lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

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    „Ich zerquetsche dir die Eier, du verdammtes Mutantenhirn!“
    Rambo meets Wrong Turn auf dem Hügel der blutigen Augen. Lästige Teenager, die in den Wäldern kampieren und fotografieren, werden von verstrahlten Inzucht-Mutanten zerkleinert, verspeist oder als Brüter missbraucht. Das ist so stumpf wie es klingt, wurde bereits tausendmal durchgekaut. Die Horde versucht bewusst nie mehr als eine Hommage auf die billigen 80er Jahre Action- und Horror-Klopper zu sein. Leider übernimmt sie nur die Schwächen dieser Filme, nicht ihren Charme. Denn das exakte Kopieren von ikonisch-kultigen Szenen dieser Zeit, verpackt in ein tumbes Drehbuch mit tumben Dialogen und Schauspielern, ist grässlich anzuschauen. Der ordentliche Haufen Gore hilft da auch nicht. Ok, Paul Logan (Hauptdarsteller und Skript) will sicherlich keine Akademie-Preise gewinnen. Er macht einen auf Kick-Ass-Action-Star, zer-matscht verformte Hillbillys in einem Folter-Porno im Hinterland. Das er als kampferprobter Navy-SEAL die Bösewichte mit Leichtigkeit killt, raubt allerdings jede Art von Spannung. Selbst wer ein Faible für diese Art von Schund hat, kommt nicht wirklich auf seine Kosten. Letztlich ist „The Horde“ einfach nur eine schlechte Kopie von schlechten Filmen.
    3 gekochte Waden.

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      „The Laughing Policeman“ ist ein typischer Polizeifilm aus dem goldenen Zeitalter des urbanen amerikanischen Kinos, bei dem der Funke allerdings nicht so recht herüber-springt.
      San Francisco in den 70ern. Ein Spürhund-Welpe und ein mürrischer Oldtimer müssen einen Massenmord in einem Stadtbus aufklären. Sich um Realismus und Sachlichkeit bemüht, kopiert Regisseur Stuart Rosenberg den ursprünglich schwedischen Kriminalroman von Per Wahlöö von Stockholm nach San Francisco. Die absorbierende 70's Noir-Stimmung, der lakonische Humor entwickeln einen angenehmen Reiz, erinnern an ein städtisches Filmklischee im French-Connection-Style. Die ersten 20 Minuten haben diese trockene und interessante Energie, im weiteren Verlauf wird der Streifen allerdings immer traniger in seiner gänzlich unaufgeregten Art, die Storybögen (und damit manch interessanter Charakter) verdampfen einfach.
      5 Kaugummis kauen.

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        lieber_tee 31.03.2017, 17:23 Geändert 31.03.2017, 18:19

        Ära des bombastischen Blödsinns.
        Ist Michael Bay ein Auteur? In gewisser Weise schon. Keiner kann so wie er Frauen als Autos ab-filmen, Lärm als Dauergeräuschpegel erzeugen. Seine Fetische glänzen in der untergehenden Sonne eines Militär-Spielplatzes der infantilen Männlichkeit. Seine Filme bestehen nur aus Finalen, eine Spannungskurve kennen sie nicht. Bay erfüllt sein Versprechen. Wenn du ein Ticket für Transformers kaufst, dann weißt du was dich erwartet. Du wirst visuell geschlagen und erschlagen, in deinem Kinosessel zerdrückt und geschmolzen, völlig belämmert wankst du nach dem Ende verstrahlt ins Tageslicht.
        Das Problem ist die Maßlosigkeit. Bay, der Regisseur der Übertreibung. Die Laufzeit ist zu lang, die Handlung zu verworren, die Musik zu aufdringlich, das Produce-Placement auch. Die endlosen Action-Sequenzen, die herab-schießende Kamera-Arbeit und die überwältigende Dummheit des gesamten Konzepts sind maßlos. Epische Kämpfe treffen auf epische Kämpfe, zig Story-Lines wirbeln durcheinander, der ganze Verlauf ist ein tosender Brei. Zerstörung der Zerstörung wegen. Transformers 4 ist voll-gepumpt mit Figuren die keine Bedeutung haben. Im bombastischen Wahnsinn gibt es kaum noch einen guten Witz, der für die notwendige, ironische Distanz sorgt. Die Vater-schützt-seine-Tochter-und-muss-lernen-ihr-Selbständigkeit-und-Paarungswilligkeit-zuzugestehen-Geschichte ist peinlich.
        Bays vierter Transformer ist so kurzlebig wie das Plastikspielzeug für das er wirbt. Spezialeffekte, 3-D, Actionsequenzen sind Technologisch auf neustem Stand, aber alles wird mit einer filmischen Absurdität pulverisiert, da gibt es im heutigen Kino kaum etwas Vergleichbares.
        Wer kann eigentlich zwischen den Transformers-Filmen noch unterscheiden? Gleichschaltungskino für die Masse. Letztlich ist ein Franchise entstanden, das die Fans so gedeihen haben lassen und jetzt bekommen sie was sie verdienen.
        Willkommen in der Ära der Auslöschung. Und ich bin dabei, so wie ich mit schlechtem Gewissen auch beim Autounfall gaffe.
        4-mal wegen Blähungen aufs Klo gegangen.

