Roach - Kommentare

Alle Kommentare von Roach

  • Roach 15.02.2020, 18:40 Geändert 15.02.2020, 20:48

    Schöne Liste. Wer sich nun nach "Parasite" für die südkoreanische Kinolandschaft interessiert, hat die Auswahl zwischen vielen kreativen Regisseuren, die sich stilistisch und in ihrer Herangehensweise extrem voneinander unterscheiden. Da dürfte für jeden etwas dabei sein. Die wichtigsten 7 Regisseure seit 2000 sind prinzipiell folgende:

    - Bong Joon-ho: Erklärt sich ja nun von selbst. Jeder seiner Filme ist anders als die anderen, aber seine Handschrift ist doch stets zu erkennen (sehr üppige Inszenierung, sozialkritische Themen und das stetige Wechseln zwischen Genres und Stimmungen). Generell sind in seiner Filmographie zwei Strömungen zu beobachten: Die Arthaus-Filme ("Barking Dogs Never Bite", "Memories of Murder", "Mother", "Parasite") und die Popcorn-Filme ("The Host", "Snowpiercer", "Okja"). Die gerade genannten Merkmale treffen aber auf beide Strömungen gleichermaßen zu.

    - Park Chan-wook: Generell brutaler und erzählerisch komplizierter als Bong. Hat mit dem, was man generell die "Rache-Trilogie" ("Sympathy for Mr. Vengeance", "Oldboy", "Sympathy for Lady Vengeance") nennt, auf sich aufmerksam gemacht, aber sowohl innerhalb als auch außerhalb der Trilogie ist eigentlich jeder Film wieder ein ganz neues, irres Ding. Ganz nebenbei mein persönlicher Lieblingsregisseur überhaupt, aber das soll hier keine so große Rolle spielen - jenseits der Rache-Filme ist, wie im Artikel erwähnt, vor allem "Die Taschendiebin" sehr zu empfehlen, der meiner Meinung nach vor 3 Jahren eine verfrühte Variante des "Parasite"-Wunders verdient gehabt hätte. :) Ähnlich wie "Parasite" ist er ein vielseitiges und wendungsreiches Thriller-Drama (wasauchimmer), aber seinerseits im Korea der 30er-Jahre angesiedelt.

    - Kim Jee-woon: Wer die oben genannten Popcorn-Filme von Bong Joon-ho mag, sollte einen Blick auf Kims Filme werfen, die tendenziell sehr genretreu und deshalb leicht zugänglich, aber gleichzeitig auch extrem gut gefilmt und für ein paar Überraschungen gut sind. Der genannte "I Saw the Devil" ist aufgrund der maßlosen Brutalitäten nicht für jedermann. Der Gangster-Thriller "A Bittersweet Life" ist sicherlich massentauglicher. Generell bietet Kim viel Abwechslung, so zum Beispiel die K-Horror-Ikone "A Tale of Two Sisters" und den Western-Action-Film "The Good, the Bad, the Weird". In den letzten Jahren hat er sich schlussendlich dem Thriller-Genre verschrieben, von seinen Filmen nach "I Saw the Devil" rate ich generell aber ab...

    - Lee Chang-dong: Im Gegenzug nun ein Charakterdrama-Regisseur. Ist in seiner Gangart eher mit einem Paul Thomas Anderson zu vergleichen, nimmt sich für alles sehr viel Zeit und taucht tief in seine Figuren ein. 2018 landete er mit "Burning" eine Sensation, als dieser bei Cannes historisch gute Kritikerbewertungen erhielt, was, schätze ich, als eine Art Vorbote für den "Parasite"-Knall gesehen werden kann. Der Werdegang von Lee Chang-dong ist so irre, dass ich ihn nicht unangesprochen lassen möchte: Er war zuerst Lehrer, dann ist er zum Autor geworden, dann zum Drehbuchautor, hat dann angefangen Filme zu machen, war dann für zwei Jahre Kulturminister (!) - eines davon war das legendäre Jahr 2003, das das koreanische Kino mit "Oldboy", "Memories of Murder" und "Tale of Two Sisters" erstmals gut sichtbar auf die internationale Bildfläche gebracht hat - und ist danach zum Filmemachen zurückgekehrt.

    - Hong Sang-soo: Jetzt steigen wir langsam in die Tiefen des Festival-Kinos ab - Hong ist ein sehr produktiver Regisseur und es vergeht kaum ein Jahr, ohne dass er einen neuen Film rausbringt. Seine Filme sind betont bescheiden und minimalistisch und zeigen zumeist Personen in alltäglichen Situationen, wie sie reden, etc, und wagt sich dabei noch viel tiefer in die Banalität als beispielsweise Richard Linklater oder Wong Kar-wai, die das Alltägliche ja doch tendenziell romantisieren/überinszenieren. Sicherlich nicht jedermanns Sache (meine zB. nicht so sehr), aber wenn man entscheiden möchte, ob man was für seine Vorgehensweise übrig hat, empfehle ich "On the Beach at Night Alone", der seinen Stil sehr gut auf den Punkt kriegt.

    - Kim Ki-duk: Ein weiterer "Festival-Film-Regisseur", falls diese Kategorie über Aussagekraft verfügt. Er ist ein berüchtigter Skandalregisseur, der vor keinem Tabu halt macht und in dieser Hinsicht wahrscheinlich am Ehesten mit einem von Trier oder Noé vergleichbar ist. Auch in manchen Filmen von Nicolas Winding Refn (insbesondere "Walhalla Rising") sehe ich Anleihen an Kim Ki-duks Werke. Das Setting ist meistens die Natur, es wird wenig geredet, oft tyrannisieren sich die Figuren gegenseitig. Die Filme sind oft sehr symbolisch und von einem recht befremdlichen Moralverständnis durchzogen. Sicherlich nie leichte Kost, aber auf jeden Fall was besonderes. Neben dem im Artikel genannten "Frühling, Sommer, Herbst, Winter ... und Frühling" empfehle ich "Bin-jip" und "Samaria" zum Reinschnuppern. Wenn man dann keinen Draht zu ihm aufgebaut hat, rate ich von seinem restlichen Werk ab - im Endeffekt setzt er nämlich meistens auf dieselben Stilmerkmale.

    - Na Hong-jin: Noch recht jung im Geschäft, hat erst drei Filme gemacht, nämlich den im Artikel genannten "The Chaser", den actionlastigeren "Yellow Sea" und den Horrorfilm "The Wailing", den ich dringend empfehle. Alles Thriller, aber sie decken unterschiedliche Aspekte des Genres ab. Stilistisch ein bisschen mit den düstereren und härteren Sachen von Kim Jee-woon vergleichbar, wer also "I Saw the Devil" gemocht hat, sollte hier unbedingt einen Blick wagen. Es wird sich zeigen, was da noch kommt, aber dass er sich mit nur drei Filmen einen solchen Namen gemacht hat, spricht Bände. Ich denke, ich habe nur drei oder vier Debütfilme gesehen, die in ihrer Machart ähnlich beeindruckend waren wie "The Chaser" (... "Eraserhead" auf jeden Fall, auch wenn das natürlich eine ganz andere Art von Film ist ^^).

    Aus historischen Gründen möchte ich noch die Ikone Kim Ki-young nennen, der das koreanische Kino auf ewig geprägt hat und dementsprechend in seinem Einfluss etwa mit Kurosawas Einfluss aufs japanische oder Hitchcocks Einfluss aufs englischsprachige Kino vergleichbar ist. Er ist einfach nicht wegzudenken. Sein wichtigster und einflussreichster - und immer wieder von Regisseuren (auch den meisten der genannten 7) als Inspiration genannte - Film ist "The Housemaid" von 1960. In dem liegen gewissermaßen die Wurzeln für die heutige südkoreanische Filmindustrie.

    Na dann: Choose your weapon! :)

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    • "Wenn ich dem Publikum morgen erzähle, dass ein Charakterdrama in die Kinos kommt, gibt es keinen Hype, weil alle diese Dinge bereits eingeplant sind, aber wenn ich dann sage, dass ein Charakterdrama mit dem Joker als Hauptfigur in die Kinos kommt ... verlieren plötzlich alle den Verstand!"

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      • 7 .5

        „Dolls“ zeichnet sich – vor allem im Gegensatz zu geradlinigen Filmen wie „Sonatine“ oder „A Scene by the Sea“ – dadurch aus, dass Kitano sich in ihm daran versuchte, enorm viel in einem Streifen unterzubringen. Folglich handelt es sich um einen sehr interessanten, weil abwechslungsreichen Film. Das hat jedoch seinen Preis – es funktioniert schlichtweg nicht alles, was er in das daraus entstehende Patchworkgebilde einzubinden versucht, im Gesamtkontext, der sich aus der wilden Mischung letztlich ergibt. Viele Szenen und Einfälle – wie die Kitano-typischen Yakuza-Angelegenheiten zwischendurch – wirken wie aus anderen Filmen ausgeschnitten und hineingeworfen. Sie bieten interessante kleine Einblicke, bekommen aber keinerlei Umbau, der ihnen Bedeutung geben könnte. Ein weiteres Beispiel dafür ist Sawakos Alptraumsequenz, die ohne jegliche Konsequenzen und generell ohne Kontext bleibt und dabei die generell schwelgerische Tonalität des Filmes völlig grundlos bricht. In der Hinsicht hat sich Kitano übernommen.

