JackoXL - Kommentare

Alle Kommentare von JackoXL

  • 5 .5

    [...] Halloween 4 – Michael Myers kehrt zurück fehlt es selbstverständlich an der Raffinesse wie der erzählerischen und inszenatorischen Eleganz des Originals, das ist aber auch nicht der realistische Maßstab. Als kurzweiliger Schlitzer-Film ist zweckdienlich und ordentlich vorgetragen, kann natürlich noch von dem alten Glanz teilweise zehren. Besonders Donald Pleasence weiß mit seiner Routine die Figur des Dr. Loomis, an dem die letzten Jahre nicht spurlos vorübergegangen sind, treffend wiederzubeleben.

    Der damals schon desillusionierte, aber immer noch irgendwie standhafte Psychiater ist zum verbitterten, entstellten Greis geworden, den Außenstehende mehr denn je als senilen Spinner wahrnehmen. Die sonderbare, schicksalhafte Beziehung zwischen ihm und seiner Nemesis Michael Myers ist bedeutsamer, tragischer als das übliche Jäger-und-Gejagter-Spiel des Genres. Im Prinzip hält Pleasence den Laden komplett zusammen und gibt dem Film dieses spezielle Feeling, was ihn trotz seiner durchschnittlichen Vorgehensweise immer noch das gewisse Etwas verleiht, inklusive einer fiesen Schlusspointe. Das ist kein Hit, dennoch ein anständiger Fanservice und der letzte Halloween-Film – bis zu den Rob Zombie-Reboots – der sich noch relativ bedenkenlos anschauen lässt. [...]

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    • 6

      [...] Die gescheiterte Mutprobe ist sicherlich der Hauptgrund für den allgemein schlechten Ruf von Halloween 3, wobei der Film auch losgelöst davon bestimmt nicht der ganz große Knaller ist. Regisseur und Autor Tommy Lee Wallace lässt sich ohne Frage äußerst positiv anrechnen, dass er sich inszenatorisch deutlicher am Original orientiert als alle weiteren Fortsetzungen, obwohl sein Film ja praktisch nichts mit ihm zu tun hat. Unterlegt von einem minimalistisch Carpenter-Score stapeln sich nicht die Slasher-Leichenberge. Stattdessen versucht er den Zuschauer durch behutsamen Spannungsaufbau und die Magie des großen Unbekannten bei der Stange zu halten. In seinen besten Momenten erinnert Halloween 3 tatsächlich an ein typisches Carpenter-Werk, ohne jemals die Qualität seiner ganz großen Arbeiten dieser Zeit (also jedem Film bis dahin) zu erreichen. Dafür entpuppt sich die angenehm geduldig erzählte Story - trotz einem gewissen, paranoid-unbehaglichen Infiltration-Flairs und eines extrem bösen Grundgedankens – als eher kruder Quatsch, der wohl besser in einem kürzeren Format aufgehoben wäre. Als eine ausgedehnte Tales from the Crypt-Episode würde das wesentlich besser funktionieren. Letztlich sollte es ja auch so was ähnliches sein, nur dann lieber auf 45-50 Minuten stutzen und noch eine weitere Geschichte folgen lassen, dann wird da ein Schuh draus. [...]

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      • 2 .5

        [...] Statt einer irren Nazi-Braut fährt nun eine fanatisch-pseudoreligiöse Terroristin mit, das arbeitslose Volk vor der Glotze darf dank Virtual Reality quasi auf dem Beifahrersitz platznehmen und die USA sind die die UCA, die Vereinigten Konzerne von Amerika. Angeführt von einem Donald-Trump-lookalike-Präsidenten (Malcolm McDowell; Uhrwerk Orange), der Washington D.C. nach Dubai verlegt hat (der winzige Momente, in dem man zum Schmunzeln neigt.). Ansonsten glaubt man wohl ernsthaft, die exakt gleichen Grenzüberschreitungen wie 1975 würden über 40 Jahre später noch die gleiche Wirkung erzeugen, was sie ja als solche schon ihres Status beraubt. Insbesondere, wenn sie so lieblos hingerotzt werden und bemerkenswerter Weise um ein vielfaches billiger wirken als damals, was eine Kunst für sich ist. Damals ging es teilweise eben nicht besser, heute will man einfach nicht bzw. glaubt dadurch den alten Charme gleich mit zu kopieren. Wo sich früher immerhin noch David Carradine (Kill Bill: Volume 2) und ganz besonders Sylvester Stallone (Rocky) als sabbernder, frauenverstehender Rüpel Machinegun-Joe („Du bist für mich so interessant, wie ’ne kalte Bratkartoffel ohne Salz!“) für geschmacklose Schenkelklopfer sorgten, heizen nun nervige Kackfratzen durch ein kümmerliches Discount-CGI-Gemetzel voll aufgewärmter Momente und Holzhammer-Gags für den Sechserträger zum morgendlichen Zähneputzen. [...]

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        • 8 .5

          [...] Joseph L. Mankiewicz ist wie Billy Wilder mit dessen fast zeitgleich erschienenen Boulevard der Dämmerung ein zeitloses Meisterwerk gelungen, dass die Mechanismen der eigenen Kunst gnaden- und schonungslos offenlegt. Nicht davor zurückschreckt, die Vergänglichkeit, Schnelllebigkeit und beinah menschenunwürdige Standards als galligen Blick hinter den Vorhang der angeblichen Traumwelt zu thematisieren und dabei gar nicht ernsthaft zu überspitzen. Für seine Zeit – vergleichbar mit dem einige Jahre zuvor wegweisenden Citizen Kane – wird eine immer noch ungewöhnliche Erzählweise verwendet, die vom Endpunkt der Geschichte ausgeht und ab dann durch verschiedene, in einander übergleitende Perspektiven vorgetragen wird. Was genauso gut eine märchenhafte Aschenputtel-Geschichte sein könnte entpuppt sich als bitterböse, garstige Abrechnung und gleichzeitig wahrhaftige Milieustudie, die stellenweise seichte, versteckte Formen eines Psycho-Thrillers annimmt. Gespickt mit zahlreichen, messerscharfen Script-Zeilen und Dialogen entlarvt Alles über Eva zudem den damals brandaktuellen, selbstgerechten Kleinkrieg zwischen Bühnen- und Filmwelt als scheinheilige Farce, denn weder das eine noch das andere ist das gelobte Land. Am Ende ist alles ein Moloch, bestehend aus den gleichen Egomanen und angeblichen wichtigen Sternchen, die sich ihre Austauschbarkeit schönreden. Schaffende und Kritiker gleichermaßen. [...]

