smartbo - Kommentare

Alle Kommentare von smartbo

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    smartbo 24.06.2022, 09:53 Geändert 24.06.2022, 15:04

    L.B. Jefferies, gespielt von James Stewart, kurz Jeff genannt, ist ein Fotograf, der wegen seines gebrochenen Beins im Rollstuhl sitzt. Um sich die Zeit zu vertreiben, beobachtet er aus seinem Appartment durch das Fenster das Leben seiner gegenüberwohnenden Nachbarn, oft mit seinem Teleobjektiv. Überzeugt, dass einer seiner Nachbarn einen Mord begangen hat, bittet er seine Freundin Lisa (Grace Kelly), sich dort zu begeben, um Näheres zu erfahren ….

    Das Fenster zum Hof ist ein sehr sorgfältig und mit viel Liebe zum Detail inszenierter Film. Das machen die ersten 10 Minuten des Films deutlich, als die Kamera in den Innenhof eines Apartmentkomplexes rollt und den Zuschauer die Ausgangssituation, den Ort des Geschehens und die Charaktere auf brillante Weise miterleben lässt. Jeff ist mit einem gebrochenen Bein in Gips an den Rollstuhl gefesselt. Er muss Wochen in seiner Wohnung verbringen. Schlafprobleme und Langeweile breiten sich aus. Die Fenster, auf die er blickt, ähneln einem Fernsehbildschirm. Hinter den Fenstern zeigen sich vielfältige Szenen, die spannender sind als das Fernsehprogramm. Dort gegenüber bei den Nachbarn wird alles gezeigt: Drama, Krimi, Komödie, Romantik. Der Film gibt Einblicke in das Leben anderer Menschen mit all ihren Geheimnissen und Schwächen. Jeff ist erfreut. „Wir sind zu einem Volk von Spannern geworden“, sagt seine Assistentin Stella. Und sie hat Recht.

    Die von Hitchcock inszenierte Atmosphäre ist in der Filmgeschichte einfach nur genial. Der Film hat ein kleines Setting zu bieten. Jeffs Appartement fungiert als eine Art investigativer Kontrollraum. Es ist der einzige Raum, in dem sich Jeff aufhält. Wie Jeff selbst, ist auch der Zuschauer an die Wohnung gefesselt und beobachtet das Geschehen aus sicherer Entfernung. Damit zieht Hitchcock den Zuschauer geschickt in das Geschehen hinein und macht ihn zum Jeffs Komplizen. Der Zuschauer erlebt das verbotene Vergnügen des Voyeurs mit. Der Betrachter spürt das Spielerische und die Leichtigkeit des Voyeurismus, ohne in die Gefahr zu geraten, entdeckt und belangt zu werden. Beim Zuschauen schleicht sich allmählich das Gefühl ein, dass noch etwas passiert und dass das Gucken ernster, obsessiver und bedrohlicher wird. Was positiv zu werten ist, dass all dies sehr subtil und nach und nach geschieht, ohne dass der Zuschauer das mitbekommt, bis er merkt, dass er mitten in der Handlung drin ist. Hier zeigt Hitchcock sein ganzes geniales Können. Daumen hoch. Top.

    Der Film wechselt die Blickwinkel, spielt mit der Lust am Voyeurismus und mit dem Dilemma, dass Jeff aufgrund seiner körperlichen Verfassung zum ohnmächtigen Zuschauer verdammt ist. All diese Elemente sorgen für eine durchgehend fesselnde Spannung. Der Film ist primär ein Thriller, er hat aber auch lustige Szenen zu bieten. Viele der Dialoge sind pointiert und urkomisch. Wunderbar prickelnd sind die Dialoge, die Jeff mit seiner Freundin Lisa führt. Einige der Ereignisse, die Jeff beobachtet, sind beunruhigend, einige sind jedoch lustig. Die Mischung aus unbeschwerten Momenten, witzigen Effekten und spannenden Szenen ergibt eine wahrlich gelungene Genrekombination aus Spannung und Heiterkeit.

    Fazit: ein Klassiker und einer der besten Filme von Hitchcock. Er bietet ein zeitloses Vergnügen und eine schöne Unterhaltung. Der Film ist fast 70! Jahre alt und bis heute noch absolut sehenswert ist. Daumen hoch.

    *** Für alle, die Interesse haben: der Film wird heute Nacht um 00:10 Uhr (also am 25.6., um genau zu sein) im BR gesendet. Alternativ:
    Die, 19.07.2022, 00:20–02:10, MDR

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    • 7 .5
      smartbo 22.06.2022, 11:15 Geändert 22.06.2022, 17:05

      Wir Deutschen, die fleißig und brav den Müll sortieren, glauben, dass das Plastik in den gelben Tonnen eine gute und umweltschonende Sache ist. Falsch. Das ist eine Lüge. Die Dokumentation „Die Recyclinglüge“ schildert, dass das angebliche Recycling von Plastik ein weltweiter Betrug ist und dass nur 5 % des Plastikmülls zum neuen Verpackungsmaterial verarbeitet werden kann. Der Großteil des Plastiks wird in Zementfabriken als Brennstoff verwendet und verbrannt, was weltweit dreimal mehr Treibhausgase erzeugt als der Flugverkehr. Der andere Teil wurde/wird in ostasiatische Länder und in die Türkei exportiert, oft auch von kriminellen Banden geschmuggelt, wo der Plastik-Abfall irgendwo in der Landschaft meistens nur verscharrt wird. Derzeit haben allerdings einige Länder ein Plastik-Importverbot erlassen. Derzeit ist in der EU Bulgarien das Plastik-Abnehmerland Nummer eins, was nur mit Korrumpierung der Regierungsstellen möglich ist, die die Genehmigungen für den Plastik-Import erteilen.

      Klar ist, dass unbedingt etwas geschehen muss, bevor die ganze Welt im Plastik-Müll erstickt. Der Hebel muss angesetzt werden bei den Weltkonzernen, die für die Plastikerzeugung verantwortlich sind. Aber da tut sich nichts. Die Lobby dieser Konzerne ist stark, zu stark. Aber auch auf der Konsumentenebene ist einiges machbar, z.B. Reduzierung oder -wenn‘s geht- Verzicht auf Plastikverpackung beim Einkauf. Ich fürchte aber, dass es zu einer Katastrophe kommen muss, bevor die Menschen wach werden.

      Der bedrückende Status sieht derzeit düster aus: das Plastikrecycling ist eine politisch propagierte Luftblase, hinter der sich ein System verbirgt, das den Menschen ein gutes Gewissen vortäuschen soll, in Wahrheit aber nicht funktioniert und nur auf Geldverdienen und Korruption aus ist. Absurd ist die Regelung in Deutschland, dass exportiertes Plastik als recycelt gilt, was nur die Statistik beschönigen soll. Lächerlich. Hinzu kommt, dass in Deutschland die Konsumenten im Rahmen des Systems "Grüner Punkt" viel Geld für die umweltschonende Verwertung des Plastiks bezahlen. Da fragt man sich, wofür, wenn es von vorne bis hinten nicht funktioniert. Was für ein Irrsinn. Die Doku macht deutlich, dass man in westlichen Ländern nicht allzu naiv mit der Politik umgehen und nicht alles glauben sollte, was die "Obrigkeit" und die Mainstreammedien verbreiten. Ein kritisches Bewusstsein, nicht nur bei diesem Problem, ist die wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren unserer Gesellschaft und der Demokratie.

      Die sehenswerte Dokumentation ist per dato, 22.6.2022, (bis 20.6.23) in der ARD-Mediathek verfügbar.

      Fazit: Die Doku ist nicht nur für politisch interessierte Menschen einer Empfehlung wert. Es ist ein wichtiges politischen Thema, das uns alle betrifft. Daumen hoch.

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      • 6
        smartbo 21.06.2022, 11:46 Geändert 21.06.2022, 13:39

        "Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst!" Aischylos (525-456 v. Chr.), griech. Dichter, Schöpfer der griechischen Tragödie

        Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 arbeitet George W. Bush an einem Plan, in den Irak einzumarschieren, um Saddam Hussein zu beseitigen. Dafür benötigt er Gründe, um das Volk hinter sich zu bringen. Einer der Gründe ist, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitze. Während die Mehrheit der Medien die Worte des Präsidenten unkritisch übernimmt und Propaganda für den Krieg betreibt, beginnen die Reporter Landay und Strobel, nachzuforschen und investigativ tätig zu werden, was eigentlich die Pflicht aller Medien und Journalisten sein sollte. Sie suchen nach Hinweisen und nutzen anonyme Regierungsquellen, um die unredlichen und irrationalen Motive des Präsidenten für den Krieg aufzudecken, die auf Lügen und gefälschten Informationen basieren …

        Handwerklich ist "Shock and Awe" kein herausragender Film und angesichts des interessanten und brisanten Themas etwas zu flüchtig und fragmentarisch inszeniert. In knapp anderthalb Stunden werden unzählige Situationen und Charaktere vorgestellt, die sich in der überfrachteten Geschichte kaum entwickeln können, so dass man schnell das Gefühl bekommt, einen unvollständigen Film zu sehen. Man fragt sich z.B. welche Rolle sollte im Film die Romanze zwischen dem Journalisten Warren Strobel und Lisa spielen. Diese Sequenz macht einen ziemlich unausgereiften Eindruck. Schauspielerisch weiß der Film sicherlich zu beeindrucken. Hier glänzen natürlich insbesondere Woody Harrelson und Tommy Lee Jones.

        Der Film punktet aber zuvorderst mit seinem starken politischen Statement. Es ist ein begrüßenswerter Film, in dem die schmutzige Wahrheit über die Machenschaften der Politik entlarvt wird, die ihre Autorität und Verantwortung missbraucht und zahlreiche unschuldige Menschenleben opfert. Aber nur wenige Menschen können mit der Wahrheit umgehen, denn die meisten geben sich ihrem Fatalismus und Gleichgültigkeit hin. Der Film ist ehrlich und mutig. Diese Verdrehung von Fakten durch Politiker mit massiver Unterstützung durch die Medien ist wohl zeitlos. Auch heute ist der Film aktueller denn je.

        Fazit: der Film ist nicht perfekt inszeniert. Dennoch ist es ein spannendes und zeitloses Thema, das der Film beleuchtet. Was besonders hervorsticht, ist sein starkes Statement, das meine Wertung in den Bereich einer guten 6 hebt.

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        • smartbo 19.06.2022, 09:32 Geändert 21.06.2022, 23:33

          Bester Film:
          Die Caine war ihr Schicksal
          Das Fenster zum Hof
          Zeugin der Anklage
          Vertigo
          Die sieben Samurai
          Aufstand der Tiere
          Moby Dick

          Bester Darsteller:
          Humphrey Bogard (Die Caine war ihr Schicksal)
          Gregory Peck (Moby Dick)
          James Stewart (Das Fenster zum Hof)
          Charles Laughton (Zeugin der Anklage)

          Beste Darstellerin:
          Marlene Dietrich (Zeugin der Anklage)
          Grace Kelly (Das Fenster zum Hof)
          Katharine Hepburn (African Queen)

          Beste Musik:
          Zwölf Uhr mittags

          Lieblingsstar:
          -

          Lieblingsregisseur:
          Alfred Hitchcock
          John Huston
          Akira Kurosawa

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            smartbo 18.06.2022, 10:26 Geändert 18.06.2022, 12:01

            Den Regisseur P.T.Anderson schätze ich sehr. So haben mir insbesondere seine Filme „The Master“, „There will be blood“ und „Der seidene Faden“ ausgezeichnet gefallen. Dementsprechend fiel meine Bewertung für die Filme herausragend aus. Ich habe auch absolut nichts gegen anspruchsvollere Filme, in denen Action, Spannung oder knisternde Atmosphäre Mangelware sind. Aber mit diesem Film habe ich so meine Probleme. Da er so viele sehr gute Wertungen erhalten hat, habe ich den Film mehrfach gesichtet in der Hoffnung, er würde irgendwann mal besser ausfallen. Aber er hat mich trotz Mehrfachsichtungen gänzlich nicht überzeugt. Alles in allem halte ich „Magnolia“ für einen zu langen, zu sentimentalen, zu unzusammenhängenden und bedeutungsschwanger gehypten Mosaikfilm. Dementsprechend mager fällt meine Wertung aus. Warum?

            In dem 3 Stunden dauernden Film werden an einem einzigen Tag die Schicksale von verschieden Menschen in San Fernando Valley (Los Angeles) episodenhaft geschildert: das Leben eines sterbenden Vaters, seiner jungen Frau, eines Krankenpflegers, eines verlorenen Sohnes, eines nach Liebe suchenden Polizisten, eines ehemaligen und neuen Quiz-Wunderkindes, eines Fernsehmoderators und seiner kokainsüchtigen Tochter. Die Schicksale der Charaktere verweben sich in ein Netzt von Verstrickungen. Durch Schicksal, Zufall, Misserfolge, Erfolge, Krisen und menschliche Interaktionen kreuzen sich die Wege dieser Menschen …

            Magnolia, P.T.Anderson, ein berühmter Regisseur, jede Menge Stardarsteller und drei Stunden Film. Und was bringt das? Aus meiner Sicht zu wenig für eine gute Wertung. Selten habe ich einen solchen Mix aus Schmalz und Überemotionalität gesehen, gefärbt mit einem intellektualisierten Ambiente mit philosophischen Kommentaren zu abstrakten Begriffen wie „Zufall“ und „Vergangenheit vs. Gegenwart vs. Zukunft“. Drei Stunden lang sieht man ein Aufgebot von Charakteren, die durch wenig fesselnde Dialoge, eintönige Monologe und kaum überzeugende gegenseitige Beziehungen vertieft werden sollen. Die Figuren wirken auf mich karikiert. Mit Ausnahme einiger weniger, wie Frank oder der drogensüchtigen Claudia, schafft es kaum eine Figur, eine wirklich realistische Darstellung zu liefern. Das Schauspiel wirkt auf mich partiell sehr übertrieben, was insbesondere für Juliane Moore gilt.

