lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

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    Regisseur Brian Trenchard-Smith liefert seit den frühen 70er-Jahren feinstes Ozploitation-Kino ab (z.B. „The Man from Hong Kong“ oder später „BMX Bandits“). „Turkey Shoot“ ist eine amüsante B-Mischung aus SF-, Knast- und Actionfilm. Derbe, brutal, zynisch und menschenverachtend, allerdings dabei offensichtlich nicht humorbefreit. Zwei Handlungshälften folgend, Sadismus in einem dystopischen Umerziehungslager und sadistische Menschenjagd, sorgt der Streifen bei seinem Showdown ordentlich für Action-Randale. Da explodiert so ziemlich alles was nicht bei drei auf den Wachtürmen ist. Die grafischen Gewaltszenen haben diese offene Boshaftigkeit, wie sie nur im ungehemmten und politisch ungefilterten 80er Jahre-Kino möglich war. Wenn dann noch Fuß-Zehen-fressende Wolfsmutanten, phallusorientierte Femme Fatale und albern-futuristische Autos durch den Dschungel jagen, dann kann man den Film kaum noch ernst nehmen. Hier wird exzessiv jede noch so krude Drehbuchidee mit Lust auf Unsinn verfilmt,
    7 Blondinen, die entspannt im See baden, obwohl sie gerade fast zu Tode gehetzt wurden.

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    • 4 .5
      lieber_tee 10.12.2016, 01:58 Geändert 10.12.2016, 02:03

      Italienisches Rip-Off des australischen Horrorfilms PATRICKS HÖLLENTRIP vom Schmuddel-Regisseur Mario Landi, der schon mit dem schmierigen „Giallo A Venezia“ (1979) den Giallo mit zu Grabe getragen hat.
      Typisch für das italienische 70er und 80er Grusel-Kino wird hier ordentlich in der Blut-Soße gerührt und zusätzlich noch in den Muschies der Darstellerinnen. Extrem Schwachsinnig in seiner Handlung, sammelt sich hier ein großer Haufen aus Unlogik, peinlichen Dialogen und Schauspiel. Die telekinetische Splatter-Keule schlägt unerbittlich zu, am Bettpfosten werden die primären und sekundären Geschlechtsorgane gerieben. Intellektuell im Null-Bereich, gibt es in der zweiten Hälfte garstigen Gore, dessen „Höhepunkt“ ein Angriff auf eine nackte Frau ist, die mit einer Stange vaginal rein, oral raus durchbohrt wird. Dazu heulen die Hunde, die Blätter rascheln und eine nerven-durchdringende „Musik“ greift das Gehör an.
      Klingt scheiße, ist es auch.
      Allerdings in der Gesamtbetrachtung erreicht dieser drittklassige C-Film in seinem Unvermögen eine albtraumhafte, obskure Stimmung.
      Wer unbedingt Lust auf einen üblen Sex-and-Blood-Exploiter hat und bei der Vaginalpfählung nicht ausschaltet, kann erleben wie niederträchtig damals italienisches Horrorkino war. Gut muss er das dann aber nicht finden.
      4,5 achtlos aus einem fahrenden Auto geschmissene Flaschen.

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        lieber_tee 09.12.2016, 15:07 Geändert 10.12.2016, 02:07

        Zum 100. Geburtstag von Kirk Douglas…
        „Posse“ ist ein Art Anti-„High Noon“. Statt einen aufrichtigen US-Marschall in den Mittelpunkt zu stellen, gibt es hier einen machtgeilen, zynischen Gesetzeshüter, der aus politischer Berechnung Verbrecher verfolgt und seine Wahl-Stadt manipuliert. Ein gejagter Outlaw ist der Gegenspieler, sympathisch, clever (allerdings eigentlich ebenso zynisch), spielt er das moralisch korrupte System gegeneinander aus.
        Die einzige (alleinige) Regiearbeit von Kirk Douglas ist eine Politparabel. Stramm, mit sicherer Hand und mit Blick auf Action-Schauwerten inszeniert, ohne dabei den Werteverfall des amerikanischen Gründermythos aus den Augen zu verlieren. Recht und Ordnung sind hier eine Grauzone. Machtkalkül wird dekonstruiert. Dies kann als offensichtlicher Kommentar auf die turbulenten 1970er Jahre gesehen werden. Der Vietnam-Krieg, die Watergate-Affäre um Präsident Richard Nixon haben das Vertrauen der Bevölkerung gegenüber der Politik von Mächtigen nachhaltig zerstört. Misstrauen und Desorientiertheit herrschte vor.
        „Posse“ist ein unkonventionelles Porträt über politischen Ehrgeiz und seine Folgen, überzeugend in einen schmissigen Western verpackt. Das ist mehr als manch andere artverwandte Filme bieten.
        7 un-servierte Apfelkuchen in der Präsidentensuite.

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        • 4
          lieber_tee 09.12.2016, 00:27 Geändert 09.12.2016, 00:35

          Sleazy, nasty, naughty...
          Mario Landis' „Giallo a Venezia“ ist ein extrem schundiger Film. Er hat zahlreichen (Hardcore-) Sado-Sex-Szenen und sehr grafischen Gore. Das macht ihn aber nicht automatisch zu einen sehenswerten Film. Sein Verbots-Mythos ebenso wenig. Selbstzweckhaft ohne Ende, mit einer Geschichte bei der nebenbei problemlos gebügelt werden kann, reihen sich Geschmacklosigkeiten und Unwichtigkeiten aneinander. Die dürftige Kriminalstory verbindet lose Langweile mit Stirnrunzeln und unfreiwillige Erheiterung. Ein ständig hart-gekochte Eier vor sich hin mümmelnder Inspektor eiert zynisch durch das Geschehen, dazu dudelt käsige Pornomusik. Das ist alles haarsträubend doof und mit einer sadistischen Misogynie durchzogen.
          Sicherlich kein Giallo-Highlight, eher ein weiteres Beispiel wie das Genre zu Grabe getragen wurde.
          Höchstens für Leute zu empfehlen die Frauen hassen, Vaginal-Verstümmlungen mögen und unflätiges 70er Jahre-Kino lieben.
          4 Hemden während des Films gebügelt.