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          • 8
            JackoXL: Moviebreak 16.02.2017, 22:25 Geändert 16.02.2017, 22:27

            [...] Ein vom System angefressener Bildungsbürger strandet im hedonistischen Outback-Sodom-und-Gomorrha-Wunderland, wo Männer noch echte Männer sein dürfen bzw. müssen. Dort trifft er quasi auch auf sein gealtertes Pendant, einen vor Unzeiten versandeten Arzt (Donald Pleasence; Die Klapperschlange), der schon längst ein echter Yabbanier geworden ist, mit Leib, Leber und Seele. Der sich in wenigen hellen (oder melancholischen Vollsuff-Momenten) noch an das erinnert, was außerhalb dieses maskulinen (Alb)Traum-Paradieses existiert, aber nicht mehr als seine Welt betrachtet. John droht einer von ihnen zu werden, denn in Yabba ist alles so herrlich einfach. Du säufst dir die Hucke voll, benimmst dich wie die Axt im Walde und parasitärer Schmarotzer in einem einzigartigen Flecken Erde (selten wurde die Rolle des weißen Mannes für das australische Ökosystem schlimmer und gleichzeitig unterhaltsamer aufgezeigt), Hauptsache das Bier geht nicht aus und eine der (im Film zu sehenden) drei Frauen unter (gefühlt) 500 Männer (von denen nur ein halbes Dutzend belegt sprechen kann) macht ohne großes Zicken die Beine breit. Ein Kreislauf aus barbarischen Ritualen und betäubender Gleichgültigkeit, die zum einzigen Lebensinhalt wird, solange man nicht nüchtern wird oder gar anfängt, sich durch Nachdenken aus diesem selbstmitleidigen Mikrokosmus befreien zu wollen.

            Wenn dem so ist, bleibt nur noch die Flucht, aber so einfach ist das nicht. Yabba nimmt seine Brüder als Geisel. Egal wie sehr du strampelst, es gleicht einem Hamsterrad. Alle Wege führen zurück nach Yabba. Außer der, der dich zu einem weiteren Punkt in der einzigen, unangenehmen Statistik des Ortes macht, aber sonst läuft der Laden super. Da kann man auch mal blutverschmiert und abgeranzt mit einem Gewehr am helllichten Tag durch die Straßen laufen, es wird maximal kurz wahrgenommen und vorsichtig aber diskret ausgewichen. Bloß kein Fass aufmachen…außer es perlt. Zuhause ist rückwirkend betrachtet eigentlich gar nicht so schlimm, grenzenlose Freiheit ohne schlechtes Gewissen ist für den Instinkt-reduzierten Menschen nicht unbedingt eine ideale Option. [...]

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            • 9
              JackoXL: Moviebreak 13.02.2017, 23:54 Geändert 14.02.2017, 23:20

              [...] Die ohnehin schon vergiftete Atmosphäre heizt sich minütlich weiter auf. Mit jedem der nicht mehr zählbaren Drinks lockern sich die Zungen weiter, werden zu scharfen Klingen die nach den hier scheinbar üblichen, verletzenden Seitenhieben tiefe Wunden aufreißen und sogar genüsslich Salz hineinstreuen, der zu erwartende Gegenschlag lässt nicht lange auf sich warten. Martha und George schießen selbst für ihre Verhältnisse einer über zwanzig Jahre schürenden Zwecks-Hass-Beziehung weit über das Ziel hinaus und reißen das bedauernswerte, weil (scheinbar) so unbekümmerte Sidekick-Pärchen tief mit in ihren Abgrund, den man selbst seinem schlimmsten Feind nicht wünschen mag. Sie werden zu Spielbällen, mit denen sich am Rande intim fast verbrüdert wird, nur um sie dann mit den eigenen Waffen ins Kreuz zu schlagen. Beinah grausam sadistisch, doch zu diesem Zeitpunkt ahnt noch niemand, dass dieses unkontrolliert wütende Unwetter eine beinah reinigende Wirkung haben wird. Nicht nur für Martha und George (Burton ist übrigens nicht minder famos als Taylor, vielleicht sogar besser), bei denen Hopfen und Malz verloren scheint, sogar für Nick und Honey, die sich ihrer unausgesprochener Konflikte bis dato gar nicht (aufrichtig) bewusst waren. [...] Im Gegensatz zu dem vergleichbaren Der Gott des Gemetzels ist Wer hat Angst vor Virginia Woolf? nicht nur ein unterhaltsam-böses Fallenlassen gesellschaftskonformer Masken, es ist eine wahre Hinrichtung, die eine schmerzhafte Tragödie offenlegt. Was dieser schier endlose Nacht zugrunde liegt offenbart sich scheibchenweise und mit radikaler Wucht, was sie für ungeahnte Möglichkeiten bietet gibt diesem verbalen Blutbad ein Stück Hoffnung. Die Nacht hat irgendwann doch noch (endlich) ein Ende und mit ihr vielleicht auch eine bis auf die Spitze getriebenen und nun hoffentlich endgültig zu Grabe getragenen Lebenslügen dieser beiden Paare. Mit den ersten Sonnenstrahlen fällt auch ein zaghafter Blick in ein neues Leben durch die Fenster des Schlachtfeldes, da nun – auch auf die denkbar heftigste Weise – reiner Tisch gemacht wurde. Für Nick und Honey definitiv noch rechtzeitig, bei Martha und George ist die Prognose ungewiss. [...]