        Dass der Film trotzdem darin Erfolg hat, eine dichte Stimmung zu vermitteln und einige aufrichtig emotionale Momente entstehen zu lassen, ist vor allem seiner verzaubernden Machart geschuldet: Die Bilder sind mit Brillanz eingefangen, die Kamerabewegungen zuweilen geradewegs genial, und auch im Schnitt beweist der Film sehr viel Feingefühl und Liebe zum Detail. In Hinsicht auf pure inszenatorische Poesie ist Kitano einer der allergrößten Filmschaffenden der letzten 30 Jahre. Daran bleibt kein Zweifel.

        Insgesamt eine beeindruckend subtile Inszenierungsarbeit, durch die es viel zu entdecken gibt, auch wenn der Film sich im Ganzen unrund anfühlt und sich nicht außerordentlich gut dazu eignet, länger über ihn nachzudenken, weil dann immer wieder deutlich wird, wie viele der Ideen und Gedanken, die er einbindet, er nie genauer erforscht und es somit versäumt, ihnen Kontext und Sinn zu geben. Nicht Kitanos bester, aber definitiv einer seiner interessantesten.

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        • 3

          Was Snyder immer noch zu einem mir verhassten Filmemacher macht, ist der Umstand, wie feste er davon überzeugt zu sein scheint, dass seine Werke über einen gewissen Anspruch verfügen, was beispielsweise dazu führt, dass er stetig seine Kultiviertheit unter Beweis stellen möchte, indem er Anspielungen auf diverse kulturgeschichtlich wichtige Werke einbaut. Wenn man sich allerdings vage auskennt in Belangen (europäischer) Kulturgeschichte, ist es ziemlich offensichtlich, dass Snyders Anspielungen heißer Dampf sind. Beispielsweise zitiert Lex als Kommentar seines angenommenen Sieges Alice im Wunderland, genau gesagt den weißen Hasen – völlig ohne Grund, denn der in diesem Buch ist der weiße Hase derjenige, der Alice in das Wunderland fernab der gültigen Logik führt, während Lex derjenige ist, der das den Menschen Unbekannte, Unbegreifliche in Form der Superhelden von der Welt zu tilgen versucht. Ein Zusammenhang zwischen den Figuren ist also nicht zu erkennen und die Anspielung dementsprechend willkürlich, abgesehen davon, dass man ja gerne Alice im Wunderland zitiert, wenn man intellektuell wirken möchte. In der Szene, in der Lane Lex entgegentritt, spielt die Musik recht offensichtlich auf den Anfang von Mozarts Requiem an – allerdings ohne dass dessen offensichtlich zentrales Thema, der Tod, in irgendeinem engen Verhältnis zur Handlung an dieser Stelle stehen würde. Auch hier wird eher die Assoziation mit Mozart genutzt, als dass der Einsatz von tatsächlicher Bedeutung wäre. Dann wird noch auf Nietzsches berüchtigtes „Gott ist tot“ verwiesen, was zunächst passend wirkt, da in dieser Aussage und Nietzsches Gedankengerüst drumherum auch die Befreiung des Menschen vor äußerer Unterdrückung jeglicher Form mitschwingt, welche eine höhere, außerirdische Lebensform, die Macht auf den Menschen auswirken kann und ihn damit potenziell in seiner Entscheidungsfähigkeit einschränkt, einschließt; dann ist aber auch, dazu passend, die Rede von „Metahumans“, was eine recht ordentliche englische Entsprechung des „Übermenschen“ ist, der aber bei Nietzsche jedoch gerade der Mensch ist, der sich von den äußeren Einflüssen gelöst hat. Hier wird der Begriff aber ausgerechnet für die nichtmenschlichen Lebensformen verwendet, die eben dieses unterdrückende Prinzip versinnbildlichen, dem der Übermensch eigentlich gegenübersteht. Das macht keinen Sinn: Ist Superman jetzt der Gott, der sterben soll, oder der Übermensch/Metahuman? Die Antwort auf die Frage ist wohl nicht von Bedeutung, denn auch diese Anspielung ist wenig mehr als ein weiteres Kreuz auf Snyders Pseudointellektuellenbingo, statt in irgendeiner Hinsicht geistreich zu sein. Es gibt Unwissenheit, und die ist für sich zwar nicht erstrebenswert, aber verzeihlich. Aber dann gibt es Unwissenheit, derer man sich dermaßen wenig bewusst ist, dass man fest davon überzeugt ist, wissend zu sein. Das ist Ignoranz, und das durchgehen zu lassen, damit tue ich es mir schwer.

          Die größte Sünde in dieser Hinsicht ist, dass der Film sich – genau wie Watchmen – damit zufriedengibt, ein paar Denkansätze, die durchaus zu philosophischen Debatten führen könnten, anzuschneiden, ohne jemals nähere Betrachtungen dieser Themen zu wagen. Im Endeffekt läuft es bei Synder ja doch wieder auf brutales Geschlachte hinaus. Vorher wird noch die Frage gestellt, inwiefern die Welt überhaupt von ihren Schrecken befreit werden kann, wenn dazu nicht Gewalt angewendet wird – eine berechtigte Frage, wenn man bedenkt, dass selbst eine Verfassung nur so lange von Gültigkeit ist, wie ein System mächtig genug (auch in körperlicher Hinsicht) ist, ihre Gesetze gelten zu lassen. Doch Batman schlachtet seine Gegner gegen Ende mit einer solchen Brutalität ab, dass der Film dann doch bei allem Geschwafel seine sensationsgeile Mentalität zeigt – dafür, dass er zwischen den Actionszenen vorgibt, Gewalt kritisch zu reflektieren, scheint Snyder sich bei seinen Actionszenen doch gerne anzufassen – der effekthascherischen Art nach zu urteilen, mit der er die Gräueltaten zeigt. Ich fühle mich an die in Zeitlupe umherfliegenden Finger bei Watchmen erinnert, die für mich bis heute ein treffendes Symbol für die himmelschreiende Heuchelei dieses anderen auf Nachdenklichkeit gebürsteten und doch gewaltgeilen Snyder-Films darstellt.

          Doch so sehr es etwas ist, was mich an Snyder immer wieder ärgert, will ich nicht so tun, als würde ein Film einzig und allein an solchen intellektuellen/wertetechnischen Maßstäben scheitern. Daran scheitert er AUCH, aber nicht nur daran, selbstverständlich. Es ist aber die eine Facette des Filmes, die, wie ich es empfinde, zu selten unter Beschuss gerät; wahrscheinlich, weil die meisten Leute – und das ist ja auch bezeichnend – Snyder-Filme dann doch hauptsächlich für die Action gucken. Was absolut legitim ist. Schwerer verständlich finde ich es, tatsächlich zu glauben, Snyders Filme verfügten über Tiefe, denn dem hält das Filmmaterial nicht stand.

          Nun also, nach diesem ausgedehnten Intro, zu den eigentlich wichtigen Kritikpunkten. Die Probleme in Hinsicht auf die Story sind schon häufig rauf- und runtergebetet worden. Dass der berühmt-berüchtigte „Martha“-Moment selbst nach Jahren noch nicht oft genug als einer der Tiefpunkte des Kinojahrzehnts bezeichnet wurde, sei aber erwähnt. Ein so hochtrabend inszeniertes Zusammentreffen zweier Popkulturikonen auf diese Weise „gipfeln“ zu lassen, ist nicht mehr nur unverschämt, sondern eine Beleidigung des Zuschauers. Der Film ist dermaßen überzeugt davon, dass dies der epischste, überwältigendste Kampf aller Zeiten ist, und dann lässt er ihn in purer Willkür enden und gibt sich damit zufrieden, dass er so abrupt vorbei ist, als sei von einem Moment auf den anderen ein Schalter umgelegt worden? So einfach ist das also die ganze Zeit gewesen? Das wäre unter allen Umständen peinlich, aber in einem Film, der sich so ernst nimmt, tut es weh.