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          • 4
            lieber_tee 08.12.2016, 15:34 Geändert 09.12.2016, 02:52

            „Das ist hier absolut keine gewöhnliche Party!“
            Naja…
            Wenn die Einsamkeit Menschen dazu schlägt bzw. zwingt sich seinen dunkelsten Gedanken zu stellen, um moralische Zwänge auf zu lösen, dann kommt solch ein Film heraus.
            Debüt-Regisseur Emiliano Rocha Minter penetriert den Zuschauer in artifiziellen Bildern mit Key-Wörtern aus Porno-Seiten und Trigger-Motiven des abgründigen Films. Unter dem Motto, die Liebe gibt es nicht mehr, nur noch ihre Vorführung, ackert sich „Flesh“ durch die Fetischpornographie: Hardcore-Sex, Blow-Jobs, Rape-Phantasien, Pissing, Inzest, Nekrophilie, Kannibalismus, Drogenkonsum, Menstruations-Blut trinken. Der Film wirkt wie die gekünstelte Variation eines Rob-Zombie-Films, nicht im White-Trash sondern Hispano-Trash angesiedelt. Nicht ohne absurden Humor werden in einer Uterus-Pappmaché-Hölle die gesellschaftlichen Moral-Regeln (Angesichts der Apokalypse?) von einem Anti-Messias aufgehoben und als eingegrenztes Schmuddel-Kino in edlen Bildern serviert. Arthaus-Freunde dürfen mal wieder wohlwollend zu einem Kunst-Porno wichsen, wenn hier der verderbte Mensch aus Schleim, Blut und Sperma generiert wird.
            Aber ich will den Film nicht zu sehr abstrafen. Vielleicht bin ich mit meinen 48 Jahren zu spießig geworden, oder ich bin zu sehr eine Mainstreamhure und mir fehlen die narrativen bzw. empathischen Zusammenhänge. Leider ödet mich diese Art von Übertretungs-Kino einfach nur an, finde es unberührend und uninteressant. Der Versuch mit herausfordernden Motiven und Mitteln unsere / meine (moralischen) Werte zu hinterfragen funktioniert bei mir nicht, bzw. nicht mehr, ich bin kein pickeliger Jungspund, der bei erigierten Schwänzen fassungslos vor der Glotze sitzt. Wenn am Ende aus gekochten Menschenmatsch die Reinheit der Unmoral entsteht, vielleicht als Antithese zu katholischer Symbolik gemeint, wenn der Film das letzte Mal mit einem Twist in mein Hirn ficken will, dann denke ich, oha, wieder mal ein Streifen, der Oberflächlichkeit abfeiert und es sich deshalb gefallen lassen muss auch nur als oberflächlicher Reiz wahrgenommen zu werden.
            4 Arschfalten mit der Wärmekamera gefilmt.

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            • 6

              Arte Dokumentation über den Schmuddler des Hollywoodfilms.
              Subversiv und zugleich massentauglich sind Paul Verhoevens Filme. Ob in seinem Heimatland oder in den USA gedreht. Einige seiner umstrittenen Werke haben eine verzögerte Wertschätzung erfahren, der Meister war oft seiner Zeit voraus. Mehr sagt die Doku allerdings auch nicht aus. Für Verhoeven bedeutet Kino das Leben, er wirkt in den Interviews leidenschaftlich, sympathisch, clever und immer mit einem Schalk im Gesicht. Kritisch wird seine Art des Filmemachens allerdings nie hinterfragt, alle loben ihn in den höchsten Tönen. Das ist natürlich für mich Fanboy Nutella auf einem Weißbrötchen, irgendwie hätte ich mir etwas cineastische Tiefe aber schon gewünscht.
              6 herrlich ironische Reden bei der Himbeeren-Verleihung.

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              • 6 .5
                lieber_tee 07.12.2016, 02:38 Geändert 28.10.2019, 22:18

                Mike Flanagans unabhängig produzierter Debüt-Horrorfilm wirkt wie ein Mischung aus Mumblecore-Indie und gechillten Grusel in einem abgelegenen Winkel der kalifornischen L.A.-Vorstadt. Der Film hat ein langsames, bewusstes Tempo und baut sorgfältig ein kumulatives Gefühl der Angst auf, ohne sich der billigen Jumpscare-Taktik zu bedienen. Das funktioniert deshalb so gut, weil er sich Zeit für seine Charaktere nimmt, die in einem glaubwürdigen, realistischen Szenario verordnet sind. Denn im Mittelpunkt stehen die Beziehung zwischen zwei Schwestern und eine melancholische Geschichte über Verlust. Die übernatürlichen Elemente werden subtil in die Handlung eingebaut, so dass nie ganz klar ist wie viel in der Realität und wie viel in der Einbildung bei den Figuren passiert. Diese Ambiguität bleibt bis zum Ende erhalten, erzeugt subtile Spannung. Sicherlich begründet wegen des begrenzten Budgets sind die Spezialeffekte auf ein Minimum reduziert, der Schrecken bleibt off-screen. Spätestens die letzte Szene dient dann als Allegorie für den städtischen und sozialen Verfall, der im Herzen der modernen Existenz sich offenbart. Der Film braucht ein wenig Geduld seitens des Publikums und die wirklich furchteinflößende Erfahrung bleibt aus, dafür fehlt am Ende dann doch der wirkungsvolle Höhepunkt, nachhaltig vergruseln kann er aber schon.
                6,5 Fußgängertunnel nahe dem Haus.