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          lieber_tee 31.03.2017, 02:02 Geändert 31.03.2017, 08:26

          Ein Hollywood-Hündchen an der chinesischen Leine.
          150 Millionen Dollar teure Koproduktion zwischen Amerika und China, damit der Kinostart im Reich der Mitte gesichert ist. Am besten in Superlativen investieren, damit dieser west-östliche Action-Fantasy-Flick garantiert ein Erfolg wird. Wurde er aber nicht. Da kann noch so Hollywood-infundierte und epische Mystery mit der altmodisch-mittelalterlichen Song-Dynastie kombiniert werden. Die große Mauer ist, trotz gesucht-visueller Spachtelmasse, ein brüchiges Mash-Up aus Martial-Arts und Monster-Film. Regisseur Zhang Yimou degeneriert sich hier zu einem 08/15-Fantasie-Handwerker, der krampfhaft einem Blockbuster-Bauplan hinterher läuft. Kröten-Hunde aus der Augsburger Puppenkiste an CGI-Fäden hopsen ins Bild. (US-) Individualisten lernen, das Treue und Gehorsam für sich und das chinesische Volk das Maß aller angepassten Dinge sind. Die Einheimischen opfern sich gegen das Böse auf, um in einem matschigen Overkill aus folkloristischen Design und Videospiel-Ästhetik, in einem grobschlächtigen Plot und unbeholfenen Schauspiel, zu versinken. Völlig überflüssig, in allen Belangen, der Film.
          4 dreidimensionale Pfeilangriffe.

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            lieber_tee 30.03.2017, 00:10 Geändert 30.03.2017, 12:14

            Astronauten, die durch das Wattenmeer stampfen…
            Als Kooperation zweier, deutscher Filmhochschulen realisiert Sebastian Hilger einen Abschlussfilm, der leider weder Fisch noch Fleisch ist. Irgendwo zwischen mysteriöser Akte X-Folge, apokalyptischen Endzeitfilm, Seelen-Drama und Beziehungskiste weiß der Debütant (und die Drehbuchdebütantin Nadine Gottmann) nicht wohin die Reise gehen soll. Eines wollten die Macher sicherlich nicht, „nur“ einen einfachen Genrefilm drehen. So etwas kommt nicht in die Filmkunst-Tüte. Denn „Genre“ (hier z.B. Sciencefiction oder gar Horror) scheint im deutschen Filmstudium ein verachtenswertes Schimpfwort zu sein. Bloß nicht sich darauf fokussiert einlassen, lieber irgendwie etwas mit „Anspruch“ machen. So sieht das Endergebnis leider dann auch aus.
            „Wir sind die Flut“ will ambitioniert sein, will Tiefe haben, ist aber einfach nur ziellos. Dabei hat der Film einiges auf seiner Habenseite. Die leise Melancholie ist angenehm, von einer hervorragenden, düster-farblosen Kameraarbeit erfasst. Das Setting (isolierte Küstenlandschaft, ausgetrocknetes Schwimmbad, vergammelte Schulruinen) ist stimmungsstark ausgewählt. Die Grusel-Prämisse, von plötzlich verschwundenen Gezeiten und Kindern, macht neugierig. Aber leider eiern die beiden Protagonisten unnahbar von Ort zu Ort. Vielen Szenen fehlen die Übergänge, wirken seltsam isoliert. Dazu gibt es typisch verschriftliche, aber kaum aussprechbare, bedeutungs-schwangere Dialoge. Der Film kommt einfach nicht voran, verknotet sich in metaphysischer Sinnsuche.
            Hilger weigert sich bewusst den Film in eine konkrete Richtung zu lenken. Das kann mutig sein, hier wirkt es aber unausgegoren und seltsam antriebslos. Der Tenor, der Genre-Thematik irgendwie eine Aussage über Verlust von Kindheit, Vergänglichkeit und Zukunft zu geben, wirkt aufgesetzt. Die besten Momente hat der Film in seinen kleinen, privaten Momenten, im Gesamteindruck bleibt aber davon wenig übrig. Schade. Und sorry an die jungen Filmemacher. Ich weiß, das ist hier ein Debütfilm, mit all seinen Stärken und Schwächen und ich will mit dem Text nicht eure Leidenschaft und Motivation kritisieren.
            4 verlassene Straßen.

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              Dieser Film ist ein typischer 90er B-Actioner und passt zu jedem Stereotyp des Genres. Schnelle Autos, Schießereien mit Uzis, viele Explosionen, Sex-Szenen, etc. Also ein eindimensionaler Manhunt-Flick mit Dolph Lundgren, der so gehirnlos ist wie erwartet. "Barett " ist von Leuten und für Leute, die das Genre lieben. Vic Armstrong, Stuntkoordinator und zweiter Regisseur bei Total Recall, Starship Troopers und Bond-Filmen sollte eigentlich wissen was er tut. Aber alles fühlte sich ein wenig uninspiriert an, wirkt nicht auf das Wesentliche fokussiert. Bis auf diesen heftig-blutigen Shoot-out in einer Lagerhalle der offensichtlich das Highlight des Films ist (in der Unrated-Fassung). Da spritzen Hirn und Blutbeutel literweise. Die formelhafte Story, die ultimativen „Qualitätsdialoge“, der schmierige Saxophon-Score und das schlichte Spiel der Darsteller geben nicht viel her. Aber egal, im zarten Alter von 14 Jahren würde ich diesen Testosteron-getankten Eskapismus abfeiern.
              5 mal das rote Hemd von Dolph tragen dürfen.

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                lieber_tee 28.03.2017, 02:17 Geändert 28.03.2017, 02:20

                Wenn dein Smartphone in die falschen Hände gerät...
                Wie effektiv man den Film findet hängt wahrscheinlich davon ab wie viel Empathie man für die Geltungssüchtigen Charaktere hat. Im Prinzip machen sie das was in Horror-Filmen nun mal Jugendliche so tun. Sie wollen eine guten Zeit haben, hängen bei ihren Eltern herum, experimentieren ein wenig mit Drogen, betrügen einander und verbringen zu viel Zeit mit ihren Handys. Da bietet sich natürlich an, mal wieder, den Umgang mit neuen Technologien „kritisch“ im Genre-Gewand abzuarbeiten, hier wird das Telefon ein Köder, die Smartphone-Generation zu Opfern. Der Film funktioniert als langsamer Burner. In der ersten Hälfte geht es um die zunehmende Konfrontation zwischen den Teenagern und ihren Möchtegern-Entführern. Sobald sie in der Todesfalle ankommen, das Haus der Antagonisten, thrillert die „Don't Breathe“- Prämisse im klassischen Terror-Kino-Bereich. Das ist durchaus stilvoll und hat ein paar handgemachte Gore-Momente. Wenig innovativ, aber okay.
                5 Ortungs-Apps.

