Patrick Reinbott - Kommentare
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Alle Kommentare von Patrick Reinbott
[...] Allens mittlerweile 47. Film ist in erster Linie ein Fest für die Augen. Mit der Unterstützung von Kamera-Legende Vittorio Storaro zaubert der Regisseur fantastische Bilder der goldenen Ära Hollywoods, die ihrem Namen in beinahe jeder Einstellung gerecht wird. Café Society lässt die Traumfabrik vor den Augen des Zuschauers in glänzender Pracht erstrahlen, wenn er seine Figuren in edlen Kostümen durch warme, sonnendurchflutete Sets schreiten lässt, während jedes Restaurant, jede überbordende Poolparty und jeder Straßenzug den Glanz vergangener Tage erneut aufleben lässt. Inhaltlich zählt der Streifen dagegen zu den seichteren Werken des Regisseurs, der im Vergleich mit dem tollen Vorgänger "Irrational Man", in dem Allen Joaquin Phoenix (Her) als Philosophie-Professor in eine Sinnkrise schickte, die sich nur durch mörderische Allüren löste, mit deutlich weniger Biss daher kommt. Hauptdarsteller Jesse Eisenberg (The Social Network) wirkt wieder einmal wie eine jüngere Version von Allen selbst, der diesmal in Form von Voice-over-Begleitung zu hören ist. Trotz neurotischer, hibbeliger Macken ist Eisenbergs Bobby aber eine Figur, die keine richtige Energie entwickelt und den gewohnten Charme der typischen Allen-Protagonisten vermissen lässt. Nur im Zusammenspiel mit Kristen Stewart (American Ultra), die hier eine wunderbare Leistung zeigt, erhält Café Society knisternden Charme und die gewohnte Leichtfüßigkeit des Regisseurs, die sich auch in den locker geschriebenen Dialogen zeigt. In seinem Kern, abgesehen von einigen interessanten Nebenfiguren und kleineren Handlungssträngen, die nur am Rande eine Rolle spielen, dreht sich der Streifen aber letztlich nur um ein doppeltes Liebesdreieck, bei dem der Regisseur seine Geschichte in zwei Hälften zerfallen lässt. Nach dem anfänglichen Hollywood-Segment kehrt Allen nach New York zurück, wo der Film etwas an Glanz und Fahrt verliert, wenn Eisenbergs Bobby wieder stärker in den Fokus rückt, Stewarts Sympathie sowie Steve Carells (Foxcatcher) amüsante Gerissenheit spürbar fehlen und die Geschichte entspannt, aber ohne wirklich nennenswerte Höhepunkte vor sich hin plätschert. [...]
[...] Ähnlich wie in David Finchers "Panic Room" gleitet und schwebt die Kamera in langen Einstellungen durch die Räumlichkeiten, begleitet die Figuren und etabliert das Setting, in dem sich der gesamte Rest des Streifens fortwährend abspielen wird. Als den Figuren klar wird, dass sie sich womöglich das falsche Haus für einen Einbruch ausgesucht haben, ist es bereits zu spät. "Don't Breathe" entwickelt sich von nun an zu einem beklemmend intensiven Thriller, in dem Alvarez die Spannung gekonnt mit verschiedenen Techniken aufrecht erhält. In einigen Momenten hört man nichts anderes, als den eigenen Atem und das laute Klopfen seines Herzschlags, da der Regisseur absolute Stille einsetzt, um das Katz- und Mausspiel auf engem Raum zu einem verzwickten Überlebenskampf umzumünzen. Alvarez beherrscht die Klaviatur des Terrors erstaunlich gut, wenn jede einzelne Bewegung bis zum Maximum ausgereizt wird, das kleinste Geräusch zur fatalen, gewalttätigen Implosion führen kann, vereinzelte Szenen in brachiale Körperlichkeit explodieren und ein paar Einstellungen in Zeitlupe den Höhepunkt der unangenehmen Spannung fast schon sadistisch ausschlachten. In einigen Szenen funktioniert die Logik des Films gewiss nicht einwandfrei und das Verhalten der Figuren gestaltet sich als fragwürdig. Es sind Momente, die in anderen Thrillern dieser Art ebenfalls gerne enthalten sind und bei denen man sich denkt, dass die Figuren entschieden anders hätten handeln sollen. Nichtsdestotrotz kaschiert Alvarez diese kleineren Mängel in der Erzählung, indem er dem Betrachter schon frühzeitig keine Atempausen mehr gönnt und einige Haken schlägt, um aus dem eigentlich simplen Setting, bei dem drei Personen mit einem tödlichen Widersacher in einem Haus eingesperrt sind, immer wieder neue elektrisierende Spannungshöhepunkte zu kitzeln und gegen Ende auch einen Abstecher in dezent überzeichnete, groteske Momente zu wagen. [...] Bemerkenswert ist aber auch Jane Levy, die schon in "Evil Dead" mitwirkte. Durch ihre Figur spinnt Alvarez sogar Parallelen zum Vorgänger, denn das Motiv von Rocky aus "Don't Breathe" weist durchaus Ähnlichkeit zu Mia aus "Evil Dead" auf. Während Mias Kampf gegen die dämonischen Mächte gleichzeitig ein Kampf gegen ihre eigene Drogensucht darstellte, ist Rockys Kampf gegen den alten Mann und um ihr Leben ebenfalls ein Kampf um ihren Traum nach einer unbeschwerten Zukunft in Freiheit, den sie sich nur mit dem Geld aus dem Haus des Mannes verwirklichen kann. "Don't Breathe" ist somit ähnlich wie "Evil Dead" auch wieder ein Film, in dem die Laster und Abhängigkeiten der Protagonisten zum entscheidenden Katalysator des Terrors werden und sich in beängstigenden Horrorszenarien manifestieren. [...]
Genauso wie der Wind leise und vorsichtig durch das Schilffeld weht und pfeift, bewegen sich die beiden Frauen ebenfalls voran, sobald sich neue Opfer ankündigen. Im Japan des 14. Jahrhunderts tobt ein Krieg, weshalb die Frauen darauf angewiesen sind, sich um ihr eigenes Wohlergehen zu kümmern. Nachdem sich verletzte Soldaten mit letzter Kraft in das Schilffeld schleppen, wird ihnen der Gnadenstoß verpasst, sämtliche Besitztümer abgenommen und diese gegen Lebensmittel eingetauscht.
Regisseur Kaneto Shindô zeichnet in "Onibaba" das Bild einer Gesellschaft, in der selbst die schwächeren, unschuldigen Bürger zu grauenvollen Monstern mutieren, die jegliche Form von Moral hinter sich lassen müssen, um zu überleben. Über weite Strecken ist der Streifen ein ruhiges Psycho-Drama, in dem der Regisseur auf subtile Weise leise Spannungen erzeugt. Nachdem sich ein Soldat den beiden Frauen anschließt, sät Shindô zunehmend Missgunst, Eifersucht und sexuelle Spannungen innerhalb des Trios, auch wenn sich "Onibaba" sehr viel Zeit lässt, um die eigentlich schlichte Geschichte zu erzählen. Wie mit vorsichtigen Pinselstrichen gemalt sind die einzelnen Einstellungen voller konzentrierter Kraft, die durch den starken Kontrast zwischen der eigentlich friedlichen Naturkulisse und dem verdorbenen Innenleben der Figuren entsteht.
Die eigentliche Aussage von "Onibaba", dass Krieg mit der Zeit jeden erschüttert, selbst wenn sich diese Menschen nicht einmal aktiv selbst am Geschehen beteiligen, ist bereits nach kurzer Zeit beim Betrachter angekommen, weswegen der Film trotz seines zunehmend surrealen Einschlags, bei dem Shindô japanische Mythen und knisternden Grusel verbindet, eine ganz spezielle, andersartige und oftmals auch anstrengende Geduldsprobe ist. Auch wenn der Film längst als gefeierter Klassiker des japanischen Kinos gilt und viele in eine Art hypnotische Ekstase zu versetzen mag, bleibt der Streifen ein Mysterium mit durchaus schleppenden Passagen, in die nicht jeder Zuschauer einen persönlichen Zugang finden wird.
Es wurde aber auch Zeit, dass jemand dem Hai-Horror als eigenes Subgenre mal wieder zu frischem Glanz verhilft. Nachdem die letzten Filme, in denen die von Natur aus bedrohlich wirkenden Fische eine Rolle spielten, meist darum bemüht waren, sich an trashiger Absurdität immer noch weiter steigern zu können, was Werke wie "2-Headed Shark Attack", "Ghost Shark", "Sharktopus" oder den wohl bekanntesten Vertreter "Sharknado" hervorbrachte, ist "The Shallows" tatsächlich der vermutlich beste Hai-Horrorfilm seit Steven Spielbergs Klassiker "Jaws".
