Hurra - Keine Oscars für Batman & den Hobbit

16.01.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Keine Oscars für Batman & den Hobbit
Academy / Warner bros.
Keine Oscars für Batman & den Hobbit
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Kein Batman und auch fast kein Hobbit, dafür viel österreichische Amour. Die Oscar-Nominierungen 2013 überraschen positiv, weil sie sich nicht am bloßen Unterhaltungs-Mainstream anbiedern. Von kleinen Hushpuppys einmal abgesehen.

Mit zwölf Minuten Verzögerung traten am vergangenen Donnerstag Emma Stone und Seth MacFarlane vor Journalisten und Kameras, um die Nominierungen für die 85. Oscarverleihung der Academy of Motion Picture Arts and Sciences zu verkünden. Und was die Gwen Stacy zweiter Klasse und der kreative Geist hinter der Proll-Komödie Ted da vorzulesen hatten, war nicht gerade arm an Überraschungen. Auf ganze fünf Nominierungen etwa hat es das österreichisch-deutsch-französische Dahinsiechungsdrama Liebe von Michael Haneke gebracht, auszugehen war im Vorfeld höchstens von einer Nennung für den Besten fremdsprachigen Film. Kurios genug: Der mit beklemmender Unaufhaltsamkeit von Tod und Liebe erzählende Cannes-Gewinner ist letztlich sowohl in dieser Kategorie, als auch für den insgesamt Besten Film des Jahres nominiert – eine abermals herrliche Selbstaushebelung der eigenen irrsinnigen Kategorieregeln, wie seinerzeit unter anderem bei Das Leben ist schön.

Gehobene Schauspielkunst 70+
Eine kleine Sensation sind die Nominierungen für Liebe (Amour) allemal, öffnet die auf lokale Filmerzeugnisse (sprich: auf Hollywoodland) beschränkte Academy doch selten den Blick (sprich: weitere Kategorien) für internationale Filme, die der Selbstbeweihräucherung natürlich abträglich sind. Vor allem tut sie es in der Regel schon gar nicht, wenn es sich dabei um endlos träge Ein-Zimmer-und-vier-Wände-Geschichten aus der Hand eines österreichischen Didaktikers wie Haneke handelt, dessen vormaliger Oscarkandidat Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte bei der Verleihung vor drei Jahren ja noch souverän umgangen wurde. Doch niemand sollte die überwiegend tattrigen Academy-Mitglieder unterschätzen, wenn es um gehobene Schauspielkunst 70+ geht. Und das Durchschnittsalter der etwa 6000 zur Abstimmung befugten Künstler (vorwiegend: Schauspieler) ist ja dann auch sowieso ein Schlüssel zum Verständnis der Oscarmechanismen und alljährlichen Nominierungen.

Kein Batman und fast kein Hobbit
Also zum Wesentlichen. Erst einmal ist es überaus erfreulich, dass es The Dark Knight Rises auf keine einzige Nominierung gebracht hat, denn da galt es nach den insgesamt acht (!) Nennungen, die der Vorgänger The Dark Knight vor vier Jahren noch vorzuweisen hatte, doch anderes zu befürchten. Aber selbst bis in die besonders greisen Reihen der hin und wieder nach populärem Massengeschmack schielenden Academy (vorwiegend aus Gründen der von Jahr zu Jahr schwächer werdenden Oscar-Quote) scheint sich herumgesprochen zu haben, dass die stocksteife Ernsthaftigkeit eines Christopher Nolan allmählich Übersättigungsstaub ansetzt. Gleiches gilt wohl auch für Der Hobbit: Eine unerwartete Reise, der mit drei vernachlässigenswerten Nominierungen ausreichend bedient ist. Bei aller Sympathie für den Entrüstungsschrei eiserner Tolkien-Jünger: Eine preiswürdige Großtat des Kinos ist dieser Film von Peter Jackson nun beileibe nicht, und er bedient letztlich nichts, das nicht bereits die Filme der Herr-der-Ringe-Trilogie bedient hätten – und die wurden mit Oscars ja geradezu überschüttet. Also ruhig Blut, kleiner Bilbo, den Weg in Doku-Soap-Ästhetik kannst du auch ohne Goldsegen weiter gehen.

Weitere verblüffende Annehmlichkeiten
Dass sich die Oscar-Academy indes wiederum ebenso vollkommen unbeeindruckt vom esoterischen Kasperltheater Cloud Atlas – Alles ist verbunden zeigte, ist auch eine schöne Überraschung. Nicht einmal in der Make-up-Kategorie, für die der Film ja wie gemacht scheint, reichte es für eine Erwähnung. So also muss die ulkige Verkleidungsparade des hochnotpeinlichen Who-is-Who-Schinkens auf der kommenden DVD- und Blu-ray-Veröffentlichung leider ohne werbenden Zusatz auskommen, der ihr grandios-schmieriges Asiaten-Make-up für die Blackface-Spätgeborenen würdigt. Armer Hugo Weaving, die schönste Altenpflegerin des vergangenen Kinojahres. Viel erfreulicher aber ist da noch die Nicht-Nominierung in der Fremdsprachensektion (für die sich ja mitunter auch Cloud Atlas empfohlen hätte) von Onkel Tom – The Movie, auch bekannt als Ziemlich beste Freunde. Ob sich die Auswahljury ihre Oscars für das anstehende US-Remake warm halten möchte oder doch einfach nur herzlich unbeeindruckt ist vom europäischen Erfolg dieses gruselig auf Konsens getrimmten Feelgood-Lustspiels aus der französischen Biedermeierhölle, spielt dabei eigentlich keine Rolle – begrüßenswert ist es so oder so.

Südstaaten-Märchen versus Autorenfilmer
Schade nur, dass die sonst zwar recht konventionell, aber überwiegend treffsicher gewählten Oscar-Kandidaten 2013 (dazu später noch einmal mehr) nicht vor den Beasts of the Southern Wild Halt machen wollten. Die Platzierung dieses banalen Südstaaten-Märchens auf zahlreichen populistischen Kritiker- und Jahreslisten ließ zwar schon erahnen, dass die Academy mit ihrer Liebe für angebliche Independent-Filme (so unabhängig wie ein Film, der von Fox-Searchlight vertrieben wird, halt sein kann) und gemachte Außenseiter-Überraschungserfolge nicht an ihm vorbeikommen würde. Dass sie aber Regisseur Benh Zeitlin vor den in dieser Kategorie nicht nominierten Filmemachern Quentin Tarantino (Django Unchained), Kathryn Bigelow (Zero Dark Thirty), Paul Thomas Anderson (The Master), Tom Hooper (Les Misérables) oder Ben Affleck (Argo) sehen, ist leider nur noch albern. Und mit der historischen Nominierung für die erst 9jährige Quvenzhané Wallis, die im Film als nervtötende Hushpuppy das Armutsporno-Herz erwärmen soll, setzen die diesjährigen Oscars leider ein recht zweifelhaftes Zeichen ihrer Vorstellung von besten Hauptdarstellerinnen.

Als Mr. Vincent Vega polemisiert sich Rajko Burchardt seit Jahren durch die virtuelle Filmlandschaft, immer auf der Suche nach dem kleinstmöglichen Konsens. Denn “interessant ist lediglich Übertreibung und das Pathos – alles andere ist langweilig, leider.” (Christian Kracht). Wenn er nicht gerade auf Moviepilot aneckt, bloggt Rajko für die 5 Filmfreunde und sammelt Filmkritiken auf From Beyond.

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