kobbi88 - Kommentare

Alle Kommentare von kobbi88

  • 6

    Während Anwalt Henry Altman (Robin Williams), ein cholerisches Arschloch, in seinem Auto mitten auf einer Kreuzung von einem Taxi gerammt wird, hat auch die junge Ärztin Sharon Gill (Mila Kunis) einen Tag zum vergessen. Nicht nur, dass sie von der deprimierenden Realität im Arztberuf eingeholt wurde, auch ihre Katze wurde zur Kamikatze und stürzte sich aus dem Fenster in den Tod. Das war zu viel für sie und als Altman vor ihr in der Praxis stand und sie auch noch beschimpfte, gab sie ihm mit seinem Aneurysma einfach die Prognose, er habe nur noch 90 Minuten zu leben. Schockiert von dieser Nachricht setzt bei Altman ein Sinneswandel ein und er stürzt sich Hals über Kopf durch New York, um in dieser Zeit seine wieder gut zu machen, während Dr. Gill ihren Patienten unbedingt wieder finden will.

    Zugegeben, wer glaubt schon diese abstruse Ausgangssituation. Noch 90 Minuten zu leben, ja klar. Aber interessant ist es schon. Es ist interessant zu sehen, wie ein Mensch darauf reagieren könnte, wenn er mit seinem eigenen, baldigen Tod konfrontiert wird. Wie dieser Mann versucht, wieder ins Reine mit sich und der Welt zu kommen. Und es ist interessant, wie eine junge Frau verzweifelt versucht, ihre eigenen Fehler wieder glatt zu bügeln, ein Fehler, wie er jedem mal vorkommen kann und wie er nur menschlich ist, der aber dennoch schlimme Folgen haben könnte. Interessant ist auch, wie sehr ein Trailer mal wieder täuschen kann. Was wie eine typische Komödie erschien, ist in Wirklichkeit vor allem ein Drama, in dem ein Mann sich, erzwungenermaßen, mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt. Er überdenkt sein Leben, will mit seiner Familie wieder ins Reine kommen und die bisherigen Schicksalsschläge verarbeiten. Natürlich ist auch Humor mit von der Partie, sonst wäre es wohl kein Robin Williams-Film, aber der kommt hier eher nebenbei und nicht so brachial, wie man es besonders aus den letzten Jahren kannte.

    Robin Williams zeigt in seinem letzten Film, der zu seinen Lebzeiten erschienen ist, dass er ein außerordentlich guter Schauspieler war. Zwar konnte er hier nicht mehr an seine ganz große Zeit in den 80er und 90er-Jahren anknüpfen, aber in seinen guten Minuten spitzt dieses Talent noch immer durch. Besonders schön ist der plötzliche Wechsel zwischen traurigem, gebrochenen Mann und streitsüchtigem Unsympathen anzusehen, der dieses Talent besonders gut zur Geltung bringt. Mila Kunis wirkt sehr sympathisch in diesem Film und zeigt auch einmal mehr ihr komödiantisches Talent, genauso wie Peter Dinklage als Henrys Bruder und Melissa Leo als Henrys Ehefrau. In Rückblenden bekommen wir immer mehr die Geschichte von Henry Altman geliefert, was er zu verarbeiten hat, was ihn bedrückt und warum er so geworden ist, wie er ist. Dazu geben Williams und Kunis als Off-Erzähler wichtige Hintergrundinformationen, die zum tieferen Verständnis für die Figuren beitragen. Die Tiefe ist es aber auch, die generell diesem Film ein wenig fehlt. Die Thematik um Leben und Sterben kratzt maximal an der Oberfläche und setzt sich auch nur auf diesem Level damit auseinander.

    Zwar ist „The Angriest Man in Brooklyn“ zwölf Jahre nach Phil Alden Robinsons letztem Film erneut nicht der große Wurf geworden, der er vielleicht hätte werden können, aber er ist eine tragisch-schöne Geschichte, die einen zu Tränen rühren kann. Gerade, wenn man die Geschichte um Williams und seinen Tod kennt. In einer der zentralen und emotionalsten Szenen des Films wird man, zumindest wenn man ein wenig Sympathien für Mr. Williams hegt, die Tränen kaum noch unterdrücken können. Und man wünscht sich, er hätte auch im echten Leben eine Mila Kunis gehabt.

