OrdellRobbie - Kommentare

Alle Kommentare von OrdellRobbie

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    Vittorio De Sicas FAHRRADDIEBE gilt als Schlüsselwerk und Pionier des italienischen Neorealismus nach dem Zweiten Weltkrieg: Unbekannte Darsteller zeigen das alltägliche Elend der Arbeiterschicht auf.
    Antonio wird sein überlebenswichtiges Fahrrad gestohlen. Er und sein kleiner Sohn Bruno machen sich auf eine Hetzjagd durch Rom, die in bitterer Enttäuschung endet. Eindrucksvoll gespielt, gefilmt und zum Rühren schön trotz der so simplen Geschichte. Zudem wird eine sehr authentische Vater-Sohn-Beziehung vorgestellt.

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      Mark (Sam Neill) erfährt von der Untreue seiner Frau Anna (Isabelle Adjani). Die Ehe zerbricht im Streit: Hass, Eifersucht, Entfremdung. Anna verschwindet schließlich spurlos und kehrt seltsam verändert zurück ...

      Andrzej Żuławskis exzessiver Horrorfilm spielt im getrennten Berlin der 80er-Jahre mit menschenleeren Plätzen, kühlen Farben und spiegelt so die mentale Verfassung seiner Figuren wider. POSSESSION ist vordergründig eine Geschichte einer Ehekrise, die aber bald in ein hysterisches Happening ausartet. Isabelle Adjani ist ihr verstörender Mittelpunkt (Beste Schauspielerin in Cannes), unbegreiflich, kafkaesk und surreal. Zu Unrecht vergessenes Kunstkino.

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        OrdellRobbie 11.05.2018, 22:10 Geändert 27.12.2019, 23:10

        « Ceci est une histoire d'un homme marqué par une image d'enfance. »

        Chris Marker gelingt es, allein mit Bild und Ton die Apokalypse spürbar zu machen. Paris ist nach dem 3. Weltkrieg von Radioaktivität verseucht, die Überlebenden flüchten in unterirdische Komplexe. Experimente mit Zeitreisen werden durchgeführt. Der namenlose Protagonist reist in die Vergangenheit, verliebt sich in die Erinnerung (oder vielmehr das Bild) einer Frau und verbringt einen Tag mit ihr. In einem Moment der Zärtlichkeit öffnet sie die Augen - als einziges bewegtes Bild im Film (!) - und mit ihr erwacht auch das Kino zu neuem Leben. LA JETÉE ist ein höchst künstlerischer, hochinteressanter Sci-Fi-Film mit gerade einmal 28 Minuten.

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          OrdellRobbie 05.05.2018, 20:58 Geändert 16.04.2020, 12:48

          Was ist menschlich? Was erscheint uns fremd?

          Scarlett Johansson fährt mit dem Lieferwagen durch die schottischen Highlands, liest Männer von der Straße auf und verführt sie auf perfide Weise.
          UNDER THE SKIN betrachtet die Welt aus den Augen eines nicht-menschlichen Wesens; mit emotionaler Kälte, Unvoreingenommenheit und Irritation. Dieser fremde, ja geradezu autistische Organismus bleibt das große Rätsel des Films. Was geht in ihm vor? Seine Handlungen und Reaktionen sind nicht von dieser Welt. Jonathan Glazer definiert somit recht genau das Wort "unheimlich" als etwas Unvertrautes im Vertrauten, der Schock des veränderten Blicks auf unsere bekannte Welt. Doch auch der nach außen so herzlos erscheinende Fremdkörper bekommt Risse, ist gebrechlich, zeigt Schwäche, Furcht. Eines der eindringlichsten Filmerlebnisse der letzten Jahre, wunderschön surreal und von außerirdischer Intensität.