          Auch ansonsten ist das Storytelling formlos und wirr. Noch nicht am Anfang – da spinnt er seine drei Haupthandlungen recht souverän und die ersten Auftritte der Figuren sind durchaus gekonnt in Szene gesetzt. Später aber häufen sich vor allem die überflüssigen Handlungsverzweigungen, die dem Zuschauer doch sehr viel Toleranz abverlangen. Mit Lex habe ich generell ein Problem. Im Grunde ist er ein Kasper. Er kichert und zuckt die ganze Zeit und liefert eine der am wenigsten bedrohlichen Bösewicht-Performances, derer ich mich entsinnen kann. Manche seiner Monologe haben tatsächlich Potenzial und gehören im schwachen Drehbuch zweifellos zu den besseren Momenten, aber Eisenberg spielt auf Theater-AG-Niveau und schlägt damit jede mögliche Nuance tot. Doomsday hingegen schnippt der Film mit wenig (und schlechtem) Aufbau hin, als ihm auffällt, dass ihm ein kampffähiger Antagonist fehlt, und sieht nicht nur schrecklich aus, sondern erfüllt auch eine völlig austauschbare Funktion als irgendein böses Ding, das bekämpft werden muss. Das läuft in den meisten Superheldenfilmen so, aber das macht es ja nicht besser.

          Wonder Woman kommt hingegen zumindest nicht aus dem Nichts. Man wird in ziemlich regelmäßigen Abständen daran erinnert, dass diese Person existiert. Die Szenen, in denen sie vorkommt, sind aber nie relevant für die Handlung, sodass sich ihr schlussendlicher Auftritt aller Vorbereitung zum Trotz beinahe wie ein Deux Ex Machina anfühlt. Abgesehen davon, dass sie wenig interessant eingeführt wird, ist Wonder Woman noch aus vielen anderen Gründen eine Figur, die mir missfällt: Das Foto, das Bruce von ihr findet, scheint für den Film ja eine ernste Angelegenheit zu sein, fühlt er sich doch genötigt, darüber den vor Bedeutungsschwere ächzenden 7/8-Gitarrenriff des Wonder Woman-Themes zu setzen. Eigentlich ist aber zum Totlachen anzusehen. Die Truppe darauf wirkt wie ein Zirkusamateurensemble. Dass der Charakter außerdem für feministisch gehalten wird, halte ich für ziemlich tragisch: Der Film legt so viel Wert darauf, dass Batman und Superman beide menschlich und fehlbar wirken. Das ist eine der ehrenhafteren Facetten des Films. Wonder Woman ist das nicht vergönnt. Sie ist rundum ein Model, unfehlbar und gibt nie nach. Das ist in der Historie des Geschichtenerzählens nicht besonders – das ist es, wie sich Machos seit dem antiken Griechenland die starken Frauen vorstellen! Sinnvoller wäre ein höherer Wert auf Authentizität der Figur. Wie wäre es zur Abwechslung mit weiblichen Charakteren, die vom Film auch als Menschen mit all ihren Stärken UND Fehlern wahrgenommen werden, statt mit nur einem von beidem? Ich sehe aber ein, dass das ein anderes Thema ist, das den Rahmen dieses Kommentars sprengt, und eine Diskussion, auf die ich nicht zu viel Aufmerksamkeit ziehen möchte, weil es hier nun mal um die Kritik des Filmes gehen soll. Es sollte trotzdem nicht unerwähnt bleiben. Übrigens sind bezeichnenderweise ALLE anderen weiblichen Figuren nur dazu da, um von Batman oder Superman (teilweise mehrmals) gerettet zu werden oder, wenn sie nicht gerettet werden, zu sterben. Aber auch das nur am Rande.

          Was ich dem Film aber zugestehe, ist eine gewisse Konsistenz im Ton. Er versucht nicht, in jeder Szene gleichzeitig lustig, traurig und cool zu sein, wie es die MCU-Filme tun, und reißt einen somit nicht ständig aus seinem Flair raus – außer mit den bereits angedeuteten unfreiwillig komischen Momenten. Es ist recht traurig, dass eine konsistente Tonalität im modernen amerikanischen Blockbusterkino keine Selbstverständlichkeit ist. Insgesamt kann man Snyder einige Stärken in der Machart zugestehen. Zwar werde ich ihn als Regisseur nie mögen – tatsächlich wird er wohl noch eine ganze Weile auf seinem schmählichen Platz in der ersten Reihe meiner Liste der unausstehlichsten Filmemacher der letzten Jahrzehnte verharren –, aber aus kinematographischer Perspektive ist er durchaus gereift und hat hier und dort interessante Momente eingebaut; einige der Kamerabewegungen sind durchaus gelungen (auch wenn er sie nicht immer an passenden Stellen einbaut), besonders positiv ist mir der Moment in Erinnerung geblieben, in dem Lex die Kamera zu gewissermaßen „dirigiert“. Es sind Details, aber deren Wirkung sollte man auch nicht unterschätzen.

          Der Film ist allerdings trotzdem potthässlich – das hat sich bei Snyder nicht geändert. Abrams wurde bei seinen (zugegeben ebenfalls relativ hässlichen) Star Trek-Filmen immer der Lens Flare-Wahnsinn vorgeworfen, und das völlig zurecht, aber zumindest die Verfolgungsjagd in der Mitte dieses Filmes war für mich in der Hinsicht deutlich schwerer erträglich als das Enterprise-Geflimmer: Jede Lichtquelle strahlt dem Zuschauer in Kreuzformen entgegen, wohlbemerkt in einer Szene mit massenweise Autos, die jeweils gleich mehrere Lampen haben. Weshalb man diese Optik für eine gute Idee hielt, wundert mich. Immerhin sind einige der Versuche Snyders, Bilder einzufangen, die an Gemälde erinnern, durchaus gelungen. Mein Problem liegt also weniger in der Bildkomposition – die ist einfach nur inkonsistent, wobei sich gerade gegen Ende auch die schwachen, uninspirierten Bilder mehren, aber die sind nicht die Regel –, sondern mehr die Optik, insbesondere die graue, artifizielle Farbabstimmung.

          An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich Snyder nicht deshalb so schmäler, weil er nichts könnte – ich tue es vor allem, weil er durchaus einen kleinen Funken Talent hat, er diesen aber immer in abstruse und unehrliche Kontexte verwebt, in denen er nicht nur verschwendet ist, sondern eher noch weiter zum Ärgernis des Filmes beiträgt, weil man den guten Willen sieht, aber gleichzeitig unschwer zu erkennen ist, dass er in unflexiblem Klumpatsch versunken ist, der den Zuschauer in diesem Fall beispielsweise drei Stunden lang mit klischeehaftem Hörnergetröte volldröhnt und im Versuch, jede Sekunde wie direkt aus einem Trailer wirken zu lassen, jegliche Dynamik ersticken lässt. Es ist wie ein Song, den man viel zu laut hört: Da ist es fast egal, wie gut der ist. Jede etwaige Nuance geht verloren und das Ganze wird ungenießbar. Eine maßlose Überwürzung, weil Snyder offenbar nicht dem Umstand auf die Schliche kommt, dass Gefühl von allen Dingen auf der Welt am meisten mit Nuancen zu tun hat.

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          • Eine Comicverfilmung, die kein Actionfilm ist? Sowas gibt's also noch. Sehr erfrischend zu sehen, dass solche Möglichkeiten noch gesehen werden. Ich kann nicht behaupten, dass es der für mich einer der interessanteren Film im Rennen wäre, aber halte die bisherigen Eindrücke für recht vielversprechend hinsichtlich Machart, Thematik und Ideen. Hier sollte man diejenigen, die bei dem Sieg pauschal die Stirn runzeln, daran erinnern, dass es kurzsichtig und undifferenziert ist, Comic-(oder speziell DC-)Verfilmungen aus Prinzip abzuschreiben. Die letzten von der Sorte waren nicht etwa misslungen, weil sie Comicverfilmungen waren, sondern weil sie an tonalen/narrativen Problemen gescheitert sind, die Joker sehr offensichtlich aus einer anderen Perspektive anzugehen versucht. Ich weiß nicht, ob ich den Film faszinierend genug finde, um mir selbst ein Bild davon zu machen, inwiefern er der Ambition gerecht wird. Aber Venedig ist eines der wenigen internationalen Filmfestivals, auf dessen Meinung ich durchaus etwas gebe, also mag sich das noch ändern.

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              Roach 15.12.2018, 17:26 Geändert 17.12.2018, 17:45
              über Kafka

              Drehbuchschreiber Lem Dobbs scheint sich durch ein halbes Dutzend Wikipediaartikel über Kafka und seine Werke geklickt und dann beschlossen zu haben, einen Film zu machen … in dem er Jeremy Irons als Kafka (Jeremy Irons sieht nicht aus wie Kafka. Der hier sieht aus wie Kafka: https://www.colta.ru/storage/image/4936/file.jpg Das ist nämlich Kafka. Sieht er aus wie Jeremy Irons? Nein, tut er nicht.) unter anderem mit einer Mordserie und einer Revoluzzerorganisation konfrontiert, um ihn einer Verschwörung auf den Grund gehen zu lassen. Das Ganze hat herzlich wenig mit dem eigentlichen Kafka zu tun, außer dass rudimentäre Versatzstücke aus dem einen oder anderen seiner Werke eingebaut werden, zumeist jedoch gründlich lieblos und allzu gewollt. Dass es sich um keine Biographie handelt, ist hierbei nicht das Problem: Vielmehr besteht dieses darin, dass der Film glaubt, Kafka mit einer Welt zu konfrontieren, die in seinen Werken wiedergespiegelt wird (oder andersrum), den eigentlichen Geist und die Gedanken seiner Werke jedoch auf ganzer Linie verfehlt und sich als komplett verständnislos der eigentlichen Subtilität seiner Texte gegenüber blamiert. Als Kafka-Fan tu ich's mir dementsprechend schwer.

