OrdellRobbie - Kommentare
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Alle Kommentare von OrdellRobbie
images, n. pl.:
Bilder, Darstellungen, Eindrücke, Assoziationen, Vorstellungen.
Bereits die Ambivalenzen des Titels deuten auf eine Unschärfe der Inszenierung hin, die wie ein Schleier auf der Kameralinse liegt. Verwaschen, sur-réal, märchenhaft. Robert Altmans IMAGES (1972) lässt sich nicht festlegen, bleibt auf interpretativer Ebene ein Fragezeichen. Verworrene Visionen, Imaginiertes, Gedoppeltes, prismatisch aufgespaltene Kristall- und Seelenbilder -- der Wachtraum des Sur-realen aus weiblicher Perspektive. Atmosphäre > Substanz.
Warum war er hier? Warum hat er alles verändert?
Nichts bereitet auf die abstruse "Geometrie der Liebe" vor. Unerklärliches Verlangen.
Das Familienleben in Scherben, die innere Ordnung, Logik zerstört.
Alles was er hinterlässt ist Leere. Leere im Leben der Bourgeoisie.
Der Einbruch des Irrationalen im geometrisch kalkulierten Gefüge.
Lebenswandel, Suche nach Ausdruck, Geborgenheit, Wärme
In den eisernen Schranken bürgerlicher Existenz.
Ein verzweifelter letzter Schrei in die Wüste. Widerhallen.
Realitätsohnmacht in TEOREMA.
„The whole world is watching!“
Ein zu Unrecht in Vergessenheit geratenes Frühwerk des New Hollywood Cinema ist Haskell Wexlers Debüt MEDIUM COOL, der eine der beeindruckendsten Momentaufnahmen einer von politischen Unruhen geprägten Zeit liefert. Mitten in die Menge der Protestierenden in Chicago wagt sich seine Kamera am Parteitag der Demokraten 1968. In ein vom Vietnamkrieg, Civil Rights Movement und der Polizeigewalt tief gespaltenes Amerika. Gefilmt im kühnen Stil des cinéma vérité, kanalisiert Wexlers Kamera dokumentarische wie fiktionale Elemente; unbearbeitet, authentisch und von eruptiver Energie. Dabei wird die ethische Verantwortung von Berichterstattung stets mitgedacht: Robert Forster spielt einen abgehärteten TV-Reporter, der selbst bei Unfallopfern mit der gleichen kalten Präzision vorgeht wie bei Interviews zur Präsidentschaftswahl.
Letztendlich reicht ein einziger Schwenk zur Seite aus, um die alles beobachtende Kamera - in einem metamedialen Schlussakt - zu entlarven. Ein Film mit (prophetischer) Sprengkraft.
Eine Industrie auf Inzest aufgebaut. Kein frisches Blut durchströmt das Aderwerk der schillernden Metropole Los Angeles. Ideen werden herumgereicht, die ewig gleichen Konzepte realisiert, ohne dass sich der Kern, die DNA der (Alp-)Traumfabrik je ändern würde. MAPS TO THE STARS festigt insoweit sehr deutlich David Cronenbergs Positionen als Auteur des „New Flesh“ in seinem Gesamtwerk, hier als bitterböse Karikatur Hollywoods. Ein eskapistischer Fiebertraum über kreative Ohnmacht. Der berühmte Sternenboulevard ist im Grunde ein Wegweiser zu den dunklen Gefilden der Stars. Zu einem Fankult, der nur immer auf sich selbst verweist. Auf inszenierte Oberflächen.
Geradezu mythisch überhöht zeichnet Claire Denis die französische Legion im fernen Djibouti: karge Wüsten, azurfarbenes Wasser und ein grenzenlos klarer Horizont. Ritualisierte Choreographien bestimmen den Tagesablauf. Die trainierten Körper der jungen Soldaten aus aller Welt werden zu bloßen Ausdrucksmitteln, zum klangvollen Korpus der Performanz. BEAU TRAVAIL schildert eine angespannt-maskuline Welt, die homosexuelles Begehren im Keim erstickt, negiert und doch darin eine höchst sexualisierte Spannung evoziert. Wenn Denis Lavant am Ende ausgelassen zu "This is the Rhythm of the Night" von Corona tanzt, könnte das Befreiung heißen - oder aber Verdammnis, indem er Ideen stereotyper Männlichkeit hinter sich lässt. Eine Erinnerung des Todes. Und ein wahnhaft bebildertes (Agnès Godard) postkolonialistisches Ballett! Meisterwerk.