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              • 6

                [...] Nur sehr lose basierend auf dem Leben des real existierenden Rocky Dennis erzählt Peter Bogdanovich eine unprätentiöse und angenehm zurückhaltende Comig-of-Age-Geschichte, die nicht dem Reiz von übertriebener Rührseligkeit und Betroffenheits-Seifenoper erliegt. Das tragische Krankheitsbild steht nicht uneingeschränkt im Mittelpunkt, auch wenn es selbstverständlich für die Handlung von nicht unwichtiger Bedeutung ist. Bodganovich schlachtet es aber nicht über Gebühr aus, vermeidet platte Theatralik und lässt seine Figuren so normal wie möglich sein, was sie gleichzeitig nicht nur ehrenwert, tapfer und bewundernswert erstrahlen lässt. Gerade Rusty (von Cher zu damaligen Zeitpunkt sicherlich überraschend sensibel und dezent verkörpert) ist alles andere als die Mutter des Jahres, auch wenn sie für ihren Sohn mit Herzblut kämpft. [...] Die Maske präsentiert sich durchgehend bodenständig, mit keinerlei Hang zum Spektakel, was ihn authentisch und angenehm glaubhaft macht, narrativ aber auch kaum bemerkenswerte, sonderlich erinnerungswürdige Momente beschert. Eigentlich eine klassische Comig-of-Age-Außenseiter-Story, bei der nur das Erscheinungsbild des Protagonisten nicht ganz auszuklammern ist. Etwas Pech auch für Eric Stoltz, der unter der preisgekrönten Maske logischerweise kaum mimischen Spielraum hat und deshalb dem Ganzen eben nicht „sein Gesicht“ verleihen kann. Es ist dem Film sicher nicht vorzuwerfen und eher zu loben, dass er bewusst kein riesen Fass aufmacht, es dürfte aber schon inhaltlich gerne ein Stück weiter über den erprobten Tellerrand des Genres hinausgehen, ohne sich und seiner gewählte Diskretion dadurch zwangsläufig im Wege stehen zu müssen. [...]

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                • 5

                  Unterkühlte, oftmals gerne gemächliche Verfilmung der Geschichte von Alaskas (nachgewiesen) fleißigsten Serienkiller Robert Christian Hansen, dem 1983 17 Morde an jungen Frauen nachgewiesen werden konnten, obwohl es wohl weitaus mehr waren. Für sein Spielfilm-Debüt hat sich Scott Walker keinen uninteressanten Stoff ausgesucht, kann sogar – Pleitegeier sei Dank – auf die einst große A-Movie-Prominenz Nicolas Cage und John Cusack zurückgreifen. Die wenig erlesene Rollenauswahl vom Workaholic-Knallteufel Cage ist schon lange keine Überraschung mehr (war sie auch zu guten Zeiten nicht), dass der sonst so auf Qualität erpichte Cusack seit einiger Zeit in der gleichen Suppenküchen-Schlange ansteht ist immer noch kaum zu fassen. Und doch sind es die beiden, die bei Frozen Ground unterm Strich die Kuh vom Eis holen. Das faszinierende Alaska-Setting – in seiner Abgeschiedenheit und natürlichen, nicht besonders besorgniserregenden Bevölkerungs-Fluktuation so was wie ein heimliches El Dorado für Serienkiller – ist stimmig und bietet massive Möglichkeiten, von denen das Script scheinbar nur am Rande mal was gehört hat. Man könnte jetzt mit Faktentreue argumentieren, was aber reine Heuchelei wäre. Die Dramaturgie ist größtenteils frei (und nicht sonderlich gut) erfunden, nimmt erst zum Ende hin etwas Fahrt auf, strotz nur so von Genre-Klischees und generischen Abläufen, die nur einen durchhängenden und geringfügig existenten Spannungsbogen hervorrufen. Handwerklich ganz solide lebt der Film eigentlich nur durch sein geographisches Ambiente und ganz besonders durch seine Hauptdarsteller. Sick-Nic hat wohl mal artig sein Ritalin genommen und sieht sich nicht genötigt den großen Zampano raushängen zu lassen, fast zu schade ist die tolle Leistung von John Cusack (aber schön zu sehen, dass so was immer noch abrufbar ist), der seinem abgestumpft-kaltherzigen, sehr zurückgenommenen und erschreckend glaubhaften Monster ein nuanciertes Gesicht verleiht. In der ausgiebigen Verhörszene könnte man aufgrund der tollen Leistung beider Darsteller fast vergessen, wie beliebig und beinah fahrlässig der Rest eigentlich ist. Alles in allem anschaubar.

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                  • 8

                    [...] Beginnt Der Dämon und die Jungfrau noch als verhältnismäßig konservativer Gruselschinken seiner Zeit, verwandelt er sich mit dem psychischen Abdriften seiner Protagonistin in einen undurchsichtigen Trip aus Wahnsinn, übernatürlichen Spuk und spiritueller Bedrohung, was Mario Bava mit einer genialen Inszenierung auf einen ungeahnten Level hievt. Oberflächlich betrachtete arbeitet er mit den üblichen Methoden des Genres: Stetig pfeifender Wind, knarrende Türen, unheimliches Flüstern und flackerndes Kerzenlicht; eine verängstigte Schönheit mit panisch-weit aufgerissenen Augen; das ist (und war) nicht neu; Business as usual. Wie er das Ganze allerdings umsetzt, ist formvollendete Handwerkskunst eines irrsinnig begabten Maestro der lebendigen Bilder, fast schon Gemälde. Seine Visualisierung ist dabei nicht nur von ästhetischem Wert, erzählt sie doch gleichzeitig die Geschichte wesentlich vielschichtiger als das reine Script. Über das äußere Erscheinungsbild offenbart sich das verzerrte, bald paranoide Innenleben der Protagonistin. Bava verwandelt seine Sets in einen steinernen Garten und Labyrinth-artiges Verließ aus Furcht, Begierde, devoter Unterwerfung und der gleichzeitigen Abscheu davor.

