Patrick Reinbott - Kommentare
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Alle Kommentare von Patrick Reinbott
Die Radners haben es aber auch nicht leicht. Nachdem sie sich im ersten "Neighbors" gegen Zac Efrons Studentenverbindung zur Wehr setzen mussten, um das gemütliche Familienleben wahren zu können, bekommen sie es im Sequel direkt mit einer neuen Studentenverbindung zu tun, diesmal in Form einer Schwesternschaft.
Die ständigen Sexismus-Debatten, die in "Neighbors 2: Sorority Rising" großzügig über den ganzen Film verstreut werden, sind das einzige, was etwas zu aufgezwungen wirkt und eher störend auffällt. Ansonsten ist diese Fortsetzung für jeden, der sich schon beim ersten Teil vor Lachen kaum halten konnte, eine wirklich gelungene Komödie, in der sich infantile Zoten, chaotische Situationskomik, derbe Wortwitze und albern überdrehte Klischees im kurzweiligen Minutentakt aneinanderreihen und eine Gag-Salve nach der anderen abfeuern. Das bewährte Drehbuch-Team, in dem Seth Rogen selbst sowie Evan Goldberg wieder mitmischten, sorgen erneut für genau den Humor, der auch schon Filme wie "Superbad", "Pineapple Express" oder "This is the End" formte und sich mittlerweile an eine eingeschworene Zielgruppe richten dürfte, die genau wissen, was sie hier erhalten.
Zwar versucht sich "Neighbors 2: Sorority Rising" auch an einigen ernsteren Themen, wenn Verantwortung der Elternteile, Selbstbestimmung der heranwachsenden Frauen und eine "Quarter Life Crisis" von Zac Efrons Teddy kurz behandelt werden. Diese Ansätze werden aber schnell über den Haufen geworfen, sobald Efron sein T-Shirt auszieht und mit Hähnchenfett eingerieben einen Strip-Tanz zur Ablenkung hinlegt, damit Efron & Co. Marihuana von der Schwesternschaft klauen können.
Kurz gefasst: Wer bei "Neighbors" viel gelacht hat, dürfte auch an "Neighbors 2: Sorority Rising" seine helle Freude haben und spätestens alle 2-3 Minuten in lautes Gelächter ausbrechen. Alle anderen haben absolut keinen Grund, hier auch nur einen Blick zu riskieren.
[...] Die Regisseurin hat in ihren Film zwei längere Szenen eingebracht, die mit ihrer Mischung aus sexuellem Verlangen, animalischem Antrieb und schmerzlichem Kannibalismus zum erschütterndsten und unangenehmsten zählen, was sich auf Film bannen lässt. Alleine die Vorstellung, dass der intimste, leidenschaftlichste und hingebungsvolle Akt urplötzlich in grausame, unmenschliche Brutalität umschwenkt, dürfte das Kopfkino von vielen bis an die Grenzen treiben. Denis findet dafür Bilder, welche diese Grenzen ganz klar zur wüsten Erschütterung bringen. Es wäre aber ungerecht, Trouble Every Day nur auf diese zwei Szenen zu reduzieren und das Werk vorschnell als Skandal-Schocker zu verklären. Für ihren Film hat sich die Regisseurin deutlich sichtbar vom europäischen Arthousekino der 60er- und 70er-Jahre beeinflussen lassen, in dem Metaphern und Symbolik eine wichtige Bedeutung erhalten. Die Geschichte, in der Denis auf vielschichtig deutbare Weise von unerfüllter Begierde, der Unfähigkeit zur Kommunikation und einem dadurch einhergehenden Verlust der Zwischenmenschlichkeit erzählt, erinnert an Werke wie Wenn die Gondeln Trauer tragen oder Possession. [...] Durch einen bizarren Kniff verleiht die Regisseurin der Handlung außerdem einen übernatürlichen Anstrich, bei dem schwarze Romantik und blutlüsterner Vampirismus vor plausibler Narration und stringenter Logik dominieren. Durch die hypnotische Langsamkeit, gepaart mit extremen Nahaufnahmen, wirkt Trouble Every Day oftmals wie ein bedrohliches Delirium, aus dem es kein Erwachen gibt. Was genau vor sich geht, erschließt sich nur vage und wird von spärlichen Dialogen begleitet, doch gegen Ende formt sich trotzdem eine Art Gesamtbild von tragischer, deprimierender Geschlossenheit. [...]
Sonderlich viel passiert nicht in "A Hologram for the King". Dieser Umstand mag überraschen, denn Tom Tykwers vorheriger Film "Cloud Atlas", eine Zusammenarbeit mit den Wachowskis, war geradezu eine Explosion von unterschiedlichsten Handlungssträngen, vielen Figuren und der Ambition, dieses gewaltige Konstrukt über mehrere Zeitebenen hinweg miteinander zu verknüpfen.
Im Vergleich dazu wirkt "A Hologram for the King" wie eine lockere Auszeit, die sich der Regisseur selbst verschrieben hat, um es bewusst ruhiger angehen zu lassen. Tykwer wird dabei erneut von Tom Hanks in der Hauptrolle unterstützt, der in der Figur des in einer Lebenskrise steckenden Geschäftsmannes eine Paraderolle spielt, in der er mit gewohntem Charme und trockenem Humor brilliert.
Inhaltlich tritt der Streifen, in dem Hanks Geschäftsmann einen Deal in Saudi-Arabien abwickeln will, bei dem er dem saudischen König ein Hologramm-System verkaufen möchte, bewusst auf der Stelle. Aus vielen Gründen entwickelt sich der Aufenthalt inmitten der Wüste für Alan Clay zu einer Ansammlung von Problemen und Hindernissen, die Tykwer mit lakonischer Entspannung, Running-Gag-Tendenzen und Culture-Clash-Pointen inszeniert.
"A Hologram for the King" wirkt anders als so vieles, was man momentan im Bereich namhafter Kino-Auswertungen präsentiert bekommt. Die prachtvoll gefilmten Wüstenpanoramen erinnern an einen gemütlichen Urlaubsfilm, wie er auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt werden könnte. Diesen Eindruck untergräbt der Regisseur aber immer wieder verschrobenen Einlagen, die mit ihrem dezent surrealen Humor für Lacher sorgen, während die verspielte Montage, bei der Tykwer immer wieder kleinere Einstellungen zwischen die aktuellen Szenen schneidet, so gar nicht zum massenkompatiblen Flair passen will. Auch die persönliche Krise der Hauptfigur, bei der finanzielle Probleme, die wachsende Ungeduld über den Stillstand des Projekts und eine abschreckende Beule an dessen Rücken eine Rolle spielen, dient immer wieder für urkomische Ausreißer, ohne einen gewissen dramatischen Rahmen zu vernachlässigen.
Über weite Strecken ist "A Hologram for the King" also ein sympathisches Kuriosum, in dem überdeutliche Entschleunigung als Konzept für seichte Situationskomik und ein paar wenige bissige Spitzen in Richtung wachsender Globalisierung und deren Nachteile genutzt wird, während Hanks das Innenleben seiner Hauptfigur überzeugend verkörpert. Diesen Eindruck zieht Tykwer gegen Ende allerdings deutlich runter, wenn der Streifen plötzlich zum unpassend optimistischen Liebes-Kitsch verkommt, der von weichgespülten, glattgebügelten "Rosamunde Pilcher" – Filmchen kaum noch zu unterscheiden ist. Dieser versöhnliche Abschluss enttäuscht und fühlt sich einfach falsch an.
"Ghost in the Shell" gilt völlig zurecht als einer der ganz großen, wegweisenden Animes. Mamoru Oshiis Adaption des Mangas ist ein dystopischer Cyber-Albtraum, in dem der Wert der Menschlichkeit längst zur Diskussionsgrundlage verkommen ist, nachdem es in der Zukunft möglich ist, fast jedes Körperteil durch künstliche Prothesen zu ersetzen und lediglich das Gehirn noch den menschliche Kern bildet, ein "Ghost in the Shell" eben.