Ausgerechnet Jaume Collet-Serra erweist sich als Retter in der Not, der bislang vor allem durch seine Zusammenarbeiten mit Schauspieler Liam Neeson einige überaus gelungene Thriller zu verantworten hat. Schon in "Non-Stop" inszenierte Collet-Serra ein überwiegend auf engstem Raum stattfindendes Kammerspiel, in dem er Neeson an Bord eines Flugzeugs auf Mörderjagd schickte und Spannungsmomente zauberte, die in ihrer Raffinesse durchaus an Großmeister Alfred Hitchcock erinnerten. In "The Shallows" weicht die ruppige, kantige Präsenz von Neeson nun der athletisch durchtrainierten, grazilen Physis von Blake Lively. In der Rolle von Hauptfigur Nancy macht die Schauspielerin eine hervorragende Figur, was nicht nur daran liegt, dass sich die Kamera von Flavio Labiano in den ersten Szenen, in denen sich die Surferin ins Wasser begibt, an ihrem Körper labt und jede Bewegung überstilisiert auskostet, sondern auch an der charakterlichen Wandlungsfähigkeit der Schauspielerin.
Ohne übermäßiges Vorgeplänkel versetzt der Regisseur seine Protagonistin in einen nassen Albtraum auf offenem Meer, in dem Nancy von einem Hai umzingelt wird, der nur darauf wartet, im passenden Moment zuzuschlagen. Der Überlebenskampf der jungen Frau wird zu einer Ansammlung von ästhetisch toll komponierten Spannungsszenarien, wobei Nancy jeden ihrer nächsten Schritte sorgfältig durchdenken und ihren frühzeitig geschundenen Körper mithilfe von vorab erlerntem Wissen als Medizinstudentin am Leben erhalten muss, während ihr Wille ebenfalls immer stärker in Mitleidenschaft gezogen wird.
Beeindruckend an diesem geradlinig komprimierten Thriller ist der versierte Umgang des Regisseurs mit der Faszination sowie Lebendigkeit des Meeres. Collet-Serra lässt die Kamera unter Wasser gleiten, um für Sekundenbruchteile entscheidende Details zu enthüllen, fängt Wellenbewegungen mit virtuosen Kamerabewegungen ein, engt den eigentlich endlosen Raum, in dem sich die Hauptfigur befindet, auf ein beklemmendes Maß ein, um die ausweglose, verzweifelte Lage von Nancy zu intensivieren und bewegt sich immer im richtigen Moment ganz nah an bedeutenden, teilweise schmerzhaften Einzelheiten.
Lediglich im Finale läuft dem Regisseur sein bis dahin fesselnder Survival-Bilder-Rausch etwas aus dem Ruder, wenn sich "The Shallows" mit unschön digitalem Getrickse, unlogischen Entwicklungen und überzogenen Momenten auf konstruiertes Terrain begibt, das dem Film etwas von seiner Anziehungskraft raubt und ihn ganz kurz zu generischer, mit leichtem Trash-Appeal liebäugelnder Stangenware werden lässt. Aber nur ganz kurz.
Simon Verhoevens Wechsel zum englischsprachigen Film ist grundsätzlich interessant. Der Regisseur, der vorher mit "Männerherzen" und "Männerherzen – und die ganz, ganz große Liebe" eine Karriere andeutete, die sich auf seichte Komödien beschränken sollte, hat mit "Unfriend" nun überraschend einen Horrorfilm gedreht.
Tatsächlich hat Verhoeven einige sehenswerte Bilder im Gepäck, bei denen er zeigt, dass ihm mehr daran liegt als Til Schweiger, Florian David Fitz und Christian Ulmen zum wiederholten Mal vor der Kamera in humorvoll beabsichtigte Situationen zu rücken. Der Regisseur spielt mit okkulter Symbolik, flackernden Cyber-Terror-Videos und schaurigen Impressionen, wobei "Unfriend" nie den Eindruck von unbeholfenem Amateur-Horror ausstrahlt, sondern durch und durch nach Kino aussieht.
Hier klingen die positiven Aspekte leider schon rapide ab, denn ansonsten ist Verhoevens Film schrecklich belangloser Horror, nach dem uninspirierten Standard-Regelwerk gestrickt und mit vorhersehbarer Schockrezeptur inszeniert, bei der sich Jumpscare an Jumpscare reiht. Obwohl sich das Drehbuch anfangs interessiert daran zeigt, die virtuelle Welt mit der Realität zu verweben, verliert sich die Handlung schnell in mutlos getricksten Todesfällen, bei denen extreme Spitzen zaghaft im Off stattfinden, während die Blicke auf Macbook-Desktops oder Smartphone-Displays zum zweckmäßigen Gimmick werden. Spätestens im öden Schlussakt, wenn sich die Figuren wieder einmal in die Vergangenheit begeben müssen, um die übernatürlichen Vorfälle der Gegenwart entschlüssen zu können, versickert "Unfriend" zwischen modrig verfallenen Häusergängen, schwach ausgeleuchtetem Taschenlampengeflacker und bescheuerten Twists vollends im ärgerlichen Einheitsbrei.
Wer sehen will, wie die Verbindung von Horror und Social Media innovativ sowie konsequent umgesetzt und vom Regisseur vor allem verstanden wurde, sollte sich lieber Levan Gabriadzes sträflich unterschätzten "Unfriended" ansehen, denn der lässt Verhoevens Werk erbarmungslos im Regen stehen.
[...] Der Film ist kaum mehr als oberflächliches Abfeiern eines sinnlosen Lebensgefühls, bei dem naive Weisheiten, kitschige Plattitüden und entnervende Dauerbeschallung im Vordergrund stehen. Der Regisseur schickt sechs verschiedene Charaktere auf das XOXO-Festival in Portland, das auch real existiert. Während die reale Version eher eine Art Veranstaltung ist, die sich selbst als experimentelle Konferenz bezeichnet, auf der neuartige Technologien und Kunst vorgestellt werden, ist das XOXO in Louies Film kaum von einem Festival wie "Tommorrowland" zu unterscheiden, bei dem unterschiedliche DJs vor breiter Masse auflegen. XOXO ist so etwas wie das filmische Äquivalent zur Top 50 Deutschland Chartliste von Spotify. Vollgestopft mit seichten Mainstream-Songs, die jeder, der sich ernsthaft für Musik interessiert, kaum ertragen dürfte und schon unzählige Male im Radio hören musste, wobei ein simpel komponierter, lieblos produzierter Song dem anderen gleicht und immer nach dem selben Muster gestrickt ist. [...] Keine der Figuren ist auch nur ansatzweise sympathisch, es entsteht das Gefühl, dass sich der Regisseur selbst keine Minute lang für sie interessiert und als Zuschauer fragt man sich, was einem XOXO überhaupt vermitteln will, abseits von hektischen Musikvideo-Montagen, platten Klischees und peinlichen Floskeln, die sich gut auf einer kitschigen Postkarte aus dem Urlaub machen würden. [...]
Toni sieht aus wie ein gewöhnliches, 11-jähriges Mädchen, doch ihre Hobbys entsprechen so gar nicht den typischen Vorlieben anderer Mädchen ihres Alters. Viel lieber trainiert sie ihren Körper, macht Klimmzüge, Sit-Ups und boxt mit den anderen Jungs in der Turnhalle. Das Verhalten von Toni lässt sich mit der konkreten Bezeichnung eines "Tomboys" beschreiben, also einem Mädchen, das sich fast ausschließlich wie ein Junge verhält.
Um einen tiefgründigen Gender-Diskurs geht es in Anna Rose Holmers Regiedebüt "The Fits" aber nicht. Die Regisseurin inszeniert eher eine Geschichte, die sich mit den Problemen der Adoleszenz beschäftigt und mit dem Drang, unbedingt irgendwo dazugehören zu wollen. Holmers Film ist dabei eine Abfolge loser Situationen, die sich nicht in einen großen Erzählrahmen einfügen. "The Fits" tastet sich behutsam an der jungen Protagonistin voran, zeigt ihre Bewegungsabläufe, die zu Beginn entschlossen und kontrolliert wirken, wenn sich Toni in ihre Trainingsroutine stürzt, später hingegen verunsichert und unbeholfen erscheinen, nachdem sich das Mädchen einem Hip-Hop-Tanzkurs anschließt, in dem sie langsam eine Freundschaft zu einem anderen Mädchen ihres Alters aufbaut. Mit spürbarem Feingefühl komponiert Holmer ihre Einstellungen mit sorgfältiger Präzision, wodurch "The Fits" über die kurzen 72 Minuten der Laufzeit hinweg auf konzentrierte Verdichtung ausgerichtet ist. Die Handlung des Films findet dabei zu einem Großteil nur in den Räumlichkeiten des Gebäudes statt, in dem sich das Box-Gym und die Tanzhalle befinden.
