lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

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    „Vielleicht ist wieder ein Baum umgestürzt!“
    Oder ein Sack Reis in China…
    Ohrclipkameras, GPS, Navigationsgeräte, Walkie-Talkies, eine Drohnenkamera. Willkommen im Blair-Witch-Project 2.0. Mit High-Tech-Geräten auf der Suche nach dem verkulteten Hexen-Mythos, mit arroganter Verstädterung den ländlichen Aberglauben auslachen. Moderne vs. VHS-Retro. Adam Wingard, eine der neuen Hoffnungen des Horrorfilms, will die ausgelutschten Mittel des Found Footage-Films nicht dekonstruieren oder ironisieren (so wie er es bei seinen anderen Filmen mit Genres gerne macht) sondern sie hyperaktiv bedienen. So gibt es statt Speichelfäden im Gegenlicht grobe Bratwurst am Lagerfeuer. Denn hier wackelt nicht nur der Schwanz des Kamerawackeldackels, nein er beißt in ihn selbst rein. Nach dem der Zuschauer 60 Minuten durch den Wald mit 6 uninteressanten Deppen laufen muss, die im Prinzip dasselbe erleben wie im Original, nur das sie von aggressiven Soundeffekten und billigen Jumpcares gequält werden, wird das Haus im Wald betreten. Hier bedeutet Terror dann Verdichtung und planloses (aber wirkungsvolles) holzen auf Trommelfell, Augen und Nerven. Found Footage-Horror als hysterische Geisterbahn. Das hat am Ende durchaus Drive, ist aber für den gehypten Horror-Meister Wingard letztlich nur Dienst nach Vorschrift. Schade ich habe irgendwie etwas mehr Selbstreflektion und Kreativität erwartet.
    5-mal aus Anstand ziemlich weit weg zum Pinkeln gehen…

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    • 5 .5
      lieber_tee 30.12.2016, 10:56 Geändert 03.01.2017, 03:50

      Ein Buch zu lesen kann dazu führen, dass sein Inhalt mit einem persönlich zu tun hat. Jedes Umblättern wird zu einer Reise in sich selbst. Der High-Concept-Thriller „Nocturnal Animals“ greift dieses Motiv auf und verbindet zwei bzw. drei Geschichten zu einer (Rache-) Geschichte.
      Mit spürbar hohen Ambitionen trifft hier die stilisierte Oberschicht-Melodramatik einer frustrierten Ehefrau auf den texanischen White-Trash-Terror. Oder leicht misogyne Frauendarstellung trifft auf die Dekonstruktion des klassischen männlichen Rollenbildes. Die Gegenüberstellung zweier extrem dargestellter Perspektiven, ob Charaktere oder Genre, in unterschiedlichen Erzählformen verankert, ist hier nur formal gegensätzlich, sie symbolisieren inhaltlich das jeweilige Leid, den Verlust, den Konflikt der handelnden Personen.
      So verbindet sich die klischeehafte Pulp-Geschichte im Rape-and-Revenge-Film-Modus mit einen ebenso klischeehaften Beziehungsfilm, zu einem Schuld und Sühne-Drama. Während die Thriller-Geschichte effektiv, emotional und grimmig erzählt wird, ist der Film gegenüber der Leserin seltsam kühl und distanziert. Ob dies bewusst so gewählt ist bleibt fraglich, ein einfühlsames Mitleiden bei der Protagonisten ist wenig spürbar, während der Anti-Held der trivialen Genregeschichte weitaus differenzierter (nicht nur in seinem Männlichkeitsbild) wirkt, sein Schmerz und Verlust ist intensiver. Oder anders formuliert, die überwältigende Kraft von literarischen Emotionen auf die Vergangenheitsbewältigung der Protagonistin bleibt nur ein erzählerischer Kniff, gefühlt habe ich das keine Sekunde lang.
      Das Meta-Konzept, mit seinen fragmentarischen Rückblenden und Verschachtelungen, ist ein intellektuelles Spiel über die Bandbreite erzählerischer Ebenen, kein empathisches. Hier leiden schöne Menschen in einer schön gestalteten Umgebung schön vor sich hin. Nun könnte dieses Vexierspiel auch als eine sanfte Satire auf Oberflächlichkeit gesehen werden. Als ein bewusstes Spiel mit Klischees und Selbstwahrnehmung. Vielleicht sogar als ein Diskurs über Kunst und Leben. Wenn das so ist, dann bleibt der Film aber in seinen provokativ-berauschenden Bildern stecken.
      Ein leerer Film über die Leere bleibt immer hohl, egal wie viele erzählerische Mätzchen angewandt werden, und erzeugt bei mir nur Gleichgültigkeit.
      5,5 nackte, fettleibige Frauen, die vertrashte Gefühle tanzen.

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      • 4
        lieber_tee 29.12.2016, 16:57 Geändert 06.01.2017, 01:02

        "Action-Gülle" mit Murray, Souli und Tee #17
        Die Formel für „Riot“ ist doof und einfach: Ein Ex-Polizeibeamter lässt sich gezielt verhaften, um in das Gefängnis zu kommen, wo der russischer Mafiaboss dekadent haust, der seine Frau ermordet hat. In diese klischeehafte Grund-Story werden noch zwei banale Subplots verflochten.
        Der B-Film bietet nichts Neues, ist nie originell, geschweige denn clever. Die Handlung ist funktional, das ganze Szenario reduziert, die Gewaltdarstellungen überraschend harmlos, Sleaze gibt es gar nicht und die Kampfchoreographie (offensichtlich von JOHN WICK und THE RAID beeinflusst) wirkt geerdet.
        Dolph Lundgrens Gesicht füllt etwa 80% das Cover aber nur 20% des Films aus. Matthew Reese und Danielle Chuchran (hot!) haben ordentlich die Hanteln gestemmt, können mit ihren durch-trainierten Oberkörpern kräftige Handkantenschlag-Massagen verabreichen.
        Kurzer und stumpfer Knast-Klopper, irgendwie ok, aber bereits nach 10 Minuten vergessen.
        4-mal nach der Reihe angreifen.
        http://www.moviepilot.de/liste/action-schrott-murray-lieber_tee-und-soulreaver-auf-der-suche-nach-mannlichkeit-murray