Die Wurzeln des technischen Fortschritts in diesem Werk lassen sich bis zu Ridley Scotts "Blade Runner" zurückverfolgen, der mit seiner Kreation der Androiden sicherlich eine große Inspiration für den Manga darstellte. In Oshiis Animationsfilm verliert man sich nach und nach in einem meditativen Science-Fiction-Thriller, der geradlinige Action in Form von Verfolgungsjagden und Schießereien bietet, aber stets hypnotisch aus der Bahn gerät, was durch das perfektionierte Sound-Design bewirkt wird.
Für Protagonistin Motoko Kusanagi, deren Körper ebenfalls vollständig künstlich hergestellt wurde, wird die Bedrohung durch den mysteriösen "Puppenspieler", der sich in jedes System hacken kann und dazu in der Lage ist, Cyborgs zu manipulieren und zu kontrollieren, zu einer persönlichen Angelegenheit, bei der sie sich Antworten erhofft. Ihre Mission, den Hacker festzunehmen, wird so auch zu einem Trip in eine Identitätskrise, bei der sie zunehmend desillusionierter wirkt, je näher sie dem unheimlichen Phantom-Mastermind kommt.
"Ghost in the Shell" nimmt sich neben krachenden Actionszenen und der langsamen, intensiven Darstellung einer bedrückenden Zukunft Zeit für existenzielle Fragen, die der Hauptfigur auf der Seele brennen. Es geht um nicht weniger als die Definition der menschlichen Existenz, die Bedeutung von Erinnerungen sowie den Wert, der ihnen zugeschrieben werden kann und darum, ob nur die Seele alleine dafür verantwortlich ist, dass ein Mensch ein Mensch ist.
Somit ist "Ghost in the Shell" ebenso ein kurzweiliger Action-Thriller im durchgestylten Science-Fiction-Format wie er philosophische, tiefgründige Diskussionen zulässt. Mit einer visuell bestechenden Ästhetik und einem grandios formvollendeten Sound-Design ausgestattet darf sich Mamoru Oshiis halluzierender Cyberpunk-Tagtraum verdient in den Olymp der Animationskunst einreihen und wirkt auch nach über 20 Jahren absolut zeitlos.
Sicherlich könnte man hinter der Besetzung von Ex-Pornodarstellerin Sasha Grey als Escort-Dame in Steven Soderberghs "The Girlfriend Experience" einen Meta-Witz vermuten, doch diese Annahme stellt sich schnell als unbegründet heraus.
Soderberghs Low-Budget-Ausflug ist ein kalter Film, in dem zwei Welten aufeinanderprallen. Hauptfigur Chelsea bewegt sich einem maskierten Milieu, in dem künstliche Emotionen und aufgesetzte Intimität erkauft werden, während die Kunden der Escort-Dame teilweise schmerzhaft persönliche Details von sich preisgeben, sobald sie einen Abend mit ihr verbringen.
"The Girlfriend Experience" ist im Jahr 2008 angesiedelt, was Soderbergh den Zuschauer ständig spüren lässt. Die Dialoge drehen sich oftmals um die Finanzkrise, reiche Geschäftsmänner fürchten um ihr Vermögen, der durchschnittliche Arbeiter gar um seine Existenz. Aber auch inszenatorisch setzt Soderbergh auf Isolation, da nur wenige Einstellungen in diesem Film überhaupt die Außenwelt zeigen, während sich ein Großteil des Geschehens in Innenräumen abspielt. Der Regisseur verschafft dem eher schlichten Drehbuch von David Levien und Brian Koppelman auf experimentelle Weise einige Reize, die sich vor allem in der unchronologischen Schnittarbeit widerspiegeln.
Sasha Grey zeigt, dass sie auch seelisch dazu in der Lage ist, blank zu ziehen und verleiht ihrer Figur eine distanzierte Ausstrahlung, wobei sie in den passenden Momenten hinter die Fassade blicken lässt, wenn sichtbar wird, was für eine Belastung der ständige Handel mit ihrem Körper und vor allem ihrer Aufmerksamkeit für so eine junge Frau bedeutet.
"The Girlfriend Experience" ist mit seiner kurzen Laufzeit von nur 75 Minuten keine tiefgehende Milieustudie, sondern kreist auf recht repetitive Weise um fragmentarische Momentaufnahmen, die Soderbergh ebenso virtuos wie befremdlich zu einem Strom der Eindrücke montiert. Einige davon wirken überflüssig oder verwirrend, wie beispielsweise die Vegas-Reise von Chelseas Freund Chris, die Soderbergh wie ein Urlaubsvideo filmt. Als Gesamtwerk hinterlässt "The Girlfriend Experience" aber viel Stoff zum Diskutieren und Nachdenken, womit Soderbergh nach seichten Unterhaltungsfilmen wie der "Ocean´s"-Trilogie erneut seine Vielseitigkeit sowie Unberechenbarkeit unter Beweis gestellt hat.
Wenn in einem Film verschiedene Genres überraschend miteinander kombiniert werden, besteht leicht die Gefahr, dass die Mischung nicht funktioniert. "The Cottage" ist so ein Film, bei dem der Versuch, Horror und Komödie zu kreuzen, komplett schief geht.
Dabei beginnt Paul Andrew Williams Streifen zunächst sogar noch recht unterhaltsam, wenn der Entführungsplan von zwei ungleichen Brüdern gründlich aus dem Ruder läuft, nachdem sich der eine Bruder als hysterischer Tollpatsch und das Opfer als schlagfertige Göre entpuppt.
Der Regisseur paart hierbei flotte Situationskomik mit dem Schauspiel von Andy Serkis, der hier zur Abwechslung ohne Motion-Capture, aber dafür mit genervt-trockener Ausstrahlung besticht, und Reece Shearsmith, der mit seiner verpeilten Art anfangs einige Lacher einstreicht.
Nach diesem ersten Drittel fällt "The Cottage" aber schnell in sich zusammen, sobald das schwarzhumorige Entführungskomplott einer öden Backwood-Slasher-Parodie weichen muss, bei der so gut wie nichts mehr funktioniert.
Das Timing der Jumpscares ist miserabel, unpassende Slapstick-Einlagen sind eher nervig als lustig, deftige Splatter-Effekte verpuffen wirkungslos und das ständige Rumgeschreie der Figuren wird zur nervlichen Belastung.
Irgendwann ist man tatsächlich soweit, dass man den Mutanten im "The Hills Have Eyes"-Look fast schon anfeuern möchte, dass er sich möglichst flott durch die grenzdebilen (Serkis immer noch ausgenommen) Figuren schlachtet. Für eine Horrorkomödie, die ihre Figuren zu Beginn so ausgiebig und fast schon liebevoll aufbaut, ein regelrechter Todesstoß.
[...] Mit inhaltlichen Innovationen hält sich der Regisseur überwiegend zurück, doch als Ausgleich trumpft Aja mit einer formal ausgeklügelten, extrem effektiven Inszenierung auf, die dem Betrachter des Öfteren das Blut in den Adern gefrieren und den Atem stocken lässt. Eine kleine Einführung genehmigt sich Aja, bei der Alex und Marie, zwei sehr gute Freundinnen, zum Lernen aufs Land fahren, wo die Eltern von Alex ein abgelegenes Farmhaus bewohnen. Durch eine kurze Szene, die bereits für verstörende Verwunderung sorgt, macht der Regisseur allerdings schnell klar, dass die ländliche Ruhe sehr bald ein jähes Ende finden wird. Bei Einbruch der Nacht entwickelt sich High Tension mit einem Mal zu einem großartig orchestrierten Akt des Terrors. Aja schockiert nicht nur mit heftig gesetzten Splatter-Einlagen, sondern lässt zwischen den brutalen Momenten genügend Raum für nervenzerfetzende Spannung, die durch den gekonnten Einsatz der Kamera und ein beklemmendes Sound-Design regelmäßig Höhepunkte kreiert. [...] High Tension ist allerdings nicht nur fantastisch in Szene gesetztes Terror-Kino, in dem jedes Setpiece mit maximaler Spannung aufgeladen wurde, sondern auch ein wagemutiges Werk, was die Dekonstruktion logischer Barrieren betrifft, die man als gefestigter Genre-Fan für gegeben nimmt. Mit einem späten Twist stellt Aja das vorangegangene Geschehen nicht nur völlig auf den Kopf, sondern erschüttert auf provokative Weise zusätzlich die Konventionen des nachvollziehbaren Verständnisses. Ajas Film ist somit auf handwerklicher Ebene ein Triumph, versetzt dem Betrachter aber auch einen fiesen Schlag in die Magengrube, wenn dieser im Nachhinein grobe Handlungslücken aufschlüsseln darf, nachdem sich High Tension vom rücksichtslosen Terror- und Splatterknüppel zu einem tragischen Drama gewandelt hat, das in tiefer Verzweiflung endet. [...]