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                • 6
                  lieber_tee 06.12.2016, 12:14 Geändert 10.12.2016, 03:20

                  Fans von Blut und Eingeweiden werden hier nicht das finden was sie suchen (bis auf die letzten 10 Minuten). Denn "Sorgenfri" ist ein Belagerungsthriller aus dem Seuchen und Zombie-Bereich, der mehr Wert auf seine klaustrophobische Stimmung legt. In schaurigen aber leider auch sattsam bekannten Bildern wird das übliche Untoten- und Militär-Isolationsszenario durchgekaut, das wir schon in vielen Low-Budget-Horrorfilmen gesehen haben. Allerdings ist die Verlagerung in die dänischen Vorgärten zumindest von der Lokation her eine angenehm neue Variante. Konsequent aus der Sicht der Bedrohten erzählt, entwickelt der Streifen eine Spirale der Ausweglosigkeit, die von einem sehr dunklen Herzen geprägt ist und etwas an der Oberfläche einer stabilen Gesellschaft kratzt. In Zielrichtung auf den traditionellen und kathartischen Höhepunkt wirkt die Gewalt heftig, leider interessiert sich das Skript zu wenig für seine Charaktere, die auch nicht sonderlich überzeugend spielen. Gerade der jugendliche Held agiert wie ein Schultheater-Autist.
                  6 Kaninchensuppen.

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                    über Inferno

                    Fand die beiden Vorgänger schwach, fand die Romane mäßig, habe nix erwartet, habe nix bekommen...
                    Zum dritten Mal darf Tom Hanks als Symbolprofessor, in Begleitung einer jungen hübschen Dame, eine Schnitzeljagd entlang europäischer Kulturorte machen, die jeden Bildungsbürger erfreuen. Inszenatorisch und schauspielerisch auf Autopilot gilt es einen Virus zu stoppen der die Welt-Überbevölkerung halbiert. Dabei ist Hektik wichtiger als Logik, die nicht uninteressanten ethischen Fragen gehen dabei komplett den Bach runter. Buchkenner von Dan Browns unsäglichen Bestsellertrash werden verwundert sein, das seine einzig originelle Idee am Ende des Films für einen 08/15 Höhepunkt geopfert wird, der Rest kann sich zurück lehnen und den Film bei seiner Sonntag-Abend Veröffentlichung im ZDF schauen.
                    4 Punkte für einen Film den man mit Amnesie besser ertragen kann.

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                      lieber_tee 05.12.2016, 01:03 Geändert 16.12.2016, 03:19

                      Das Thema des magischen Außenseiters mag nicht sonderlich originell sein und "X-Men" mit den Harry Potter-Büchern in einen einzigen Film zusammen zu pressen ebenfalls nicht. Aber Tim Burtons Ode an Wunder und Verrücktheit ist eine amüsante Anpassung an Ransom Riggs Jugend-Roman, als brauchbares Studio-Spektakel inszeniert.
                      Der Film ist dann immer gut, wenn der bösartige Wahnsinn des Meisters durchscheint. Und diese schrullige Kunstfertigkeit, gepaart mit eigenartiger Sensibilität ist durchaus vorhanden. Es finden sich zahllose Motive und Themen aus seinen früheren Arbeiten wieder und fast glaubt der Fan, dass der alte Nonkonformist wieder die Magie des Kinos für sich entdeckt hat. Fast, denn auf die Dauer fühlt sich die „Insel“ leider dann doch nur überfüllt und viel zu vertraut an, wie eine Wiederholung der alten Tricks aus Burtons größten Hits.
                      Seine Verspieltheit ist wie eine Zeitschleife aus vergangenen Filmen, der bizarre und morbiden Schönheits-Stempel ist da, allerdings driftet zum Ende hin der Streifen dann doch zu sehr in konventionelles Aufregungskino ab, verliert die vielversprechende Prämisse einen bösen und dunklen Kinderfilm für Erwachsene zu erschaffen.
                      Aber egal, wenn zu Kirmes-Techno eine Skelettarmee sich eine Schlacht mit riesigen Tentakelmonstern leistet, dann fällt es mir schwer dem Film der verpassten Chancen wirklich böse zu sein.
                      7 suspekte Vogelkundler, deren Hobby mir schon immer suspekt war…

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                        lieber_tee 04.12.2016, 01:56 Geändert 05.12.2016, 03:04