              All dem zum Trotz ist der größte Fehler des Films, dass er so gähnend langweilig ist. Die Figuren sind nichts als leere Hüllen, die Handlung eine Aneinanderreihung von Klischees und gerade zum Schluss hat man kurz das Gefühl, man würde sich in einem Bond befinden. Ob man mit Kafka vertraut ist und die diesbezüglichen Versäumnisse des Filmes erkennt (Kafka war eine so unfassbar faszinierende Persönlichkeit mit tausend interessanten Ansichten, Irons‘ Charakter hier ist eine Strohpuppe ohne Persönlichkeit), entscheidet in dem Kontext also nicht mehr darüber, ob es sich um einen überzeugenden Film handelt.

              Auch wenn manches für den Film spricht; das sind in erster Linie Schnitt und Kamera – vor allem letztere, die sich sanft durch die Räumlichkeiten bewegt und mich auf diese Weise an Cronenbergs Inszenierungsstil erinnert hat – und außerdem die (wenn auch spärlich eingesetzte) Musik von Martinez, die dem traumhaften Spirit der Inspirationen des Filmes von allem noch am Nächsten kommt. Mit den paar Proargumenten auf seiner Seite, entscheidet sich die Frage, ob es sich nun um einen gut gemachten, aber belanglosen oder einen erzürnend schlechten Film handelt, anhand dessen, wie sehr man mit Kafka vertraut ist bzw. wie sehr man sich daran stört, wie naiv und uneinsichtig hier mit seinem Werk, seinem Leben und seiner Persönlichkeit umgegangen wurde. Das Ausmaß der Verfehlungen und die Plumpheit, mit der ein so ganz und gar nicht plumpes Lebenswerk verwurstet wird, machen es für mich unmöglich, ihn als ersteres zu sehen. Mehr als drei Punkte sind also nicht drin.

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              • Roach 30.11.2018, 14:39 Geändert 30.11.2018, 23:34

                Das Problem besteht noch nicht mal nur im Hype um die Trailer. Es besteht zudem darin, dass ganze Filme zunehmend die Funktion eines Trailers übernehmen. Die jüngsten Star Wars-Filme sind mit ihren stetigen "Geschichten für ein anderes Mal" und irgendwelche Andeutungen, für deren Erklärungen man in Comics rumblättern muss, ein naheliegendes Beispiel dafür, und die Hobbit-, Marvel- und Fantastic Beasts-Filme stimmen (unter vielen anderen) mit ein. Ein Blockbuster-Film wird in diesem Jahrzehnt immer seltener als für sich stehendes Werk behandelt und viel mehr als ein Häppchen, man könnte sagen, ein Kapitel einer riesigen Werbekampagne, in der die Erwartung auf den nächsten Film, den nächsten Comic, die nächste Serie(nstaffel) immer in der Luft liegen muss, noch bevor der Film vorbei ist.

                Ihr schreibt: "Die Trailer-Kultur hat sich zum Erwartungshype entwickelt", aber ich gehe einen Schritt weiter: Das gesamte Mainstream-Kino hat sich zum Erwartungshype entwickelt. Und auf Serien trifft das auch zu. Und jetzt könnt ihr weiter, wie sonst auch täglich, über das "schockierende Game of Thrones-Finale" berichten, das irgendwann in einem halben Jahr mal gezeigt wird. ;)

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                  Roach 03.11.2018, 15:38 Geändert 09.11.2018, 12:44

                  Mamoru Oshiis 95er-Original ist ein atmosphärisches, klischeeloses Animemeisterwerk und durch und durch Anti-Faschismus, Anti-Gewalt. Die Geschichte, die es erzählt, handelt von Trauma, Intrigen und kompletter Abstumpfung. „We are not humans in wolf clothes, we are wolves in human clothes.” Eine Neuinterpretation dieser Geschichte ist nicht prinzipiell verkehrt, denn zeitlose Gültigkeit ist eine der Stärken von „Jin-Roh“. Allerdings – wie man sich bei oben genannten Attributen denken kann – sollte man das nicht in Form eines Actionfilms machen. Und zwar auf keinen Fall. Eine Geschichte, die in diesem Ausmaß Schuldgefühl und Aussichtslosigkeit porträtiert, verliert ihre Ehrlichkeit, sobald auch nur eine Actionszene zu viel ist, denn dann ist die Gewalt nicht mehr Teil des Erzählten und für die Geschichte zweckführend, sondern wird zum Unterhaltungsfaktor. Und wenn es um „Jin-Roh“ geht, KANN Gewalt kein Unterhaltungsfaktor werden, ohne dass die Essenz dessen, was die Geschichte vermitteln will, ihre Überzeugungskraft verliert.

                  Kim Jee-woon war deshalb leider die falsche Wahl. Er ist ein großartiger Filmemacher, mitverantwortlich für die große Welle des koreanischen Films, die in den 00er-Jahren dutzende und dutzende toller Filme hervorbrachte. Gegen ihn als Künstler hege ich keinen Groll – ich halte ihn nur für ungeeignet. Schon in älteren Filmen wie „A Bittersweet Life“ zeigte er sein Können und sorgte für bombastischste Action, und auch vor ein paar Jahren hielt er sich nicht zurück, als er in „Age of Shadows“ (einem meiner Meinung nach sonst eher mittelmäßigen Film) eine der stärksten Actionszenen des ganzen Jahrzehnts ablieferte. Aber er war nie der Story-Regisseur, nie für emotional feinfühlige, subtile Geschichten zuständig. Das Gespür für genau sowas hätte es hier aber gebraucht, und es fehlt dem Film merklich.

                  Dabei stellt er wieder so viel unter Beweis: Die Bilder sind phantastisch, die Actionszenen – bis auf ein paar klischeehafte Momente in der Mitte – gut choreographiert und teilweise erfrischend, kompromisslos, natürlich ebenfalls stark gefilmt. Aus filmischer Perspektive kann man kaum meckern, was dem Film einen Platz im mittleren Bewertungsbereich verschafft. Trotzdem schwingt in dieser an sich neutralen Bewertung eine gewisse Verärgerung mit, und zwar, weil eine ausgesprochen gute „Jin-Roh“-Realverfilmung möglich ist.
                  Nur nicht so.

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                    Roach 02.11.2018, 20:51 Geändert 03.11.2018, 00:25

                    Matt Damon, der sich als Weltraum-Crusoe mit dem Mars zankt, funktioniert und garantiert dem Film eine gewisse Mindestzahl an Punkten. Leider bekommt man davon bei Weitem nicht genug zu sehen: Stattdessen stopft der Film sich mit NASA-Szenen auf der Erde zu, die visuell (im Gegensatz zu den Mars-Szenen) komplett uninteressant sind und noch dazu den Fokus auf einen Haufen Charaktere lenken, die langweilig, klischeehaft und größtenteils maximal mittelmäßig gespielt sind. Die einzigen Schauspieler, die dort auf positive Weise aus der Reihe tanzen, sind Bean und Glover, und genau die haben am wenigsten zu sagen, wobei Glover obendrein die undankbare Rolle eines tonal völlig unpassenden „ha, der ist ja lustich!“-Charakters spielt und seine Leistung deshalb ebenfalls kaum zu würdigen ist. Die Erdszenen nehmen dem Film nicht nur einen Großteil seiner Mars-Atmosphäre, sondern neigen auch genau dann zu kommen, wenn Watneys Handlungen auf dem Mars mal anfangen, spannend zu werden. Damit aber noch nicht genug: Das das komplette Ausmaß der NASA-Zeitverschwendung, die etwa die Hälfte des (überlangen) Filmes darstellt, wird tatsächlich erst am Ende des Films gänzlich messbar, und ab hier gilt eine SPOILERWARNUNG: Die Charaktere sind nicht nur langweilig, sie sind auch noch ziemlich überflüssig.