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        • 5 .5
          lieber_tee 28.12.2016, 11:30 Geändert 28.12.2016, 15:50

          Smart, zunehmend nervös und schnittig sichergestellter Ensemble-Thriller, der die typischen Genre-Ängste vor künstlicher Intelligenz und frühreifen Kindern mit einer Prise weiblicher, psycho-sexueller Dynamik anreichert.
          Leider verliert der Streifen im zweiten Teil sein philosophisch angehauchtes Science-Fiction-Konzept aus den Augen, traut nicht der Intellektualität seines Publikums und ordnet es Knochen- knirschender Gewalt unter. Die Frage, was ist Menschlichkeit, findet keine Fundierung bei den Figuren. Da kann noch so effektiv der Spannungsgenerator arbeiten, der Film zerfällt spätestens am Ende zu einer räudigen Räuberpistole mit einem Hoodie-Hybridwesen das Amok läuft.
          Was schade ist, denn Regisseur Luke Scott hatte hier Material, das danach schreit ähnliche emotionale Betrachtungen auf KI, wie sie Papa Ridley (der mit-produziert hat) gewagt hat, zu generieren (sogar eine Hommage an den Voight-Kampff-Test vom Blade-Runner ist vorhanden) und er hatte eine Vorlage, die auf der schwarzen Liste der besten nicht produzierten Drehbücher stand. Außerdem versprechen der Cast und die technische Seite hohes Niveau.
          Ist das unprofessionelle Beziehungskonstrukt im Labor zunächst durchaus interessant und komplex (offensichtlich an „Ex Machina" und „Splice“ angelehnt), so mündet dann alles „nur“ in einen vorhersagbaren B-Reißer, mit der üblichen "Frankensteins Monster"-Gewaltspirale. Die durchaus vorhandene Mehrdeutigkeit kommt nie an die Oberfläche.
          5,5 Parameter einer Existenz.

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          • 5 .5
            lieber_tee 27.12.2016, 12:10 Geändert 27.12.2016, 22:30
            über Telefon

            "Telefon" übernimmt die zentrale Idee von "The Manchurian Candidate". Stillgelegte, russische Agenten in den USA bekommen von einem abtrünnigen Stalin-Hardliner Gedichts-Anweisungen, damit sie Terroranschläge verüben, da sie vor Jahrzehnten durch Drogen-indizierter Hypnose zu willenlosen Befehlsempfängern verändert wurden.
            Die krude Idee ist fest in das Szenario des kalten Krieges und der beginnenden 70er Jahre-Entspannungspolitik eingebunden, spiegelt die damalige Beziehung beider Machtblöcke in das Private. Die Paranoia vor einer kommunistischen Bedrohung ist in ein bürgerliches, pur-amerikanisches Szenario verordnet, die typischen Genre-Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen zunehmend. Die Geheimdienste arbeiten zusammen, ohne dass sie davon wissen. Ebenso kühl wie leicht auftauend ist die eher aufgesetzt wirkende Liebesgeschichte zwischen dem KGB-Agenten (Charles Bronson, der hier mit heiligen Ernst asexuell vor sich hin knurrt) und seine geile Kollegin, die oberflächlich zu viel lacht aber ebenso kalt wie ihr Partner ist. Das nüchterne, arg konstruierte Skript wird immer mit kleinen humoristischen Spitzen aufgetaut und von Regisseur Don Siegel routiniert, geerdet abgearbeitet, wie ein tickendes Laufwerk. Das ist dann alles verhaltend packend und schafft es im Tempo dem Begriff „Schläfer“ gerecht zu werden.
            5,5 menschliche Zeitbomben zünden.

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              lieber_tee 26.12.2016, 23:04 Geändert 29.12.2016, 03:19
              über Hacked

              „Privatsphäre ist kein Recht, es ist ein Privileg."
              Ein Luftfahrt-Mogul und sein IT-Berater geraten aus verletzten Stolz aneinander und tragen ihre Fehde erst virtuell dann im Wohnzimmer aus.
              „Hacked“ ist ein Film den ich mir wegen Pierce Brosnan (den mag ich) und wegen seiner technologischen Home-Invasion-Thematik angeschaut habe. Im Rahmen eines typischen Angst-vor-dem-Internet-Flicks funktioniert der Streifen tadellos. Er gehört zu diesen kleinen VOD-Filmchen, die gerne von der Kritik belächelt und verachtet werden. Ich fand „Hacked“ jetzt inhaltlich auch nicht sonderlich überzeugend, eher pragmatisch-geradlinig, allerdings in seinem Stil, dem altmodischen Bedrohung- und Rache-Thriller sein Tribut zu zollen, wirkungsvoll. Kaum eine Rezension berücksichtigt die teilweise famose Bild- und Ton-Montage, die wirkungsvolle Kameraarbeit und den exakten Schnitt. Am meisten (nicht unberechtigter Weise) wird die vorhersehbare Handlung verachtet, deren dicke Klischeehaftigkeit aber in anderen Blockbustern freundlich durchgewunken wird.
              Nun gut, mag sein das das Motiv Ältere-Menschen haben-Angst-vor-Technik und die altbackene Technologiekritik hier lächerliche Ausmaße annehmen. Ich habe den Streifen eher als stilvolles Remake von „Cape Fear“ wahrgenommen und da macht Regisseur Moore (ja, den mag auch niemand) und Brosnan (ja, der ist alt geworden) einen guten Job. Dieses Stalker-panische Subgenre bietet in der Grundstruktur eh wenig Freiraum, die Filme folgen im Prinzip alle dem gleichen Muster. Wer dem nichts abgewinnen kann, sich über die Hollywood-Karikatur eines Hackers aufregt und den moralischen Konflikt zwischen zwei schlicht dargestellten (privilegiert) Gut und (irre) Böse- Parteien (Standard-Grundstruktur eines Thrillers) doof findet, der meide den Film.
              Ich mochte den angespannten Tonfall, die kompromisslose Spirale der Gewalt und die handwerklich sehr ordentliche Arbeit. Und, hey, nicht jedes Film-Erlebnis muss ein First-class-Menü sein, manchmal reicht auch ein Burger von neben an.
              6-mal den Kabelsalat unter dem Schreibtisch aufräumen.