                        User-Kommentare-Wichtel-Aktion 2016.
                        Advent, Advent, das zweite Lichtlein brennt und der Vitellone bekommt einen Text geschenkt.
                        „Wir sind keine Waffenhändler, wir wollen nur gute Flugzeuge bauen.“
                        Hayao Miyazakis (angeblicher) Abschiedsfilm ist für mich eine schwierige fliegende Kiste.
                        Erzählt wird die Geschichte des Ingenieurs Jirō Horikoshi, dessen Traum vom Fliegen an seiner Kurzsichtigkeit scheitert und deshalb ein Konstrukteur von Flugzeugen wird. Er entwickelt den Kamikaze-Bomber „Zero“, der z.B. im zweiten Weltkrieg beim Angriff der Japaner auf Pearl Habor verwendet wurde.
                        Miyazaki deutet immer wieder das Verhängnis des Ingenieurs an. Das seine genialen Entwicklungen für militärische Zwecke genutzt werden. Die Sympathie des Regisseurs liegt dabei eindeutig auf der träumerischen Selbstverwirklichung seines Protagonisten. Ein moralischer Zwiespalt wird nicht wirklich ausformuliert, eigentlich auch nie von ihm thematisiert. Im Gegenteil, in seinem unpolitischen und naiven Handeln, trotz Wissen das seine entwickelten Flugzeuge in irgendwelchen Kriegen benutzt werden, ist der Protagonist pflichterfüllt und voller Sehnsucht weiter dabei die Maschinen zu bauen. Miyazaki geht es um einen Jungen, der mit kindlich-großen Augen, durch dicke Brillengläser verstärkt, seinen Traum verwirklicht. Ohne Wenn und Aber.
                        Der Film ist keine Glorifizierung auf todbringender Kriegs-Technologie, soweit würde ich nicht gehen. Allerdings in wie weit hier faschistischer Imperialismus mit verkitschten Kinderaugen betrachtet wird ist zwiespältig. Die Kriegs-Problematik wird dabei immer wieder angedeutet, mit kleinen Details und Bildern, die in die Geschichte eingewebt werden. Das ist durchaus erkennbar. Ausformuliert als Reflektion oder Distanz wird sie aber nie. Das kann als kreativ erachtet werden, weil so die Meinungsbildung beim Zuschauer liegt, nicht mit dem Zeigefinger transportiert wird. Für mich wirkte dieser Form des Diskurses aber nichtssagend, fast feige. Denn letztlich will Horikoshi einfach nur ein schönes Flugzeug bauen. Egal zu welchen Preis.
                        Im Kern ist der Ingenieur eine tragische Person. Auf der Suche nach dem Schönen begegnet er auch immer dem Hässlichen. Das wird auch in der arg kitschig erzählten Liebesgeschichte deutlich, denn seine Angebetete trägt bereits eine unheilvolle Krankheit in sich. Aber letztlich ist alles egal, der Mann macht hier seinen Weg.
                        Miyazakis Meisterschaft in Optik, Akustik und Zeichenstil ist dabei kaum zu kritisieren. Wie er Jirōs Träume und seine Lebenswelten visualisiert, miteinander verschmelzen lässt, ist einfach nur wunderbar. Allerdings finde ich, dass die reine Geschichte nicht die Laufzeit von über zwei Stunden rechtfertigt. Der sehr gemächliche und ereignisarme Erzählfluss plätschert ein wenig dahin, trotz interessanter Thematik, beeindruckender Optik und dem ungewöhnlichen (von Menschen gemachten) Sound.
                        Meiner Meinung nach sollten in kritischen Zeiten intelligente und kreative Menschen nicht an ihren Träumen festhalten, sondern Größe darin zeigen loslassen zu können, wenn diese Träume für niedere Zwecke missbraucht werden. Dazu gibt es zahllose Beispiele in der Menschheitsgeschichte, wohin sonst dieser unkritische Entwicklungsgeist führen kann. Nein, der Bomber „Zero“ ist nicht etwas worauf die Japaner stolz sein können (und das hat der Regisseur in mehreren Interviews behauptet). Und nein, mir reicht ein kurz vor dem Schluss gezeigtes Bild von Kriegszerstörungen nicht aus um sich ausreichend mit der Thematik kritisch auseinander zu setzten. Auch weil dieses Bild wenig später mit Wiesen und Wolken-Landschaften wieder verweichlicht wird.
                        Die Fortschrittsromantik des Films bleibt für mich fragwürdig.
                        5 schöne und gleichzeitig verfluchte Träume.

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                          lieber_tee 03.12.2016, 16:52 Geändert 16.12.2016, 03:22

                          Schaufensterpuppen im Wunderland.
                          Wenn Rotkäppchen in die Stadt der Engel und Designermöbel kommt, muss sie aufpassen das ihr Narzissmus / ihre Schönheit nicht von den bösen, neidischen Wölfen gefressen wird…
                          Vielleicht will NWR mit „Neon-Demon“ eine Metapher bzw. Kommentar über die Austauschbarkeit und Disposition von schönen Körpern erschaffen. Erzählt als moralische Fabel über die Leere der Schönheits-Industrie, die in ihrem Oberflächenglanz obsessiv sich selbst auffrisst bzw. sich selbst ständig transformiert. Oder er philosophiert mit seinem Film einfach nur über Weiblichkeit als kulturelle Fixierung mit der Jugend, verkleidet als postmodern-feministische Satire.
                          Überbordend und artifiziell, voll penetranter Symbolik, inszeniert Refn das Leben als Modell wie ein statisches, auf Hochglanz poliertes Fotobuch, in dem die Charaktere wie leere Gefäße hölzerne Phrasen dreschen („Beauty isn't everything. It's the only thing.“). Konventionelles Erzählen, oder gar Nähe zu seinen Figuren, interessiert ihn dabei nicht, der Zuschauer muss schon selbst die Lücken füllen. Ihn interessieren eher Stimmungen und hochstilisierte Provokation um seinen korrosiven Angriff auf den Gegenstand Schönheit zu starten. Wie ein surrealer, brutal-bissiger Scherz fetischisiert er die Schaulust. Das ist nicht frei von misogyner Weltsicht.
                          Den Widerspruch, das Refn ebenso angeekelt wie fasziniert von seinem Thema ist, löst sich nie auf. Mit kalkulierender, zerstörerischer Kraft zelebriert er das was er eigentlich kritisieren möchte. Sein unbestreitbares Talent Bilder zu erschaffen, die nur so vor vordergründiger Schönheit strotzen, steht ihm dabei letztlich im Wege. Die dahinter liegende Fäulnis ist aber immer erkennbar.
                          6 Dreiecke.

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                            lieber_tee 03.12.2016, 01:06 Geändert 03.12.2016, 02:32

                            Fast so schlockig wie das Original, aber nicht annähernd so (unfreiwillig) lustig, zudem seltsam schwerfällig. Kickboxer 2.0 folgt einer langweiligen Kampfkunst-Film-Formel, dem Hauptdarsteller fehlt das Van Damme - Charisma und der eigentlich Genre-erfahrende Regisseur John Stockwell kann scheinbar mit dem Martial-Arts-Genre nix anfangen, denn die Kamera ist sehr oft fehl-platziert, die Kämpfe wirken seltsam drucklos. So erreicht das Reboot nicht einmal die Dummheit und das campy Flair des Originals.
                            3 unterbelichtete Trainingseinheiten.