                    Heraus kommt eine betörende Mischung aus Gothic-Horror, Agatha-Christie-Mörderpuzzle und verblüffend cleverer Psycho-Studie, die sich haushoch über den Standard des Genres abhebt. Nicht nur wegen seiner brillanten Präsentation, in der gebrochenen Lichtquellen, detailversessene Beleuchtungsideen und virtuose Kameraarbeit mehr als nur Oberflächenreize bedienen. Es ist sowohl ein irgendwie klassischer, leicht romantisch-tragischer Gruselfilm und noch deutlich mehr eine reflektierte, ernsthafte Auseinandersetzung mit unterdrückter, sexueller Abhängigkeit. Eine Hass-Liebe getrieben von Gewalt, Demütigung und gleichzeitigem Verlangen, die scheinbar selbst durch den Tod nicht zu trennen ist. [...]

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                    • 7

                      [...] Wer bei In a Valley of Violence ernsthaft auf inhaltliche Innovationen gehofft hat, der hat von vornherein mit Zitronen gehandelt und die Qualität eines Ti West wie dessen Anspruchsdenken wohl falsch eingeschätzt. Er will doch das Genre nicht neu erfinden, selbst wenn ihm sein Ruf ungewollt in eine falsche Ecke drängen mag. Das hat er nie gemacht. Seine Geschichten leben von ihrer Schlichtheit, steigen im Wert durch seine individuelle Klasse der Umsetzung. Und da macht sein erster Western keine Ausnahme. In a Valley of Violence ist bewusst konform und sehr einfach in seinem Geschehen – welcher Italo-Western war das abgesehen der ganz großen Ausnahmeerscheinungen nicht? -, es wirkt sicher nicht zufällig so, als sollte es nicht anders sein. Was diesen Film auszeichnet, ist seine exzellente, teilweise famose Inszenierung, die sich eher in kleinen Details äußert. Wie selbstverständlich wird die staubige, nihilistische Grundstimmung mit lakonischen, furztrockenen Mini-Jokes am Rande durchbrochen. Die Motivlosigkeit von Gut und Böse leicht hinterfragt um am Ende doch auf den unausweichlichen Konsens zu kommen, dass das Töten die einzige, logische Konsequenz bleibt im Tal der Gewalt, weil der von Natur aus schon wortkarge Protagonist hier ausschließlich auf taube Ohren stößt. Als man ihm winselnd zuhören will, ist es eh schon zu spät. [...]

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                      • 7
                        JackoXL: Moviebreak 09.02.2017, 00:50 Geändert 09.02.2017, 00:52

                        [...] Obwohl zunächst hauptsächlich auf Befragungen und das Erschließen von Zusammenhängen fokussiert, reibt sich Der Tod trägt schwarzes Leder nicht an trockener Polizeiarbeit auf. Ohne großartige Action, Gewalt und Sleaze oder ein besonders erhöhtes Tempo gelingt ihm ein durchweg durch die Geschichte reizvoll wie spannend gestalteter Blick hinter die bröckelnde, gutbürgerliche Fassade, in deren Schatten das perverse Geschäft mit minderjährigen Callgirls fluoriert. Missbrauch, Prostitution und das Ausnutzen naiver, abenteuerlustiger Teenager zu Gunsten notgeiler Pädophiler und besonders den skrupellosen Strippenzieher im Dunkeln, ein zeitlos harter Tobak, den Massimo Dallamano dankenswerter Weise nicht als hemmungslosen Reißer verwendet. Respektvoll gibt es für das Genre nicht selbstverständlich relativ wenig nackte Haut und explizite Darstellungen zu sehen. Stattdessen wird die oftmals wesentlich effektivere Kunst des Kopfkinos verwendet. Speziell, wenn die sichtlich mitgenommenen Fahnder sich mit widerwertige Tonbandaufnahmen von „Kundenbetreuung“ auseinandersetzen müssen. Das geht unter die Haut, auch unter die des Zuschauers. Für den nicht ganz wegreduzierten Part der physischen Gewalt gibt es den (deutschen) „Titelhelden“ in schwarzer Kluft mit seinem Fleischerbeil.

                        In diesen auf die gesamte Laufzeit nicht dominanten Momenten mutet der Film tatsächlich kurzzeitig an wie ein typischer Giallo, nicht nur wegen der dann ausgeprägten Brutalität. Eine besonders ausgiebige und prägnante Szene spielt auf einem Parkdeck, die stark an eine vergleichbare Situation aus Sergio Martino’s Der Killer von Wien erinnert. Dieses Genre-Crossover gelingt erstaunlich gut, auch wenn sich Fans bloß nicht auf einen reinrassigen Giallo einstellen sollten. Am Ende – das leider etwas gestaucht und überhastet daher kommt, diesem Film hätten ausnahmsweise 10-20 Minuten mehr keinesfalls geschadet – gibt es gar deutliche Bezüge zum politischen Krimi seiner Zeit, wenn mal wieder das korrupte und intrigante System sich selbst und seine schwarzen Schafe vor der verdienten Schlachtbank bewahren will. [...]