                    Tatsächlich ist das Finale des Filmes ansehlich, wirkt zwar ein wenig wie die Interstellar-Spannungsszenen in einer Light-Variante, ist aber alles in allem gut gemacht. Doch diejenigen, die Mark am Ende zur Hilfe kommen, sind nicht die Charaktere, mit denen man die ganze Zeit über gezwungenermaßen Zeit verbracht hat, sondern die Truppe, die ihn auf den Mars gelassen hat, und obwohl diese Entscheidung an sich kein Problem ist, tun sich damit endgültig die Versäumnisse des Films auf: Nur einer der Charaktere, die bei der Rettung von Bedeutung sind – nämlich Chastains – ist dem Zuschauer überhaupt vertraut gemacht worden. Der Rest? Ja, der eine heißt Vogel und ist Deutscher, aber viel mehr weiß man auch nicht (Ach ja! Er ist Chemiker! Das wird einem aber erst in der Szene gesagt, in der es wichtig wird). Die große Frechheit begeht der Film dann bei der Semi-Kussszene. Der Film sagt an dieser Stelle sinngemäß: „Übrigens, es existiert eine Beziehung zwischen diesen beiden Charakteren“. Aber warum war ihm das zuvor zwei Stunden lang egal? Stattdessen schlägt er sich mit der NASA-Bande rum und belohnt den Zuschauer nicht mal damit, dass diese für das Ende bedeutsam werden. Stattdessen verlangt er am Ende das Unmögliche: Mitfiebern mit einem Haufen Charaktere, die für den Zuschauer fast ausschließlich leere Blätter sind. So wird auch das wie gesagt an sich gelungene Finale zu einem Riesenhaufen verschenkten Potenzials und gleichzeitig zur endgültigen Bekundung, dass die Schwächen des Filmes bis dahin keine zu duldenden Notwendigkeiten darstellten, sondern obendrein eine komplette Zeitvergeudung waren.

                    Und es ist erstaunlich, aber sogar die Verwendung von Bowies „Starman“ wirkt sich nicht positiv auf den Film aus – ein derart schillernder Song weist nur umso vehementer auf die drögen Bilder hin, und Bowies detailverliebte Arrangements zeugen von einer künstlerischen Kreativität, die dem Film in jeder Szene fehlt. In diesem Fall gilt wohl so etwas wie „Don’t put a good song into your bad movie.“

                    Außerdem noch als Randbemerkung ein Hinweis darauf, dass der Film mit seiner einen, einzigen Szene auf Chinesisch mit gleich mehreren leuchtenden Pfeilen auf seine rein kommerzielle Intention hinweist. Diese existiert lediglich, um eine Ausstrahlung in China zu garantieren, wo ein großer Markt für internationale Filme besteht. Der Sinn der Szene innerhalb des Films? Keiner. Die Figuren werden nie wichtig, Mandarin kommt als Sprache auch kein zweites Mal vor. Man ist für eine Szene in einem anderen Film, mit anderen Charakteren, auf anderer Sprache. Zum Schluss – nach der Rettung – zeigt man sie sogar noch einmal kurz – nicht als Payoff, denn statt, dass sie wichtig werden, scheinen sie sich nur zu freuen. Es wirkt fast, als würde man dem Zuschauer noch einmal unter die Nase reiben wollen: „Ja. Sie waren wirklich komplett unnötig. Richtig.“ In Anbetracht dieser Umstände ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass das Interesse des Films nicht auf seiner Qualität beruht.

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                    • Roach 19.09.2018, 10:57 Geändert 19.09.2018, 10:57

                      Ein Geniestreich auf ausnahmslos allen Ebenen, aber Irons' Performance(s) sind die Krönung. Das wäre einer der Filme, die die Bezeichnung "Bester Film aller Zeiten" aus allen Perspektiven verdient hätten.

                      Und, MrDepad, mit deinem Geburtstagskommentar zu Park Chan-wook und diesem Artikel hast du innerhalb eines Monats meine drei Lieblingsfilme abgedeckt. :D Daumen hoch dafür.

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                      • Leider hier fälschlicherweise als "männlich" angegeben. Mika Ninagawa ist in erster Linie eine Photographin, die aber in anderen Kunstformen unterwegs ist und so unter anderem am Innendesign eines chinesischen Restaurants beteiligt war (und sich dabei ihres Wiedererkennungstieres, des Goldfischs, bedient hat: https://i.pinimg.com/originals/b3/72/11/b372115e8d08538f04eb344dfedec420.jpg), sowie am Set einer Theaterinszenierung von Macbeth (https://artsequator.com/wp-content/uploads/2017/12/NINAGAWA-Macbeth-19.jpg). Ein kleiner Eindruck ihrer Haupttätigkeit als Photographin wird hier geboten: http://tomiokoyamagallery.com/en/artists/mika-ninagawa/

                        Wenn es ums bewegte Bild geht, ist sie vor allem im Bereich der Musikvideos tätig, sodass die beiden Mangaverfilmungen, aufgrund derer sie überhaupt auf dieser Seite vertreten ist, im Gesamtbild ihres Schaffens fast schon zur Nebensache verkommen. Trotzdem ist der Inszenierungsstil in diesen - wie man sich bei obigen Bildern wohl denken kann - von einer besonderen Ästhetik und unverkennbarer Farbgebung gesegnet, wobei die Filme aber auch einen gewissen Biss aufweisen (vor allem Helter Skelter geht ganz schön in die Magengrube). Leider ist momentan kein dritter Film in Sicht. Ich wäre einer der ersten, die sich darüber freuen würden - die Welt braucht mehr Künstler wie sie, und das gilt auch - und besonders - für's Kino.

                        • Roach 09.08.2018, 10:45 Geändert 09.08.2018, 10:50

                          "Oscar für herausragende Leistungen im populären Film"

                          1. Okay, also kurz gefasst eine weitere Möglichkeit, Disney jedes Jahr in den Hintern zu kriechen, weil die alljährlichen Disneygedenkoscars für Song und Animationsfilm noch nicht reichen (zumal beide in den meisten Fällen auf Kosten kreativerer Anwärter gehen, wie Kubo oder Loving Vincent).
                          2. Außerdem stellt man sich die Frage, warum eine Preisverleihung dieser Sorte überhaupt die Meinung der Masse in Betracht ziehen sollte. Dafür gibt es genügend offizielle Zahlen. Wenn ich sehen möchte, welche Filme besonders populär sind (was mich sowieso nen trockenen Mist interessiert), kann ich auch googlen, da brauche ich nicht noch die Meinung der "Academy" zu.
                          Und 3.: Wie gut das läuft, wenn man Preise nach Popularität vergibt, hat man vor nicht allzulanger Zeit erleben können, als der Echo an offenen Antisemitismus verliehen wurde und die Veranstalter des ganzen Zirkus sich dann selber gewundert haben.

                          Allerdings kann man ab der Einführung dieser Kategorie noch besser dafür argumentieren, dass die Oscars etwa so sind, als würde McDonalds den Preis für das beste Sternerestaurant verleihen. Mir soll's also recht sein.

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                          • Roach 11.07.2018, 13:08 Geändert 11.07.2018, 13:13

                            Ich hoffe, sie beachten in der Verfilmung auch die Unverschämtheit des Studios, direkt Produzenten zum nächsten spektakulären Unglücksort zu schicken und sie dort Leute befragen zu lassen, um danach Filme mit "Starbesetzung" zu machen. Zwischen der Sensationsgeilheit mancher Filmstudios und der eines klassischen Schmierblatts wie der Bild besteht, wie hiermit wieder offengelegt, kein großer Unterschied.

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                            • Roach 04.07.2018, 20:19 Geändert 04.07.2018, 20:20

                              Hätte kaum gedacht, dass ich mich mal auf ein Remake/eine Realverfilmung eines Animemeisterwerks freuen würde ... aber mit Kim Jee-woon hat man genau den Richtigen gefunden. Wahrscheinlich wird er etwas actionlastiger als das Original sein - zumindest sieht's im Trailer so aus, was aber auch an der obligatorischen Trailerdramaturgie liegen könnte, wo es im letzten Drittel des Clips immer viel knallen muss - ansonsten wirkt es bisher fast schon beängstigend nah an der Vorlage. Ich hoffe, der Film wird trotz allem noch seinen eigenen Geschmack haben. Aber mal sehen! Sowohl als Kim-Film als auch als Jin-Roh-Adaption interessant!

                              ... dass sich Jin-Roh als anti-autoritärer, zynischer Thriller perfekt in die seit 15 Jahren anhaltende Welle des neuen Koreanischen Kinos einfügt, fällt mir übrigens erst jetzt auf.

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                              • Roach 04.06.2018, 16:04 Geändert 04.06.2018, 16:31

                                "David Lynch ist bekanntlich kein großer Freund allzu moderner Phänomene."

                                Das halte ich für eine simplifizierende Aussage. Lynch war es doch, der sich Anfang der 00er in die Digitaloptik verliebt hat und seitdem nicht mehr zum analogen Film zurückkehren wollte (auch nicht für Twin Peaks). Währenddessen weinen Nolan, Tarantino und Konsorten selbst im Jahr 2018 noch dem Analogfilm hinterher. Ein Versuch, Lynch so pauschalisierend als regressiven, alten Fortschrittsfeind zu stiliseren (übertrieben ausgedrückt), wirkt deshalb ... fehl am Platz.