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              • 6 .5

                Kung Fu Down Under.
                Seltenes Beispiel wo Hongkong-Kampfkino auf australisches Expolitationkino trifft. Der damals angesagte Martial-Arts-Star Wang Yu prügelt sich als fernöstlicher James Bond, mit stoischen Nicht-Schauspiel, durch die urbane Kulisse von Sydney und durchs Outback. Das man ihm als Hühner-Brust-Bruce-Lee nicht den Womanizer abkauft ist egal, dafür tritt er ständig gezielt seinen Gegnern ins Gemächt und wird per spontaner Heilung von seinen Blessuren befreit. Mit Schwung und Humor aus der tiefer gelegenen Geschmacks-Hüfte, zu sau-geilen „Saft“-Score, kracht es im Karton. Karate-Kämpfe auf dem Uluṟu (Ayers-Rock), Auto-Hubschrauber-Verfolgungsjagd in der Wüste, 10 minütige Schrottkarrenverfolgung durch die Stadt, im „Mann von Hongkong“ ist ständig was los. Das abwechslungsreiche Setting ist Anlass für eine luftige Mischung aus Martial-Art und Action, wo beim minutenlangen Kämpfen tatsächlich sogar mal die enge 70er Jahre Cordhose platzt. Überhaupt, die Frisuren und Bärte benötigen dringend eine Geschmackstestung, ebenso der mit Blödel-Synchronisation verstärkte, tiefer gelegte Humor, der, aus heutiger Sicht, nicht Halt macht vor rassistischen Spaßsprüchen („Reisfressendes Fliegengewicht“ oder „Die Ganoven fallen reihenweise tot um, nur weil er mit seinen Schlitzaugen blinkert“).
                Ist halt so ein Film, der die Birne aus der Nase holt.
                6,5 explodierende Handgranaten zwischen den Zähnen.

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                • 5
                  lieber_tee 23.12.2016, 15:24 Geändert 23.12.2016, 16:26

                  Delta Force trifft auf die Ghostbusters.
                  Der Schrecken des Krieges haben etwas Unnatürliches erweckt. Oder sind die flirrenden „hyperspektralen Anomalien“ gegnerische Widerständler mit neuer Tarnkappentechnologie?
                  „Spectral“ ist eine Direkt to Netflix- Produktion, die einmal für die große Leinwand gedacht war, aber dann doch nur im heimischen Fernseher gelandet ist, obwohl sie eigentlich den üblichen Blockbuster-Verwertungs-Regeln folgt. Die Geschichte ist eine quatschige Hohlmantelgeschoss-Räuber-Pistole. Debüt-Werbe-Regisseur Nic Mathieu zielt in seinem Science-Fiction-Thriller auf die Ästhetik von Videospielen, erzeugt optisch eine aufwendig wirkende, düstere und realistische, städtische Stimmung. Die Kriegsaction hat schmissige Schauwerte, wobei sie (obwohl so angelegt) nie die eindringliche Intensität von „Black Hawk Down“ oder eine ausreichende emotionale Verbundenheit mit den multikulturellen Soldaten erreicht. Im Shooter-Modus schleichen wir durch eine nahezu menschenleere, osteuropäische Stadt, von Bomben zerfallen. Die Figuren sind lediglich kurz chiffrierte Archetypen des Kriegsfilms (inklusive Alibi-Frau), die funktional von durchsichtigen Energie-Geisterwesen dezimiert werden. Kampf, Heldentum und wissenschaftliche Hörigkeit sind Motor der Problemlösungen gegenüber den (vermeintlich) übernatürlichen Angriffen. Ein möglicher spiritueller Anti-Kriegsdiskurs wird zu Gunsten CGI-Krawall komplett verschenkt.
                  Kann man gucken, hat hübsche Bilder, kann man aber auch sein lassen.
                  5-mal den Stecker raus ziehen.

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                  • 7

                    Panic House aka Mit der Nacht kommt der Tod:
                    Extrem harter und psychologisch menschenverachtender Home-Invasion-Schocker, der all die miesen Kritiken wahrlich nicht verdient hat. Den Verlauf in einer Stunde Echtzeit zu erzählen verdichtet wirkungsvoll die Ausweglosigkeit und den kompromisslosen Realismus des Films. Das niedrige Budget stört dabei nicht, punktgenau thematisiert "Panic House" die Urangst eines jeden Menschen nachts von Fremden in seinen eigenen privaten Wänden überfallen zu werden und wie das Gefüge einer sicheren Familie nach und nach zerbröckelt.
                    Besonders in der ersten halben Stunde erreicht der Streifen eine packende Intensität, weil wir Zuschauer mit der Protagonistin durch die Zimmer und Gänge des bürgerlichen Wohnhauses krabbeln, es nie verlassen. Die misslungenen Fluchtversuche, der Zwiespalt zwischen Handeln und Verstecken macht Angst spürbar. Die Handkamera ist immer nah am Geschehen.
                    In der zweiten Hälfte wird diese Subjektivität aufgebrochen und auch die Einbrecher bekommen Raum, aber ohne zu sehr dämonisiert zu werden. Der Film folgt „nur“ noch dem konventionellen Muster eines Final-Girls versus böse Männer. Was dann in die genre-immanenten, kathartische Wirkung und blutiger Gewalttätigkeit endet.
                    Eine kleine, unbekannte Perle des Terrorfilms.
                    7 Kinder im Kühlschrank.