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                  lieber_tee 27.03.2017, 18:25 Geändert 27.03.2017, 21:36

                  Wenn E.T. ein 8-jähriger Junge gewesen wäre, dann hätte er eine Schwimmbrille getragen und Superman-Comics mit Taschenlampe gelesen…
                  „Midnight Special“ ist ein bescheidener, wunderbar rätselhafter Film. Eine melancholische Meditation über Glaube und Vaterschaft, von Jeff Nichols ebenso zurückhaltend wie phantasievoll erzählt. Dieser gewisse Spiritismus, der in allen Filmen des Regisseurs innewohnt, ist sicherlich gewöhnungsbedürftig, ebenso das der Film sich weigert den Erklärbar um die Besonderheit des Kindes herauszuholen. Wichtiger sind die Energien der Charaktere und der Mut unausgesprochene, interne Konflikte und komplizierte Gefühle darzustellen. Das macht diesen langsamen Lo-Fi-Science-Fiction-Film sperrig, zu einer Art Arthaus-Version des Wunderkinos eines Carpenters oder Spielbergs. Die Stärke des Films liegt in seiner Menschlichkeit, in dem wie er das Alltägliche mit dem Bizarren verbindet. Wer mal eine Alternative zu den Fließbandproduktionen schnelllebiger Thriller sucht, dem sei dieser Streifen empfohlen. Hier wird Wissenschaft oder Fiktion mit dem Herzen betrachtet.
                  7 Lichtexplosionen in einer sumpfigen Graslandschaft.

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                  • 6 .5

                    Der zweite Billy-Jack-Film gehört in den USA zu einem der finanziell erfolgreichsten Independent-Filmen aller Zeiten und ist dort Kult. Hier kennt ihn keiner. Das mag daran liegen, dass er in die amerikanische Seele der 70er schaut. Unter der Berücksichtigung des Vietnam-Krieges und Hippie-Bewegung ist „Billy Jack“ ein Film über das damalig zwiegespaltene soziale und gesellschaftliche Bewusstsein. Oberflächlich mit den Mitteln des Dramas und Western arbeitend, idealisiert er die Native-American-Kultur und die pazifistische Lebensweise in Form einer therapeutischen Einrichtung für Ausgestoßene, die auf krasse Ablehnung bürgerlich-ländlicher Bigotterie trifft. Billy Jack, ein Halbindianer und Vietnam-Veteran, wird nach und nach Opfer der Bitterkeit und des Grolls gegenüber Friedfertigkeit, findet nur noch Gewalt (Selbstjustiz) als letztes Mittel, wohl-wissend, dass dies nicht wirklich mit seiner Überzeugung im Einklang steht. Der Film befürwortet Frieden und Liebe aber auch die zunehmende Notwendigkeit, dass die Friedensbewegung auch Gewalt nutzen muss um sich zu schützen. Dieser Widerspruch ist in dem Helden, in seiner „Indianer“-Kultur, verankert. Als ein Art Gandhi und Bruce Lee scheint er die Lebenswelten der damaligen Generation zwischen Joan Baez und Black Sabbath perfekt zu verkörpern. Dass der Film dabei manchmal arg naiv-nostalgisch und etwas käsig seine Inhalte transportiert, ist sicherlich seinem Alter und geringen Produktionsmitteln geschuldet.
                    6,5 mal Friede, Freude und hart gekochter Eierkuchen.

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                      lieber_tee 26.03.2017, 14:12 Geändert 27.03.2017, 01:03

                      Von Gag-Klötzchen erschlagen.
                      Das Lego-Batman-Movie wirkt wie eine Werbe-Anzeige in einem Lego-Produkt-Katalog, die mit ihren zahllosen kleinen Plastiksteinen schwindlig-gute Laune verspricht. Der Dunkle Ritter als bunter Ritter. Nahezu manisch wird die Zielgruppe mit parodistischen Witzen, mal schlau, mal platt, bombardiert. Unerbittlich ist der Gag-Bat, mit seiner ununterbrochenen Kette von marktgetriebenen Pop-Kultur-Referenzen. Das mag unwiderstehlich für bestimmte Kinder, Fans und Nerds sein, ist aber in der Unterwerfung seiner Action-Plot-Action-Plot-Action-Monotonie mehr anstrengend als aufregend, das emotionale Herz geht verloren.
                      5 Zappelphillip-Zooms.

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                        lieber_tee 25.03.2017, 13:33 Geändert 25.03.2017, 17:47
                        über Elle

                        Wenn Michèle nach der Vergewaltigung mit starrem Gesicht die Scherben einer zerbrochenen Vase als erstes zusammenfegt, dann wirkt das unplausibel. So verhält sich doch kein Opfer. Aber Michèle will nicht in die typisch-weibliche Opferrolle verharren. Sie will dem Akt der Erniedrigung die Erniedrigung nehmen. Und so meldet sie nicht die Tat, auch nicht als sie weiterhin bedroht wird, lässt sich stattdessen auf ein risikoreiches Dominanz-Spiel ein. „Elle“ ist ein Film über eine Frau, die mit zynischer Gelassenheit ihre Umgebung ausnutzt um sich aus ihrer von der Gesellschaft definierten und der Moral verordneten Rolle zu befreien. Sie ist traumatisiert, emotional verhärtet und schlägt gezielt zurück, nicht nur verbal.
                        Rape-and-Revenge, burleske Komödie, Arthouse-Drama, Gesellschafts-Satire, Horror, Krimi, Psycho-Thriller, Whodunit… Wie bei allen Filmen von Paul Verhoeven, lässt sich auch dieser nicht so einfach kategorisieren. Das die (Genre-) Erwartungen des Zuschauers, auch seine eigenen Moral-, Sexual- und Umgangsformen, ad absurdum geführt werden hat etwas Verletzendes, hat eine empörende Frechheit in seiner Dreistigkeit. Gerade das ist von Verhoeven beabsichtigt, der hier die Quịntessenz seiner Film-Vita zeigt, mal wieder mit exploitationhaften Mitteln, mal wieder mit den Mitteln der schwarz-humorigen Provokation. Bösartig aber empathisch, quälend aber befreiend, bitter und doch mit seltsam beschwingt-trockenen Humor durchzogen folgen wir der psychologischen Tour de Farce von Michèle, die bürgerliche Manierismen und Manieren ignoriert, ihrem eigenen Weg geht. Und wir folgen Isabelle Huppert, die mit erschreckender Glaubwürdigkeit eine krass-überzeugende Performance bietet.
                        „Elle“ ist ein Film über eine Frau die nicht das tut was von ihr erwartet wird, erzählt als ein Film der nicht das tut was der Zuschauer erwartet.
                        8 sture Katzen.

