Mein Senf - Kommentare

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    Mein Senf 16.11.2020, 19:10 Geändert 17.11.2020, 07:38

    Finale Einträge von Trilogien sind künstlerisch selten die besten Teile, eher Nummer-sicher-Kino. Die etablierte Mythologie ist gleichsam Fluch und Segen. Sie liefert einen Unterbau und schafft schnelle Anschlussmöglichkeiten für den Zuschauer, aber schränkt die Filmschaffenden künstlerisch ein, weil Erwartungshaltungen bedient werden wollen.

    Der (vorläufig) finale Eintrag in das Karate-Kid-Franchise bedient diese Logik und bricht gleichzeitig mit ihr. Er ist dabei dem dritten Teil der Hangover-Trilogie nicht unähnlich, der tonal und handlungstechnisch offensiv die Erwartungshaltung des Publikums unterläuft, ohne dabei die Qualität seiner Vorgänger zu erreichen. „Entscheidung in Okinawa“ gilt als gelungene, aber auch etwas uninspirierte Kopie des Erstlings und so wagen Robert Mark Kamen (Buch) und John G. Avildsen (Regie) tatsächlich einen etwas anderen Ansatz. Das Ergebnis zeigt allerdings, wie eng die künstlerischen Grenzen dieses Franchises dann am Ende des Tages doch sind.

    Um die Fallhöhe logisch zu steigern, geht es diesmal um nichts Geringeres als die Freundschaft zwischen Daniel Son und Mister Miyagi - grundsätzlich eine sinnvolle Idee, denn das ist der Dreh- und Angelpunkt der Reihe und die größtmögliche dramatische Entwicklung. Die antagonistischen Kräfte entfalten sich also zwischen den beiden liebgewordenen Figuren und kommen nur teilweise von außen. Der Film findet dafür auch ein schönes Bild, wenn einer der bösen Buben symbolisch den Miyagis wertvollsten Bonsai-Bäumchen in zwei Hälften reißt. Leider ist das Drehbuch derart umständlich, unglaubwürdig und ungelenk darin, eine Situation zu entwerfen die unsere Helden auseinanderbringt, dass bereits am Anfang jeglicher Schwung abhandenkommt. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der neue Over-The-Top-Superfiesling Terry Silver. Der ist mit seinen Gel-Pferdeschwanz, illegalen Giftmüll-Business und Haifischgrinsen für sich genommen sicherlich das heimliche Highlight des Films. Gleichzeitig ist seine Ich-tue-meinem -Evil-Vietnam-Bro einen-Gefallen-Motivation derart hanebüchen und unpersönlich, dass er als Figur kaum funktioniert. Auch die Gehirnwäsche, die er Daniel angedeihen lässt, wird nie wirklich zuende gedacht. Die Idee einer bösen Versuchung, quasi eines Imperators im Karate-Kid-Universum, der Daniel Son zur bösen Seite der Karate-Macht verführt, ist brauchbar. Durch den Fokus auf Terry Silver bleibt allerdings Daniels „Endgegner“ sträflich unterentwickelt, so dass im obligatorischen Endkampf keinerlei Emotionen und Spannung aufkommen mag. Während im ersten Teil und auch zweiten Teil die Konflikte persönlicher Natur waren, wird hier im Prinzip eine Söldner-Armee auf unser Helden-Duo losgelassen, die aus der puren Lust am Böse-Sein handelt – gelungenes Drama geht definitiv anders.

    Dazu kommen diverse Drehbuchvolten, die den Charakterbogen der beiden Protagonisten ein ums andere Mal kräftig überspannen. Daniel ist zwar seit jeher der impulsive Hitzkopf, hier dichtet ihm der Film aber einige unglaublich unüberlegte Momente an. Auf der anderen Seite übertreiben es die Macher bei Mister Miyagis zenhaften Gelassenheit, als er sich standhaft weigert, Daniel zu trainieren. Hinzu kommt das obligatorische und extrem blasses Love-Interest, das diesmal praktisch keinerlei Bezug zur Haupthandlung hat und mutmaßlich lediglich eine weibliche Zielgruppe ködern soll.

    Technisch ist das alles sauber inszeniert und gespielt. Man spürt einfach, dass hier das gleiche Team am Werk ist, das bereits die Vorgänger inszeniert hat. Für den einen, oder anderen gelungenen Moment reicht es. Es bleibt ein moppeliger Daniel Son und mit Terry Silver ein (zumindest aus einer Camp-Perspektive) furchtbar unterhaltsamer Bösewicht. Das ist zugebenen nicht viel, aber immerhin kein kompletter Totalausfall.

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      Mein Senf 02.11.2020, 21:32 Geändert 03.11.2020, 10:10

      Erinnert sich noch jemand an die 1990er-Jahre, als Gerichtsdramen einen festen Anteil an den jährlichen Kinoproduktionen hatten? Als die erste Riege Hollywoods durch und endlose Redeschlachten und unzählige Paragraphen reitete? Als ehrgeizige Anwälte skrupellosen Verbrecher mit überraschenden Zeugen oder lediglich der Macht des Wortes verbal an die Wand nageln konnten? In diesem aktuell etwas verwaisten Subgenre, das seine ihre erste Blütezeit in den 1950er-Jahre erlebte, ist „The trial of the Chicago 7“ angesiedelt und -um es vorweg zu nehmen- erspielt durchaus im oberen Mittelfeld, ohne wirklich herauszuragen.

      Mit Aaron Sorkin (Buch, Regie) ist nicht nur eine lebende Drehbuch-Legende aus der ersten Reihe Hollywoods an Bord, sondern ein echter Veteran des Subgenres. Mit seinem Debüt „Eine Frage der Ehre“ prägte er das Revival der Gerichtsfilme entscheidend mit. Das merkt man vor allem den Figuren und Dialogen an. Die sind zahlreich und … nunja zahlreich, ohne, dass der Zuschauer jemals ins Schwimmen gerät. Dramaturgisch bedient sich Sorkin des Kniffs, wichtige Details der zu verhandelnden Tat scheibchenweise zu offenbaren, wodurch die Charaktere nach und nach neue Facetten erhalten sollen. Statt der nächsten John-Grisham-Vorlage arbeitet sich Sorkin an einem realen Prozess im Zuge der Vietnam-Protest-Bewegung ab. Es geht ihm nicht um Leben und Tod (was zur Abwechslung mal ganz angenehm ist), es geht Aaron Sorkin allerdings auch um nichts Geringeres als die Beschaffenheit des amerikanischen Rechtstaates und der demokratischen Institutionen - das verleiht dem Film in Zeiten, da die Vereinigten Staaten quasi autokratisch regiert werden, trotz des historischen Settings eine hochaktuelle Note.