Mit einem generischen Titel wie "The Curse of Downers Grove" und dem eintönigen Cover, das sich zwischen dutzenden Direct-to-Video-Veröffentlichungen kein bisschen abgrenzen kann, gewinnt Derick Martinis Film gewiss keine Aufmerksamkeit. Ein Blick auf die Drehbuch-Credits lockt da schon eher, denn neben dem Regisseur selbst ist hier Bret Easton Ellis aufgeführt.
Der weltbekannte, kontrovers umstrittene Autor hat mit seinen Romanen den Nerv ganzer Generationen getroffen und ist vor allem ein Meister darin, das Lebensgefühl jugendlicher Protagonisten auf ebenso präzise wie entlarvende Weise einzufangen. So ist "The Curse of Downers Grove" auch kein gewöhnlicher Horrorfilm, denn der mysteriöse Fluch, der hinter den Todesfällen von High-School-Schülern vermutet wird, die jedes Jahr kurz vor dem Abschluss ihr Leben lassen, wird schnell zur beiläufigen Randnotiz degradiert.
Martinis Film ist in seinem Kern nicht viel mehr als ein überraschend banaler Teenie-Film mit Thrillerelementen, in dem Rachegefühle, psychopathisches Stalking und Eifersucht eine zentrale Bedeutung erhalten. Während man zunächst noch geduldig hinnimmt, dass sämtliche Klischeemomente, die einem geboten werden, früher oder später eine Art satirischen Dreh erhalten, entpuppt sich gerade die Beteilung von Ellis als Co-Autor als größte Enttäuschung.
"The Curse of Downers Grove" hat keinen raffinierten doppelten Boden und geht der Versuchung blind auf den Leim, eindimensionale Stereotypen ohne Hintergedanken zu zelebrieren. Spätestens im Schlussakt, wo der Streifen zum Home-Invasion-Terror mitsamt geladener Schrotflinte mutiert, verkommt er zudem fast schon zur unfreiwillig komischen Groteske, was von einem grandios misslungenen Ende nur noch gekrönt wird.
Schade ist es hierbei lediglich um Hauptdarstellerin Bella Heathcote. Mit ihren traurigen, verschlafenen Augen und der im Kontrast dazu ungewohnt tiefen Stimme strahlt die Schauspielerin eine reizvolle Präsenz aus, die einen besseren Film verdient hätte.
[...] Während Lonergan einen rund dreistündigen Film im Sinn hatte, wollte das Studio die 2,5-Stunden-Marke auf keinen Fall überschreiten. Die im Jahr 2011 veröffentlichte, rund 150-minütige Fassung, um die es hier gehen soll, ist jedenfalls ein kleines Meisterwerk, das trotz sichtbarer Kürzungen wenig von seiner Faszination einbüßt. Margaret beginnt recht unscheinbar wie ein gewöhnlicher Coming-of-Age-Streifen. Hauptfigur ist die 17-jährige Lisa, eine Schülerin aus Manhattan, die nicht besonders gut in Geometrie ist, zum Ausgleich ein wenig mit ihrem Lehrer flirtet, mit Mitschülern gerne mal in Diskussionen ausbricht und als Scheidungskind mitsamt Mutter und ihrem kleineren Bruder in einer gewöhnlichen Wohnung lebt. Von einem Moment auf den nächsten wird ihr Leben allerdings von einem tragischen Ereignis erschüttert. Nachdem sie einen Busfahrer ablenkt, achtet dieser nicht auf die rote Ampel und überfährt eine Frau. Die Szene, in der die Passantin in Lisas Armen stirbt, ist von einer unglaublich einschneidenden Intensität, doch es ist nur die erste von vielen, mit denen Lonergan den Zuschauer konfrontiert. Von nun an entwickelt sich Margaret zu einem unheimlich vielschichtigen, emotional aufwühlenden und moralisch komplexen Werk, in dem der Regisseur hauptsächlich durch die Perspektive der noch ziemlich unreifen Lisa ergründet, was es bedeutet, sich aus der sicheren Unschuld sowie Geborgenheit der Kindheit heraus mit schwierigen Herausforderungen auseinandersetzen zu müssen. [...] Auch wenn man Margaret einige Kürzungen anmerkt, bei denen einzelne Szenen abrupt enden oder gewisse Handlungsstränge etwas unvollständig wirken, hat Lonergan ein umfassendes Gesamtwerk geschaffen. Er beschäftigt sich nicht nur mit Lisa und einigen Figuren, die dem Mädchen nahe stehen, sondern entwirft darüber hinaus ein tristes Bild von einem Post-9/11-Amerika, in dem die Menschen einige Jahre nach dem verheerenden Anschlag immer noch spürbar unter den Folgen leiden, nicht wissen, womit sie ihre Gefühle kanalisieren können und geschädigt durch den Alltag wandeln. [...]
Wer schon immer mal beobachten wollte, wie das runde Stück Fleisch entsteht, das auf Hamburgern landet, muss sich nur den Anfang von "Prime Cut" ansehen. Von fröhlicher Musik begleitet verfolgt man die Schlachtung der Kühe bis hin zur Fließbandverarbeitung, bei der am Ende Buletten oder Würstchen entstehen. Doch nicht nur tierische Überreste landen in Michael Ritchies Film auf dem Fließband, denn mittendrin mischt sich in der Intro-Sequenz auch ein schwarzer Schuh dazwischen.
Dieser räudige Auftakt, nach dem die irische Mafia einen ihrer Handlanger fein säuberlich als Wurstware verpackt zugesendet bekommt, gibt die zynische Marschrichtung vor, mit der sich "Prime Cut" fortbewegt.
Ritchie setzt in seinem Werk ein kaltblütiges Duell in Gang, in dem ein lässiger Lee Marvin als Schuldeneintreiber der Mafia mit Mary Ann aneinander gerät, welcher dem Mob noch 500 000 Dollar schuldet. Mary Ann betreibt nicht nur einen Schlachthof, sondern hält in seinen Käfigen außerdem blutjunge, nackte Frauen gefangen, die er weiterverkauft.
"Prime Cut" wird seinem Namen durchaus gerecht, denn er ist ein besonders saftiges Stück Kino, das in seiner ungestümen Art eindeutig von den wilden 70ern ausgespuckt wurde und heute in dieser Form vermutlich unmöglich zu realisieren wäre.
Die Kamera labt sich beispielsweise immer wieder ungeniert an Sissy Spaceks Körper, wenn sie zunächst nackt und mit Drogen vollgepumpt als Sklavin befreit und später in ein grünes Kleid gesteckt wird, das durchsichtiger kaum sein könnte. Daneben deutet der Regisseur eine inzestuöse, homosexuelle Beziehung zwischen zwei Brüdern an und lässt Marvin und Spacek in einer fein inszenierten Spannungsszene in einem Getreidefeld vor Verfolgern abtauchen, nur um sie danach von einem Mähdrescher jagen zu lassen oder
Auch wenn Ritchies Film hin und wieder dramaturgisch etwas durchhängt, lohnt sich "Prime Cut" aufgrund solcher regelmäßiger Kuriositäten und dem unentwegt rotzigen Tonfall, der in einem Showdown mündet, in dem ein Widersacher tatsächlich versucht, den Protagonisten mit einem Wiener Würstchen zu erstechen. Eines dieser Werke, die man tatsächlich selbst gesehen haben muss, um sie glauben zu können.
