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Alle Kommentare von Helmholtz
Hast du dich da bei einem gewissen Satz so gegen Mitte des Textes von meinem Tweet bezüglich Antje Wessels "Kritik" von Endgame inspirieren lassen oder werde ich schon zum totalen Egozentriker? :D
Also geht es im Grunde darum Filmclubs zu organisieren? Ich weiß ja nicht ob das wirklich den großen Unterschied macht (weil es mir fragwürdig ist, wieviel der Konsument tatsächlich Einfluss auf den Markt hat), aber ja auf lokaler Ebene wäre da vielleicht schon was erreicht. Zudem vertraue ich da mal auf dein know-how und deine Erfahrung im Business. Wollte eh schon lange nen Filmclub gründen. Team Wien. Nur die Details hab ich nicht so recht verstanden. Wo fängt man an?
Sehr schön! Dem hinzuzufügen wäre vielleicht noch, dass das domestic-foreign Verhältnis der Einspielergebnisse zur Zeit 30/70 beträgt, mit über 330 Mio. aus China. Spricht glaube ich für sich.
Abgesehen vom, wie immer großartigen Text, hier eine kurze Kritik von meiner Seite: Seit dem letzten Update -an dem ich eigentlich nicht mal so viel auszusetzen habe, auch wenn ich einiges daran wirklich nicht sonderlich mag- läuft die Seite auf der mobilen Version extrem klobig und frustrierend langsam. Einen Kommentar am Handy verfassen, vergiss es. Schade, hatte MP nämlich sehr oft übers Handy aufgerufen. Glaube auch, dass viele User dadurch die Seite weit seltener aufrufen. Schade, vor allem (aber eben nicht nur) natürlich für euch.
Naja. Jordan Peele hat sich mit seinem Debut "Get Out" vor zwei Jahren so quasi eine eigene kleine Niesche im gegenwärtigen Horror-Genre erobert: Sein Film pendelte irgendwo zwischen rabenschwarzer Satire und perversem Körperhorror, der sowohl Identitäsproblematiken als auch Woke-Dialoge bemühte, der den Diskurs über die Geschichte marginalisierter AfroAmerikaner genauso in sich tragen konnte wie großzügige Referenzen in Richtung Genre- und Kinogeschichte. Das wirkte zugegeben frisch und auch zweifellos reich an Themen und Diskussionsstoff, trug allerdings auch viele Makel eines Debütfilms in sich, der vor allem schon alles sagen will, was sich beim Regisseur so angestaut hat. Noch mehr war es aber gerade die Tatsache, dass Peele schon ziemlich genau wusste, wie er das alles sagen wollte und wie er das alles miteinander in Zusammenhang setzen konnte. So entstand dann in erster Linie ein sehr rundes und ziemlich perfekt geöltes Uhrwerk von Film, in dem alles seinen Platz hat, vielleicht sogar die Störfaktoren.
Appropos Störfaktoren, einen Moment gab es in dem Debüt schon, das die Aura des Entfremdeten, des tatsächlich Unergründlichen, des sich nicht so ohne weiteres ins Gesamtbild integrierbaren in sich trug: Da fängt ein Zimmermädchen in einer total banalen Unterhaltung an in Tränen auszubrechen. Ohne dass sie dabei je ihr gezwungenes Grinsen ablegt. So ein Moment ist gerade in seiner Ambivalenz verstörend: Auch im Angesicht des - die sorgfältig aufgebauten Verhältnisse eben leider nicht sonderlich interessant umordnenden Twists - bleibt diese Szene wunderbar isoliert und schwer deutbar. Einen solchen Moment gibt es auch in Peeles neuem Film "Us", auch wenn er leider erst gegen Ende: Da tanzen Lupita Nyong'Os Figur Adelaide und deren Doppelgängerin Red zu einer verzerrten Version von "I got 5 on it" ein tödliches Ballett, das ganz und gar verrückt geschnitten ist, zwischen Gegenwart und Zukunft, zwischen elegant choreografierter Bewegung und deliriantem Fiebertraum gefangen. Das ist auch ein Kopfnicken in Richtung Darren Aronofsky, insbesondere an das Finale von "Black Swan", dessen Identitäts-Spaltungs-Thematik hier unter anderen Vorzeichen durchexerziert wird. Vor allem ist es ein wunderschön aus dem Ganzen fallender Moment, ein Moment des puren Kinos, in dem der Tanz anstelle aller anderer Darstellungsformen treten darf. Aber es ist eben nur ein Moment. Alles andere in diesem Film muss möglichst reibungslos möglichst viele Interprätationsansätze stützen oder geringfügig aus dem Gleichgewicht bringen, jeder Bildinhalt muss notdürftig zum visuellen Motiv umfunktioniert und als solches noch einmal variiert, aufgehoben, gebrochen, unterstrichen, rekontextualisiert und komplett neu gedacht werden: Menschenketten, Scheren, Kleidung, ein Plüschhase, 80-er Nostalgie (inkl. MJs/John Landis' "Thriller"), Golf- und Baseballschläger, Spiegel(ungen) (richtig, richtig viele Spiegelungen), das Ballett, sogar ein random Bibelzitat muss herhalten (Tarantino lässt grüßen). Das wirkt schlimmstenfalls so, als wäre es für sponsored-content-Videoessays auf YouTube gedreht worden, die dann im fröhlichen Interprätieren von diesem Verweis und jener Metapher ganz aufgehen können.