Magischer Realismus. Ein wundervoller Abschied von der Filmbühne. Ingmar Bergmans FANNY OCH ALEXANDER ist die Summe seiner vorhergehenden, mitunter sehr schwermütigen, sperrigen Meisterwerke - und gleichzeitig ist es der visuell anmutigste, liebevollste, und zärtlichste Abschied, den man sich vorstellen kann. Durch die Augen des Kindes blicken wir auf die Welt, auf die Wandprojektion der Laterna magica, den sich öffnenden Vorhang des Puppentheaters. Nie zuvor wirkte Bergman so versöhnt mit sich und seinem Lebenswerk, das neben seiner Strenge vor allem tiefe Menschlichkeit und ein modernes Frauenbild offenlegt im Angesicht von religiöser Repression. Keine Sekunde will man missen.
Ingmar Bergman ist einer der konsequent menschlichsten Regisseure, die man antreffen wird. Sein Werk lastet schwer, berührt das Unausgesprochene zwischen den Menschen auf nie gesehene Weise. Bevor er mit seiner filmischen Zäsur „Persona “ die grundlegende Sprache des Kinos auf ewig erschütterte - die Erde bebte hiernach förmlich -, beschäftigte er sich mit Religion, Paganismus und Gottesferne. JUNGFRUKÄLLAN ist, wie die meisten Bergman-Filme, erstaunlich simpel konstruiert im mittelalterlichen Schweden: die Frage nach Schuld ist dauerpräsent, die Vergewaltigung roh und brutal, die Konsequenzen nicht minder erschreckend. Max von Sydow zerbricht innerlich angesichts der quälenden Fragen: Wie kann ein barmherziger Gott solche Grausamkeiten zulassen? Oder gibt es einen solchen überhaupt?
Ästhetisch gewöhnungsbedürftig durch seine digitale Video-Optik, umfasst David Lynch mit seinem INLAND EMPIRE doch die gesamte Bandbreite an Wurmlöchern und verschachtelten Motiven, aus denen sich seine Mythologie seit 1977 mit „ Eraserhead“ speist. Drei Stunden lang die volle Los Angeles-Erfahrung über Schauspiel, Traum und Wirklichkeit, Prostitution und Missbrauch. Ein Film, der am Ende mehr Sinn ergibt, als man es sich anfangs einzugestehen wagte. Hollywood am Ende der Dekonstruktion.
Performances bis zur seelischen Zerstückelung
Die filmische Form spiegelt in BAD TIMING gleichzeitig die gebrochene Beziehung wider, die ihr volles toxisches Potential entfaltet. Er springt scheinbar willkürlich zwischen Zeitebenen, an das sich das Auge stets neu akkomodieren muss, verbindet sinnlichen Sex mit verstörendem Körperhorror - Luftröhrenschnitt! - Begehren mit abgründigen Trieben. Denn zu diesem Zeitpunkt liegt die Amour fou zwischen Theresa Russell und Art Garfunkel bereits in Scherben. Der Schauplatz Wien kündigt eine weitere triste Verfremdung an. Gerade die assoziative Montage macht Nicolas Roegs Werk so intellektuell herausfordernd, stellt Fragen über die Natur von Bestimmung und Zufall. Oder - wie es der Titel prägnant formuliert: bad timing. Alles nur eine Reihe unglücklicher Störfälle.