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                        • 7 .5

                          [...] Den Wechsel zwischen pulsierender Umtriebigkeit und immer wieder auftretender Entschleunigung hat der Film bemerkenswert gut im Griff, verlagert den Plot-Fokus spielend ohne dabei ungelenk oder zu sprunghaft zu wirken, verfügt über ein ungewöhnlich-abgebrühtes Pacing, sowohl inszenatorisch wie vom Script. Die tiefe Charakterisierung der Hauptfiguren bleibt dabei ein stückweit auf der Strecke, was durch die soghafte Präsentation meistens aufgefangen wird. Trotz etlicher ruhiger Passagen vergehen die mehr als zwei Stunden wie im Flug, saugen den Zuschauer tief in die beinah Labyrinth-artigen Welt der Slums von Mumbai, ein Paradies für Verbrechen unter dem Schutzmantel der wuseligen, nicht gänzlich zu kontrollierenden Anonymität, in die der Killer mal bewusst – im wahrsten Sinne des Wortes – abtaucht, um dann seinem Jagdhund wieder schleichend nahe zu kommen. Mit bestechender Ästhetik vorgetragene, abgründige Ying-und-Yang-Geschichte, in der die Nadel im Heuhaufen von der Nase im Kokshaufen gesucht und sogar gefunden werden will, damit sie zu einer, verabscheuenswürdigen Figur verschmelzen können. Ob das jetzt im Detail alles völlig schlüssig ist spielt nur eine untergeordnete Rolle, dieser Film funktioniert in erster Linie über seine individuelle Vorgehensweise, die exzellente Präsentation und seine perfide Grundstimmung, die man so weder im üblichen B-Movie-Discounter noch im Hollywood-Delikatessen Geschäft in der Regel angeboten bekommt.

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                          • 7 .5

                            [...] Über weite Strecken wie ein Kammerspiel vorgetragen mausert sich Kuss der Spinnenfrau zu einer Mischung aus Charakterstudie und Polit-Thriller-Parabel, deren Entwicklung unmittelbar mit der ihrer Figuren gekoppelt ist. Wunderbar festzumachen besonders am Spiel von William Hurt, dessen Drag-Queen-Gehabe zu Beginn fast übertrieben erscheint, sich im klug aufgebauten Gesamtkontext aber scheibchenweise entblättert und als schützende Maske enttarnt wird, von der am Ende kaum noch etwas übrig ist. Seine Realitäts-Flucht endet so radikal und logisch wie die Verbissenheit von dem ebenfalls großartigen Raul Julia in der Rolle des Valentin (ursprünglich sollten Hurt und Julia den jeweils anderen Part spielen, erst kurz vor Drehbeginn kam es zu der spontanen Umbesetzung), der sich zwar nicht idealistische verbiegen lässt, aber nun nicht mehr die Augen vor seinen Emotionen verschließt. Das der (politische) Handlungsort weder als fiktiv noch als genau katalogisiert verwendet wird, ist nicht etwa inkonsequent, sondern gibt dem Film einen ähnlich zeit- und ortunabhängigen Rahmen wie z.B. Polanski's Der Tod und das Mädchen. Es besitzt keine Relevanz und unterstützt dessen bis heute leider allgemein übertragbare Mahnung. Besonders in Zeiten, wenn in gewissen Ländern Folter als angemessene Methode mal so am Rande wieder ins Gespräch gebracht wird.

                            Am Ende ist Kuss der Spinnenfrau vielleicht ein klitzekleines Stück zu weit drüber was den radikalen Twist seiner Figuren betrifft, den intelligenten und bewegenden Moment mag das nur minimal trüben. Selbst die isoliert betrachtet heillos kitschige Schlusseinstellung fügt sich in das Gesamtbild exzellent ein. Der Abschluss eines Prozesses, der beiden nicht mehr die Freiheit im rationalen Sinn geben kann, aber eine Form der Erlösung. [...]

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                            • 7

                              [...] Anstatt eines stoisch-korrekten Biopics mit dem üblichen Abstottern aller relevanten Stationen werden die letzten Tage und Wochen von James Whale spekulativ nacherzählt…oder eher: Inszeniert. Wie es auch dieser James Whale (Ian McKellen; Der Herr der Ringe – Die Gefährten) inszeniert, sein kleiner Abgang von der großen Bühne, die ihn nicht mehr kennen will. [...] Ian McKellen – der mit seiner eigenen Homosexualität selbst immer offensiv umging – spielt sich die Seele aus dem Leib. Gibt eine majestätische wie verletzliche Vorstellung ab und sorgt trotz aller Sympathien für „seinen“ Whale für eine sonderbare Ambivalenz, da man diesem manipulativen Meister nie wirklich in die Karten gucken kann. Bill Condon (Mr. Holmes), Regisseur und Drehbuchautor (Oscar-Auszeichnung für das beste adaptierte Skript), erschafft mit seiner Vermischung von Fakten, reichlich Fiktion (die von Fraser erstaunlich feinfühlig gespielte Figur hat es nie gegeben) und Spekulationen über die nie gänzlich aufgeklärten Umstände vor Whales Tod ein sensibles Charakterportrait mit interessanten, künstlerischen Ansätzen in der Parallelensetzung zwischen seinem Leben und seinem filmischen Vermächtnis. Ein wenig problematisch wirkt es dabei, dass er dadurch eben auch James Whale zu sehr an dessen Frankenstein bindet, der Film sich hauptsächlich mit diesem Aspekt wie seiner Homosexualität beschäftigt. Im Grunde genommen genau das, was Whale Zeit seines Lebens nie wollte, was ihn mehr oder weniger brandmarkte. Das hinterlässt einen leicht unglücklichen Beigeschmack, obwohl der Film von seiner fachlichen Inszenierung und besonders der göttlichen Darbietung von McKellen über jeden Zweifel erhaben ist. [...]

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                              • 4

                                [...] Obwohl die Grundstory ideal zum damals zeitaktuellen Geschehen passt, weiß bei Das Bombengeschäft niemand damit adäquat umzugehen. Mit Friedkin ist ein Regisseur von Weltklasseformat an Bord, der Cast ist mit Sigourney Weaver (Ghostbusters), Gregory Hines (Cotton Club) und Chevy Chase – der hier angenehm abgebrüht agiert und nicht nur den sympathischen Hofnarr geben muss – mehr als anständig, dieses geballte Potenzial versauert praktisch ungenutzt in einem orientierungs- und mutlosen lauen Lüftchen aus schwarzer (eher grauen) Komödie und Polit/Kriegs-Satire. [...] Fast Pointen-los zieht der Film immer genau dann den Schwanz ein, wenn er mal droht interessant zu werden. Auf eine solide Szene folgt ein belangloser Leerlauf auf den nächsten, die Figuren besitzen kein vernünftiges Profil, vor echter Boshaftigkeit und Stellungnahme wird sich konsequent gescheut. William Friedkin’s Regie ist so routiniert wie sichtlich desinteressiert, das müde Drehbuch lässt sich auch kaum schönzaubern. Im luftleeren Raum baumeln die Darsteller, die ihre Sache ordentlich machen, sich jedoch in der selben, handlungsunfähigen Position wie ihr Dirigent befinden. Mehr als ihren Job erfüllen können/dürfen sie nicht. [...]