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                      lieber_tee 22.12.2016, 01:33 Geändert 22.12.2016, 08:13
                      über Raum

                      „Wenn man nicht will, ist es nicht wichtig!“
                      Man muss emotional verschrumpelt sein, wenn einem dieser preisgekrönte Pageturner nicht berührt. „Raum“ ist ein bewegendes, schmerzliches und erlösendes Drama über Bindungen, die eine Mutter zu ihrem Kind hat. Mit visueller und psychologischer Empathie schafft es Regisseur Abrahamson die Erfahrung des Lebens außerhalb einer alltäglichen Wirklichkeit brillant auf den Punkt zu bringen. Er tut es nicht ohne unterschwelliger Gruseligkeit und mit offener Sentimentalität aber ohne Boulevard-Sensationslust. Er ist immer nahe dem Kind, fängt die Geschehnisse konsequent aus der Perspektive des Fünf-Jährigen ein. Mit Mitgefühl und Humanismus wird aus dem eigentlich unfassbar brutalen kriminellen Akt ein Märchen, in der räumliche Isolation eine Überlebensquelle wird, weil die Anpassung an die erzwungenen Gefangenschaft intensive Zweisamkeit bedeutet. Die durch die Befreiung entstehende drastische Veränderung bleibt eine Hommage an die schöpferische Kraft der mütterlichen Liebe, auch wenn sie legitime Brüche bekommen darf. Zwei Menschen erschaffen eine Welt aus vier Mauern, in der es Wert ist zu überleben und sie ist zugleich das Fundament um dann in der Außenwelt zu überleben, sie zu erleben. Das ist ebenso düster wie herzzerreißend und hat einen der erstaunlichsten Schauspieljobs von einem Kind den ich je gesehen habe.
                      8-mal die Welt aus Kinderaugen betrachten.

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                      • Finde ja das Villeneuve der bessere Nolan ist.

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                          „Der Tod ist nur schmerzhaft für die Lebenden.“
                          Um den pubertierenden Moritz zerfällt die Welt. Sein Weichei-Vater hat das Familienunternehmen in den Ruin geführt, sein zu Hause, eine Villa an der Elbchaussee, steht zum Verkauf, alle Besitztümer werden gepfändet, seine Oma im Altersheim will nicht mehr leben. Hinzu kommt, dass er Probleme in der Schule hat und zugleich auch neue anarchische Arbeiter-Freunde und eine neue Liebe findet. Ganz schön viele Turbulenzen für den armen Jungen, kein Wunder das seine verwirrte Seele und ohnmächtige Wut ein Ventil in kruden Rache-Phantasien sucht.
                          Nach "Nordsee ist Mordsee" erzählt Hark Bohm (mit dem ähnlichen Team) wieder eine sensible "Coming of Age"-Geschichte, die diesmal aber nicht vor krassen Verstörungsmomenten halt macht. In den 70er Jahre Erlebniswelten junger Menschen verordnet, ist er mit Empathie und respektvollen Umgang der Adoleszenz sehr nahe, die egoistischen und rücksichtslosen Erwachsenen wirken wie Zerrbilder aus dieser Perspektive. Treffend beschreibt Bohm den Spagat zwischen Verantwortung, Kindlichkeit und Einsamkeit eines Heranwachsenden, der nach Widerstand sucht. Dabei darf Moritz auch mal ein Arschloch sein, aber all seine Ausbrüche sind nachvollziehbar.
                          Erzählerisch schießt Bohm in seiner totalen Verdichtung von den Problemen des Jungen und mit seinen stilistischen Sex und Splatter-Mitteln gern über das Ziel hinaus, inhaltlich folgt er brav den klassischen Motiven des Coming of Age-Films. Und so entsteht ein seltsam uneinheitlicher Film, der in der bundesdeutschen 70er Jahre Filmszene eine eigenwillige Position einnimmt.
                          7 Mathematiklehrer nicht im Unterricht folgen können.

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                            lieber_tee 20.12.2016, 13:40 Geändert 22.12.2016, 03:04

                            Spielbergs Schmuse-Schmunzelmonster.
                            „Pete's Dragon“ ist die Art von untertrieben-sanften Familienabenteuer, die in der heutigen Überwältigung-Maschinerie droht auszusterben. Mit dem putzigen 70er Jahre Original, das seinen naiven Charme aus seinem anarchisch-pädagogischen Chaos holte, hat dieses Remake allerdings wenig zu tun. Hier geht es um Wundersames mit groß-aufgerissenen Spielberg-Augen, wenn der flauschig-putzige Fuchur-Drachen mit einem Dschungelbuch-Junge im Wald lebt und nicht nach Hause telefonieren kann.
                            Ex-Indie-Regisseur David Lowery ist sichtbar begeistert von den moralischen und stilistischen Motiven des 80er Jahre BMX-Kinderkinos und möchte das heutige Publikum mit dieser vergangenen Magie begeistern, offenkundig auch nostalgisch verklären. In Kombination mit den Ausrichtungen des Disney-Werte-Kompass werden Phantasien junger Menschen, Vertrauen in die Kernfamilie mit Bambi-Trauma und Öko-Botschaft verbunden.
                            Und ja, zu großen Teilen schafft es der Regisseur tatsächlich filmisch zu verzaubern, weil Aufrichtigkeit und Herz zu spüren ist. Allerdings ist mir der Film oftmals zu unterkomplex geraten. Der Plot ist, gelinde gesagt, vorhersehbar, stampft etwas unpassend zum Ende hin in ein Action-Szenario und die Figuren bleiben das Rascheln von Drehbuchseiten, die mit süße Sentimentalität vollgetropft sind.
                            6-mal von Drachen angerotzt werden.