                                Er hat außerdem, davon ganz abgesehen, durchaus Recht. Man muss sich nur auf Moviepilot umschauen. Die Hälfte der Kommentare auf den Filmseiten ist komplett wertloses Gefasel darüber, wie "geil", "langweilig" oder "kultig" der Film ist. Das ist schön, wenn man sich sowas mal von der Brust heben und ins Internet spucken will, aber es sagt einfach nichts, rein gar nichts über den Film aus. Filmkritik hingegen sollte schon den Anspruch haben, unmissverständlich zu machen, dass derjenige, der den Film bewertet, sich überhaupt bewusst ist, was er gesehen hat und auf welche Weise dieses die Wirkung verursacht hat, die es bei ihm gezeigt hat, und darüber reflektieren. Sonst labert man schließlich nur aneinander vorbei und bölkt sich zu, ob der Film nun total geil oder komplett scheiße ist. Und dadurch entsteht prinzipiell keine Konversation, die es wert ist, gehabt zu haben.

                                Und noch was:
                                "Was wollte uns David Lynch wohl mit Mulholland Drive sagen?"
                                Filme sind nicht dafür da, um was zu "sagen". Wenn man sich etwas "sagen" lassen will, soll man ein Sachbuch lesen oder zu einer Vorlesung gehen. Von daher ist die Frage komplett unerheblich.

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                                    Roach 22.05.2018, 16:07 Geändert 29.05.2018, 23:57

                                    Als Lynchs Meisterwerk kann man dieses Experimentalfilmprojekt sicher nicht bezeichnen, aber dass es ein extrem faszinierendes, ausgefallenes Stück Film ist, kann ihm niemand absprechen: Es handelt sich um ein Musical in Lynch-Art, in dem eine dunkle, verlassene (und natürlich schwummrig beleuchtete) Fabrik zur Bühne wird, auf der sich Gut und Böse auf surreale Weise zu bekämpfen scheinen.

                                    Das Fleisch auf den Rippen des Ganzen ist dadurch automatisch die Musik, die wahrscheinlich die allermeisten, die auf diesen Film aufmerksam geworden sind, teilweise bereits aus Twin Peaks kennen: Es handelt sich hauptsächlich um Songs, die Badalamenti und Lynch gemeinsam für Julee Cruise (die sie hier auch performt) geschrieben haben und auf dem Album „Floating Into the Night“ veröffentlichten. Der Hintergrund dieser CD ist derjenige, dass die beiden den Wunschsong für Blue Velvet, This Mortal Coils Cover von Tim Buckleys „Song to the Siren“ aus rechtlichen Gründen nicht nutzen konnten (sie würden die Gelegenheit in Lost Highway bekommen, wo damit einer der besten Songs aller Zeiten eine der schönsten Sexszenen aller Zeiten krönen darf). Als Ersatz komponierten sie damals den in ähnlicher Gangart funktionierenden „Mysteries of Love“, in dem Cruises Stimme ganz allein inmitten eines Synthesizer-Meeres steht. Der engelhaft-mystische Klang des Stücks gefiel dem Trio schließlich so gut, dass sie gleich ein ganzes Album darum bauten. Dieses stellt für mich nicht nur eines der besten und schönsten Alben überhaupt und einen nicht mehr wegzudenkenden Klassiker für nächtliche Listening-Sessions dar, sondern auch eines der gelungensten, stimmigsten und sättigendsten Werke, an denen Lynch je beteiligt war (und das sage ich als großer Lynch-Enthusiast). Lohnt sich jedenfalls, sich in dieses an aus Twin Peaks bekannten Stücken reiche atmosphärische Dream Pop-Meisterwerk reinzuschmeißen (auch das Opening Theme von Twin Peaks, „Falling“, stammt daher).

                                    Vier der zehn Tracks dieses Albums werden in Industrial Symphony No. 1 verwendet, darunter glücklicherweise auch mein Liebling, „I Float Alone“. Die drei anderen sind alle auch in Twin Peaks verwendet worden. Der erste Song in diesem Kurzfilm, „Up in Flames“, würde übrigens erst ein paar Jahre später auf Cruises zweiten Album veröffentlicht werden – die instrumentale Version davon ist allerdings durch den Tanz des rot gekleideten Zwerges in Twin Peaks bekannt geworden.

                                    Es ist also offensichtlich, was für ein immenser Zusammenhang zwischen Industrial Symphony No. 1 und Twin Peaks besteht – und zwar nicht nur, weil er wie eine Ausweitung der spukig-schönen Roadhouse-Szenen in der Serie erscheint, sondern auch durch einen Auftritt Michael J. Andersons, der den bereits genannten Zwerg in Twin Peaks spielte. Die Verweise auf die Serie sind also unübersehbar bzw. unüberhörbar.

                                    Doch dabei bleibt es nicht, denn gleichzeitig blickt er auch in eine andere Richtung, und das speziell in der Eröffnungsszene, wo Dern und Cage komplett in ihren Rollen aus Wild At Heart miteinander telefonieren und damit den Anlass bieten, die Bühne zur Metapher für das Ringen in Lulus Herz zu machen. Tatsächlich kann Industrial Symphony No. 1 gewissermaßen als schräges, höchst unkonventionelles Sequel zu Wild At Heart bezeichnen werden – und gleichzeitig bedient es sich auch bei Twin Peaks. Es ist wie ein Mittelwerk, ein Bindeglied zwischen den beiden voneinander eigentlich komplett unabhängigen Kunstwerken. Das ist seltsam und funktioniert jenseits gängiger Vorstellungen von Fortsetzungen, Spin-Offs und Sonstwas-quels: Wenn ein Kurzfilm ein Sequel zum einen Film ist und gleichzeitig ein … Spin-Off zu einer Serie – müssen der Film und die Serie dann etwas miteinander zu tun haben? Eigentlich ja schon, aber bei Lynch ist das alles nicht so einfach.

                                    Es macht vor allem eines deutlich: Das Gesamtwerk von Lynch lässt sich nicht so einfach kategorisieren, nicht einfach einteilen in individuelle, in sich geschlossene Werke. Bei einem Künstler, der so intuitiv arbeitet wie er, müssen die Grenzen verschwimmen. Man muss sich Lynchs kreativen Werdegang denken wie eine riesige Qualle, die sich stetig verändert, aber nie sprunghaft mal das eine und dann das andere ist, sondern sich immer in einem Übergang befindet und im einen Moment das eine ist und im übernächsten Moment das andere, dazwischen aber auch Zeit braucht, um mal etwas zu sein, das man nicht wirklich definieren kann. Das weder zum einen, noch zum anderen gehört.

                                    Das ist auch der Grund, weshalb Fire Walk With Me – damals zur Enttäuschung vieler Fans – kein Twin Peaks-Film geworden ist, sondern ein waschechter Lynch. Er stand mit einem Bein schon in dem, was er danach noch machen würde, in den Abgründen, die er in Lost Highway zeigen würde. Das zeigt, dass es keine klare Linie gibt, sagen wir, zwischen Twin Peaks und David Lynchs sonstiger Filmographie. Es ist alles ein langer, kreativer Weg, wie eine Reise, deren Protagonisten keine Charaktere sind, sondern Gedanken, Motive, Symbole, Ideen.

                                    Und ja, auch wenn Industrial Symphony No. 1, wie eingangs erwähnt, sicher nicht sein Meisterwerk ist, so ist es – abgesehen davon, dass es Teile eines mir wichtigen Musikalbums stilvoll bebildert – zweifellos ein besonders ausdrucksstarkes Exempel der einzigartigen Arbeitsweise Lynchs und all der undefinierbaren Seltsamkeiten, die dann dabei rauskommen und sein Werk so unverkennbar mutig machen.

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                                    • Roach 17.05.2018, 11:55 Geändert 17.05.2018, 16:47

                                      1. Pans Labyrinth - 9.5 (Kann mir ganz ehrlich nicht vorstellen, wie da eine andere Meinung möglich ist.)
                                      2. Hellboy 2 - 7.5
                                      3. The Shape of Water - 7.0
                                      4. Hellboy - 7.0
                                      5. Crimson Peak - 7.0
                                      6. The Devil's Backbone - 6.5
                                      7. Cronos - 6.5
                                      8. Pacific Rim - 5.5

                                      Blade 2 und Mimics noch nicht gesehen. Hat eine Menge drauf, aber bewegt sich dann doch zu häufig im Rahmen von Genreklischees, als dass mehr als einmal ein Meisterwerk rausgekommen wäre.

