, ohne zur bedingungslosen Gore-Sause zu geraten, ähnlich aus dem Nichts wird mal ein trockener Lacher eingeschoben. Was diesem ungeschliffenen Genre-Steinchen fehlt, ist nur der letzte Pfiff. Der oder die besonders guten Einfälle links und rechts des straff gezogenen Schnürchens, die den Wiederschauwert erhöhen. Für eine drahtige Runde ist da aber genug Sprit im Tank.
[...] „Es macht Spaß, nackt im Sand zu liegen. Besonders zu zweit, finden Sie nicht auch?“
Klar, nackt - im Sand oder sonst wo - ist immer super und wertet jeden Film tendenziell deutlich auf. Bei Jess Franco zu seiner Sturm- und Drangzeit sowieso, der hat bei den traumhaften Set-Bedingungen wohl eh am liebsten gleich ohne Hose gedreht. Vampyros Lesbos könnte problemlos – und so scheint es anfangs auch – nur ein weiteres Feuchter-Männertraum-Schundwerk sein, von dem man ihm natürlich auch später nicht gänzlich lossprechen kann. Der ansatzweise vorhandene, emanzipatorische Grundgedanke einer aus guten Gründen männerverachtenden und gleichzeitig unglaublich verführerischen Fürstin der Dunkelheit - die sich dazu noch einen männlichen Leibeigenen als willenlosen Diener hält, der aber nur die Drecksarbeit erledigen darf – wird selbstverständlich vergraben unter voyeuristischen Schauwerten und heißen Lesbenliebesakten, die eher den Mann als die Frau erotisch bedienen. Das Resultat funktioniert weder als Horrorfilm noch als Softsex isoliert, dafür bietet er von beiden Komponenten zu wenig wirklich Ansprechendes. [...] Die Mixtur hat aber mit benötigter Anlaufzeit was, gerade da dies wohl einer der ästhetischsten Franco-Film sein dürfte. Das blutrote Art déco, manch wundervolle Beleuchtungsideen und Set-Pieces berauschen die Sinne mehr als die blanken Brüste der Darstellerinnen und der eigens komponierte OST von Manfred Hübler & Siegfried Schwab ist großartig; wechselhaft zwischen frühem Elektro, Funk und Soul. Eines der markantesten Stücke - The Lions And The Cucumber – verwendete Quentin Tarantino 26 Jahre später in Jackie Brown. [...]
[...] An dieser Diskrepanz aus sichtlichen Ambitionen, handwerklich halbwegs erprobter Routine (einige Momentaufnahmen funktionieren durchaus) und mitunter tölpelhaften Realisierungen mag der Film objektiv zu scheitern, manchmal hat man das Komplettpaket unmittelbar hintereinander in einer einzigen Szene. Das Auftreten eines dunklen Priester-Schreckgespenstes mit einer blutüberströmten Puppe in der Hand erscheint creepy und zeigt kurz Wirkung…bis „sie“ den „Mund aufmacht“. Herrje, das hat was von der Scary Movie-Variante eines Giallo. Gelegentlich droht der Film fast gut zu werden und kippt dann postwendend in absurden Quatsch, über den man aber kaum nicht schmunzeln kann. Allein dieser irrsinnige Plan („Bedeutet das etwa, dass beim Geschlechtsverkehr Joana so reagieren könnte, dass ihr Leben in Gefahr wäre?“) sprengt jedweden Rahmen des gesunden Menschen- und Drehbuchverstands. Vögeln bis der Arzt im Idealfall zu spät kommt, elegant gelöst. Das ist insgesamt nicht ganz so kurios und im Grundgedanken (gerade noch) grob nachvollziehbarer als die Giallo-Trash-Keule Das Grauen kommt nachts (1972, unnachahmlich), bei dem wirklich alles wirkte wie von einem anderen Stern, aber manchmal nah dran. Obwohl selbst da nicht potenzielle Opfer in der Handhabung diverser Waffen trainiert wurden, die dann im unpassensten Moment alle in Griffweite liegen. [...]