            Die durchaus beschaulichen einzelnen Bilder wissen zwar auch nach 3 Stunden Sichtung zu beeindrucken, aber am Ende ist Magnolia fast die ganze Spielzeit über ein ziemlich zähflüssiges Kino, das mich wenig überzeugt, geschweige denn gefesselt hat. Gegen Ende gibt es eine Auflösung, die die Verbindung zwischen den Charakteren betont, aber das ist wirklich ebenfalls kaum überzeugend, denn es wirkt, wie ein Versuch, auf krampfhafte Art und Weise anders und symbolisch zu sein. Auch fehlt dem plötzlichen Froschschauer jegliche Subtilität. Ich weiß, es handelt sich um eine große Symbolik für eine der sieben Plagen in Ägypten zur Zeit Moses. Dem Film auf diese Weise eine Symbolik zu geben, finde ich weniger gut gelungen. Ich bevorzuge da schon einen Film, der implizit und subtil zum Nachdenken über ein bestimmtes Thema anregt, als explizit schreiend bestimmte Botschaften zu platzieren. Ohnehin ist die Symbolik, die dahinterstecken soll, dass man das Leben nicht immer kontrollieren oder einschätzen kann und dass es immer Überraschungen und Zufälle gibt, nicht gerade umwerfend originell.

            Der Faktor, den ich im Film von Anfang bis Ende konstant sehr hoch einschätze, ist ein zutiefst beeindruckender Tom Cruise, der eine umwerfend gute Leistung bietet. Ich bin kein Fan vom ihm. Viele seiner Rollen mag ich überhaupt nicht. Aber er ist kein schlechter Schauspieler, und in diesem Film ist er überwältigend. Er spielt den Frank enorm authentisch, beeindruckend sind seine Emotionalität, sein mühsam maskierte Selbsthass. Das ist grandios. Aber auch ein Philip Seymour Hoffman und -wie erwähnt- eine Melora Walters wissen zweifellos zu gefallen.

            Fazit: Kein schlechter Film, aber gemessen an meinen Erwartungen hat mich "Magnolia" enttäuscht. Der Film ist für mich in vielen Belangen wenig überzeugend, zu zähflüssig und zu langatmig. Die Charaktere und die Geschichte haben mich emotional kaum erreicht. Das Schauspiel von Cruise und einigen Darstellern macht vieles wieder wett, aber für ein "gut"/"sehr gut" reicht es aus meiner Sicht nicht aus. Schade.

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              smartbo 16.06.2022, 09:50 Geändert 19.06.2022, 17:34

              Nachdem ich vor kurzem die alten Filme „Die 27. Etage“ und "Mein Freund Harvey" kommentiert habe ist dies der weitere alter Klassiker, dem ich eine Kommentierung widme. In loser Reihenfolge werde ich demnächst ab und an mein Augenmerk auf dieses Genre richteten, das ich bisher so ziemlich vernachlässigt habe. Ja, die alten Klassiker, es sind partiell sehr alte Filme, die aber immer noch mit ihrer Qualität zu gefallen wissen. Dieser hier ist über 60 Jahre alt. Ich habe meine Zweifel, ob irgendjemand die Filme, die heute als Blockbuster gehyped und abgefeiert werden, in 60 Jahren überhaupt noch kennt. So mancher alter Film sticht eben mit seiner zeitlos beeindruckenden Qualität bis heute immer noch hervor.

              So, los geht’s mit einer kurzen Plotbeschreibung zu „Vertigo“, danach folgt die Kommentierung.

              Scottie Ferguson (James Steward) ist ein ehemaliger Polizist aus San Francisco, der wegen seiner Höhenangst in den Ruhestand gegangen ist. Ein alter Freund bittet ihn, seine Frau (Kim Novak) wegen ihrer Selbstmordgedanken zu beschatten. Nachdem er sie erfolgreich vor einem Sprung ins Wasser gerettet hat, wird er langsam besessen von dieser schönen und geheimnisvollen Frau…

              „Vertigo“ nimmt sich alle Zeit der Welt, um die Geschichte zu erzählen. Stille Momente gibt es zuhauf. Das ist aber nicht negativ gemeint, denn die Story ist fesselnd. Am Anfang scheint es eine klare und gradlinige Geschichte zu werden, aber in Wirklichkeit ist sie voller Täuschungen und Ablenkungen. Der Film ist mit schönen Bildern und auffälligen Farben gefüllt. Manche Szenen beeindrucken durch das Setting, andere wiederum richten den Fokus auf Details im Hintergrund. Es sind Szenen, die den Zuschauer unauffällig immer mehr in die Geschichte hineinziehen.

              Im Vordergrund stehen die Charaktere. Die Hauptfigur ist John Ferguson. Ein Mann, der verschiedene mentale Phasen durchlaufen muss. Ferguson ist schlagfertig, ein Schmeichler und ein wenig verwirrte Hitzkopf. Er wird von James Stewart gespielt, der den Charakter sehr nuanciert darstellt. Die andere Hauptrolle spielt Kim Novak, die einen weniger vielschichtigen, aber einen mysteriösen Charakter darstellt, dies aber mit viel Charisma wettmacht. „Vertigo“ ist ein Film über Besessenheit, Ängste und komplexe Charaktere. Er bewegt sich abwechseldn zwischen einer rationalen und irrationalen Ebene. Mit stark wirkenden Bildern und exzellentem Schauspiel gelingt es dem Film, subtil eine mysteriöse und paranoide Atmosphäre zu schaffen. Am Ende sorgt der tiefere Einblick in die Charaktere für ein alles auflösendes Finale.

              Fazit: Der Film ist in der Filmgeschichte ein herausragender Klassiker. Er glänzt mit hervorragender schauspielerischer Leistung der Darsteller, einer spannenden Geschichte und einer unter der Regie von Hitchcock großartigen Inszenierung. Es ist ein über 60 Jahre alter Film, aber er ist bis heute immer noch uneingeschränkt einer Empfehlung wert. Top.

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                smartbo 14.06.2022, 10:07 Geändert 14.06.2022, 11:17

                *** Smartbo kommentiert die Lieblingsfilme seiner Buddys ***
                (eine sehr schönen Aktion von „Der Dude von Nebenan").
                Dieser Kommentar ist EURDORA FLETCHER 68 gewidmet.
                Film: PARIS, TEXAS, Drama, Roadmovie, Deutschland 1984

                Eudora zählt in meiner kleinen FL schon seit längerer Zeit zu meinen Buddys. Ich respektiere und schätze ihre faire und sachliche Art. Sie ist eine freundliche MP-Pilotin, weiß aber auch, wenn es darauf ankommt, dezidiert ihre Meinung zu vertreten, ohne sich zu verbiegen. Dabei bleibt sie stets sachlich und konstruktiv. Sie ist auf MP sehr aktiv und belebt die Community mit ihren Kommentaren und Beiträgen enorm. Ich finde deshalb, dass sie selbst viel mehr Widmungen im Rahmen der Buddy-Lieblingsfilm-Aktion verdient hat. Vielleicht ist das für den einen oder anderen Buddy oder User hier Anlass, für Eudora auch eine schöne Widmung zu verfassen. Sie würde sich sicherlich sehr freuen.

                Ich schätze ihre Kommentare und Beiträge, die immer lesenswert und top sind. Auffallend ist ihre Offenheit, was auch bedeutet, dass sie z.B. öfters schon mal einnehmend über ihre Kindheit oder ihre Mutter schreibt. Ihre schriftliche Ausdrucksweise ist klar, so dass man gut, ohne Missverständnisse zu hinterlassen, gleich weißt, was sie genau meint. Sehr schön. Was insbesondere in ihren Kommentare hervorsticht, ist die Authentizität. So sind ihre Kommentare keine theoretischen Abhandlungen oder abstrakten Analysen, sondern vielmehr spontan aus dem Bauch und aus dem wahren Leben ohne einer Schere im Kopf hinterlegte Gedanken. Und auch eine gesunde Prise Emotionalität ist manchmal dabei, wenn ihr etwas gegen den Strich geht. Das ist aber alles stets fair und sympathisch.

                Getroffen haben wir uns hier auf MP in „Der Apotheker“. Es ist eine Serie über einen Apotheker, der mutig den Kampf gegen die missbräuchliche Verschreibung von Opioide in den USA aufgenommen hat. Zufällig habe ich die Serie zur gleichen Zeit geschaut wie sie. Beide haben wir die Serie top bewertet. Sie handelt von den Machenschaften der Pharmaindustrie. Sie kennt sich in der Materie gut aus. Häufig vertreten in ihrer Filmliste sind philippinische Filme. Skurril, aber wahr: Filme mit viel Schnee und Kakerlaken finden bei ihr immer eine vorzügliche Beachtung. Zu ihren Favoriten zählen kritische Dokus mit den unterschiedlichsten Themenschwerpunkten, wie z.B. Gesundheitswesen, Lebensmittelindustrie, Umweltschutz, Pharmaindustrie (wie erwähnt), Frauenrechte, PoC, Minderheiten usw. Ihre große soziale Ader ist dabei unverkennbar. So kann es schon mal vorkommen, dass sie einen Film, in dem einer der für sie wichtigen Themen im Mittelpunkt steht, wegen der entsprechenden Botschaft insgesamt gut bewertet, obwohl ihr der Film handwerklich nicht gefällt, was ich für absolut legitim im Rahmen der Punktevergabe halte. Darüberhinaus gibt es in ihrer Filmliste die verschiedensten Genres, so z.B. Unterhaltung, Action, Krimis, Komödien, Thriller, Dramen usw. Unsere Meinungen und Wertungen gehen öfters auseinander. Für mich ist es jedoch ohne Belang. Denn es kommt immer darauf an, ob man sich respektiert. Und das funktionier bei uns prächtig.

                Ausgesucht habe ich für sie den Film von Wim Wenders „Paris, Texas“ der in ihrer Favoriten Liste enthalten ist und den sie in der Aktion 80iger Jahre Community Voting angegeben hat. Da war für mich klar, dass ich den nehme und kommentiere. Der Film ist nicht ganz einfach zu kommentieren. Ich folge daher chronologisch dem Handlungsverlauf und schildere meine Eindrücke und Interpretationen. Dabei bleibt es nicht aus, dass ich hier und da leicht spoilern muss, was sich nicht gänzlich vermeiden lässt, aber in der Gesamtbetrachtung in Grenzen hält.

                Nun, die Story ist schnell erzählt. Der Film schildert die Geschichte von Travis Henderson, gespielt von Harry Dean Stanton. Vier Jahre nach seinem Verschwinden wird der erinnerungslose Travis in der Wüste gefunden und von seinem Bruder Walt (Dean Stockwell) nach Hause gebracht. Dort angekommen kommt es zu einer berührenden Begegnung zwischen Travis und seinem mittlerweile 7-jährigen Sohn Hunter. Als sich herausstellt, dass Hunters Mutter (Nastassja Kinski) noch lebt, machen sich Hunter und Travis auf die Suche nach ihr …

                Der Filmbeginn macht einen mysteriösen Eindruck. Travis läuft scheinbar ziellos und ohne Wasser durch die Wüste von Texas. Er ist am Ende seiner Kräfte und bricht zusammen. Sein Bruder wird gerufen, um ihn abzuholen. In den ersten ca. 30 Minuten des Films sagt Travis nichts. Dem Zuschauer werden schöne Bilder der trostlosen Wüste präsentiert. Dann sehen wir Travis zusammen mit seinem Bruder. Es wird immer noch kaum gesprochen, und es tut sich nicht gerade viel. Die nüchterne, aber emotionale Musik untermalt melancholisch die Bilder und verleiht dieser gelungenen Einleitung eine unwirkliche und befremdliche Note. Es ist klar, dass Travis viel durchgemacht haben muss und viel zu erzählen hat. Was ist aber seine Geschichte? Wann und wie wird seine Geschichte erklärt? Oder bleibt Travis vielleicht eine rätselhafte Erscheinung? Eine subtile Spannung schleicht sich in den Film ein, die zu beeindrucken weiß.

                Der 2 ½ Stunden dauernde Film hat eine ruhige und mysteriös angehauchte Atmosphäre zu bieten, das Pacing ist eher gemächlich. Der Film nimmt sich Zeit und füttert den Zuschauer mit kleinen Häppchen, die den Travis-Charakter ganz langsam zu einer verständlicheren Person werden lassen. Der Charakter und seine Geschichte werden nicht so sehr in klaren Worten und in transparenten Bildern erklärt. Das passiert anders, nämlich sehr dezent und subtil. Dies geschieht durch sein Verhalten und durch mysteriöse Rückblenden. Die Interpretation dieser Bilder und die Entschlüsselung des Travis‘ Charakters bleibt weitgehend dem Zuschauer überlassen. Dies ist wahrlich vorzüglich von Wim Wenders inszeniert.