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                                • 3

                                  Mütter, die auch mal Ficken und Schwänze in den Mund nehmen? Nein, wie provokant und witzig. Unter dem heuchlerischen Deckmantel von Möchtegern-Krawall-Komödie und Möchtegern-Satire steckt nichts anderes als eine weitere, furchtbar biederer Reißbrettcomedy nach Schema F. Mit durch die Bank ätzende Klischee-Nebenfiguren vollgestopft (Kathryn Hahn ganz vorne weg) und wirklich jede Szene unterlegt von aktuellem Chart-Gedüdel, dass selbst Til Schweiger davon noch was lernen kann. Kann einem relativ egal sein, aber die letzten 20 Minuten sind ein reiner Offenbarungseid. Vorher wurde zumindest noch so getan als ob, nun brechen alle Dämme und der Versöhnungs-Mumpitz aus dem Hollywood-Baukasten übergibt sich förmlich wie das Zielpublikum nach einer Flasche Eierlikör. Der Film kann und will eigentlich gar nicht über die Stränge schlagen, ist ein Musterbeispiel für doppelmoralische Spießigkeit, die er ja angeblich mit kichernden, kalkulierten Vulgär-Ausrutscher versucht anzuprangern. Will man uns zumindest weißmachen.

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                                  • 5 .5

                                    [...] Was aus heutiger Sicht etwas ulkig klingt ist aus dem damaligen Blickwinkel durchaus leicht revolutionär (zumindest für den HAMMER-Standard) und birgt in der Tat einiges an Potenzial für einen erfolgreichen Serientäter. Befreit von den Zwängen des ewigen gleichen Muffs gibt es den flotten Vampir- und Schürzenjäger in Personalunion, der sich in erster Linie auf die scharfe Schürze von Caroline Munro (Maniac) konzentriert, wenn dafür im Heuschober genügend Zeit bleibt. Horst Janson erfüllt seinen Job charismatisch-prägnant, wirkt aber oftmals etwas ratlos, wohin die Reise denn gehen soll. So ging es offenbar allen Beteiligten. Captain Kronos: Vampire Hunter will sehr modern sein und ist es teilweise auch, entfernt sich vom klassischen Gothic-Grusel mit Nacht- und Nebel-Atmosphäre, was aber nur bedingt funktioniert. Es dürfte gerne noch rasanter, noch extrovertierter sein, nennen wir es ruhig trashiger. Dafür ist man dann doch zu traditionell geprägt und bekommt diesen schwierigen Spagat nicht richtig hin. Ein Minuspunkt dafür ist das üblich knappe Budget, so dass sich in den ewig gleichen, meistens langweiligen Wald- und Wiesenkulissen herumgetrieben wird. Bis zum Showdown, der nicht nur deshalb das Highlight des Films darstellt. Da gibt es sogar einen netten, beiläufigen Querverweis zur Karnstein-Reihe.

                                    So steht Captain Kronos: Vampire Hunter unglücklich zwischen den Stühlen. Ein Mix aus HAMMER-Horror und Comic-artigem Superhelden-Motiv, mit einem interessant besetzten, aber orientierungslosen Hauptdarsteller, dessen Fechtkünste manchmal wirken wie ein epileptischer Anfall. Es fehlt der Wagemut, wahrscheinlich auch das Können und ganz bestimmt die existenzielle Freiheit, komplett ausreißen zu dürfen. Grundsätzlich kein schlechter und absolut charmanter Versuch, zu mehr reicht es ehrlich betrachtet dann doch nicht. [...]

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                                    • 6 .5

                                      [...] Mehr als 15 Minuten dauert es, bis in Kalter Hauch die ersten Worte gesprochen werden. Der Anfang gehört ganz Charly Bronson, dem wir bei der Arbeit zusehen dürfen und sofort einen Eindruck bekommen, warum der alte Herr immer noch die Nummer 1 im Geschäft ist. Statt das Ziel einfach durchs offene Fenster ins Sniper-Visier zu nehmen, wird ein deutlich aufwändigerer und komplizierterer Weg gewählt. Das sorgt zwar im Endeffekt für mehr Chaos, dafür werden hinterher wahrscheinlich keine lästigen Fragen gestellt. Ein markanter, ein stilistisch aufregender Auftakt, mit dem Michael Winner gekonnt die Grundstimmung des Films prägt und ansatzweise an Klassiker wie Rififi oder Der eiskalte Engel erinnert. [...] Ganz im Stil des ruppig-direkten Kinos der frühen 70er läuft Kalter Hauch in seinen besten Momenten wie eine gut geölte Maschine. Weiß seine Actionmomente gut dosiert zu servieren, geballt natürlich im bleihaltigen Showdown. Dazwischen wird mehr Wert auf die nihilistische Wirkung seiner nur mit (maximal) Anti-Helden ausgestatteten Geschichte gelegt, die leider zwischendrin deutlich Dynamik vermissen lässt und mit einem teilweise grobschlächtigen Skript zu kämpfen hat. Was erstaunlich elegant beginnt und zünftig-roh seinen Abschluss findet streckt sich im Mittelteil etwas zu ausgiebig, lässt gewisse Plausibilitätsfragen im Raum verenden, während eher nebensächliche Momente bald unnütz in die Länge gezogen werden. Kalter Hauch hat eindeutigen Pacing- und Feinschliffprobleme, die ihn nicht nur aus heutiger Sicht leicht wackelig dastehen lassen, kann allerdings das in Schlüsselszenen noch relativ gut auffangen. [...]