Nach Der Bunker ein weiterer Beleg für junges, selbstbewusstes und zwanglos-waghalsiges Independent Kino aus Deutschland, das nicht langweilig bedienen, sondern entdeckt werden will. Achim Bornhak a.k.a. Akiz findet im krassen Gegensatz von flirrendem Strobo-Gewitter, donnernd-ranzigen Electro-Beats und der für den ausgelassenen Moment ausgeblendeten, selbst im Party-Freundeskreis bald anonymen Identität zur stillen, intimen, unheimliche-beängstigenden Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich und dem, was vielleicht erst jetzt an die Oberfläche dringt, eine sonderbar-faszinierende Jugend-Parabel, die jeder für sich deuten darf. Der Nachtmahr kommt auf unzählige Interpretationsansätze, ergibt sich nicht den offensichtlichsten, sondern demontiert sie mit fortlaufender Zeit. Die Idee von Tina (spitze: Carolyn Genzkow) im nicht ganz so schönen After-Hour-Wunderland mit drogenbedingter Psychose zerstreut sich früh, hier wird wesentlich mehr (und definitiv etwas ganz anderes) angedeutet erzählt, vermutet und spekulativ in den Raum geworfen. Ein phantastisch angehauchtes Comig-of-Age-Drama, hilfeschreiende Chronik einer ziellos durch die Nacht tanzenden Seele, deren Synapsen im (vielleicht ultimativen?) Aufarbeiten wild durcheinanderzucken und Metaphern konstruieren, die ihr beim schweren, längt überfälligem und wahrscheinlich zu spätem Begreifen erst den Zugang zu ihrem wahren Trauma ermöglichen. Möglicherweise, oder auch nicht. Das Der Nachtmahr sich nicht eindeutig festlegt aber genug Anhaltspunkte sammelt, um nicht nur als planlos zusammengerührte Mindfuck-Terrine für Film-Hippster hochgejubelt zu werden, zeichnet ihn aus. Nicht nur, aber besonders.
[...] Wenn in Manhattan Nocturne – Tödliches Spiel irgendwas noch als ganz ordentlich angesehen werden kann, dann ist es der unermüdliche Adrien Brody. Darstellerisch lässt sich ihm kaum was vorwerfen. Tapfer kämpft er in diesem mit flackernden Großstadtnachtlichtern, melancholischem Saxophonsound, dem schwermütigen Off-Kommentaren und einer mysteriösen Schönen mit ihrem intriganten Spiel krampfhaft an den Film Noir angelehnten Zinnober gegen die träge Erzählweise und einen niemals spannenden, zähflüssigen Plot an. Verworren, überraschend und undurchsichtig soll dieser winterliche, erotisch leicht angehauchte Thriller wohl sein, ist dabei eher verwirrend unlogisch, überraschend dämlich konstruiert und offenbart gleich mehrere nicht nur blödsinnige, sondern zu allem Überfluss auch noch völlig uninteressante Pointen, bei denen nur noch ein verblüfftes Achselzucken übrigbleibt. Dafür hat man jetzt ernsthaft zwei schleppend-dröge Stunden mit mal ganz netten Bildern, ansonsten nur hohlem Geblubber und absurden Wendungen (die man nicht mal als solche bezeichnen mag) über sich ergehen lassen? Was für eine Zeitverschwendung. Aber als Zuschauer ist man nur der kleine Verlierer, denn wenn hier jemand (mal wieder) richtig was verschwendet, dann Adrien Brody. Vielleicht hat er sich einfach nur auf die Sexszenen mit Yvonne Strahovski gefreut, der alte Lümmel. [...]