    21
    • Der Balder? Der sagt eher "Mit den Dritten kaut man besser" :)
      Tolle Liste, König Blubber :D

      3
      • Auch nicht schlecht, anstatt jeden Tag ne neue Nachricht zu Star Wars rauszufeuern, bleibt der Artikel mit dem Trailer einfach ne Woche lang hier stehen. Kann man machen^^

        4
        • 4

          Sehr geehrter Mr. Malick, lieber Terrence,

          ich schreibe Ihnen heute und hier, weil ich Ihnen sagen will, dass es mir Leid tut. Nicht, weil ich Ihre Filme plötzlich anders bewerten würde als zuvor, nicht weil mir „The Tree of Life“ die Augen geöffnet hätte. Nein, vielmehr tut es mir Leid, weil ich schon wieder auf den Irrglauben reingefallen bin, dass ich einen Film von Ihnen mögen könnte. Immer wieder gab es Empfehlungen, dieser Film sei fantastisch und ich solle ihn doch nur mal ausprobieren. Manch einer war nur gespannt, was ich dazu sagen würde, nachdem ich zwei Filme von Ihnen bereits, gelinde gesagt, nicht wirklich mochte. Dabei wünschte ich es mir doch so sehr. Wer will schon Filme mit Absicht nicht mögen?

          Eigentlich hätten mir ja meine Erfahrungen mit „The New World“ und „Der schmale Grat“ eine Lehre sein müssen. Aber ich habe es wieder getan. Natürlich bin ich selbst schuld, aber ich hatte trotzdem die Hoffnung, dass mich vielleicht ja Ihr preisgekrönter Film „The Tree of Life“ irgendwie packen könnte. Stattdessen war aber alles noch schlimmer, als ich es je erwarten konnte. Ich will hier gar nicht auf alle (subjektiven) Mängel detailliert eingehen, dafür reicht mein Briefpapier auch gar nicht weiter aus. Aber ein paar Punkte muss ich dann doch ansprechen, damit Sie verstehen, was mir so sehr missfällt.

          Zum einen sind es die unerträglich pathetischen Off-Kommentare, die Dinge erzählen, fast schon predigen, die nicht wirklich zum Bild passen wollen. Sie wirken mir zu konstruiert, zu aufgesetzt. Es ist ja schön und gut, dass Sie die Welt von ihrer philosophisch-religiösen Sichtweise überzeugen oder diese wenigstens mitteilen wollen. Es ist ja niemand verpflichtet, dies auch zu übernehmen. Aber diese geschwurbelten Sätze über, einmal mehr, völlig unpassende Bilder zu legen, das verstehe ich einfach nicht. Es mag sein, dass ich hier zu sehr in der einerseits kognitiven, andererseits emotionalen Ebene verankert bin, dennoch will es einfach in meinen Kopf nicht hinein, wie man einen Text, der eher für ein philosophisches Fachbuch gemacht sein könnte, als angemessen für einen Film ansehen kann. Unabhängig davon sind natürlich einige dieser Fragen (überhaupt: sehr viel wird in Frageform geäußert) vielleicht interessant (was ja nicht heißt, dass sie richtig sind), nur passen sie halt, einmal mehr, nicht zum Gezeigten und vor allem werden sie sehr zäh gestellt.

          Weiterhin ist es das Vorspielen einer Bedeutsamkeit, die Sie immer wieder implizieren, die aber nie zu sehen und, das finde ich viel tragischer, auch nie zu spüren ist. Viel zu lange Blicke der Darsteller ins Nichts, manchmal mit, manchmal ohne Worte unterlegt. Diese Blicke scheinen auszusagen, dass sie mehr sind, als nur Blicke. Aber jedes Mal werde ich wieder enttäuscht und es entpuppt sich als fauler Zauber, um den Zuschauer bei der Stange zu halten und die zu langen Blicke bleiben nichts weiter als zu lange Blicke. Und dafür dann solch große Schauspieler wie Jessica Chastain, Brad Pitt und Sean Penn zu verschleudern, das ist eigentlich noch ein wenig trauriger. Immerhin sollten Pitt und Chastain noch ein wenig mehr Möglichkeiten erhalten, ihr Können zu zeigen. Penn hingegen war einfach überflüssig, so traurig das auch klingen mag.