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                              „Das magische Einhorn, das den Regenbogen scheißt, ist nur eine Illusion.“
                              Nun ja… Das von Fans preiswert mitfinanzierte Rob-Zombie-Filmchen ist purer Fan-Service. Oder zumindest wie der Meister sich scheinbar die Bedürfnisse seiner Fans so vorstellt. Oder er wollte auf giftige Art und Weise seine Fans in ihre Fan-Rosette ficken. Denn was hier an primitiver Vulgär-Scheiße auf den Zuschauer nieder-prasselt ist kaum zu ertragen.
                              Das Zombie gerne im „White-Trash“-Milieu verweilt, also sich in den Niederungen von bildungsfernen, unsympathischen Ärschen (sowohl bleiche als auch dunkle) am Rande der 70er Jahre Gesellschaft suhlt, ist bekannt aus seinen anderen Filmen. Auch dass er diese Wichser und Hurensöhne gerne auf ebenso miese Zeitgenossen treffen lässt, ist nichts Neues. Hier in Form eines sadistischen Lauf-und-Versteck-Spiel, irgendwo in einem Industrie-Anlagen-Labyrinth, das eingerichtet ist wie Dantes Höllenkreise aus Nazi- und Illuminaten-Symbolen. Bevölkert mit spanischen Hitler-Liliputanern, Killer-Clowns, Porno-Sexpuppen-Killer und grell geschminkten Barock-Adel. Letzterer scheint sich regelmäßig ein Art Grand Guignol -Mörder-Spiel zu gönnen, wo die Schere zwischen Arm und Reich tief in das dekadente Fleisch gebohrt wird. Als ein Mörder-Zirkus und Jagdspiel aus Absurditäten und Übertreibungen erzählt, wird der blutige Stumpf eines Handlungsgerüstes direkt in den Kopf des Betrachters hineingeprügelt, bis alles zu Himbeerbrei aus Körpermatsch zerfließt.
                              „31“ ist ein Abschlacht-Abzählreim ohne Sinn und Verstand, aber dafür mit Mut zur Hässlichkeit und verbalen Entgleisungen. Vielleicht liegt die Sinnhaftigkeit in dieser grotesken Fäkal- und Gewaltorgie in ihrer Sinnlosigkeit, mich hat dieses Hineinrotzen in ein blutig-versifftes Taschentuch, das vorher an den schmutzigen Eiern abgewischt wurde, allerdings schnell angeödet. Mag die Ästhetik der Widerwärtigkeit und des perversen Schmutzes noch irgendwo in seiner Radikalität seinen Grindhouse-Reiz haben. Wenn die unfassbar unsympathischen Zeitgenossen ihr Horrorarschloch rektal ausgeräumt bekommen, dann ist das nur breit ausgespielter Sadismus, der mich nicht unterhält, sondern langweilt.
                              4 kleine muffige Fotzen.

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                                lieber_tee 01.12.2016, 16:42 Geändert 10.12.2016, 03:30
                                über Ben Hur

                                Spoiler.
                                Ben-Jesus, sponsert bei Christentum.
                                Die vielen Remakes aus Hollywood nerven. Und wer auf die Idee kommt, den absoluten Filmklassiker von 1959 mit Charlton Heston (oder die anderen Versionen, oder den Roman) noch mal zu verfilmen, hat entweder verdorrte Eier in der Hose oder leidet an Ideenmangel-Größenwahn.
                                Die 2016er Fassung zielt auf das Wagenrennen, als dramaturgischer Höhepunkt. Edel-Trash-Regisseur Timur Bekmambetov erledigt seine Aufgabe bis dahin überraschend routiniert, fast altmodisch. Wenig inspiriert haut er einen Sandalen-Actioner raus, der versucht so etwas wie epische Breite zu erschaffen. Leider ist er dafür nicht der richtige Regisseur. Bekmambetov ist eigentlich nur dann gut wenn er seine entfesselten Actionsequenzen dem Zuschauer vorm Latz ballert. Dies passiert leider in diesem Film nur einmal, bei dem Galeeren-Kampf aus Sicht der eingeschlossenen Sklaven. Das ist schon fett anzuschauen. Sonst ist Ben-Jesus halt ein Remake, das wesentliche Motive der Vorlage(n) benutzt und sie etwas variiert.
                                Motor für die Handlung ist der Bruder-Bruder-Rache-Konflikt. In recht aufwändig wirkenden Kulissen, mit netten Kostümen und etwas matschigen CGI, darf Jesus als pazifistische Stichwortgeber immer mal wieder auftreten und durch sein friedliches Handeln der römischen Diktatur etwas Angst machen und den Hauptdarsteller zum Denken anregen. Das wirkt alles relativ historisch und realistisch geerdet, mit den politischen Konflikten, dem brutal-imperialen Machtbestreben und der Vermittlung von Werten wie Freiheit, Vergebung und Einsicht. Selbst Morgan Freeman ist als Scheich Erklärbär mit grauen Rastalocken in seiner unfreiwilligen Lächerlichkeit zu ertragen. Die ersten beiden Stunden von Ben-Jesus haben einen guten Flow, aber dann kommen die letzten Minuten.
                                Mir ist schon klar, wenn man das Original kennt, das der religiöse Aspekt eine zentrale Rolle spielt. Aber wenn heilendes Regenwasser vom Himmel fällt und die Lebrapusteln von den Backen der geknechteten Familie wischt, dann fühle ich mich verarscht. Das ist in seine dreisten Symbolik (auch wenn es Bibelnah ist) einfach nur lächerlich. So plakativ bebildert wird der Sandalenfilm zum Fantasyfilm bzw. zu einen christlichen Religionswerbefilm, der uns mit seinem Holzkreuz eine astreine Bekehrungsgeschichte ins Hirn nageln will. Mit welch einer Dreistigkeit hier Klischees des konservativen Jesusfilms auf den Zuschauer einprasseln hat mich sprachlos gemacht.
                                Ich möchte hier nicht grundsätzlich christlichen Werte und ihre symbolische Bibel-Darstellung verteufeln, aber mich ärgert dieser missionarische Eifer. Hier wird das Christentum promotet, belehrend moralisierend, und gesagt, dass es für niemanden zu spät ist den Glauben finden. So muss dann auch ein Friede-Freude-Eierkuchen-Happy-End her. Denn nach der Kreuzigungsszene (ursprünglich in der europäischen Kinofassung nicht vorhanden), die wie ein Passionsspiel von Laien wirkt, wird Ben-Jesus zur Liebe erlöst und verbrüdert sich mit seinem Todfeind. Dieser Schluss zielt wohl auf die «Bible-Belt» Zielgruppe, soll christlich-konservative Zuschauer binden. Ich fand es in dieser Form eine Frechheit.
                                3 Bierflaschen, die haben mehr Nährwerte...