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                                      • 7

                                        Perfekt animiert, aber das ist inzwischen nun wirklich Standard. Paradoxerweise ist eine Stärke von Zoomania sogar eine (kleinere) Schwäche: Er will wohl zwanghaft jede Alters- und Publikumsschicht komplett bedienen und das ist nicht ganz so einfach wie erhofft. Für die Kleinen gibt es niedliche Tierchen, ein paar putzige, verständliche Gags und eine wertvolle Botschaft. Für die Älteren eine (beinah) Noir-angelehnte Krimigeschichte, aber genau da liegt der Hase im Pfeffer. Den Kids könnte es manchmal zu unheimlich und zu wenig quitschig sein, den alten Säcken dann doch zu einfach und nicht komplex genug, denn richtig düster darf es selbstverständlich nicht werden. Die Mischung bekommt der Film dennoch recht gut hin, aber eben nicht ideal. Im Resultat ein schöner Trickfilm der nie nervt, gut durchdacht wurde und seinen kurzweiligen Unterhaltungszweck letztlich auf hohem Niveau erfüllt.

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                                        • 7 .5

                                          Mensch, da hat das Evil-Dead-Remake sich rückwirkend doch noch gelohnt. Aufgrund dessen Erfolgs musste der Folge-Film vom Fede Alvarez nicht die üblichen Schleichwege über das Heimkino-Regal nehmen, gleich flächendeckend ins Kino damit. Und womit? Mit Recht! Don't Breathe ist ein richtig feiner B-Movie-Home-Invasion-Reißer, der aus seiner schlichten wie interessanten Prämisse oftmals das Optimum herauszupressen vermag. Nie überkandidelt, aber mit einer gewissen Eleganz vorgetragenes Keiner-kommt-hier-lebend-raus Heimspiel für Beeinträchtigte, Inklusion im Dunkeln. Recht schnell fragt man sich, wie die Handlung nicht schon nach dreißig Minuten im Leerlauf dahinplätschern könnte und tatsächlich findet der Film darauf immer die passende Antwort. Effektiv, sehr kurzweilig, mitunter herrlich fies und mit einer der besten „Hunde-Szenen“ seit dem blutverschmierten Cujo im Fokus von Jan de Bont. Licht aus, Terror an. Eine sehr gute Alternative zum nächsten 3D-Film für den hohlen, überteuerten Zahn.

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                                          • 7 .5

                                            [...] Aus zeitlicher Distanz einen Film über dieses Thema zu drehen ist eine Sache, aber man darf nicht vergessen, dass Weißer Terror genau zu der Zeit erschien, als dies noch Alltag war. Er schildert eine aktuelle Situation, stellt den rechtsorientierten, rassistischen Teil der US-Gesellschaft direkt an den Pranger, reißt ihm seine primitive, heuchlerische Maske herunter. Und installiert mit dem „Abgeordneten“ Cramer eine Art Führerfigur, die dem Mob das gibt, was er hören will. Der junge William Shatner gibt als Scheusal im blütenweißen Leinenanzug eine fantastische Performance ab und Roger Corman versteht es, dessen gefährlichen Charakter im Detail zu entlarven. Wenn es gefordert ist eloquent und charmant, dann aufstachelnd und ein Mann direkter, unverblümter Hassparolen im Stil eines Joseph Goebbels, wenn er in die Ecke getrieben wird feige und windig wie ein Aal, der selbst mit einer geladenen Waffe vor dem Gesicht es noch versteht, sich aus der Situation quatschen zu können. Parallelen zu den Anfangszeiten des Dritten Reichs – aber auch zu den Faktenverdrehern ganz aktueller Bewegungen – sind unübersehbar, denn letztlich funktioniert die gleiche Masche unter den richtigen Rahmenbedingungen immer wieder.

                                            Dass Corman auch bei diesem Film natürlich nicht tief in die Tasche greifen konnte spielt überhaupt keine Rolle, schließlich konnte man mit vorhandenen Ressourcen arbeiten. Es wurden keine großartigen Requisiten, Nachbauten, Masken oder Spezialeffekte benötigt, mit denen man am ehesten in die Low-Budget-Falle tappt. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Arbeiten will er mit Weißer Terror auch keine schlichte Unterhaltung bieten. Ungeschönt-direkt, aber nie exploitativ-reißerisch liefert er einen aufgeladenen, demaskierenden Beitrag zu einem zeitlich brandheißen Thema ab, der sicherlich bei einigen Schichten der US-Gesellschaft nicht sonderlich gut angekommen ist. [...]

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                                            • 7

                                              [...] Andersons Plot ist verhältnismäßig schlicht gehalten. Wirklich viel passiert nicht in Last Exit Reno und auch die Zahl der relevanten Personen hält sich in überschaubaren Grenzen, ganz anders als in seinen mammutartigen Folgewerken wie Boogie Nights oder Magnolia. Im Mittelpunkt steht die Beziehung zwischen dem gutmütigen, ständig grübelnd wirkenden alten Hasen Sydney und seinem Mündel John, die offenbar vom Schicksal zusammengeführt wurden. Für den Zuschauer (wie für John, der dieses jedoch nie zu hinterfragen scheint) stellt sich eventuell die Frage, was Sydney zu seinem „Erziehungsauftrag“ bewegt, wieso er den leicht naiven und hitzköpfigen Loser-Typ versucht auf den rechten Weg der halbkrummen Touren an den Spieltischen von Las Vegas, Atlantic City und Reno zu bringen. Sydney gibt nur wenig von sich selbst preis, eine stetige Melancholie umgibt ihn, seiner Weisheit liegen vermutlich viele Nackenschläge, unangenehme Erfahrungen und harte Lernprozesse zugrunde. [...] Last Exit Reno ist auf dem Weg dahin nicht unbedingt komplex oder gar spektakulär in irgendeiner Weise, wirkt tatsächlich wie eine Form des Ausprobierens für Anderson, dessen bestechende Stilistik und seine geschmeidig-sanfte Art des Erzählens jedoch bereits stark ausgeprägt ist. Plansequenzen und eleganten Kamerafahrten wie von einem gestandenen Profi, eine feinfühlige Figurenzeichnungen und ausgereifte Dialoge zeichnen ihn schon hier aus. Der Film erzeugt einen angenehmen Sog, sorgt für ein konsequentes Interesse am Geschehen, erzählt seine einfache Schuld-und-Sühne-Geschichte mit einer unaufgeregten Mischung aus Lässigkeit, sensibler Empathie und sanfter Melancholie, ohne bleiern in die Tiefe zu ziehen. [...]