Aber sass hier doch alles so aufgeräumt und ausgestellt, sogar die Ecken und Kanten noch irgendwie glatt ins Gesamtbild passen müssen, das schadet natürlich ordentlich der Effektivität. Das wäre ja insofern zu verzeihen, dass Peele ja auch in Get Out gerade auf satirische Spitzen setzen konnte, die das Grauen immer schon in sich trugen. Nicht so in Us. Der bissige Humor, hinter der liberalen Maske in Get Out nur noch einen schrecklich rassistischen Fetisch freilegte ist nun billigstem Slapstick gewichen, der mit dem Horror im Kern gar nichts mehr zu tun hat. Ganz besonders leidet darunter die Figur des Vaters Gabe, der offensichtlich nur ins Drehbuch geschrieben wurde um ein paar Blödeleien von sich zu geben und im Allgemeinen recht dorky zu wirken. Dabei hatte Peele auch ein paar gute Karten in der Hand, wenn er Anfangs den spießbürgerlichen Lebensstil mit der beinharten Realität konfrontiert. Da ergeben sich durchaus komische Momente; das Komische darf aber nie wirklich ins Grauenvolle umschlagen, nein gegen Ende muss es sogar sanft die Metaebene berühren ("Looks like some kind of fucked up performance art") um den Zuschauer in Sicherheit zu wiegen.
Über Lupita Nyong'o sollte man aber doch ein paar Wort verlieren, denn Peele ist offenbar irgendwie zur Überzeugung gekommen, sie wäre ein waschechter Hollywood-Star wie aus den goldenen Zeiten des Startums. Tatsächlich trägt sie den Film über lange Strecken, spielt diese Rolle zurückgenommen, komplex und eben nicht Einsicht gewährend; sie kontrolliert ganze Szenen mit einem Blick, und wird von dieser Kamera in all ihrer vielseitigen Schönheit auch immer sehr schmeichelnd eingefangen. Ihren Counterpart Red, der letztendlich auch eine Verkörperung ihrer tiefsten Abgründe ist, muss sie allerdings etwas manieriert auf die Natalie-Portman-Art spielen, mit angestrengten Method-Acting und nicht endenden, alles und noch mehr durcherklärenden Dialogzeilen, die wirklich kein Mensch braucht.
Horror, das wusste beispielsweise der (oft für unpassende Vergleiche mit Peele herangezogene) Alfred Hitchcock funktioniert allerdings am besten ohne Erklärung.
Spike Lees Drehbuch ist teilweise bemerkenswert bzw. stecken da einige gute Ansätze drin. Vor allem über die Rolle des ersten Afro-Amerikanischen Polizisten in Colorado. Er glaubt an diesen Job, glaubt daran, für die Gemeinschaft zu arbeiten, will das Leben seiner Mitbürger durch seine Arbeit bereichern. Die Polizei ist aber eine Institution, die zwar auf der einen Seite sehr nahen Kontakt mit der Öffentlichkeit hat, auf der anderen aber sehr abgezirkelt ist und nach einem eigenen System von Loyalitäten funktioniert (funktionieren muss), die die Gerichtsbarkeit (gerade in den USA) zu großen Teilen einschränkt. Das ermöglicht tatsächlich auch Machtmissbrauch, bis hin zu rassistischer Gewalt. Zudem geht es da auch um Radikalisierung bis hin zum Terror, den man beim KKK sieht. Auch das wäre im Grunde ein höchstinteressanter Ansatz, da Terror schließlich rational so gut wie gar nicht fassbar ist. Wenn Lee den KKK vorführt und dem Spott preisgibt, ist das vielleicht der erste Schnitzer im Drehbuch, da der Klan dadurch irgendwo auch verharmlost wird. Umschreiben hätte man vielleicht auch Adam Drivers (dem ich den Nebendarsteller-Oscar dennoch redlich gönnen möchte) Rolle können, ihr dann doch mehr Ambivalenz zutrauen hätte wohl nicht geschadet; das dümmlich konstruierte Quasi-Happy-End hätte man auslassen können.
Besten Regisseur verdient sich Lee hingegen gar nicht. Als geradlinig inszenierter Thriller, der seine Gewichtigen Themen eher am Rande verhandelt, hätte Blackkklansman vielleicht am besser funktioniert, auch für den satirischen Anstrich am Rande wäre noch Platz gewesen, der Genickbruch sind eher die ästhetischen Spielereien mit Split-Screens, Lens-Flares , Vertigo-Effekt und Farbe, die immer wieder die Aufmerksamkeit vom Drehbuch aufs Handwerkliche lenken wollen und dem Film total seinen Fokus nehmen. Auch die Parallelmontage zu Birth of a Nation darf man gerne mit skeptischem Auge betrachten, wird hier doch der einflussreichste Film der Geschichte heruntergebrochen auf 2-3 Einzelszenen. Ohne jetzt Birth of a Nation verteidigen zu wollen (gesehen habe ich ihn nie), Lee blendet hier vollkommen aus, welche Position dieser Film in der Filmgeschichte hatte, wie er sich auf die Entwicklung des Handwerks auswirkte, und wie im Anbetracht des mutmaßlichen Rassismus dieser Einfluss überhaupt zu bewerten ist. Er macht es sich einfach.
