Telebaum - Kommentare
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Alle Kommentare von Telebaum
Es ist mir ernst! Der Hymnen sind genug gedichtet. Seine Verdienste um den Film – unbestritten. Aber im ernst: Seine Filme mochten ja einmal ganz ansehnlich gewesen sein, doch aus heutiger Sicht sind sie, trotz der oft guten Vorlagen, fast unzumutbar geworden (zumindest die meisten), ja genau, unzumutbar, das wollte ich immer schon mal loswerden:
1. Studio-Kulissen und Projektionen (bei Autofahrten) wirken bei keinem anderen Regisseur so auffallend unecht, künstlich, lächerlich.
2. Seine Filme sind allesamt am Reißbrett entworfen und dann ohne jede spürbare Leidenschaft heruntergedreht und das merkt man ihnen an, steril, klinisch, tot.
3. Das Nervigste ist die gewollte emotionale Steuerung des Zuschauers, nicht etwa durch Schauspiel, Bild, Plot, sondern durch die leider nie schweigende schlechte Musik (Tipp: einen Hitchcock-Film mal ohne Ton anschauen!)
4. Schauspiel: Es gibt so gut wie keine Geste, die ich einem der Schauspieler in einem Hitchcock-Film abnehme, es ist als hätten sie allesamt nie die Schauspielschule verlassen, immer noch am üben, wie geht Angst? Wie geht Hysterie? Es ist und bleibt zumeist schlechte Spielerei, hysterisches Overacting, Grimassenkomik (von einigen Ausnahmen abgesehen).
5. Das größte Problem seiner Filme bleibt aber der Plot, d.h. dieses ständige und übrigens nie gelingende Stopfen von Logiklöchern, diese ganzen Pseudomotive, die allein dazu dienen, einen Plot zu stricken, zu häkeln, den der Zuschauer nicht beim ersten, sondern erst beim zweiten sehen als vollkommen unlogisch enttarnen muss.
6. Zuletzt noch eine Sache, die man ihm nicht unbedingt vorwerfen kann, mich aber dennoch arg stört: die Filme bleiben immer "billige" Unterhaltung, da gibt es keine tieferen Böden, keine Subtexte (außer natürlich jene, auf die mit dem Holzhammer hingewiesen wird).
7. Und nicht zuletzt diese lustige Hausfrauenpsychologie a la Marnie: im Grunde verkauft der so hoch gepriesene Regisseur seine Zuschauer für äußerst dumm.
Gegen die Macher von HELDEN ist Emmerich ja ein Fellini.
Absolut sensationelles Debüt, da fragt man sich, wie ein solcher Film in der öff. Wahrnehmung geradezu untergehen konnte, während ein Film wie OH BOY einen (für mich unbegreiflichen) Hype erfährt, vielleicht sollte man einfach mehr Energie auf die Titelwahl verwenden.
Es scheint in Mode zu kommen, Filme zu machen, obwohl man nichts zu erzählen hat, und weil man nichts zu erzählen hat, tut man so, als sei gerade das Nichtszuerzählenhaben das Erzählenswerte, vor dem Hintergrund, dass ein spannungsfreies Leben sich am besten spannungsfrei erzählen lässt, siehe OH BOY und nun FRANCES HA. Es gab eine Zeit, da machten sich Autoren noch Gedanken, wie man ein Thema, ein Milieu, ein Lebensgefühl, eine Figur oder wegen mir auch nur eine Stimmung in eine Story packen kann, wie man durch einen Plot Spannung erzeugt und den Zuschauer bei der Stange hält. Auf der anderen Seite gab es schon immer Filmkunst, die brauchte nie eine Story, weil sie schon immer audiovisuell funktionierte. Doch was haben wir hier? Es ist doch allzu auffällig, dass beide Filme in schwarz-weiß daherkommen, ohne dass es dafür irgend eine Plausibilität gäbe. Wenn ein Film, der heute spielt, in schwarz-weiß daherkommt, ist das A) als eine Form von Kunst/Ästhetik zu verstehen, oder B) als Vortäuschung einer Form von Kunst/Ästhetik, nämlich in der bösen Ahnung, in Farbe jeder Form von Kunst/Ästhetik zu ermangeln. Genau der Verdacht drängt sich sowohl bei OH BOY als auch bei FRANCES HA geradezu auf.
Auch wenn man ihm zugute halten muss, dass „Never Let Me Go“ statt der üblichen dystopischen SF-Elemente auf Subtileres setzt, statt der einfachen Antworten auf Fragen, so verfehlt er dennoch sein Thema, und zwar grundlegend, denn er erschöpft sich in Internats-Ritualen, Nebel-Landschaften, Porno-Heften, Eifersüchteleien und Spätpubertärem (zuweilen fühlte ich mich an Heimatfilme erinnert), als dass er noch Kraft hätte, sich wirklich mit dem eigentlichen Konflikt eines solchen Spenderlebens auseinanderzusetzen, sich zu reiben, zu dramatisieren, wenn die Figuren schon nicht ausbrechen zu lassen, so doch diese Möglichkeit zu thematisieren. (Ich weiß, einige sehen gerade darin die Stärke des Films, dass diese Möglichkeit in den Figurenzeichnungen gar nicht erst existiert.) Das Hauptproblem ist doch folgendes: Die Frage, die der Film behandelt (Haben diese Menschen eine Seele, sind es Menschen?) ist eine andere Frage als die, die ich mir als Zuschauer stelle (Warum kein Aufbegehren, keine Flucht, keine Rebellion?) Nun ist die häufig vernehmbare Antwort auf Letzteres, sie hätten so etwas wie Aufbegehren nie kennen gelernt, seien aufgrund der Erziehung nicht in der Lage dazu, besitzen keinen eignen Willen, betrachten sich nicht als vollwertig, sondern lediglich als Ersatzteillager mit Vollendungsdatum. Doch genau mit dieser Manipulation beschäftigt sich der Film so gut wie gar nicht (man vergleiche etwa mit „Dogtooth“), oder vll. tut er es gerade darin, indem er es verschweigt, weil es ja für die Figuren das Normalste von der Welt ist, aber eben nicht für mich als Zuschauer, es scheint den Regisseur (ich kenne die Vorlage leider nicht) einfach nicht zu interessieren, mich als Zuschauer auf diese mir unbekannte Reise mitzunehmen, ihm geht es allein um das zwischenmenschliche Drama und wozu er da eigentlich noch den Ishiguro-Stoff benötigt bleibt ein Rätsel, jeder andere Stoff hätte es wahrscheinlich genauso gut getan, denn als es bei Tommy endlich zum großen emotionalen Ausbruch kommt, beantwortet das zwar Frage eins, ja, das muss ein Mensch mit echten Gefühlen sein, aber Frage zwei schiebt sich nun noch dringlicher in den Vordergrund: Gibt es einen Menschen (Kann das ein Mensch sein), bei dem – selbst wenn er manipuliert wurde – solch einem emotionalen Ausbruch nicht einmal der Ansatz eines Ausbruch-Gedankens folgt.