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                                      • Roach 20.04.2018, 12:29 Geändert 20.04.2018, 12:31

                                        Kim Ki-duk ist ja mehr oder minder dafür bekannt, dass der Dialog seiner Drehbücher auf einen Kühlschrankzettel passt, aber noch deutlich extremer als der hier gelistete Bin-jip ist Hwal. Außerdem - auch wenn ich ihn nicht gesehen habe - scheint sein (noch relativ aktueller) Möbius ganz ohne Dialog auszukommen.
                                        Ansonsten ist die Erwähnung der dialoglosen Roten Schildkröte natürlich absolut unerlässlich gewesen, die hätte man nicht weglassen dürfen. Ebenfalls im animierten Bereich ist noch Tenshi no Tamago erwähnenswert, der nur einen einzigen Dialog hat, den man tatsächlich als solchen bezeichnen könnte, und sonst nur einzelne Sätze (mit vereinzelten Antworten auch mal, aber nicht mehr als das).
                                        Darüber hinaus noch Begotten, Amer und The Whispering Star.

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                                        • Jeremy Irons - Dead Ringers
                                          Lee Yeong-ae - Lady Vengeance
                                          Choi Min-sik - Oldboy
                                          Naomi Watts - Mulholland Drive
                                          Klaus Maria Brandauer - Mephisto
                                          Ingrid Bergman - Herbstsonate
                                          Al Pacino - Der Pate II

                                          Platz 1 und 2 stehen fest, der Rest ist mehr so tendenziell. Gary Oldman sei auch erwähnt, weil er zwar keine Performance hat, die mit den obigen mithalten kann, aber über seine Karriere hinweg immer wieder gezeigt hat, wodurch sich ein guter Schauspieler tatsächlich auszeichnet, nämlich dadurch, dass er jeden Gimmick-haften Wiedererkennungswert für die Rolle opfert und im besten Fall allein aufgrund der Gestik, Mimik, Sprache und Körperhaltung nicht mehr wiederzuerkennen ist.

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                                          • Roach 25.02.2018, 23:55 Geändert 26.02.2018, 00:40

                                            Kim Ki-duk hat ziemlich sicher nicht mehr alle Latten am Zaun, was zum Einen der Grund ist, weshalb er ein so interessanter Künstler ist - schließlich spielt er nur nach seinen eigenen Regeln -, zum Anderen aber auch mit sich bringt, dass seine Filme des Öfteren auch einfach nur irritierend wirken. Seine Fanbase besteht zu großen Teilen aus europäischen Festivalgängern und Arthaus-Liebhabern, während er in seinem eigenen Land ziemlich verpönt ist. Ich habe das immer so interpretiert, dass die europäischen Zuschauer diese grundsätzliche Irritation über die Verhaltensweisen auf kulturelle Differenzen geschoben haben und ihnen im Sinne von "Andere Länder, andere Sitten" einen Pass gegeben haben. Die Südkoreaner selber hingegen können solche Rechtfertigungen offensichtlich nicht anbringen und fragen sich wahrscheinlich zu großen Teilen nur, was mit dem Kerl verkehrt ist.

                                            Dass seine Filme trotzdem auch von einer besonderen Magie bzw. Schönheit sein können, hat er ja aber auch oft bewiesen, nur scheint ihm das Interesse an Prämissen, die so etwas zulassen, in jüngsten Jahren gewichen zu sein. Würde eigentlich gerne mal wieder einen so verträumten Film wie "Samaria" von ihm sehen, den ich für ein Meisterwerk halte ... Das hier hingegen sieht wieder aus wie Kim Ki-duk zu seinen schlechtesten Momenten, also eher wie eine reißerische Anreihung von im Kontext nicht zu rechtfertigenden Tabubrüchen unter dem Deckmantel von Arthaus. (Könnte mir darüber hinaus auch vorstellen, dass die Charaktere in ihrer stupiden Einfältigkeit eine Beleididung der Komplexität des menschlichen Geistes sind, auch wenn er in der Hinsicht sehr wechselhaft ist.)

                                            Vielleicht fühlt er sich mit seinem Image als Skandalregisseur einfach zu wohl.

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                                              über Boyhood

                                              Die Zeit vergeht wie im Flug, und ehe man sich versieht, sind die Blätter am Baum des eigenen Lebens gelb geworden und die Kinder, die einem im einen Moment noch mit ihrer Unbeholfenheit daran erinnerten, wie es war, noch nicht der Verklärung des Erwachsenseins verfallen zu sein, ziehen aus dem Haus – selbst groß geworden, mit ihren eigenen Erfahrungen, und, auch wenn sie noch nicht so recht wissen, wohin mit ihren langen Armen, ganz eigene Menschen. Vielleicht sind sie kaum jünger als man selber war, als man sie zur Welt gebracht hat. Das ist die Zeit einer Jugend, die in diesen Momenten vergangen ist.

                                              Eigentlich sind es zwölf Jahre gewesen. Doch manchmal scheinen es nur drei Stunden zu sein, in denen die zwölf Jahre vergehen. Und die Menschen, die hundert Minuten zuvor noch klein und milchig im Gesicht waren, sind plötzlich groß, haben einen Flaum und werden nun ihre eigenen Entscheidungen treffen.

                                              So wie in „Boyhood“, und obwohl er „Boyhood“ heißt, hat er mich über „Parenthood“ mindestens genauso sehr ins Grübeln gebracht.

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                                                Das ist einer der Filme, mit denen ich groß geworden bin, und obwohl ich ihn, wenn ich mich recht erinnere, nicht allzu oft gesehen habe (dafür war er vielleicht zu gruselig), hat er doch einen tiefen Eindruck hinterlassen. Circa fünfzehn Jahre lang habe ich dann ihn gar nicht mehr gesehen, aber gerade der Showdown mit dem Wal ist mir immer im Gedächtnis geblieben. Schließlich habe ich ihn doch wieder zu sehen bekommen, und die Detailverliebtheit und pure optische Schönheit des Filmes sowie die generelle atmosphärische Dichte (einer der düstersten Disney-Filme, vergleichbar mit „Taran“) machen es leicht zu verstehen, wie er sich so tief in mein Gedächtnis brennen konnte. Er wird immer einen besonderen Stellenwert für mich haben, als der Disney-Film, dessen Bilder mich über mein Leben am anhänglichsten verfolgt haben (auch wenn ich das Dschungelbuch weit häufiger gesehen habe).

                                                Ungeachtet dessen ist es natürlich auch schwer, über die erzählerischen Schwächen hinwegzusehen. Die Story ist strikt episodisch, Handlungselemente (vor allem Charaktere und ihre Schicksale) verschwinden nach abgeschlossenem Handlungsabschnitt gänzlich, als hätte der Film vergessen, dass sie je existierten. Die Figuren handeln teilweise sehr dämlich oder verantwortungslos und wie der verdammte Kerl in den Wal gekommen ist, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben. Bei diesem Haufen ist es kein Wunder, dass immer wieder der Deus Ex Machina auf die Bühne geholt werden muss.

                                                Folglich gibt es doch einige Kopfkratz-Momente, aber diese sind eher wie kleine Inseln in einem Meer aus Wunder über die gelungene Atmosphäre und den Ideenreichtum, der hier an den Tag gelegt wird. Deshalb spielt „Pinoccio“ – Kindheitsverklärung hin oder her – trotz seiner Schwächen in der höchsten Liga der Disney-Zeichentrickfilme mit und ist unbedingt einen Blick wert, vor allem für Erwachsene, beziehungsweise hauptsächlich für Erwachsene, denn für Kinder ist das Teil echt kein Zuckerschlecken und hat mehr als eine verstörende/beängstigende Szene zu bieten.

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                                                  Roach 15.12.2017, 11:24 Geändert 15.12.2017, 11:25
                                                  über Sea Fog

                                                  „Haemoo“ wird nicht jedem ein Begriff sein, und wer auf die Seite dieses Filmes geraten ist, ist hier höchstwahrscheinlich, weil Maestro Bong Joon-ho am Drehbuch beteiligt war und ihn außerdem produziert hat. Regisseur Shim Sung-bo hat mit „Haemoo“ sein Debüt hingelegt, und da er mit Bong Joon-ho damals am „Memories of Murder“-Drehbuch mitgeschrieben hatte, hat der sich dazu entschlossen, ihm bei diesem Film zu helfen. Fans von Bong rate ich aber erst mal zur Ernüchterung; erstens ist die größte Stärke Bongs seine Inszenierung, und an der ist er hier nicht beteiligt. Zweitens ist er zwar trotzdem auch ein hervorragender Drehbuchautor, was er vor allem in „Mother“ unter Beweis stellte, doch die Geschichte dieses Films ist ausgesprochen schwach erzählt. Außerdem verfügt sie auch nur über wenige Wiedererkennungsmerkmale Bongs. Ausnahmen bilden vielleicht die weibliche Figur als bedrohte Hoffnungsträgerin (wie in „The Host“) und die Situation auf dem Schiff, die mit viel Fantasie etwas an „Snowpiercer“ erinnert. Alles in allem aber kein Bong-Film. Dadurch will ich nicht den Anschein erwecken, von ihm verlangt zu haben, das zu sein, es ist nur als Information für diejenigen gemeint, die sich in erster Linie für diesen Film interessieren, weil Bong darin mitmischt – ihn schmeckt man in dieser faden Mischung nun wirklich kaum raus. Als einziger Grund, sich diesen Film anzusehen, taugt seine Beteiligung also nicht.