Die Familie ist eine Blutsbande. Emporgehoben, aufgestiegen durch Blut und Ehre. Viva la famiglia. Wenn sich der alte Corleone (Marlon Brando) mit seinem tradierten Ehrencodex in einer Welt wiederfindet, die seine heiligen Werte nicht mehr teilt, er bloß noch eine aus der Mode gekommene Randerscheinung darstellt, ist sein Schicksal besiegelt. Versöhnung & Blutrache - ein eherner Pfad, ungeschriebenes Gesetz, das er nur allzu gut kennt. Der bis dahin aus dem Geschäft sich zurückhaltende jüngste Sohn, Kriegsveteran Michael (Al Pacino) blüht auf als der neue Don, gnadenlos, kaltblütig gegen innere Feinde mit eiserner Hand vorgehend. Coppolas Mafiatragödie THE GODFATHER über männliche Hybris und Selbstzerstörung operiert im kinematographischen Schattenreich; von der ersten Einstellung ganz in schwarz getaucht bis zur sich schließenden Türe: Es gibt kein Zurück. Der neue Pate ist auserkoren. Segnung und Blutbad. Schatten und Lichtkranz. Das Blut wird immer von neuem geschürt, geweiht, ausgerufen. Ein zutiefst amerikanisches Paradigma.
Lang und endlos führen die Straßen bis zum Horizont. Kein Ziel in Sicht. Suche und Bewegung. Zerschossene Träume. Road Movies sind der leise Nachklang der Western-Mythologie, eine Erkundung Amerikas und seiner Grenzen der Zivilisation. Gus Van Sants MY OWN PRIVATE IDAHO erfasst die weiten Landschaften mit rauer Poesie. Ödland, und doch irgendwie Zuhause. Der narkoleptische gebrochene Held Mike (River Phoenix) schlägt sich als städtischer Stricher durch und fällt an den unterschiedlichsten Orten seinem Schlafdrang zum Opfer. Portland, Oregon bis Rom, Italien. Gemeinsam mit seinem Freund (Keanu Reeves) sucht er nach seiner verschwundenen Mutter, der verlorenen Zärtlichkeit und Liebe. Und am Ende ist man dort gestrandet, wo man seinen ersten Schritt getan. Eine wehmütige Odyssee der Heimatlosigkeit. Ein Pionier des "New Queer Cinema".
Are you allergic to the 20th century?
Einer der ungewöhnlichsten Filme der 90er - und einer der besten. Hausfrau Carol (Julianne Moore) entwickelt langsam eine Allergie gegen ihre kontaminierte Umwelt. Reagiert ihr Körper gegen Chemikalien in der Atmosphäre? Oder ist es nur ihr langweiliger dumpfer Alltag im San Fernando Valley, ein Hirngespinst? Nie gibt Regisseur Todd Haynes eine eindeutige Erklärung ab. Die Bedrohung ist - mehr als alles andere - das 20. Jahrhundert selbst, ein unsichtbares Unwohlsein, das sich auf erschreckende Weise auf die Gesundheit auswirkt. Deodoranten, Arzneimittel, Diäten. Was ist das eigentlich, was wir täglich zu uns nehmen? SAFE kann sowohl als materialistische Satire über unsere Konsumgesellschaft und vor allem als moderner Horrorfilm gelesen werden. Seine verstörende Umweltthematik greift nämlich heute mehr denn je.
Was in "Dressed to Kill" noch zu barocker Hochform ausgelaufen ist, findet man in dem lustlosen PASSION nur noch in kruden Ansätzen vor. Uninspiert wandelt De Palma zwischen Déjà-Vus, Samplings und Coverings vorangegangener Meisterwerke - absurdkomische Wendungen, teils hölzernes Schauspiel und erzählerische Ohnmacht im blassen Berlin-Ambiente. Eine Sequenz jedoch, die Ballett und SM in üblicher Bildaufteilung arrangiert, lässt nochmals De Palmas stilistische Anmut aufleben; die Schönheit eines Kinos voll sinnlicher Verführung und Manipulation, das sich ganz auf Bild und Klang verlassen konnte. Visual storytelling. Das ist hiermit wohl passé.