Und dann diese Musik!
Irgendwo zwischen Charakterdrama, Eisenstein und Videoessay für Youtube legt McKay seinen neuen Film "Vice" an und stolpert dabei wieder einmal über die selben Fallstricke wie in seinem letzten Film "The Big Short". Komplexe politische Verhältnisse, die letztenendes zum Irakkrieg geführt haben werden bis hin zum Aufstieg es Islamischen Staates heruntergebrochen auf eine einfache Ursache-Wirkungs-Kette, auf eine kleine Gruppe Republikaner, die einfach so die Demokratie aus den Fugen gehoben haben sollen. Interessant ist dabei unter anderem McKays eigene politische Position, die sich in beiden Filmen aufgeklärt links gibt -indem sie im Grunde nur altbekannte Ziele angreift - im Grunde aber natürlich eine entschieden rechte/republikanische ist: Das Volk in McKays Filmen ist dumm, unmündig, verachtenswert. Das zeigte sich schon in The Big Short wenn Leute gezeigt werden zig Hypotheken auf ihre Immobilien aufnehmen, scheinbar ohne auch nur einen Moment darüber nachzudenken, was das für ihre Zukunft bedeuten könnte. In Vice sehen wir schon zu Anfang: Das Volk will sich nicht bilden, will nicht wissen was da hinter zugezogenen Vorhängen so abläuft, eigentlich will es ja selbst beschissen werden (und würde ja selbst bescheissen, könnte es denn). Am Ende darf man sich dann entscheiden, ob man der Zuschauer sein will der die "facts" nicht von der Fiktion unterscheiden kann, der, der laut "libtard" rumbrüllt oder jener, der eigentlich viel lieber den nächsten Krachbumm-Blockbuster sehen möchte. Dann gibt es da noch die Szene, in der ein verunglückter Mitarbeiter von all seinen Kollegen einfach liegen gelassen wird. Nur Bale guckt verdutzt drein. Aber auch hier sehen wir nicht Mitleid, sondern eigentlich nur Entfremdung. Später bestätigt sich das. In Wyoming, wo der Neuanfang als kleiner Regionalpolitiker nicht so recht gelingen will, ist Cheney fehl am Platz, keiner schenkt ihm Beachtung. Er gehört in die Welt der anzugtragenden, der mächtigen, der wenigen Auserwählten, denen McKays ganzes Interesse gehört. Die Wähler in Wyoming darf inzwischen die Frau, mit stolz vorgetragenen weiblichen Unterwerfungssprüchen für sich gewinnen.
Amy Adams und Christian Bale scheinen obendrein zusätzlich im falschen Film gelandet zu sein. Anstatt wie Carrell und Rockwell die Blödelshow abzuliefern, spielen sie ernst und rührselig, rezitieren schließlich auch noch Shakespeare. Insofern tritt der Film in die Spuren eines geistigen Vorreiters, nämlich Three Billboards Outside Ebbing, Missouri. Wie jener kann der Film die Figuren eben nicht einfach als politische Schachfiguren funktionalisieren, oder als Vertreter verschiedener Ideologien und Ansichten typisieren, nein er muss es auch ganz stark menscheln lassen und seine politischen Ansichten dadurch trüben. Echtes Eigenleben darf sowieso keine dieser Figuren besitzen, bereits vor der Titelsequenz muss das Cheney-Paar küchenpsychologisch durcherklärt werden.
Formal ist das ein schrecklich aufdringlicher Film, in dem die Form immer wieder lautstark auf sich aufmerksam machen muss aber auch nicht mehr kann als eine state-of-the-art Videoessay auf Youtube. Immer wieder wird die Inszenierung unterbrochen, für Textkarten, die Bedeutungsschwangere (und unfassbar Blöde) Zitate und Fakten in den Film schmeissen; Die wieder und wieder auftauchenden (komplett redundanten) visuellen Metaphern werden in der finalen Montage wieder zusammengeführt, eine Montage, bei der man sich wirklich nur mehr an den Kopf greifen kann, bei all der Willkürlichkeit und Plakativität. McKay gefällt sich offensichtlich in seinem Stil aber eigentlich hat er keinen. Eine Midlifecrisis vielleicht aber schon.
Der Deal, den er vorschlägt ist vielleicht in seiner Unverfrorenheit und Offensichtlichkeit so widerlich: 10+ Euro fürs Kinoticket und man darf sogar -15 Jahre später- auf der richtigen Seite stehen, nicht nur einer der dummen Normalos sein. Aber auch dieser Zuschauer, auch dieser Zugang zum Film ist keine Begegnung auf Augenhöhe. Auch dann ist die Beziehung zwischen Film und Zuschauer immer noch von Herablassung, Belehrung und Bevormundung gekennzeichnet.
Adam McKay, der "wokeste" Regisseur Amerikas. In Zukunft ohne mich.