                Der weitere Handlungsverlauf ist schon etwas agiler. Darin schickt der Film Travis, begleitet von Hunter, auf die Suche nach der Mutter seines Sohnes und lässt die beiden einen Roadtrip unternehmen. Auch diese Bilder sind einnehmend und wissen zu beeindrucken. Die amerikanischen Highways und die ländlichen Städte liefern schöne und beeindruckende Bilder, die eine starke Atmosphäre erzeugen. Die Kombination aus nächtlicher Neonbeleuchtung und den sensibel durchdringenden Klängen der Filmmusik verstärken die Gänsehautatmosphäre, die mal von Hoffnung und mal von Hoffnungslosigkeit bei Suche nach Jane geprägt ist. Eine schöne und hier erwähnenswerte traurige Szene spielt sich am Ende des Filmes ab, die eine starke emotionale Wirkung entfaltet.

                Fazit: Anfangs war ich etwas skeptisch. Für mich war der Film aber eine positive Überraschung. Er bietet eine sehr gute Inszenierung, eine fesselnde Atmosphäre und schöne Optik. Das macht den Film sehenswert.

                Herzlichen Dank Eudora dafür, dass Du die Community hier auf MP mit soviel Leben füllst und absolut bereicherst. Hoffentlich bleibst Du uns lange erhalten. Auf eine weiterhin gute Freundschaft. 👍 

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                • 8 .5
                  smartbo 11.06.2022, 09:40 Geändert 11.06.2022, 11:06

                  Einer der gefährlichsten, aber unbekanntesten Sektenführer in den USA ist Warren Jeffs, der einen Ableger der Mormonenkirche leitete. Diese vierteilige Dokumentarserie schildert seinen Aufstieg und seinen Fall in der „fundamentalistischen Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage“ (abgekürzt FLDS, Fundamentalist Church of Jesus Christ of Latter-day Saints.) Ansässig war die FLDS-Sekte in Utah, Arizona und danach in Texas. Warrens Vater Rulon Jeffs begann seine fundamentalistische Abspaltung von der Mormonenkirche im Jahr 1986. Rulon Jeffs führte die Polygamie wieder ein, eine Praxis, die die Mormonen Jahre zuvor verworfen hatten. Aus einer von Rulons Ehen ging Warren hervor, der nach Rulons Tod im Jahr 2002 die FLDS-Kirche übernahm.

                  Warren predigte die gleichen Botschaften wie sein Vater. Er heiratete 87 Frauen und hatte ungefähr 50 Kinder. Von seinen Ehefrauen waren 24 minderjährig. Diese Serie schildert, wie er seine Alleinherrschaft über die Gemeinschaft weiter ausbaute, und mit seiner Methode der Angstverbreitung die totale Macht übernahm. Vergewaltigung, auch minderjähriger Mädchen, gehörter zu seinem widerlichen Herrschaftsinstrumenten. Unter seinen Anhängern war er der „einzig wahre Prophet“. Diese Serie zeigt Menschen, die in der Kirche von Warren Jeffs aufgewachsen sind. Sie erzählen, wie alles, was sie taten und an was sie glaubten, von Jeffs bestimmt wurde und dass Mädchen ab dem Alter von 14 Jahren ungefragt verheiratet wurden, um als Inkubatorinnen zu fungieren. Wann und wer mit wem verheiratet wurde, bestimmte allein Jeffs.

                  Die Doku ist ein verstörender Film über eine „Kultur“ sexueller, geistiger und körperlicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Die preisgekrönte Regisseurin Rachel Dretzin verwendet in der vorzüglich inszenierten und ergreifenden Dokumentation Interviews, Archivmaterial mit Originalaufnahmen, Fotos und nachgestellte Szenen, um eine unglaubliche Geschichte über die manipulativen Formen des Glaubens zu dokumentieren. Die Geschichten der Frauen, die diese Sekte verlassen haben, zeigen, wie Männer in Machtpositionen unter dem Deckmantel ihres Glaubens an Gott das Leben und die Sexualität von Frauen und Mädchen kontrollierten. Frauen und Mädchen mussten lange Einheitskleider wie in alten Westernfilmen und in Pastellfarben wie in den 1950er-Jahren tragen, ihre Haare auf bestimmte Weise nach oben gesteckt flechten und vor allem immer nett sein. Der Titel bezieht sich auf das Verhalten, das Frauen und Mädchen in der FDLS aufdoktriniert wurde: sei lieb, bete und gehorche.

                  Im Gegensatz zu anderen Dokumentarfilmen über wahre Verbrechen gibt die Doku dem Täter absolut kein Podium. Der Dokumentarfilm gibt den Frauen, Kindern, Journalisten und Staatsanwälten eine Bühne, die dafür gesorgt haben, dass Jeffs seit dem Jahr 2011 eine lebenslange Haftstrafe verbüßt. Schon während der Sichtung drängt sich jedoch fortwährend die Frage auf: … wtf… USA, ihr seid die führende Technologienation, reich, weltweit der Primus in wissenschaftlicher Forschung, auf dem Mond gelandet und nicht in der Lage, für den Schutz von Menschen im eigenen Land zu sorgen? Die US-Strafverfolgungsbehörden hätten hier nämlich viel früher eingreifen müssen. Und man kann nur noch mit dem Kopf schütteln, wenn man erfährt, dass es immer noch einige tausende Anhänger der FLDS gibt, die Warren Jeffs für unschuldig halten und in ihm den Repräsentanten Gottes auf Erden sehen. Allein daran kann man erkennen, wie leicht die Menschen manipulierbar sind und zum bedingungslosen Gehorsam verleitet werden können.

                  Fazit: wieder mal eine gelungene und sehenswerte stark emotionale Real-Crime-Dokumentation der Kategorie Extra-Klasse. Top. Daumen hoch.

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                    smartbo 10.06.2022, 10:14 Geändert 10.06.2022, 18:57

                    Die schräge Biopic-Persiflage parodiert zahlreiche Sänger, Bands und Rocklenden, u.a. Johnny Cash, Bob Dylan, Elvis Presley, die Beatles, Beach Boys und viele andere mehr. Es ist die Geschichte von dem fiktiven Rockstar Dewey Cox, gespielt von John C. Reilly, einer Ikone der Rock-and-Roll-Geschichte. Während seiner Karriere schläft Cox mit unzähligen Frauen, heiratet mehrmals und hat zahlreiche Kinder und Stiefkinder. Die Beatles, Elvis und sogar ein Schimpanse gehören zu seinen Freunden. Er wird süchtig nach allen erdenklichen Drogen und kämpft gegen seine Drogensucht immer wieder an. Aber trotz allem wächst er zu einer großen Legende heran. Es ist die Story über den Aufstieg und Fall und Aufstieg und Fall und Aufstieg eines nicht so aufgeweckten Bauernjungen, der zu einer der größten Rocklegenden heranwachsen sollte ….

                    "Walk Hard" ist eine Parodie, die auf viele Akzentuierungen setzt. Die Macher haben in dem Film viel Liebe zum Detail investiert und sich nicht gescheut, über alle möglichen Genre-Klischees herzuziehen und so ziemlich alles zu veräppeln. Besonders viele Parabeln gibt es zu dem Film Walk the Line , der die Geschichte über Johnny Cash erzählt. Aber auch andere Musiker entgehen dem Spott nicht. Großartig ist z. B die die Bob-Dylan-Szene. Ebenfalls amüsant sind die Texte der Beatles aus ihrer Guru-Zeit. Es gibt natürlich die erwarteten Witze über außereheliche Beziehungen, Reue und Drogenkonsum. Man beachte nur seinen zweideutigen Namen Cox. Die Songs sind gelungen, sie sind voller ironischer, teilweise absurder und partiell zweideutiger Texte. Es dauert eine Weile, bis der Film eine Atmosphäre aufgebaut hat, um witzig zu wirken. Vor allem die Running Gags machen sich erst nach einer Weile bemerkbar.

                    Die Hauptrolle ist für John C. Reilly wie geschaffen. Er schlüpft erfolgreich in die Rolle des Dewey Cox und zeigt dabei eine Art naiver Verletzlichkeit, die seinem egozentrischen Charakter eine gewisse Sympathie verleiht. Reilly trägt ganz allein den Film. Die anderen Rollen sind nicht sehr ausgeprägt. Natürlich dürfen Gastauftritte einiger Schauspieler nicht fehlen, z.B. Jack Black, die aber nur Ergänzungen sind und das Erscheinungsbild des Films kaum beeinflussen. Die Songs sind eingängig, gut in den Plot eingebettet und bereichern qualitativ den Film.

                    Am Ende der Sichtung war meine Meinung über den Film jedoch gespalten. "Walk Hard: Die Dewey Cox Story" ist ein Film , der mich durchgehend nicht gefesselt hat. Dafür ist der Handlungsverlauf zu hektisch. Und vor allem sind die Szenenwechsel einfach zu sprunghaft. In der Gesamtbetrachtung wirkt der Film wie eine Aneinanderreihung von einzelnen Parodien und nicht wie eine kompakte, gut ausgearbeitete Handlung. "Walk Hard" hat lustige Momente und gute Witze, die partiell für meinen Geschmack aber etwas zu infantil sind. Man sieht, dass die Filmemacher bemüht waren, in jede Parodie Maximum an Gags einzustreuen, was dann im Ergebnis partiell etwas zu überzeichnet wirkt. Desweiteren ist schade, dass hier und da einige Szenen zu lang gezogen wurden. Insbesondere die letzten 20 Minuten waren für mich ziemlich eintönig, und es schien so, als ob dem Film die Luft ausging.

                    Fazit: Letztlich ist "Walk Hard: Die Dewey Cox Story" ein Film, der auf den Ruhm der Stars setzt, die dort parodiert werden. Soll der Film funktionieren, sollte man die Stars kennen, und wenn man mit dieser Musik nicht vertraut ist, wird der Humor nicht zünden. Unter der genannten Prämisse ist der Film für eine einmalige Sichtung ausreichend, ohne dass man es nachher bereut. Aber für eine sehr gute Wertung reicht es bei mir nicht aus.

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                    • 7 .5
                      smartbo 07.06.2022, 16:40 Geändert 07.06.2022, 17:44

                      Vordergründig betrachtet scheint ja der Film eine amüsante Komödie zu sein. Das stimmt schon. Ich sehe aber in ihm noch mehr: er vermittelt darüber hinaus eine starke gesellschaftspolitische Botschaft. Welche, das möchte ich in meinem Kommentar erläutern.

                      Worum geht es im Film? Elwood P. Dowds bester Freund und Begleiter ist ein unsichtbarer über 2-Meter großer Hase namens Harvey. Nur er, Elwood, kann ihn sehen, für andere ist er unsichtbar. Seine Schwester Veta (Josephine Hull) schämt sich für ihren schrulligen Bruder und versucht deshalb, ihn in eine psychiatrische Klinik einzuweisen, um ihre Tochter besser unter die Haube bringen zu können. Aber die Dinge geraten durcheinander. Denn in der Klinik wird sie und nicht ihr Bruder Elwood für verrückt gehalten …

                      Was tun mit einem Mann, der offensichtlich nicht alle Tassen im Schrank zu haben scheint, weil er einen lebensgroßen unsichtbaren Hasen als seinen besten Freund bezeichnet. Elwood ist aber gleichzeitig ein Typ, der immer sehr charmant und menschlich ist. Ein harmloser Mann, der sich niemals unfreundlich verhält. Ein liebenswürdiger Mensch, der andere mit seiner freundlichen Art glücklicher macht und keiner Fliege etwas zuleide tun würde. Man könnte meinen, dass Harvey real das Ergebnis einer Kombination aus Psychose, unterdrücktem Trauma, sozialer Inkompetenz oder übermäßigem Alkoholkonsum sein könnte. Diese Tatsache wirft der Film aber mit seiner vorzüglichen Inszenierung über Bord. Und alsbald verstärkt sich beim Zuschauer das Gefühl, dass die Illusion eines nicht existierenden Kaninchens beim Betrachten immer weniger illusionär wird. Man beginn als Zuschauer an Harvey zu glauben.

                      Es ist eine sympathische Rolle von James Stewart in diesem Screwball-ähnlichen Film mit gelungenen lustigen Dialogen. Stewart ist mit seiner schrillen und zögernden Stimme die perfekte Verkörperung des exzentrischen Elwood P. Dowd, der an alle Visitenkarten verteilt, verbunden mit einer Einladung zum Essen bei ihm zu Hause. Er ist der freundliche Typ, der mit seinem Freund Harvey an der Theke des örtlichen Pubs Martinis trinkt. Der harmlose Exzentriker, der ein Außenseiter ist, und mit einer Lebensphilosophie, die nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht. Auf die eingangs gestellte Frage, was man mit ihm machen soll, habe ich im Film die Antwort gefunden. Womöglich einsperren? Therapieren ? Umerziehen ? Gut zureden? Ausgrenzen? Schmarrn. Ich sage: lasst ihn in Ruhe, er ist so wie er ist, halt nur anders. Und das ist so normal. Auf eine unterhaltsame Art und Weise wirbt der Film so für Toleranz gegenüber Andersdenkenden und für Freiheit, demokratische Werte, die so wichtig sind und die derzeit so vernachlässigt werden.