      Leider opfert er diesem Subtext seine an sich spannenden Figuren, die im Verlauf der Handlung eigentlich an Kontur gewinnen sollen, tatsächlich, aber zu eindimensionalen und ärgerlichen Stereotype gerinnen. Gut und Böse sind hier sehr klar verteilt, dabei hätten einige Schattierungen sowohl der Handlung, als auch den Figuren wirklich gut getan. Und im obligatorischen Schlussplädoyer fällt Sorkin dann wenig mehr ein als amerikanischen Patriotismus als gemeinsamen Nenner und gleichsam als Happyend zu feiern. So sehr er Dialoge, Figuren, Dramaturgie und Schauspieler im Griff hat - Sorkin zeigt kaum mehr als vollendetes Handwerk, aber viel zu oft auch Dienst nach Vorschrift. Gleiches gilt für die hochkarätigen Schauspieler, die professionell performen, auf den Punkt besetzt sind, aber eben auch nicht wirklich im Gedächtnis bleiben.

      In seinen besten Momenten mitreißenden, aber immer auch ein wenig betuchlich. Das ist mir persönlich für so ein Kaliber wie Aaron Sorkin etwas zu wenig. So richtig weiterentwickelt hat sich das Genre seit den 1990er-Jahren leider nicht und „The Trial oft he Chicago 7“ wird auch kein Comeback des Justizdramas einläuten. Trotzdem sehenswert.

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        Mein Senf 30.10.2020, 16:02 Geändert 15.06.2021, 11:59

        Alles an „Greenland“ wirkt auf den ersten Blick irgendwie berechnend. Ein Katastrophenfilm im Katastrophenjahr 2020. Ein pathosriefender Score, der Emotionen orchestriert, statt sie zu akzentuieren. Genreklischees wie der Vater, der im Angesicht von Tod und Zerstörung seine dysfunktionale Familie kitten muss. Und gibt es eigentlich einen einzigen Genrevertreter ohne Diabetiker-Plottreiber-Gör für die Jagd nach der nächsten Dosis? All das ist „Greenland“, doch als der Abspann rollte stellte ich mir plötzlich ganz andere Fragen wie: „Darf man bei einem Gerald-Butler-Action-Film eigentlich Tränen verdrücken?“.

        Um es kurz zu machen: „Greenland“ ist super und hat mich -wie viele andere Zuschauer- vollkommen kalt erwischt. Statt der erwartbaren Gerald-Butler-Ballerbude baut der Film eher auf zwischenmenschliches Drama, statt Effektbombast wird der Film vor allem durch die Charaktere getragen. Statt patriotischem Pathos dominieren moralische Grauzonen. Die oben beschriebenen Plotkonventionen wirken hier überraschend frisch, auch, weil sie selten auf die Spitze getrieben und mit einer guten Portion Realismus aufgebrochen werden. Dazu zählen auch die Figuren, die nur selten wie stereotype Genreabziehbilder daherkommen. Kombiniert mit sehenswerten Darstellerleistungen (ja, auch Gerald Butler) bekommt der Zuschauer schnell einen Draht zu den Figuren und leidet mit der Familie bei ihrem sich langsam aber stetig zuspitzendem Martyrium. Das ist in erster Linie das Verdienst des Drehbuchautoren Chris Sparling (Buried), der eine seine glaubhaften Charaktere in einem glaubhaften Katastrophenszenario in glaubhafte Konflikte verwickelt und dabei die Spannungsschraube kontinuierlich anzieht.

        Das Marketing positioniert ihn naheliegenderweise bei Genrevertretern wie „Armageddon“ „2012“ und „Deep Impact“, ich würde ihn eher mit der Spielbergversion von „Krieg der Welten“ vergleichen. Denn während die ersteren Untergangs-Blockbuster Ensemblestücke sind, die in erster Linie vom Kampf der Institutionen gegen die Katastrophe erzählen, nehmen „Krieg der Welten“ und „Greenland“ eher die Mikroperspektive auf eine menschheitsbedrohende Katastrophe ein. Ihnen geht es niemals darum, die Gefahr abzuwenden, sondern ihr zu entkommen.

        Kritisieren kann man einige holzschnittartige Nebenfiguren und Sideplots (siehe oben) und die Rolle des Militärs, dass trotz glaubhaften Chaos und der Anarchie heroisch und übertrieben pflichtbewusst seinen Dienst tut, obwohl sie wissen, dass man sie ihrem Schicksal überlässt. Eventuell mag das der Tatsache geschuldet sein, dass die Produktionen kostenfrei auf zahlreiche Maschinen des US-Militärs zugreifen durfte. Regisseur und Ex-Stuntkoordinator Ric Roman Waugh (Felon, Shot Caller, Angel has fallen) liefert hier seine bislang beste, weil fokussierteste Arbeit ab. Das gleiche gilt übrigens auch für Gerald Butler.

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          Mein Senf 01.10.2020, 13:04 Geändert 01.10.2020, 14:16

          Gemessen an der modernen Fortsetzungslogik ist „Jurassic World 2: Das gefallene Königreich“ beinahe eine erfrischende Ausnahme. Statt größer, schneller und spektakulärer wirkt Antonio Bayonas Dino-Nachklapp stellenweise eher kammerspielartig und reduziert. Das ist Fluch und Segen zugleich. Bayona gelingen einige der besten Spannungssequenzen der gesamten Serie, anderseits wirkt das Ganze (trotzt beinahe doppelten Budget zum Vorgänger) unnötig klein - wie eine dieser hastig nachgeschobenen Cannon-Fortsetzungen, die nur mit einem Bruchteil an Budget und Kreativität des erfolgreichen Vorgängers auskommen mussten. Dabei gilt beim Jurassic-Franchise genau wie bei den Riesenechsen seit jeher der Grundsatz „Size-Matters“. So interessant und stimmungsvoll das Lockwood-Anwesen als Schauplatz gewählt und inszeniert ist, es wirkt häufig wie ein künstliches und wenig plausibles Korsett, um die Dinos (noch) nicht auf die gesamte Menschheit loslassen zu müssen.

          Zum Standard-Procedere bei Sandwich-Teilen einer Trilogie gehört es, dass alle Beteiligten im Vorfeld gebetsmühlenartig den Alleinstellungs-Charakter des Films betonten. Der Film schlage -mehr noch als der Vorgänger- eine Brücke zum allerersten „Jurassic Park“ – so der Marketing-Sprech. Herausgekommen ist dann doch ein klassischer Mittelteil, insofern er etablierte Figuren und Motive aus dem Vorgänger aufgreift, gleichzeitig Teil 3 vorbereitet uuuuuund noch so etwas wie eine eigene Geschichte erzählen muss. Bei letzteren bedient sich Drehbuchautor Colin Trevorrow (mit Derek Connolly) aber eher bei Motiven des gemeinhin unbeliebten Teil 2. Das Fangen und Abtransportieren der Saurier aufs Festland (mit dramatischen Folgen), um sie dort kommerziell auszuschlachten, die deutlich düstere Grundstimmung, das Cameo eines alten Bekannten, die Zweiteilung der Handlung – all das müffelt schwer nach „Vergessene Welt“. Hinzu kommt -mal wieder- ein genetisch erzeugter Hybrid als Endgegner. Kurzum „Das gefallene Königreich“ ist nicht so innovativ wie er gerne sein würde. Regisseur Bayona schafft es zudem nicht, die sehr deutlich zweigeteilte Handlung wie einen eigenständigen Film wirken zu lassen. Der atmosphärische Bruch ist zu deutlich und man merkt, dass Bayona Herz eher auf dem Lockwood-Anwesen schlägt- die Insel-Episode wirkt dagegen recht generisch. Wenn der wendige Indoraptor allerdings durch die Flure des Herrenhauses schleicht und sinistere Geheimtreffen abgehalten und düstere Familiengeheimnisse zutage gefördert werden, dann blitzt kurz das enorme Potential des reduzierten Settings auf. Leider schiebt der Film fast pflichtschuldig immer wieder größere Dino-Ansammlungen ein, die tonal einfach nicht wirklich zum Rest passen wollen