          Drittens, aufbauend auf dem letzten Punkt, geht es um die unerträgliche Langsamkeit des Seins. Sie scheinen einen neuen Rekord aufstellen zu wollen. Den Rekord, möglichst viel Zeit verstreichen zu lassen, ohne dass etwas passiert, weder in den Bildern, noch in ihrer „Geschichte“ oder den Charakteren. Es herrscht absoluter Stillstand und von Entwicklung kann ich leider nur wenig erkennen. Zudem gibt es viele Szenen, die einfach nur als „Pausenfüller“ erscheinen (was ja auch schon in „Der schmale Grat“ den Film um gut 30 Minuten aufgebläht hat). Merkwürdigerweise werden diese Szenen ebenfalls als bedeutungsvoll missinterpretiert, getreu dem Motto: „Ist von Terrence Malick, muss ja was bedeuten“. Dass Sie keine Geschichten erzählen können, das ist Ihnen ja wahrscheinlich selbst mittlerweile bekannt. Aber im Gegensatz zu meinen sonstigen Aussagen, rate ich Ihnen heute, ihren Enkeln doch Geschichten zu erzählen. Als Gute Nacht-, nein, eher als Einschlaf-Geschichte, da dürfte es äußerst wirkungsvoll sein. Sie werden sehen, Ihre Enkel werden schlafen wie ein Stein.

          Nachfolgend werde ich aus Platzgründen einige weitere Elemente nur kurz aufzählen, die ich merkwürdig fand. Da wäre die katastrophale Schnittfolge Ihres Films, die mir nie wirklich gefallen hat. Die preisgekrönte Kamera kann ich ebenfalls über weite Strecken nicht nachvollziehen. Lediglich in der Mitte Ihres Films konnte Emmanuel Lubezki zeigen, was in ihm steckt, da ist sie auch phasenweise wirklich gut. Ansonsten war da viel Anstrengung und selten Schönheit dabei. Die musikalische Untermalung, die mit ihrem Windrauschen im Bürogebäude nur die Spitze des Eisbergs darstellt und ansonsten eine unheimlich über hoffnungs- bis (wieder einmal) bedeutungsvoll wirkende Musik enthält, passt ebenfalls überhaupt nicht zu den gezeigten unzusammenhängenden Bildern. Allerdings muss ich hier auch sagen, dass die Musik als Einzelmusik tatsächlich herausragend ist. Die Melodien, die Alexandre Desplat und Zbigniew Preisner („Lacrimosa“) hier verwenden (ich weiß nicht, ob sie tatsächlich alles selbst geschrieben haben), sind wunderschön und damit haben sich die Komponisten hier wahrlich selbst übertroffen. Was diese traumhaft schöne Musik aber in Ihrem Film zu suchen hat, das verstehe wer will. Würde hundertmal besser zu anderen Filmen passen, finden Sie nicht auch?

          Nun will ich noch diese tricktechnische Sequenz ansprechen. Erst mal muss ich sagen: Optisch ist sie tatsächlich gut gemacht, sehr angenehm zu betrachten und nicht so nervig wie beispielsweise in „2001“ (gut, schiefer Vergleich). Aber Sinn sehe ich hier leider überhaupt keinen. Natürlich, Entstehung der Welt in Ihrer Sicht, mit Urknall, Quallen, Dinosauriern und vielem mehr. Aber erstens: warum denn so lang(sam)? Und zweitens: Warum überhaupt? Einen Zusammenhang zwischen dieser langen Sequenz und der Familiengeschichte kann man sich zwar zusammenkonstruieren, sinnvoll erscheint das in meinen Augen allerdings nicht. Und ja, für mich ist Sinn schon etwas Wichtiges. Sinn in Bezug auf den Film und seine Darstellung. Und der ist für mich nicht vorhanden. Letztlich bleibt diese ganze Sequenz für mich lediglich ein Bildschirmschoner. Ein ausgesprochen schöner zwar, keine Frage. Aber eben doch ein Bildschirmschoner.

          Doch da war auch ein kleiner Lichtblick. Die Familiengeschichte um den jungen Jack. Die leidet zwar auch immer wieder unter Ihren pathetischen und manchmal aufgesetzten Inszenierungskatastrophen, unter einer Bedeutungsvorgauklung, die auch hier mit ihrer Langsamkeit, den merkwürdigen Pausen usw. für mich manchmal unerträglich ist, aber manchmal blitzt da wirklich so etwas wie Emotionalität auf, wie wirkliche Schönheit, wie Stimmigkeit. Erzählen können Sie zwar auch da nicht, sondern stellen auch weiterhin nur einzelne Fragmente in der Geschichte des jungen Jack dar, aber Sie finden immer wieder ein harmonisches Miteinander aus Musik, Bildern, Text, Schauspiel und Emotionen. Nicht immer, das nicht, aber doch oft genug, um zu zeigen, dass sie es doch können. Da kann man auch einigermaßen verzeihen, dass sie ihre Predigt auch hier nicht lassen können.