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                              lieber_tee 20.12.2016, 01:38 Geändert 20.12.2016, 02:06

                              Französischer Thriller über die üblen Machenschaften der Politiker, die mit Waffenherstellern Geschäfte machen um von Kriegen zu profitieren. Daneben ermittelt die örtliche Polizei, der Geheimdienst spielt eine zwiespältige Rolle, ein Killer versucht seinen Arsch zu retten. Aus den vielen Handlungssträngen entwickeln sich verzwickte Perspektiven auf die Brisanz des Themas. Was die Story nicht sauber herausarbeitet wird mit ein wenig Action aufgefüllt. Manchmal verliert der Zuschauer den Überblick bei dem Wust an Charakteren und Interessen, trotzdem ist „Staatsfeinde“ ein solider Krimi für politisch interessierte Menschen, mit einem immer noch zeitgemäßen, kritischen Blick auf die Doppelmoral eines Machtapparates.
                              6 Waffenlieferungen an beide Kriegsparteien.

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                                lieber_tee 19.12.2016, 09:41 Geändert 20.12.2016, 14:00
                                über Wild

                                Das Tier in der Frau.
                                Manchmal geht Ania nach ihrer gleich-geschalteten Arbeit in die Schießanlage, wo ihre Einschusslöcher aber genauso wenig Spuren hinterlassen wie ihre Anwesenheit im Büro oder Plattenbausiedlung, wo sie anonym wohnt. Erst der Kontakt mit einem frei-lebenden Wolf im Park lässt sie bei sich etwas spüren, das sie vorher so nicht kannte. Fremdheit weckt das Fremde in ihr. Die Annäherung an das Wilde ist sowohl eine Domestizierung als auch das Begehren nach einer Unruhe, nach Revolte. Etappenweise entsteht ein neuer Veränderungszustand, parallel zum Anfreunden mit dem Wolf. Gesellschaftliche Anpassung zerbröckelt, sexuelle Begierde wird geweckt.
                                Regisseurin und Autorin Nicolette Krebitz erzählt diesen schritthaften Tabubruch als ein seelisches und filmisches Experiment, als animalische Coming of Age-Geschichte, als Emanzipations-Parabel. Die Grenzen zwischen Gesellschaft und Körper lösen sich nach und nach auf. Wobei nie so ganz klar wird ob wir hier einer Psychose (Persönlichkeitsspaltung) beiwohnen oder einem bewussten Schritt zur Ausgrenzung vom „Normalen“. Klar ist, das das Freiheitliche, das Triebhafte des Tieres (der Wolf) eine Metapher, ein Spiegel für die heimlichen Sehnsüchte von Ania sind die nun heraus-brechen.
                                Die Geschichte ist dabei als ein Wagnis erzählt und findet immer wieder sowohl subtile wie reißerische, an Voyeurismus grenzende Szenen, die auch nicht vor plakativen, sexuellen Zuschreibungen zurückschrecken. Der Wolf durchbricht die moralische Wand, die Frau gerät in Ekstase, in Selbsterfüllung, verwildert... Wie ein Angstlusttraum ist er ein seelischer Unruhestifter, der eine befreiende Wirkung hat. Hier geh es nicht um das verklärende Motiv „Zurück-in-die-Natur“ sondern um die Entfremdung von einer kapitalistischen Gesellschaft, die ein Ventil, eine (individuelle) Rückzugmöglichkeit sucht. Eine Zivilisation, die die Menschen krank macht und zur psychischen Verrohung führt, wird von einer tierischen, physischen Rohheit aufgebrochen. Das ist alles etwas aufgesetzt und plakativ im Verstörungs-Modus erzählt, verfehlt aber nicht seine Wirkung.
                                7-mal das Menstruationsblut von den Schenkelinnenseiten lecken.

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                                  lieber_tee 18.12.2016, 13:10 Geändert 18.12.2016, 14:17

                                  Zum 70. Geburtstag des Meisters...
                                  Steven Spielberg, der Peter Pan des phantastischen Kinos, hat wieder zugeschlagen.
                                  „BFG“ ist eine sanft durch-buchstabierte Fantasy, die versucht den magischen Tonfall der Literaturvorlage von Roald Dahl einzufangen. Als ein Film der großen emotionalen und visuellen Gesten, der die phantasievolle Herrlichkeit von Kindern betont. Drehungen und Wendungen sind dafür nicht notwendig. Erzählerisches Grundhandwerk steht im Vordergrund. Die bekannten Kernthemen des Regisseurs, wie Außenseiter, Mut und Freundschaft, sind allgegenwärtig.
                                  Nun ist es im heutigen standardisierten Studio-Familien-Unterhaltungsprogramm nicht einfach zwischen Nostalgie und Effekt-Pragmatismus mit Motion-Capture-Technologie zu überleben. „BFG“ ist immer dann stark, wenn es der Meister schafft sein Verständnis für die Einsamkeit von Kindheit zu thematisieren. Fast schon nachdenklich philosophiert er über die Fähigkeit Träume wahr werden zu lassen. Das dazu scheinbar heute (und der Vorlage geschuldet) Furzwitze und adeliger Militarismus notwendig sind sei dem Streifen verziehen, weil er beides Comic-Relief-artig inszeniert.
                                  Weitaus Problematischer ist, dass bei der Suche nach (altmodischer) Filmmagie Spielberg irgendwie steril und träge wirkt. Auch dass er hier nicht sonderlich originell oder gar kühn nur seine selbst aufgestellten Standards bedient.
                                  Nun gut, der Meister dreht seit Jahrzehnten prägende Werke, er muss sich ja nicht immer neu erfinden.
                                  6 Kotzgurken.