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            OrdellRobbie 16.04.2018, 18:43 Geändert 29.06.2020, 15:09

            Über Coppolas APOCALYPSE NOW wurde schon so viel geschrieben, bzgl. seiner Haltung zu Vietnam und dem Krieg. Dabei ist seine Einstellung recht indifferent; der Krieg ist ein Topos, das er weit hinter sich lässt. Mit Joseph Conrads Vorlage ist in ihm der ewige menschliche Konflikt einbeschrieben, die Tragödie der conditio humana und ein sehnlicher Wunsch nach dem Untergang: Apokalypse jetzt! Gerade die legendären Exzesse am Set, die unmöglichen Drehbedingungen und Verzögerungen lassen den Wahnsinn hindurchtönen, der von Vittorio Storaro in rauschhaft psychedelische Bilder eingefangen wurde. Geradezu fragmentarisch reihen sich Episoden des Kriegs aneinander, die ein ganz eigenständiges abstraktes Bild ergeben. Linearität existiert in dieser Welt nicht mehr, ein Durcheinander; ein Nebeneinander von Gedanken und Ereignissen, inneren Monologen umfassen die Erfahrung besser als jeglicher Versuch der Objektivierung. Bilder überlagern sich in der Eingangsmontage, ein Flammenmeer, ein schweißgetränkter Cpt. Willard und projizierte Helikoptergeräusche. Alles fällt aufeinander. Wie in einem Albtraum.

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              Als kleines Mädchen hatte sie eine Vision vom Selbstmord ihrer Mutter, als Erwachsene ruft bei Virginia (Jennifer O'Neill) eine Tunnelfahrt weitere verstörende Bilder ins Gedächtnis: ein zerbrochener Spiegel, ein gelbes Taxi, rotes Licht und eine zugemauerte Wand. Noch kann sie die rätselhaften Fragmente nicht einordnen - was aber, wenn die Vision einen zukünftigen Mord darstellt?

              Lucio Fulcis gemächlicher SETTE NOTE IN NERO verbindet Elemente von Hitchcock und übernatürlicher Phantastik zu einem mehr als sehenswerten Giallo-Thriller. Die Bilderflut eines Mordes muss entschlüsselt werden, bevor es zu spät ist. Dabei wird die Spannung bis zum bitteren (!) Höhepunkt gesteigert, mit dem einmaligen Fabio Frizzi-Score

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                OrdellRobbie 22.03.2018, 22:19 Geändert 04.06.2019, 21:50

                The Brood - Entfesselung des Körperhorrors

                Mittels einer neuartigen Therapie können psychische Leiden in physische Krankheiten umgewandelt werden; die geistig verwirrte Nola projiziert Schmerz und Zorn auf ihre mörderische "Brut"...

                In David Cronenbergs sehr persönlichem Horrorfilm wird mit latenten Urängsten gespielt: der Verlust von Familie, Sicherheit und Geborgenheit. In bitterernstem Ton entwickelt sich ein bedrohliches Szenario, angeführt von der dominanten "mütterlichen" Gemütslage. Howard Shores drängende Musik trägt außerdem wesentlich zur beklemmenden Stimmung bei. THE BROOD ist wie ein phantastischer Albtraum, der seine Spuren in uns hinterlässt.

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                  Inception - Die Faszination des Klartraums.

                  Traumdiebe sollen jemandem einen Gedanken einpflanzen und ihn "reifen" lassen. Der innere Konflikt des Protagonisten Dom Cobb mit seiner Vergangenheit steht dabei im Zentrum.
                  Christopher Nolan weitet jedoch die innovative Sci-Fi-Story zu einem ewigen (schein-)philosophischen Diskurs aus, der jedes Detail auseinandernimmt und rationalisiert. INCEPTION ist vordergründig Konsumkino, welches sich exakt den Vorstellungen der Verbraucher anpasst: Action, Spannung und Anspruch. Ein wahres cineastisches Erlebnis kann sich somit nicht entfalten.

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                    OrdellRobbie 18.02.2018, 13:58 Geändert 15.02.2020, 11:41

                    Vom alten Zauber Hollywoods, dem Alptraum Hollywoods...