          Zusammengefasst: Während Ihr Rahmen des Films also tatsächlich ein meiner Meinung nach ein hassenswertes Beispiel ist, wie man auf keinen Fall einen Film machen darf, so zeigen Sie mit der Familiengeschichte, dass sie es zumindest ansatzweise können. Zwar lösen Sie sich auch weiterhin nicht von den Ihnen eigenen und von manch einem als „Kunst“ oder „Philosophie“ abgefeierten Phrasen, einem übertriebenen (negativen?) Pathos und ihrer Aufgesetztheit, aber sie schaffen es wenigstens, immer wieder Emotionen zu wecken und auch ein stimmiges Gesamtbild zu kreieren. Leider nicht konsequent genug und auch nicht fortlaufend, aber immerhin.

          Lieber Terrence, ich wäre über eine Stellungnahme sehr erfreut. Falls Sie mich nicht davon überzeugen können, dass Ihre weiteren Filme völlig anders sind als „The Tree of Life“ oder die beiden anderen genannten Filme, falls sie mir sagen, dass die Familiengeschichte nur ein (ungewollter) Ausrutscher war, dann werde ich wohl oder übel davon Abstand nehmen müssen, weitere Filme von Ihnen anzusehen. Dann muss ich nämlich festhalten, dass mir Ihre komplette Art, einen Film zu machen, weder tolle Einsichten in ein von Ihnen gewähltes Thema gibt, noch einen unterhaltsamen oder ergreifenden Filmeabend beschert. Sie ödet mich an und lässt mich, vor allem dank Off-Kommentar und Zusammenhanglosigkeit, meist sogar genervt, gelangweilt und verärgert zurück.

          Natürlich fände ich es durchaus schade, wenn ich keinen Film mehr von Ihnen sehen könnte, immerhin werden diese überwiegend gelobt. Und ich gönne es jedem, der Ihre Filme genau so mag, wie sie sind. Doch nach all den Enttäuschungen sehe ich dann für mich keine andere Möglichkeit mehr, als dass dies der letzte Film war, den ich von Ihnen gesehen habe. Bis dahin verbleibe ich mit einem kleinen Fünkchen Hoffnung auf Besserung.

          Mit freundlichen Grüßen,

          Kobbi (Kein Fanboy)

          34
          • 1
            • Die Don Camillo-Filme :) Alle Jahre wieder :) Und Ostern nochmal :D

              3
              • Also, dieses Kinoerlebnis (das zweite), echt klasse :) Hab mir das bildlich vorstellen müssen :D Ha, Lachflash :D

                4
                • Wer diesen Film noch nicht gesehen hat: Ansehen, ansehen ansehen. Einen solch spannenden Film gibt es nicht oft, dazu ne große Portion Witz und dann auch noch so perfekt ineinander verbaut.

                  Wer da heute nicht kuckt, der ist selbst schuld.

                  7
                  • 10

                    Im Rahmen der 2014er Version des Adventswichtelns hab ich einen neuen Freund gefunden. Sein Name? Vitellone. Ein netter Kerl, den ich zwar noch nicht sonderlich gut kenne, was ich aber schon bald ändern werde. Das Eis will ich brechen mit einem kleinen Geschenk, einem Kommentar zu einem Film, den er sich ausgesucht hat. "Inglourious Basterds". Ganz nebenbei einer meiner Lieblingsfilme.
                    Also, einen schönen ersten Advent und ich hoffe, der Kommentar gefällt dir.

                    PS: Danke für den schönen Kommentar zu "M" :)

                    ****************************

                    Mit „Inglourious Basterds“ ist Quentin Tarantino ein Western gelungen, wie er selten gedreht wurde. Ein Western? Ja, ein Western. In dem kommen zwar weder Cowboys, noch der Wilde Westen oder Indianer vor (fast zumindest), aber alles, von der Musik bis zu den typischen Motiven und Figurenkonstellationen, erinnert an einen Western, ironischerweise sogar mehr als „Django Unchained“ einige Jahre später. Ein Western in Soldatenuniform. In Frankreich. Im zweiten Weltkrieg. Das muss man erst mal hinkriegen und so mancher Regisseur wäre hierbei wohl ziemlich auf die Nase gefallen, aber nicht Quentin Tarantino. Aber er belässt es ja nicht dabei, einen Western zu inszenieren, sondern er leistet mit seinem Film auch weitere herausragende Dinge.