          „Das gefallene Königreich“ zeigt (ähnlich wie Vergessene Welt anno 1997), die Stärken, Schwächen vor allem Grenzen des Franchises. Und er zeigt unter anderem auch, wie viel Trevorrow mit dem Vorgänger richtig gemacht hat.

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            Es gibt nicht viele deutsche Musiker und Bands, die größer als ihr neustes Album, ihre neusten Songs. Sie sind popkulturelle Institutionen und schaffen im besten Fall heute noch genug Reibungsfläche, dass eine große Öffentlichkeit über ihr Schaffen diskutiert. Reinhard Mey, Kraftwerk, Nena, Udo Lindenberg, Udo Jürgens, Deichkind und Seeed gehören dazu. Ganz vorne mit dabei sind allerdings -wenig verwunderlich- auch Rammstein, bei denen Reibungsfläche quasi zur Band-DNA gehört und die auch nach gut einem viertel Jahrhundert nach der Bandgründung und -inzwischen tief in ihren 50ern- immer noch Lust an der pubertären Provokation zu haben scheinen.

            Warum ausgerechnet die Vereinigten Staaten in Amerika dieses Feuer (wir sprechen hier schließlich über Rammstein) am Laufen gehalten und sogar neu entfacht hat, zeigt die Doku „Rammstein in Amerika“ sehr nachvollziehbar und überraschend intim. Musikalisch und auch charakterlich sozialisiert von der ostdeutschen Punkszene der 1980er-Jahre war Amerika für Rammstein aus künstlerischer Sicht zunächst ein verklärter Sehnsuchtsort, über eine vermeintlich freie und wilde Musikerszene, die tonnenweise künstlerische Standards setzte. Nachdem das wiedervereinigte Deutschland die ostdeutsche Musikerszene quasi verschlingt, wird Rammstein 1994 ganz bewusst als künstlerischer Gegenschlag gegen etablierte Deutschmusik konzipiert. Rammstein wollte alles sein, was in Westdeutschland kommerziell angeblich nicht funktioniert. Marschartiger Industrial-Metal mit guteralem Gesang und deutschen Texten und einer genauso provokativen wie spektakulären Liveperformance. Diese bis dato einzigartige Mischung erregte irgendwann auch das Interesse des US-Musikmarktes, so dass Rammstein nach einigen kleineren Konzerten ab 1998 vor größerem Publikum tourte.

            Dieser desillusionierenden Phase widmet sich ein Großteil der Doku. Hier treffen euphorisierte und feierwütige Krauts im gelobten auf überraschend disziplinierte US-Berufsmusiker, ein nationaler Flickenteppich bürokratischen Auflagen torpediert Rammsteins berüchtigte Pyro-Show und ein puritanisches Weltbild trifft auf die Lust der sexuellen Provokationen… und endet für zwei Musiker im Knast. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wirkte überraschend kleingeistig und engstirnig auf die Teutonen-Rocker. Die langen Touren bringen die band an den Rand der Auflösung und als die xenophoben Tendenzen und reaktionäres Gedankengut infolge der Anschläge des 11. Septembers in den Staaten weiter Auftrieb erhalten, bricht die Band dann vorläufig mit den Vereinigten Staaten. Um sich anschließend neu zu finden und zu erfinden.

            Das ist schlüssig und überraschend offenherzig erzählt. Es wird deutlich, welch enormen Einfluss die USA auf die eine oder andere Weise auf die Band Rammstein genommen haben. Es ist eine Art Coming-of-Age-Geschichte von einer stürmisch idealisierten Liebe hin zu einer reifen Hassliebe zu einem Land, das einen gleichermaßen begeistern und schockieren kann. Im aktuellen Album heißt „Deutschland, deine Liebe Ist Fluch und Segen Deutschland, meine Liebe kann ich dir nicht geben.“ Regisseur Hannes Rossacher zeigt eindrucksvoll die innere Entwicklung einer Band von der man als Außenstehender nur sehr wenig mitbekommt, weil Rammstein (glücklicherweise) auch nach 25 Jahren immer noch wie Rammstein klingen.

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              Mein Senf 23.09.2020, 16:29 Geändert 23.09.2020, 17:28

              „Kid, we are going to make a lot of these.“ Das sind -der oralen Legende nach- die Worte, die Produzent Jerry Weintraub Hauptdarsteller Ralph Macchio ins Ohr raunte, als sie am Strand von Malibu entlangspazierten und sich einige Jugendliche an der ikonischen Kranichtechnik aus Teil 1 versuchten. Kurzum: Es zeichnete sich ab, dass „Karate Kid“ nicht nur ein Boxoffice-Hit, sondern zu einer Art popkulturellen Phänomen werden sollte und alle Beteiligten nutzten den unverhofften Erfolg, um nachzulegen.

              Es liegt also nahe, dass eher kommerzielle denn künstlerische Erwägungen den Ausschlag gaben, immerhin kehrte für „Entscheidung in Okinawa“ nahezu das komplette Kreativteam vor und hinter der Kamera zurück. Dem zweiten Teil wird häufig vorgeworfen, dass er ein vergleichsweise uninspirierter Abklatsch von Teil 1 ist. Tatsächlich greift Drehbuchautor Robert Mark Kamen viele Aspekte, die im Vorgänger funktioniert haben und variiert bzw. intensiviert sie. Die Trainingsmontagen vor der Kulisse Okinawas fallen optisch beeindruckend aus, es gibt wieder eine geheime Technik (dessen Überlegenheit sich mir allerdings nicht ganz erschloss), es gibt den eindimensionalen Bully, der auf Anweisung seines Sensei handelt, es gibt Miyagi-Weisheiten, es gibt eine neue Romanze und (nach einem etwas in der Luft hängenden Auftakt) einen Aufbruch in die Ferne. Aus der Kranich- wird die Trommeltechnik, aus Johnny wird Chozen, aus Ally Kumiko und aus Los Angeles Okinawa. Im Rahmen der Fortsetzungslogik steht im Nachfolger mehr auf dem Spiel, am Ende geht gar um Leben und Tod – auch wenn diese Auseinandersetzung sich nicht wirklich organisch ins Geschehen einfügt.