Da ich seinerzeit eine Studienarbeit über diesen Film geschrieben habe, werde ich hier ein kleines Fazit zum Besten geben, für alle die es interessiert …
-------------SPOILERGEFAHR-----------
Joel Coen hat in einem Interview einmal erzählt, woher die Inspiration zu THE MAN WHO WASN’T THERE kam, von einem Wandposter in einem Friseursalon das Haarschnitte der 40er Jahre zeigte, woraufhin sie begannen darüber nachzudenken, was für ein Typ das sein musste, der all diese Haarschnitte drauf hat. Doch der Film ist so wirksam, weil er sich weder im Genre (Noir/Neo-Noir) noch in der Psychologie der Figuren auflöst, sondern vielmehr lösen sich die Bedeutungen der Zeichen ganz unscheinbar auf, der Film spielt mit dem Trügerischen des ikonischen Zeichens, mit dem Mythos Wirklichkeit. Genau wie Barton Fink ist Ed Crane zugleich Autor und Medium, er erlebt seine Phantasie als Wirklichkeit, er ist zugleich Erzähler, Medium und Rezipient seiner Geschichte, worauf vielleicht jene Einstellung hindeutet, in der er in einem großen Konzertsaal inmitten von Publikum sitzt, - man könnte angesichts der Sitzreihen und der nach oben gereckten Hälse tatsächlich glauben, wir befänden uns in einem Kinosaal und alle starren gebannt auf die Leinwand, bezeichnenderweise wendet sich Crane beinahe ab, er erträgt diesen (seinen eigenen) Film nicht, sein Bewusstsein ist zwar für die Dinge zugänglich, nicht aber für deren Bedeutung, ihm ist der semantische Zugriff auf diese (fiktive) Welt nicht möglich, der Erzähler sieht sich einer Wirklichkeit gegenüber, die sich einem ordnenden Diskurs entzieht. Die Lösung sucht er im Detail, jedes einzelne Haar wird ihm (uns) zu einem Zeichen, dem er (die Kamera) besondere Aufmerksamkeit schenkt, als könnten sie zerbrechen, die Zigarren sind „Romeo and Julias“, die Haarschnitte, das geschwungene N von Nirdliger taucht immer wieder auf, als hätte es etwas mitzuteilen, an Kaufhaustüren, auf Paketen und Tüten, - was allerdings und ganz mechanisch nur dazu führt, dass er (wir) in all diesen Zeichen auch eine Bedeutung suchen, ein absurder Schematismus: „Wehe dem, der Symbole sieht!“ (Beckett) Doch ihm und uns wird es unmöglich, Sinn aus den leeren Zeichen zu ziehen,wir stehen genauso da wie Crane, verloren in endlosen Betrachtungen, wir, die wir (gewöhnlich) auf Sinnsuche sind, spiegeln uns in dem Film (in Crane) selbst, es wird uns unmöglich, zwischen Schein und Sein zu unterscheiden. „Wahrheit“ wird als eine (geradezu mathematische) Funktion allerdings ganz willkürlicher Verkettungen von Zeichen definiert, jede Interpretation offenbart sich als neurotischer Zwang, die große Leere deuten zu wollen. Crane ist genau diese Lehrstelle zwischen den Ereignissen, er wird zum Überschuss in einem Spiel, in dem die Ereignisse sich ohne sein weiteres Zutun verketten. In ihm sehen wir jemanden, der sich in diesen Informationslabyrinthen verloren hat, der jeden Sinn für die Relevanz eines Zeichens verloren hat. Gleichgültigkeit ist die deutlichste Auswirkung. Er hat weder Orientierung noch irgendeinen Antrieb, er akzeptiert, was geschieht und tut, was man ihm sagt. Crane ist das neurotische Abbild einer geradezu wahnhaften Sinnkonstruktion von Welt und Geschichte, die ihren Höhepunkt in dem Glauben an Ufos findet. Beginnend mit der Zerstörung der großen Mythen, die sich hier im „Bingo“ auflösen, haben sich auch alle anderen Zeichensysteme ad absurdum geführt, einschließlich jene des Kinos. Selbst die Kriegsmaschinerie existiert nur noch als Symbol, als Souvenir aus Neuguinea. In diesem kleinen, geradezu lächerlichen Zigarrenmesser, das zur Tatwaffe wird, zeigt sich metaphorisch, dass Zeichen zurückschlagen können, sie machen sich selbstständig und bilden eine eigene Realität, die alles Lebendige tötet. Deswegen verläuft Cranes Geschichte nicht so, wie das Genre es vorschreibt, die Zeichen haben sich von ihren Bedeutungen gelöst, Lampenschirme werden zu Ufos. Die Zeichen lassen sich nicht verorten, weder im Mimetischen, noch im Genre, sie stellen vielmehr neue (und zu unserm großen Schrecken eigene) Verbindungen untereinander her, als Abbild unserer gesellschaftlichen Realität, d.h. ihrer Verselbstständigung in mythischen Zeichenlabyrinthen. Obwohl Crane 1949 lebt, ist er eine Kunstfigur aus dem Jahre 2001, und man kommt nicht umhin, den modernen Menschen in ihm zu sehen, die 1940er verweisen auf jene Zeit, in der die kommerzielle mediale Bilder- und Sinnproduktion einsetzt und der Film macht das deutlich, da auch das Erzählen dieser Geschichte seinen Grund in den fünf Cent pro Wort hat, die Crane von einem Herrenmagazin bekommt. Ökonomie ist das einzige