                    Das, was er macht, ist die pure Kreativität. Kreativität in Reinform, die Tarantino hier geschickt umsetzt. Er nimmt sich ein reales Ereignis als Rahmen, in das er aber eine fiktive Geschichte einbaut. Bis hierher noch keine allzu große Leistung, sollte man meinen, doch schafft es Tarantino, den Eindruck zu erwecken, dass diese fiktive Geschichte tatsächlich so passiert ist. Immer wieder beachtet er reale Ereignisse, nur um dann doch etwas völlig anderes zu erzählen. Dies ist wahre Fantasie, wahre Kreativität – Realität und Fiktion so zu verbinden, dass man die Unterschiede nicht mehr erkennt und vor allem, dass diese Verbindung absolut sinnvoll erscheint, egal wie abgedreht sie ist. Wie er das dann füllt, das steht ihm frei, aber meiner Meinung nach ist es einfach kreativer, etwas in bestehende Verhältnisse einzubauen als etwas völlig eigenes zu erschaffen. Diese Form der Kreativität wird zwar in vielen Filmen immer wieder angebahnt, jedoch selten in einer solchen Perfektion umgesetzt, wie es Tarantino machte. Wie leicht hätte er sich verheben können, wie leicht hätte er, wie es ihm auch in „Django Unchained“ passierte, ein wenig den inneren Realismus verlieren können. Aber die überzeichneten Szenen halten sich dabei im Gegensatz zu seinem aktuellen Film zum Glück so sehr in Grenzen, dass sie der Plausibilität seines Filmes zu keiner Zeit etwas anhaben können. Hier das richtige Verhältnis zwischen Realität, Fiktion und seinem individuellen Stil zu finden, das zeigt auch, wie groß QT als Regisseur tatsächlich ist.

                    Dass ein Film funktioniert liegt aber auch immer an den Darstellern, hier allen voran Christoph Waltz. Er ist tatsächlich das pechschwarze Herzstück des Films. Mit seinem kalten Lächeln und seiner charmante Art macht er das Böse, das er wie kein zweiter verkörpert, noch grausamer, indem ihm das Kunststück gelingt, dass der Zuschauer nicht mehr weiß, ob er den fiesen Kerl nun hassen oder lieben soll. Hier zeigt Tarantino durch Waltz ganz nebenbei auf, wie leicht wir doch alle manipulierbar sind. Man muss aber auch konstatieren, dass der Film nicht nur aus Waltz besteht, sondern mit dem genialen Brad Pitt, der bezaubernd rachsüchtigen Melanie Laurent, dem sympathischen Daniel Brühl, dem witzigen Michael Fassbender und der überraschend guten Diane Krüger einen traumhaft spielenden Cast versammelt hat. Über die vielen deutschen Darsteller kann ich mich jedes Mal aufs Neue freuen und sogar Till Schweiger wurde ideal eingesetzt. Meist schweigend, manchmal grummelnd, wenig echte Handlung und sobald er mehr als einen Satz spricht, wird er (zur Strafe?) erschossen. Perfekt!

                    Die Musik wirkt dreckig und doch so melodiös, dass sie den Film stellenweise zu einer Art Trashoper-Aufführung werden lässt, ohne dass die Musik wirklich im Zentrum steht. Perfekte Untermalung eben. Hier steht nämlich immer noch die Geschichte. Und das kann er, der Quentin. Geschichten erzählen. Die Erzählweise ist durch verschiedene Episoden zunächst in einzelne Handlungsstränge aufgeteilt, die sich zum Ende hin miteinander verknüpfen und damit auch verdichten, weiterhin natürlich stets unter Beachtung des Realismus in seinem Filmkosmos. Interessant ist auch, dass einige Zuschauer hier eine große Satire sehen. Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen. Ich glaube kaum, dass es Tarantino darum ging, auf irgendetwas aufmerksam zu machen oder gar Satire oder Parodie zu betreiben. Dann wäre der Film deutlich zu plump und dass er so etwas besser umsetzen könnte (wenn er denn gewollt hätte), das hat er ja schon mehrmals bewiesen.