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                                  Immer voll in die Fresse hauen, ohne dabei den Fokus verlieren.
                                  Wahrscheinlich ist „Kickboxer“ eine der berühmtesten, frühen Van Damme Arbeiten. Die schlichte Karate Kid-Geschichte ist ein Schaufenster für die Muskeln aus Brüssel und seine Fähigkeiten als grätschender Kampfkünstler. Mit seinen großartigen 80er-Jahre-Gestiken, die mit hemmungslos-pathetischen Bildern Gefühle von Hass, Wut und Glück zelebrieren, hat der Streifen eine emotionale Wucht, die jeden pubertierenden oder nie erwachsen gewordenen Mann erregen. Als eine Coming of age Geschichte durch Martial-Arts erzählt, gibt es einen recht brutalen Glassplitter-Fight am Ende und die Ausbildung dahin zu bestaunen. Obgleich das verkitschte Thailandbild, das Schauspiel, die Dialoge und Musik käsig sind und die höchst beunruhigend "schwule" bzw. lustige Tanzszene den Film eigentlich in das Nirwana des Trashes katapultiert, hat der Streifen seinen Reiz. Wenn man sich für Kampfkunstfilme interessiert, und nicht zu weit vom Westen streunen möchten. Und Van Damme beweist schon da seinen ausgeprägten, fantastischen, selbstironischen Humor, der ihn zurecht zu einem sympathischen Mythos gemacht hat.
                                  6-mal „Tong Po“ rufen.

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                                  • lieber_tee 29.11.2016, 23:31 Geändert 29.11.2016, 23:32

                                    Quotenprobleme bei The Walking Dead? Ich habe eine Lösung: Ab sofort 3 News am Tag zur Serie auf MP!!!

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                                      lieber_tee 29.11.2016, 13:25 Geändert 29.11.2016, 13:48

                                      »SoulReaver und lieber_tee in den Untiefen des ganz normalen Genrewahnsinns«
                                      #15 (Staffel – 2)
                                      O…wie Outlaw.
                                      „Die Revolution ist keine Göttin, sie ist eine Hure.“
                                      In „Die gefürchteten Vier“ werden vier professionelle Outlaws, von einem reichen Kapitalisten gemietet um die Grenze nach Mexiko zu überqueren und seine entführte Frau aus den Händen eines Revolutionärs zu befreien.
                                      Diese "Men on a Mission"-Geschichten waren in den 60er Jahren ein beliebtes Thema. Angestoßen durch den großen Erfolg von „Die glorreichen Sieben“, stolperte dieses Grundgerüst durch zahllose Western, Action-, Söldner- und Kriegsfilmen bis in die Neuzeit (z.B. „The Expendables“).
                                      Brooks 'Film ist ein Söldnerfilm im Revolutions-Westerngewand. Die reichlichen und spektakulären Actionszenen sind ihrer Zeit voraus und machen selbst heute einiges her. Er ist nicht unbedingt einzigartig, erzählt einfach nur die Geschichte von vier (Anti-) Helden auf einer gefährlichen Mission. Das traditionelle Bild des Western ist von John Wayne, allein in der Landschaft, der Einzelgänger auf einem Pferd, geprägt. In den 60ern betonen aber viele Filme des Genres die Beziehung zwischen Männern.„The Professionals“ bietet da ein All-Star-Super-Team von harten, männlichen Jungs, in dem besonders die wunderbare Chemie zwischen Marvin und Lancaster heraus sticht. Lakonisch reiten sie durch den wilden Westen und retten Claudia Cardinale, die selbstbewusst zerzaust ihren Busen kaum unter ihrem modisch aufgeknöpften Kleid verbergen kann.
                                      Der Film hat einen zynischen Spätwesterncharakter, der das Ende des klassischen Western verkündet. In einem zunehmend hochtechnisierten Krieg stirbt der „faire“ Mann-gegen-Mann-Kampf aus, die ausgebildete Truppe wird unter fragwürdigen Gründen in ein fremdes Land geschickt, ihre Mission desillusioniert zusehends, die mexikanische Revolution wird von ihren Idealen zerquetscht, wahre Werte gehen verloren. Das kann als Kritik zum amerikanischen Engagement in Vietnam gesehen werden, muss es aber nicht.
                                      7 Probleme der Welt mit Dynamit lösen.
                                      http://www.moviepilot.de/liste/soulreaver-und-lieber_tee-in-den-untiefen-des-ganz-normalen-genrewahnsinns-soulreaver

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                                        Strikt nach Genre-Blaupausen ablaufender gelber Krimi aus den frühen Siebzigern. Es ist alles dabei was ein alt-meisterlicher Giallo-Aficionado erwartet: Whodunit um einen behandschuhten Killer, der makabere Morde an reichlich weiblichen und nackten Opfern begeht. Eine Vielzahl an Verdächtigen soll den Zuschauer verwirren, dazu dudelt eine verträumte Musik von Ennio Morricone. Sleaze und Gewalt sanft dosiert, die Kamera führt uns suchend durch eine geschmackvolle Ausstattung. Am Ende gibt es dann die für das Genre so typische an den Haaren herbeigezogene Auflösung.
                                        Ein wenig bricht der Film dann doch mit den üblichen Konventionen, denn seine Hauptfigur Insektor Tellini ist eher so etwas wie die Anti-Version eines männlichen und selbstbewussten Helden, er eiert eher müde, traurig und deprimiert durch die Handlung. Giancarlo Giannini gibt der Figur überraschend viel Raum, möchte hier einen Giallo machen, der scheinbar vom psychologischen Erzählkino geprägt ist. Und darin ist die Krux des Films zu finden. Keiner interessiert sich in einem so schmierigen Genre um ausgefeilten Figuren. Ständig wird der eh marginale Thrill durch tranige Alltagsbeobachtungen ausgebremst. Da hätte, wenn schon als anderer Ansatz in einem sonst standardisierten Film, etwas Dampf her gemusst oder zumindest eine spannendere Hauptfigur.
                                        6-mal den Psychiater am Ende genervt unterbrechen, weil die psychologischen Begründungen für die Tat so dämlich sind.