Irgendwann verlässt die Regisseurin konventionelle Erzählregionen aber zunehmend und ergänzt den geradezu minimalistischen Stil ihrer Geschichte um ein mysteriöses Element. Immer mehr Mädchen des Tanzkurses werden Opfer unerklärlicher Anfälle, deren Ursache bei einer Verseuchung des Trinkwassers gesucht wird. "The Fits" erinnert diesbezüglich an Carol Morleys fantastischen letzten Film "The Falling", in dem eine Mädchenschule im England der 60er ebenfalls von unerklärlichen Ohnmachtsanfällen heimgesucht wird, die teilweise sogar tödlich enden. Ebenso wie Morley lässt Holmer die Ursache ungeklärt und verwendet die Vorfälle als direkten Einfluss auf die Psyche der Figuren. Für Toni bedeuten diese Zwischenfälle einen Bruch innerhalb ihres neuen Umfelds. Gerade als das Mädchen beginnt, Halt zu finden und Akzeptanz zu erfahren, sorgen die Ereignisse für Ausfälle der Tanzstunden und schüren große Ängste unter den Mädchen, die nicht verstehen, aus welchem Grund die Anfälle auch sie treffen könnten.
"The Fits" bleibt letztlich seltsam ungeschlossen, wird von einem hypnotischen Finale beendet und hinterlässt den Betrachter mit vielen Fragen, auf die dieses subtil inszenierte Coming-of-Age-Mysterium bewusst keine Antworten liefert. Anna Rose Holmer beweist mit ihrem Debüt viel Potential, denn ihr Film kombiniert auf mutige Weise Genres, passt in keine Schublade und traut sich, sichere Pfade selbstbewusst zu verlassen. Leicht zugänglich ist ihr Werk dadurch keineswegs, mindestens aber sehr interessant.
[...] Ambitioniert ist 00 Schneider – Jagd auf Nihil Baxter tatsächlich, aber nur im Bezug auf die Frage, wie weit Schneider es noch mit seinem Publikum treiben kann, bevor er endgültig im puren Dadaismus angelangt ist. Sein zweiter Langfilm ist erstaunlicherweise sogar noch extremer, was den unangepassten Humor betrifft, wirft jegliche Ansätze von Stringenz oder plausibler Logik aus dem Fenster und kreiert eine Form des geradezu surrealen Anti-Humors, den es im deutschen Film in solch einer Form vermutlich noch nie gegeben hat. Kommissar 00 Schneider, der in Schneiders Langfilmdebüt bereits seinen ersten Auftritt erhielt, kehrt aus dem Ruhestand in den aktiven Dienst zurück, um den Mord an Zirkusclown Bratislav Metulskie aufzuklären, für den der verrückte Kunstsammler Nihil Baxter verantwortlich ist. Dieser eine Satz umschreibt alles, was man hier an grober Rahmenhandlung spendiert bekommt. In ungefähr jeder zweiten Szene schweift der Regisseur absichtlich vom Geschehen ab und ergeht sich teilweise minutenlang in absurden Nichtigkeiten, die zweifelnde Zuschauer, welche mit Schneiders Art eher weniger anfangen können, zur absoluten Verzweiflung bringen dürften. Es ist bemerkenswert, mit was für einem konsequenten Hang zum dilettantischen Nonsense sich Schneider durch dieses Werk bewegt und einen gigantischen Reigen des bizarren Wahnsinns über den Zuschauer regnen lässt. Erneut hat er die Regie übernommen, die jazzige Musik komponiert und unter dem ausgeklügelten Pseudonym "Brötchen" das Drehbuch geschrieben. Daneben fährt 00 Schneider – Jagd auf Nihil Baxter aber vor allem ein Figurenarsenal auf, in dem Schneider persönlich wieder einmal am meisten hervorsticht. Selbst diejenigen, die vom grotesken Stil des Regisseurs kaum erreicht werden und in manchen Szenen glauben, sie befänden sich kurz vor einem Schlaganfall, müssten spätestens die unglaublich schräg entworfenen Charaktere zumindest etwas lieb gewinnen. Schneider macht sich nicht nur einen Heidenspaß daraus, in vier verschiedene Rollen zu schlüpfen, die er alle mit ganz unterschiedlichen Eigenheiten verkörpert, sondern lässt diese auch immer wieder in gemeinsamen Szenen aufeinanderprallen, was aufgrund von verplanten Schnitten, notdürftigen Doubles und völlig abstrusen Dialogen sowie blanken Aussetzern zu Situationen führt, die man selbst gesehen haben muss, um sie glauben zu können. [...] Der ultimative Helge-Schneider-Film. [...]
Schon alleine mit einem Titel wie "Killer Klowns from Outer Space" reiht sich dieser Film ohne große Mühe in eine lange Liste der 80er-Jahre-Kuriositäten ein, von denen man sich großartig abgedrehten B-Movie-Spaß erwarten darf.
Der größte Verdienst dieses Trash-Streifens sind die Personen, die sich auf dem Regie-Stuhl befanden, das Drehbuch schrieben und für die Produktion verantwortlich waren. Hinter den sogenannten "Chiodo Brothers" verbirgt sich ein Trio von Special-Effects-Künstlern, welche unter anderem Werke wie "Critters" oder Team America: World Police" mit handgemachten Effekten ausgestattet haben. Mithilfe der liebevoll entworfenen Kostüme machen die außerirdischen Killer-Clowns in diesem Film eine tolle Figur und überzeugen durch eine verspielte Optik, während die Brüder mit den hinterlistigen Kreaturen einiges an Spektakel auffahren. Wenn die Clowns ihre Opfer mit Laserkanonen in süßliche Zuckerwatterollen mit menschlichem Kern verwandeln und diese mit einem Strohhalm anzapfen, um sich genüsslich einen blutigen Milchshake zu genehmigen, tote Polizisten auf verstörende Weise zu Handpuppen zweckentfremden oder ein amüsantes Schattenspiel mit tödlichem Ausgang vorführen, ist "Killer Klowns from Outer Space" genau die amüsante, bescheuerte Trash-Granate, die man sich erhofft.
Über die gesamte Laufzeit sind diese Szenen allerdings spärlich verteilt worden, wodurch der Film immer wieder merklich ausgebremst wird. Zu oft muss man den überflüssigen Dialogen der uninteressanten Nebencharakte zuhören, bei denen es eh nur eine Frage der Zeit ist, bis sie einem der mordlüsternen Clowns zum Opfer fallen. "Killer Klowns from Outer Space" schöpft sein volles Potential zum absoluten Trash-Highlight daher nie voll aus, was sicherlich auch dem niedrigen Budget geschuldet ist, und bleibt eher durch herrlich überzogene Einzelmomente in Erinnerung.
Der Kultstatus, den der Streifen über die Jahre generiert hat, ist deshalb sicherlich dem Titel selbst geschuldet, denn auch wenn man dem Film vor allem bei den Kostümen und Effekten eine gewisse Liebe zum Handwerk ansieht, beschränken sich die Höhepunkte auf eine überschaubare Anzahl von immerhin sehr spaßigen Momenten.
Als leidenschaftlicher Verehrer des Kinos gibt es kaum etwas schöneres, als sich in den dunklen Saal zu begeben, eine optimale Position im Sitz einzunehmen und für eine bestimmte Zeit in eine andere Welt abzutauchen. Das Problem dabei ist manchmal: Ein Großteil der Bevölkerung teilt diese Begeisterung nicht, betrachtet Kino als gelegentlichen Zeitvertreib, während man teilweise bereits schiefe Blicke über sich ergehen lassen muss, wenn man mehr als einmal pro Woche ins Kino geht. Für Eric, Harvey, Roberta, Bill und Jack wären ein paar Kinobesuche in der Woche hingegen ein ärgerlicher Fehlschlag, ein unvorstellbares Szenario, denn die fünf New Yorker leben das Kino wortwörtlich und sehen sich an jedem Tag des Jahres mindestens zwei, teilweise bis zu fünf Filme täglich im Kino an.