Relevanzkriterium und infolge der ausschließlich kommerziellen Ausrichtung haben Sinnangebote einen ritualisierten Charakter angenommen und damit ihren eigentlichen Wert, nämlich Sinn zu vermitteln, eingebüßt. Die Funktion des Zeichens darin besteht, die Realität verschwinden zu lassen und gleichzeitig dieses Verschwinden zu verschleiern. Zeichenwelten sind an die Stelle konkreter Realität getreten und doch tun wir so, als befänden wir uns in einer authentischen Wirklichkeit, ja als würden wir auf all den Bildschirmen, die uns täglich umgeben, die Wirklichkeit behandeln. Crane nimmt sich und seine Wirklichkeit nur noch in der Veränderung wahr, die immer gerade jene Bedeutung annimmt, die er ihr gerade zumisst. Wachsende Haare stehen zum einen für das Vergehen der Zeit, zum anderen sind sie ein Zeichen für das tote Leben. Allein ihre Eigenschaft, wie Nägel nach dem Tod weiter zu wachsen, setzt sie in den Symbolbereich des Zombies. Zwei Slow-Motion-Sequenzen (nach Doris’ Verhaftung und nach ihrem Tod) zeigen das. Crane: „it was like I was a ghost walking down the street.“ Es ist dieser Schattenbereich, in dem das Lebendige und das Tote nicht mehr zu trennen sind, eine Realität, die von toten Zeichenwelten bestimmt ist, welche sich ihrer Referenz im Wirklichen entzogen haben. Als Crane sich über das Wachstum der Haare wundert, hat sein junger Kunde ein Heft mit dem Titel "Dead Eye" in der Hand. Er scheint seine Umwelt nicht wahrzunehmen. Überhaupt definieren sich fast alle Figuren über ihre Zeitschriften und Magazine. Crane schaut ironischerweise in das "Life"-Magazin, Frank liest aus der Tageszeitung vor, Doris liest in der Badewanne ein Frauenmagazin, Birdy ebenfalls eine Zeitschrift und der Junge Westernhefte.
Cranes Zweifel zielen darauf ab, warum das alles nichts bedeutet und er ahnt, er selbst ist die Antwort, ein filmisches Zeichen, das Bedeutung schafft und einen künstlichen Überschuss an Sinn herstellt. Er lebt nicht nur in einer Welt der Zeichen, er selbst ist das Zeichen, denn Kein anderes Sinnbild hat es soweit gebracht wie der Held: Als stilisierter Film-Noir-Held erinnert er an Humphrey Bogart oder Clark Gable. Wie kommen hier in einen Bereich, und das ist das Revolutionäre an diesem Film, in dem sich die Figur selbst als Figur in einer Erzählung (in einem Film) wahrzunehmen beginnt. Crane lebt als Zeichen auf der Oberfläche einer Filmleinwand, inmitten einer vorgegebenen Zeichenwelt. Er scheint sichdieser Existenz als sinnstiftendes Zeichen bewusst zu werden, er glaubte von Anfang an nicht an sein Ich. Doch er weiß nicht nur, dass er vor einer Kamera steht, sondern er hat es auch aufgegeben, zu glauben, eine große Filmpersönlichkeit sein zu können. Crane ist es überdrüssig, in seiner Rolle als totes Zeichen eine lebendige Illusion zu verkörpern, die Wirklichkeit ersetzen zu müssen. Das Manierierte seiner Vorgänger fehlt ihm völlig. Einzig sein Äußeres, die Garderobe, der Hut sowie das Rauchen erinnern noch an einen Noir-Helden, semantische Betrugsmanöver. In seinem Auftreten hat er diese Rolle vollkommen abgelegt, was vielleicht am deutlichsten wird, als er aus dem Konzertsaal („Kino“) kommt und Birdy und Tony gegenübersteht: nach ein paar Worten kommt es zum verlegenen Schweigen, bis Crane beschämt davongeht, noch dazu in die falsche Richtung, zurück ins „Kino“, wo ein jedes Bogart-Imitat einen flotten Spruch auf den Lippen hätte. Er hat ein Problem damit, etwas zu bedeuten, Sinn zu stiften, genau wie Hamm im Endspiel (Beckett): „wir sind doch nicht im Begriff, etwas zu … zu … bedeuten?“ Genau wie Hamm erklärt sich auch Crane zum leeren Mythos, indem er die Perspektive auf außerhalb seiner selbst verlagert. Entsprechend strahlt das Ufo am Schluss gleich einem Scheinwerfer Crane direkt an. Die Kamera ist der entscheidende Dirigent seiner Existenz. Genau drei Mal schaut er direkt in die Kamera, uns an: Als er davon spricht, ein größeres Geheimnis zu kennen, meint man, er wisse darum, eine Filmfigur zu sein, als er nach dem Unfall erwacht und verhaftet wird, meint man, er hat nach der ikonischen Wiedergeburt endlich genug von seinen Autoren, da er immer noch in diesem Spiel aus Zeichen existieren muss, und als er am Schluss auf dem elektrischen Stuhl sitzt, könnte man meinen, aus ihm spricht vor allem Erleichterung, er schaut durch uns hindurch, der Zuschauer hört auf, ein solcher für ihn zu sein, seine Rolle als Objekt der Wahrnehmung endet hier. Die Coen-B. legen hier den Existentialismus neu aus: Es ist nicht mehr nur der Mensch, dessen Existenz das Zeichen abbildet, es ist das Zeichen selbst, das sich existieren fühlt, das