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                                        • 13 News in 7 Tagen zu TWD, sagt mal übertreibt ihr es nicht ein wenig?

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                                          • 7 .5
                                            lieber_tee 27.11.2016, 01:07 Geändert 05.12.2016, 03:05

                                            User-Kommentare-Wichtel-Aktion 2016.
                                            Advent, Advent, das erste Lichtlein brennt und der Smooli bekommt einen Text geschenkt.
                                            "Ich träume oft davon, ein Segelboot zu klaun und einfach abzuhaun..."
                                            Ein kleines Juwel aus der deutschen Film-Vergangenheit.
                                            In Hark Bohms 1976er Jugend-Abenteuerfilm ist die Hamburger Arbeiter-Siedlung kein Adventskranz auf dem das wohlige Licht der Harmonie brennt. Dysfunktionale Familien, eine hart arbeitende Alleinerziehende, Freundschaft und Feindschaft unter Kindern, Grausamkeit gegenüber Immigranten… Klingt das vertraut? Das Leben der „Unterschicht“ hat sich seither nicht viel verändert. Die Bedingungen des 13-jährigen Protagonisten (Uwe) sind ziemlich mies, weil sein Vater säuft, ein Verlierer ist und deshalb seinen Sohn schlägt, wenn er es für richtig hält. Doch so wie der Vater auch der Sohn, die Hackordnung geht nach unten und deshalb zögert Uwe auch nicht den chinesischen (?) Jungen von Nebenan zu verprügeln und zu mobben. Ist ja auch eine coole Sache den starken Mann so vor seinen Freunden zu zeigen. Aber der Junge wehrt sich und im Laufe der Zeit entsteht eine Freundschaft zwischen dem schikanierten Asiaten und dem rebellischen Deutschen. Beide rutschen in die Kriminalität, die hier Freiheit und Hoffnung auf Veränderung (und Liebe der Eltern) bedeutet. Beide sind verwundete Kinder, die voller Naivität versuchen langsam erwachsen werden, Verantwortung für sich übernehmen, gerade weil sie vor ihrem Elternhaus und der Tristesse davon laufen.
                                            Bohms Geschichte ist universell. Jeder kennt sie, entweder aus seiner eigenen Vergangenheit oder aus Erzählungen. Der rebellische Geist der Jugend, wie sie im Film eingefangen wird, ist auch ein Teil von uns. Ebenso bitter wie schelmisch wird in das noch junge Herz zweier Jungen geschaut, die gerade weil sie so amateurhaft spielen eine ganz eigene Wahrheit dadurch offenbaren.
                                            Wer etwas Herz für Nostalgie hat, wird den visuellen 70er Jahre Look, mit seinen Moden, Udo-Lindenberg-Songs, Frisuren, Ausdrucksweisen und die längst verschwundenen Elbinsel-Industrie-Orte schätzen. Sie sind nicht nur künstlerisch gut geeignet für seine Geschichte, sondern verleihen dem Film auch einen ungeschönten Blick in die damaligen (und immer noch aktuellen) sozialen Strukturen und ökonomische Faktoren in Deutschland.
                                            Und man muss schon ein ziemlich kaltherziges Arschloch sein, wenn die Prüfungen und das Drangsal der jungen Protagonisten einem nicht berühren.
                                            7,5-mal Segel setzten.

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                                              lieber_tee 27.11.2016, 00:30 Geändert 29.11.2016, 19:09
                                              über Arrival

                                              „Arrival“ lebt von der Neugierde.
                                              Von einer grundsätzlichen Bereitschaft über seinen eigenen Deckelrand zu schauen. Sowohl bei der Protagonistin, wie beim Zuschauer, ist dies eine Grundeigenschaft um diese Begegnung der intelligenten und nachdenklichen Science-Fiction-Art zu erfassen. Denn die Ankunft der Aliens ist ein Geschenk. Mit neugierigen und leicht zitterigen Augen folgen wir ihr, immer auf gleicher Augenhöhe wie die Hauptdarstellerin. Subtil angespannt, hoch konzentriert, ungemein faszinierend.
                                              Aus dem fremden Kontakt wird eine linguistische Odyssee durch Raum und Zeit um für die nächste Phase der menschlichen Evolution vorbereitet zu werden. Das ist ebenso abstrakt in seinen Dimensionen wie reich an emotionaler Tiefe. Zwischen Angst und Anspannung wird das Globale auch das Private, denn die intimste aller intimen Fragen ist hier der Verlust, der ebenso ein Neugewinn ist. Dezidiert auf weibliche Attribute gerichtet, aber ebenso emanzipatorisch und selbstbewusst in eine starke Frauenrolle integriert.
                                              In majestätisch-melancholischer Filmsprache und regnerischen Farben kommen wir zu Kernfragen was Menschlichkeit Angesichts des Fremden ist. Tief humanistisch transportiert Regisseur Denis Villeneuve und Autor Eric Heisserer Werte wie Empathie, Pazifismus und Zusammenhalt bzw. Teamarbeit.
                                              In seinem in sich geschlossenen High-Concept finden sich zwar immer wieder dumme, gewöhnliche, klischeehafte und kitschige Momente, die mal zu Vertiefung, mal zum Weiterführen des Plots dienen, allerdings wenn, wie hier, der erste Kontakt mit Außerirdischen über die Menschen mehr aussagt als über die Aliens ist das von enormer emotionalen Intelligenz. Und ist im besten Sinne SF, die ja auch immer unseren gesellschaftlichen Zustand bzw. Mängel spiegeln soll.
                                              Der Film lässt viel Freiraum für Interpretation. Ob er jetzt die Willensfreiheit abschafft, buddhistische Selbsterkenntnis erfahrbar macht, Sprache als Schlüssel über das eigene Bewusstsein idealisiert, katholischen Schicksals-Nihilismus propagiert oder vielleicht doch uns in Denkrichtungen stößt die irgendwo zwischen Gefühl und Wissenschaft liegen, das sei dahin gestellt.
                                              Der Film lädt ein zu Diskussionen bei der Fahrt nach Hause und darüber hinaus.
                                              Das ist erwachsenes Hollywood-Kino wie es sein soll.
                                              8 Win-Win-Situationen.