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                                    User-Kommentare-Wichtel-Aktion 2016.
                                    Advent, Advent, das vierte Lichtlein brennt und der FrEAk0 bekommt einen Text geschenkt.
                                    Mir ist schon klar, wenn ich solch ein Werk negativ verurteile, dass ich als gefühlskalter Misanthrop herüber komme. In meinem Freundeskreis wird er mir wärmstens empfohlen. Als ein einfühlsames Meisterstück, wo ich Rotz und Wasser heulen werde.
                                    Und im Prinzip macht „Die Liebe in mir“ über eine Stunde lang auch alles richtig. Angenehm hält er die Waage zwischen sanfter Komödie und Tragik. Sandler (der eh immer besser ist wenn er als „stiller“ Außenseiter agiert) und Cheadle spielen glaubwürdig, schaffen es den Figuren nahe zu kommen. Das Porträt einer sanften Freundschaft zwischen zwei Männern, die beide auf ihre Art selbst emotional eingeschränkt sind und aus ihren beidseitigen Defiziten Stärke ziehen um in ihrem Leben verändernde Schritte zu machen, ist leise und ergreifend.
                                    Bedauerlicherweise verkompliziert Regisseur und Drehbuchautor Mike Binder seine einfache Geschichte mit speckigen Nebenplots immer mehr. Alles muss dem Zuschauer noch mal verbalisiert und mit einer Hollywood-9/11-Trauma-Rührseligkeit angetrieben werden. Tränendruck, Zwangseinweisungs-Thrill und Erlösung durch eine neue Liebe dramaturgisiert den eigentlich recht subtilen Film immer mehr.
                                    Das ist nicht so schmierig-spekulativ und kalkulierend wie in vergleichbare Filmen, der Schmerz der autistisch wirkenden Hauptperson, die gerade im NICHT-ZEIGEN (und Vergessen) versucht mit ihrer Trauer selbstbestimmt umzugehen, wird nicht ausgebeutet. Leider verliert „Die Liebe in mir“ zum Ende hin die Nähe zu seinen Personen und poltert in eine unnötig weichgespülten Happy-End-Seifenoper.
                                    5,5 Mal mit einem Roller durch New York fahren.
                                    Sorry, FrEAk0.

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                                      lieber_tee 18.12.2016, 01:30 Geändert 22.12.2016, 03:09

                                      User-Kommentare-Wichtel-Aktion 2016.
                                      Advent, Advent, das vierte Lichtlein brennt und der SoulReaver bekommt ein Loblied an die Lebenslust geschenkt.
                                      Trotz über 2 1/2-Stunden Laufzeit, schafft es Wunderkind Xavier Dolan eine romantisch-dramatische Geschichte über die Liebe eines Transsexuellen (und ihr Scheitern) fesselnd und berührend zu erzählen.
                                      Für Laurence eine Frau zu werden, ist eine Frage des Überlebens um endlich frei atmen zu können. Zu der Person zu werden, die immer in ihr wohnte. Die Transformation hat allerdings eine entgegengesetzte Wirkung auf die Partnerin Fred. Sie scheitert daran diesen radikalen Schritt endgültig mit zu unterstützen. Allerdings ist das Motiv der Transsexualität hier nur der Motor um eine überraschend reife und scharfsinnige Liebesgeschichte zu erzählen, die universell in ihrer Entwicklung, Verschlechterung, Erneuerung und Vergänglichkeit ist. Der dabei ehrgeizige und erzählerische Wagemut ist bewundernswert, getragen von zwei wunderbar agierenden Hauptdarstellern/innen, deren energetisches Spiel sich auf den Zuschauer überträgt.
                                      "Laurence Anyways" ist nicht der erste Film von Dolan über eine (sexuelle) Identitätssuche. Mag sein, dass er sein persönliches Thema immer wieder „nur“ variiert, mit seinem so typischen Hang zu Hysterie und Überspanntheit. Mag sein, das nicht jeder Handlungsfaden für den überlangen Film notwendig sein musste, aber mit welch Selbstbewusstsein er hier sein persönliches Ding durchzieht ist beeindrucken.
                                      In 4:3 – Ästhetik gequetscht, irgendwo zwischen Nouvelle Vague und 80er Jahre Style, ist dieses überschäumende Werk von impressionistischen Bildern ebenso aufgeplustert wie überstilisiert, allerdings immer mit Herz. Hinter der visuelle Üppigkeit und den melodramatischen Momenten steckt eine Oper, der eine Balance und Mäßigung unwichtig ist. Deren Überwältigung so stark in Tapeten, Stoffmuster, Farbmotiven und Slo-Mo-Montagen verliebt ist, das sie fast schon ablenkt vom erzählerischen Treiben. Aber immer wieder schafft es Dolen mit seinen allegorischen Bildern und hippen Musikeinlagen das innere Drama der Personen zu visualisieren und spürbar zu machen.
                                      Letztlich ist "Laurence Anyways" eine Ode auf das unkonventionelle und unspießige Leben. Ist ein Plädoyer für alternative Lebensentwürfe und ihre Akzeptanz.
                                      Es sollte mehr Filme geben, die so ihre Wut auf das angepasste Bürgertum formulieren.
                                      Aus 8 Tränen wird eine Überschwemmung.

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                                        lieber_tee 16.12.2016, 17:23 Geändert 17.12.2016, 23:20

                                        Der erste Teil ist ein angenehmer Survival-Abenteuer-Zombiefilm der alten Schule. Jetzt breitet sich die untote Pest von Afrika nach Indien aus und wir folgen einer neuen Hauptfigur, die auffallend ähnlich angelegt ist wie im Vorgänger. Einige der Tugenden des Originals sind immer noch vorhanden: Die Kinematographie findet tödlich-schöne Bilder, in atemberaubenden und sonnenverbrannten Landschaften, erzeugt ein staubiges Gefühl. Die beiden Regisseure haben weiterhin eine Begabung für intensive und grimmige Momente.
                                        Leider war es das dann auch. Denn ähnlich wie bei „The Dead“ kommt, trotz Szenen von Beißen und Zerreißen, nie wirklich das Gefühl einer überwältigenden Bedrohung auf. Die Reisenden schlendern zu oft und zu beiläufig um die langsam wankenden und minimal geschminkten Zombies herum. Lediglich in den Slums von Mumbai wird es eng, bedauerlicherweise sind die Szenen (budgetbedingt?) zu kurz. Außerdem packt „The Dead 2“ zu dem obligatorischen Sozialkommentar noch eine religiöse Schippe drauf und verbrämt sie mit einer Romeo und Julia-Seifenoper. Das grenzt in seinen Klischees und dem Nicht-Schauspiel der verliebten Protagonistin fast an eine versehentliche Komödie.
                                        Ich finde den Film letztlich aber vergleichbar wie sein Original und in seinem exotischen Indien-Setting reizvoll.
                                        5 Pistolen, die scheinbar einen unendlichen Vorrat an Munition verpulvern…

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                                        • Der User lieber_tee als "echter Spezialist auf dem Gebiet der kleinen Monster" bedankt sich für den Gewinn, besonders für die Comics.