              Die entscheidende und auch wirkungsvollste Änderung, die im Grunde auch nur eine Variation ist, besteht darin, Miyagi zur heimlichen Hauptfigur aufzuwerten. „Entscheidung in Okinawa“ wird durch seine Geschichte getrieben und emotional aufgeladen. Dass Daniel-Son stellenweise zur Nebenfigur seines eigenen Franchises degradiert wird, ist allerdings eher eine Bereicherung für den Film. Die Figur Kesuke Miyagi hat mehr Leerstellen zu Füllen und ist einfach interessanter. Leider laufen Miaygi und Daniel über weite Strecken des Films auf unterschiedlichen Gleisen, so dass er größte Stärke des Originals viel seltener selten ausspielen kann: Die Chemie zwischen Miyagi und Daniel-Son. Die passt nach wie vor, die gemeinsamen Szenen bilden wieder einmal den Höhepunkt, gerade im zweiten Akt tritt der Film allerdings mitunter reichlich Wasser, die Konflikte wirken repetitiv und fügen der Dramaturgie kaum etwas hinzu. Entschädigt wird man mit einer sentimentalen Background-Story um unser aller Lieblings Karate-Sensei und schönen Landschaftsaufnahmen.

              „Karate Kid II“ ist eine grundsolide, überraschungsfreie Fortsetzung, die sich ab und an zu sklavisch an die gängigen Fortsetzungsregeln im kommerziellen Hollywoodkino hält, um wirklich nachzuhallen. Handwerk kann man reproduzieren, kommerziellen Erfolg auch (vierterfolgreichster Film des Jahres 1986), aber Magie eher selten.

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                Was sollte man über Karate Kid schreiben, was nicht schon tausend Mal gesagt wurde? Ich könnte mit meinem ganz persönlichen Zugang einsteigen, aber der ist verhältnismäßig unspektakulär. Als Kind der 90er habe ich den Hype allerhöchstens zweitverwertet im Mittagsprogramm von Sat1 mitbekommen und fand damals seltsamerweise „Entscheidung in Okinawa“ immer etwas stärker als das Original. Ein anderer Ansatz wäre sein unbestreitbarer Status als integraler Bestandteil des popkulturellen Erbes der 1980er-Jahre, aber auch dazu ist wohl schon jede Kranich-Technik nachgestellt erdenkliche Mister-Miyagi-Weisheit zitiert worden. Am offensichtlichsten wäre ein aktueller Anlass und die extrem gelungene Serienwiederbelebung „Kobra Kai“ passt dazu wie die gar nicht mal so sprichwörtliche Karate-Faust ins Gesicht. Das würde passen, denn tatsächlich geht auch „Karate Kid“ häufig den offensichtlichen Weg, nicht selten ist er gnadenlos vorhersehbar und dabei genauso berechnend. Und hier wäre ein weiterer Zugang, hinter dem ich mich besonders gerne verstecke: „Fachwissen“. Denn im Grunde ist „Karate Kid“ -sagt ja bereits der Titel- Rocky für Kids. Ein müder Abklatsch, der einfach die Kampfsportart austauscht, dessen Dramaturgie und plapperige Italo-Underdogs aus der Unterschicht sklavisch kopiert, und sogar dessen Musik („You’re the best“) und Regisseur (John Avildsen) verwendet. Okay, Schluss damit, bevor ich richtig in Fahrt kommen. Ich möchte aus einem anderen Winkel kommen:

                Ich habe mir vorgestern „Tenet“ angesehen. Nachdem sich der erste Knoten im Gehirn und das Überwältigungsgefühl halbwegs gelöst bzw. gelegt hatten, fragte ich mich: „Aus welchem Grund hat mir Karate Kid eigentlich besser gefallen, als Tenet“? Nolans Werk ist künstlerisch weitaus wagemutiger, aufwändiger, bombastischer, besser gespielt mitreißender inszeniert. Aber er wirkt auch immer wie einer dieser cineastischen Oberstreber, die man für ihre Perfektion bewundert aber denen man kaum Empathie entgegenbringen kann. „Karate Kid“ ist kein Streber, eher ein charismatischer Trickser, der gut abschreiben kann und der seinen Charme spielen lässt, damit der Lehrer ihn einiges durchgehen lässt. Am Ende bin ich also bei der guten alten „Seele“ gelandet und das isses dann eigentlich auch schon. Natürlich ist das Ergebnis kein kosmischer Zufall. Produzent Jerry Weintraub versammelt in „Karate Kid“ fähige Routiniers wie Regisseur John Avildsen (Rocky), samt Stammkomponist Bill Conti, den Kampfchoreograf Pat E. Johnson und talentierte Newcomer wie Drehbuchautor Robert Mark Kamen und ging mit dem Gegen-den-Strich-Casting von Comedian Pat Morita gar ein echtes Risiko ein.

                Trotz dieser kommerziell berechnenden Versatzstücke hat „Karate Kid“ tonnenweise Seele. Dreh- und Angelpunkt ist hier natürlich die einmalige Chemie von dem hibbeligen Ralph Macchio und dem zenartigen (und oscarnominierten) Pat Morita, als genauso strenger wie verschmitzter Sensei. Daniel LaRusso ist darüber hinaus ein hervorragend geschriebener Protagonist, kein eindimensionaler Loser, mit dem man automatisch mitleiden will. Mit seiner Überheblichkeit und seine große Klappe ist er nie ganz unschuldig an seinen Schwierigkeiten, beweist aber in Extremsituationen einen intakten moralischen Kompass. Diese Figurenzeichnung macht ihn -bei allen Stereotypen, die der Film ansonsten auffährt- als Protagonisten nicht nur glaubhaft, sondern liebenswert.

                In gewisser Weise wir hier also schon der Bogen zum aktuell zurecht gefierten „Cobra Kai“ gespannt, der seine im Grunde klischeehaften Figuren noch einmal etwas mehr unverhofften Tiefgang verleiht.

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                  Mein Senf 09.09.2020, 16:47 Geändert 10.09.2020, 08:21
                  über Tenet

                  Als erster Post-Lockdown-Blockbuster und Retter des Kinos wird „Tenet“ eh in die Geschichte eingehen, aber was ist er darüber hinaus? Die Erstsichtung fühlt sich wie eine cineastische Dampfwalze, bzw. der im Film oft beschworene„temporale Zangenangriff“ an. Wie eine vollkommen kalkulierte Überrumpelung eines Filmschaffenden, der sich seiner Stärken und Schwächen vollkommen bewusst ist. Christopher Nolan begreift sich weniger als Magier, sondern vielmehr Genie, das sein Publikum mit handwerklicher Perfektion und intellektueller Herausforderung, statt mit großen Gefühlen überwältigt und „Tenet“ ist ein weiterer bildgewaltiger Baustein für sein Denkmal.