                    Wobei, so ganz ohne Botschaft ist der Film dann doch nicht, denn eine Sache ist schon sehr auffällig: Die Liebe zum Kino. Natürlich, die ist ja immer in QTs Filmen zu spüren, doch diesmal belässt es der Kultregisseur nicht etwa bei einfachen Zitaten, Anspielungen oder der Nennung des ein- oder anderen Klassikers. Nein, er bringt das Kino selbst in seinen Film hinein und macht es zu einem weiteren, vielleicht DEM Darsteller des Films. Das Kino ist der Ort, an dem sich alles entscheidet, Ort der Hoffnung für die einen, Ort des Verderbens für die anderen. Kino ist der Ort der Leidenschaft, Ort des Widerstands, Ort der finalen Entscheidung und auch der Ort, der vieles erst ins Rollen bringt. Eine Hommage an das Kino, die so offensichtlich ist, dass sie manchmal schon übersehen wird.

                    „Inglourious Basterds“ zeigt gerade mit seiner unglaublichen Kreativität und der unbeschwerten Vielschichtigkeit, dass es Quentin Tarantino noch immer kann, Filme zu erschaffen, die im Filmolymp einen Platz auf der obersten Stufe erreichen und sich neben „Reservoir Dogs“ und „Pulp Fiction“ niederlassen können.

                    33
                    • Jarmuuuuuuusch <3 Da warten noch einige große :) Freu dich! Jetzt, sofort :D

                      Übrigens würde ich gerne das Rätsel lösen, aber ich komm nicht drauf, welcHER Film das sein könnte ;)

                      1
                      • Alles echt tolle Sprecher. Deine Ladys würden auch in meine Top Ten kommen.
                        Ich mag außerdem vor allem die Stimmen von Simon Jäger und Florian Halm. Ansonsten... ey, es gibt sooo viele fantastische Sprecher, da würde ich mich schwer tun, ne Top Ten, wahrscheinlich auch ne Top 50 zu erstellen. Mann hat es einfach nicht leicht.

                        Veerdammt toller Kommentar. Und vor allem schön zu wissen, dass auch andere die grandiose Arbeit zu würdigen wissen.

                        3
                        • Ich bin wahrscheinlich mal wieder der einzige, der die Optik grauenhaft findet?

                          8
                          • Naja, in die Charts zu kommen ist heute gar nicht mal mehr so schwer, wenn man bedenkt, dass da in Deutschland zum Beispiel bereits ein paar tausend verkaufte Singles locker reichen...

                            Dennoch, sehr guter Ohrwurm, allerdings eher in Kombination mit den Bildern des Films wirkungsvoll.

                            3
                            • 6

                              Der Film beginnt mit einem Höhepunkt. Dem Höhepunkt. Einem lauten Orgasmus, so emotional und von wahrer Glückseligkeit erfüllt, dass keiner auch nur daran zweifeln könnte, dass es im kleinen Fischerstädtchen Tickle Head auf einer kleinen Insel an der kanadischen Küste nicht idyllisch sein könnte. Ein kleines Dorf, das mit seinen rauen Felsen, der steinigen Küste, den urigen Häuschen und seiner frischen Natur einen einfachen aber doch paradiesischen Charme behalten soll. Doch so ein Orgasmus hält nicht ewig. Ist das letzte kleine Stöhnen erst mal verklungen, befinden wir uns auch schon in der grauen Realität. Der Hafen? Verfallen. Die Natur? Verwildert. Die Bewohner? Größtenteils arbeitslos, nachdem die große Zeit der Fischerei vorbei ist. Sie halten sich mit kleineren Betrügereien über Wasser, leben von der Stütze und flüchten sich in einen lakonischen und selbstgefälligen Trotz.

                              Doch da keimt Hoffnung auf, in Form eines Ölunternehmens, das eine Fabrik in Tickle Head bauen will. Allerdings stellt der Konzern Bedingungen, allen voran soll ein Arzt ins 120 Seelen-Dorf ziehen. Doch welcher Arzt hat schon Lust, in ein solch kleines Kaff zu ziehen? Eben. Also müssen sich die Bewohner um ihren Dorfvorstand Murray (Brendan Gleeson) etwas einfallen lassen. Mit einem Trick holen sie einen jungen Großstadtarzt (Taylor Kitsch) zu sich und versuchen, ihn mit allerlei Tricks und Lügen bei sich zu behalten. Die Überwachung seiner Privattelefonate ist da wohl noch das geringste Übel. Personell kann man dem Film nichts vorwerfen, im Gegenteil: Wahrscheinlich könnte niemand die Rolle des kauzigen, liebenswerten und umtriebigen Dorfvorstehers Murray besser spielen als Brendan Gleeson, der mit seinem wilden Bart und seiner grummeligen Art scheinbar sein ganzes Leben in diesem Städtchen verbracht hat und nie etwas anderes war. Taylor Kitsch, der den jungen Arzt spielt, passt mit seinem verwirrten Blick ebenfalls gut in sein Rolle. Überraschend, dass hier doch überwiegend auf die typischsten Klischees verzichtet wird.