verdammt ist zum Weitermachen, ausgeliefert an einen unberechenbaren Text eines unbekannten Autors. Cranes Problem ist, auch wenn er um die Abwesenheit von Sinn weiß, so kann er sich dem doch nicht entziehen, da er als Filmheld genau das zu erfüllen hat, da Fernsehprogramme und Filmgenres nun mal als Welterklärungssysteme fungieren. Die Krise der großen Systemtheorien hat nicht nur die Produktion von Bedeutung in Frage gestellt sondern auch die Autorenschaft selbst. Worauf kann sich ein Autor verlassen? Auf sein Leben, auf seine Wahrnehmung der Wirklichkeit, auf die Zeichen, die ihm diese Wirklichkeit vermitteln? So ist der Anwalt Riedenschneider als Autor geradezu ein "Künstler", der Wahrheit und Wirklichkeit so formt, dass den Geschworenen im wahrsten Sinne des Wortes Hören und Sehen vergeht. Wir sehen eine Welt, in der Mythen, Oberflächen, tote Zeichen die Autorenschaft übernommen haben, die so genannten Autoren sind nur noch Formgeber, Beschneider, eine Analogie dazu findet sich natürlich in der Hauptmetapher des Film, den Standard-Haarschnitten. Sie scheinen Crane (sprich die Autoren) überall, wo er geht und steht, zu verfolgen und jetzt verstehen wir auch, worum es den Coen-B. geht, ihr eigentliches Thema, sie können diese mythischen Zeichenwelten nicht ignorieren, nicht vergessen, nicht ausradieren, sie sind Gefangene, sie können sie lediglich beschneiden, ausformen, Frisuren müssen genau wie Filmgenres immer wieder nach den gleichen Formen geschnitten werden, um ihr Erhalten zu garantieren, sonst droht wildes Wuchern, das Verwachsen der Haare (der großen amerikanischen Mythen), und so verweist der Haircutter letztlich auf den Filmcutter und wir beginnen zu verstehen, wie aus einem Wandposter mir Frisuren ein Film wie dieser werden konnte.
Glückwunsch zu diesem Film, an alle Beteiligten, gerade so vorbeigeschrammt am Kitsch, wenn auch nur knapp, Ang Lee goes to Titanic, geht aber nicht unter, weil der Eisberg mit an Bord ist. Perfekt an diesem Film ist die ästhetische Qualität, diese CGI-Gemälde irgendwo zwischen Wagner, Hyperrealem und Surrealem, und dann doch wieder so realistisch animiert, dass man nur staunen kann, (bzw. die Techniker und ihre digitalen Werkzeuge bewundern) nur der vor Längen strotzende Plot kann da nicht mithalten, Prolog und Epilog hätte man getrost auf ein Drittel reduzieren können, denn eines wird doch schnell klar, dass die laue Exposition eben nur ein lästiges Vorspiel ist für das worum es geht, die Survival-Titanic-Moby-Dick-Robinson-Geschichte. Was bitte interessiert da seine erste Liebe, seine Lehrer, die ihn falsch ansprechen, und wenn ich ehrlich bin, hätte es nicht einmal die Rahmenhandlung von wegen Schriftsteller-mit-Schreibblockade-sucht-inspirierende-Geschichte, gebraucht, mal abgesehen von dem ganzen Religionstatatatü inklusive froher Botschaft „wie-man-den-Glaube-an-Gott-wiederfindet“ etc., all das ist doch überflüssig, was hier zwischen Mensch, Tier und Naturgewalten passiert ist stark und vor allem philosophisch genug und hätte den Film ohne die vielen Krücken getragen, all diese Nebenschauplätze, diese pseudophilosophischen, pseudospirituellen und pseudoreligiösen Zaunpfähle braucht es da nicht, ganz im Gegenteil, ein Film der darauf verzichtet, gewinnt am Ende eine viel tiefere philosophisch-religiöse Dimension.
Einzig die Szene mit dem Tiger im Zoo ist in der Exposition relevant, alles andere (die Vorgeschichte um die Eltern und ihren Zoo) hätte man in fünf, zehn Minuten zusammenfassen können statt auf 40 Minuten aufzublähen und der Zuschauer hätte es ihm gedankt, denn Ang Lee hat sowieso schon immer den Hang dazu, eine beliebige Szene, und wenn es die belangloseste ist, länger auszuschmücken, als es dem Rhythmus des Films gut tun würde.
Aber ich sollte nicht zu kritisch mit diesem Film ins Gericht gehen, er ist immerhin ein Erlebnis der besonderen Art, sowohl visuell als auch erzählerisch, und ich bereue es nun, ihn nicht im 3-D-Kino gesehen zu haben (was an dieser Stelle allerdings den Vorteil eines objektiveren, da weniger geblendeten kritischen Blicks hat). Einige Bilder sind schon in 2-D atemraubend, etwas Schöneres, Kunstvolleres habe ich schon lange nicht mehr gesehen, und so wird das Kino endlich mal wieder in die längst zur leeren Pose gewordenen Spur zurückgeführt, in Bildern statt in Worten zu erzählen, auch wenn sich Ang Lee, so stilsicher wie nur wenige, was bei diesem Stoff kaum hoch genug zu bewerten ist, nicht davor scheut, - immer nah an der Grenze zum „Zuviel“ bewegend - die Realismus-Illusion hin und wieder zu sprengen, ohne aber dabei gänzlich ins Fantastische abzudriften.