                      Fazit: Der Humor ist unterhaltsam. Der Film ist gleichzeitig auch ein Plädoyer für eine freie, individuelle Lebensentfaltung und Meinungsvielfalt, ein echter sympathischer, lebensbejahender Smile-Film mit einem starken Stewart, einer originellen, witzigen Story und einer schönen Feelgood-Atmosphäre. Daumen hoch.

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                      • smartbo 04.06.2022, 11:45 Geändert 04.06.2022, 12:34

                        Ui... habs beinahe vergessen, und wieder bin ich mal fast zu spät. Bin derzeit für paar Tage auf Reisen und auf MP nicht aktiv. Habe mir aber für Zwischendurch einen Laptop ausgeliehen, um meine Favoriten einzustellen. Mit meinem kleinen Smartphone kriege ich ja eh nix gebacken. Also:

                        Bester Film:
                        Angel Heart
                        Es war einmal in Amerika
                        Mississippi Burning
                        Platoon
                        Geboren am 4. Juli
                        The Killing Fields
                        The Untouchables
                        Die nackte Kanone
                        Der Elefantenmensch
                        Halloween II

                        Beste Serie:
                        Dallas
                        Magnum

                        Bester Animationsfilm:
                        Die letzten Glühwürmchen

                        Bester Soundtrack:
                        Footloose
                        Ghostbusters
                        Rain Man
                        Zurück in die Zukunft 1985

                        Bester Schauspieler:
                        Ben Kingsley (Gandhi)
                        Jack Nicholson (Shining)
                        Robert De Niro ( Es war einmal in Amerika)
                        Harrison Ford (Blade Runner 82)

                        Beste Schauspielerin:
                        Sigourney Weaver (Aliens - Die Rückkehr)
                        Whoopi Goldberg ( Die Farbe Lila )
                        Jodie Foster (Angeklagt)
                        Cher (Suspect- Unter Verdacht)

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                          smartbo 01.06.2022, 13:42 Geändert 01.06.2022, 21:07

                          Vor paar Jahren habe ich von Robert Eggers den Film "The Witch" gesehen und gut bewertet. Und auch der unter seiner Regie inszenierte Film „Der Leuchtturm“ hat mein absolutes Gefallen gefunden. Ganz besonders hat mich in beiden Filmen die intensive und dichte Atmosphäre beeindruckt, die als enorm düster, real und fesselnd charakterisiert werden kann. Gemeinsam ist seinen Filmen die enorme historische Authentizität. So achtet Eggers penibel darauf, dass die Kulissen, die Kostümierung und die Ausstattung exakt der damaligen Zeit entsprechen. Um so mehr war ich gespannt, ob es ihm mit „The Northman“ gelingt, einen ähnlich guten Film zu zaubern und mich zu fesseln. Und das kann ich ohne Umschweife bejahen, um das schon mal vorwegzunehmen.

                          Ich habe den Film im Kino zusammen mit einer Freundesgruppe regelrecht genossen. Leider war der Kinosaal nur halb voll. Hoffentlich wird die Kinokultur, die in der Coronazeit so gelitten hat, bald wieder belebt. Denn es macht schon einen Riesenunterschied aus, ob man einen Film wie diesen hier, in dem die Atmosphäre, Optik, Authentizität und Action im Vordergrund stehen, im Kino oder im TV schaut. Ganz klar, das Seherlebnis und die Akustik sind im Kino unvergleichlich und um ein vielfaches besser.

                          Nun, worum geht es. Der Film führt den Zuschauer zurück in das Jahr 895 n. Chr. Auf der Insel Hrafnsey sieht der kleine Amleth (Oscar Novak), wie sein Vater Aurvandil (Ethan Hawke) von seinem Halbbruder Fjölnir (Claes Bang) ermordet wird und wie seine Mutter Gudrún (Nicole Kidman) entführt wird. Der Wikinger-Sohn entkommt in einem Ruderboot und schwört Rache. Zwanzig Jahre später, als Amleth (jetzt Alexander Skarsgard) ein muskulöser und rücksichtsloser Wikingerkrieger geworden ist, lässt er sich als Sklave nach Island verschiffen, wo sein feiger Onkel lebt. Er wird zur Arbeit auf Fjölnirs Farm geschickt, wo er und seine neue Freundin, die slawische Sklavin Olga (Anya Taylor-Joy), auf den richtigen Moment zum Zuschlagen warten …

                          Inhaltlich hat "The Northman" eigentlich wenig zu sagen, so dass sich der Film manchmal etwas langweilig, langatmig und klischeehaft anfühlt. Deshalb ist die partiell vorgebrachte Kritik an dem Film, die in diese Richtung zielt, nicht gänzlich unbegründet. Aber glücklicherweise hat der Film aus meiner Sicht vier starke Trümpfe, um den Zuschauer zu fesseln und die Wertung erheblich nach oben zu schrauben. Im Gesamtergebnis schneidet er bei mir daher überdurchschnittlich gut ab. Warum, soll im nachfolgenden begründet werden.

                          1) Da ist zum einen die Top-Besetzung, die in diesem Abenteuer zu sehen ist. Zuvorderst bestich hier Alexander Skarsgard, der als Kampfmaschine Amleth großen Eindruck hinterlässt. Darüber hinaus spielen die Top-Stars wie Nicole Kidman, Ethan Hawke und Willem Dafoe auch sehr starke Nebenrollen.

                          2) Zweitens sind da die stimmungsvollen Bilder, mit denen Eggers sein Rache-Epos schmückt. Besonders der atemberaubende Höhepunkt um den isländischen Vulkan Hekla zieht einen noch tiefer in die Geschichte hinein. Es gibt verstörende Wahnvorstellungen, übernatürliche Offenbarungen und übersinnliche Szenen, in denen Wind, Regen, Schnee, Schlamm und Asche einem regelrecht ins Gesicht zu schlagen scheinen. Es ist, als würde man auf der Suche nach Rache durch die isländischen Hügel neben Amleth streifen. Das ist wahrlich vorzüglich inszeniert. Auch die Szenen in der Nacht mit dem warmen Lichtschein eines Lagerfeuers als einzige Farbquelle sind schön. Und wo "The Northman" sicherlich zu punkten weiß, ist die blutige Gewalt, die keineswegs primitiv und ordinär wirkt, sondern höchst glaubwürdig inszeniert ist. Nichts bleibt der Fantasie des Zuschauers überlassen, alles wird enorm realistisch geschildert, was die Authentizität des Filmes noch weiter stärkt.

                          3) Ja, und der dritte Trumpf ist die starke Authentizität des Filmes. Was absolut zu gefallen weiß, sind die optisch ausgezeichnet eingefangenen rauen Landschaftskulissen, das aufwendige Setting und die zeitgemäße Ausstattung. Alles zusammen ergibt dies in der Summe -wie wir es bei Eggers gewohnt sind - ein sehr authentisches Bild der damaligen Zeit. Das ist dem Film vorzüglich gelungen und ist ein wahrer Eycatcher.

                          4) Und last but not least ist viertens zu erwähnen, dass Eggers mit einer düsteren, extrem dichten und einzigartigen Atmosphäre auch mit diesem Film es schafft, den Zuschauer in den Bann zu ziehen. Der Dreck und das Düstere der Wikingerzeit kommen im Film perfekt zur Geltung.

                          Diese auffällig positiven Pluspunkte verwebt der Film nahtlos mit einer vorzüglichen Inszenierung und einer gelungenen Actionsequenz, was ihn in der Gesamtbetrachtung zu einem absolut sehenswerten Filmerlebnis macht.

                          Fazit: "The Northman" ist sehr gut aufgebaut. Die Geschichte bietet zwar wenig Innovatives innerhalb des Rache-Genres. Aber die großartigen Schauspieler, die tolle Optik, die gewaltigen Bilder, die realen Gewaltszenen, die enorme Authentizität und die dichte Atmosphäre machen alles wieder wett, so dass aus meiner Perspektive ein „ausgezeichnet“ absolut verdient ist. Top Film, meine Empfehlung.

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                          • smartbo 29.05.2022, 19:09 Geändert 30.05.2022, 20:11

                            Tolle Idee, die goldrichtig bei Dir aufgehoben ist. Die 50er Jahre haben eine ganze Menge guter Filme zu bieten. Ich möchte mit meinen Tipps und Favoriten ebenfalls einen kleinen Beitrag zu der Liste leisten und hoffe, dass sie von Dir berücksichtigt werden können.

                            Der Hauptmann von Köpenick (Helmut Käutner, 1956)
                            Moby Dick (John Huston, 1956)
                            African Queen (John Huston, 1951)
                            Zeugin der Anklage ( Billy Wilder, 1957)
                            Das Fenster zum Hof (Hitchcock, 1954)
                            Die sieben Samurai (Akira Kurosawa, 1954)
                            Rosen für den Staatsanwalt (Wolfgang Staudte, 1959)
                            Vertigo (Alfred Hitchcock, 1958)
                            Aufstand der Tiere (Joy Batchelor, 1954 )
                            12 Uhr Mittag (Fred Zinnemann, 1952)

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                              smartbo 27.05.2022, 17:08 Geändert 27.05.2022, 17:10

                              Fern, deren Ehemann kürzlich verstarb, ist eine Frau in den Sechzigern, die in der Wirtschaftskrise 2011 alles verloren hat und finanziell ruiniert ist. Alles, was sie besitzt, passt in ein Van. Sie begibt sich mit ihrem Auto auf eine Reise durch den sich verändernden amerikanischen Westen. Fern nimmt den Lebensstil einer modernen Nomadin an, übernimmt verschiede Jobs, um sich übers Wasser zu halten und trifft während ihres Trips auf Menschen, denen es ähnlich geht wie ihr.

                              Wer sich meine Handlungsskizze durchgelesen hat, wird sich vielleicht fragen, ob das denn alles ist, was die Geschichte zu bieten hat. Ja, mehr passiert da eigentlich nicht. Von einem gut ausgearbeiteten Plot oder einer einnehmenden Atmosphäre ist hier kaum etwas zu sehen. Ja, und worum geht es im Film? Der Film handelt primär vom Verlust des amerikanischen Traums. Oder besser gesagt: über den Unsinn dieses Traums. Der amerikanische Traum von unbegrenzter Freiheit ist als idealistischer Glaube fest in der amerikanischen Kultur verankert. Es ist der Glaube, dass jeder, der bereit ist, hart zu arbeiten, es schaffen kann, Reichtum und Ansehen zu erlangen. The American Dream soll angeblich alles möglich machen. Die trostlose und perspektivlose Realität, die im Film geschildert wird, sieht aber ganz anders aus.

                              Frances McDormand spielt im Film ihre Rolle als Nomadin routiniert, ohne besonders aufzufallen. Fern ist ohne Illusionen. Eine Frau, die immer hart gearbeitet hat, nun aber gezwungen ist, ohne festes Einkommen und ohne festen Wohnsitz von Campingplatz zu Campingplatz zu ziehen, in der Hoffnung, irgendwo etwas Geld zu verdienen. Sie erzählt nicht viel, und man erfährt sehr wenig. Das ist auch nicht nötig, denn die Kamera fängt ihre verhaltenen Emotionen ganz gut ein. Die düsteren, oft farblosen Bilder, die melancholisch wirken, verstärken die ziemlich emotionslose Atmosphäre.

                              Der Film hat einen dokumentarischen Stil und ist im Grunde genommen Ferns Sammlung von Erlebnissen und Begegnungen während ihrer Reise. Mehr ist es nicht. Obwohl kalt und düster gefilmt, kann man sich manchmal des Gefühls nicht erwehren, dass der alternative Lebensstil der Nomaden zeitweise im Film romantisiert wird. Hier weicht er aber von seinem Schwerpunkt ab, denn eigentlich sollte doch die bittere Seite eines solchen Lebens im Vordergrund stehen und deutlich gemacht werden, dass der amerikanischer Traum nicht funktioniert. Einen durchgehend konsequenten Faden in der Botschaft, die der Film vermitteln will, habe ich nicht gesehen. So hat denn diese Holprigkeit natürlich einen negativen Einfluss auf meine Wertung. Das Besondere an dem Film sind die waschechten Nomaden. Schade nur, dass er keinen tieferen Blick auf die verschiedenen Charaktere wirft. Es gibt genug interessante Figuren im Film. Sie werden aber kaum näher belleuchtet und bleiben eher im Dunkeln, obwohl ihr Anteil im Film recht groß ist.

                              Fazit: „Nomadland“ hat mich nicht überzeugt. Was primär fehlt, ist eine gute und einnehmende Geschichte, die den Zuschauer wenigstens mitnimmt. So verwundert es auch nicht, dass ich mich während der Sichtung fast durchgehend gelangweilt habe. Ich brauche keine Spannung oder knisternde Atmosphäre, um einen Film gut zu bewerten. Da ist aber ansonsten außer schöner Landschaftskulissen nichts, was mir am Film gefallen könnte. Um die Tristesse des Nomadendaseins (oder eben phasenweise die schönen Seiten eines solchen Lebens) zu vermitteln, dazu braucht es keinen Film, in dem so gut wie nichts passiert.