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                          lieber_tee 24.03.2017, 16:18 Geändert 12.05.2020, 02:27

                          Hochstilisierter Badass-Film, der brutal Schießereien und Gemetzel fetischisiert. Seine rhythmischen (Over-) Kills wirken wie ein poetischer, pumpender Tanz, der von Regisseur Chad Stahelski wunderschön choreographiert wird, mit offensichtlicher Freude am Bloodshed-Kino und urkomisch trockenen Witz in unerwarteten Momenten. „John Wick: Chapter 2“ ist vielleicht nicht besser, aber kühner und heftiger als sein Vorgänger. Er baut eine interne Mythologie auf (die Idee einer geheimen Parallel-Welt von professionellen Killern mit eigenen Regeln), erweitert sie mit Sinn für das Absurde. Das neue Kapitel hat dabei nicht mehr den emotionalen Motor des Originals, erschafft stattdessen ein Wick-Universum aus faszinierenden Nihilismus und ist ein (aktuell) seltenes Beispiel dafür, das ein echtes, erstklassiges Action-Franchise mit einer ebenso klassischen wie zeitgemäßen Action-Figur möglich ist.
                          7 Kopfschüsse.

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                          • 6 .5

                            "Action-Gülle" mit Murray, Souli und Tee #19
                            Ich bin mir nicht so sicher ob die erste Verfilmung um den CIA-Analytiker Jack Ryan als Beginn einer Serie angelegt war. Zu sehr stellt sie den überlaufenden Kapitän Ramius des russischen Atom-U-Bootes in den Mittelpunkt (verstärkt durch das charismatische Spiel von Sean Connery) und „vergisst“ die vermeintliche Serien-Figur (arg blass von Alec Baldwin gespielt). Egal, „Jagd auf Roter Oktober“ ist ein moderner Klassiker des U-Boot-Thriller-Genres geworden. Eingebunden in ein (bereits bei der Veröffentlichung längst veralteten) Kalte-Krieg- und 3. Weltkrieg-Szenario, inszeniert Regisseur John McTiernan und Kameramann Jan De Bont (beide am Zenit ihres Könnens) einen Paranoia-Thriller unter Wasser, wo der kalte Krieg heiß wird. Beim psychologischen Katz-und Maus-Spiel im atlantischen Ozean steht nicht die äußerliche Action im Vordergrund (die es allerdings auch gibt), sondern die Ungewissheit, ob Ramius überlaufen oder die USA allein angreifen will. Der Film wirkt wie ein Thriller-Schach-Spiel mit militärischen und diplomatischen Strategien, wo die Spieler schlau genug sind dem Zuschauer nicht zu verraten welchen Zug sie als nächstes tun. Leider wird am Ende, mit einigen unnötige Plot-Wendungen und einem dämlichen Epilog, die Raffinesse des Films torpediert.
                            6,5 schottische Akzente bei Russen.
                            http://www.moviepilot.de/liste/action-schrott-murray-lieber_tee-und-soulreaver-auf-der-suche-nach-mannlichkeit-murray

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                              lieber_tee 23.03.2017, 01:14 Geändert 24.03.2017, 02:22

                              Erforschung von Trauer.
                              Die Narben einer verheerenden menschlichen Erfahrung werden immer sichtbar sein. „Manchester by the Sea“ wirft einen zurückhaltenden Blick in das Fenster einer verwundeten Seele.
                              Der Zugang zur Verzweiflung des Protagonisten ermöglicht Casey Affleck mit seinem disziplinierten Spiel aus grüblerischer Intensität. Untertrieben, schwer berührbar und doch voller Tiefe und Resonanz. Seine Tendenz, müde, unangenehm und zurückhaltend zu sein, passt perfekt zu seinem leidenden Charakter und in die vereiste Winterlandschaft der amerikanischen Ostküste. Die Schuld wiegt bleischwer, die Suche nach Erlösung oder Sühne ist vergeblich, der Film ist resistent gegenüber einer pathetischen (Hollywood-) Katharsis, aber nicht frei von kleinen Hoffnungsschimmern.
                              „Manchester“ ist ein vielschichtiges Melodram, das den Wunsch einer befreienden Trauerarbeit verweigert und jedem das Recht gibt mit seinen Verletzungen so umzugehen wie er es möchte. Auf das elegische Erzähltempo und die sperrige Musikuntermalung muss sich der Zuschauer einlassen. Wer dazu bereit ist, der bekommt einen Film über die Alltäglichkeit eines Lebens mit Schmerzen, ebenso schwermütig wie mit lakonischen Humor erzählt.
                              7 Wunden, die niemals verheilen werden.