                              Leider funktioniert der Humor des Films nicht immer und braucht einige Zeit, um richtig in Fahrt zu kommen. Man muss sich eben, genau wie der zugereiste Arzt, erst mal an die sehr eigene aber doch herzliche Art der Insulaner gewöhnen. Anders verhält es sich mit der Musik, die ein wenig an typisch irische Folk-Musik erinnert und sofort Freude versprüht. Sie vermittelt gleich dieses bodenständige und gut gelaunte Gefühl, das diesen Film im Grunde ausmacht. „Die große Versuchung“ ist ein typischer Feel-Good-Movie, dessen Story genau so bekannt wie vorhersehbar sein dürfte. Das englischsprachige kanadische Remake eines franko-kanadischen Films tut nicht weh, ist aber auch kein Film, der lange im Hinterkopf herumspuken wird. Man kann wunderbar abschalten und fühlt sich am Ende einfach gut. Fast so gut, wie beim Orgasmus, mit dem der Film eingeleitet wird.

                              14
                              • Schöne Liste :) Mir fallen spontan auch noch ein paar ein:

                                Paz Vega und Penelope Cruz
                                Liam Cunningham und Jean Reno
                                Morena Baccarin und Ashley Judd
                                Bruce Greenwood und Sam Neill

                                2
                                • 1
                                  • Hm, ich glaube irgendwie nicht, dass man auf den Hobbit setzen sollte, um das Kinojahr noch zu verbessern...
                                    Ich gebe dir nen Tipp: NIGHTCRAWLER :)

                                    1
                                    • TouchDown!!!! :D

                                      Das Angst-Mädel, das muss ja ein wahnsinnig geniales Kinoerlebnis gehabt haben. Irgendwie beneidenswert :D

                                      Und verdammt, "Her" noch immer nicht gesehen *verschämt auf den Boden kuck*

                                      3
                                      • Klingt ja fast so, als hättest du den Trailer zum neuen Ridley Scott-Film gesehen ;)
                                        Auf "Short Term 12" bin ich jetzt doch mal gespannt, hatte den gar nicht auf dem Radar

                                        1
                                        • Gone Girl war doch so toll <3

                                          Klingt aber wirklich nach einem insgesamt eher mauen Kinojahr für dich :/ Vielleicht wird ja nächstes besser (Inherent Vice!!)

                                          • Nur einmal im Kino, aber dann gleich die Velly treffen... wie klein die Welt doch ist :D

                                            6
                                            • 7

                                              Tumulte in und vor den Kinos, zahlreiche Tweets mit Bildern, auf denen junge Leute stolz drei ausgestreckte Finger präsentieren. Was der geneigte Filmfan sonst aus den „Die Tribute von Panem“-Verfilmungen kennt, das hat sich wie ein Feuer ausgebreitet. Zumindest in Thailand, wo zahlreiche Studenten mit diesem Zeichen ihren Protest gegen die dortige Militärregierung kundtun wollen. Die Reaktion? Verhaftungen und Verbannung des Films aus den Kinos. Und auch China reagierte und verschob den Filmstart auf unbestimmte Zeit. Nicht verwunderlich, wird doch in „Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 1“ eben jene gesellschaftliche Konstellation thematisiert, die die Machthaber in manchen Ländern fürchten. Es herrscht Revolution in Panem. Der Spotttölpel Katniss aus den ersten beiden Filmen wird zum Symbol einer nationalen Umsturzbewegung. Aus den Hunger-Spielen wird ein richtiger Krieg um die Freiheit der Bewohner Panems. Und genau wie die Figuren wirkt auch der Film erwachsener, politischer, reifer.