[...] Brighton Rock erzählt die perfide Geschichte von dem Mädchen und dem Monster, das aus der Dunkelheit steigt. Eine kleine, zarte Rose pflückt und sie zum Verwelken in die Nacht zieht, während sie immer noch an Märchen und ihren Prinz glaubt, der selbst seinen Untergebenen bald über den – schon geringen – moralischen Kopf wächst. Ungebremst und Unerzogen fliegt der frühe Vogel etwas zu hoch, stößt an die Grenzen seiner Macht und behält trotzdem bedingungslos seinen Kurs bei, was Opfer fordert. In erster Linie links und rechts neben ihm, die er ohne mit der Wimper zu zucken selbst auserwählt. Sich den Weg freimacht, um seinen Ego-Trip bis zum bitteren Ende durchzuziehen, was selbst den engsten Verbündeten irgendwann zu viel wird. Eine anti-romantische Gangstergeschichte, die auf grausamste Weise mit dehnbaren Begriffen wie Moral, Ethik und „Liebe“ spielt, als wäre es das einfachste von der Welt. Zynisch wird am Ende selbst die Tragödie von Romeo & Julia hinterhältig-grausam instrumentalisiert. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen gipfelnd in eine trotzdem so niemals vorhersehbare Pointe, die in ihrer Wirkung kaum zu überbieten ist. Sahen sich auch Filme der schwarzen Serie zu dieser Zeit oft noch zu einem Happy-End genötigt gibt es hier einen Rausschmeißer, der dieses vorgaukelt und dadurch verlogener und böser kaum sein könnte. Großartig! [...]
[...] Die Zombie-ähnliche Gefahrenquelle vor der Haustür ist der Auslöser, die unmittelbare Bedrohung findet zunächst durch die nicht gerade hilfsbereiten „Retter“ statt. Wie bei Romeros Crazies. Bo Mikkelsen muss die vermutlichen Zombies überhaupt nicht in Erscheinung treten lassen, was er sich lange aufspart. Gore-Fetischisten kommen kaum auf ihre Kosten, aufgetischt wird erst ganz spät. Das ist nicht nur aus Kostengründen sinnvoll, es erweist sich als fast subtiler Spannungsschraubenzieher, der behutsam und enorm effizient dreht bis am Ende alles bombenfest sitzt. [...] Spannender ist selbstverständlich der Umgang mit einem an sich total ausgelutschten Thema, das auch dieser Film nicht neu erfinden will bzw. kann. Aber er verfällt nicht in monotonen Mechanismen. Setzt lieber auf die angespannte Wirkung und gönnt dem Zuschauer ebenfalls keinen Ausbruch aus der Protagonisten-Perspektive. Wir sehen und erleben nicht mehr als sie, müssen somit ebenso lange auf die Fleischfresser „warten“, bis es keinen Ausweg mehr zu geben scheint. Überzeugt What We Become ohnehin schon mit dieser clever ausgespielten Methode, in den letzten Minuten zieht er keinesfalls den Schwanz ein. Was nur sinnvoll ist. Obwohl man das theoretisch alles schon mal gesehen hat und man daraus keinen Hehl macht, dieser beachtlich inszenierte Däne trifft trotzdem zielgenau in die Eingeweide und versteht es eindeutig, worauf es bei Filmen dieser Sorte ankommt. [...]
[...] In seiner Methodik ein ganz klassischer Schlitzer-Film, der einen anonymen Killer mit Hut und Handschuhen aus der Ego-Perspektive auf Beutezug schickt, die bevorzugt aus sehr vorzeigbaren Damen besteht. Nach dem zweifachen Stich darf sich das Opfer auch gerne mit harten Nippeln freilegen und gegen einen lüsternen Blick durch den Türspalt vor der Arbeit ist - zumindest hier - nichts einzuwenden. Ein Giallo wie er im Lehrbuch steht, dazu mit dem Ansatz einer verwinkelten und wendungsreichen Geschichte, zu der Ennio Morricone (The Hateful 8) einen eigenwilligen Score zusammenfummelt. [...] Das Finale des vorher interessant aufgebauten Plots erscheint so perplex banal, selbst der direkt involvierte Held hat keine Zeit und Lust, sich mit derartigem Kram länger zu beschäftigen und lässt die notdürftige Erläuterung desinteressiert an sich vorbei rauschen. Man mag es ihm kaum verübeln. Stilistisch befolgt Paolo Cavara die nicht dogmatischen, aber handelsüblichen Regeln des Genres emsig, beherrscht die erforderliche Bildsprache und verfügt zudem über eine bestialische, einzigartige Tötungsmethode, die ein Dario Argento auf seinem viehischen Höhepunkt (Tenebre) wohl auf die Spitze getrieben hätte. Diesem Film mangelt es trotz seiner unbestreitbaren Qualitäten schlicht an dieser Extravaganz, die selbst wesentlich schlichter konstruierte oder handwerklich gröbere Werke individuell auszeichnete. Er hat alles, will viel und zeigt davon einiges, nur nichts an der Grenze des Möglichen. Weder narrativ, künstlerisch oder einfach brachial durch den Sleaze-Schweinestall gewütet. [...]