Noah Baumbach gilt mittlerweile als umstrittener Regisseur. Für die einen sind seine Indie-Filme nicht viel mehr als unsägliche Hipster-Fantasien, in denen junge, überpriviligierte, gelangweilte Menschen aus Nichtigkeiten Probleme stricken, während andere in ihm einen modernen Woody Allen erkennen, der wie kaum ein anderer das Lebensgefühl ganzer Generationen mit lockerem Humor und charmanten Dialogen verknüpft.
Baumbachs "Greenberg" ist vieles, nur kein bequemes Wohlfühlkino. Ben Stillers titelgebende Hauptfigur hat die 40 erreicht, kommt gerade aus der Nervenheilanstalt und verzweifelt an dem, was andere beiläufig als Leben bezeichnen würden. Menschen, die er von früher kannte, haben sich verändert und sind in der unspektakulären Mittelmäßigkeit angekommen. Alle anderen überfordern Roger Greenberg ebenfalls, denn ansonsten sieht sich der Ex-Musiker umgeben von einer jungen Generation, die ihm Angst macht, mit ihrer unbeschwerten Leichtsinnigkeit, bei der der Blick hauptsächlich im Hier und Jetzt verweilt, über Verantwortung strikt hinweg sieht und ungern nach vorne gerichtet wird. Höhepunkt in dieser Hinsicht ist eine großartige Party-Sequenz, in der beide Generationen, X und Y, aufeinanderprallen und in einer ebenso amüsanten wie impulsiven Konversation entblößt werden.
Einen stilvollen Film über die Verlockung von Los Angeles selbst hat Baumbach gedreht, aber auch einen Film über die Midlife-Crisis einer schwierigen Persönlichkeit und ein präzises Generationen-Porträt. "Greenberg" ist der Grund, Ben Stiller wieder als ernstzunehmenden Schauspieler wertschätzen zu können und sich daneben direkt in Greta Gerwig zu verlieben.
Während es der Regisseur einem manchmal wirklich nicht leicht macht, dass man seine Figuren als lebensnahe Menschen wahrnimmt anstatt als typische Baumbach-Kreationen, bei denen man ständig denkt, dass niemand auf diesem Planeten so reden würde, sich so kleiden würde und sich so verhalten würde und schon gar nicht diese drei Eigenschaften kombiniert, gibt sich "Greenberg" auf vielschichtige Weise interessiert an seinen Figuren.
Man darf mitlachen, wenn Roger aufgrund seiner unbeholfenen Art in witzig geschriebene Situationen gerät, wird hin- und hergerissen zwischen Sympathie und Abneigung gegenüber seinem schroffen Charakter und nimmt Baumbach auch eine Liebesgeschichte ab, in der sich ein 40-Jähriger und eine 25-Jährige zwischen peinlichen Sexversuchen, unangenehmen Dialogen und zärtlichen Momenten wiederfinden. Und wenn dann noch Juno Temple eine kleine Nebenrolle hat und nicht nackt zu sehen ist, sollten sowieso schon die Alarmglocken läuten, dass man es hier nicht mit einem gewöhnlichen Film zu tun hat.
[...] Sen-Guptas Film spielt beinahe vollständig in der Nacht, wobei fast jede Szene von prasselndem Regen begleitet wird. Der Regisseur verleiht seiner Geschichte eine extrem düstere Atmosphäre, die an Neo-Noir-Streifen erinnert und hinter jeder Ecke, in verlassenen Gassen und gespenstischen Straßenzügen bedrohliche Gefahren vermuten lässt. Dabei wird zunächst lange Zeit gar nicht klar, worum es in Sunrise eigentlich geht. Ohne jegliche Form erklärender Dialoge verfolgt man einen Polizisten, der durch heruntergekommene Straßenviertel hetzt, um einer Schattengestalt hinterherzujagen. Sein Weg (oder Unterbewusstsein) führt Joshi in einen unwirklichen Nachtclub, in dem junge Mädchen auf der Bühne zu einer Mischung aus traditionellen, indischen Klängen und pumpenden Electro-Beats für lüsterne, männliche Kundschaft tanzen. Mit der Zeit wird klar, dass Sen-Gupta Albtraum und Realität durcheinander wirbelt und daran interessiert ist, in die von Schuldgefühlen belastete Psyche der Hauptfigur einzutauchen, dessen Tochter vor Jahren entführt wurde. Die Inszenierung des Regisseurs erinnert durch die spärlich ausgeleuchteten Settings und den surrealen Einsatz kräftiger Farbmuster sowie unangenehm wummernder Töne an unkonventionelle Filme wie etwa Nicolas Winding Refns Only God Forgives oder David Lynchs Lost Highway. Ähnlich wie diese Regisseure verlässt sich Sen-Gupta ebenfalls auf hypnotisch in Szene gesetzte Seelenkäfige. [...] Trotz des fesselnden ersten Drittels, in dem sich lose, albtraumähnliche Szenarien, persönliches Charakterdrama und Gesellschaftskritik ebenso homogen wie intensiv zusammenfügen, gerät dem Regisseur sein Werk mehr und mehr aus der Spur. Sunrise fühlt sich noch zu sehr wie eine stilistisch überaus ausgefeilte Fingerübung an, bei der sich Sen-Gupta auf eindringliche Weise für Größeres empfiehlt. Durch das ständige Wechseln der Bewusstseinsebenen verliert man als Zuschauer jedoch irgendwann das Interesse an den Schicksalen der Figuren, da sich ein Großteil des Geschehens auf auf einem suggestiven Niveau abspielt, während den realen Tatsachen nur noch eine Nebenrolle zuteil wird. [...]
Diablo Codys Drehbuch zu "Jennifers Body" steckt voller faszinierender Details und Elemente, die nie zu einem Ganzen zusammenfinden. Der Besetzungscoup von Megan Fox als erotischer Vamp, der den Männern nicht nur die Köpfe verdreht, sondern gleich sämtliche Innereien herausreißt, ist durchaus passend. Trotzdem wird wird nie klar, bis zu welchem Grad Karyn Kusamas Film ernst gemeint ist, ob die teilweise schmerzhaft hölzernen Dialoge eine satirische Verhöhnung platter Teenie-Streifen darstellen sollen und inwiefern ein Mix aus zaghafter Highschool-Romantik, nachdenklichem Adoleszenz-Gedanken und trashig angehauchten Splatter-Einlagen nicht schon von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.
Die Optik von "Jennifers Body" imitiert eindeutig bekannte Vertreter dieses Genres, in denen es um typische Konflikte, Probleme und Sorgen jugendlicher Heranwachsender geht und auf der Tonspur erklingen immer wieder nette Pop-Songs, um dem Geschehen einen verspielten Anstrich zu verleihen. In Erinnerung bleiben aber eher die Momente des Films, in denen die Drehbuchautorin gegen Konventionen und Seherwartungen rebelliert.
Der Tod von unschuldigen Jugendlichen, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten, verleiht dem Film manchmal einen melodramatischen Unterton, der im harten Kontrast zur eher leicht durchschaubaren Oberfläche steht. Eine Mutter, die den Tod ihres Sohnes bei der Beerdigung in einem stürmischen, aufgebrachten Monolog beklagt, verstörende Impressionen einer eigentlich glatten, makellosen Megan Fox, aus deren blutverschmiertem Körper plötzlich pechschwarzer Schleim herausströmt, ein Kuss zwischen ihr und Amanda Seyfried, der die Gemüter nachhaltig erhitzt hat und seltsame Handlungsfetzen, in denen auf einmal Satanismus ins Spiel kommt, sind Einzelteile, welche "Jennifers Body" zu einem ungestümen Werk mit Ecken und Kanten machen. Aufgrund des wüsten Fokus, der ständig aus den Augen verloren wird, ist der Film jedoch nur in Ansätzen geglückt, ein interessant gescheiterter Genre-Bastard, der am Ende wohl mehr wollte, als er jemals erreichen konnte. Auch wenn sich alle Beteiligten womöglich längst darüber im Klaren waren und über sämtliche Verrisse nachträglich amüsierten.