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                                lieber_tee 22.03.2017, 03:01 Geändert 22.03.2017, 18:33

                                Ein Disney-Land für Depressive.
                                Charmant-liebevolle, verspielt wirkende Hommage an die (musikalische) Subkultur und den anarchischen Spirit Westberlins von 1979 bis 1989. Nick Cave, Blixa Bargeld (Einstürzende Neubauten), Ärzte, Toten Hosen, David Bowie, Westbam, Nena, Gudrun Gut, David Hasselhoff(!) und viele mehr, wuseln durch einen gigantischen Wust aus Archivaufnahmen, die von einem hippen Avantgardist der Zeit (Mark Reeder) ungebrochen nostalgisch, anekdotenhaft, mit schwelgenden Hedonismus vorgestellt und mit nach-inszenierten Szenen verbunden werden. Diese Zeit muss so etwas von ober-mega-hammer-geil, die Kreativität ihrer Künstler scheint unermesslich gewesen sein. Und so entsteht eine Mixtur aus angetriebener Collage, aus Dokumentarfilm und Mockumentary, die konsequent aus völlig subjektiver Perspektive erzählt ist, von einem Mann der wohl immer (!) am radikalen Puls dieser Zeit anwesend war. Im kruden Gegenverhältnis zur Westberliner Verfall-Tristesse hatten dort scheinbar alle hemmungslosen Spaß. Die Überfülle an Material, die auf dem Zuschauer nieder-prasselt ist fast schon erschlagend, lässt kaum Luft zum Atmen. Und ich wundere mich, bei den offensichtlich betont Gegen-bürgerlichen Einstellungen der Künstler, wie unkritisch und seltsam-brav der Film letztlich geworden ist.
                                7-mal die Mauer nieder-singen.

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                                • 7 .5
                                  lieber_tee 21.03.2017, 13:36 Geändert 21.03.2017, 22:56

                                  Wenn Daniel Craig, wie damals Ursula Andress, halbnackt aus dem Meer steigt, so sein kantig-durchtrainierten Körper demonstrativ zu Schau stellt, dann ist offensichtlich wie der Relaunch der Serie gedacht ist. Umkehrung und Neuanordnung des Bekannten. Bewusst nähert sich dieser Bond an die Vorstellung der literarischen Figur. Eine männliche Fantasiegestalt, die ein Schwanzkönig der westlichen Welt sein kann aber ein soziopathischer Killer ist, der sich wortwörtlich nach und nach körperlich und seelisch entblößt. Dieser Bond ist der Beginn seiner Selbstdemontage.
                                  Eine eiskalte, verbissene, selbstgefällige Lizenz zum Töten entdeckt die Liebe, wird verwundbar. Das Glamouröse und Promiskuitive hat er abgestreift, er ist ein beinharter Arbeiter, der schnörkellos seinen Job erfüllt. Das Körperliche steht im Mittelpunkt, das Seelische folgt zusehends. Daniel Craig gibt dem Bond-Charakter eine Härte und auch Kälte zurück, die teilweise erschreckend ist in seiner Ambivalenz und noch nicht zu erfassenden Tiefe.
                                  Besonders gegenüber Frauen ist er schwer berechenbar. Während das Weibliche im Film eher zu tragischen Opferverhalten tendiert, erfolgt bei der Krone der Agentenschöpfung ein Beschützergefühl, das wohl tief in ihm schon vorher steckte, aber jetzt ausbricht. Daher verliert der Film im letzten Drittel auch die äußere (Action-) Dynamik und erschöpft sich in etwas unbeholfen-schwülstigen Liebesbekundungen vom harten Kerl. Dank der überraschend cleveren und scharfsinnigen Regiearbeit von Martin Campbell ist aber gerade dieser vermeintlich schleppende Akt mit seinen zentralen Motiven der Bondfigur, das Pokerspiel und seine Beziehung zu ihm nahestehenden Menschen, eine clevere Annäherung an den „neuen“, geerdeten 007.
                                  7,5 Martinis gerührt oder geschüttelt, scheiß egal.

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                                  • 6 .5

                                    Jung und hübsch.
                                    Minderjährige Mädchen und die Entdeckung ihrer eigenen Sexualität scheinen im (frivolen) französischen Kino ein beliebtes Thema zu sein. Gerne mit Nymphomanie, Lolitas und dem Motiv des bürgerlichen Schulmädels, das ein Doppelleben als Callgirl führt. François Ozon stellt, ebenso wie Luis Buñuels Klassiker Belle de Jour (1967), Prostitution als ein Akt der Selbstfindung da. Wenn die 17 jährige Isabelle ihren Wert bei Männern austestet, dann ist das sowohl Bestätigung als auch Orientierung. Dieses nach Altherrenfantasie riechende Angebot hat dem Regisseur Kritik eingebracht. „Gute Schauspieler in einer pädophilen Mottenkiste“ ist der Vorwurf. Das ist oberflächlich, wenn man(n) den Streifen als Vorlage für rubbelnde Bewegungen sieht, nicht von der Hand zu weisen. Aber bei allem Sleaze wirkt der Film seltsam nüchtern, fast spröde-distanziert. Baut eine Distanz zum Zuschauer auf.
                                    In makellosen, glatten Bildern ist „Jeune & jolie“ kein ranziges, voyeuristisches Bahnhofkino oder ein Arthouse-Porno, sondern ein mit subtilen Humor durchzogenes Jugenddrama, das Coming-of-Age mit Eros und Thanatos verbindet. Ozons Protagonistin ist ein unbestätigter Mythos. Sie rebelliert nicht gegen ihr Elternhaus, im Gegenteil, da wirkt sie überraschend angepasst. Ihr Treiben (im doppelten Sinn) wird marginal psychologisch grundiert, ohne eindeutige Erklärungen für ihr Verhalten zu bieten. Sie hat Bock auf (sexuelle) Abenteuer, auf Macht, auf ihre eigene Naivität. Die Befriedigung (und der Verdienst) steht nicht immer im Vordergrund, eher erscheint es als ob sie einen väterlichen Ersatz sucht. Was sie bei ihrer unbändigen Lust fühlt wird nie ganz klar. Ihr wahrscheinlich auch nicht, denn sie ist selbst noch auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Prostitution als Selbsterfahrung. Und nicht nur das, denn die sexuellen Sehnsüchte und Selbstfindungen spiegeln sich auf vielfältige Art und Weise auch innerhalb Isabelles Familie wieder.
                                    6,5-mal duschen.