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                                Am 18.März 1990 klingelten in Boston zwei als Polizisten verkleidete Männer an der Hintertür des berühmten Isabella Stewart Gardner Museums und wurden vom diensthabenden Wachmann hereingesummt. Sie bedrohten ihn mit vorgehaltener Pistole, fesselten ihn mit Klebeband, sperrten ihn in den Keller ein und stahlen 13 unbezahlbare Kunstgegenstände im Wert von insgesamt einer halben Milliarde Dollar. Darunter waren wertvolle Originalgemälde von Vermeer, Manet und Rembrandt. Die Diebe nahmen Sicherheitsbänder und Ausdrucke von Bewegungssensoren mit, bevor sie spurlos verschwanden. Bis heute weiß niemand, wer die wertvollen Kunstwerke gestohlen hat. Und bis heute sind trotz einer Belohnung in Höhe von 10 Millionen Dollar die Kunstwerke aus dem Raub je wieder aufgetaucht. Die leeren Rahmen hängen immer noch an Ort und Stelle im Museum. Das Mysteriöse an dem Fall ist, dass einige Hauptverdächtige während der Ermittlungen tot aufgefunden wurden. Umstände, die dafür sorgten, dass der Fall weltweit in die Schlagzeilen kam ..

                                Handwerklich ist die 6-teilige Miniserie gut gemacht. Die Dokumentation beginnt mit einer kurzen Geschichte des Museums, der darin ausgestellten Kunstwerke und seiner Verbindung zur Stadt Boston, bevor der Raub selbst erörtert wird. Präsentiert werden ausgezeichnete Nachstellungen, Archivbilder, Drohnenaufnahmen, Interviews mit Beteiligten, Experten und Journalisten, um zu schildern, wie das Verbrechen abgelaufen ist, wie die Täter die einzelnen Kunstwerke aus ihren Plätzen raubten und wie sie die Sicherheitsvorkehrungen deaktiviert haben.

                                Es gibt viele bemerkenswerte Charaktere, die in der Doku gezeigt werden. Der erste Hauptverdächtige in diesem Fall war Rick Abath, ein Wachmann im Gardner-Museum, der den falschen Cops nicht nur die Tür öffnete, sondern angeblich die letzte Person in dem Raum war, in dem laut den Ermittlern ein Kunstwerk gestohlen wurde. Aber die Ermittler konnten keine sicheren Beweise finden, um ihn anzuklagen. Deshalb wurden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt und rasch richtete die Polizei den Fokus auf Myles Connor, einem legendären Kunstdieb, der damals allerdings hinter Gittern saß. Ich hatte den Eindruck, dass die Dokumentation bei bestimmten Theorien, wer die sein Täter konnten, etwas zu lange verweilte. Zum Beispiel untersuchten die Strafverfolgungsbehörden, ob jemand vom Bostoner Mob beteiligt war, um Gelder für die Terrorgruppe IRA zu beschaffen. Aber auch diese Spur gaben die Ermittler nach zahlreichen Verhören auf. Insbesondere die vermuteten Verbindungen zum Bostoner Mob wurden in der Doku zu lange geschildert, obwohl für den Zuschauer schon rasch klar war, dass diese Spur nichts bringt.

                                Auch wenn die Doku keine Auflösung des Falles bietet, ist die Geschichte selbst fesselnd. Wer auch immer hinter dem Verbrechen steckte, er hat wahrscheinlich die Dokumentation gesehen und sich amüsiert. War es doch die Mafia? War es ein zufälliger Diebstahl? War es Teil eines größeren Kunstraubprogramms? War es ein Auftrags-Job? Und vor allem: wo sind die berühmten und bekannten Kunstobjekte geblieben. Was auch immer der Fall sein mag, mir hat die Miniserie gut gefallen.

                                Fazit: Die Doku zeigt, dass man auch aus solchen ungelösten Mysterien durchaus spannende Filme machen kann. Und man muss auch kein Kunstkenner sein, um die faszinierende Dokumentation gut, unterhaltsam und fesselnd zu finden. Von meiner Seite aus eine klare Empfehlung.

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                                  smartbo 22.05.2022, 09:39 Geändert 22.05.2022, 11:35

                                  *** Smartbo kommentiert die Lieblingsfilme seiner Buddys ***
                                  (eine sehr schönen Aktion von „Der Dude von Nebenan").
                                  Dieser Kommentar ist STATIC gewidmet.
                                  Film: THE DARK KNIGHT, Action, Superheldenfilm, USA/Großbritannien, 2008

                                  Static und ich kennen uns noch nicht so lange. Aber so viel kann ich sagen: er ist stets freundlich und im Umgang sehr angenehm. Meistens findet er nette Worte in seinen Feedbacks zu den Kommentaren. In der Kommunikation vertritt er dezidiert seine Meinung, respektiert jedoch andere Ansichten, ohne auf seine eigene auf Biegen und Brechen starr zu beharren. Respekt und Toleranz bringt er absolut mit. Deshalb freue ich mich über seine Feedbacks zu meinen Kommentaren. Seine Kommentare sind sehr gut, und ich lese sie gerne. Sie treffen vorzüglich den Kern und spiegeln seine Liebe zu Filmen wider. Seine Begeisterung kann man regelrecht lesen. Er gilt als großer Batman-Fachmann. So hat er eine spezielle DC-Liste erstellt und zu den Batman-Filmen hervorragende Kommentare verfasst, die schon eher als beeindruckende Werke bezeichnet werden können. Sie enthalten wahnsinnig viele Einzelheiten, die von Spezialwissen und großem Enthusiasmus zeugen. Ganz große klasse. Besonders gut haben mir seine vortrefflichen Kommentare zu der Batman-Trilogie von Nolan und zu dem neusten Film „The Batman“ aus dem Jahr 2022 gefallen, die er vor Kurzem geschrieben hat. Sie sind einfach super, und ich kann sie wärmstens weiterempfehlen.

                                  Unser Gemeinsamkeitswert hier auf MP beträgt 66%, was nicht schlecht ist. In seiner Film-Liste sind alle möglichen Genres zu finden. Klar, dass den Schwerpunkt in seiner Film-Liste zuvorderst die Batman-Filme bilden. Darüberhinaus sind es Filme, die man atmosphärisch eher als düster einstufen kann. Und Dramen sind ebenso gut vertreten. Ja, auch viele Animes sieht man in seiner Film-Liste. Einige Anime-Perlen aus Japan, wie z.B. "Die letzten Glühwürmchen" sind dabei. Ein top Anime auf Japan, den auch ich absolut empfehlen kann. Es gibt eine ganze Reihe von Filmen, bei denen unsere Punktewertungen sehr nahe liegen. Ganz besonders freut mich, dass er, ebenso ich, die Filme „Das Leben des David Gale“, Joker, Warrior, Interstellar, oder Good Fellas sehr hoch bewertet hat. Was den für ihn ausgesuchten Film angeht, so habe ich mich für den Batmanflm von Nolan „The Dark Knight“ entschieden. Der Film ist zwar nicht in seiner Favoriten-Liste mit Herzchen enthalten, aber mit einer mehr als überzeugenden 9 hat er bei ihm super abgeschnitten. Und als Batman-Fan kann der Film für ihn sicherlich nicht verkehrt sein.

                                  Kommen wir nun zu dem Film und zu meinem Kommentar, der zur Orientierung immer mit einem groben Handlungsüberblick beginnt. Mein nachfolgender Kommentar befasst sich allerdings nicht mit allen Kriterien, die für die Filmwertung relevant sind. Vielmehr richtet sich mein Blick schwerpunktmäßig auf die Charaktere und die Charakterentwicklung der vier Protagonisten, die im Film die Hauptrolle spielen: Batman, James Gordon, Harvey Dent und -klar- Joker. Ja, ich weiß, es ist ein nicht ganz einfaches Unterfangen, ein Kommentar zu einem Batman-Film für Static zu schreiben. Aber ich hoffe doch, dass er mit meiner Sicht auf die Protagonisten und meiner Meinung etwas anfangen kann.

                                  Bruce Wayne alias Batman (Christian Bale), und Lt. James Gordon (Gary Oldman) tun sich mit dem neu ernannten Bezirksstaatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart) zusammen. Gemeinsam versuchen sie, dem Chaos entgegenzuwirken, das Gotham derzeit heimsucht und von keinem geringeren als Batmans schlimmstem Feind, dem Joker (Heath Ledger), verursacht wird. Einem rücksichtslosen teuflischen Killer mit einem dämonischen Humor und einem einzigen Ziel, nämlich, die totale Anarchie in Gotham zu entfesseln und die allgemeine Ordnung zu stören.

                                  Der Film hat eine starke Geschichte zu bieten. Eine Geschichte, in der nicht nur die Handlung im Mittelpunkt steht, sondern in der auch die Charaktere und die Charakterentwicklung einen besonderen Platz haben. In der Vorgängerversion der Batman-Trilogie, dem Film, „Batmans Beginn“, gelang es Batman vorbildlich, das organisierte Verbrechen in die Enge zu treiben und ein Signal für den gemeinsamen Widerstand gegen die ausufernde Kriminalität zu geben. Doch in "The Dark Knight" kommt es etwas anders. Batman ist nicht nur der stille Wächter für die Gesellschaft. Er ist vielmehr auch das Signal dafür, dass der einzige Weg zur Bekämpfung von Korruption und Kriminalität ebenso Gesetzlosigkeit ist. Batman hat seine eigenen Regeln, die er befolgt. Und er ist voller Rachegefühle. Aber sein eiserner Kodex ist, keinen Menschen umzubringen und er kämpft für das Gute. Und das ist der Unterschied zum Joker

                                  Dem mit ihm befreundeten und korrekten Gesetzeshüter Lt. James Gorden ist klar, dass er allein gegen die grassierende Kriminalität nicht ankommen kann. Er braucht Batman und den Staatsanwalt Harvey Dent. Doch so harmlos ist Gordon nicht. Als er erfährt, dass Batman für einen Mord verantwortlich sein soll, jagt er ihn unbarmherzig. Der wahre Held ist aber hier eigentlich der Bezirksstaatsanwalt Harvey Dent, der tapfer das Verbrechen bekämpft und die Kriminalität innerhalb des Systems verfolgt. Batman versucht alles, um ihn zum neuen rechtschaffenen Symbol des Anstands in einer immer noch kaputten Gesellschaft von Gotham zu machen. Aber Dent wird zum skrupellosen Rachengel und mutiert zum Two-Face, als er feststellen muss, wie wirkungslos sein aufrechter Kampf für Gerechtigkeit ist.

                                  Der größte Feind des Trios ist Joker. Dem Joker geht es nicht um Geld oder Macht. Er hat eine Botschaft: der Mensch, seine Gesetze und Gesellschaftssysteme sind im Grunde überhaupt nicht gut, zivilisiert oder fair. Er will das beweisen, indem er Chaos und Angst verbreitet und die Symbole der menschlichen Zivilisation untergräbt oder zerstört. Wie Batman ist der Joker eine groteske Figur, mehr als nur ein Mensch. Er ist gleichzeitig erschreckend, charmant, lustig und abstoßend und vor allem intelligent. Bereits die Rolle des Jokers ist von einem faszinierenden, komplexen und düsteren Charakter gekennzeichnet, aber Heath Ledger macht ihn mit seiner phänomenalen schauspielerischen Leistung wirklich zu einer in der Filmgeschichte unvergesslichen Figur. Jeden Moment zieht er alle Blicke auf seine monströse Erscheinung und bringt den Zuschauer zum Schmunzeln, obwohl man weiß, dass da eigentlich nichts zum Lachen ist. Dieser Psychopath ist weit entfernt von einem Clown, als welcher er sich verkleidet und damit eine verstörende Wirkung erzielt.

                                  In fast jedem anderen Film würde Ledgers Joker den Rest des Films überschatten, aber das passiert hier nicht. Die Charakterentwicklung von Harvey Dent ist ebenso faszinierend wie die moralischen Probleme des Polizisten Gordon und von Batman. Die mit philosophischen Dialogen angereicherten ethisch-moralischen Fragen, mit denen das Trio zu kämpfen hat, verwebt der Film nahtlos mit einer vorzüglich inszenierten Handlung, einer atemberaubenden düsteren Atmosphäre und einer spannenden Actionsequenz.

                                  Fazit: meines Erachtens der beste Film aus Nolans Batman-Trilogie. Das liegt primär zweifellos an Ledgers genialer Performance, aber die ist es nicht alleine. Das Tempo und der Adrenalinspiegel werden fast zweieinhalb Stunden lang auf einem hohen Level gehalten. Die herausragend ausgearbeitete Charakterzeichnung, die Action, Spannung sind inszenatorisch perfekt zu einem sehenswerten Filmerlebnis zusammengeführt.