In "Beyond the Lights" schreckt Regisseurin Gina Prince-Bythewood nicht davor zurück, potentiellen Kitsch und süßliche Gesten mit offenen Armen zu begrüßen. Ihr Film ist deswegen aber längst noch keine dieser abgestandenen Schmonzetten, in denen man sich immer wieder zähneknirschend abwendet, sondern ganz im Gegenteil eine simple, ehrliche sowie bisweilen clever konzipierte Romanze, die überraschend treffsicher bis ins Herz vordringt.
Am Anfang steht sie noch als kleines, eingeschüchtertes Mädchen vor der Jury eines Talent-Wettbewerbs und singt sich mit Nina Simones "Blackbird" nur auf den zweiten Platz. Nach der kalten Reaktion einer Mutter, für die nur Sieg und Erfolg alleine zählen, macht der Film bereits einen Sprung und zeigt die Hauptfigur Noni in überraschender Verfassung. "Beyond the Lights" ist kein Drama darüber, wie ein unschuldiges Mädchen, das nur seine Träume verwirklichen will, schmerzlich scheitert, sondern geht den umgekehrten Weg.
Mit ihren falschen Haaren und künstlichen Extensions, einem aufwändig überschminkten Gesicht und Kleidung, in der man sie fast schon im zwielichtigen Milieu der Erotik-Branche vermuten könnte, ist Noni zu Beginn des Films bereits ein Popstar und ein eindeutiges Symbol, das die Fantasie von jungen Mädchen bedienen soll, die ihr nacheifern, und die Männerwelt gleichzeitig in Erregung versetzt. Die Regisseurin verwendet in ihrem Film moderne Codes und greift auf aktuelle Medien-Trends zurück, um über freizügige Fotoshootings, sexuell aufgeladene Musikvideos und ekstatische Live-Performances ein Bild der Hauptfigur zeichnen, welches einer glatten, von jeglicher Selbstbestimmung befreiten und von Managern sowie Plattenfirmen geleiteten Showbusiness-Marionette gleicht.
Im entscheidenden Moment wird "Beyond the Lights" schließlich zusätzlich um die Figur des Kaz erweitert, ein aufrichtiger, sensibler Polizist, der Noni buchstäblich ins Leben zurückholt. In der zweiten Hälfte könnte man dieses verträumte Pop-Märchen leicht als naive Schulmädchen-Fantasie abstrafen. Die gemeinsame Flucht des Pärchens, weg von glamouröser Fassade und übermäßig aufgeblähten Presse-Schlagzeilen, führt jedoch zu einer rührenden Entblätterung, wenn Noni erstmals wieder als sie selbst in Erscheinung tritt, immer noch das kleine Mädchen, das einfach nur singen und andere Menschen berühren will.
Auf einige Elemente in Prince-Bythewoods Werk, wie das Klischee der bösartigen Mutter, die ihre eigene Tochter aus egoistischen Gründen in den Ruin treibt, oder der obligatorische Streitmoment mit anschließendem Bruch, den es für beide Figuren zu überwinden gilt, hätte die Regisseurin gerne verzichten können. Beschädigt wird "Beyond the Lights", der von seinem zentralen Hauptdarsteller-Duo angenehm bodenständig und einfühlsam zugleich gespielt wird, dadurch jedoch maximal geringfügig. Zu stark sind die Emotionen, die Prince-Bythewood in die Geschichte gepackt hat und zu bestechend ist die Inszenierung, die von Herzblut und Energie durchzogen wird.
[...] Alex Ross Perrys (Queen of Earth) Listen Up Philip ist einer dieser Filme, welche die Grenzen dessen ausloten, wie unsympathisch, egozentrisch und somit auf eine Weise unzumutbar eine Figur angelegt werden kann, die noch dazu als Hauptfigur fungiert. [...] Listen Up Philip seziert den abgehobenen, fast schon gesellschaftsunfähigen Kosmos eigenwilliger Künstlertypen und Kreativköpfe, die mit ihrer selbstgerechten Einstellung ebenso faszinierend wie grenzwertig erscheinen, auf eine unterhaltsame, augenzwinkernde, aber auch sehr verständnisvolle, neugierige Weise. Philip ist eine menschliche Zumutung, aber kein reines Abziehbild, keine provokante Karikatur, die nur dazu da ist, um die Nerven des Zuschauers zu belasten und Hassgefühle gegenüber dieser Sorte von Menschen zu erzeugen. Perry zeichnet seine Figur als durchaus vielschichtigen, tragischen Charakter, der tief im Inneren nicht versteht, wer er selbst überhaupt ist. Dies führt dazu, dass er so ziemlich jeden um sich herum in einer Abwehrreaktion von sich blockt, Gefühle nicht zulassen kann und dazu verdammt ist, ein Leben in Einsamkeit zu fristen. Der Film ist wie ein Buch strukturiert, beim Schauen wirkt es, als blättere man durch verschiedene Kapitel eines Romans, die durch einen allwissenden Off-Erzähler begleitet werden. [...] In seinen mutigsten, kompromisslosesten Momenten trägt Listen Up Philip etwas von Woody Allens (Der Stadtneurotiker) Glanzzeiten des neurosengeschwängerten, von Weltschmerz geplagten Intellektuellenkinos in sich, wirkt aber niemals abgehoben oder abweisend. Perry hat den Film auf großartig kriselndem 16mm-Filmmaterial gedreht, mit warmen, farbdurchflutenden Einstellungen, in denen die gelockerte Handkamera auffällig oft in sehr nahen Close-Ups an den Gesichtern der Figuren verweilt. Hierdurch sorgt der Regisseur für Nähe und Intimität, selbst in den unangenehmsten Szenen, in denen man am liebsten Abstand halten möchte. [...]
Zu gerne würde man einen Blick in den Kopf des niedlichen Dackels werfen, um zu erfahren, ob dieser irgendetwas denkt und vor allem was für Gedanken er sich zu all den Vorkommnissen macht, die Todd Solondz in seinem "Wiener-Dog" entwirft.
Der Hund ist das Bindeglied des Films, welcher in bester Manier des Regisseurs noch strenger in einzelne Episoden unterteilt wurde als jemals zuvor. Von Besitzer zu Besitzer wechselt der Dackel und wird dabei ähnlich wie der Zuschauer Zeuge von Dingen, die wieder einmal ein breites Spektrum an Gefühlen abdecken, mit einigen Höhen und noch härteren Tiefen.
Für seinen mittlerweile achten Spielfilm ist Solondz kein bisschen von seinem bewährten Kurs abgewichen. Wieso auch, scheint es doch, als würde er selbst nach so vielen Filmen, die thematisch jedes mal Parallelen aufweisen, immer noch genügend Erzählstoff parat haben, der uns als Menschen teilweise grausam den Spiegel vorhält, böse zum Lachen bringt und betroffen innehalten lässt.
Für "Wiener-Dog" scheint Solondz noch einmal besonders tief in seine kreative Trickkiste gegriffen zu haben, denn die Gratwanderung zwischen knochentrockenen Gags und stiller Tragik ist dem Regisseur schon lange nicht mehr so gut gelungen wie in diesem Film. Ein besonders schönes Geschenk hat Solondz diesmal für seine Anhänger im Gepäck, die ihn schon seit seinem frühen Schaffen schätzen. Dawn Wiener ist wie durch ein Wunder von den Toten auferstanden und erlebt ein rührendes Wiedersehen mit Brandon, der sie damals terrorisierte, während er sich selbst als Gleichgesinnter von Dawn entpuppte, der viele Gemeinsamkeiten mit ihr teilte.
Ein Road-Trip in der Mitte des Films, der die beiden zu Brandons behindertem Bruder führt, dürfte zum gefühlvollsten zählen, was Solondz bislang auf Film gebannt hat. Fantastisch ist außerdem die derzeitige Indie-Queen Greta Gerwig in der Rolle von Dawn, die die charaktertypischen Merkmale, die man von dem kleinen, eigenwilligen Mädchen aus "Welcome to the Dollhouse" noch in Erinnerung hat, großartig ins Erwachsenenalter übertragen hat.