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                                            lieber_tee 16.12.2016, 01:51 Geändert 16.12.2016, 08:05

                                            Vertuschen um zu vergessen.
                                            Die Niederlande ist nicht unbedingt ein Horrorfilm-Vorzeigeland. Das wird sich nach „Sneekweek“ auch nicht ändern.
                                            Wenn junge Filmemacher, offensichtlich begeistert vom Teenager-Slasher-Genre, nur einfällt die populären amerikanischen Vorbilder 1:1 zu kopieren, dann ist das nicht nur konventionell sondern peinlich. Natürlich könnte der Film wohlwollend als Hommage an „Ich weiß was Du letzten Sommer getan hast“ und „Scream“ gesehen werden, dann schaffte er es aber nicht sich ausreichend eigenständig von seinen Vorbildern zu lösen. So wirkt der Streifen als ob er locker 20 Jahre zu spät kommt bzw.von Selbstreferenzialität noch nie etwas gehört hat. Obwohl humoristische Einlagen vorhanden sind, gibt es nur die exakte Nacherzählung von Bekanntem, formal mit dem gleich-geschalteten Edel-Look von US-Film-Hochglanzbildern. Alles tausend Mal gesehen. Das Gezanke von sexualisierten Arschlochjugendlichen aus dem Archetypen-Eintopf, das verschwurbelte Flüchten vor einem Killer mit Maske und Baumarktwerkzeug, das einsame Haus in der Pampa (hier Friesland), überraschend spießig in Sleaze und Kills und -ganz-peinlich- eine Regatten-Party, die auf Spring break mit Titten und Techno macht. Mit den Konventionen wird nicht gespielt, sie werden gewissenhaft und handwerklich okay bedient, gerade deshalb ist „Sneekweek“ ein Paradebeispiel für einen überflüssigen Film.
                                            4 Ritalin-Tabletten zum Durchhalten.

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                                              Aus rein narrativer Sicht gibt es hier nichts Neues. „Hell or High Water“ wirkt wie eine traditionelle Anordnung bekannter Melodien. Ist ein klassischer Western über texanische Alt-Bullen und Räuber mit moralischen Kompass im Graubereich. Angesiedelt in der endlosen West-Texas-Landschaft und den zum Ausverkauf stehenden Kleinstätten, wo scheinbar jeder um sein Überleben kämpft, es nur noch Anachronismus und das klare Feindbild gibt, die gesichtslose, räuberische Bank. Der Film ist offensichtlich ein Kommentar zum Zustand der US-Provinz, die von vergessenen Kapitalismus-Verlierern bevölkert ist. Nur brüderlicher Liebe gibt Halt, Familie die Hoffnung. In den Gesichtern der hervorragenden Schauspielern stehen bittere Geschichten geschrieben, die Autor Taylor Sheridan (Sicario) in einer längst vergessenen Kunst des Dialogs offenbart, effizient mit staubtrockenen Humor serviert. Sicher und routiniert von Alt-Meister David Mackenzie als Neo-Western inszeniert, der bekanntes Territorium elegisch betritt.
                                              7 angeranzte Cowboy-Hüte.

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                                                lieber_tee 13.12.2016, 20:56 Geändert 14.12.2016, 22:42

                                                Todesstern und Nostalgie.
                                                Die Star Wars - Maschine läuft wieder mit voller Geschwindigkeit. Das erste Spin-off liefert das was angekündigt wurde. Ein Kriegsfilm und ein Heist-Movie, als organisch-grobkörniges Drama erzählt, mit eigener Ästhetik und Relevanz.
                                                Da der Plot bekannt ist, bleibt nur der Angriff nach vorne. Denn zwangsläufig bietet die Geschichte über den Diebstahl der Todesstern-Pläne (um später seine Achillesferse zu zerstören) keinen breiten, epischen Rahmen, dafür genug Anlass für bildgewaltige Schlachten. Der Verlauf ist vorherbestimmt, wir kennen das Ende. Diesen Drahtseilakt zwischen bekannt und neu bewältigt Regisseur Gareth Edwards mit archetypischen Figuren, die von Familie, Erlösung und Aufopferung geprägt sind. Universelle Motive des heldenhaften Kriegsfilms.
                                                Eine Gruppe von Kämpfern will mit ihrem Himmelsfahrtkommando einen Völkermord abwenden. Dieser Hoffnungsschimmer ist das emotionale Herzstück von „Rogue One“. Dazu muss zunächst von Planet zu Planet gehüpft werden. Zukunft trifft auf Vergangenheit in haptisch wirkenden Design und Setting. Jeder Charakter bekommt eine kurze, eigene Geschichte. Das ist knapp und effizient bzw. funktional gehalten.
                                                Je mehr der Film auf sein Finale zusteuert, verliert er seine Figuren emotional aus den Augen. Stattdessen stampft er triumphierend durch die Goldmine des nostalgischen Reichtums, den Star Wars nun mal als filmhistorisches Meisterwerk anbietet. Allerdings wo sich „Star Wars VII“ gern auf die glühenden Lumineszenz des Lichtschwerter-Fan-Services ausruht, findet „Rogue One“ seinen eigenen Rhythmus, seine eigene Identität, seinen eigenen Stil.
                                                Und der liegt sicherlich nicht im Storytelling oder empathischen Mithecheln um seiner Figuren, sondern in seinen atemberaubenden Effekten, kraftvoll inszenierten Kämpfen und seiner überraschend düster-schmierigen Optik. Die emotionalen Konflikte der Figuren verblassen im Vergleich zum Höhepunkt des Films, dem dritten Akt, wenn der gesamte Krieg vor tropischer Kulisse und im Weltall kulminiert.
                                                Der große Bogen um Gut / Böse und Krieg / Hoffnung hat bei weitem nicht die Graubereiche, die er gerne erzählen möchte. Etwaige subtile Zwischentöne, wie ein Diskurs über die „Schmutzigkeit“ von Widerstand oder ein möglicher Kommentar zu aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen, werden erschlagen vom intensiven und dreckigen Schlachtengemälde. Allerdings waren politische und anti-kriegerische Analogien oder Diskurse nie die allgemeinen Botschaft der Star Wars-Filme. Frei von metaphysischen und spirituellen Diskus, frei von irgendwelchen Jedi-Kräften, holzt der Streifen mit der puren Willenskraft von Rebellion auf sein tragisches Ende zu. Das ist natürlich alles politisch-korrekt, multikulturell und Gender-sauber besetzt und erzählt.
                                                Insgesamt schafft es der Film sowohl Star Wars Fans zu beeindrucken, wie auch Leute, die sich einfach nur be-ballern lassen wollen. Manchmal bricht er bewusst die Traditionen des Franchises, dann bedient er wieder die etablierten Regeln. „Rogue One“ ist letztlich ein überraschend cleverer Cocktail aus den besten Elementen der Originale, mit eigenständigen Genre-Ideen und Spezialeffekte auf hoch-modernen Niveau. Und er schafft es an das Feeling der Original-Trilogie anzudocken, die fast unmittelbar nach dem Ende des Films beginnt.
                                                7,5 Stormtrooper unter Palmen.