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                                                lieber_tee 25.11.2016, 21:24 Geändert 26.11.2016, 02:53

                                                Vierstündiges Essay über Science Fiction als eine in sich geschlossene, lebendige Retrospektive, die besonderen Schwerpunkt auf ihre popkulturellen Darstellungen legt. Die BBC-Serie untersucht die vier Standards (fremde Begegnungen, künstliche Intelligenz, Zeitreise, Raumfahrt) und erforscht die dahinter liegenden Konzepte (und Kontexte). In wie weit dort (gesellschaftliche) Hoffnungen und Ängste gespiegelt werden. Leider fehlen manchmal die wirklich prominenten und wichtigen Interview-Partner und ob es so sinnvoll ist seinen Schwerpunkt auf die filmische Darstellung von SF zu legen ist diskutabel. Denn innovative Denker aus Comic und Literatur finden hier eher weniger Gehör. Aber wer sowohl nostalgisch, kurzweilig als auch informativ an die Basics der SF herangeführt werden möchte, dem sei diese Doku-Reihe empfohlen.
                                                7 friedliche Monster.

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                                                  lieber_tee 24.11.2016, 21:56 Geändert 03.12.2016, 02:39

                                                  Episode 3 Mach, was wir sagen
                                                  Der schüchterne und noch junge Kenny wird durch seine gehackte Webcam beim Masturbieren gefilmt und bekommt eine Reihe von bedrohlicher Textnachrichten, die ihm Aufträge erteilen, die zunehmend hinterhältiger werden. Er soll genau das tun was "sie" ihm sagen, oder das Video-Material wird an jedem weitergeleitet den er kennt.
                                                  „Mach, was wir sagen“ ist nicht in einer dystopischen oder alternativen Realität verordnet. Die Überwachungsinstrumente, wie Webcams, GPS-Tracking und Catfishing, sind bekannte Werkzeuge. Die Episode stellt die Frage, in wie weit eine Home-Invasion in die digitalen Privatsphäre zu gezielter Schmach führen kann. Oder, weiter gedacht, ob die wahre Quelle von Hackern ist, jemand zu Schandtaten zu zwingen weil er Schandtaten begangen hat. Und wo sind dann die Grenzen eines Hacks für ein öffentliches Interesse? Jeder hat ein Recht auf Privatsphäre. Wirklich jeder? Wir folgen unter der konzentrierten Regie von James Watkins dieser vorhersehbaren Absturzbahn, in Kennys Albtraum. Und wenn am Ende eine perfide Wendung das Trollface-Meme lachen lässt, dann ist das ein unfassbar hundsgemeiner Plot, der zeigt wie maximale (digitale) Demütigung funktionieren kann.
                                                  7 Klebestreifen über die Webcam kleben.

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                                                    lieber_tee 24.11.2016, 21:55 Geändert 24.11.2016, 21:57

                                                    Episode 2 Erlebnishunger
                                                    Für den lebensfrohen, leicht überheblichen, Amerikaner Cooper existieren fremde Gefahren nicht. Er ist ein Weltenbummler, ein Rucksacktourist, der sich treiben lässt. Irgendwie wirkt er als ob er sein Real-life in ein Spiel verwandelt hat. Spaß-haben steht im Vordergrund, etwas spirituelle Selbstfindung darf auch mal sein. Mit seinen eigenen Ängsten beschäftigt er sich dabei nie wirklich, dafür hat er nicht die Muße und Zeit. Aber Geld muss trotzdem für seinen hedonistischen Lebensstil erarbeitet werden. So ist der Kurz-Job als Tester für ein Virtual-Reality-Spiel genau das richtige. Der mystische Erfinder hat ein Programm entwickelt, in dem der User mit dunklen Ecken seines Unterbewusstseins konfrontiert wird um einen mentalen Adrenalin-Kick zu bekommen. Natürlich alles in kontrollierter und sicherer Umgebung eines Resident-Evil-Hauses. Nur was passiert wen die Konfrontationen mit den eigenen Ängsten doch nicht so viel Spaß machen?
                                                    „Erlebnishunger“ ist offensichtlich in den bekannten Elementen der Spielkultur eingebunden und verschmilzt sein Serien-Thema, was (moderne) Technologie mit den Menschen macht, mit Regisseur Dan Trachtenbergs durchaus vorhandenes Talent Angstlust in Form eines Technik-Horror-Films, voller finsterer Albträume, zu inszenieren. Auch wenn das Motiv und Vexierspiel über „Wie wirklich ist die Wirklichkeit“ im Rahmen einer Spiel-Simulation nicht so originell ist, gerade das fiese Ende, die maximale Entwicklungs-Stufe, ist schon bitter-konsequent geraten.
                                                    7-mal das virtuelle Erdhörnchen hauen.

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