Ich glaube, die kontemporäre Hollywoodkomödie scheut sich um größere Gruppen. Häufig sehen wir Einzelfiguren, seltener aber immerhin ab und an duos, dreier- vierer- fünfer -Gespanne. Das kann man keinem Film spezifisch vorhalten und mag verschiedene Gründe haben, ideologische wie logistische, ist aber doch beklagenswert, da große Menschengruppen in ihrer individuellen Unterschiedlichkeit großes Potenzial in sich tragen Witze und Gags auch immer direkt schon ins Bild zu tragen und mit den vielfältigen Formen filmischer Raumverteilung zu spielen. In Adam Sandlers Filmen geht es oft um Gemeinschaft. Gemeinschaft vor allem in entstellten Formen, Gemeinschaften auch die sich am Rande der Gesellschaft gebildet haben. Insofern ist The Week Of sicherlich auch einer der am deutlich versöhnlichsten Sandler Filme, hier werden weder Brautkleider vollgekotzt/gewichst, noch wird sonst so radikal über die Stränge geschlagen wie es der Name Sandler erwarten lassen würde. Besonders einen an der Waffel haben hier trotzdem alle und der Cringiness-Pegel schlägt erfreulich häufig nach oben aus. Vor allem aber offenbaren sich innerhalb dieser Versöhnlichkeit großartige Charaktere, die zum einen nie nur Funktionsträger, noch für billige Gags zur Schnecke gemacht werden müssen. Im Gegenteil behandelt Robert Smigel diese Figuren weder nur als Komparsen noch muss er sie auf irgendeine Weise erklären oder ausformulieren. Die große Stärke ergibt sich nun aus den verschiedenen Umfeldern, aus denen die Hochzeitstruppe zusammengewürfelt ist, aus deren unterschiedlichen Generationen, Kulturkreisen und ökonomischen Bedingungen und aus der wunderbar unaufdringlichen Bildsprache, die sie zusammenführt und diese Unterschiedlichkeit zum Ausdruck bringt. Er unterscheidet hier sich auch von zahllosen Filmen, die mit vorgegaukelter Diversity beim großen Publikum anbiedern wollen, indem er nie darauf zurückgreifen muss die Ikonographie schwarzer oder jüdischer Kultur zum Fetisch hochzustilisieren oder die Prämisse in eine explizit politische Schablone zu kleiden. Stattdessen erzählt er vom aufeinander zugehen, vom Sozialisierungsprozess vor unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, die (zum Glück, für uns Zuschauer) auch nicht ohne das ein- oder andere Fettnäpfchen ablaufen. Das Ende, in dem Chris Rock und Adam Sandler die Hand geben ist, wie das oft bei Sandler so ist, unscheinbar und unaufdringlich. Und vielleicht auch deswegen so ehrlich und stimmig.
Copy/Paste von letterboxd:
Das Positive zuerst: In der Titelsequenz schneidet John Ottman die Vorbereitungsarbeiten des Live-Aid gegen das Eintreffen der Band in pompösen Luxuskarren. Interesse geweckt. Ob es hier vielleicht um den seltsamen Widerspruch der Popmusik - auf der einen Seite für das arbeitende Volk zu produzieren, auf der anderen Seite aber ganz offen in Glanz und Gloria zu leben, quasi den "American Dream" vorzuleben und dennoch dagegen zu rebellieren - gehen wird?
Dann aber erstmal die Herkunftsgeschichte inklusive Milieuverortung, gruasamsten Colorgrading und schrecklichen Masken. Aber doch auch irgendwo schwungvolle Konzertpassagen. Ausserhalb derer ist Ottmans Schnitt allerdings all over the place, hat kaum Prägnanz und wirk dadurch vor allem sehr planlos. Queerness wird hier vor allem durch Blick und Gesten des Begehrens vermittelt, mal subtil, mal ungeschickt offensichtlich. Trotz der Auslassung des Flash Gordon Films gibt es hier also vorher angenehmer Weise noch recht wenig auszusetzen. Zwar traut sich der Film auch nicht an expliziten schwulen Sex so wie er alles exzessive penibel scheut, allerdings geht das aber auch mit einer allgemeinen Verspießbürgerlichung der Band (die auch immer Ersatzfamilie sein muss) einher. Für Fans der Band muss das wohl eher ärgerlicher sein, für alle, die vom titelgebenden Song sowieso eher genervt sind, kommt die große Ärgernis dann allerdings gegen Beginn des letzten Aktes: Im Second Act Lowpoint, wenn sich Mercury von der Band entfremdet hat und sich in München in einem einsam-hedonistischen Lifestyle, umringt von falschen Freunden verloren hat, muss die Exfreundin im strömenden Regen zur Rettung eilen (was übrigens nicht ansatzweise den Tatsachen entspricht, eine Auflösung Queens gab es in der Form ohnehin nicht).