Minimalistisches Kino und lyrische Stille
Béla Tarr legt einen ausharrenden ernüchternden Rhythmus vor. Wenn alles Irdische eines Sinnes beraubt wird - man vom Bewusstsein erfasst ist, dass wir alle dem Untergang geweiht sind, dass selbst Gott den Menschen verlassen hat. A TORINÓI LÓ (Das Turiner Pferd) erzählt von den letzten Tagen, den letzten Dingen in Endlosschleife. Der Wind regiert laut, zieht über das Land wie eine Urgewalt, reißt alles mit sich nieder, ersetzt das gesprochene Wort. Für Tarr ist die freudlos-entzogene formale S/W-Ästhetik wichtiger als alles Andere, sie beherrscht das gesamte Blickfeld. Steuert auf das Ende zu, unentrinnbar, das Erlöschen des Lichts. Bis nur noch Dunkelheit ist. Als ob man Kino wieder zum allerersten Mal erleben würde. Und der kreatürliche Anfang ist gleichzeitig sein destruktives Ende.
Was Pedro Almodóvar in LA PIEL QUE HABITO demonstriert, ist gesunder Größenwahn. Der plastische Chirurg Ledgard (Antonio Banderas), ein moderner "mad scientist", hält die junge Vera (Elena Anaya) als Versuchsobjekt bei sich gefangen. An ihr will er eine synthetische Haut testen, die Verbrennungen standhält...
Ein artifizieller Thriller über Obsessionen, Rache und Begierde, stets bereit, sein Genremuster radikal zu brechen. Erotisch, sinnlich, verführerisch, dann erschreckend grausam. Ein feministischer Alptraum und zugleich dessen Manifest. Almodóvar sprengt mühelos Gender, Körperlichkeit & Sexualität zu einem angsteinflößenden, bizarr konstruiertem Kammerspiel, bei dem die Grenzen des Geschlechts endgültig verwischen.
Erinnerungen an die texanischen Suburbs der 1950er, das magische Licht der Dämmerung und Ideen der Transzendenz am Strand...
Terrence Malicks THE TREE OF LIFE ist ein Überfilm des Lebens, ein rein gedanklich montiertes Mosaik der Empfindungen, das in seinen überwältigenden Naturbildern nach den ewigen Wahrheiten greift: von der Schöpfung allen Seins bis zur bewegten Kindheit zwischen der nährenden Mutter (Jessica Chastain) und dem tyrannischen Vater (Brad Pitt). Der amerikanische Süden und die reflektierenden Voice-overs sind noch genauso präsent wie in "Badlands" (1973), angereichert mit einem poetisch wuchtigen stream of consciousness. Ein Film, der weniger als religiöse, sondern - darüber hinaus - als intime spirituelle Erfahrung über Familie erlebt werden möchte.
Bergman hat auch den Mut, in die unangenehmsten, intimsten Sphären des Menschen vorzudringen. Ein Maskendrama, Kammerspiel weiblicher Beziehungen zwischen Andersson, Thulin und Ullmann, ganz wie in "Persona". Die weißen Gewänder vor rotem Hintergrund, die verstreichende Zeit, das Warten, das Schweigen. Dazwischen hereinbrechend wie ein Orkan, die Schmerzensschreie der Kranken. Bergman verweilt im Inneren, nah am Epizentrum des Bebens. Rot beginnt zu stechen, hat keinen kompensierenden mildernden Farbton als das Blut selbst; Neid und Jähzorn. Die erdrückende beengende Stille konfrontiert haltlos das eigene Seelenleben, das unaussprechliche Ende. Schreie und Flüstern.
Eingefroren in Raum und Zeit. Eine vornehme Gesellschaft im barocken High-Art-Dekor, gefangen im ewigen Kristallbild, das in seinem Inneren alle Spiegelungen zurückwirft. Zeit wird nicht bloß dehnbar, sondern eine Variable. Ornamente, zu denen auch die Protagonisten werden - in den labyrinthischen, leeren Korridoren des Schlosses. Der Versuch einer Erinnerung...
Was L'année dernière à Marienbad (1961) letzlich zu einem derartig widerhallendem Kunstwerk macht, ist seine konsequente Zerlegung von Raum und Zeit. Das Regelwerk linearen Erzählens weicht dem eines Traumzustandes, einer verrätselten Innenwelt ohne Ein- oder Ausgang. Mann und Frau sind die Spielfiguren, wandelnde Statuen in einem komplexen Vexierspiel der Verführung. Alain Robbe-Grillets Drehbuch (das er später als „ciné-roman” und Alain Resnais haben die Techniken des Nouveau Roman übenommen und in eine geisterhafte mise-en-scène übersetzt. Marienbad ist ein einzigartiger filmischer Echoraum voll formaler Schönheit.