[...] Unter Verdacht will Mord keinesfalls gutheißen, verschafft seinem Protagonisten für dessen Verbrechen nur mehr als ein rein egoistisches Motiv, das abseits des emotionalen (und da bereits nachvollziehbaren) Konflikts ihn über die klassische Täterrolle hebt. Er ist schuldig, aber kein eiskalter, berechnender Killer. Und das versetzt den Zuschauer in eine nicht übliche Position. Anstatt den Mörder seine gerechte Straffe zu gönnen, wünscht man ihm ungeschoren davon zu kommen. Selbst als der Rattenschwanz eines vertuschten Verbrechens gewisse „Folgeerscheinungen“ zwangsläufig mit sich bringt. Da der Film es versteht, seinen Anti-Helden selbst dann nicht aus seinen charakterlich so wichtigen Angeln zu heben. Was zu einem clever aufgebauten und leicht offenem Ende führt, welches diese Diskrepanz entscheidend für sich zu nutzen weiß. Bis dahin trägt der abermals großartige Charles Laughton den Film auf seinen breiten Schultern; diesmal mehr melancholisch-hoffnungsvoller Teddybär als gerissener Schurke, was er beides und alles dazwischen in seiner Karriere mehrfach eindrucksvoll präsentieren konnte.
Zwischen tragischer Liebesgeschichte, Thriller und moralischer Charakterstudie findet Robert Siodmak eine nicht übliche und auch dadurch hochinteressante Mitte. Seine ungewohnte Perspektive, das damit einhergehende, nicht (und eigentlich doch) eindeutige Identifikationspotenzial, die schönen, stimmungsvollen Fotographien und besonders der wuchtigen Leinwandbolzen Charles Laughton machen Unter Verdacht zu einem sehenswerten Genrebeitrag, der sicher nicht immer gleich genannt wird. [...]
„Ich kann nicht singen, ich kann nicht tanzen, ich kann nicht schreiben. Eigentlich kann ich nichts…aber hübsch bin ich.“
Nicolas Winding Refn – sorry, NWR – droht langsam der cineastische CR7 zu werden. Ein eindrucksvoller Künstler, narzisstisch nicht nur veranlagt und immer bewusst provozierend wie polarisierend, sonst könnte er ja langweilig werden. Aber wie CR7: Er wird es nicht. Auch weil er bei The Neon Demon die thematisch perfekte Projektionsfläche für seinen Stil gewählt hat, bzw. ihn zur Handlungs- und Metaebene aufsteigen lässt. Das natürlich-bezaubernde Schneewitchen aus der Provinz droht fast ausversehen die neue Prinzessin im Märchenland L.A. zu werden, in dem mit Anfang 20 scheingreise, körperlich ausgehungerte und seelisch längst verkrüppelte Sternchen täglich ihr verlogenes Agentur-Spiegelchen urteilen lassen, wer gerade die Schönste, Magerste und Hippste im Königreich ist. Das Geschäft ist schnelllebiger und gnadenloser, als das man dagegen anschnibbeln und rumhuren könnte, wahre Schönheit kommt angeblich von innen. So die Legende. Fressen oder gefressen werden, Mahlzeit. The Neon Demon will gar keine Geschichte im klassischen Sinn erzählen, er überlässt den Großteil davon seinen sensorischen Oberflächenreizen, die er bis ins Kleinste ausreizt und dadurch tatsächlich exakt den Angegriffenen mit seinen eigenen Waffen attackiert. Das klingt einfach, aber in der Form erfordert das einiges. NWR – nicht zu verwechseln mit NRW – bedient Auge und Ohr, kratzt an der Oberfläche, legt trotzdem und genau deshalb in den entscheidenden Momente die hässliche Fratze des ewigen Mädchentraums frei, zersplittert ihn in tausend ästhetische Teile und fügt ihn zu einem übertrieben-ekelhaften Bild zusammen, dass seinen Zweck mehr als erfüllt. Da wird auch so gekotzt. Bitte nächstes Jahr direkt im Anschluss an das Finale zu Germanys Next Topmodel ausstrahlen. Da kann man noch was lernen.