                    Auf der Flucht vor Gerichtsdienern versteckt sich ein erfolgloser Drehbuchautor (William Holden) in der prunkvollen Villa des ehemaligen Stummfilmstars Norma Desmond (Gloria Swanson). Die 50-jährige Diva lebt zurückgezogen mit ihrem Diener Max und einem toten Schimpansen. Obwohl ihre Tage gezählt sind, verhält sie sich wie eine Leinwandgöttin, widersagt der Realität. Auf den Trümmern ihrer einstigen Karriere plant sie ein glorreiches Comeback - und scheitert gnadenlos.
                    Billy Wilders Zerlegung der Traumfabrik Hollywood ist schamlos, zynisch und schlichtweg phantastisch geschrieben. SUNSET BOULEVARD zeigt auf, welche dunklen Seiten hinter all dem Glanz der Filmindustrie lauern. Classical Hollywood als zersetzender Spiegel einer profitorientierten Industrie. Wilders Gespür für eine gespenstische Noir-Stimmung hat in David Lynchs "Mulholland Dr." eine verstörende Weiterführung gefunden.

                    [editiert Februar 2020]

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                      über Persona

                      "Repeat after me. Nothing. Nothing." - "Nothing."

                      Die erdrückenden letzten Zeilen eines wahrhaftigen visuellen Kunstwerks; Zwei Frauen, die eine ist stumm, die andere spricht für sie. In der Isolation einer Insel finden die beiden Figuren zueinander, wandeln sich, verschmelzen zu einer Persona und lösen sich schließlich auf. Liv Ullmann und Bibi Andersson sind die beiden "Hüllen" menschlicher Selbstdarstellung, in deren Gesichtern wir die ganze Zeit hindurch lesen können: Selbstzweifel, Täuschung, Eifersucht. Bergmans PERSONA endet in völliger Zerstörung und Auflösung des Filmmaterials. Ein radikal ehrliches Geständnis.

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                        Clint Eastwood versucht mit FLAGS OF OUR FATHERS (Fahnen unserer Väter) einem der größten amerikanischen Mythen auf den Grund zu gehen: Die Bildikone "Raising the Flag on Iwo Jima " von Joe Rosenthal und auf welche Weise sie die Erinnerungskultur der USA geprägt hat. Zueinander im Kontrast stehen der Schrecken des Pazifikkriegs und die Instrumentalisierung der Überlebenden zu "Kriegshelden". Iwo Jima wird als Ort des Sieges und Triumphs gesehen, obgleich sich dort Leichenberge und zerstörte Landschaft befinden. Unter diesen Bedingungen müssen die "Helden" leben - hin und hergerissen zwischen Schuld und Sühne, Trauma und Bewältigung. Ob somit Amerikas Egozentrismus ein Stück weit abgeschwächt ist, bleibt fraglich; Eastwood rühmt trotz aller tiefsinnigen Kritik den Patriotismus, die Daseinsberechtigung einer heroischen Ikone.

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                          OrdellRobbie 19.01.2018, 23:02 Geändert 12.01.2020, 23:13

                          There is a silence where hath been no sound / There is a silence where no sound may be

                          Die Geschichte um eine stumme Schottin (Holly Hunter), die Mitte des 19. Jh. in Neuseeland einen Mann heiraten soll und sich schließlich in einen Eingeborenen (Harvey Keitel) verliebt, klingt zunächst recht simpel. Jane Campion aber versteht es, nicht zu sehr zu romantisieren. Die Personen bleiben autonom und immer realitätsnahe Charaktere. THE PIANO besitzt eine dichte erotische Anziehungskraft vermischt mit einer tragisch-schönen Bildergewalt, die sich in der wilden Natur des Dschungels spiegelt.
                          Stundenlang, pausenlos spielt Ada ihre Melodien am Strand, ist eins mit dem Piano, rauschhaft gebannt und verweigert sich der Wirklichkeit. Ihre Stummheit lässt das Musikinstrument als Ausdrucksmittel in den Vordergrund treten. Eine außergewöhnliche Filmsprache.