In der Dokumentation "Cinemania" werden die New Yorker von Angela Christlieb und Stephen Kijak über einen längeren Zeitraum hinweg begleitet und lassen den Zuschauer an ihren Leben teilhaben, die mit gewöhnlichem Filmkonsum kaum noch etwas zu tun haben. Für jeden von ihnen ist das Kino eine permanente Abhängigkeit, der zentrale Fixpunkt, um den sie ihr ganzes Leben ausrichten. Sie kennen die Uhrzeiten, in denen die U-Bahn fährt, auf die Sekunde genau, damit sie keinen Moment zu spät zu einer Vorstellung kommen. Die Ernährung ist nach einer speziellen Diät ausgerichtet, damit auch bloß nicht die geringste Magenverstimmung während des Kinobesuchs auftreten kann und eine sexuelle Beziehung zu einer Frau wäre durchaus denkbar, solange diese Frau Rita Hayworth ist und auf gar keinen Fall in Farbe, sondern in Schwarz-Weiß existiert.
Über solche speziellen Ticks und Eigenarten kann man sich zunächst herrlich amüsieren, obwohl "Cinemania" die fünf Menschen nie in irgendein spezielles Licht rückt, sondern einfach so zeigt, wie sie sind. Ihrer ungewöhnlichen, extremen Form von Cinephilie sind sie sich durchaus bewusst und so entstehen die humorvollsten Momente mit ihnen, nicht über sie. Trotzdem entwickelt die Dokumentation erschreckende Momente, in denen das Hobby dieser Menschen eindeutig auch als Last dargestellt wird, die sie komplett von all dem abschirmt, was mit dem Leben außerhalb des Kinosaals zu tun hat. Ein Großteil der Gruppe lebt von Arbeitslosengeld, denkt gar nicht daran, einen Beruf auszuüben, der Filmvorführungen im Weg stehen könnte und ist nicht dazu fähig, soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen.
"Cinemania" zeigt Menschen, die Geiseln ihrer eigenen zwanghaften Leidenschaft geworden sind, sich dessen mitunter auch ganz klar bewusst sind, aber nichts dagegen tun können und wollen, als ihrem lebensumfassenden Hobby mit Humor und strikter Konsequenz zu begegnen. Gleichzeitig unterhaltsam und erschütternd zugleich ist den beiden Regisseuren eine gelungene Dokumentation geglückt, die jeder Cineast gesehen haben sollte.
Freue ich mich auf eine Doku die nächste Zeit mehr als auf diese? Nein. :)
[...] Aufgrund seines Anwalts kommt Carlito Brigante nach fünf anstatt dreißig Jahren aus dem Gefängnis, doch sein altes Leben als Gangster will er zukünftig hinter sich lassen. Als legaler Nachtclub-Besitzer will Carlito ehrliches Geld verdienen, bis er genügend angespart hat, um sich in der Karibik ein für alle Mal in den Ruhestand zu begeben. Carlito´s Way erzählt die Geschichte eines verzweifelten Aussteigers, der von dem Milieu, in dem er aufgewachsen ist, nicht in Ruhe gelassen und verfolgt wird. Obwohl er nur fünf Jahre im Gefängnis saß, erkennt Carlito sein früheres Umfeld kaum wieder. Die Leute haben sich verändert, manche von ihnen mussten unfreiwillig das Feld räumen, jüngere Nachwuchsgangster streben nach Macht und diejenigen, die Carlito noch von damals kennt, wollen ihn sofort wieder in kriminelle Geschäfte verwickeln. Nur Balletttänzerin Gail, der Carlito aufgrund seiner Verurteilung das Herz brach, ist für ihn ein Gesicht, in das er wieder schauen möchte und das ihn daran erinnert, was für ein Mann er von nun an sein möchte. In einer Szene überrascht er sie in ihrer Wohnung, wird allerdings von der Kette an ihrem Türschloss zurückgehalten. Gail weist ihn verführerisch darauf hin, dass er die Kette durchbrechen, ihr die Kleider vom Leib reißen und sie dann auf dem Fußboden lieben soll. Sie mag den neuen Carlito, der jetzt offenbar kein Verbrecher mehr ist, aber ihr Verlangen sehnt sich in diesem Moment nach dem alten Carlito, der verbotene Barrieren einfach durchbricht und sich nimmt, was er will. Später ist sie zwar besorgt um ihn und verlangt, dass er sich aus krummen Geschäften endgültig raushält, doch dieser Schlüsselmoment in ihrer Wohnung spricht Bände über das Dilemma des Hauptcharakters. Eine kleine Verlockung hier, ein zweckdienlicher Gefallen an alte Freunde da oder die impulsive Entscheidung, unüberlegt noch schnell diese eine Sache zu erledigen, bevor endlich für immer Schluss sein soll und schon ist Carlito wieder in der Rolle gefangen, aus der er so sehr ausbrechen möchte. De Palma hält sich mit seinen gewohnten Stilmitteln zurück und inszeniert Carlito´s Way mit souveräner Führung, bei der er tiefgründige Charaktermomente mit melancholischer Schwermütigkeit verbindet, als ultimativen Abgesang auf den typischen Gangster-Film, in dem gestandene Posen, luxuriöse Statussymbole oder kaltblütige Gewalttaten im Fokus stehen. Nur im Finale kann sich De Palma dann nicht mehr zurückhalten und lässt die Regie-Muskeln spielen, wenn er den letzten großen Kampf von Carlito als meisterhafte Verfolgungsjagd in der Grand Central Station entfesselt, bei der jede Kamerabewegung und jeder gesetzte Schnitt perfekt platziert ist. De Palma selbst war über die eher zurückhaltenden Reaktionen auf sein Werk enttäuscht und sah sich den Film bei einem Aufenthalt in Berlin noch einmal an. Als der Abspann lief, waren seine Gedanken, dass er niemals wieder einen Film machen kann, der so gut ist wie dieser. Man möchte ihm nicht widersprechen. [...]
Auch wenn er vorab schon einige Filme drehte, markiert "Sisters" so etwas wie die Geburtsstunde von Brian De Palmas ureigener Handschrift, die er fortan noch feiner schleifen und weiterentwickeln sollte.
Es ist ein Thriller, der sich unverwechselbar vor Hitchcock verbeugt und für den sich De Palma einige Stilmittel und Elemente des Meisters borgte, um sie in eine für ihn passende Form zu gießen. Ein ganz wesentliches Motiv von "Sisters", von allen Thrillern De Palmas, ist Wahrnehmung und Täuschung. Mit beidem jongliert der Regisseur in diesem Frühwerk ebenso überzeugend wie mit einem frechen Augenzwinkern. Bereits die erste Szene enttarnt De Palma überraschend als fiktives TV-Show-Segment, um den Zuschauer darauf vorzubereiten, dass er auf nichts vorbereitet ist. Mit glühender Freude am leicht bekleideten, blutbesudelten Exzess verwickelt der Regisseur sein Publikum in ein, vor allem zu Beginn, großartig inszeniertes Verwirrspiel.
"Sisters" reißt einem den Boden unter den Füßen weg, sobald man sich erstmal an eine sichere Identifikationsfigur gewöhnt hat, durchbricht den Anlass einer zuckersüßen Geburtstagstorte mit hysterischen Messerstichen, erzeugt einen grandiosen Split-Screen-Spannungsmoment und zweckentfremdet Möbelstücke zur Leichenentsorgung, als wäre es das normalste überhaupt.
Im Mittelteil hat De Palma zwar Mühe, die etwas zu gemütlichen Krimi-Wurzeln mit aufregenden Spielereien zu bereichern, doch dieser Abschnitt wirkt letzlich nur wie ein kurzes Luftholen, um im Finale schließlich in völlig übergeschnappter Manier mit Rückblenden in Form der Horrorfilme aus den 30ern oder 40ern einen manischen Höhepunkt zu kreieren, an dem sich endgültig die Geister scheiden werden.
Im Vergleich zur formal meisterhaften Könnerschaft von Hitchock wirkt De Palma hier eindeutig noch wie ein gelehriger Schüler, der übermutig nach allem greift, was er brauchen kann, dabei allerdings nicht davor zurückschreckt, Ideen seines Vorbilds rasant ins Extreme zu überspitzen und aufgrund inszenatorischer Glanzmomentes sowie bizarr erinnerungswürdiger Einzelheiten für Eindruck zu sorgen. Der erste wilde Schrei nach Aufmerksamkeit ist ihm mit "Sisters" definitiv geglückt.
Noah Baumbachs und Jake Paltrows "De Palma" bewegt sich weit über den üblichen Standards der biographischen Filmemacher-Dokumentationen, was in erster Linie an dem faszinierenden Subjekt liegt. Brian De Palma zählt zu den kontroversten Regisseuren, die jemals in Hollywood arbeiteten und hat über die Jahrzehnte eine äußerst vielseitige, hitzig diskutierte Filmographie geschaffen.