Die Kunst des Films und natürlich von Cage liegt darin, einen so kaputten Typen so darzustellen, dass man ihn dennoch sympathisch findet, ihn lieb gewinnt, genau wie Sera, was gleichzeitig auch etwas Unglaubwürdiges hat, haben muss, denn ein schwerer Alkoholiker ist einfach abstoßend und nicht zu ertragen. Irgendwie hatte der Film für mich etwas von einem schönen traurigen Märchen.
Ambitionierter Film, der die spätkapitalistischen Entfremdungsgegebenheiten vielleicht etwas zu ernst "vorführt", soll heißen, es fehlt an Leichtigkeit, an Humor, die Dialoge wirken oft hölzern und um ein wirklicher guter Film zu sein, hätte man sich ganz sicher einen Ausbruch aus dieser Zombiewelt gewünscht, oder sogar etwas viel Radikaleres, etwas Befreiendes, aber vielleicht ist in dieser Ja-und-Amen-Generation dafür tatsächlich kein Platz mehr.
Ach du scheiße, hier läuft ja gar nix zusammen, es holpert und holpert und schleppt sich dahin und scheitert letztlich am aufgeblähten Wollen, wo es an Inspiration mangelt. Lustig ist das alles auch nicht wirklich. Es ist einfach nicht sonderlich originell, seine eigene Schreibblockade einfach seiner Figur zuzuschreiben, in der Hoffnung, so doch noch einen halbwegs brauchbaren Plot zustande zu bringen, das Ergebnis ist erschreckend flach, und ordinär.
Der Film hat meine hohen Erwartungen leider nicht erfüllen können. Dass einige den Film in einem Atemzug mit Malles "Le Feu follet" nennen oder ihn gar auf die gleiche Stufe heben, grenzt fast schon an Irreführung. OSLO, 31. AUG. ist weit entfernt davon, großes Kino zu sein. Ich will hier gar nicht anfangen, etwas im Detail zu kritisieren, natürlich kann man so Filme machen, aber es fehlt an Magie, es fehlt an Substanz und ja, es fehlt vor allem an Stimmung, an Atmosphäre. Das, was wir da sehen ist, nun ja, belanglos, Dialoge, die uns erzählen, wie absurd das "normale" Leben ist (wenn auch zum Teil ganz witzig formuliert), Party- und Clubszenen, die mittlerweile in keinem mehr fehlen dürfen, und zuletzt die längst überstrapazierte Freibadromantik bei Sonnenaufgang, zwischendurch natürlich Proust, Rilke und Adorno eingestreut, um dem ganzen den intellektuellen Touch zu verleihen, nein, das alles ist blanker Kitsch, ich muss das so sagen, bis hin zur Händel-Suite vorm goldnen Schuss. Retten tut diesen Film einzig die Tatsache, dass er, warum auch immer, funktioniert, das will ich ihm nicht absprechen, aber großes Kino ist etwas anderes, zu ähnlichem Thema empfehle ich z.B. Petzolds "Gespenster".
Man sollte sich durch den Titel und das DVD-Cover des deutschen Verleihers nicht abschrecken/täuschen lassen, „Hardcore“ ist nach „Matchbox“ (2002, Economides) der Film, der dem neuen griechischen Kino den Weg geebnet hat, und damit Filmen wie:
„Kinetta“ (2005, Lanthimos)
„Strella“ (2009, Koutras)
„Dogtooth” (2009, Lanthimos)
„Homeland“ (2010, Tzoumerkas)
„Attenberg“ (2010, Tsangari)
„Knifer“ (2010, Economides)
„Wasted Youth“ (2011, Vogel)
„Unfair World“ (2011, Tsitos)
„Alpen” (2011, Lanthimos)
„L“ (2012, Makridis)
Was genau das griechische Kino der letzten zehn Jahre ausmacht, warum es so fasziniert, das kann ich nicht einmal sagen, in jedem Fall fällt diese sehr eigenwillige und alle Grenzen auslotende Filmsprache auf, verstörend, irritierend, polarisierend. Es ist diese Gleichzeitigkeit/Ambivalenz von Härte und Zärtlichkeit, von Intensität und Stille, von Direktheit und Subtilität, von Gleichgültigkeit und Emotionalität, von Naivität und Erkennen, von Distanz und Nähe, von Körperlichkeit und Roboterhaftigkeit, von Trieb und Antriebslosigkeit, von Ästhetik und Ekel, mit der hier Filmwelten entworfen werden, die vor nichts zurückschrecken und dabei alles ins Wanken bringen, nicht zuletzt, weil es gerade unsere Welt ist, die wir hier sehen, unsere Leben, unsere Krankheit. Ja, denn letztlich geht es um die Krankheit dieser Welt und was sie aus den Menschen macht, und manchmal wird so etwas wie Heilung angedeutet, und hier sind wir wieder bei der kathartischen Tragödie des alten Griechenlands.
Absolut rund der Film, keine falschen Töne, stimmig in jeder Geste, und das, obwohl ich der Figur Ann ihren bevorstehenden Tod nie und nimmer abkaufe (ganz unabhängig vom Spiel der Sarah Polley), nein, ich rede vom Konzept dieser Rolle, es ist eigentlich gar kein Film über das Sterben, und genau deswegen funktioniert er (zumindest für mich) so gut, ich mag sonst keine Filme über Krankheit und Tod, aber so kann mans machen, selten wurde im Kino so schön gestorben, ich meine, hier stirbt ein Mensch aber ich fühle mich nach dem Film weder traurig noch deprimiert, ganz im Gegenteil, ein Film voller tiefer schöner Gefühle.