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                            OrdellRobbie 06.01.2018, 21:04 Geändert 06.06.2020, 20:47

                            Desolate Industriegelände, leere Straßen, Maschinelles Rumoren und flackernde Lichter. Dazwischen sind die kläglichen Schreie eines Kindes zu hören. Die Welt in David Lynchs ERASERHEAD lässt sich weder verorten noch zeitlich einordnen. Sie ist eine un-heimliche Leerstelle, ein schwarzes Nichts aus bedeutungsschweren (tiefenpsychologisch codierten) Zeichen. Genauso merkwürdig wie die Welt sind seine Charaktere, die Geheimnisse in sich tragen, latente Triebe und verborgene Seiten. Henry Spencer durchlebt den Alptraum der Vaterschaft und der Zuschauer wird emotional darin einbezogenen, wenn sich Unbewusst-Verdrängtes unwiderruflich nach außen kehrt ("Entäußerung").

                            "In Heaven Everything Is Fine",
                            The lady in the radiator grins
                            in excitement coming
                            Out of the dark,
                            Into the light.
                            Crushing
                            Henry's
                            Paternal
                            Anxiety.

                            [editiert Dezember 2019]

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                              OrdellRobbie 19.12.2017, 22:41 Geändert 27.12.2019, 23:06

                              "I close my eyes, then I drift away
                              Into the magic night, I softly say"

                              Weiße Lattenzäune, rote Rosen und ein tiefblauer Himmel. Die Sonne scheint prächtig und Bobby Vinton trällert seine fröhliche Ballade. Lumberton erweckt den Anschein einer typisch amerikanischen Kleinstadt mit friedfertigen Bewohnern. Doch sobald die Kamera unter die Erde fährt, offenbart sich die wahre Natur der Dinge: Krankheit, Ungeziefer, Tod. Der Traum ist zerstört, die Idylle nur Schein.
                              David Lynchs großartiges Illusions-Kunstwerk BLUE VELVET (1986) schockiert und fasziniert, weil es tief ins Bewusstsein eindringt: Die heile Welt bekommt Risse und der Alltag wird zum absurden Alptraum. Und die brillante Eröffnungssequenz gehört zum Besten, was das amerikanische Kino je hervorgebracht hat.

                              "In Dreams you're mine all the time..."

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                                OrdellRobbie 26.11.2017, 17:37 Geändert 26.11.2017, 17:40

                                Robert Wienes herausragendes Meisterwerk des Deutschen Expressionismus setzte Maßstäbe in der Filmhistorie:
                                Der exzentrische Dr. Caligari präsentiert auf dem Jahrmarkt den schlafwandelnden Cesare, welchen er dazu bringt, nachts Morde auszuführen. Franzis und seine Geliebte Jane werden in dessen Machenschaften hineingezogen...

                                In sechs Akten erzählt, taucht der Zuschauer in eine bizarre Parallelwelt aus gemalten Kulissen, schief-verzerrter Architektur, Schattenspielen und interessanten Kameraperspektiven ein. DAS CABINET DES DR. CALIGARI veränderte die (Horror-)Filmkunst nachhaltig und bleibt ein Juwel des deutschen Kinos.

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                                  OrdellRobbie 16.11.2017, 22:17 Geändert 15.03.2020, 14:27

                                  "I can't count the number of times I've seen 'Kill, Baby ... Kill!' and, every time, it casts the same spell. It's a genuinely hypnotic piece of filmmaking..."
                                  (Martin Scorsese)

                                  Der Geist eines verstorbenen Mädchens sucht die Bewohner eines kleinen Dorfs in den Karpaten heim...

                                  Mario Bavas OPERAZIONE PAURA ist ein wunderbar "gotischer" Horrorfilm, der sich ganz und gar der Schauerromantik verschreibt; dunkle Gemäuer und Gassen, überall Spinnweben, Nebelschwaden, Hexerei. Die teils hypnotischen Kamerafahrten und exzellente Beleuchtung (v.a. blau und gelb) suchen ihresgleichen. Bava am Höhepunkt seines Schaffens - und womöglich sein Bester!