In "De Palma" lässt der Regisseur mit 75 Jahren seine bisherige Karriere Revue passieren, was nicht nur für Fans eine Wohltat darstellt, sondern darüber hinaus als Zeitkapsel funktioniert, die einen zurück in die Ära bringt, wo Studios noch nicht die maximale Kontrolle über einen fertigen Film ausübten und amerikanische Regisseure mit wagemutigen Experimenten aufwarteten. Die Dokumentation selbst ist dabei auf das Nötigste reduziert. Weder Kollegen, noch Schauspieler, noch technische Assistenten oder überhaupt Menschen aus dem nahen Umfeld des Regisseurs kommen zu Wort. Es ist alleine De Palma selbst, der in einem Raum vor dem Kamin sitzt und erzählt. Die über 30 Stunden Interview-Material haben Baumbach und Paltrow auf 109 Minuten zusammengeschnitten und mit massig unterstützendem Bildmaterial, Filmausschnitten oder Blicken hinter die Kulissen versehen, so dass "De Palma" für Anhänger des Regisseurs, aber auch allgemein leidenschaftliche Cineasten wie im Flug an einem vorbeirauscht.
Auf ruhig reflektierte, manchmal nachdenkliche und vor allem auch humorvolle Weise führt De Palma den Zuschauer zunächst kurz durch wichtige Stationen seiner Kindheit und Jugend, um schließlich Entstehungsgeschichten, Hintergründe, aufschlussreiche Anekdoten oder mitreißende Details über jeden Film seiner Karriere mit dem Zuschauer zu teilen. Dabei spricht der Regisseur nicht nur über viele seiner ikonischen Filmtechniken, die er in erster Linie von seiner großen Inspiration Alfred Hitchcock übernahm und zitierte, innovativ weiterentwickelte oder sogar perfektionierte, sondern enthüllt oftmals überraschend intime Erlebnisse aus seinem Privatleben, die er in die Geschichten seiner Filme einfließen ließ.
Neben der Funktion als umfassende Retrospektive ist "De Palma" aber auch die Chronik eines unermüdlichen Kämpfers, der seine Filme regelmäßig vor Studios, Produzenten und Kritikern verteidigen musste und sich gegen den Ruf des lüsternen, zweitklassigen Hitchcock-Epigonen, dessen Filme zu viel Gewalt und Nacktheit enthielten, gewehrt hat, indem er sich treu geblieben ist, in sämtlichen Genres wie Thrillern, Gangsterfilmen, Action-Blockbustern, Kriegsfilmen oder Horrorfilmen polarisierende wie extrem geschätzte Werke geschaffen hat und eine spannende Persönlichkeit ist, die sich in dieser Dokumentation gewissermaßen selbst ein Denkmal setzt.
Wie muss es sich anfühlen, wenn man als Soldat im Krieg kämpft, Tod miterlebt, Tod bringt, zwischendurch immer mal wieder nach Hause zurückkehrt, um auf die nächste Einberufung zu warten, aber den Krieg nicht aus sich herausbekommt? Filme über heimgekehrte Kriegsveteranen, die vom sogenannten "Posttraumatischen Stress-Syndrom (PTSD)" belastet werden, gibt es bereits zahlreich und auch "Maryland" von Regisseurin Alice Winocour beschäftigt sich mit dieser Thematik.
Auch in Vincents Kopf pocht, hämmert und pfeift es unentwegt, nachdem er aus Afghanistan vorübergehend zurückkehrt und zwischenzeitlich als Sicherheitskraft beschäftigt wird. Wenn er auf einer Party, bei der er um das Wohl eines libanesischen Geschäftsmannes und dessen Frau mitsamt kleinem Sohn besorgt ist, ständig über das Gelände streift und sich dabei laute Bässe der musikalischen Beschallung mit den Geräuschen in seinem Kopf vermischen, spürt Vincent das Schlachtfeld noch immer. Winocour verwebt das Element des "PTSD" auf originelle Weise mit einem paranoiden, dichten Thriller-Plot, indem sie die nervliche Belastung der Hauptfigur eng mit realen Bedrohungen in Verbindung bringt.
"Maryland" bewegt sich in ruhigem Tempo voran und entlädt Action-Momente nur in ganz wenigen Szenen, doch das permanente Gefühl von Vincent, der potentielle Gefahr an jeder Ecke zu erkennen scheint und ständig damit beschäftigt ist, nervös über die eigene Schulter zu blicken, erzeugt die Regisseurin durch ein raffiniertes Sound-Design, durch das die psychischen Leiden der Hauptfigur zu einem intensiven Ausdruck finden.
Nachdem sich Hauptdarsteller Matthias Schoenarts spätestens mit seiner herausragenden Leistung in Jacques Audiards "De rouille et d´os" als kantiger Charakterkopf bewiesen hat, dem man inneren Schmerz sofort an den schwerfälligen, traurigen Augen ablesen kann, die als Gegensatz zu seiner wuchtigen Erscheinung hervorsstechen, ist er auch für Vincent in diesem Film eine Idealbesetzung. Obwohl sich "Maryland" über die erste Hälfte hinweg als beeindruckender Thriller empfiehlt, verliert die Regisseurin ihre eindringliche Atmosphäre später leider ein wenig aus den Augen. An der Seite von Diane Kruger, welche die zu schützende Person mit deutlich benommenerer Präsenz als Schoenarts spielt, entwickelt sich der Film zu einem gewöhnlichen Home-Invasion-Thriller, der handwerklich solide in Szene gesetzt ist, aber das außergewöhnliche Element der psychischen Verfassung von Vincent nur noch als Nebensächlichkeit behandelt.
Konnte man den Streifen zuvor noch als fast schon beklemmende Studie dieser Erkrankung bezeichnen, ist "Maryland" im ausgedehnten Schlussakt des letzten Drittels kaum mehr als ein gewöhnlicher Thriller, über dessen eventuelle Spielart mit Realität und Einbildung sich weiterführende Gedanken kaum lohnen. Winocours Film hätte aufgrund der exzellenten ersten Hälfte und einem Matthias Schoenarts in wieder einmal überwältigender Verfassung ansonsten das Zeug zum absoluten Ausnahme-Thriller gehabt.
[...] In Antibirth mixt Perez die schmutzigen Zustände des "White Trash"-Milieus mit surrealer Schwangerschafts-Paranoia á la Rosemaries Baby und schleimigen Body-Horror. Auch wenn sich Lou zunächst wenig um ihren zunehmenden körperlichen Verfall schert und einfach weitermacht wie bisher, also Gras raucht und Bier trinkt, kann sie Vorfälle wie Haut, die sich von ihrem Hals ablöst oder mit komischer Flüssigkeit gefüllte Blasen an ihren Fußsohlen irgendwann nicht mehr so leicht ignorieren. Grundsätzlich ist es ein vielversprechendes Experiment, eine Hauptfigur durch ein mysteriöses Martyrium zu schicken und diese Figur in Form einer unbekümmerten, mit frecher Schnauze ausgestatteten Unsympathin zu präsentieren. Leider krankt der Film an den typischen Krankheiten eines Debütfilms, was bedeutet, dass Perez seine Ideen nie zu einem vollwertig funktionierenden Gesamtwerk entwickelt. Obwohl sich Hauptdarstellerin Natasha Lyonne (American Pie 2) in der Hauptrolle bemüht, Lou mit rotzigem Charme zu verkörpern, gelingt es ihr nicht, dass man sich als Zuschauer für ihr Schicksal interessiert. Nach einem recht schleppenden Start vereint Perez flüchtige Andeutungen wie Berichte von angeblichen Entführungsopfern durch Außerirdische im Fernsehen, ein Nebenhandlungsstrang um einen Kleinkriminellen, der unbekannte Drogen an Frauen testet und bizarre Fantasien, wobei der Regisseur selten den richtigen Ton trifft. Für ein Debüt hat Antibirth einige Bilder auf Lager, die aufgrund ihrer offenherzigen Kuriosität sowie der flirrenden Montage kurzzeitig Aufmerksamkeit erregen. Perez kann sich aber nie entscheiden, ob sein Film poppiger Trash, schräge Groteske, ernstzunehmendes Drama oder alles in einem sein will. Lediglich in den letzten fünf Minuten läuft der bis dahin unentschlossene Streifen zu extrovertierter Höchstform auf, indem der Regisseur endgültig in den ungehemmten Over-the-Top-Modus schaltet und ein herrliches Finale zaubert, das andeutet, was für ein Potential in Perez steckt, sollte er diesen extremen, befreiten Stil in zukünftigen Werken konsequent von Anfang bis Ende durchhalten. [...]