Seine Ader für schwer gezeichnete, am Abgrund stehende Figuren hat Solondz allerdings ebenfalls nicht verloren. Die Episode rund um Danny DeVitos resignierten Filmschuldozenten ist eigentlich ein deprimierendes Drama, wäre sie nicht gleichzeitig auch an Feuerwerk an bitterbösen Pointen, bei denen Solondz die prätentiöse, abgehobene Art von Filmstudenten garstig aufs Korn nimmt.
In "Wiener-Dog" zeigt sich Todd Solondz trotz des ständigen Verweisens auf sein eigenes Schaffen in Höchstform und hat seinen stimmigsten, lustigsten und anrührendsten Film seit längerer Zeit gedreht. Jede der vier Episoden sprüht nur so vor trockener Komik, irritierenden Ausreißern, berührender Dramatik und tollen Schauspielleistungen, in sämtlichen Einstellungen gibt es etwas zu entdecken und überhaupt ist der Streifen ein Fest für Fans von Solondz, der auch wieder aktuelle Befindlichkeiten und Missstände der amerikanischen Kultur im Allgemeinen aufgreift. Und am Ende kann er es natürlich nicht sein lassen, nochmal so richtig reinzutreten. Armer Wiener-Dog.
Das tieftraurige Dèjá-vu der Eröffnungsszene macht deutlich: Losgelassen haben Todd Solondz seine Figuren aus "Happiness", dem Film, der ihm gewissermaßen den Durchbruch bescherte, nicht. Eigentlich habe er die berüchtigte Szene im Restaurant, die den Beginn des Films von 1998 markierte, nur noch einmal schreiben wollen, doch dann konnte er nicht mehr aufhören, kehrte zu sämtlichen Figuren zurück und ergründete, was mit ihnen in der Zwischenzeit passierte und an welchem Punkt ihres Lebens sie sich nun befinden.
Nachdem "Happiness" die Bilderbuch-Fassade der gutbürgerlichen Vorstadt-Familien durch ebenso skurrile wie schockierende Enthüllungen zum Einsturz brachte, strahlt "Life During Wartime" benommenere, elegischere und melancholischere Töne aus. Solondz fegt den Scherbenhaufen zusammen, den er zuvor anrichtete, doch beim Versuch, die Splitter zu einem neuen Ganzen zusammenzusetzen, entgleiten ihm die Einzelteile immer wieder und führen wiederum zu neuem Unglück.
Das Geschwistertrio Joy, Helen, Trish kehrt zurück, dargestellt durch komplett neue Schauspielerinnen, doch ihre Persönlichkeiten bleiben identisch. In ausschweifenden Dialogsequenzen lässt Solondz die drei Frauen mit den unaufgearbeiteten Narben der Vergangenheit zusammenprallen, die in konkreter Form, wie die Entlassung des pädophilen Straftäters und Familienvaters Bill aus dem Gefängnis, neu aufbrechen oder als Geistererscheinungen auftreten, wenn Joy wiederholt von Andy heimgesucht wird, der sich damals das Leben nahm, nachdem sie ihn abservierte.
Fast schon zaghaft komponiert der Regisseur die Szenen wie kunstvoll arrangierte Tableaus, die in ihrer farbenfrohen Gestaltung und den auffälligen Dekors an die Werke von Wes Anderson erinnern. Mit dem Unterschied, dass Solondzs Film eher wie ein depressiver Bruder wirkt, denn jegliche Ansätze von Hoffnung oder optimistischen Lichtstreifen erstickt der Regisseur erneut im Keim, sobald sich neue Rückschläge und verdrängte Traumata in den Vordergrund drängen.
Durch die nüchterne Form, bei der Solondz auf übermäßige Paukenschläge verzichtet, die er stattdessen durch leise Tiefschläge ersetzt, eine episodenhafte Struktur, die aufgeworfene Einzelschicksale manchmal schmerzlich in der Luft hängen lässt, und merklich reduzierten Humor ist "Life During Wartime" stellenweise spröde und kalt. Die Rückkehr in diese Welt fühlt sich jedoch keineswegs wie ein liebloser, unkreativer Nachschlag an, den der Regisseur aus der Not heraus schuf, sondern mehr wie eine persönliche, ernst gemeinte Auseinandersetzung mit Charakteren, auf die sich ein zweiter Blick gelohnt hat, sowie mit der traumatisierten Seele einer ganzen Nation, die nicht weiß, wie sie mit Schuld, Vergebung und Trauer umgehen soll.
Man könnte fast meinen, im Inneren von Todd Solondz brodelt es unentwegt. Für viele war "Happiness" bereits ein fragwürdiger Höhepunkt dessen, was ihnen filmisch zugemutet werden konnte, doch in "Palindromes" legt der Regisseur sogar noch ein paar Schippen drauf und hat seinen vermutlich kontroversesten, schwer erträglichsten Film gedreht. Die Schattenseite dieses Prädikats ist allerdings, dass es bei "Palindromes" schon deutlich schwieriger wird, inmitten der vielen Extremen auf den empathischen, humanistischen Kern blicken zu können, den Solondz sonst immer berücksichtigte.
Diesmal konfrontiert der Regisseur den Betrachter erneut mit schwierigen Themen wie beispielsweise vorpubertäre Schwangerschaft, Abtreibung, christlichen Fundamentalismus und Pädophilie. Fixpunkt des Films ist die 12-jährige Aviva, die sich nichts sehnlicher wünscht, als so viele Kinder wie möglich auf die Welt zu bringen, denen sie dann ihre bedingungslose Liebe schenken will. Ihr Charakter ist die Konstante, die der ganzen Geschichte so etwas wie einen emotionalen Halt verleiht, denn der skurrile Road-Trip, den Solondz in Gang setzt, nachdem der Wunsch von Aviva zu einem tragischen Zwischenfall führt, ist gespickt mit schrillen Stereotypen, bei deren Darstellung der Regisseur diesmal ein wenig übers Ziel hinausschießt.
Nach einem ersten Drittel, das typisch für Solondz absurde Späße, kreative Ideen und schockierende Einschübe enthält, gerät "Palindromes" mit Avivas Ankunft im Haus von "Mama Sunshine" merklich ins Straucheln. Die extrem religiöse Familie, welche zahlreiche Pflegekinder bei sich aufgenommen hat, die beinahe alle durch tragische Hintergründe, körperliche oder geistige Behinderungen gezeichnet sind, wirkt zu sehr wie eine bloße Karikatur, die Solondz als Zielscheibe nutzt, um den christlichen Fundamentalismus der Amerikaner anzuprangern. Wenig überraschend entlarvt er den überzogen guten Willen der Familienoberhäupter schließlich als scheinheilige Fassade, hinter der sich mörderische Abgründe verbergen.
Der surreale Kniff, bei dem Solondz seine Hauptfigur bei jedem Kapitelwechsel mit einer anderen Schauspielerin besetzt, erweist sich ebenfalls als ziemlich überflüssig. Auch wenn man Avivas Absicht, die durchgängig unverändert bleibt und durchaus berührt, nie aus den Augen verliert, bleibt der Sinn, ihr äußeres Erscheinungsbild mit ständig wechselnden Schauspielerinnen zu verändern, die noch dazu optisch sehr verschieden sind, ein zweifelhafter. Als radikale Stimme in der hitzigen Abtreibungs-Debatte, welche in den USA regelmäßig entfacht wird, hat sich Solondz mit diesem Werk auf seine Weise ein klares Gehör verschafft. Die Mittel, welche er hierfür verwendet, hätten aber gerne weniger skandalträchtig ausfallen dürfen.
Auch in "Palindromes" gelingt es Todd Solondz, ein tragisches Schicksal mit aufrüttelnden Ereignissen zu verbinden, doch diesmal scheint der Regisseur etwas zu stark um den bloßen Schockfaktor bemüht gewesen zu sein. In "Happiness" hatte Solondz noch gezeigt, dass er extreme Abgründe mit Figuren vereinen konnte, die man jederzeit als wahrhaftige Menschen erkennen konnte. In diesem Werk schießt er diesbezüglich etwas zu sehr über das Ziel hinaus.