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                                      lieber_tee 19.03.2017, 21:18 Geändert 16.10.2019, 22:28

                                      Intelligenter Gore.
                                      "Leben und Tod einer Pornobande" fühlt sich an wie die serbische Antwort auf John Waters "Pink Flamingos". Ist ein Film, der bewusst mit direkt dargestellten Vergewaltigungen, Selbstverstümmlungen, Snuff-Motiven und Pornographie provoziert. Aber als Schocker für Freunde des Horrors und Sleaze funktioniert er nicht, denn seine Schauwerte sind kein Vergnügen, spielen nicht die primäre Rolle.
                                      In erster Linie ist der Film eine nihilistische Metapher über das derzeitige Serbien, das die letzten 20 Jahre von Krieg geprägt war. Die bizarren Ereignisse um eine experimentelle und hippieske Sex-Roadshow in den ländlichen Teilen des früheren Jugoslawiens ist ein Abstieg in die Perversität des Showgeschäftes und in die Niederungen von Menschen. Hier wird Eros und Thanatos zu einem selbst-gewählten Akt der Selbstzerstörung. Obwohl die Porno-Bande dabei viele (Geschmacks-) Grenzen überschreitet, wirkt sie weit weniger verstörend als erwartet. Im Gegenteil. Der Film wird von einem angenehmen Charme aus bitter-süße Melancholie ummantelt, selbst das Grauen hat etwas Menschliches.
                                      Die Porno-Bande wurde scheinbar aus Schmerz und Verzweiflung geboren, über das Schicksal einer zerrissenen Nation. Zeigt die Heuchelei von sexueller Selbstrepressionen, übt Kritik an westlichen Regierungen, die sich in serbischen Angelegenheiten einmischen und beißt fies in die Wade des Raubtierkapitalismus. Viele Szenen sind brutale Erinnerung an die Gräueltaten des Krieges, die sich in den emotional verstümmelten Figuren des Films wieder finden.
                                      Die nicht-professionellen Schauspieler machen einen hervorragenden Job, die amateurhafte Video-Ästhetik wird clever und bewusst eingesetzt.
                                      7,5 Rennie®-Tabletten gegen Sodbrennen, denn der Film ist nix für schwache Mägen.

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                                        lieber_tee 19.03.2017, 00:53 Geändert 19.03.2017, 18:52
                                        über Alpen

                                        Nachdenken über das Abwesende.
                                        Der griechischen Regisseur Giorgos Lanthimos gehört sicherlich zu einem der faszinierendsten Filmemacher im Moment. In seinem Film „Alpen“ konfrontiert er den Zuschauer mit einer kruden Rollenspiel-Prämisse. Ein Art seelischer Trostdienst bietet trauernde Hinterbliebenen den Service an, das seltsam steif agierenden Schauspieler eine Zeitlang in die Rollen der Verstorbenen schlüpfen bis der Verlust überwunden ist. Diese absurde Dienstleistung stellt Lanthimos mit heiligen Ernst und als unterschwellige Groteske da, entlarvt so zwischenmenschliche Umgangsformen und Empathie als Mysterium. In einem verknappten, irgendwie kalt-schaurigen Stil werden Kommunikation und Identität ad absurdum geführt. Dabei wird dem Zuschauer einiges an Geduld und Konzentration abverlangt. Die verfremdete Welt wirkt distanziert, mit unscharfen (Kamera-) Fokus bewegt sich der Zuschauer durch spröde und funktionale Räume, durch absurdeste Szenen. Das ist eben so rätselhaft wie provokativ wie anstrengend, hat aber eine überraschend faszinierende Wirkung, die schwer zu definieren ist.
                                        7 korrigierende Regieanweisungen.

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                                          Makeup und Glitzerfummel.
                                          Es fällt schwer „Velvet Goldmine“ irgendeinem Genre konkret zuzuordnen. Seine detektivische Spurensuche bzw. assoziativ erzählte Rekonstruktion einer Epoche ist weder ein reiner Musikfilm noch reines Drama, eher eine Hommage an den Glam-Rock mit seinen Subkulturen und veränderten Verständnis zur Sexualität. Offensichtlich fasziniert und wie in einem 70er-Jahre-Musik-Videoclip rauscht Filmemacher Todd Haynes mit seinen kompetenten Darstellern durch modische Eskapaden mit langen Haaren und Liebesperlen. Glamour, Geilheit und Geschmacksverirrungen. „Tunten“ in grellen Klamotten und mit grell geschminkten Gesichtern. Die sexuelle Befreiung kennt kein festgelegtes Geschlecht mehr, die Jagd nach Hedonismus kennt keine Grenzen. Glam Rock als aufgedonnerte, selbst-inszenierte Prostitution, eine Maske hinter die der Niedergang lauert.
                                          Anhand zweier Biographien fiktiver Stars, die wohl an David Bowie und Iggy Pop angelehnt sind, entsteht eine Betrachtung dieser Zeit. Unlinear und aus verschiedensten Perspektiven nähert sich der Film dem Mythos dieser Jahre und versinkt in ihm wie in einem Strudel. Schablonenhaft, rauschhaft, nicht auf schlüssige Dramaturgie setzend wirbelt der Betrachter durch die Dekade, erlebt die nostalgische Collage überzeichnend und in manchen Momenten überraschend sensibel, mit ihrem Blick auf die Selbstfindung.
                                          7-mal die Lippen mit Blut geschminkt.