                  Das begann in „Prestige“, als er Magie als manisches und mitunter kompromissloses Streben nach handwerklicher Präzision entzaubert. Als er sich mit Batman dem Superhelden-Genre widmete, wählte er wohl nicht zufällig den dunklen Rächer, der sich in Ermangelung übermenschlicher Superkräfte mit technischen Hilfsmitteln und Detektivarbeit in die Schlacht zieht. Mit „Inception“ trieb er diesen Weg zu einem vorläufigen Höhepunkt, als er sogar Traumwelten einem knallharten wirtschaftlichen Kalkül unterwarf. Erst mit „Interstellar“ und noch viel mehr „Dunkirk“ lotete er das emotionale Potential seiner Figuren aus, nur um mit „Tenet“ wieder vollkommen auf vertrautem Terrain zu operieren. In seiner Inszenierung und aggressiven Dauerüberwältigung des Publikums ist er vielleicht der radikalste Blockbuster des britischen Regisseurs. „Tenet“ erklärt wenig, treibt seine Figuren unbarmherzig weiter, bevor das Publikum die Chance bekommt, den letzten WTF-Moment zu verdauen. Lässt Handlungsstränge und deren Figuren zeitlich gegeneinander laufen, kollidieren und nicht selten explodieren. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob Nolan die Welt von „Tenet“ selbst richtig durchdringt, auf jeden Fall versteht er es meisterlich, etwaige Zeitparadoxien, oder alternative Handlungsmöglichkeiten bildgewaltig zu kaschieren. Von diesem Standpunkt wirkt er ein wenig wie der wohlgeratene Bruder der Transformer-Effektorgien von Michael Bay, die das Publikum über zweieinhalb Stunden optisch überwältigen, es aber verpassen, die richtige Balance zwischen Vollgas und Atempausen zu finden. Freilich überfordert Nolan sein Publikum im Gegensatz zu Bay nicht optisch, sondern vor allem intellektuell.

                  Die Schauspieler kämpfen durchweg tapfer gegen den immensen Dauerdruck der komplizierten (weniger komplexen) Geschichte an und wirken dabei zwar knüppelhart (John David Washington), linkisch (Robert Pattinson) verzweifelt (Elizabeth Debicki), radikal (Kenneth Branagh) und dabei (Michael Caine) aber doch sehr selten wie echte Figuren, mit denen man mitfühlt, mit denen man sich identifizieren kann. Einzig die zarte Freundschaft zwischen dem Protagonist und Helfer Neill bieten einen klitzekleinen emotionalen Anker. Geschenkt, darum geht es Nolan nicht. „Tenet“ ist eine kurzweilige zweieinhalb stündige Nabelschau über bislang ungenutzte Möglichkeiten des Geschichtenerzählens. Getrieben und angezogen von seinem eigenen Ehrgeiz und inszeniert mit dem Selbstbewusstsein eines handwerklichen Perfektionisten. Das lässt dem Zuschauer beinahe vergessen, dass die Seele des Film irgendwo zwischen der vor- und rückwärts laufenden Zeitlinien verloren geht. Insofern bewegt sich Nolan künstlerisch genau wie seine Figuren sowohl nach vorne als auch zurück. Zumindest bei der Erstsichtung -und das ist der Preis seiner schwer greifbaren und mitunter vorsäzlich verkomplizierten Erzählweise- verliert „Tenet“ im Laufe der Geschichte den Zuschauer.

                  Ich fühlte mich nicht selten wie mein 12-jähriges Ich, der irgendwann 1993 zum ersten Mal „Total Recall“ gesehen hat und sich vollkommen sicher war, komplizierter und überfordernder könne kein Film sein. Ich bin gespannt ob Tenet eine auteurgetriebene Anomalie oder, wie der Verhoeven-Klassiker, unsere Sehgewohnheiten langfristig verschieben wird. Ich glaube, er wird eine Anomalie bleiben, aber eine unbedingt sehenswerte. 'Tenet' ist Nolans radikalster, aber eben auch nicht bester Film.

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                  • Ohne Steroide sind solche öligen 80er-Muskelklopsmasssen nicht machbar.

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                    • Steile These, würde jeder Theater-Schauspieler dir sicher genüsslich um die Ohren hauen. Die würden sagen. Durch den Mangel an Kulissen ist man umso mehr auf die Kraft der eigenen Vorstellungskraft angewiesen, was den kreativen Prozess umso mehr beflügelt, statt ausbuchstabiert vorgestezt zu bekommen, in welcher Umgebeung man sich befindet.

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                        • Teil 4 ist tatsächlich der stärkste der Reihe nach dem Erstling. Teil 2 ist ein müder Abklatsch, Teil 3 ein kindische Schnitzeljagd, Teil 5... nunja. Teil 4 bringt einen gelungene Charakterarc, witzigen Sidekick, schöne Actionsequenzen und ein tolles alt gegen neu Szenario.

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                          • Es liegt es in der Natur der Sache, dass alle sozialen Bewegungen mitunter auch seltsame Stilblüten treiben und einige Aktionen klar aus dem Ruder laufen.

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                              Mein Senf 17.06.2020, 10:54 Geändert 24.06.2020, 22:06

                              An Tyler Rake ist natürlich rein gar nichts wirklich originell oder herausragend, trotzdem zeigt er auf beachtlichem Niveau die Zukunft des Actionkinos. Einen Weg zurück zur alten Härte, bei dem nichts ausuferende CGI-Setpieces oder augenzwinkernder Eskapismus herrschen, sondern eher ironiefreie und brachiale 1vs1-Kämpfe in einen simplen Verschwörungsplot mit klar erkennbaren Motivationen.

                              Die Bourne- und Taken-Reihe haben diesen Weg vorgezeichnet und selbst der erfolgreichste Genrevertreter 'Fast & Furious' kam irgendwann nicht mehr um Parcoureinlagen und brachiale Faustkämpfe herum. Mit 'The Raid' schwappte eine neue Härte aus Übersee herein, die US-Produktionen wie 'John Wick' oder 'Atomic Blonde' für den heimischen Markt interpretierten. Mit der Netflix-Eigenproduktion 'Tyler Rake' toben sich nun Kreative aus dem MCU auf dem Rated-R-Actionfeld aus. Sam Hargrave, der vor allem als Stunt-Koordinator vieler MCU-produktionen bekannt, darf unter den Fittichen der Russo-Brüder sein Regiedebüt feiern. Mit Chris Hemsworth ist sogar der Marvel-Donnergott höchstpersönlich an Bord. Herausgekommen ist ein hübsch fotografiertes und exzellent choreografiertes Actionfest mit erstaunlicher Kompromisslosigkeit und gelungenen Durchatmern. Die im Grunde komplett generische Söldnerstory, inklusive traumatisierter Hauptfigur, mieser Verschwörung und klar erkennbarer Freund-Feind-Zeichnung wird zumindest dermaßen ausreichend variiert, dass nicht alles komplett vorhersehbar gerät.