[...] In knallbunter Deko der Swinging Sixties gibt es teilweise augenzwinkernden Sarkasmus im Stile der später populären Geschichten aus der Gruft TV-Show (besonders die letzten beiden Episode mit Lee und Sutherland), nur nicht ganz so zynisch und deutlich gestraffter. Dennoch liegt in dieser extremen Kürze auch irgendwie die Würze, über eine längere Distanz würden den Mini-Geschichten schnell die dünne Luft ausgehen. Etwas unfreiwillig aus dem Rahmen purzelt da die zweite Story um eine intelligente Weinranke, die eine Familie in ihrem Haus als Geisel nimmt. Da johlt das Trash-Herz amüsiert auf („Eine Pflanze die das könnte, könnte schließlich die Welt beherrschen!“), selbst die sonst starke Regie von Freddie Francis streckt vor diesem drolligen Quatsch mit hohem Zwerchfellpotenzial die Waffen und versucht gar nicht erst, da krampfhaft mehr zu suchen als eindeutig nicht vorhanden ist. Der Rest wird von Francis dafür mit dem Auge eines ausgezeichneten Kameramanns sowie dem Gespür für die Mischung aus leichtem Grusel und unverkrampfter Unterhaltung bis an die Grenze des Machbaren ausgereizt, da funktioniert sogar 1965 schon antiquiertes Fledermausgebaumel wie zu Lugosis Zeiten. [...] Gerade das Zusammenspiel der beiden Stars im Zugabteil ist eigentlich viel besser, als jeder der einzelnen Geschichten. Für sich genommen ist keine von denen besonders dufte, im Gesamten funktioniert das Ganze aber erstaunlich gut. Flott, mit gehobenen Unterhaltungswert und besonders sehr viel Liebe gemacht, was man von späteren, deutlich uninteressierter hingeschluderten AMICUS-(und auch HAMMER-)Filmen leider nicht mehr behaupten kann. [...]
[...] Selten sah ein Fulci schöner, geschmeidiger aus. Exquisit ausgeleuchtete Set-Pieces, eine brillante Kameraarbeit und ein nicht omnipräsenter, dafür in den entscheidenden Momenten gezielt eingesetzter, dadurch enorm einprägsamer Score des Trios Bixio, Frizzi & Tempera lassen den Zuschauer tief in die Stimmung des Films eintauchen, erschaffen atmosphärisch grandiose Sequenzen, nah an Suspiria oder Profondo Rosso – Die Farbe des Todes. Auch wenn einige Wendungen des Plots nicht so überraschend sind wie sie wohl gerne wären (außer der Zuschauer ist ähnlich naiv und leicht zufriedenzustellen wie die hier handelnden Personen) und die üblichen Giallo-Problemchen wie oft hölzerne Dialoge nicht wegzudiskutieren sind, hebt sich dieser Film inhaltlich deutlich von den meisten Vertretern seiner Gattung ab. Die müssen in der Regel etwas mehr ans Eingemachte gehen, um durch die Wirkung des Moments zu überzeugen. Bei Die sieben schwarzen Noten ist der Plot nicht unbedingt besonders raffiniert, jedoch die Art und Weise, wie er verkauft wird. Das Puzzlespiel mit Erinnerungs- und Vorahnungsfetzen wird geschickt eingesetzt, steigert sich kontinuierlich und verdichtet sich massiv im hervorragenden Schlussdrittel, das sein Spannungs-Potenzial ungemein abgeklärt bis zur (wirklich) letzten Sekunde aufrechterhält.
[...] Ein prachtvoller Film, der dem „zahmen“ Fulci als Regisseur mehr künstlerisches Profil verleiht, als ihm meistens zugestanden wurde. Und verdeutlicht, dass ein Giallo auch ohne die volle Packung Gewalt, Sex und Sleaze astrein funktionieren kann.