Und um Live-Aid muss es plötzlich gehen. Der aufwändig nachgestellte Auftritt vor Milliardenpublikum muss natürlich zum großen Setpice aufgeblasen werden und dementsprechend nach Aufmerksamkeit, nach "Oh"s und "Wow"s geifern. Seltsam allerdings, ein ganzes Stadion noch einmal zu füllen, es dann aber kontinuierlich nicht zu nutzen; Vor allem um stattdessen sich den Bewegungen der Hände auf dem Klavier zu folgen, mit der Kamera durch Mercurys Beine zu gleiten, nach aussen zu schneiden in Bars, ins Spendenbüro, zum Studioboss der damals zum Buhmann wurde, als es darum ging, was als Single veröffentlicht werden soll. Diese Szene will nicht irgendwie den Auftritt noch einmal emotional einfangen, sie will auch seine global-gesellschaftlichen, politischen, logistischen und musikhistorischen Verstrickungen und Konsequenzen zu fassen bekommen, bleibt dabei aber mehr als halbherzig und vor allem prahlerisch. Letzten endes hat sie gar nichts zu sagen, bricht Queen und den Auftritt auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunter und feiert dieses Event dumm ab, vor einer Kulisse echter Menschen die ohnehin wie Videospielfiguren aussehen. Nostalgisches Augenwischen für Fans, die man sowieso über die letzten knapp zwei Stunden vergrault hat.
Über Maleks Schauspiel könnte man jetzt auch noch große Worte verlieren, aber die olle Geschichte vom Nachstellen statt Schauspielern muss nicht jeder jedes Jahr vor der Oscarverleihung wieder aufrollen. Soviel sei gesagt: Über 135 min ist so etwas eigentlich nicht auszuhalten.
Sehr, sehr schöner Artikel! Rami Maleks Schauspiel ist in der Tat unerträglich und bei Vice deutet ja auch alles auf einen grausigen Film hin. Schade allerdings, dass die Live-Aid Sequenz in Bohemian Rhapsody nicht so sehr zur Sprache kam, ist ja wohl auch eine der schlechtesten und auch dümmsten Szenen, die man die letzten Jahre zu sehen bekam.
Musste 'ne Shortlist zusammenstellen und hab doch noch gecheatet. Bei Tarantino und Burton hab ich jeweils den Film länger nicht mehr gesehen, der mir laut Erinnerung besser gefallen hat. Bei Chan sehe ich beide einfach gleich stark. Nur Filme die ich in den letzten ~3 Jahren gesehen habe.
Keine Reihenfolge.
Big Fish / Edward Scissorhands
Crime Story / Police Story
Mulholland Drive
Koyaanisquatsi
Death Proof / Pulp Fiction
Rocky Horror Picture Show
Jaws (ok, der wär vlt hauchdünn #1)
Lawrence of Arabia
Blair Witch Project
Woodstock
Auf der Shortlist waren u.a noch Bad Lieutenant, Hot Fuzz, Some like it Hot, Texas Chainsaw Massacre, House of 1000 Corpses, Blow Out, Meshes of the Afternoon und Der letzte Mann. Vielleicht auch Keatons General, wenn ichs mir recht überlege.
Vielleicht die schlimmste Serie der Gegenwart.
Kennt hier wer ne gute DVD-Veröffentlichung (also gute Bildquali, interessantes Bonusmaterial, natürlich Uncut) oder ne Seite wo man Vergleiche zu Veröffentlichungen sehen kann?
Danke schon mal im Voraus :)
Neulich habe ich mit einem Freund über die Filme Stanley Kubricks gesprochen (er ist großer Fan, ich hingegen stehe seinen Filmen zunehmen skeptisch gegenüber). Irgendwann meinte ich dann, sehr zur Belustigung jenes Freundes, die Filme von Stanley Kubrick würden nach nichts riechen. Doch im Kino kann das sorgfältige zurückhalten sinnlicher Eindrücke, so behaupte ich, selbst wieder sinnliche Eindrücke stiften. Ein Film, dem jede Sinnlichkeit, dem fehlt natürlich auch etwas ganz Essentielles, etwas an das wir Kinogänger gewohnt sind, etwas, das durch seine Abwesenheit großes Unbehagen verursachen kann. Genaugenommen riecht natürlich kein Film nach nichts, die Filme die Stanley Kubrick gedreht hat schon gar nicht. Und vielleicht schwebte mir bei jenem Gespräch ja auch noch dieser Film im Kopf herum denn wenn einer beklemmend nahe an die absolute Sterilität herangelangt, dann ist das wohl Paul W.S. Anderson, dessen Arbeiten sich immer mehr nach Film-gewordenen Simulationen anfühlen. In seinen Welten scheint es keinen Sauerstoff zu geben, organisches Material scheint hier nur unter der Bedingung überleben zu können, zu vermodert und zu zerfallen. Wunderbar, sinnbildlich dafür ist der Hive, der unterirdische Hauptsitz der Umbrella-Corporation, der nur so strotz von Bildern eiskalter Tötungsmaschinen (Ein enger Gang, in dem sich Klappen öffnen, die die Figuren ins nichts verschwinden lassen, das altbekannte Lasernetz, eine Halle voller Glaskäfige, viele davon von innen mit sehr synthetisch aussehendem Blut beschmiert, gar ein Aufzug droht Alice einmal zu enthaupten, und -wahrscheinlich mein Favorit- ein riesiger Ventilator, der die Luft aus dem Hive saugt), die fast schon neben hunderten von Brutkästen der Umbrella Corporation existieren. Kaum einer findet für die totale Entmenschlichung und Kälte so entmenschlichte und kalte Bilder.