                              Den Schauspielern wird vor allem körperlicher Einsatz abverlangt und hier schlagen sich alle Beteiligten wirklich exzellent. Das Herz schlägt eh in den zahlreichen Scharmützeln, die einen unfassbaren Film-Leichenberg auftürmen und durch neue Umgebungen und Gegnertypen hinreichend abwechslungsreich geraten.

                              'Tyler Rake' hat gar nix neu erfunden, aber Regie-Neuling Sam Hargrave inszeniert dermaßen souverän und konzentriert, dass weitere Missionen fast schon vorgezeichnet sind.

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                                Mein Senf 16.06.2020, 13:10 Geändert 17.06.2020, 15:29

                                2015 stürmten zwei sehr ähnlich gestrickte Blockbuster-Reboots die Kinoleinwände. 'Star Wars - Das Erwachen der Macht' und 'Jurassic World' bedienen sich mehr beide mehr als großzügig bei der Geschichte des Originals und triggern durch ausgiebige Referenzen die Emotionen von damals. Der verächtliche Begriff 'Fanservice' wurde im Zuge dieser beiden Produktionen populär, tatsächlich markieren beide Filme so etwas wie die Nabelschau des modernen Block-Busterkinos Mitte der 10er-Jahre. Das kann und muss natürlich nie wirklich innovativ oder kontrovers sein. Blockbuster-Kino will viel mehr integrativ sein, Inszenierung perfektionieren und an den richtigen Stellen die richtigen Knöpfe beim Publikum drücken.

                                Die menschlichen Protagonisten spielen im Dino-Franchise nie die Hauptrolle. Im besten Fall sind sie interessant genug geschrieben, um als emotionaler Anker zu durchzugehen, mit denen man wahlweise mitleiden, oder aber ihnen die Velociraptoren an den Hals wünschen kann. Das hat Regisseur und Autor Colin Trevorrow erkannt und verzichtet fast komplett auf den Original-Cast. Lediglich eine John-Hammond-Statue und Dr. Wu, der nun als sinistrer Strippenzieher inszeniert wird, sind übriggeblieben. An anderen Fronten geraten die Zitate dafür umso ausgiebiger. Die Geschichte, die Figurenkonstellation, die Atmosphäre und die Ausstattung ist mehr als eine Verbeugung vor dem ersten Teil. Spannend gerät der Aufhänger, dass Dinos längst niemanden mehr hinter der Playstation hervorlocken und sich das Konzept des Überbietungs-Wettkampfes langsam totzulaufen droht. Dieser durchaus kritische Kommentar auf das amerikanisches Blockbuster-Kino wird irgendwann aber fallengelassen und dient eher als Erklärung für den handlungstreibenden Indominus Rex. Die menschlichen Figuren sind gefällig gespielt, ihre Dialoge inspiriert geschrieben, ihre Charaktere aber leider auch sehr klischeehaft. Es gibt den nerdiger Computerspezialisten, den machohaften Dino-Bändiger, die karrieregeile Angestellte, der verblendete Mogul, den wahnsinnigen Wissenschaftler und den fiesen Sicherheitschef. Es fehlt hier einfach ein bissl Chaos-Theorie. Einzig das Geschwisterpaar, das gleichermaßen den kindlichen Wow-und den teeniehaften Gähnfaktor des Themenparks symbolisiert, wirkt originell und menschlich. Ihre Chemie ist glaubhaft, nicht wie etwa das Screwball-Zitat-Gezeter zwischen Owen und Claire. Hier schlägt das wahre Herz des Films. Kein Wunder, dass sich Trevorrow anschließend dem Coming-Of-Age-Flop „Book of Henry“ widmete. Leider sind die Geschwister ab Mitte des Films dazu verdammt, den anderen Figuren beim Heldsein zuzuschauen.

                                Der eher kontrovers aufgenommen InGen-Erzählstrang, der offenbar der roten Faden der neuen Trilogie darstellt, sowie die Raptoren-Zähmung fand ich im Rahmen des Franchises passend. Einzig das Motiv, die Bestien als Waffen einzusetzen kommt dermaßen angestaubt und B-Movie-idiotisch daher, dass man bei diesem Handlungsstrang gedanklich schnell abschaltet. Schade, denn Vincent D`Onofrio gibt ein schön hassenswertes Arschloch, der wirklich in jeder Szene scheiße sein darf. Auch die Qualität der Spezialeffekte schwankt. Natürlich geraten sie deutlich spektakulärer als in den Vorgängern und es gibt auch ein paar Alibi-Puppentricks, die man dann stolz im Making Of ausstellen darf. Allzu häufig, vor allem bei Szenen in Tageslicht, wirken die CGI-Dinos, aber auch manche Kulissen, extrem künstlich. "Jurassic Park" war 1993 auch Innovationtreiber für Spezialeffekte, "Jurassic World" hinkt in dieser Sicht dem Stand der Technik etwas hinterher. Toll inszeniert und überraschend düster geraten dagegen die Dino-Attacken. Hier gelingen Trevorrow ikonische Bilder, die nicht nur die Vorgänger zitieren, sondern selbst zitierfähig sind. Musikalisch untermalt wird das Geschehen -auch so in Nostalgieding- mit einem schicken orchestralen Score von Michael Giacchino.

                                Jurassic World macht verdammt viel richtig. Er zeigt uns endlich einen überzeugenden, laufenden Dinopark. Die Geschichte, die Sets, die Figuren -dabei mixt Trevorrow eigene Ansätze mit massenhaft bekannter Jurassic-Park-DNA und findet einfach sehr oft die richtige Balance zwischen Nostalgie und Eigenständigkeit. Dabei funktioniert nicht jede Figur, oder jeder Handlungsstrang gleichermaßen, aber als besseres Blockbusterkino ist Jurassic World nicht nur Dinofans ans Herz zu legen. Nicht ganz zufällig wurde Trevorrow im Anschluss übrigens für die Fortsetzung das zweiten großen Fanservice-Abenteuer von 2015 gebucht. Seine Vision für „The Rise of Skywalker“ ist allerdings bekanntlich nie umgesetzt worden.

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                                  Mein Senf 01.06.2020, 20:12 Geändert 06.09.2021, 17:12

                                  An den Kinokassen unter den Erwartungen geblieben, von der Kritik relativ wohlwollend aufgenommen, erweist sich die Realverfilmung als solides aber vollkommen mutloser Kinoabenteuer, dessen halbgare Tricktechnik weitaus weniger stört als der konservative Grundton.
                                  Alles soll so bleiben wie es ist. Das gilt für Benjamin Blümchen seit über 40 Jahren. Charaktere bewegen sich kaum einen Millimeter weiter und potenzielle Veränderungen gehen meist Hand in Hand mit finsteren Absichten. Wohlwollend könnte man also sagen, dass Regisseur Tim Trachte den Geist der Vorlage ziemlich genau trifft, indem er praktisch alle bekannten Tropen der Reihe sklavisch in die Geschichte presst. Oder anders gesagt: Die Realverfilmung von Benjamin Blümchen sprüht nicht vor Nostalgie, sie trieft.