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                                                  lieber_tee 11.12.2016, 01:59 Geändert 31.01.2018, 23:03

                                                  Staffel 1:
                                                  Sind nur ein paar spontane Gedanken...
                                                  In Überschwang verfalle ich angesichts der neuen HBO-Vorzeigeserie leider nicht. Vielleicht hätte ich sie nicht Binge schauen sollen. Denn so erschlägt und ermüdet die Serie in der Psychologisierung und Philosophisierung von Künstlicher Intelligenz bzw. Was bedeutet es ein Mensch zu sein. Sicherlich ist dieses offensichtliche Prestigeprodukt ein ansprechendes Stück Fernsehunterhaltung, das den Zuschauer intellektuell ernst nimmt, auch wenn 10 Folgen für das Endergebnis zu lang geraten sind. Was sie aus meinem Lieblingsfilm „Westworld“ gemacht haben ist ein cleveres Update. Hat nur leider die typische Nolan-Krankheit. Ist sehr verkopft, aber bei weitem nicht so tiefsinnig und packend wie gewollt. Das Worldbuilding und die Figuren sind faszinierend, auf die Dauer dreht sich die Serie aber oft nur im Kreis.
                                                  Grundsätzlich bin ich die Loblieder auf diese "neue", gehaltvollere Erzählstruktur (Fernsehen ist das neue Kino) leid. Ich stelle immer wieder fest, dass viele aktuelle Serien ( z.B. TWD, GoT) letztlich nur Inhalte erzählen, die auch in einem Spielfilm, mit guten erzählerischen (und strammen!) Handwerk, funktionieren würden. Vielleicht finden viele diese Vorzeigeserien deshalb so gut, weil dort überhaupt mal etwas erzählt wird, was das Mainstreamkino in großen Teilen wohl verlernt hat.
                                                  6 Roboter.

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                                                    User-Kommentare-Wichtel-Aktion 2016.
                                                    Advent, Advent, das dritte Lichtlein brennt und der Spielberg_Fan bekommt einen Text geschenkt.
                                                    Die klassische Filmrezension scheitert bei solch alten B-Monsterfilmen, das nostalgische Herz drückt gerne mal ein Auge zu.
                                                    Denn wenn man die Frauendarstellung (fallen beim Weglaufen hin, werden angesichts der Ungeheuer ohnmächtig, sind zum Kochen da), die Darstellung des überlegenen Weißen und die Degradierung von Schwarzen zu belämmert-schauende Statisten ernst nehmen würde, dann wäre der Film eine (sicherlich auch der Produktionszeit geschuldete) Frechheit. Auch qualitativ (die Stop-Motion-Effekte sind arg schlicht und das der Film aus Kostengründen fast jede Szene vor einer Rückprojektion spielen lässt ist schon arg billig) sowie narrativ (die Monsterbedrohung wird in der Mitte des Films einfach vergessen) ist der „Mördersaurier“ alles andere als mörderisch gut.
                                                    Der Spaß bei diesem und ähnlichen Filmen ist, das sie die Erinnerung an verregnete Sonntagnachmittage vor der Glotze in der Kindheit aktivieren. Besonders wenn man ein Faible für Dinosaurier hat. Denn der Streifen vergegenwärtigt das Gefühl als man noch ein Windelpups war, der im Sandkasten mit Plastik-Baggern gegen Plastik-Sauriern gekämpft hat. Und das der kleine Junge in mir schon immer auf einen friedlichen Pflanzenfresser-Dino (die mit dem langen Hals) reiten wollte. Diese naive Wiederauferstehung von kindlichen Träumen in Filmform hat was.
                                                    Das war den Machern wohl bewusst, deshalb gestalteten sie die ganze Chose auch völlig familienfreundlich. Eine gruselige Gefahr ist nie zu spüren, stattdessen gibt es haufenweise Blödelhumor. Besonders die Grundidee und Szenen mit dem Höhlenmenschen sind arg debil, inklusive Frauenkleider anziehen und Torte ins Gesicht.
                                                    Ich gehe jetzt in den Keller um mit meiner Dinosammlung zu spielen…
                                                    5,5 Neandertalern das Essen mit Besteck beibringen.

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