Es ist schon länger her, dass ein junger Independent-Debütant seine Zuschauerschaft derartig an der Nase herumführte wie Trevor Juras. "The Interior", dessen Titel erst nach 25 Minuten im Film eingeblendet wird, ist genau bis zu diesem Punkt eine lakonische Tragikomödie im typischen Indie-Stil.
Hauptfigur James ist vom Leben sichtlich gefrustet, denn sein Job als Büroangestellter ist aufgrund des Chefs, den er hasst, eine Qual. Neuerdings hat er zusätzlich körperliche Beschwerden, die ihn einen Arzt aufsuchen lassen. Seine Finger fühlen sich ab und zu taub an, der Schädel brummt und beim Lesen hat er Doppelbilder vor Augen. Die Anzeichen deuten auf einen Hirntumor in, doch was ihm die Ärztin bei einer Besprechung der endgültigen Diagnose letztlich eröffnet, wird der Zuschauer nie erfahren.
Bis hierhin ist "The Interior" ein gewöhnliches Drama, das gelegentlich von einigen unterhaltsamen Spitzen unterbrochen wird, doch nach der Diagnose fasst James einen radikalen Entschluss, bei dem er sein altes Leben aufgibt und sich in die Wälder zurückzieht. Mit diesem abrupten Wechsel vollzieht der Regisseur auch einen erzählerischen Bruch, denn von nun an entwickelt sich der Streifen zu psychologisch geprägten Wald-und-Wiesen-Horror, bei dem der Protagonist vor allem in den Nächten von unheimlichen Vorkommnissen geplagt wird.
Leider entpuppt sich diese eingeschlagene Richtung als enttäuschend, denn Juras vermag es trotz elegischer, von Klaviermusik untermalten und in Zeitlupe inszenierten Traumsequenzen, vagen Andeutungen und einem einzigen verstörenden Ultraschock nie, den Betrachter zu fesseln oder zu gruseln. "The Interior" kann ebenso als Verarbeitung des gegenwärtigen Geisteszustandes der Hauptfigur gelesen werden. Womöglich ist bei James tatsächlich ein Gehirntumor diagnostiziert worden und ihm bleibt nur noch eine bestimmte Zeit zu leben, weshalb die rätselhaften Ereignisse inmitten der Natur genauso gut seine panische Angst vor dem Tod, also dem ungewissen Zeitpunkt seines Ablebens, widerspiegeln könnten.
Trotzdem bleibt das Debüt von Trevor Juras eine unbefriedigende Seherfahrung, da der Regisseur schließlich zu viel unbeantwortet lässt, sich hinter dem schützenden Deckmantel der freien Interpretation versteckt, mit eher generischem Zeltplatz-Horror im Stil eines schlechteren "The Blair Witch Project" enttäuscht und sich schlussendlich selbst im Wald verläuft, aus dem er mit seinem vorschnellen Ende nicht mehr rausfindet.
Die Meinungen gegenüber "Halloween III: Season of the Witch" lassen sich meistens in zwei verschiedene Lager einteilen. Die einen sehen den Film als Verrat an John Carpenters legendärem, stilbildenden "Halloween", während andere Tommy Lee Wallaces dritten Teil des Franchises als mutige, gelungene Frischzellenkur betrachten, die eine Sonderstellung innerhalb der Reihe einnimmt.
Michael Meyers taucht in "Halloween III: Season of the Witch" nicht auf. Diese Tatsache löste eindeutig die stärkste Kontroverse um den dritten Teil aus und trieb viele Fans fast schon dazu, wutentbrannt selbst die Messer zu wetzen. Wallace erteilt der Horror-Ikone eine deutliche, zugleich augenzwinkernde Absage, indem er Carpenters Film in einer Szene im Fernsehen laufen lässt und den Mythos der Legende somit als reine Fiktion einstuft.
Der Regisseur versucht sich viel mehr an einer eigenständigen Horror-Geschichte, in der übernatürliche Mächte, ein unheimlicher Kult sowie keltische Sagen eine Rolle spielen. Da Wallace bei Carpenters Erstling am Schnitt beteiligt war, ist er kein unbeschriebenes Blatt und hat ein deutliches Gespür dafür, wie er eine Horror-Szene zu inszenieren hat. "Halloween III: Season of the Witch" wird von einer tollen Sequenz eingeleitet, in welcher der Regisseur die Spannung minutenlang aufbaut, gekonnt mit Bedrohung und Schocks spielt und dabei von großartiger Musik unterstützt wird, die Carpenter persönlich mit Alan Howarth komponierte. Überhaupt sind die intensiven Klangteppiche dieses Films ein ganz wesentliches Element, wenn sie beklemmend über sämtlichen gruseligen Momenten wabern.
Nach dem gelungenen Auftakt braucht Wallace eine Weile, bis er seine Stärken erneut voll einsetzen kann. Die fast schon an einen Krimi-Plot erinnernde Handlung beschränkt sich weitestgehend auf die Ermittlungen eines Arztes, der zusammen mit der Tochter eines verstorbenen Opfers das Geheimnis der Spielzeugfabrik "Silver Shamrock" enthüllen will, die offensichtlich etwas mit den Todesfällen in der Gegend zu tun hat. Die eingängigen Werbespots der Firma sind dabei ein kleiner Geniestreich, deren Melodie einem wahrscheinlich noch lange im Kopf herumspuken wird. Erst in der letzten halben Stunde entfesselt "Halloween III: Season of the Witch" schließlich noch einige erinnerungswürdige Höhepunkte, die für das etwas zähe Geschehen zuvor entschädigen. Wenn der Film plötzlich nicht mal mehr vor Kindern Halt macht, mit einer fantastischen Sequenz aufwartet, in der Insekten und anderes Getier aus einer Halloween-Maske auf dem Kopf eines kleinen Jungen krabbeln oder der große Plan hinter all dem enthüllt wird, welcher absurd und beängstigend zugleich ist, denkt man in keiner Sekunde mehr daran, dass es jetzt noch nötig wäre, Michael Meyers mit dem Messer morden zu lassen.
Trotz inhaltlicher Durststrecken steht Wallaces Film überwiegend auf eigenen Beinen, hat atmosphärisch einige große Schockmomente in petto und regt zum Nachdenken an, was möglich gewesen wäre, wenn das gesamte "Halloween"-Franchise eine Reihe voneinander unabhängiger Anthologie-Streifen geworden wäre, in denen Filmemacher ihre eigenen Ideen hätten verwirklichen dürfen.
Obwohl sie erst 13 Jahre alt ist, brüstet sich Sarah im Intro von "Little Thirteen" geradezu damit, schon mit vielen Jungs geschlafen zu haben. In Christian Klandts Film erhält der Zuschauer einen Einblick in das Leben im Berliner Plattenbau, wo die Jugend immer mehr zu verrohen scheint, sich nach Liebe und Zärtlichkeit sehnt und letztlich doch nur wieder bedeutungslosen Sex hat.
Vergleichbar mit Larry Clarks "Kids" oder Andrea Arnolds "Fish Tank" ist "Little Thirteen" eine ungeschönte Milieustudie, die sich auf oftmals unangenehm direkte Weise mit dem auseinandersetzt, wovor man ansonsten meist lieber weg sieht. Die Bilder von verwahrlosten Wohnungen, die eher Müllhalden gleichen und von alleinerziehenden Müttern mit drei Kindern bewohnt werden, kennt man aus den abstoßenden Sendungen des Privatfernsehens, doch Klandt inszeniert sie mit einer ehrlichen Hässlichkeit, hinter der sich stets menschliche Emotionen finden lassen.
"Little Thirteen" zeigt, wie minderjährige Mädchen noch vor dem 16. Lebensjahr Liebhaber wie Mittel zum Zweck anhäufen, um sich beim Geschlechtsverkehr einfach jemand anderen vorzustellen, wie Jungs sich beim Sex filmen, um die Aufnahmen für Geld zu verkaufen, aber auch Mütter, die ihren Töchtern möglichst häufig wechselnden Sex als Ideal vorleben, damit diese ihrer Ansicht nach ein glückliches Leben führen.
Dabei haben die Figuren in diesem Film ganz andere Probleme, welche sich dann offenbaren, sobald ernstere Seiten an die Tür klopfen. Eine ungewollte Schwangerschaft wirft die Frage nach dem Vater auf, eine Mutter steckt bereits so deutlich in einer Midlife-Crisis, dass sie mit dem Freund der Tochter und dem eigenen Kind gleich noch dazu ins Bett steigen will und der ständige Wunsch nach einer Perspektive, fester Bindung und Halt im Leben ist eher ein verblasster Traum, der vom grauen Alltag im Plattenbau längst überschattet wurde.