Bereits in der ersten Szene von "Welcome to the Dollhouse" rückt Todd Solondz seine Protagonistin in ein eindeutiges Licht. Mit ihrer schrillen Klamottenwahl, der dicken Brille auf der Nase und den ängstlich zum Zopf gebundenen Haaren ist Dawn Wiener eine klassische Außenseiterin. In der Mittagspause findet die 11-jährige Schülerin keinen Tisch, zu dem sie sich setzen darf, wird von Mitschülern hämisch "Wiener-Dog" genannt, bekommt bei jeder Gelegenheit vorgehalten, wie hässlich ihr Äußeres sei und findet noch dazu auch zuhause bei ihrer Familie keinen Anschluss, da die kleinere Schwester eine süße Vorzeige-Ballerina ist, die heuchlerisch alles macht, was die Mutter sagt, und ihr Bruder ein begabter Streber ist, der nicht umsonst den Titel "King of the Nerds" trägt.
Anstatt seinen Film zu rührseligem Betroffenheitskino verkommen zu lassen, in dem man mit der armen Dawn während ihrer durchaus erschütternden Drangsalierung mitleidet, antwortet Solondz dagegen auf seine ganz eigene Weise mit messerscharfen, ambivalenten Spitzen. "Welcome to the Dollhouse" ist zwar ein stellenweise äußerst unbequemes Coming-of-Age-Porträt, bei dem vor allem Betroffenen, die selbst mit Mobbing in der Schule oder einem ignoranten, unverständlichen Elternhaus zu kämpfen hatten, ein ums andere Mal mulmig in der Magengrube werden dürfte, doch eine klare Positionierung verweigert der Regisseur.
Dawn weiß sich nämlich durchaus zu wehren, kehrt all den Zorn und Hass, der ihr selbst widerfährt, gerne mal gegen die wenigen Menschen um, die sie mögen und richtet wissentlich einiges an Chaos und Verletzungen an.
Solondz hat mit seiner Hauptfigur eine kleine Rebellin geschaffen, die sich zwischen einem wahren Suburbia-Albtraum, in dem sämtliche Probleme am Küchentisch mit einem falschen Grinsen weggeredet werden sollen, erbarmungslosen Kindern im pubertierenden Alter und gesellschaftlich einzwängenden Normen behaupten muss. Mit einem scharfsinnigen Gespür für fiese Pointen zielt der Regisseur immer wieder auf die Lachmuskeln des Zuschauers ab, während der regelmäßig darüber nachdenken muss, ob er Mitgefühl für das Leiden von Dawn aufbringen soll oder ab und zu so etwas wie eine teuflische Befriedigung verspürt, wenn das Mädchen aufgrund einiger durchaus derber Aktionen wieder und wieder einen Denkzettel verpasst bekommt.
Es ist genau diese feine Linie, die Solondz beschreitet, die sein Schaffen auszeichnet und so besonders macht. Kaum einem Regisseur gelingt es so gekonnt, haarsträubende Abgründe zu schaufeln und satirisch bissige Spitzen zu verschießen, während er sein Publikum Gefühlen aussetzt, die zwischen schuldiger Schadenfreude und beklemmender Betroffenheit schwanken.
Noch ein letztes Mal durch die Nacht, zu dritt, denn am nächsten Morgen wird einer von ihnen abreisen, vermutlich für immer. Noch einmal in der Kneipe rumhängen, in der sich die trostlosen Alkoholiker zusammenrotten, sich im Club die Seele aus dem Leib tanzen und direkt die ganze Wodka-Flasche bestellen, danach bei McDonald´s gleich noch die ganze Speisekarte, mit dem Auto durch die leer gefegten Straßen brettern, den Mund vorlaut aufreißen und Prügel kassieren, weiter Blödsinn labern, weil es eh keinen Unterschied mehr macht.
"Absolute Giganten" ist ein Stück Lebensgefühl, das den angetrunkenen Taumel und die einzigartige Energie des Nachtlebens auf magische Weise transportiert, aber auch von einer bittersüßen Melancholie umweht wird, wenn das unzertrennliche Bündnis dreier bester Freunde vor dem Aus steht. Der Gedanke daran, dass auf den Traum der unbeschwerten, gemeinsamen Zeit mit einem Mal das harte Erwachen folgt und die Realität das Steuer übernimmt, beherrscht die Köpfe der drei, auch wenn ihre Körper auf ausgelassenen, verdrängenden Exzess eingestellt sind.
Sebastian Schipper packt leichtfüßigen Spaß, rotzige Poesie und ganz viel zappeliges Gefühl in sein Werk, macht der Hansestadt Hamburg, dem Wert der Freundschaft und dem Wunsch nach Freiheit, der irgendwo in jedem steckt, ein Geschenk und inszeniert nebenbei das packendste Tischkicker-Match, das jemals in einem Film zu sehen war.
"Absolute Giganten" rast durch die Nacht mitten ins Herz, hinterlässt kleine Stiche und ganz viel Wärme und endet mit einem Sonnenaufgang, bei dem der Blick noch einmal glücklich über die völlig erledigten, eingeschlafenen Freunde schweift.
"Es müsste immer Musik da sein. Bei allem was du machst. Und wenn's so richtig Scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment.“
[...] Es ist kein großes Geheimnis, dass Homosexualität als Thematik im Kino nicht nur unterrepräsentiert ist, sondern nach wie vor fast schon vorsichtig mit Samthandschuhen angefasst wird. "Queer Cinema" bedeutet bis heute, eine Nische bedienen zu müssen, aber fast noch schlimmer ist die Tatsache, dass Filme, die sich mit Homosexualität befassen und in der breiten Masse Anklang finden wollen, diese immer in eine Art Kontext rücken, mit Konflikten beladen oder als Auslöser weiterführender Problematiken verwenden. Andrew Haighs (Greek Pete) Weekend ist in dieser Hinsicht ein angenehmer Film. Dem Regisseur geht es nicht darum, dass seine homosexuellen Figuren vor einem schwierigen Coming-Out stehen, in offene Auseinandersetzungen mit homophoben Menschen geraten, sich mit AIDS infizieren oder vor der intoleranten Gesellschaft rechtfertigen müssen. Haigh erzählt einfach nur von zwei Männern, die sich in einem Club begegnen, zusammen eine Nacht verbringen und merken, dass sich zwischen ihnen schnell eine starke Anziehung entwickelt. Zwar diskutieren auch Russell und Glen über ihre Homosexualität und den Stellenwert, den diese momentan in der Gesellschaft hat, doch es sind nur spontane Gefühle, die die beiden äußern, Gedanken, die ausgesprochen werden wollen und keine direkten Folgen nach sich ziehen. [...] Die entscheidende Problematik, mit der Russell überraschend konfrontiert wird, nachdem ihm Glen recht bald eröffnet, dass er nach dem Wochenende für zwei Jahre nach Amerika reisen wird, ist ein universeller Schmerz, welcher jeden trifft, der sich schon einmal plötzlicher Abweisung oder unerfüllter Liebe aussetzen musste. Haigh hingegen strebt nie nach tiefschürfender Dramatik und umgeht melancholische Betroffenheit selbstbewusst. Stattdessen liefert er liebevolle Momentaufnahmen, die Chronik einer spontan entflammenden Liebe zwischen zwei Menschen, die sich füreinander öffnen, zusammen essen, feiern und trinken, über das reden, nach was ihnen momentan der Sinn steht und intimste Höhepunkte teilen.
Das Offensichtlichste zuerst: Der Animationsfilm zum Spiel, mit dem man sich damals durchaus kurzweilig per Smartphone die Zeit vertreiben konnte, kommt locker sechs Jahre zu spät. Die interessantere Frage war aber eher, wie man aus einem Spiel, in dem es um nichts anderes geht, als Vögel mit einer Schleuder auf Festungen von grünen Schweinen zu schleudern, eine vollwertige Handlung für einen abendfüllenden Animationsfilm stricken kann.
Den Machern von "Angry Birds" fällt leider nicht viel mehr ein, als klassische Erzähltropen der typischen Außenseiter-Geschichte mit kurzweiligem, überwiegend anspruchsfreiem Slapstick-Humor und popkulturellen Referenzen zu vermengen.