Bei Anderson wird überhaupt alles bildlich sogar das eindeutig narrative, wenn sogar die Flashbacks (die, seien wir ehrlich, sowieso kein Schwein braucht) nur mehr Stimmungsbilder sind. Am Ende geht er den perversesten Schritt und überhöht den Bodyhorror konsequent ins posthumanistische indem er Alice die abgespeicherten Erinnerung einer toten Frau einpflanzt. Alice, deren Hülle ja schon artifiziell ist (sie ist einer von vielen Klonen, in einer Szene wird sie gar mit dem Anblick der Köpfe anderer Alice-Klone konfrontiert), ist nun auch im Kern nur mehr Simulation, nur mehr Einsen und Nullen. Andersons Filme arbeiten unvergleichlich das Abgründige aus Simulationen, Videospielen, digitalen Räumen heraus. Er ist kein Philosoph, kein Regisseur, der zwangsläufig große Fragen aufwerfen will, doch seine Filme, seine radikalen, ungestümen Filme vermitteln einen wie sich diese Räume anfühlen, wie sie riechen (eben überhaupt nicht) und er vermittelt vor allem ein Gefühl des eingeschlossen-sein, denn diese Räume kennen kein Außerhalb mehr, weswegen auch das Ende in all seiner Offenheit so abschließend wirkt. Es sind keine Filme die man sich gerne ansieht, das muss auch ich als Bewunderer eingestehen, es sind keine schönen Filme und sie lassen sich auch nicht so ohne weiteres vereinbaren mit meiner Vorstellung von Kino aber -und davon zeugen die Reaktionen die fast jeder seiner Filme hervorrufen- es sind intensive Erlebnisse. The Final Chapter gibt mir das Gefühl in einem luftleeren Raum eingeschlossen zu sein, ohne je zu sterben, ohne je ausbrechen zu können und langsam zu verwesen. Wirklich grausiger Action-Horror im Grunde.
Viel Hip Hop in letzter Zeit.
1. Wu-Tang
2. Public Enemy
3. Kanye West
4. El-P
5. MF DOOM
Auch gut: cLOUDEAD, Outkast, Dälek, Rakim
Dass in Asien auch Filme gedreht werden haben die scheinbar noch immer noch nicht geschnallt. Keine Nominierung für Hous "Assassin" = Beweisstück A.
Edit: Das Teil geht natürlich an Toni Erdmann.
Drei -nicht zwangsläufig wertende- aber schwer bestreitbare Behauptungen über Paul W.S. Anderson:
1. Anderson ist Auteur. In der Tat hat er sich über seine nun doch zwanzig Jahre umspannende Karriere eine deutlich erkennbare Handschrift angeeignet. Wie man zu dieser steht ist dabei grundsätzlich einmal nebensächlich. Sie ist da und zeigt sich besonders seiner räumlichen Inszenierung, aber auch in seiner Hingabe zum absoluten Bewegungskino und der eigenwilligen Gestaltung seiner Zombies, Axtmänner und ähnlichem. Natürlich ist er ein Mann des digitalen Kinos, der hermetisch glatten Oberflächen, der Strukturierung von Filmen nach Videospiellogik, des 3D. Der radikale Umgang mit ebenjenen Hilfs- und Stilmittel macht ihn vielleicht sogar zu einem Avantgardisten.
2. Anderson dreht B-Movies, wenn nicht gar Trashfilme: Neulich las ich auf der MP-Seite zum neuen Resident Evil, wie schön es sei, dass dieser Blödsinn nun endlich ein Ende habe, diese Serie hätte einfach schon viel zu viel Geld verschlungen. Hahaha. Tatsächlich fällt mir auf Anhieb keine einzige Filmreihe ein die so wenig Geld verschluckt hat wie RE. Das Budget der von Anderson gedrehten Filme lag immer zwischen 35 und 65 Mio Dollar, wobei man eigentlich von Mid-Budget Filmen sprechen müsste. Natürlich sieht man das den Filmen an und -noch besser- diese Billigkeit spiegelt sich in echter Trashfilmanier auch in anderen Elementen des Films wieder von Plot bis Dialog. Andersons Filme wirken erstaunlich befreit, frisch und vor allem unverkrampft im Vergleich zu Ayers, Bay und Konsorten. Hier kann tatsächlich noch jederzeit jeder mögliche Blödsinn passieren, der unkalkuliert, spontan und aufrichtig und nicht nach verklemmt-pseudverrückten Studiovorgaben stinkt.
3. Anderson dreht fürs Kino: Von über einem dutzend Filme, die er bis heute gedreht hat war nur einer fürs Fernsehen bestimmt. Mehr noch bekommen Andersons Filme großflächige Kinostarts, werden offenbar sogar so beworben wie große Blockbuster (und deshalb wohl eben auch fälschlicherweise für solche gehalten). Das heißt konkret zuallererst, dass sogar Landeier wie ich eine Chance haben seine Filme auf der große Leinwand zu bestaunen, es heißt aber auch -und das finde ich viel schöner und wertvoller- das in den blöden Cineplexxen, zwischen Marvel- und DC Einheitsbrei, zwischen Literaturverwurstungen a la In The Heart Of The Sea und blöden Remakes Marke Jungle Book oder Godzilla auch auteuristische Literaturverwurstungen wie The Three Musketeers und Trashremakes wie Alien vs Predator zu sehen sind oder eben, wie es gerade der Fall ist der (ohne ihn gesehen zu haben, aber trotzdem jede Wette) interessanteste amerikanische Actionfilm des Jahres, der neue Resident Evil.