                                  Danke Static für die gute Freundschaft und Deine Beiträge, die eine absolute Bereicherung hier auf Moviepilot darstellen. Ich freue mich auf eine weiterhin super Kommunikation und Deine top Kommis. 👍

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                                    smartbo 20.05.2022, 11:07 Geändert 20.05.2022, 19:49

                                    Das auf wahren Begebenheiten basierende Sportdrama schildert die Lebensgeschichte des "Fliegenden Sikh", einer indischen Sportlegende. Milkha Singh, gespielt von Farhan Akhtar, war in den 1950er und 1960er Jahren Goldmedaillengewinner im Laufen und ein erfolgreicher olympischer Athlet. Er hat in seiner Kindheit das Massaker an seiner Familie während der blutigen Unruhen unter den religiösen Volksgruppen im Zuge der Teilung Indiens und Pakistans im Jahr 1947 überlebt. Nach seiner Flucht aus dem heutigen Pakistan nach Indien, einem Leben in Flüchtlingslagern, seiner Obdachlosigkeit, Armut und Leben als Dieb wird er Soldat der indischen Armee und danach zu einem der berühmtesten Sportler Indiens.

                                    Es ist ein gut gemachter Film mit einem super Hautprotagonisten. Gezeigt wird auf dem Hintergrund einer historischen Zeitrekonstruktion das Leben des indischen Spitzenläufers und Olympioniken. Dem Regisseur ist es gelungen, die Kindheit, das Erwachsenwerden, das tragische Schicksal, die Liebe, den Kampf, die Niederlagen und Siege des Athleten sowohl im Sport als auch im privaten Leben zu schildern, ohne dass es in dem 2 ½ Stunden dauernden Film großartig langweilig wird. Es gibt zwar einige Filmpassagen, bei denen man sich wünscht, dass das Tempo etwas anziehen könnte, aber das hält sich in Grenzen.

                                    Der Film schwankt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, aber dank der guten Inszenierung ist der Handlungsablauf klar und gut nachvollziehbar. Jeder Film, der die Ära der Teilung Indiens und Pakistans im Jahr 1947 schildert, muss zwangsläufig Szenen enthalten, die entsetzlich und morbide sind: Massaker, brutale Gewalt, Blutvergießen, Verlust geliebter Menschen, verwaiste Kinder, Angst und Trauma unter Zivilisten, Gewalt gegen Frauen usw. Nun, in einem Film, in dem es primär um den Lebenslauf eines Sportlers geht, kommt es darauf an, solche Gewaltbilder richtig zu platzieren und zu dosieren. Der Film zeigt diese schrecklichen Bilder zwar deutlich, aber dezent, ohne zu übertreiben, so dass der Werdegang des Sportlers im Film immer Vordergrund steht. Diese diffizile Gratwanderung ist den Machern des Filmes vorzüglich gelungen.

                                    Bei dem Protagonisten ist die schreckliche Zeit aus seiner Kindheit als dunkler Fleck in seiner Seele geblieben. Im Mittelpunkt des Filmes steht nicht nur seine sportliche Laufbahn und sein Privatleben, sondern auch der allmähliche Prozess, wie es ihm gelingt, sein Trauma aus der Kindheit zu bewältigen und sein verwundetes Inneres zu heilen. Hut ab vor Farhan Akhtar, der eine solch schwierige Rolle so gut spielt. Dazu gehört, die Körperlichkeit eines Spitzensportlers, aber auch die sensiblen Ausdrucksformen seines inneren Schmerzes darzustellen. Nicht ganz einfach, das gelingt ihm aber vortrefflich.

                                    Aber nicht nur Farhan Akhtar überzeugt schauspielerisch. Ebenso Divya Dutta und Pawan Malhotra meistern ihren Job sehr gut. Divya Dutta spielt die selbstlose Schwester, die ihren kleinen Bruder Milkha einfach nur vergöttert. Sie erträgt schweigend und klaglos die Ausbeutung, das harte Leben und die häusliche Gewalt, die Frauen in dieser Zeit erlitten haben. Ja, und Pawan Malhorta hat sich als guter und inspirierender Armeeoffizier hervorgetan, der einen großen Einfluss auf den Erfolg von Milkha hatte. Er spielt seine Rolle sehr natürlich, deshalb kommen bei ihm Gefühlsregungen wie Schmerz, Stolz, Freude, Wut, Enttäuschung, usw. sehr authentisch rüber. Top Schauspiel.

                                    Fazit: ein gut inszeniertes sehenswertes Sport-Biopic, das super Schauspieler bietet und nicht nur für Sportinteressierte einer Empfehlung wert ist. Nicht der Hammer, aber sicherlich sehenswert. Ja, und indisches Pathos und Stolz auf diesen Sportler sind reichlich zu sehen, jedoch stört es nicht im geringsten. Ich habe anfangs nicht viel erwartet, wurde aber schlussendlich mit einem schönen Kino angenehm überrascht.

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                                      smartbo 15.05.2022, 09:43 Geändert 16.05.2022, 18:47

                                      Nach einem Stromausfall in einem New Yorker Wolkenkratzer flüchtet der Buchhalter David Stillwell, dargestellt von Gregory Peck, zusammen mit anderen Menschen aus der 27. Etage auf die Straße. Seitdem leidet er an einer Amnesie. Er wird wahnsinnig bei der Vorstellung, dass er nicht einmal mehr die einfachsten Dinge weiß. Auf der Suche nach den Ereignissen vor dem Stromausfall gerät er in eine Verschwörung …

                                      Was ist real und was ist Illusion? In dem Old-School-Film aus dem Jahr 1965 wird mit einfachen Mitteln sehr effektiv Verwirrung gestreut. Um dies zu erreichen, setzt der Film auf keine Spezialeffekte, sondern auf Minimalismus. Es sind Kleinigkeiten, die hier ihre große Wirkung erzeugen. Dadurch, dass der Film in schwarz-weiß gedreht ist und er viele Aufnahmen von menschenleeren Straßen und leerstehenden Gebäuden zeigt, entsteht eine surrealistische Atmosphäre. Wenn zudem die Hauptfigur David Stillwell mit bemerkenswerten und mysteriösen Ereignissen konfrontiert wird, die er aufgrund seiner Amnesie nicht einordnen kann, fügt dies der verstörenden Atmosphäre eine gehörige Ladung Paranoia hinzu.

                                      Der Film hält seine Charaktere in der Darstellung gedämpft. Eine zunehmend verwirrte Person kann nämlich schnell unglaubwürdig wirken. Das kann sogar darin ausarten, dass man als Zuschauer die Story für eine Komödie hält. Doch davon ist der Film weit entfernt. Gregory Peck, der den ahnungslosen David Stillwell darstellt, und nicht weiß, was mit ihm passiert, spielt seine Rolle perfekt. Dasselbe gilt für die anderen Schauspieler. Der Einzige, der eine weniger rigide gestaltete Rolle spielt, ist der unübertreffliche Walter Matthau mit einem vorzüglich trockenen-komischen Schauspiel. Damit bewahrt er den Film vor zu viel Ernsthaftigkeit. Alles in allem ergibt das eine düstere und durchaus glaubwürdige Atmosphäre, die mit einem hauchzarten humorigen Touch gewürzt ist. Eine weitere Stärke des Films ist, dass der Zuschauer, genauso wie der Protagonist, auch nicht weiß, was los ist. Er steht dem Unbekannten so hilflos gegenüber, wie der verzweifelte David Stillwell.

                                      Fazit: ja, ein alter Film, aber keineswegs ein alter Hut. Ein Film, den man in der Gesamteinschätzung am besten als einen raffiniert konstruierten Thriller mit einer gehörigen Portion Spannung und einer Prise nuanciert eingesetztem Humors bezeichnen kann. Einer Empfehlung als sehenswert ist er absolut wert.

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                                        smartbo 13.05.2022, 11:42 Geändert 16.05.2022, 16:32

                                        Als der Amish-Junge Jacob (Jonas Holdenrieder) volljährig wird, bekommt er die Chance, sich in der modernen Welt umzuschauen, weg von seiner Farm in Pennsylvania. Er beschließt, als Initiationsritus nach Berlin zu reisen, in der Hoffnung, dort seine Wurzeln zu finden und eine andere Lebensweise kennenzulernen. In Deutschland schließt Jacob Freundschaften, verliebt sich und erlebt allerlei Abenteuer. Er muss sich entscheiden, ob er bei seiner Liebe bleibt oder zu seiner Familie zurückkehrt.

                                        Rumspringa ist die Zeit vor dem endgültigen Eintritt in die Amish-Gemeinschaft. In dieser Zeit gelten keine strengen Regeln und die jungen Menschen dürfen sich in die Außenwelt begeben, um sich über die dortigen Sitten und Gebräuche zu informieren. Der Film ist eine Komödie, aber nicht sehr lustig. Der Culture Clash zwischen dem traditionellen Lebensstil von Jacob und dem modernen Stadtleben wird zu Beginn vor allem für humorvolle Szenen genutzt. Ein Großteil des Humors, der eher als einfacher Klamauk bezeichnet werden kann, basiert auf Jacobs Verwirrung und ist sehr klischeehaft.

                                        Jacob trifft Alf (Timur Bartels), den er anfangs nicht versteht, was später jedoch besser werden sollte. Grund für den Film, etwas Dramatik einzubauen. Alf hilft Jakob. Natürlich hat Alf sein eigenes Leben nicht im Griff und könnte selbst etwas Anleitung gebrauchen. Und dann... Naja, die Story ist nicht gerade originell und kaum etwas, was einen vom Hocker reißt. Es sind alltägliche Banalitäten, und ein Klischee jagt hier das andere. Die Macher legen die Messlatte nicht sehr hoch. Der Film hat keine eigene Identität. Es gibt viele hektische Schnitte und optische Tricks wie Splitscreens, die nerven, aber immerhin für etwas Dynamik sorgen. Das ist nötig in diesem trägen Film, der als ein flaches Seherlebnis mit sehr wenigen gelungenen komischen Momenten charakterisiert werden kann. Und last but not least: hinzu kommt, dass die Schauspieler nicht gerade die besten sind, um das mal höflich auszudrücken.

                                        Fazit: das Thema ist witzig und bietet ein enorm großes Potential, das jedoch aus meiner Perspektive nicht ausgenutzt wurde. Der Handlung fehlt es an Tiefe, die Inszenierung ist zu oberflächlich. Der Film ist überladen mit Kalauern, und der Humor ist für meinen Geschmack zu infantil. Der Film ist mit seinem unlustigen Humor nicht meine Kragenweite.

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                                          smartbo 03.05.2022, 19:08 Geändert 03.05.2022, 21:01

                                          Wir sind in England, Anfang des 15. Jahrhunderts. Hal, ein eigensinniger Prinz, besteigt nach dem Tod seines Vaters den englischen Thron. Dies geschieht zu einer Zeit, als sich das Land auf einen Krieg mit Frankreich vorbereitet. Begleitet von seinem Freund Falstaff muss Hal inmitten von Palastintrigen, Krieg und Chaos überleben …

                                          - Kurzer historischer Abriss im Kontext des Filmes:

                                          Es ist ein Film, der auf historischen Begebenheiten beruht und von der Schlacht bei Azincourt (Frankreich) während des Hundertjährigen Krieges (anglo-französischer Krieg von 1337 bis 1453) handelt. Hal, der König und der Protagonist in diesem Film, ist der englischer König Heinrich V, den es tatsächlich gab. Damals im Jahr 1415 besiegten die „englischen“ Truppen von Heinrich V in der Nähe der französischen Ortschaft Azincourt das Heer des „französischen“ Königs Karl VI. Es ging um die Thronfolge in Frankreich.

                                          Besonders interessant ist, dass dieser Film eine "englische" Perspektive bietet. Ich schreibe "englisch" und "französisch" in Anführungszeichen, weil es damals zwar England und Frankreich gab, aber es sich tatsächlich um einen Bruderkrieg/Bürgerkrieg zwischen französischen Familien handelte. Warum? England wurde im Jahr 1066 in der Schlacht bei Hastings (England) vom Herzog der Normandie (Normandie war Teil des französischen Königreiches) „Wilhelm der Eroberer“ erobert. (siehe mein Kommentar zu der Doku "Wilhelm der Eroberer"). Er okkupierte das damalige England, unterwarf blutig den herrschenden angelsächsischen und dänischen Adel, führte die französische Verwaltung und Justiz ein und ordnete als offizielle Sprache das Französisch an. Es war ein grundlegender politischer und gesellschaftlicher Umbruch in England. Funfact: in dieser Zeit spielt die englische Kultserie "Catweazle" aus dem Jahr 1970.

                                          Aus dem französischen Adelsgeschlecht Plantagenets wurden danach bis Ende des 14. Jahrhundert die englischen Könige gestellt. Seit der Besetzung Englands durch die Franzosen bis Anfang des 15. Jahrhunderts wurde in England nur französisch gesprochen. Nur die Bauern sprachen englisch. Der Protagonist in diesem Film, Heinrich V., aus dem Hause Lancaster (Nebenlinie des Hauses Plantagenets), war eben der erste englische König, der die englische Sprache als offizielle Sprache förderte und eine allmähliche Loslösung von Frankreich einleitete. Erst danach bildete sich mit der Zeit ein eigenes englisches Nationalbewusstsein heraus.

                                          - Kommentar zum Film:

                                          Der Film ist kein Überflieger, es ist aber ein unterhaltsamer Blick auf die frühen Jahre Heinrich V. Timothée Chalamet als junger König macht einen insgesamt guten Job. Die Charaktere rund um den König könnten etwas auffallender und farbenfroher sein. Auch die schauspielerische Besetzung der Rollen ist nicht gerade die beste. Etwas mehr Prominenz im Cast würde dem Film sicherlich gut tun. Sehr gut gefallen hat mir allerdings Lily-Rose Depp (Tochter von Johnny Depp), die die Prinzessin Catherine de Valois spielt und eine beeindruckend starke Leistung zeigt.