                                                  Wo das jetzt geklärt wäre, kommen wir zum Film selbst.

                                                  Worum geht es eigentlich? Haemoo basiert lose auf einer wahren Geschichte über ein Schiff, dessen Kapitän die verhängnisvolle Entscheidung trifft, Flüchtlinge aus China nach Korea zu schmuggeln. Natürlich folgen Uneinigkeiten, Streitereien und irgendwann schlagen sich Leute die Köpfe ein, wie das in koreanischen Filmen in der Regel nun mal läuft. Das meiste davon wird ziemlich lieblos runtererzählt, es gibt nur wenige Spannungsmomente und in denen fiel es mir schwer, tatsächlich mitzufiebern. Hauptgrund dafür waren die abscheulich schlechten Charaktere. Jeder von ihnen ist ein wandelndes Klischee, was gar nicht unbedingt schlecht sein muss. Um bei einem bereits erwähnten Film zu bleiben, ist das bei „Snowpiercer“ ja auch der Fall. Dort hat es für mich aber recht gut funktioniert, weil jede Figur ihre Rolle ausfüllt und dadurch ein gewisses Gleichgewicht im Film herrscht (passend zur Devise der Ordnung im „Snowpiercer“). Hier schlägt es sich jedoch darin nieder, dass die Figuren stumpf und oberflächlich sind und obendrein zu keinem Moment nachvollziehbar handeln. Würde man sich bei jeder Handlung der Figuren die Frage stellen … „Warum tut er das jetzt gerade?“ … dann würden ganz schnell antworten wie „Ja, weil er verrückt ist“, „Ja, weil er verliebt ist“, „Ja, einfach nur so“ oder: „Weil den Drehbuchautoren nichts Besseres eingefallen ist, um noch eine (Gewalt-/Sex-/Whatever-)Szene einzubauen“. Spätestens da weiß man, dass man es mit miserablem Storytelling zu tun hat.

                                                  (Hier noch ein Extrembeispiel, das mich extremst (!!!) aufgeregt hat, natürlich mit SPOILERWARNUNG nur für diesen Absatz, denn das passiert im letzten Drittel der Handlung: Die beiden Hauptfiguren werden Zeugen eines brutalen und kaltherzigen Mordes, und das Erste, was ihnen dazu einfällt, ist zu ficken?? So wenig Feingefühl für menschliches Verhalten habe ich selten in Filmen erlebt, nicht mal in Hollywood-Filmen. Und das soll was heißen, denn wenn man in Hollywood irgendetwas nicht findet, dann Feingefühl für menschliches Verhalten.)

                                                  Alles in allem ist der Film aber nett gefilmt, wenn auch nichts Besonderes. Die Atmosphäre in den „nebeligen“ Momenten ist durchaus gelungen. Die Schauspieler sind hingegen inkonsistent. Im Grunde spielt fast jeder von ihnen absolut vergessenswürdig. Natürlich kann man derlei auch auf die schlechten Figuren schieben, allerdings ist das auf lange Sicht auch keine Entschuldigung, denn aus jedem noch so schlechten Charakter könnte man mehr rausholen, als es hier beim Protagonisten der Fall war, dessen größte Leistung es ist, sich in jedem Moment zwischen zwei ihm verfügbaren Blicken zu entscheiden. Die meiste Zeit ist es der lächerliche Hundeblick, der dann später hier und dort im Kontext völlig kopfloser und inkohärenter Wutausbrüche in ein trotziges Sauersein übergeht … es ist kaum verwunderlich, dass der Schauspieler eigentlich K-Pop-Sänger ist. Vielleicht singt er besser als er spielt. Dass Gesangs- und Schauspieltalent sich aber auch in Korea nicht ausschließen müssen, wissen wir schon seit „I’m a Cyborg But That’s Okay“ – von daher also auch keine Entschuldigung.
                                                  Der einzige gut spielende Bestandteil des Casts ist – wie zu erwarten – Kim Yun-seok. Er hat zwar kaum was zu tun, hat aber an und für sich schon ein unglaubliches Charisma und war in seiner Rolle als Kapitän durchaus ein Glücksgriff. Zumindest nimmt man ihm seine Autorität ab, bevor er auch nur ein Wort gesagt hat. Es hat schon seine Gründe, weshalb ich ihn zu den besten Schauspielern Koreas zähle. Leider bekommt er nie die Gelegenheit, so richtig zu zeigen, was in ihm steckt. Dafür muss man dann doch auf „The Chaser“ zurückgreifen.

                                                  Alles in allem stellt „Haemoo“ kein lohnenswertes Erlebnis dar. Er ist klischeehaft, nicht mal mittelmäßig gut geschrieben, inszenatorisch okay aber nichts Besonderes, atmosphärisch geht das alles so in Ordnung. Man verpasst nichts, wenn man ihn links liegen lässt.

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                                                    Roach 13.12.2017, 23:49 Geändert 13.12.2017, 23:51
                                                    über Eros

                                                    Der einzige Grund, weshalb „Eros“ überhaupt Aufmerksamkeit erfährt, scheint zu sein, dass Wong Kar-wai an einem der drei Kurzfilme dieser Trilogie beteiligt ist. Jetzt ist es nicht schwer zu erkennen, dass der Film zumindest auf dieser Seite auch trotz dessen keine Aufmerksamkeit bekommt (noch kein Kommentar und 2 Bewertungen während ich diesen Kommentar schreibe, eine davon ist meine). Aber zumindest ich habe ihn mir trotzdem aus genau demselben Grund vorgenommen und würde das generelle Meinungsbild über den Film bestätigen, das besagt, dass nur einer der drei Filme sehenswert ist.

                                                    1) The Hand
                                                    Diesen Film drehte Wong Kar-wai im selben Jahr, in dem „2046“ erschien. Genau wie dieser (und „In the Mood for Love“) spielt der Kurzfilm in den 60er-Jahren und hat damit einen ähnlichen Charme, was durch die mal wieder wahnsinnig tollen Bilder unter cinematographischer Führung von Christopher Doyle unterstrichen wird. Generell ist er stilistisch unweigerlich mit anderen typischen Filmen des Regisseurs zu vergleichen, weshalb ich hier nicht drumherumkomme, ihn in einem gewissen Verhältnis zu diesen zu sehen. Im Vergleich zu anderen Werken kam er mir ganz schön kühl vor, war dadurch auch etwas unnahbar und rief bei mir erst in den letzten zehn Minuten wirklich das Wong-Feeling hervor. Dementsprechend hatte ich auch das Gefühl, dass der Film gerne länger hätte sein können. Insgesamt für solche, die mit seinem Stil was anfangen können, definitiv sehenswert.
                                                    (7/10), danach kann man ausschalten, aber zur Komplettheit auch zu den anderen beiden Filmen Kleinkomentare:

                                                    2) Equilibrium
                                                    Die Grundidee eines Psychiaterbesuchs, bei dem über einen wiederkehrenden Traums geredet wird, ist weder neu noch besonders aufregend und bedarf deshalb einer innovativen Umsetzung, was man „Equilibrium“ nicht nachsagen kann. Inhaltlich wird er somit fade und leer, ist aber immerhin schön gefilmt, mir gefällt außerdem das Spiel mit schwarzweißen und farbigen Bildern und Robert Downey Jr. macht seine Sache schon gut. Nichts Weltbewegendes, aber durchaus okay.
                                                    (5.0/10)

                                                    3) The Dangerous Thread Of Things
                                                    Kommen wir zum unrühmlichen Abschluss, einem Film, der so gut wie gar nichts richtig macht. Zumindest werde ich – da bin ich mir sicher – nie verstehen, was Antonioni hiermit sagen, geschweige denn „ausdrücken“ wollte. Hinzu kommen mir unverständliche Seltsamkeiten wie die italienische Nachsynchronisation (der Film wurde zuerst auf Englisch gedreht, und ich werde bis zu meinem Lebensende nicht begreifen, weshalb es für eine gute Idee gehalten wurde, da auf Italienisch, und dann noch nicht besonders sorgsam, drüberzuquatschen). Das einzige Positive, was man „The Dangerous Thread of Things“ nachsagen kann, ist, dass die Kameraarbeit ganz gut ist, aber was bringt das schon, wenn das, was sie zeigt, so nichtssagend ist.
                                                    (1.0/10, mehr geht da echt nicht.)

                                                    Keine sehenswerte Anthologie. Der Vollständigkeit halber ist „The Hand“ für Wong-Fans aber empfehlenswert, auch wenn er sicherlich auch Besseres gemacht hat.

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