W.S. Anderson: Ein schöner Schandfleck an der aalglatten Fassade des Blockbusterkinos.
Die erste Hälfte von Death Proof ist eine klare neun, die zweite leider nur ein Meisterwerk. In einer unheimlich versifften Bar lässt Tarantino seine Gruppe verlorener Seelen aufeinandertreffen und demonstriert eindrucksvoll wie vielleicht nie zuvor sein inszenatorisches Geschick. Er isoliert Figuren und wirft sie wieder zusammen, seine Kamera tastet diese begrenzten Räume ab, kein Kamerawinkel ist ihm zu unkonventionell und doch ist da keine Einstellung bloß ihrer selbst wegen. Er setzt die ästhetische Messlatte schon schon in der Titelsequenz hoch an, seinem Material gibt er von da an einen fast surreal dreckigen aber damit aber auch überaus sinnlichen Look. Irgendwann ist man dann einfach mit dabei in dieser miefigen Holzhütte und meint schon fast den Geruch von Bier und Zigarette in der Nase zu haben. Und beobachtet Tarantino dabei wie er das macht, was er eben macht. Wie er Figuren, die man für nicht mehr als wandelnde Klischees gehalten hat langsam und subtil tragische Größe und tiefere Abgründe entlockt. Und damit auch jegliche Erwartungshaltungen unterwandert. Ich konnte nicht anders als diese Frauen zu bewundern die in einer trostlosen, einsamen, postmodernen Welt mehr als tapfer kämpfen, auch wenn nicht immer klar ist um was (einen Sinn vermutlich). Irgendwann gönnt der Mann sich dann auch selbst den besten Cameo seiner Karriere. Wenn Tarantino in Pulp Fiction noch als Schöpfer in seine eigene Welt trat um sich mit der Dummheit seiner eigenen Figuren abrackern zu müssen (was sicherlich auch etwas liebevolles hatte), so ist er nun einer von ihnen, einer dieser weirdoes, losers, lost souls. Und er trinkt seinen rituellen Shot mit ihnen. Sobald auch noch dann Kurt Russell seinen Auftritt hat (fast schon mythisch überhöht, ein Archetyp des Kinos, virtuose Einführung) und Rosario Dawson dem seelischen Striptease einen physischen Lapdance gegenüberstellt ist das, das was manche als "pures Kino" bezeichnen. Bewegung und Berührung. Danach kommen noch Highlights am Fließband: Die Crashszene, in der das ziehen an einem Schalter den Rhythmus vorgibt für ein grausames Crescendo des Todes, eine wunderbar voyeuristische Szene die Stuntman Mike beim "kennenlernen" mit seinen Opfern zeigt und damit die vollständige objektifizierung ebendieser, eine komplett verrückte Verfolgungsjagd. Am Ende bedarf es eigentlich nur einer handvoll Stuntfrauen um einen patriarchalischen Archetypen des Kinos endgültig zu begraben. Und die dazugehörige Form von Kino begräbt Tarantino damit vielleicht auch noch.
Vielleicht ist The Birds nicht einmal einer der größten Filme seines Regisseurs, was aber bei Alfred Hitchcock selbstverständlich nicht viel heißen mag. Was aber sicher ist: Es ist vielleicht sein buntester und sicherlich der, der die Möglichkeiten des Tonfilms am großzügigsten ausschöpft. Für einen Regisseur der zeitlebens betonte diesen neuartigen Stilmitteln des Kinos skeptisch gegenüber zu stehen, scheint Hitchcock sich mit ihnen nicht nur arrangieren zu können sondern sich im Umgang mit ebendiesen auch offensichtlich wohl zu fühlen. Was die Farben betrifft kann man sich, ausnahmsweise kurz halten, denn The Birds sieht ganz einfach umwerfend aus. Technicolor at it's best, so malerisch, so sinnlich, so meisterhaft. Die Möglichkeit des Tonfilms nutzt Hitchcock vor allem um ein nervenzehrendes Unbehagen hervorzurufen, wenn er seinen Film in hysterischen Lärm oder grausame Stille wickelt. Es ist ein Horrorfilm des Unbehagens, nicht zwangsläufig der Angst. Und es ist auch ein Film der herrlichen Uneindeutigkeit, auch wenn so mancher Kritiker den Film in eine ausschließlich ökologische oder psychologische Leseart zwängen wollte. Es ist ein Film der solche Lesearten oder Subtexte zwar anbietet aber dennoch sorgfältig zurück hält. Der Versuch einer fadenscheinigen Deutung ist damit nicht nur zum Scheitern verurteilt nein, er wird gewissermaßen vom Film selbst veräppelt. Denn was sind wir spekulierenden Zuschauer denn Anderes als die Dorfbewohner, die sich in der Hafenbar mit schiefen Theorien und Blödsinnigen Aberglauben erklären wollen, was das jetzt eigentlich alles zu bedeuten hat? Horror bleibt eben am besten undefiniert.