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                                              • 6

                                                [...] Die beinah mystische Aura des Todes, die den Wäldern von Aokighara nachgesagt wird, lässt Van Sant in stimmigen Montagen schnell zu einer Art unsichtbaren Hauptdarsteller werden. In der Stille und trügerischen Schönheit dieses Sea of Trees schlummert etwas Endloses, Undurchdringliches, was die Protagonisten schnell am eigenen Leib erfahren werden. Der Tod ist allgegenwärtig. Früh eingeläutet durch ein fast verrottetes Autowrack auf dem Parkplatz, durch hilflos wirkende, lebensbejahende Tafeln am Waldesrand, gespannte Schnüre, die Unschlüssigen wohl als Rettungsanker dienen sollen. Lange bevor die ersten Leichen auftauchen, über die man fast beiläufig stolpert. Mit dem Zusammentreffen der beiden Männer entwickelt sich eine Form des Survival-Films ohne Spektakel, mit geschickt eingebauten Rückblenden auf zumindest eine ihrer Vergangenheiten, die den kompromisslosen Entschluss von Arthur scheibchenweise nahebringt. Mit wunderschönen Fotographien und enorm stark gespielt von allen Beteiligten (McConaughey hat sich in den letzten Jahren vom unglücklich besetzten Six-Pack-Schmierlappen – startend mit Friedkin’s schroffen Groteske Killer Joe– wahrlich zu einem echten Charakter-Darsteller entwickelt) weiß The Sea of Trees eine interessante Basis zu kreieren, die leider gegen Ende deutlich an Profil abbaut.

                                                Der sensiblen Herangehensweise von Traueraufarbeitung, Verlust und der Wiederentdeckung vom Sinn des Leben steht ein etwas grobschlächtiges und auf den letzten Metern gar esoterisch-kitschiges Finale gegenüber, dessen Reiz zwar naheliegend ist, aber mit dem nötigen Mut und Können locker übergangen werden könnte. Gus Van Sant mangelt es normalerweise an nichts von dem, daher ist es schon überraschend, wie er trotzdem in dieser Schiene endet. The Sea of Trees hätte alle Möglichkeiten, auch ohne spirituellen Zinnober und kantige Märchen-Metapher als empathisches Selbstfindungs-Drama wunderbar zu funktionieren. Da liegt ein Hauch von Shyamalan-Wunderpuder drauf, der auch öfter fehl am Platz war/ist.

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                                                • 5 .5

                                                  [...] Billy Bathgate – Im Sog der Mafia war nicht sonderlich erfolgreich und ging im Laufe der Jahre nur selten bemerkt unter, was zum Teil auch an der starken Konkurrenz seiner Zeit lag. Ein Jahr zuvor erschienen Der Pate 3 und GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia, im gleichen Jahr der deutlich großkalibriger vorgetragene Bugsy. Kein gutes Timing, aber auch so hat er es schwer im Vergleich mit den großen des US-Mafia-Kinos. Robert Benton kann seinem Film keinen echten Glanz verleihen, obwohl er natürlich ordentlich ausgestattet und routiniert inszeniert ist. Zu formelhaft und hastig erzählt fehlt es am gewissen Etwas, was selbst ein Dustin Hoffman in der ungewohnten Rolle des brutalen Ganoven nur bedingt auszustrahlen vermag. Dafür steht seine Figur dann doch zu wenig im Mittelpunkt und wird kaum tiefer beleuchtet. Die Ehre gebührt Loren Dean oder eher, es wird zur Bürde. Die milchgesichtige Ausstrahlung gehört selbstverständlich zur Figur, nur wirkt der unerfahrene Jüngling oftmals schlichtweg überfordert und – so hart es klingt – eigentlich krass fehlbesetzt. [...] Kein schlechter, nur ein deutlich zu wenig Eindruck schindender Mafiafilm, der keine große Klasse versprüht, mit zu vielen Alternativen konkurrieren muss und sichtliche Probleme beim Tempo und der Figurenentwicklung hat. [...]

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                                                  • 8
                                                    über Suburra

                                                    [...] Suburra scheint im ersten Moment bald ein episodenhaft erzählter Film zu werden. Viele verschiedene Figuren und Storyline-Ansätze, die augenscheinlich nichts oder nur sehr wenig gemeinsam haben. Relativ schnell finden sie jedoch zusammen und deuten bereits an, dass in der ewigen Stadt die Scheiße wie überall auf der Welt zunächst zwar nach unten fließt. Allerdings bildet sich ein massiver Rückstau, der zum unkontrollierbaren Selbstläufer wird. Im Stil des klugen, vielschichtigen Genrekinos z.B. eines Damiano Damiani (Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert) gibt es keinen verklärenden, glorifizierenden Mafia- und Gangsterchic, nur erbarmungslosen, von Tristesse gezeichneten Realismus. Es gibt keine klaren Hauptfiguren, keine Main- oder Sideplots, dafür ist es zu sehr miteinander verknüpft und wird trotzdem nicht unübersichtlich. Zumindest nicht für den Zuschauer, der den Luxus genießt jederzeit den Überblick behalten zu können, den keiner der Charaktere jemals besitzen wird. Ihre Welten liegen eigentlich viel zu weit auseinander, meinen sie zumindest. Manche laufen sich nie über den Weg und dennoch hat ihr Handeln beinah unmittelbaren Einfluss auf ihr gegenseitiges Schicksal. [...]

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