                                  Was bei der Charakterisierung der Protagonisten stimmig, ja unerlässlich ist, erweist sich als Hemmschuh für die Story. So ist es einerseits vollkommen richtig, Benjamin als Typ-2-Diabetiker in spe ungezwungen seiner Zuckerstückchen-Sucht frönen zu lassen und ansonsten wie der (nicht sprichwörtliche, sondern) buchstäbliche Elefant im Porzellanladen zu inszenieren. Soweit so werkgetreu. Den X-Mal durchgenudelte Kampf gegen die drohende Schließung des Neustädter Zoos inklusive sinisterer Pläne des machtgeilen Bürgermeisters inklusive Schleimscheiß-Assistenten Smithers…ähem Pichlers in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen ist für einen Kinoeinstand aber schon etwas sehr doll auf Nummer sicher. Allein, es steht symptomatisch für die allgemeine Mutlosigkeit der Macher. Alles wirkt wie vom Reißbrett für Kinderfilme aus längst vergangenen Zeiten entworfen. Es gibt die schmerzhaft vorhersehbare Handlung, deren überzeichnete Nebenfiguren von overactenen Schauspielern getragen wird, die pädagogische‚Botschaft (Freundschaft ist das wichtigste, nur gemeinsam schafft man es) – im Grunde gab es das alles schon bei… sagen wir mal „Kevin - Allein zu Haus“, aber selbst der hat nun auch schon wieder fast 30 Lenze auf dem Buckel und wahrte sich ein gewisses anarchisches Grundelement. Das geht Bejamnin Blümchen komplett ab. Hier muss der betuchliche Heile-Welt Status Quo gegen jung gebliebene Silicon-Valley-Großstadt-Hipster und profitorientierte Machtgeilheit verteidigt werden. Ausgerechnet hier gönnt sich Tim Trachte quasi den einzig ambitionierten Aspekt des Films: Er versucht den Neustädter Zoo als extrem stilisierten und unwirklichen Hort der Menschlichkeit zu inszenieren. Satte Farbe, comichafte Kulisse, warme Lichtsetzung und freilaufende Tiere - leider macht ihm die mangelhafte Tricktechnik immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Das schient auch den Machern nicht entgangen zu sein, die mit extremer Tiefenunschärfe die gröbsten Übel überpinsel – und damit den Look noch künstlicher machen.

                                  Das Drehbuch ist bestenfalls funktionell, mit einigen stimmigen Einfällen (z.B. Retro-Lied, Zuckerstückchen-Bestechung, Einbruch-Sequenz) aber auch jeder Menge durchschnittlichen Gags, kaum wirklicher großer Szenen und einigen handwerkliche Schwächen. So retten Benjamin und Otto im ersten Akt besipielweise ein Mädchen, das mit einem Bündel Luftballons davonfliegt. Das soll lediglich zeigen was für ein eingespieltes Team unser Heldenduo ist hat darüber hinaus aber null Bezug zur restlichen Handlung. Und weshalb Drehbuchautorin Bettina Börgerding, die auch die Bibi-und-Tina-Filme geschrieben hat das Potenzial der NCU (Neustadt-Cinematic-Universe) ungenutzt lässt und der kleinen hexe nicht einmal einen Cameo-Auftritt spendiert, bleibt ihr ewiges Geheimnis.

                                  Geradezu schlampig wird mit größeren Nebenfiguren wie Herr Tierlieb, Wärter Karl und Karla Kolumna umgegangen. Sie sind da, bekommen ihre Auftritte, dürfen aber wenig bis gar nichts zur Handlung beitragen und bleiben extrem blass. Die Schauspieler spielen lustvoll gegen ihre Eindimensionalität an, wobei Heike Makatsch und Dieter Hallervorden hier klar herausstechen und der lahmen Geschichte den nötigen Schwung verleihen. Auch Manuel Santos Gelke überzeugt als emotionaler Anker und Identifikationsfigur.

                                  Es bleibt die alte Frage, ob man an einen Kinderfilm dieselben Maßstäben ansetzen soll, wie für vermeintlich anspruchsvoller Unterhaltung. Wer so argumentiert unterschätzt allerdings den Anspruch guter Kinderfilme. Benjamin Blümchen begnügt sich damit die erstbesten Ideen umzusetzen. Er ist immer dann am besten, wenn er sich ein paar Millimeter von seiner Vorlage wegtraut. Das geschieht aber leider nur ein, oder zweimal. So ist ist gnädig gesagt „anschaubar“.

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                                  • Ich fand Teil 3 viel goiler als Transformers 3. Bis auf die Explosionen.

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                                      • Das Wort 'unterschätzt' wird maßlos überschätzt.

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                                        • Wollte nur sehen, wie viele Kommentare sich über Jumpscares ("sooooo billig") aufregen und/oder stolz wie Bolle kundtun, dass sie kein TV mehr gucken.

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                                            Mein Senf 20.04.2020, 14:12 Geändert 05.05.2020, 23:15

                                            Mit „Outbreak – Lautlose Killer“ schuf der deutsche Regisseur Wolfgang Petersen quasi den Michael Bay des Seuchenthrillers. In Hochgeschwindigkeit, hemdsärmelig und immer maximal breitbeinig darf Dustin Hoffmann hier nicht nur den Ausbruch eines Virus aufhalten, sondern ganz nebenbei noch eine Regierungsverschwörung aufdecken und seine kaputte Ehe retten. Dass beinahe jeglicher Anflug von Realismus der rasanten Inszenierung geopfert wird, ist dabei aber gar nicht schlimm. Ähnlich wie ein Virus eine Zelle befällt und sich dann ausbreitet, macht es Petersen mit dem Seuchenthematik - sie ist der Wirtskörper, um maximale cineastische Kinetik und Drama im Minutentakt zu entfalten.

                                            Dabei beweist er Chuzpe, Dustin Hoffmann gegen den Strich als machohaften Seuchenexperte zu besetzen. Als Charakterdarsteller quetscht Hoffmann seiner im Grunde total klischeehaften Figur das notwendige Maß an Glaubwürdigkeit und Empathie heraus, um dann doch als emotionaler Anker durchzugehen. In die illustre Riege reihen sich damals aufstrebende Stars wie Patrick Dempsey, Renee Zellweger und Cuba Gooding Jr und -Szenendieb – Kevin Spacey sowie etablierte Größen wie Morgan Freeman und Donald Sutherland. Diese Starpower gepaart mit wohldosierten Actionspitzen, die rasanten Wortgefechte und ein Drehbuch, das quasi von Minute 1 unter Volldampf steht, entschädigen dann auch größtenteils für manche extrem cheesige und teilweise auch ärgerliche Vorhersehbarkeiten und Story- bzw. Charakterabkürzungen, die sich der Film immer wieder gönnt.