Es ist jedes mal ein Nadelstich mitten ins Herz zu lesen Sergei Eisensteins Panzerkreuz Potekmin wäre so etwas wie ein Propagandafilm. Gewiss, der Film erzählt auf überschwängliche Art von einer Revolution. Was ihn dabei von einem Propagandafilm unterscheidet ist vielleicht, dass er in solch überschwänglicher Art in erster Linie auch von etwas sehr schönem und zweifelsfrei menschlichem erzählt, nämlich vom Triumph eines über Jahrhunderte hinweg unterdrückten Volkes, von der Solidarisierung der Arbeiterklasse, vom Willen zum Fortschritt und vom Neubeginn. Ähnlich wie Belladonna of Sadness aber doch ganz anders bebildert dieser Film die Entstehung eines neuen Bewusstseins. Und erzählt damit indirekt auch von dem was vorher da war, von der harten historischen Wirklichkeit des pre-sowjestischen Russlands. Kaum ein Regisseur weiß Bilder von Menschenmassen, deren Bewegung und schier überwältigende und doch schwerfällige Kraft so einzufangen wie Eisenstein. Und keiner scheint sie so zu verstehen wie Eisenstein: Das Volk, der ewige Hauptdarsteller Eisensteins Filme ist weder dumm noch naiv, weder Fehlerfrei noch immer in sich geschlossen. Wenn Eisenstein dann auch noch die Brücke schlägt zwischen persönlicher Tragödie und politischem Akt, dann weist er sich als einer der feinfühligsten, bodenständigsten politischen Filmemacher überhaupt aus. Die famose Treppensequenz legt darüber mehr als eindrucksvoll Zeugnis ab.
Oft liest man ja in Internetforen über Filme, die aufgrund einer "psychedelischen" Inszenierung zu bestechen wissen. Der Begriff beschreibt dabei äußerst wahllos eine Masse an Stilmittel, die -oft auch aufgrund vorherrschender Klischees und Halbwissen über die Wirkung psychedelischer Drogen- man grob herunterbrechen könnte auf verzerrte Kamerawinkel , grelle Farbfilter, wenns hochkommt noch ein bisschen schnickschnack auf der Tonspur. Der Ästhetik eines Trips nähert sich Belladonna of Sadness auf weit interessantere, weil eben ungleich weniger normierte Art an: Das Auflösen eines Bewusstseins, das Verschwinden ganzer Denkkategorien wie Raum und Zeit vermittelt er durch eine Art "edit without cut", einer Montage ohne Schnitte. Konkret macht er sich die formalen Eigenschaften der Wandmalerei zu eigen, wenn ganze Szenen, die nebeneinander gezeichnet sind durch lange Kamerapans zu einem bewegten Ganzen werden. Das ist filmisch enorm spannend, da der Film sobald er erstmal in Bewegung gerät, kaum mehr zu halten ist und vom persönlichen zum politischen, vom hier ins irgendwann, vom irgendwo ins nirgendwo driften kann. Psychedelisch eben. Der wundervoll farbenfrohe Zeichenstil wirkt geradezu klassisch, genauso wie er sein Setting ins mittelalterliche Japan verlegt und sich dramaturgisch wie ein perverses Märchen präsentiert, der Soundtrack hingegen lässt Jazz auf Acid-Rock treffen. Die Gegenkultur der 60er, das bewundere ich an ihr ganz besonders, hat es in ihren besten Momenten geschafft, die Symbolik des Establishments zu decodieren und in einen neuen Kontext einzubetten, aus alter Ikonografie einen Ausdruck eines neues Bewusstsein zu schaffen. In den USA spielte Jimi Hendrix das "Star Spangled Banner", in Japan lief vier Jahre später dieser Film. Er spielt die Bilder der vorherigen Generationen gegen deren Weltbild aus und die Grundsätze eines neuen Bewusstseins (das Ja zur Sexualität in all ihren Formen, den Pazifismus, Offenheit gegenüber Drogen, die Einheit mit der Natur und dem Mitmenschen) spielt er gegen das Patriarchat aus. Und wird so auch ein wundervoll feministischer Film, denn diesem neuen Bewusstsein steht (nicht aussschließlich aber) vor allem die Verklemmtheit der Männer im Wege. Alfred Hitchcock hätte diesen Film geliebt.
Naja. Hauptsache Chan und Wiseman. Und Casey.
Schon schwer empfehlenswert, das Teil.
Die Trailer zu manchen Filmen dieses Regisseurs sind besser als die gesamte Filmografie mancher anderer Regisseure.
Wenn möglich so viel wie möglich von To, Hou, Weerasethakul, Wong Kar Wai, Hark Tsui, Chan, Lee, Yang, Hu, Zhang... you get the idea. Möglichst viel asiatisches Kino im allgemeinen und spezifischer viel asiatisches Actionkino. Graf, Pertzold, DePalma, Romero, Carpenter, Dante, Bresson und Wiseman zählen aber auch zu den Regisseuren mit denen ich mich gerne stärker auseinandersetzen würde. Silent Commedies. Sowietische Filme. Alte Lieblingsfilme nochmal sehen. Viel mehr Mistfilme. Und The H8ful Eight auf 70mm. Falls das noch irgendwie möglich ist.
Was Serien betrifft muss ich noch South Park und SFU abschließen. Freue mich aber schon auch auf die neuen Staffeln von Twin Peaks und den Leftovers. Und BoJack Horseman werd ich mir auch reinziehen.