Hin und wieder landet der Film auch mal einen Treffer und hat ein paar Gags im Gepäck, bei denen man aufgrund ihrer schonungslosen Absurdität herrlich schmunzeln oder kichern darf, aber darüber hinaus ist die dünne Handlung zu arg auf deutlich zu lange 97 Minuten, von denen sogar 10 Minuten Abspann sind, gestreckt worden.
Einige gewitzt eingesetzte Songs von Limp Bizkit, Rick Astley oder den Scorpions, Anspielungen auf Filmklassiker wie "The Shining" oder Seitenhiebe gegen kulturelle Trends wie zum Beispiel der gesteigerte Gesundheitswahn im Ernährungsbereich ("what the heck is gluten?") heben die Stimmung bei älteren Zuschauern etwas an, auch wenn der maßlos überzogene Showdown, in dem "Angry Birds" fast schon zum kindgerechten Kriegsfilm verkommt, dann doch etwas zu viel des Guten ist.
[...] Bound – Gefesselt beginnt zunächst etwas irritierend, denn erzählerisch erinnert der Einstieg in die Handlung an einen edel fotografierten Soft-Porno, in dem sich zwei Frauen, die in benachbarten Wohnungen leben, ineinander verlieben und übereinander herfallen. [...] Die Annäherung zwischen beiden Frauen inszenieren die Wachowskis als prickelnden Höhepunkt, der mit wundervollen Einstellungen besticht und so sexy daherkommt, als hätte das Regie-Duo vorher nie etwas anderes getan, als visuelle Schönheit zu kreieren. Nach ihrer hochgradig erotischen Einleitung wechseln die Geschwister allerdings schnell den Ton ihrer Geschichte und verwandeln den bis dahin lustvoll verruchten Liebesfilm in einen spielerisch vertrackten Thriller. [...] Blutige Überraschungen, verzwickte Spannungsmomente und doppelte Böden sind die Konsequenzen in einer Geschichte, die mehr und mehr aus dem Ruder läuft. Bound – Gefesselt ist dabei handwerklich so virtuos in Szene gesetzt, dass man meinen könnte, der oftmals als Hitchcock-Epigone verrufene Brian De Palma (Mission: Impossible) hätte seine Finger im Spiel gehabt. Die Wachowskis gleiten mit der Kamera stilvoll durch die eng begrenzten Räumlichkeiten, lassen die Augen in Close-Ups immer wieder über markante Details schweifen und haben trotz der Tatsache, dass dies gerade mal ihr Regie-Debüt ist, ein fantastisches Gespür dafür, selbst kleinere Szenen und geradlinige Handlungsstränge als spektakulär verdichtete Setpieces zu gestalten. Nebenbei ist der Streifen auch mit einigen trockenen Pointen gespickt, so dass Parallelen zum schwarzhumorigen Frühwerk der Coen-Brüder (The Big Lebowski) auszumachen sind. Ähnlich wie in Blood Simple oder Fargo stützen sich die Wachowskis in ihrem Werk auf Situationen, in denen sorgfältig durchgeplante Aktionen in wildem Chaos verlaufen und trotzdem der Eindruck entsteht, dass all dieses hektische, spontan neben der Spur verlaufende Treiben mit absoluter Präzision zur Eskalation gebracht wurde. [...]
Bevor sich Steven Soderbergh den Status des Regie-Chamäleons erarbeitete, indem er kreuz und quer durch sämtliche Genres filmte, konnte er bereits mit seinem in nur acht Tagen geschriebenen Debüt "Sex, Lies, and Videotape" für großes Aufsehen sorgen. Im Alter von gerade einmal 26 Jahren gewann er für sein Werk die begehrte goldenen Palme bei den Filmfestspielen in Cannes.
Erklären lässt sich der Wirbel um den Film sicherlich dadurch, dass er ein bis heute tabuisiertes sowie äußerst prüde verhandeltes Thema in den USA offen in den Mittelpunkt der Geschichte rückt. In Soderberghs Debüt, für das der Regisseur ein Figuren-Quartett entwarf, welches in enger Verbindung zueinander steht, dreht sich alles um Sex. Daneben spielen eklatante Lügen und Videotapes ebenfalls eine große Rolle, weshalb man "Sex, Lies, and Videotape" hoch anrechnen kann, dass ein Filmtitel den Kerninhalt selten besser erfasste als dieser.
Trotzdem wird man den Eindruck nicht los, Soderbergh hätte ruhig noch etwas mehr als acht Tage Zeit in sein Drehbuch investieren sollen. "Sex, Lies, and Videotape" ist namhaft besetzt und kann mit prominenten Darstellern wie James Spader oder Andie MacDowell trumpfen, doch inmitten der ausufernden Dialogsequenzen, des gegenseitigen Betrügens und der vorgetäuschten Lügenkonstrukte, die jede Figur um sich herum errichtet, wirkt der Film oftmals nur wie eine aufgeblähte Episode einer Soap Opera.
Soderbergh inszeniert zu bieder, um seinem Werk ernsthaft filmreife Qualitäten zu verleihen, so dass der Fokus zu oft auf den Schauspielern und ihren Dialogen liegt, die mitunter arg banal und konstruiert ausfallen. In einigen Szenen gelingt es dem Regisseur zwar, knisternde Erotik zu erzeugen und Ansätze überzeugender Charakterentwicklung einzubauen, doch am Ende ist "Sex, Lies, and Videotape" im Hinterfragen gutbürgerlicher Moralvorstellungen und Rollen-Klischees zu oberflächlich und plump ausgefallen, um dem Hype gerecht zu werden, der um ihn gemacht wurde und irgendwie bis heute anhält.
Das zentrale Motiv, mit dem Lucile Hadzihalilovic den Betrachter in "Evolution" auf wiederholte Weise konfrontiert, ist Veränderung. Die eindringlichen Bilder dieses Films, die zwischen faszinierender Schönheit und abstoßender Verstörung pendeln, ergründen die Tiefen des Ozeans, in denen Veränderungen durch ständige Strömungen ausgelöst werden, aber vor allem Veränderungen von Körpern, die in "Evolution" als Projektionsfläche für grauenvolle Albträume dienen.
Die Regisseurin und Partnerin von Gaspar Noé hat mit ihrem Werk ein rätselhaftes Mysterium geschaffen, das vor Geheimnissen förmlich überquillt und inmitten der dichten, unbequemen Gestaltung von Bild und Ton genauso viele Fragen aufwirft wie bizarre Eigenartigkeiten entblättert.
Alleine das grundlegende Setting eines kleinen Dorfes an der französischen Küste ist bereits ein merkwürdiger Schauplatz, denn hier befinden sich lediglich Frauen mit hellen Augenbrauen und tiefschwarzen Augen sowie junge Söhne. Regelmäßige Rituale beinhalten beispielsweise das Füttern der Jungs mit grünen, algenartigen Gerichten oder das Injizieren einer tintenartigen Flüssigkeit. Als einer der Jungs beim Tauchen direkt zu Beginn meint, Unterwasser eine Leiche gesehen zu haben, forscht er auf eigene Faust nach, was an dem Strand in der Nacht vor sich geht.
Was Hadzihalilovic bis dahin als ungewisses Spiel mit Vorahnungen und Befürchtungen inszenierte, nimmt zunehmend die Form einer konkreten Horror-Vision an. Die Form von Seesternen, eine verlassene, heruntergekommene Klinik, ärztliche Operationen, schockierende Body-Horror-Einschübe, Close-Ups von Tieren und pure Andeutungen einer Präsenz, die rational nicht greifbar ist, verschwimmen immer mehr zu einem surrealen Szenario, welches klare Antworten konsequent verweigert und vage Erklärungsansätze in Richtung einer beklemmenden Pubertäts-Parabel zulässt.
Über nur knappe 75 Minuten hinweg bedeutet "Evolution" Eintauchen in eine völlig andersartige, hypnotische und zutiefst beunruhigende Welt, bei der man das Luftholen nach der Sichtung nicht vergessen sollte.