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                                    OrdellRobbie 30.10.2017, 20:39 Geändert 30.10.2017, 20:43

                                    In Rom wird der amerikanische Schriftsteller Sam Dalmas Zeuge einer Messerattacke in einer Kunstgalerie. Um den Täter zu stellen, muss Dalmas das Ereignis genau rekonstruieren - Ein wichtiger Hinweis fehlt...

                                    Dario Argentos erste Regiearbeit DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE besticht durch seine einzigartige Atmosphäre, die Kamera (Vittorio Storaro) und Musik (Ennio Morricone!) erzeugen. Dieses charmante Krimipuzzle kennt zwar viele Irrwege, ist aber in seiner künstlerischen Gestaltung sehr bemüht. Da werden schaurige Statuen, Gemälde und Treppen genauestens ausgeleuchtet, als besäßen diese Gegenstände eine Seele. Die ästhetischen Mordszenen beeinflussen das Horror-Genre bis heute und gelten als maßgebend für den Giallo.

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                                      "We could be heroes - just for one day..."

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                                        OrdellRobbie 22.09.2017, 16:03 Geändert 21.04.2020, 17:30

                                        "If human nature is evil, then that goes as well ... for the nature of all the sisters. Women do not control their own body - nature does."

                                        Er und Sie im Wald. Lars von Trier verhandelt die Mythologie Frau: die diabolische Natur der Weiblichkeit. Doch ist es wirklich die Frau, die Schuld trägt? Die Handlangerin Satans? Der Todesdämon? ANTICHRIST mag sich bei erster Betrachtung selbst ein Bein stellen, zu augenfällig die misogynen Tendenzen, zu ambig seine Ideologie. Sie (Charlotte Gainsbourg, Beste Schauspielerin in Cannes) projiziert ihre wissenschaftliche Expertise auf barbarische Weise in die Gegenwart: das Weibliche als Wurzel des Bösen. Sie sieht ihre Rolle in der Geschichte des Okkulten bestätigt. Die Mutter, die Zärtliche, die Schutz spendende, die Begehrende, das Sexualobjekt, die Hure, die Zerstörende, die Ungreifbare, Besessene, Masochistin und Hexe. Lars von Trier erkundet, was passiert, wenn Textauslegung zu weit geht, Aberglaube zur eigenen Wirklichkeit mutiert. Und darin ist ANTICHRIST ein mehr als suggestiver Horrorfilm. Schwer erträglich wie ästhetisch formvollendet.

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                                          OrdellRobbie 15.09.2017, 18:14 Geändert 25.12.2019, 18:45

                                          Die junge New Yorkerin Rose (Irene Miracle) ist der festen Überzeugung, ihr Wohnhaus sei die Heimstätte der "Mater Tenebrarum", einer finsteren Hexe. Es gilt von nun an, dem Geheimnis des unheimlichen Gemäuers auf die Spur zu kommen.

                                          Dario Argentos INFERNO verliert sich vom ersten Moment an in die Sprache seiner Bilder; der Zuschauer taucht in eine bunte Märchenwelt ab und kommt nicht mehr heraus. Alles folgt einer irrealen Logik, welche aus Farben, Formen und Tönen besteht : Primärfarben überlagern und trennen sich, vorrangig blau und rot. Über der barocken Architektur scheint ein grüner Schleier zu hängen. Kurz: Wir haben es mit "Sinneskino" zu tun, das sich jeglicher Art von Narration verweigert.
                                          INFERNO reicht zwar nicht an "Suspiria" oder "Opera" heran, bleibt aber pures Kino zum Staunen. Meine Lieblingsszene ist die im Lesesaal zu Beginn. Va, Pensiero von Verdi (aus der Oper "Nabucco") wird abgespielt, die Fenster wie durch Magie aufgeschlagen und die Kamera verfolgt dem hereinströmenden "Wind". Eine betörend schöne Dame (Ana Pieroni) sitzt unter den Musikstudenten, die eine Katze streichelt...