--------------- SPOILER --------------------------
Einige Anmerkungen zu THE PASSENGER:
David Locke treibt sich als BBC-Reporter in der afrikanischen Wüste herum, um einen Dokumentarfilm über einen Bürgerkrieg zu drehen. Bezeichnenderweise sucht er, als wir ihn kennen lernen, eine Verbindung zu den Rebellen, obgleich er sich – wie wir später erfahren – bisher ausschließlich mit den Plattitüden eines Präsidenten zufrieden gab, der von einem Krieg gar nichts wissen will, für den es keine Probleme gibt, ja, nicht einmal eine Opposition. Dieses Hinausgehen über seinen „Horizont“ setzt eine Identitätssuche in Gang, die Locke nicht überleben wird. Am Anfang steht die Frage: Wer bin ich? Am Ende steht ein Trugbild.
Schon als ein Einheimischer Locke zu dem Krieg führen will, verläuft sich die Spur im Leeren. Locke findet keinen Krieg, lediglich eine harmlose Karawane in einer rosa Wüste, sein Wagen bleib in den Dünen stecken, ein Kamelreiter erwidert nicht einmal seinen Gruß. Locke ist ein Nichts, seine Suche verläuft im Nichts, der Führer verschwindet im Nichts. Was bleibt ist Sand, Sonne, Wüste. Er schreit, ihm sei das egal. Und dieser Schrei ist so etwas wie ein erster Zweifel an der "Richtigkeit" seiner Identität.
Wir sehen eine Szene, da kommt der halb verdurstete Locke aus der Wüste ins Hotel, verlangt nach Wasser und währenddessen lässt er minutenlang die Dusche laufen, ohne jedes Bewusstsein dafür, welchen Wert das Wasser, das er gerade verschwendet, hier besitzt. Diese Szene ist sehr sinnbildlich für Locke, den entfremdeten Wohlstandsmenschen. Locke fehlt der Zugang zur fremden Kultur, mit Landschaften kann er nichts anfangen, seine Arbeit fühlt sich im Gegensatz zum Filmtitel weniger als Profession, denn als systemtragend an. Sein distanzierter Blick, für den er von den Medien gerühmt wird, ist letztlich nichts anderes als der arrogante Blick des Westens auf die 3. Welt.
Während Locke die Passbilder vertauscht, hören wir zunächst einen Tonbandmitschnitt, der ein früheres Gespräch zwischen Locke und Robertson wiedergibt. Dann schwenkt die Kamera in Richtung Fenster und dann sehen wir durch dieses Fenster eine Rückblende auf das frühere Gespräch der beiden. In Robertson traf Locke einen Weltenbummler, jemanden, der nirgends zu Hause ist, der scheinbar nicht der westlichen Welt anzugehören scheint. Interessant ist die Bemerkung Robertsons, dass Locke sicher ein viel schwereres Leben hat als er selbst. Vielleicht denkt er genau daran, als wir ihn noch etwas unschlüssig dastehen sehen, das blaue Hemd von Robertson in der Hand, dann schwenkt die Kamera zur Decke, und während wir auf den rotierenden Ventilator starren, tauscht Locke das Hemd und damit die Identität – ein Mittel Antonionis, dem wir auch in der Schlusseinstellung wieder begegnen: während das Entscheidende passiert, verselbstständigt sich die Kamera und kehrt erst zurück, um uns mit dem Ergebnis zu konfrontieren.
Locke ist nun Unterstützer eines Krieges, den er bisher vergeblich gesucht hat. Wir sehen Lockes Frau, die sich einen seiner früheren Dokumentarfilme anschaut, in dem der afrikanische Präsident sagt, es gebe keinen Krieg, während wir die Dreharbeiten zu dem Film sehen, wie schwer bewaffnete Leibwächter den Präsidenten beschützen. Und jetzt verstehen wir auch, warum Locke keinen Krieg gefunden hat, er hat sich immer damit begnügt, kritiklos die Stimme des Präsidenten einzuholen. Er war nie zum Kern des Konflikts vorgedrungen, die Rebellen, die Sicht auf die andere Seite, das große Ganze, das alles war für ihn fremd, unrelevant, unsichtbar, er wollte es nicht sehen. Kurz vor seinem Tod erzählt Locke von einem Blinden, der plötzlich wieder sehen konnte, aber nicht ertrug, was er sah, sich im DUNKELN einsperrte und schließlich umbrachte.
In der achtminütigen Schlusseinstellung verlässt die Kamera Locke, den in seiner Haut, in westlichen Konventionen, in vorgegebenen Zeichen und Bildern Gefangenen, sie bewegt sich durch Gitterstäbe und verlässt damit sein geistiges Gefängnis, seine falsche Identität. Sein Todestag ist der 11. September 1973, in Robertsons Kalender war der Tag rot angestrichen. Es sieht nach Mord aus, doch wir wissen es nicht, es könnte auch Selbstmord gewesen sein, wir sind Blinde, so scheint uns Antonioni sagen zu wollen, auf die „Willkür“, nein schlimmer, auf die "Fernsteuerung" einer Kameraperspektive angewiesen.
Wie einige Kommentare ganz richtig sagen: als FILM funktioniert SNY nicht und genau das ist mein Problem damit. Selbst einige wohlwollende Kommentare geben zu, dass SNY kein Film sei, keine Kunst sei (sondern das Leben). Das sagt doch alles: Filmkunst bedeutet für mich, aus dem Leben einen Film zu machen, aus Leben Kunst zu machen, und genau hieran scheitert Kaufman in meinen Augen, wenn auch grandios. Vom Leben hab ich selbst genug und gelesen hab ich auch genug, um mich von diesen ganzen Binsenweisheiten nicht verführen zu lassen. Vielleicht hätte der hochgelobte Drehbuchautor doch lieber einen Regisseur die Regie machen lassen sollen, vielleicht wäre dann ja ein Film herausgekommen, so aber bleibt für mich lediglich P.S.Hoffmans unfassbar geniales Spiel, das wieder einmal seine herausragende Stellung als Darsteller unterstreicht, den Film, der keiner ist, (keiner sein will?) kann das schlechterdings nicht retten.