"But I might die tonight..."
Cat Stevens' Chorus bringt es auf den Punkt in diesem Kleinod der ausgehenden Swinging Sixties. Irgendwo zwischen pubertärer Schwärmerei und sinnlicher Performance: Schulabbrecher Mike (John-Moulder Brown) ist besessen von der wenige Jahre älteren Susan (Jane Asher), mit der er gemeinsam in einem Londoner Hallenbad arbeitet. Sein Objekt der Begierde aber beginnt ein kühnes Verführungsspiel mit dem Teenager, das ihm nur noch mehr den Kopf verdreht...
Jerzy Skolimowski, ein wenig beachteter Vertreter der Polish New Wave, hat mit DEEP END (1970) sein wohl populärstes Werk geschaffen. Ein Coming-of-Age-Märchen über jugendliche Unschuld und sexuelles Aufbegehren. Teils in poetischer Bildsprache gehalten, mit schwebender Leichtigkeit vorgetragen und dennoch ein komplexes Netz der Leidenschaften entspinnend. Durch den grandiosen Schluss in den (Un-)Tiefen des Schwimmbeckens bekommt der Titel eine ganz neue Bedeutung...
"It's the truth about us all. He's doomed." - "So are we all."
Von seinen Mitstreitern schwer verwundet am Tatort zurückgelassen, versucht Ex-Häftling Johnny McQueen (James Mason) sich selbst durchzuschlagen. Eingekesselt von Feinden und Freunden gleichermaßen, taumelt er - zunehmend halluzinierend - durch die nächtlichen Straßen der eingeschneiten Stadt.
ODD MAN OUT (1947) ist ein in Belfast spielender Film Noir, auch wenn weder die Stadt noch die geheime Organisation, für die der Protagonist arbeitet, beim Namen genannt werden. Hier vermengen sich Existenzängste mit dem tragischen Schicksal eines Ausgestoßenen. Johnny wird von einem Ort zum anderen herumgereicht, mit Hoffnung auf Erlösung; mal begegnen ihm Freunde mit Mitleid, mal mit eigennützigen Absichten auf Auslieferung. Noch dazu ein visuelles Ausnahmewerk, das offenkundig die Wesenszüge von Roman Polanskis Schaffen ("Oliver Twist") vorausgreift, trifft Carol Reed eine sehr wehmütige Note.
Inmitten eines verlassenen Opernhauses stellt Drummer Roberto (Michael Brandon) seinen Verfolger, nur um ihn in einem Handgemenge unabsichtlich mit einem Messer zu verletzen. Der Unbekannte stürzt. Eine maskierte Gestalt löst den Auslöser auf einem Fotoapparat, einige Logen über ihnen. Es ist der Ausgang von Dario Argentos 4 MOSCHE DI VELLUTO GRIGIO (1971), der bereits auf einem Irrtum des Sehens fußt. Die unentscheidbare Frage nach Aggressor und Opfer wird auf dem Foto zur glaubwürdigen Aussage formuliert. Auch Roberto kann der Tat zuerst nicht Glauben schenken. Bis Drohbriefe ihn mit Beweismaterial ins Geschehen zurückwerfen...
Der Abschluß der losen Giallo-Trilogie mit Tieren in symbolischen Schlüsselrollen ist größtenteils von logischer Stringenz befreit. Dafür entschädigt Argento mit seinen unheimlichen Set-Pieces, den so anmutig ausgereizten Toden - der bis ans Äußerste gehende hyperrealistische car crash! - sowie einem beachtlichen Kommentar zu Gendernormen.
Lange Schatten eilen dem Unheil voraus. Expressive Landschaftsgeometrie, ein bitteres Schauermärchen im Kampf zwischen Gut und Böse. "Love" und "Hate" stets mit sich herumtragend. Charles Laughtons im wahrsten Sinne einzig-artiger Film noir NIGHT OF THE HUNTER (1955) zeugt von erhabener handwerklicher Finesse trotz seines Debütcharakters.