                                            Vor allem vor dem aktuellen Hintergrund der globalen Corona-Pandemie erscheint es teilweise unfreiwillig komisch wie schnell die Virologen Probleme an ganz unterschiedlichen Fronten lösen können. Dustin Hoffman ist quasi eine Mischung aus Prof Dr. Christian Drosten und Chuck Norris. Auf der anderen Seite zeigt der Film -gleichwohl in extrem zugespitzter Form- einige denkbare Szenarien und durchaus realistische Aspekte eines Virusausbruchs. Er behandelt seinen Wirtskörper also durchaus mit Respekt.

                                            Laut, rasant, clever konzipiert, Komplexität suggerierend dabei aber im Grunde ziemlich dumm und formelhaft- Outbreak ist 90er-Jahre Blockbuster-Kino in Vollendung. Ein ähnliches Kunststück konnte Petersen zwei Jahre später noch einmal in „Airforce One“ wiederholen. Danach begann sein Stern zu sinken.

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                                              Hätte es in den 1980er-Jahren schon Internet-Shitstorms, Memes und Reaktion-Videos gegeben, dann wäre „Revenge“ ein sicherer Kandidat. So gab es 1987 „nur“ eine ein mediale Schelle der Kritikerpapste Siskel und Ebert und etliche Nominierungen für die Goldene Himbeere (in heftiger Konkurrenz mit Stallones „Over the Top“). „Revenge“ ist einer dieser typischen Blockbuster-Nulpen, deren offensichtliche Dummheit nicht einmal von den edlen Hochglanzbildern kaschiert werden kann. Von beiden hat der Film eine Menge zu bieten. Mit ca. 25 Mio Dollar einer der höchstbudgetierten Filme des Jahres bietet er zumindest eine solide Kameraarbeit, hübsche Locations und (größtenteils) solide Spezialeffekte. Das wars dann aber auch schon beinahe auf der Habenseite.

                                              Das Schauspiel ist teilweise theatralisch, der Schnitt und die Spannungsmontage ein echter Offenbarungseid und das Drehbuch (zusammengeklöppelt in fünf Wochen) ist häufig einfach eine echte Frechheit. Das beginnt schon beim Spannungsbogen, der einfach nicht existent ist. Nach einer etwas unmotivierten, aber immerhin recht okayen Auftakt-Attacke in Amity dümpelt der Film anschließend schier ziellos umher. Das mag auch im finalen Schnitt aufgefallen sein, so dass auf den ältesten und schon 1987 abgeschmacktesten Bauertrick des Drehbuch-Verschlimmbesserns zurückgegriffen wird. Es werden einfach zwei folgenlose Traumsequenzen eingebaut, um ein bissl Hai zu zeigen, etwas Spannung vorzutäuschen und den Zuschauer daran zu erinnern, in was für einem Film sie eigentlich sitzen.

                                              Statt auf die Kernkompetenzen der Reihe, Spannung und Suspense, setzt Regisseur Joseph Sargent auf eine absurde Grundprämisse, melodramatische bis mystische Elemente und Figuren, denen nach und nach sämtliche Rationalität und schließlich auch Sympathie des Zuschauers abgeht. Das beginnt mit Brodys Ehefrau Ellen und ihren Wahnvorstellungen ein Hai könnte -weshalb auch immer- gezielt der Brody-Familie verhackstücken. Schmecken die besonders lecker? Ist der neue Hai ein Freund oder Bekannter der ersten drei Haie und will sie rächen? Mag er Menschen mit dem Nachnahmen „Brody“ nicht? Zudem ist Ellen überzeugt, auch der Herztod ihres Mannes stehe in Zusammenhang mit… ich schreibe lieber gar nicht weiter. Sie ist hysterisch, die ist schrullig, sie ist ziemlich durchgeknallt…oder, um das Presseheft von Universal zu zitieren: Ellen Brody „"had much more depth and texture than either of the other films was able to explore. The promise of further developing this multi-dimensional woman under the extraordinary circumstances“. Nunja. Auch vermeintliche rationale Figuren wie Sohn Michael und sein Forscherkumpel Jake fallen nach und nach in sich zusammen, wenn sie von unbedeutenden Eifersuchtsanfällen, klischeehafter Forscherhybris Entscheidungen treffen, die einzig dazu da sind, um sich in Gefahr zu bringen, oder einfach keinen Sinn machen. Wer ist schon ernsthaft der Überzeugung seiner wahnhaften Mutter die Wahrheit vorzuenthalten, die sie schon immer ahnte, damit sie auf den Bahamas entspannen kann, während ein Weißer Hai ihr nach dem Leben trachtet? Dazu gesellen sich Flashbacks auf Ereignisse, die eigentlich nur der Zuschauer gesehen hat und Drehbucheinfälle, die so absurd sind, dass selbst die handelnden Figuren sich wundern, was das alles soll (Stichwort: Weißer Hai in warmen Gewässern).

                                              Garniert mit Schauspieler, die nur mitspielen, um Urlaub auf den Bahamas zu machen (Michale Caine), oder Michael Caine küssen zu dürfen (Lorraine Gary). Markierte Teil 1 seinerzeit den Beginn des modernen Blockbuster-Kino, so taugt der (vorläufige) Abschluss höchstens als Referenz für lausiges Fortsetzungskino.

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                                              • Mein Senf 07.04.2020, 13:50 Geändert 07.04.2020, 14:24

                                                RASSISTISCHER ARTIKEL!! NUR, WEIL SMITH UND LAWRENCE SCHWARZE SIND1! !

                                                • Mein Tipp für Netflixer mit Kindern zwischen 2 und 4 Jahren:

                                                  'Oonas Insel'

                                                  • Mein Senf 03.04.2020, 15:26 Geändert 03.04.2020, 15:32

                                                    Ich dachte schon, schlimmer als Feuerwehrmann Sam kann es nicht werden. In einer inszestuösen Kleinstadt, bringen sich die Bewohner (und auch deren Retter) permanent in Gefahr, so dass ihnen ungefähr in jeder Folge wohl längst das Sorgerecht entzogen werden sollte. Zudem: Müssten die Wohnungen sämtlicher Figuren nicht ohne enden müffeln so oft, wie es bei jedem brennt?

                                                    Dann kamen Rider und seine Fellfreunde (klingt irgendwie pervers)... Und seitdem bete ich, dass Vincent bald wieder Feuerwehrmann Sam cooler findet.

                                                    Generell scheinen beide Serien aber eher um gut vermarktbare Merchandisingprodukte herum gestrickt zu werden, so oft wie da neue Fahrzeuge eingeführt werden (fairerweise muss man sagen, dass da Feuerwehrmann sam aber aus einer weitaus weniger kommerziellen Tradition zu kommen scheint) .

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