                                          Optisch ist „The King“ super. Ebenso das Setting und die Dekoration. So machen die Landschaftsbilder, die Kostümierung und die Ausstattung einen enorm positiven und authentischen Eindruck. Atmosphärisch ist der Film absolut top. Der Dreck und das Düstere des Mittelalters kommen gut zur Geltung. Was ganz besonders gelungen ist, ist die Inszenierung der Schlacht bei Azincourt. Schlamm, Regen, Dreck, lautes Geschrei und Chaos mit klaustrophobischen Momenten erinnern an die Inszenierung der „Schlacht der Bastarde“ aus Game of Thrones. Ähnlichkeiten und Anleihen aus der Serie sind hier unübersehbar.

                                          Fazit: leider befindet sich das Genre der historischen Filme in einem Tief. Ein Knüller ist der Film nicht. Aber wer historische Filme aus dem Mittelalter mit einem authentischen Setting und super Optik mag, der ist hier gut aufgehoben. Für eine einmalige Sichtung reicht es in jedem Fall aus.

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                                            smartbo 01.05.2022, 09:43 Geändert 01.05.2022, 20:38

                                            *** Smartbo kommentiert die Lieblingsfilme seiner Buddys ***
                                            (eine sehr schöne Aktion von „Der Dude von Nebenan“).
                                            Dieser Kommentar ist „DER DUDE VON NEBENAN“ gewidmet.
                                            Film: KÖNIG DER FISCHER, Drama, Fantasy, Comedy, USA 1991

                                            Dude ist ein freundlicher MP-Pilot mit dem ich seit ca. einem Jahr befreundet bin. Mir gefällt ganz besonders seine offene Art. Wir kommunizieren nicht regelmäßig. Wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt, tauschen wir aber unsere Ansichten aus. Es spielt jedoch keine Rolle, wie oft wir kommunizieren, denn ich schätze seine Beiträge, die absolut top sind. Sie sind voller Originalität, Kreativität, Skurrilität und eine Menge Humor. Und auch eine gesunde Prise Emotionalität ist manchmal dabei. So mag er das britische Understatement nicht besonders. Er ist aber stets sachlich und in der Kommunikation angenehm. Seine Kommentare sind lesenswert. Beispiel? Ja, gerne. So gefällt mir u.a. ganz besonders seine Beschreibung zu dem Film „Was vom Tage übrig blieb“, einen Film, der bei mir ebenfalls ordentlich gepunktet hat. Top. Deshalb ist es mir wichtig, dass ich ihn auf meinem Dashboard habe. Ja gut, eine kleine Marotte hat er auch. Das ist seine Neigung, in seinen Texten manchmal ellenlange Sätze zu bilden, bei denen man den Eindruck hat, dass sie nie enden. 😊 Manchmal nicht ganz einfach zu lesen. Aber das ist eher ein Klacks. Jedoch nicht nur wegen seiner Kommentare schätze ich ihn. Unverkennbar ist seine soziale Ader, die ihn sympathisch macht. So hat er ein großes Herz für sozial Benachteiligte, für arme Menschen, Randgruppen, Minderheiten und aus der Gesellschaft ausgegrenzte Menschen, die diskreditiert werden. Und last but not least: ich würde ihn nicht gerade als eine graue Maus und Mitläufer bezeichnen, der mit der Schafherde unterwegs ist, sondern eher als Individualisten mit eigener Note.

                                            Unser Gemeinsamkeitswert hier auf MP ist mager. Wie man hier auf diesen Wert kommt, ist manchmal nicht ganz nachvollziehbar. Denn wenn ich in sein Profil gehe, seine bewerteten Filme aufrufe und die Wertungen mit meinen vergleiche, dann sehe ich eine ganze Menge von Filmen, bei denen wir in der Wertung übereinstimmen. Hier nur ein paar Beispiele: Der Herr der Ringe, Es war einmal in Amerika, Joker, Der goldene Handschuh und, und, und. Gemeinsam ist uns desweiteren, dass wir absolut nichts gegen Arthousefilme haben. So hat er die Doku „Kulekampffs Schuhe“ mit Herzchen versehen, eine Doku, die ich ebenfalls gut bewertet habe. Er schaltet auch mal gerne -wie ich ebenso - den Sender ARTE ein. Da kommen öfters, vor allem am Sonntag in der Prime-Time, wirkliche top Filme. Seine Filmliste enthält alle möglichen Genres. Schwerpunkt bilden aber Dramen, man sieht aber auch viele Komödien und Filme, die skurrile Charaktere oder ausgefallene Themen anzubieten haben: z.B. Joker, Einer flog über das Kuckucksnest etc. Einer seiner absoluten Lieblingsschauspieler ist Jeff Bridges und sein Lieblingsfilm ist „Big Lebowski“. Von daher auch sein Community-Name hier auf MP „ Der Dude von Nebenan“. Und es ist ja dann auch kein Zufall, dass ich für ihn einen Film mit Jeff Bridges in der Hauptrolle ausgesucht habe, nämlich „König der Fischer“. Hier gibt es skurrile Figuren zuhauf, hinzu kommt eine gute, originelle Story und dass der Film von sozial benachteiligten Menschen handelt.

                                            So, kommen wir nun zum Film und zu meinem Kommentar.

                                            Jack Lucas ist als Radiomoderator bekannt wie ein bunter Hund und eine Kultfigur. Sein Programm ist populär, obwohl er kein Blatt vor den Mund nimmt und zynisch ist. Jack hasst Menschen, die ständig von ihren eigenen Problemen sprechen. Dennoch sind sie es, die ihn in seiner Sendung anrufen und mit ihm sprechen. Edwin Malnick ist Stammkunde. Als er erzählt, dass er endlich die Frau fürs Leben gefunden hat, zerstört Jack diesen Traum mit einem zynischen Kommentar. Beeinflusst von Jacks Aussage tötet Malnick sieben Menschen und begeht danach Selbstmord. Dies bedeutet auch das Ende von Jacks Karriere. Drei Jahre später fühlt sich Jack immer noch verantwortlich. Er grübelt, quält sich, ist mittellos und perspektivlos. Eines Nachts fährt er betrunken durch New York und wird von einer Jugendbande überfallen. Er trifft den Obdachlosen Parry (Robin Williams), und erst jetzt geht die bizarre Geschichte so richtig los …

                                            Es ist ein guter Film, um das schon mal vorwegzunehmen. Er punktet vorzüglich als ein moralisches und emotionales Drama über Liebe, Freundschaft, Schuld, Schicksal, Buße und Vergebung. Es ist eine Geschichte über Menschen, die tief im Morast stecken und einander brauchen, um da herauszukommen. Dieser ungewöhnliche Film bietet eine feine Balance zwischen Komödie, Drama und einer Prise Fantasy. Die etwas kauzige und spleenige Atmosphäre und die Traum-/Albtraumbilder harmonieren perfekt mit der etwas sentimentalen Geschichte. Der Plot ist voller Themen, Motive und Philosophien und bietet ein breites Interpretationsspektrum.

                                            Ein Thema ist die Kritik am Yuppietum, das Ende der 80er Jahre, Anfang der 90er Jahre angesagt war und was bedeutete, sich auf sich selbst zu konzentrieren und dass nur noch das ICH zählt. Der superarrogante Jack ist ein Paradebeispiel dafür. Ein weiteres wichtiges Thema, das im Film im Vordergrund steht, ist natürlich der Fokus auf Menschen, die anders sind und deshalb von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, die Obdachlosen. Insofern sind die New Yorker Kulissen, zentriert um den Central Park, natürlich sehr passend. Deutlich ist im Film die ethisch-moralische Akzentuierung zu verspüren, in deren Mittelpunk primär Schuld und Vergebung stehen.

                                            Der Film ist vortrefflich von Terry Gilliam, Mitglied der Comedy-Gruppe Monty Python, inszeniert. Er glänzt mit einer Menge skurriler Charaktere wie Parry, aber auch Jeter als Transvestit und Sänger. Was besonders beeindruckt ist der Cast. Jeff Bridges und Robin Williams legen wahrlich starke Rollen hin. Und zum Robin Williams: nachdenklich stimmt, dass Robin Williams in vielen Filmen mit Charakteren brilliert, die es schaffen, andere Menschen bei Laune zu halten und glücklich zu machen, obwohl er selbst mit seinen eigenen Problemen nicht fertig werden konnte. Am Ende gab es anscheinend Niemanden, der das gemerkt hat. Nun, auch Mercedes Ruehl gefällt im Film als Jacks Freundin und Amanda Plumer in der Rolle der schüchternen Lydia weiß ebenso zu überzeugen.

                                            Der Film bietet einige grandiose Szenen und Merkmale, die einzigartig und bis heute unvergessen sind. Hier einige Beispiele: der Walzertanz der Passanten im Grand Central Station in New York; das Essen beim Chinesen mit Jack, Parry,Lydia, Anne; die komische Szene, in der Parry nackt im Central Park herumhüpft; die Vision von dem imaginären roten Ritter beim Parry; oder die lustige Performance von Michael Jeter, als er im Kleid und High Heels vor Freude ein Lied singt; skurril und originell ist auch die in den Plot eingebaute Suche nach dem heiligen Gral, mitten in New York.

                                            Fazit: Trotz der recht langen Laufzeit kann der einzigartige und schräge Film absolut überzeugen und fesseln. Ein schöner und unterhaltsamer Film, der ohne Wennn und Aber sehenswert ist.

                                            Danke für Deine lesenswerten Beiträge, Dude. Für die Community bist Du eine absolute Bereicherung. Und so bin ich auf Deine weiteren Kommentare neugierig. Auf ein Weiters 👍

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                                              smartbo 26.04.2022, 09:55 Geändert 26.04.2022, 11:08

                                              „Life of Crime 1984-2020“ ist eine starke HBO-Real-Life-Dokumentation über die verheerenden Folgen des Drogenkonsums. Der Regisseur Jon Alpert begleitete von 1984 – 2020 drei Einwohner von Newark (größte Stadt in New Jersey) mit der Kamera. Rob, Freddie und Deliris sind Freunde, die versuchen, verzweifelt in ihrem Drogensumpf zu überleben. Sie leben von der Kleinkriminalität und haben die mit der Drogensucht einhergehenden familiären, finanziellen und gesundheitlichen Probleme. Die Protagonisten, die in einem sog. schwachen sozialen Umfeld leben, werden in ihrem Alltag begleitet von Elend, Armut, Gewalt, Arbeitslosigkeit, psychischer Belastung, Beschaffungskriminalität, Haftbefehlen, Prostitution, Gefängnis, HIV-Krankheit, Drogenkonsum und dem Kampf, clean zu bleiben. Es ist ein Teufelskreis, der meistens in der Reha oder im Gefängnis endet.

                                              „Life of Crime 1984-2020“ ist eine enorm authentische Dokumentation, die starke Emotionen weckt. Dem Zuschauer wird eine brutale Szene nach der anderen regelrecht ins Gesicht geschleudert. Man wird in eine fremde Welt hineingezogen, in der nur die rohen Gesetze des Überlebens gelten. Was besonders verstörend wirkt, ist, dass die Doku einen ungehinderten Zugang zu den intimsten Teilen des Lebens der Protagonisten hat. So zoomt die Kamera ganz nah heran, als sich Deliris einen Schuss in ihren zerschundenen und zerstochenen Arm setzt.

                                              Die Doku ist teilweise so schockierend, dass es manchmal schwierig ist, ohne Unterlass zuzuschauen und ohne bei abstoßenden Szenen vor Entsetzen den Blick abzuwenden. So sieht man, wie ein Gerichtsmediziner den Leichensack öffnet, um den Körper von … zu enthüllen. Die Kamera ist dabei, als ein widerlicher und aggressiver Typ seine weinende schwangere Freundin schlägt. Der Zuschauer ist hautnah mitten im Supermarkt dabei, als Freddie und Rob den Laden berauben. Und richtig berührend wird es, als Deliris‘ 9jährige Tochter Kiky sie anbettelt, nicht fortzugehen und zu blieben: „… wir wissen, wie sehr wir dich lieben, aber wir wissen nicht, wie sehr du uns liebst “.

                                              Der Zuschauer wird in die gewalttätige rohe Welt der Protagonisten geleitet, von der Kleinkriminalität über die schwere Drogensucht bis hin zu Inhaftierung wegen der Beschaffungskriminalität. Und meistens endet es infolge der Drogensucht sowieso im Knast. Dabei spielt es eine gewichtige Rolle, in welchem sozialen Umfeld man lebt. Das Strafjustizsystem in den USA ist überfüllt mit Gefangenen, die aus sozial schwachen Verhältnissen kommen. Ist man in die unerbittliche Abwärtsspirale der Armut, Drogensucht, der Kriminalität, Zerfall der familiären Bindungen geraten, kommt man aus ihr nur mühsam heraus. So ist bezeichnend, was Freddie in der Doku sagt, während er sich eine Spritze setzt: „Wäre ich bei den reichen Leuten geblieben, die mich als Kind adoptiert haben, wäre ich jetzt nicht hier und würde das hier nicht tun. Sie hätten mich auf College geschickt. Ich hätte aus meinem Leben was gemacht“. Wie schwer es ist, am Rande der Gesellschaft zu überleben, zeigen die drei Protagonisten, die verzweifelt darum kämpfen, im wahrsten Sinne des Wortes zu überleben.