Nachdem Ben Harper wegen eines Banküberfalls zum Tode verurteilt wird, vertraut er seinen zwei Kindern das Versteck des erbeuteten Geldes an. Der psychopathische Zellengenosse Harry Powell (Robert Mitchum) erfährt davon und macht sich nach seiner Freilassung an die ahnungslose Witwe Harpers (Shelley Winters) heran, die er schließlich heiratet. Als selbsternannter Prediger Gottes kann er sich das Vertrauen der ländlichen Gemeinde erschleichen, um an das Vermögen zu gelangen. Die bereits oben gepriesene Noir-Ästhetik unterstreicht den unheimlichen Touch dieses Southern Gothic in flimmernd poetischen Bildern: Als malerisches Tableau schwarzer Romantik ist da die schwebende Frauenleiche im tiefen Grund des Flusses, das lange Haar wie das Seegras in der Strömung wogend. Auf ewig verlassen, im ewigen Frieden erlöst. Aus einer kindlichen Perspektive heraus umso existenzieller, hat Laughton hiermit ein Erbe hinterlassen, das bis zu Guillermo del Toros Visionen ("The Devil's Backbone") reicht.
Der in blau getauchte Strand wird zum kahlen Mondkrater dramatisiert. An diesem rätselhaften Ort kulminieren alle ihre Ängste: Identität, Selbstbild, Verfolgungswahn.
LE ORME („Fußspuren“) als primär traditionellen Giallo-Thriller zu bezeichnen, wäre ein Understatement. Dabei sind es gerade seine Ausflüge in Mystery, Science Fiction und Experimentalfilm, die seine genreübergreifende Brillanz unter Beweis stellen. Dolmetscherin Alice (Florinda Bolkan) hat kryptische Visionen eines Astronauten auf dem Mond, die scheinbar aus einer Videoaufzeichnung herrühren...
Luigi Bazzoni verlässt sich hier ganz auf die Intuitionsgabe des Zuschauers, denn sein Werk ist in seiner visuellen Sprache vor allem sinnlich aufzunehmen. Die surrealen Settings, an Giorgio de Chiricos Stimmungsbilder erinnernd, Orgelmusik und orientalische Architektur gehören alle zum Spiel der Verfremdung. Kein Geringerer als Vittorio Storaro stand hinter der Kamera, augenscheinlich mit großem Interesse an inneren Rahmungen...
ANDREJ RUBLJOW (Андрей Рублёв) ist nicht nur ein cinematographischer Kraftakt, sondern umso mehr sinnlich mystifiziertes Imaginations-kino: Der russische Ikonenmaler (1360 - 1430) gerät in einen Gewissenskonflikt; in mehreren Stationen werden sein Glaubensverlust und seine künstlerische Ohnmacht episodisch thematisiert - im Überfall der Tataren, dem unfreiwilligen Eingriff in die Kampfhandlungen hin zum Gießen der tonnenschweren Glocke. Als passiver Beobachter gleitet die Kamera vorbei an spektakulären Massenszenen und mittelalterlicher Architektur. Durchzogen von inbrünstiger Menschlichkeit und Mut zur Schwäche, ist das Tarkowskis gewichtigstes Manifest über Religion und Repressivität. Augenöffnend.
"Nobody's perfect. You just get half devil and half angel in you."
In einem Film, der in seinem Kern romantisch ländliche Landschaftsräume einfängt, ist es auch die Natur, die den Einbruch von Katastrophen vorausahnt. Die infernalische Heuschreckenplage biblischen Ausmaßes ist Zäsur in Terrence Malicks DAYS OF HEAVEN (1978). Hier bricht der Liebesbetrug dreier Personen in sich zusammen. Es ist die Hölle auf Erden - wie uns im Voice-over wahrhaftig gewahr wird. Das Weizenfeld brennt nieder, die Täuschung fliegt auf. In der Glut des Südens (so der deutsche Titel) bewahrt seine scheinbare Idylle bis zuletzt und macht sie sich zu eigen als dezente Kritik des US-amerikanischen Industriekapitalismus.