An einigen Stellen hat man bei diesem Film durchaus Schwierigkeiten, Mitgefühl oder Verständnis für einzelne Charaktere zu entwickeln, doch Klandt stellt in "Little Thirteen" authentische Momentaufnahmen aus der Realität über naive Dramaturgie oder künstlich erschaffene Sympathieträger. Sein Film ist eine sensible Beobachtung von bereits frühzeitig verkommenen, jungen Menschen, in denen selbst in ihrem jungen Alter eine unglaubliche Leere aufklafft, während die wenigen Erwachsenen längst nur noch verzweifelte Abziehbilder ihrer Selbst sind, die jegliche Hoffnung aufgegeben haben.
Rawson Marshall Thurbers "Central Intelligence" begibt sich in keiner Szene auf sonderlich originelle Pfade, was die Handlung betrifft. Vor 20 Jahren war Robbie Wierdicht aufgrund seines extremen Übergewichts die ideale Zielscheibe von Mobbing-Attacken, während Calvin Joyner so etwas wie das strahlende Idol für seine Mitschüler war, bei dem jeder davon ausging, er würde ein ganz Großer werden. In der Gegenwart traut Calvin seinen Augen nicht, nachdem er Robbie, der jetzt Bob Stone heißt, nach 20 Jahren wiedersieht. Bob ist ein wuchtiges Muskelpaket geworden, das für die CIA arbeitet, während Calvin als gelangweilter Buchhalter trotz schöner Ehefrau ein durchschnittliches Leben führt.
"Central Intelligence" bringt beide Figuren in einer Art Buddy-Komödie zusammen, denn Bob wird von der CIA gejagt, da er angeblich Zugangscodes für einen Satelliten gestohlen sowie seinen langjährigen Partner umgebracht hat und die Codes nun an den Höchstbietenden verkaufen will. Thurber verlässt sich für seinen Film dabei voll und ganz auf die Dynamik zwischen den beiden Hauptdarstellern Kevin Hart und Dwayne "The Rock" Johnson. Hart spielt wieder mal eine seiner typischen Rollen, bei der er vor allem unentwegt die überdrehte Quasselstrippe gibt, die einem mit den schnellen, hohen Tönen schon mal auf die Nerven gehen kann. An seiner Seite zeigt Johnson hingegen zum wiederholten Mal, dass er zu den derzeit charismatischsten Sympathie-Bomben Hollywoods zählt. Der Schauspieler darf hier beide Genres, in denen er die letzten Jahre mitwirkte, vereinen und brilliert sowohl als kantiger Action-Star in den flotten Choreographien sowie als herrlich selbstironischer Gag-Lieferant, in dessen massiv durchtrainierter Figur immer noch der lockere, kindliche Schüler aus der High-School steckt.
Gemeinsam hetzt "Central Intelligence" das Duo durch einen kurzweiligen Plot, der die Lacher großzügig verstreut, wobei nicht jeder ein Volltreffer ist, mit satten Action-Einlagen aufwartet und geschickterweise lange verschweigt, auf welcher Seite Johnsons Charakter überhaupt steht, auch wenn die Auflösung nicht unbedingt überraschend ausgefallen ist. Thurbers Film vermeidet vulgäre, niveaulose Zoten und setzt auf überraschende Warmherzigkeit, wobei die zentralen Themen, die sich um Freundschaft und das über sich hinauswachsen drehen, von der simpel gestrickten Handlung in seichte Bahnen geleitet werden.
Ein großer Wurf ist "Central Intelligence" daher nicht unbedingt geworden, dafür sind viele Gags ein wenig zu locker ausgefallen und schnell wieder vergessen, aber die sichtliche Spielfreude der beiden Hauptdarsteller überträgt sich schnell auf den Zuschauer und macht aus dem Film eine spaßige Angelegenheit für zwischendurch, die für Fans von The Rock sowieso Pflichtprogramm ist.
Vor "Maniac" drehte Regisseur William Lustig zwei Pornofilme. Ein umso interessanterer Fakt, wenn man die ungemein intensive Atmosphäre dieses Films betrachtet. Lustig schenkt den reißerischen Mordszenen in seinem Werk eine besondere Beachtung, eben weil er es zuvor nicht anders gelernt hat. Ihm geht es darum, aus den Einstellungen das maximale Potential zu schöpfen, die Bilder förmlich auszubeuten und, genauso wie in seinen Pornos, Reaktionen beim Betrachter hervorzurufen.
Gemeinsam mit Hauptdarsteller Joe Spinell, der einen schizophrenen Serienmörder von zeitlos unangenehmer Wirkung verkörpert, begibt sich der Regisseur für "Maniac" in einen wüsten Tötungsrausch, der von qualvoller Monotonie, schockierender Explizität und der besonderen Ausstrahlung des 70er-/80er-New Yorks geprägt wird. In den kalten Aufnahmen der nächtlichen Stadt, mit den einsamen Gassen, versifften öffentlichen Toiletten oder kargen Hotelzimmern schlägt Frank Zito zu, sucht sich ein Opfer, tötet, verstümmelt und kehrt in seine Wohnung zurück, wo ihn außer makaber dekorierten Puppen und fremden Stimmen nichts erwartet, bis er sein zwanghaftes Ritual wiederholen muss.
Mit fortschreitender Laufzeit durchbricht "Maniac" seinen durchschaubaren Modus, sobald Frank versucht, eine richtige, langfristige Verbindung zur hübschen Fotografin Anna aufzubauen, für die er wirkliche Gefühle zu entwickeln scheint. Lustig zeigt seinen Protagonisten zunehmend als tragischen Charakter, der schwer traumatisiert an seiner ausweglosen Einsamkeit zerbricht, keine Hilfe erfahren kann und dazu verdammt ist, wieder und wieder in sein gewohntes, geschädigtes Muster zu verfallen, wobei Menschen erneut gewaltsam zu Tode kommen.
"Maniac" funktioniert daher ebenso als reinrassiger, ziemlich räudiger Exploitation-Slasher, den Tom Savini mit legendären Effekten beschenkt hat, wie als zutiefst traurige Charakterstudie einer verlorenen, kaputten Seele, die an ihrer Einsamkeit zugrunde geht.
[...] Neben einer Satire auf die immer grotesker werdenden Inhalte des Fernsehens ist Dietls Late Show vor allem ein entwaffnender Blick hinter die Kulissen dieser Industrie und auf die schmutzigen Mechanismen, die hier wie kleine Zahnrädchen ineinander greifen und eine gefährliche Lawine in Gang setzen. Dem Regisseur gelingen einige unterhaltsam-bissige Pointen, die er in erster Linie mithilfe von Harald Schmidt (Zettl) zündet. Der Entertainer war mit seiner "Harald Schmidt Show" zum Zeitpunkt der Produktion bereits ein mehr als bekanntes Gesicht, das von vielen dafür geliebt wurde, Late-Night-Unterhaltung auf amerikanischem Niveau abzuliefern. In der Rolle des erfolgsbesessenen Programmdirektors lässt er für Dietl im wahrsten Sinne des Wortes alle Hüllen fallen und ist großartig als launischer Berserker, der mühelos zwischen charismatischem Geschäftsmann und ekelhaftem Scheusal schaltet. Als problematisch erweist sich dagegen Thomas Gottschalk (Die Supernasen) als aufstrebender Fernsehmoderator. Obwohl dieser ebenfalls so gut wie jedem Deutschen bekannt sein dürfte, entpuppt sich Gottschalk als mäßiger Schauspieler, der trotz seiner vorherigen Zusammenarbeiten mit Mike Krüger (Zwei Nasen tanken Super) einen der Schwachpunkte von Late Show markiert, wenn er verschüchtert und unsicher durch seine Szenen tapst. Neben der satirischen Schlagkraft, die sich leider relativ schnell erschöpft sowie hin und wieder die Grenze zum puren Trash streift, steckt Dietls Werk zudem voller kitschiger Momente. Beim Handlungsstrang mit Veronica Ferres (Das Superweib), die als Freundin von Hannes besetzt wurde, wird gar nicht erst klar, ob dieser ernst gemeint ist oder absichtlich unfreiwillig komisch und überzogen angelegt wurde. Wenn sich eine Assistentin des Programmdirektors nach einem verzweifelten Heulkrampf das Leben nimmt, weil sie angeblich nicht telefonieren kann, der Star einer Sendung völlig den Verstand verliert, nachdem er von seiner Ablösung erfahren hat oder ein Reporter der Klatschpresse unter seinen eigenen sensationsgierigen Schlagzeilen begraben wird, schüttelt Late Show einige bösartige wie amüsante Höhepunkte aus den schmutzigen Ärmeln. Nach gut einer Stunde ist das Konzept des Regisseurs aber sichtlich ausgeschöpft. Dietl fokussiert sich zu sehr auf belanglose Nebensächlichkeiten, findet keinen funktionierenden Rhythmus mehr und enttäuscht zuletzt mit einer Schlusseinstellung, die sich einfach falsch anfühlt. Das ist bedauerlich, denn dadurch erzielt der Film genau den Effekt, den er eigentlich aufs Korn nehmen möchte: Man würde am liebsten wegzappen. [...]