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                                            lieber_tee 17.03.2017, 01:57 Geändert 17.03.2017, 07:34

                                            Die dunkle Seite des modernen Blockbuster-Kinos.
                                            Das der dritte Transformer marginal „besser“ erscheint als sein Vorgänger sagt nicht viel über den Film aus. Er ist offensichtlich als ein Art Belastungstest für Bays Spielzeugroboter-Franchise angelegt. Der gigantische Erfolg bestätigt scheinbar ein Bedürfnis bei den Fans nach einem immer wiederkehrenden Reizschema. Es ist schon erstaunlich mit welch grotesker Gigantomanie und einem unhaltbaren Wunsch nach Überstimulation Bay die Reihe vorantreibt. Nicht als feinsinniger Künstler, sondern als grob-motorischer Handwerker, der seinen Job macht. Nur leider ging der Film bzw. der Genuss irgendwo bei der Arbeit verloren…
                                            Das CGI ist, ohne Frage, sehr, sehr beeindruckend, der Inhalt dagegen so gar nicht. Optimus Prime rettet die Menschen, während die Decepticons versuchen sie zu zerstören. Das war’s. Vieles macht überhaupt keinen Sinn und schnell hat der Zuschauer komplett im hektischen Schnittgewitter, das eine sinnvolle Anschlussmontage weitestgehend ignoriert, den Überblick verloren. Er schaltet inhaltlich ab, lässt sich von den Effekten berauschen. Die Klischees und überwältigenden Explosionen rauschen gleichgültig an einem vorbei. Dumme Dialoge treffen auf dummes Herumgeplotte, treffen auf dümmlichen Pennäler-Humor. Roboter hauen sich gegenseitig die Rübe ein. Verschwörungen an jeder Ecke. All das bedeutet nichts, die Tonspur dröhnt, der Schädel auch. Und dann kommt plötzlich die furiose Sequenz, in der ein Hochhaus langsam kippt und die Kampfeinheit die Fassade herunter schlittert, da ist mir dann doch die Kinnlade herunter-gekippt.
                                            Ist das Kunst oder kann das weg? Transi 3 ist das was er sein will. Ein Hochglanzwerbeprospekt für Krieg, Militär und Autos, mit computergenerierten Charakteren. Eigentlich müssen Popcorn-Blockbuster nicht so unerquicklich sein. Wenn schon stumpfer Technik- und Tittenfetisch, dann wenigstens nicht so seelenlos. Allerdings, das muss ich zugeben, diese dreiste Zuschauerverarschung (-verachtung), diese hemmungslose Maßlosigkeit, fasziniert mich.
                                            4-mal während des Films aufs Klo gegangen.

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                                              "Ich bin ein goldener Gott!"
                                              Für mich war der Seventies-Rock immer schmutzig, hemmungslos und voller Sex und Drogen. Mein Bild ist natürlich ebenso nostalgisch verklärt wie das von Cameron Crowe, nur mit dem Unterschied das ich nicht behaupte dabei gewesen zu sein.
                                              Für Crowe ist der Film eine persönliche Angelegenheit, die er so oder ähnlich erlebt hat. Herunter-gebrochen auf eine romantisch-verklärte Musik- bzw. Zeitstudie, die teilweise überraschend spießig wirkt. Sein Eintauchen in das damalige Jimmy Page-Universum ist für ihn eine sanft-pubertäre Rebellion gegenüber familiärer Überbehütung, ein jungfräulicher Liebesakt und die Bewundern vor den musikalischen Helden dieser Zeit.
                                              Sein jugendlicher Protagonist erlebt das was sich jeder in seinen naiven Träumen aus Sex, Drugs and Rock’n’Roll nun mal vorstellt. Sexy Groupies, coole Hotels, beengtes Tour-Leben, gierige Manager, band-interne Hierarchie-Streitereien, ausgelassene Partys im Back-Stage-Bereich und so weiter und so fort. Die Dreiecks-Liebesgeschichte mit dem niedlichen aber auch irgendwie keimfreien Profi-Fan Penny Lane (Kate Hudson) ist der rote Faden an dem die Höhen und Tiefen, der voyeuristische Reiz, aber auch die oberflächliche Lügenhaftigkeit dieser Zeit abgearbeitet wird.
                                              Sentimentalität und Verblendung als Coming of Age. Ebenso wie der begabter Schülerzeitungsjournalist nach und nach den wahren Wert von Liebe (und Freundschaft) erkennt, erkennt er auch die Schattenseiten des Musikerlebens, das aus einsamen Ruhm, Neid und falschem Geschäft besteht. Seine Reifung, seine Erkenntnisse werden dem Zuschauer sauber partitioniert dargereicht.
                                              Manchmal wirkt der Film wie ein chic-gekleidetes Ausstellungsstück, dann gibt es sanft-ironische Kritik auf den geschäftlichen und oberflächlichen Hedonismus. Idyllisch beäugt der naiv-kluge Hobby-Journalist den sauberen 70er-Designer-Fummel um ihn herum, selbst die zerschnittenen Pulsadern-Abgründe des Rock-Zirkus wirken hübsch, wie eine Attitüde.
                                              Und tatsächlich zaubert „Almost Famous“ dabei den Mythos des Rockstars herbei, ebenso wie er ihn nach und nach sanft entzaubert. So glatt der Streifen auch wirkt, er schafft es sentimental sowie desillusionierend zu sein. Und er ist letztlich, trotz Kritik an den Ausverkauf von Kunst, ein Liebessong an den Rock & Roll und an die Menschen die ihn gelebt haben. Nicht frei von Klischees und Manierismus des Musikfilms bringt Crowe immer wieder den Helden dieser Zeit uneingeschränkte Sympathie entgegen, sie erscheinen liebenswert. Auf echte Haken und Kanten verzichtet er dabei, seine Darsteller füllen diese Lücken begnadet gut aus.
                                              „Almost Famous“ ist sicherlich nicht perfekt, wirkte auf mich etwas zu glatt in seinem märchenhaften Feel-Good-Modus, aber er hat viel Gefühl für die Adoleszenz und einen herrlich un-analytischen, bauchigen Ansatz die Verlogenheit des Musik-Business darzustellen.
                                              7 gut sortierte Plattensammlungen.