Den Film mit Melville und Bresson zu vergleichen, ist zwar verlockend, zugegeben, aber ich halte das für nicht sehr sinnvoll. Man muss die Berliner Schule doch mal als etwas ganz neues und eigenständiges betrachten, als eine Form, das alles schon Gesehene hinter sich zu lassen. Natürlich, wenn man sich Melville-Filme anschaut, dann brauch man doch gar nicht erst beginnen, einen eigenen Film zu machen, und den Meister zu kopieren, damit ist auch nichts gewonnen. Ehren wir also Arslans Versuch (genauso wie Heisenbergs RÄUBER), das Genre ich möchte fast sagen neu zu interpretieren, das ist bisher nicht wirklich gelungen, auch ich störe mich vom Schauspiel, über die Dialoge bis hin zum Fehlen der Metaebenen an Vielem, was da zu sehen bzw. nicht zu sehen ist, dennoch muss ich sagen, dass mich insbesondere der Minimalismus dieser Filme beeindruckt und wie man es schafft, mit diesem Minimalismus den Zuschauer bei der Stange zu halten, ich zumindest habe mich bei beiden Filmen nicht gelangweilt, auch wenn das natürlich nicht das relevanteste Kriterium ist, es bleibt danach nicht viel, aber das lege ich nicht der Schwäche des Konzepts sondern der Schwäche der Regisseure aus.
Die beste Möglichkeit die Filme der Berliner Schule zu bewerten ist also, sie von einer völlig neuen Warte her zu sehen, was voraussetzt, sich zunächst einem in das Dilemma eines Filmemachers im 21. Jh. Zu versetzen, auf dem die Filmgeschichte mit eben so unfassbaren Meisterwerken wie denen von Melville und Bresson lasten. Dort weiterzumachen ist schlechthin unmöglich, es wurden da Gipfel der Filmkunst erreicht, von denen man nur wieder hinabsteigen kann, und Nachahmer gibt es ja nun zuhauf. Auch wenn RÄUBER und IM SCHATTEN sicher nicht wirklich gelungen sind, sie stehen für mich für einen Aufbruch, der einfach einen völlig neuen Weg für das neue deutschsprachige Genrekino einschlägt bzw. eröffnet, dessen weitere Richtung noch gar nicht so wirklich absehbar ist, aber auf die zumindest ich gespannt bin – Scheitern ist auch eine Form der Kunst, allemal besser als Epigonentum.
Hier passt hinten und vorne gar nix zusammen.
Räume, Körper, Atome – das also passiert, wenn eine niederländische Filmemacherin die Berliner Schule einem Lackmustest unterzieht, soll heißen: noch länger die Einstellungen, noch klinischer die Perspektive, noch weniger der Worte, noch weniger der Erklärungen, noch weniger der Psychologie. Das Ergebnis könnte man fast als filmischen Dadaismus bezeichnen und tatsächlich, als Charlotte sich gegenüber ihrer Psychiaterin erklären will (das Wesentliche wird ja immer beim Gehen auf der Türschwelle gesagt), lauscht man einer dadaistischen Sinnvernichtungsrede (das Drehbuch hierzu würde mich schon mal interessieren).
Ob ich das gut finde?
Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht sicher. Drei (zugegeben nicht ganz ernst gemeinte) Versuche des Herangehens:
1) Ich kann nicht leugnen, dass ich mich nahezu während der gesamten Laufzeit statt mit Charlotte vielmehr mit der Darstellerin Sandra Hüller identifiziert, mich in sie eingefühlt habe, soll heißen, mich gefragt, mit wieviel Lust oder Unlust sie die Dreharbeiten wohl über sich ergehen ließ, bei denen sie die Hälfte der Zeit nackt vor einer Kamera (+Stab) liegt, steht oder sitzt und darauf wartet, dass nach gefühlten Ewigkeiten endlich jemand sagt: Schnitt, danke. (Ist das im Sinne der Schöpferin?)
2) Würde man jede einzelne Einstellung des Films abfotografieren und in ein Fotoalbum kleben – beim Betrachten dieses Albums, im Hintergrund läuft natürlich der Soundtrack, wäre kaum etwas verloren (nur würde man sich dafür wohl kaum 100 Minuten nehmen).
3) Der Film ist ein Tipp für all jene, die ihre gefühlte Lebenszeit verlängern wollen: vor allem der dritte Teil, die letzten 30 Minuten fühlen sich an wie 300.
Ich halte "La Nuit américaine" filmhistorisch gesehen eher für eine unbedeutende Fußnote. Wer etwas Relevantes sehen will, sollte sich besser "Le Mépris" anschaun.
ich weiß nicht ich weiß nicht, kann man, darf man, muss man das deutsche kino so ignorieren, ein herzog, ein lang, kein Fassbinder, kein Petzold, kein Haneke
Ich halte den Film für noch besser und vor allem tiefgründiger als AMERICAN BEAUTY. Hier bündelt sich das ganze westliche Entfremdungsdrama zu einem geradezu parabelhaften Vorstadtdrama, das zwar so ziemlich in jedem Moment vorhersehbar wird, aber dadurch nur umso zwingender und folgerichtiger den bequemen Lebensentwurf desillusioniert.