                                              Jennifer Lawrence zeigt einmal mehr, wie hervorragend sie als starke Frau einen Film tragen kann. In ihren Szenen dominiert sie das Geschehen und kann in den stärksten Momenten Gänsehaut beim Zuschauer erzeugen. Besonders das von ihr vielleicht nicht mit der besten Gesangsstimme intonierte aber dafür umso emotionalere Lied „The Hanging Tree“ hinterlässt bleibenden Eindruck und macht den Zuschauer ziemlich betroffen. Gleichzeitig lässt sie ihren Kollegen genügend Freiraum, um auch eigene Akzente zu setzen. Die fast schon ansteckende Fröhlichkeit Philip Seymour Hoffmans ist hier zu allererst zu nennen, die bei seiner traurigen Geschichte eine umso größere Schwermut mit einfließen lässt, aber auch Elizabeth Banks in ihrer Paraderolle als Effie Trinket. Auf der anderen Seite haben bei der großen Menge an namhaften Darstellern nicht mehr alle die Möglichkeit, ihr volles Potential zu entfalten. Josh Hutcherson, Jeffrey Wright oder Natalie Dormer waren aufgrund zu geringer Screentime auch einfach nicht die Möglichkeiten gegeben, bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

                                              Leider merkt man dem Film immer wieder zu sehr an, dass er einfach nur ein Vorspiel für das große Finale markieren soll. Viele Konflikte und Geschichten werden weitergestrickt und ausgedehnt, die im letzten Panem-Teil dann in einem (hoffentlich) großen Finale einen würdigen Abschluss erhalten. Hier sind die Macher aber noch nicht so weit und versuchen über zahlreiche Gespräche die Spannung irgendwie aufrecht zu erhalten, was aber nicht immer gelingt. Einiges wiederholt sich oder wird ziemlich breit getreten, zum Glück aber nie so sehr, dass der Zuschauer das Interesse verliert. Im Gegenteil, er wirft ihm immer wieder ein weiteres Puzzleteilchen hin, die der Zuschauer dann dankend aufnehmen kann. Seine Stärken hat dieser Film darum auch immer dann, wenn, um es einmal ganz pauschal auszudrücken, Katniss in Bewegung ist, entweder körperlich oder zumindest emotional. Besonders die Actionszenen sind, trotz nicht geringem CGI-Einsatz, äußerst sehenswert geworden und dürften ein Highlight des Films sein, was auch an der tollen Kameraführung liegt, die ein perfektes Verhältnis aus ruhigen Aufnahmen und der im ersten Teil im Übermaß eingesetzten Wackelkamera gefunden hat.

                                              Die großen, bombastischen Bilder wurden in diesem Teil im Vergleich zum äußerst starken Vorgänger ein wenig zurückgeschraubt, was auch daran liegt, dass sich vieles im unterirdischen District 13 abspielt, einem streng geführten, ein wenig an den Sozialismus erinnernden Arbeiterstaat, der den Widerstand gegen die kapitalistische und auch teilweise faschistisch wirkende Oberschicht im Capitol organisiert. Dass dabei beide Seiten mit fragwürdigen Mitteln kämpfen, macht den Film umso interessanter und lässt sich nicht mehr auf eine einfache schwarz-weiß-Sicht herunterbrechen. Die Botschaft, die der Film dabei vermittelt, ist dabei aber dennoch genau so klar wie in den Vorgängerfilmen und hat sich im Grunde auch nicht weiter verändert. Vielleicht macht er es sich auch ein Stück zu einfach, wenn er sagt, man solle sich eben nicht alles gefallen lassen und für eine bessere, gerechtere Welt kämpfen. Aber er scheint ja dennoch zu wirken. Manchmal sind es eben doch die einfachen Botschaften, die die Massen bewegen können. Wie in Thailand.

                                              19
                                              • Hui, feine Antworten, Lydilein :) Wir haben da ja scheinbar einen seeeeeeehr ähnlichen Geschmack :)

                                                1
                                                • Heist-Film? Gerne. Aber McQueen sollte aufpassen, doch wieder an das Niveau von "Hunger" und "Shame" ranzukommen, "12 Years a Slave" war dann doch ein Stückchen schwächer, leider.

                                                  3
                                                  • Nichts gegen den Kommentar (Glückwunsch :) ), gerade weil er ja auch über Kunstformen generell spricht, aber sollte der MOVIEPILOT-Kommentar der Woche nicht auch ein Kommentar von der MOVIEPILOT-Website sein? Was spricht denn dagegen, auf GAMESPILOT selbst einen Kommentar der Woche zu küren?

                                                    7