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                                                Der Vorzeige-Patriot Peter Berg und Michael-Bay-Klon hat wieder zugeschlagen. Nicht so heftig wie befürchtet, aber subtil ist das auch nicht. Er versucht sich hier als anspruchsvoll-emotionaler Storyteller, benutzt die Nacherzählung der Tragödie um die Marathon-Bombardierung im Frühjahr 2013 als Tribut an die gewöhnlichen Leute von Boston. Als ein Plädoyer für die anhaltende Stärke des menschlichen (US-) Geistes im Kampf gegen das (vermeintlich) Böse. Aber Berg fehlt einfach das Fingerspitzengefühl, letztlich bleibt der Film in seinem Patriotismus-Anspruch stecken, am Ende muss der Zuschauer dann doch salbungsvolle Original-Interviews mit den Opfern fressen. Das Politische bleibt privat.
                                                Dabei sind die ersten zwei Drittel überraschend gediegen, fast besonnen. Wie in einem Katastrophen-Film werden die Ereignisse aus der Sicht vieler verschiedener Personen erzählt, verbunden mit einem fiktiven Charakter, der immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist um zu helfen. So entsteht ein Bezug zu den betroffenen Schicksalen. Der Terrorakt wird zurückhaltend in Szene gesetzt, im Mittelpunkt stehen die nüchtern-fiebrige Darstellung der Polizeiermittlung und das Katz-und-Maus-Spiel mit den Terroristen, die mal nicht als sabbernde Islam-Maniacs dämonisiert werden. Der dabei fast schon dokumentarische Inszenierungsstil ist eine Stärke des Films.
                                                Allerdings wäre Berg nicht Berg, wenn er aus der sensiblen Herangehensweise an Terrorismus nicht doch eine große Action-Sause machen würde, inklusive heroischen Verhalten in gut-amerikanischer Westernmanier. Die Schlagzahl patriotischer Ausrufe nimmt im selben Verhältnis wie die Einschläge im Kugelhagel zu. Vor Vaterlandsliebe und urbaner Gemeinschaft nur so triefende Monologe treffen auf unterkühlt, geradlinige Actionsequenzen, die fast an die Genialität von Michael Manns Straßengefechten erinnern. Ob das der Sensibilität des kollektiven Traumas gerecht wird möchte ich mal im Raum stehen lassen…
                                                Aber als kurzweilig anfühlender Countdown-Menschenjagd-Thriller funktioniert „Boston“ hervorragend. Nicht mehr und nicht weniger.
                                                Mit 6 Minuten Verspätung die Ziellinie erreichen.

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                                                  Die unfassbar teure US-Produktion 47 RONIN hätte ein kunterbuntes Fantasy-Spektakel werden können, das mit üppiger, pathetischer Ehren-Kodex-Gestik die klassischen Samurai-Tragödien honoriert. Optisch macht sie auch einiges her, die 175 Millionen sind erkennbar.
                                                  Opulente Kostüme, berauschende Landschaften, eine Vielzahl visueller Effekte, CGI-Fabelwesen, herrenlose Schwertkämpfer, Dunkel gegen Hell, der Topf mit japanischen Legenden um Selbstaufopferung ist prall gefüllt. Nur ist relativ schnell erkennbar, dass hier lediglich die verkitscht-dekorative Version von japanischer Folklore für den kommerziell-reizvollen, asiatischen Markt generiert wurde. Ungelenk und verstümmelt hinkt der Film der Magie vieler Fantasy-Streifen hinterher. Keanu Reeves wirkt seltsam deplatziert und unmotiviert als Jesus mit Schwert, die ganze Chose berührt nie und der erzählerische Antrieb ist auf zögerlicher Sparflamme. Die offensichtliche Trivialisierung entwickelt einfach keine Poesie, die jugendfreie Action ist zu brav.
                                                  Abgesehen davon ist der Streifen allerdings in einigen Momenten stark. Zwar passt hier nichts zusammen, aber einzelne Szenen (z.B. die Flucht vom Piratenschiff) deuten an, was aus dem Film für ein erquickliches Vergnügen hätte werden können. Aber so sind die siebenundvierzig Ronins im Gesamteindruck leidlich akzeptables Unbedeutungskino für einen verregneten Sonntag-Nachmittag.
                                                  5-mal Harakiri machen.

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                                                    Der Kiffer als Kampfmaschine. Knochen-knirschende Liebe.
                                                    „American Ultra“ ist wie ein grausamer Scherz. Versucht niedliche Slacker- und Kiffer-Romantik mit enthemmten Blutvergießen zu kombinieren, irgendwo zwischen Agenten- und Splatter-Fun. Verspricht filmische Anarchie zu sein, ermüdet aber schnell in seinem Krawall und verschenkt so seinen abgedrehten Spaß-Faktor. So sehr er auch seine Genre-Versatzstücke leidenschaftlich überhöht, seine beknackte Prämisse und absurde Situationskomik kommt nie vollends zur Geltung. Denn trotz rabiatem Augenzwinkern nimmt sich der Film für einen Stoner-Flick zu ernst. Sein rabenschwarzer Humor steht in einen seltsamen Kontrast zur gespielten Zuneigung der beiden Potheads, die in ihrer nerdigen Ernsthaftigkeit und Alltäglichkeit einem verschrobenen Loser-Indie-Film entsprungen sein könnte. Die Verschrobenheit funktioniert aber letztlich nicht konsequent genug, ermüdet auf die Dauer, weil sie nicht punktgenau ist. Mal witzig-süß, dann sadistisch-albern, beides steht mit Leerlauf dazwischen, isoliert nebeneinander.
                                                    5 Panikattacken.

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