                                              Offenkundig wird in der Doku, dass die Unterstützung von Gefangenen nach ihrer Haftentlassung durch die Behörden in USA völlig unzureichend ist. Der Ex-Häftling wird vor allem bei der Wohnungssuche oder Jobsuche einfach alleine gelassen. So hat Freddies Bewährungshelfer ihm nach der Haftentlassung strikt verboten (!), wegen der drohenden Rückfallgefahr zu seiner Familie zu ziehen. Sollte Freddie sich nicht daran halten, würde er wieder im Knast landen, so die Androhung des Bewährungshelfers. Die Bewährungshelfer wickeln ihren Job kalt und empathielos ab, der primär darin besteht, Drogenkontrollen durchzuführen. Erschwerend kommt die gesellschaftliche Stigmatisierung von Gefangenen hinzu, die sich oft in offenen Vorurteilen äußert. Dass viele Junkies in dieser prekären Lage wieder zur Spritze greifen und dann erneut in den Knast kommen, ist nicht verwunderlich. In diese Wunde legt der Film seine Finger.

                                              Fazit: eine von fast schon schmerzhafter Offenheit geprägte Milieustudie, die ungeschönt und enorm authentisch die verheerenden Abgründe der Drogensucht schildert und zum Nachdenken anregt. Wichtig ist, dass man die Doku bis zum Ende schaut. Nur so erfasst man vollständig den Inhalt der Doku, und das, was sie vermitteln möchte. Ich kann die Doku empfehlen. Aber Vorsicht: der Film ist eine schwere Kost, er ist sehr deprimierend und zieht einen regelrecht runter.

                                              *** Die Streaming-Info hier auf MP ist falsch: die Doku ist per dato 26.4.2022 auf Sky im Abo verfügbar. ***

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                                                smartbo 24.04.2022, 09:24 Geändert 24.04.2022, 13:04
                                                über Finch

                                                Finch ist Roboteringenieur und einer der wenigen, die eine globale Katastrophe überlebt haben. Sein wertvollster Besitz ist sein Hund Goodyear, für den er sterben würde. Jetzt, wo die Welt in Trümmern liegt und Lebensmittel allmählich zu einem knappen Gut werden, weiß er, dass er nicht mehr lange leben wird. Um sicherzustellen, dass Goodyear in guten Händen ist, baut er einen Roboter, der auf ihn aufpassen soll.

                                                "Finch" ist ein Science-Fiction-Film, der in einer dystopischen Zukunft spielt, aber kein großes Sci-Fi-Spektakel bietet. Trotz dessen, dass wir hier das filmische Schwergewicht Tom Hanks sehen, der routiniert seine Rolle spielt und trotz des ansprechenden optischen Dekors ist „Finch“ primär ein Film, der sich hauptsächlich auf die Interaktion zwischen einem Menschen, einem Roboter und einem Hund konzentriert. Die Wetterbedingungen sind nicht gerade gut und die anderen Überlebenden stellen eine Gefahr dar. Diese Tatsachen sorgen für einige spannende Szenen, den Schwerpunkt bilden allerdings die lustigen Interaktionen zwischen den Charakteren.

                                                Der Film lässt zunächst vieles offen. Doch während seines Verlaufs fügt sich jedoch alles ordentlich zusammen. „Finch“ konzentriert sich hauptsächlich auf Humor und Gefühl. Eine großartig ausgearbeitete und spannende Handlung gibt es eigentlich nicht. Im Mittelpunkt steht der tollpatschige Roboter, der lernen muss, sich wie ein Mensch zu verhalten. Die Szenen, in denen das passiert und der Roboter alltägliche Dinge lernen muss, sind lustig. Das alles geschieht ganz unbeschwert und spielerisch und hat keinen hohen intellektuellen Gehalt. Es ist halt lustig.

                                                Im weiteren Verlauf der Handlung wird die lockere Stimmung allmählich verlassen und die Ereignisse erhalten eine emotional akzentuierte Ebene. Besonders deutlich wird dies in der Figur von Finch, der inmitten einer unwirtlichen und leblosen Landschaft die letzte Bastion der Menschheit ist und mit seinen Gefühlen fertig werden muss. Die dabei gezeigten Emotionen wirken zwar ganz gut, sie fühlen sich jedoch nach meinen Geschmack partiell zu rührselig an. Das drückt etwas die Wertung.

                                                Fazit: eingebettet in atmosphärisch dystopische Bilder mixt „Finch“ Humor und emotionales Feeling zu einem Film, der zwar kein Meisterwerk, aber durchaus sehenswert ist. Diese atmosphärische Mischung ist zwar nicht sehr originell, aber sie funktioniert ganz ordentlich, und für eine einmalige Sichtung reicht es aus meiner Sicht aus.  

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                                                  smartbo 22.04.2022, 10:04 Geändert 22.04.2022, 18:52

                                                  Mein sieben Jahre alter Kommentar fiel für eine angemessene Würdigung des Top-Filmes viel zu kurz aus. Deshalb habe ich nach einem Rewatch eine Neukommentierung verfasst.

                                                  New York, 1935. Zu einer Zeit als viele Iren in der Hoffnung auf Arbeit und Glück nach Amerika auswandern, verlässt die Familie McCourt New York, um in ihre Heimatstadt Limerick zurückzukehren. Aber sie sind nicht willkommen. Der kleine Frank wird von seinen neuen Klassenkameraden gemobbt und „Yank“ genannt. Vater McCourt ist ein Träumer. Da er keinen Job findet, flieht er vor der Verantwortung in die örtliche Kneipe und Alkoholismus. Franks Mutter kann sich unmöglich allein um die Erziehung der Kinder kümmern. Mit einer gehörigen Portion Kampfgeist und Humor behauptet sich Frank jedoch. Er hat einen Traum: Schriftsteller zu werden und nach Amerika zurückzukehren.

                                                  Der Film beruht auf dem gleichnamigen autobiografischen Roman von Frank McCourt, der im Film der Hauptfigur ist. Er bietet einen authentischen Einblick in die irische Seele der 1930er Jahre. Es ist eine Zeit, die geprägt ist vom Überlebenskampf, Arbeitslosigkeit, Armut. Der Film ist eine unverblümte Chronik von Traurigkeit und Elend. Schauplatz ist die Stadt Limerick in Irland, die einen erbärmlichen Anblick bietet. Die Häuser sind alt und verwahrlost. Es ist nicht ganz leicht, den Unterschied zwischen dem Haus, in dem die Familie McCourt lebt, und der öffentlichen Toilette auf der Straße zu erkennen. Die Straßen sind dreckig und von den fast ununterbrochenen Regenfällen überschwemmt. Die Menschen sterben an Hunger, viele Krankheiten grassieren.

                                                  Wie kann man angesichts dieser unmenschlichen Bedingungen den Mut nicht aufgeben? So schlimm die Umstände auch sind, die Familie Court verliert sich nicht in Wehklagen. Und trotz der bedrückenden Stimmung reagiert sie ab und an sogar mit subtilen Humor auf ihr Elend. Sie versucht das Beste aus ihrer Situation zu machen. Die Hauptfigur Frank und die Familie haben kaum eine Wahl. Nach der x-ten Enttäuschung stehen sie zum x-ten Mal auf, beißen sich durch, um zu überleben. Wieder und immer wieder. Die Lebensbedingungen verbessern sich nicht. Armut, Kälte und Schmutz bleiben. Hoffnungslosigkeit, Elend und schlechte Zukunftsaussichten sind regelmäßige Begleiter.

                                                  So schlimm ist die Situation von Frank und der Familie. Doch der Film verzichtet darauf, starke Emotionen zu erzeugen, um den Zuschauer hollywoodreif in eine von Gefühlsduselei geprägte rührselige Stimmung zu bewegen. Vielmehr dokumentiert er dezent und erzählt die Geschichte frei von unechten sentimentalen Übertreibungen. Dieser nüchterne Erzählstil ist aber eindringlich und greifbar genug, um den Zuschauer auch emotional zu erreichen. Der Kampf der Familie gegen die Armut, gegen die Arroganz des reichen Bürgertums und gegen den Hochmut der Kirche ist lebensnah und erzeugt beim Zuschauen Betroffenheit und Mitgefühl. Unter all dem Elend und der Not ist erkennbar, wie die Charaktere versuchen, ihr Selbstwertgefühl zu wahren und das starke Band des familiären Zusammenhalts aufrecht zu erhalten

                                                  Fazit: ein weiteres Meisterwerk von Alan Parker, dem Regisseur des Filmes. Ihm ist das Kunststück gelungen, ein schönes und grundehrliches Sozialdrama zu inszenieren, das es versteht, den Zuschauer auch ohne Übertreibungen emotional zu erreichen. Der Film setzt auf reale Bilder und verzichtet auf eine weinerliche Atmosphäre. Das macht ihn so authentisch und absolut sehenswert. Top. Meine Empfehlung.

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                                                    smartbo 20.04.2022, 10:20 Geändert 20.04.2022, 16:25

                                                    Die alleinstehenden Brüder Phil (Benedict Cumberbatch) und George Burbank (Jesse Plemons) sind wohlhabende Grundbesitzer in Montana. Der eine ist ein cholerischer Allrounder, der andere ein ruhiger und introvertierter Typ. Aber beide haben gemeinsam, dass sie weithin respektiert werden. Nach einem Vorfall, der zum Tod des örtlichen Arztes führt, kommen sich seine Witwe Rose (Kirsten Dunst) und George näher. Das Paar heiratet heimlich, was die Loyalität zwischen den Brüdern gefährdet.

                                                    Der Film spielt in einer abgelegenen ländlichen Gegend und ist im Jahr 1925 in Montana angesiedelt. Im Mittelpunkt stehen zwischenmenschliche Beziehungen, verdrängte Gefühle. Das Besondere ist, dass sie im Film nicht ausgesprochen werden, aber für den Zuschauer gut erkennbar sind. Deutlich sind die Konfliktsituationen zwischen den Charakteren sichtbar, die von Anfang an die Stimmung bestimmen und sich so verschärfen, dass die Erwartung signalisiert wird, dass sie irgendwann im Film heftig ausbrechen werden. Der Film konzentriert sich hauptsächlich auf die männlichen Charaktere, von denen der sehr männliche Phil, schön gespielt von Benedict Cumberbatch, die komplexesten und undurchsichtigsten persönlichen Eigenschaften hat. Aber auch Kirsten Dunst ist stark und meistert ihre tragische weibliche Rolle vortrefflich. Übrigens: sie lebt in realen Leben in einer Beziehung mit Jesse Plemons, der im Film den George spielt, und hat mit ihm zwei Söhne.

                                                    Das Tempo ist sehr gemächlich und für meinen Geschmack zu langsam. Die Handlung kommt nur schleppend voran, weshalb die Geschichte kaum fesselt. Es gibt nur weinige Dialog, denen ich inhaltlich etwas abgewinnen konnte. Okay, sei‘s drum, ohnehin spielen die Dialoge zwischen den Charakteren eine nachrangige Rolle. Der Film lässt vor allem die Bilder sprechen. So wird in den Szenen, die am meisten über Phil etwas aussagen, überhaupt nicht gesprochen. Das sehe ich keineswegs kritisch, denn es sind die Bilder, die durchaus kraftvoll und partiell sogar emotional berührend sind. Die Geschichte wird aber nur dezent geschildert, deshalb fehlen die begeisternden oder tragischen Momente.

                                                    Dem Film fehlt es an markanten emotionalen Ups and Downs, die die Dramaturgie sicherlich bereichern würden. Dazu sind die gegenseitigen Beziehungen der Protagonisten zu komplex und zu sehr eingebettet in einer schwierigen Atmosphäre von Misstrauen, Hass, Neid, Eifersucht und Tragödie. Und so bleibt der Film in seiner lethargischen und monotonen Stimmung auf einer einzigen emotionalen Ebene gefangen, ohne eine beeindruckende Sogwirkung zu entfalten. Wo bleiben im Film der Schwung, der Witz, die Momente und Szenen, die beeindruckend hervorstechen und nachhaltig auffallen. Davon habe ich kaum etwas gesehen.

                                                    Was allerdings zweifellos zu gefallen weiß, sind die optisch ausgezeichnet eingefangenen rauen Landschaftskulissen, das aufwendige Setting und die zeitgemäße Ausstattung. Alles zusammen ergibt dies in der Summe ein sehr authentisches Bild des ländlichen Lebens in USA im Jahr 1925.

                                                    Fazit: Ich empfand den ganzen Film als ziemlich zäh zum Zuschauen. Es gab aus meiner Sicht kaum fesselnde Momente, die es geschafft haben könnten, mich in das Geschehen hineinzuziehen. Andererseits ist der Film nicht schlecht, und besonders hervorzuheben sind die wunderschönen Landschaftsbilder und die wirklich sehenswerte schauspielerische Leistung der Darsteller. Aber für eine gute bis sehr gute Wertung reicht es nach Abwägung aller Pro- und Contra-Aspekte aus meiner Sicht nicht aus.

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