[...] Der Regisseur mutet dem Betrachter einen Blick ins momentane Williamsburg zu, der Hipster-Hochburg New Yorks, in der sich zwischenmenschliche Abgründe auftun. Die von Tim Heidecker grandios und beängstigend zugleich gespielte Hauptfigur ist ein 35-jähriger Mann, der mit dem Geld des im Koma liegenden Vaters täglich, und damit ist wirklich jeder Tag gemeint, durch die Gegend schlendert, auf einem Boot übers Meer schippert, Alkohol und andere Drogen konsumiert, mit Freunden abhängt, die charakterlich kaum besser zu ihm passen könnten und andere Menschen in seinem Umfeld mit ironisch gekünstelter Fassade wahlweise entwürdigt, auf Abstand hält oder zu sich zieht.
Alverson bildet ein drastisches Milieu ab, indem er komplett ohne zusammenhängenden Spannungsbogen Yuppies der Neuzeit zeigt, die mit einer dermaßen eiskalten Attitüde alles und jeden und sich selbst ins Lächerliche ziehen, kaum fähig sind, nur für fünf Minuten einer normalen Berufstätigkeit nachzugehen und selbst extremen Ereignissen mit unbeeindruckter Gleichgültigkeit begegnen, dass es einen regelmäßig erschaudert. Dabei kommt "The Comedy" ohne jegliche Form von Moral aus, sein Stil ist noch nicht mal ein mahnender Fingerzeig. Der Regisseur konzentriert sich stattdessen lediglich auf eine nüchterne Betrachtung bereits existierender Verhaltensweisen von Menschen, denen alles so egal geworden ist, dass sie die Leere und den angestauten Selbsthass kaum noch anders ausdrücken können als durch exzessiven Hedonismus, aufgesetzte Ironie oder ein erschreckendes Unvermögen für Empathie.
Das alles verpackt Alverson in Einzelszenen, die von bizarr-unsinnigen Konversationen, peinlich berührender Situations"komik" und kleinen Eskalationen, wie zwei unfassbare Szenen in einem Taxi oder der Marihuana-Konsum mitsamt drastischer Folge und noch drastischerer Reaktion, lose zusammengehalten werden. "The Comedy" ist nicht immer einfach zu ertragen, auch wenn es vielleicht sogar gut möglich ist, dass man Teile des hier dargestellten Verhaltens wiedererkennen wird. Alversons Werk ist nichtsdestotrotz ein ungewöhnliches Novum innerhalb der amerikanischen Independent-Szene und unbedingt einen Blick wert. [...]
[...] Der australische Regisseur Rolf de Heer (The Quiet Room) etabliert in Bad Boy Bubby von der ersten Einstellung an eine überaus beklemmende, unangenehme Atmosphäre, in der er Bubby als hilfloses Opfer inszeniert, das bei Ungehorsam geschlagen wird, ständig dasselbe Essen vorgesetzt bekommt, eine Zeit lang in seinen eigenen Exkrementen zurückgelassen wird und mit der eigenen Mutter gezwungenermaßen Geschlechtsverkehr hat. Spielend leicht führt der Film den Betrachter zunächst hinters Licht, denn nach einer drastischen Eskalation, die sich ergibt, nachdem Bubbys Vater zum ersten Mal überhaupt in der Wohnung auftaucht, wechselt der Regisseur in komplett andere erzählerische Gefilde. Bubby entkommt seinem Gefängnis und betritt die große, weite Welt, wo er alltägliche Dinge und Situationen erlebt, die er nicht kennt, die ihn überraschen, beglücken aber auch vor neue Herausforderungen stellen. Nach dem vielversprechenden ersten Drittel gerät de Heers Film zunehmend außer Kontrolle und entwickelt sich zu einer unebenen, anstrengenden Seherfahrung, die durchaus einige ärgerliche Momente enthält. Die Aussage wird einem als Zuschauer schnell klar: Der Regisseur möchte die Welt, wie wir sie kennen, durch den Blickwinkel eines Außenseiters zeigen, eigentlich natürliche, selbstverständliche Dinge mit einer außergewöhnlichen Sichtweise in ein anderes Licht rücken und bestehende Werte sowie Verhaltensweisen hinterfragen. Dieses inhaltliche Konzept geht allerdings auf Kosten des nach wie vor hilflosen Protagonisten. Bubby ist weiterhin nicht in der Lage, sich um sich selbst zu kümmern und sämtliche Worte, die aus seinem Mund kommen, sind Sätze, die er zuvor aufgeschnappt hat und einfach ständig wiederholt. Die Situationen, in die der Regisseur seine Hauptfigur manövriert, reichen unter anderem von der Entdeckung des Geschmacks einer Pizza über einen Raubüberfall bis hin zur Inhaftierung mit darauffolgender Vergewaltigung. Bad Boy Bubby verkommt hierdurch zu einer Ansammlung von Szenen, die entweder auf einen billigen Schockfaktor setzen, damit dem Zuschauer die Ungerechtigkeit, welche einem hilflosen Individuum in unserer harten Welt widerfährt, bloß nicht entgeht, oder auf unpassenden Humor, bei man sich auf Kosten von Bubbys kindlicher Unreife über ihn amüsieren darf. [...]
Wie nähert man sich einem Menschen wie Helge Schneider in einer Dokumentation an? Dabei muss "Mensch" besonders hervorgehoben werden, denn sein Auftreten als multitalentierter Künstler ist nur eine Facette seiner Persönlichkeit, ein Bild, das er ganz gezielt nach außen projiziert, um sein privates Leben geschickt abzuschirmen. Andrea Roggon hat versucht, dem Menschen Helge Schneider näher zu kommen und ihr dabei entstandener Film "Mülheim – Texas: Helge Schneider hier und dort" hinterlässt einen gemischten Eindruck beim Betrachter.
Schon im ersten Gespräch mit Schneider wird klar, dass er die Maske nicht so einfach fallen lassen wird. Auf die Aussage von Roggon, dass Freiheit etwas ist, was man per se nicht hat, reagiert er mit einem "Ne, die muss man sich nehmen", steht auf und geht mit einem flüchtigen "Tschüss!". Der erste Lacher ist damit garantiert, aber dem Konzept der Regisseurin, dem Künstler auch private Einsichten zu entlocken, könnte dieses Verhalten kaum stärker im Weg stehen. Ein paar Anekdoten aus seiner Jugend als rothaariger Außenseiter, der sich schnell in die Musik flüchtete, lässt sich Schneider später noch entlocken, doch er macht ebenso klar, dass es ihn stört, wenn man ihn beim Einkaufen filmen würde, denn irgendwo wollen die Leute auch eine Art Mysterium, über das sie selbst nachdenken dürfen.
"Mülheim – Texas: Helge Schneider hier und dort" hat deshalb auch eher den Charakter eines ruhigen, mitunter überforderten Beobachters. Ein Blick hinter die Kulissen von Dreharbeiten, Albumaufnahmen und Tour-Proben sowie Auftritten von Schneider, der ihm manchmal auch in seinem Eigenheim in Mülheim an der Ruhr besucht, wo er am Macbook sitzt und Filmmaterial sortiert, und trotzdem kaum nennenswerte Erkenntnisse zu Tage befördert.
Eine Szene bleibt aber in Erinnerung: Bei der Probe eines Songs für die spätere Live-Performance entpuppt sich der sonst so auf Spontanität und Improvisation bedachte Mann als fast schon penetranter Dirigent, der jeden Ton des Stücks geradezu perfektionistisch durchplant und der Band strikte Anweisungen erteilt, wie diese zu spielen hat. Es ist ein ebenso überraschender wie interessanter Einblick hinter die Fassade, von kurzer Dauer und doch umso eindringlicher.
Irgendwann dürfte die Regisseurin schließlich selbst bemerkt haben, dass ihr Plan nicht aufgehen wird. Die Dokumentation wirkt daher an einigen Stellen etwas bemüht zusammengeschnitten, so als hätte Roggon Schwierigkeiten gehabt, aussagekräftiges Material zu präsentieren. Fans von Helge Schneider dürften sich aber bereits vor der Sichtung darüber im Klaren sein, dass eine Dokumentation wie "Mülheim – Texas: Helge Schneider hier und dort" vieles sein wird, aber nicht das, was man sich erhofft hatte.