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                                            OrdellRobbie 31.08.2017, 07:05 Geändert 04.05.2020, 23:12

                                            Das volle Berlin-Ereignis - Zum Scheitern verurteilt?

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                                              Auf dem Planeten Ygam werden Menschen von den riesigen blauen Draags als Haustiere gehalten. Einem von ihnen gelingt die Flucht und er schließt sich einer Gruppe wilder Menschen an - um schließlich eine Revolte loszulösen.
                                              Mit surrealistischen Bildern, Landschaften und einer befremdlich-jazzigen Musik von Alain Goraguer entführt dieses Zeichentrick-Meisterwerk in ganz andere Welten. René Laloux' exotische Bildsprache wirkt wie Hypnose; gleichzeitig werden Themen wie Rassismus, Sexualität und der Drang nach Freiheit angesprochen. Unvergleichlich.

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                                                OrdellRobbie 06.08.2017, 19:43 Geändert 06.08.2017, 20:42
                                                über Frenzy

                                                Ekel, Essen und Perversionen.

                                                Ein Triebtäter stranguliert seine weiblichen Opfer mit einer Krawatte und sorgt im beschaulichen London für Angst und Schrecken.

                                                In FRENZY würzt Hitchcock englischen Charme mit makaberem Humor und reizt jede Szene aus, um sie ins Lächerliche zu ziehen. Unvergesslich sind die Szenen, in denen der Inspektor Fischköpfe und Schweinsfüße von seiner Gattin aufgetischt bekommt, er aber nur würgen kann... Köstlich. Die Mordszenen sind dagegen stark erotisch angehaucht, zeigen viel nackte Haut und wirken dank der großartigen Kamera sehr drastisch - Nicht umsonst gilt FRENZY als Hitchcocks freizügigstes, ja "bösestes" Werk.

                                                Fazit : Eine spannende raffinierte Krimi-Groteske, die es in sich hat.

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                                                  OrdellRobbie 29.07.2017, 22:20 Geändert 29.07.2017, 22:26

                                                  Wo liegt die Grenze zwischen Mensch und Maschine?
                                                  Was passiert, wenn eine Künstliche Intelligenz ein eigenes Bewusstsein entwickelt?

                                                  In Alex Garlands Regie-Debüt stehen sich Natur und moderne Technik gegenüber, Mensch und Maschine. Ava (Alicia Vikander) ist ein weiblicher von Menschenhand geschaffener Cyborg, der den Eindruck erweckt, selbst zu fühlen und zu denken. Ist das überhaupt möglich?
                                                  EX MACHINA ist ein Film voll philosophischer Tiefe, interessanter Dialoge und einer geradezu meditativen Soundkulisse. Sehr empfehlenswerter Sci-Fi-Thriller, auch wenn das Ende zu viele Plot-Twists bereit hält.

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                                                    Von Peter Jacksons unkonventionell-neuseeländischer Regie ist man Großartiges gewohnt. So ist auch IN MEINEM HIMMEL ein starkes Thriller-Drama; eine friedfertige familiäre Idylle wird von einem willkürlichen Kindesmord brutal überschattet. Dies wirkt derart rabiat, weil die Familie als feste Bindung dargestellt wird; wir sympathisieren mit der pubertierenden Saoirse Ronan und können ihr in ihrer Fröhlichkeit und Unbeschwertheit nichts übel nehmen. Dann passiert es - der Mord - unfassbar spannend inszeniert mit kraftvollen Bildern. Dies ruft Jacksons frühes Meisterwerk "Heavenly Creatures" ins Gedächtnis, wo Kate Winslet und Melanie Lynskey einen grausamen Mord begehen. Die Parallelen zu diesem Film sind auch in den Traumwelten klar erkennbar. Mit dem Unterschied, dass IN MEINEM HIMMEL viel schneller in Fantasy-Kitsch versinkt und die vielen Nebenstories keinen abgerundeten Film schaffen. Schade.

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