Diesen beiden Darstellern, insbesondere ihren Dialoge, dem zuzusehen, das ist so faszinierend wie lächerlich. Lächerlich dumme Dialoge, lächerlich übertriebene Eifersucht, lächerlich gestellte Boxszenen, lächerlich auch die gesamte Schlusssequenz - irgendwie schafft es Scorsese soviel Lächerlichkeit zu einem wenig lächerlichen, zu einem äußerst faszinierenden Film zu bündeln, wie er das macht ist mir rätselhaft. Würde man den Film in seine Einzelteile zerlegen, außer Unglaubwürdigkeit bliebe nichts übrig. So aber bleibt ein Darstellergespann, das mittlerweile gegen jede Kritik immun sein kann. Was für das Gesamtwerk nur mit Einschränkungen gilt.
... ach ja, grau muss er sein, grau und wolkenverhangen, der deutsche Film, Humor darf er haben, aber bloß nicht zu viel, etwas trauen darf er sich, aber bloß nicht zu viel, und authentisch darf er sein, davon nie genug. Ich muss dann doch mal als Spielverderber in dieses große Gehype um den Film einbrechen, nicht aus bösem Willen, sondern weil die haufenweise positive Rezensionen m.A.n. viel zu hohe Erwartungen wecken. Oh Boy mag ja ein recht passabler Abschlussfilm sein, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Dass man einen Film in diese schwarzweiß-Foto-Künstlichkeit kleiden muss, damit wollte man wohl bereits von vornherein diesen Mangel an dem, was Kino ausmacht, kompensieren. Man schaut dem Treiben zwar ganz interessiert zu, aber irgendwie fehlt da etwas, ich kann es nicht benennen, ja ja, der Film atmet die Stadt, nun gut, es reicht nicht, es reicht einfach nicht, vielleicht auch, weil man das alles ja kennt, wenn man in Berlin lebt, es fehlt dieser tiefere Boden, eine klare Motivation, warum einen solchen Film machen, was will ich im Zuschauer ansprechen, außer der Vergeblichkeit, einen Kaffee zu bekommen und wenig mit seinem Leben und der Welt anfangen zu können. Was will uns der Künstler sagen? Weiß er es selbst? Will er uns von seinem Leben erzählen, in dem es doch so wenig Erzählenswertes gibt? Man könnte es fast glauben. Der Punkt ist, glaube ich, Gerster hat eine Menge zu erzählen, nicht nur von dieser Stadt, sondern von dem großen Nichts dahinter, und er versucht sich auch daran, nur dann traut er sich nicht, er geht nicht weiter, er wagt zu wenig, er hat all die vielen und berge von Konventionen vor sich liegen, aber es ist ein Anfang ...
Stumpf geht der Mensch zugrunde.
Der Dokumentarfilm KINDER. WIE DIE ZEIT VERGEHT ist eine Offenbarung. Nicht weil er etwas über das Leben in der ostdeutschen Platte, über das Leben in Halle-Neustadt erzählt, sondern weil er von der Existenz an sich redet resp. schweigt. Nicht umsonst löst der Film soviel Widerspruch aus: das Problem ist, dass Thomas Heise allgemeinhin als Chronist der Nachwendezeit in Ostdeutschland gilt, doch dieser Film distanziert sich von dieser engen Vereinnahmung: es geht nicht um Ostdeutschland, auch wenn diese Kulisse für einen solchen Film mehr als passend erscheint, es geht um viel mehr. Wir haben es hier mit einer Parabel über die Sprachlosigkeit, die Nichtigkeit und die Demütigung der Existenz zu tun. Über Trug, Illusion und Indoktrination einer erschöpften, einer verirrten Zivilisation. Dumpfheit und Depression. Verirrung und Verblendung. Das hat nichts Artifizielles, das ist Existentialismus in Reinform.
Das ist gewagt. Das ist grenzwertig. Das ist groß.
Jedem dieser unglücklichen Seelen würde man zuallererst wünschen, nie geboren zu sein oder wie der existentialistische Philosoph Emile M. Cioran schreibt: „Wenn jeder begriffen haben wird, dass das Geborensein eine Niederlage ist, dann wird die Existenz endlich erträglich werden.“
Im letzten Satz des Films heißt es: „Der Mund entsteht mit dem Schrei.“ Besser geht’s nicht. Der Schrei hat nur Sinn, wenn ihn jemand hört. Hier aber würde er ungehört verhallen, als blasses Echo zwischen den Betonplatten hin und her hallen, auf alle Zeiten, ewig. Aber da ist der Titel … Wie die Zeit vergeht – das klingt fast wie eine Art Hoffnung, es werden andere, bessere Zeiten kommen... vielleicht...
So recht glauben möchte man daran nicht.
So ambitioniert, so bemüht all die Verfilmungen großer Literatur auch sein mögen, zu 99% sind sie zum Scheitern verurteilt. Ob Joyce, Kafka oder Proust, je größer die Sprachkünstler, desto jämmerlicher muss die Verfilmung ausfallen. Denn alles andere wäre ja auch ein kleines Wunder: ein Buch das auf über 1000 Seiten den Alltag eines Anzeigenakquisiteurs schildert, tut das noch nicht, weil es diesen Alltag so spannend findet, sondern er nimmt das Banale nur zum Anlass um Sprache und ihre Möglichkeiten zu erkunden und zu zelebrieren. Stellt sich nun die Frage, warum ein Filmemacher sich dazu berufen fühlt, diese einzigartige Sprachorgie in Filmsprache übersetzen zu wollen was schlechterdings nicht funktionieren kann, zumindest wenn man sich derart an dem Plot festzuhalten sucht. Es gäbe da sicher Möglichkeiten, aus Blooms Innenleben auch recht unterhaltsame Film-Bilder zu kreieren, doch Voraussetzung wäre es - und das ist zugegeben ohne ein gewisses Maß Distanz gegenüber des literarischen Gottes Joyce nahezu unmöglich - sich eben nicht an diesem Stoff festzuklammern sondern ihn völlig frei zu interpretieren, loszulassen.