jacker - Kommentare

Alle Kommentare von jacker

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    #horrorctober 2015, Film #5 - den Rest gibt es hier: http://www.moviepilot.de/liste/horrorctober-2015-meine-filmauswahl-jacker

    [...] In der Ausführung ist der Film wohl einer derer, die die Lager in zwei Extreme spalten. Weil hier alles, aber auch wirklich alles auf atmosphärische Wirkung hin ausgelegt ist, rufen die einen, die Plot- und „Logik“-Fetischisten, gähnend „langweilig“, diejenigen mit gut konfigurierten Fühlern für subtilen Spannungsaufbau jedoch eher euphorisch „Meisterwerk“. Weil es packt: die Art wie West nach einer mittelkurzen (zugegebenermaßen an der Grenze zur Zähigkeit rangierenden) Aufwärmphase die beklemmende Wirkung des titelgebenden großen und leeren Hauses einfängt, greift zielgerichtet nach dem Nacken der aufmerksamen Zuschauer und hält in einem gnadenlos-festen Griff gefangen. Ein Haus, ein Mädchen und die Angst vor dem was kommen mag. Deal with it. Wer einen komplexen Plot, ausufernde Effekte, oder inszenatorische Abwechslung sucht, guckt demnach ganz sicher in die Röhre, ist aber vielleicht sowieso im falschen Subgenre unterwegs. Wen hingegen das unheilvolle Knarzen trockener Dielen und ein seicht angeschlagenes, düsteres Piano mehr ins Bockshorn jagen, als es dauermordende Killer, oder Zombies im Blutrausch je vermögen werden, kann in diesem Film einen wahren Hochgenuss finden. [...]

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    • 6

      #horrorctober 2015, Film #4 - den Rest gibt es hier: http://www.moviepilot.de/liste/horrorctober-2015-meine-filmauswahl-jacker

      [...] Schnell läuft auf dem Trip ins Dunkel natürlich einiges schief, für den Rückweg benötigte Kammern brechen in sich zusammen und trotz der erfahrenen Untergrund-Guerillas verliert die Gruppe zunehmend die Orientierung – plötzlich stößt ein seit zwei Jahren in den Tunneln vermisster, vollkommen paralysierter Freund der Pariser zu ihnen und treibt sie, unter dem Vorbehalt den Ausgang zu kennen, immer tiefer in die Erde. „The only way out is down“. Als dann schleichend jegliche Logik auszusetzen scheint, gerade verlaufende Gänge plötzlich im Kreis führen, okkulte Inschriften ein unheilvolles Abkommen vom Wege verlautbaren und sich die Hinweise verdichten, dass die Abenteurer auf dem Weg zu einem Ort sind, den gewiss kein Mensch real erleben will, kommt eine Gesamtstimmung auf, die mich die Gegenfrage stellen lässt: Wie viel mehr soll man aus derart begrenzten Mitteln denn bitte noch heraus holen? Die Macher spielen das Potenzial des Settings wirkungsvoll aus, spielen mit Klaustrophobie und Dunkelheit, zeigen schauriges nur kurz, aber dennoch lang genug um unter die Haut zu gehen. Besonders durch den Found-Footage-Stil, hier meist eine quasi Ego-Sicht der Helm- und Schulter-GoPros, ist man als Zuschauer voll dabei, spürt die beklemmende Enge, mäandert mit dem Team durch ewige Dunkelheit und meint den Gestank der aufkeimenden Panik (die sich Stil-bedingt natürlich sofort in den unruhigen Bildern wieder spiegelt) riechen zu können. „Abandon all hope, ye who enter here.“ [...]

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      • 8

        #horrorctober 2015, Film #3 - den Rest gibt es hier: http://www.moviepilot.de/liste/horrorctober-2015-meine-filmauswahl-jacker

        [...] Nachdem Regisseur Michele Soavi uns spitzbübisch grinsend eine ganze Weile lang eine Absurdität nach der nächsten um die Ohren gehauen hat, steht irgendwann die Frage im Raum, wer hier eigentlich schräger ist? Nach Gedärm und Sex dürstende Untote, oder doch die ach so normalen Menschen? [...] In schrägen Kamerawinkeln und einem phänomenalen Gespür für Form und Bewegung, serviert und Soavi am laufenden Band Einstellungen, die in Gemälde-Form Wände zieren könnten, spielt mit Slow-Motions und unkonventionellen Blenden und lässt Kameramann Mauro Marchetti in bizarren Tänzen die Protagonisten umkreisen. [...]

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        • 7

          #horrorctober 2015, Film #2 - den Rest gibt es hier: http://www.moviepilot.de/liste/horrorctober-2015-meine-filmauswahl-jacker

          [...] Irgendwo in der Grauzone zwischen BEFORE SUNRISE und SPLICE positioniert, trifft Protagonist Evan, ein Wrack ohne Familie, Perspektive und wirklichen Lebenswillen, auf einer Europareise eine junge Frau, die eine mysteriöse, eventuell gar dunkle Seite zu haben scheint. Zunächst deutet sich diese nur in kleinen Momenten an – weniger über das was wir von ihr sehen, als über eine fesselnd-intensive Gesamt-Stimmung des Werkes, die uns durchweg suggeriert: Hier hängt etwas in der Luft. Beklemmende Klänge, distanzierte Aufnahmen aus weit abgehobener Drohnen-Perspektive und das dauerhafte Gefühl die Realität durch einen verfremdenden Filter zu sehen. Es brodelt und die Welt wirkt geladen, bereit zur Eruption (ein Vulkan am Horizont ist nur eines von vielen treffenden Symbolen, die die Filmemacher einstreuen). Als Evans Tour durch Europa, anfangs noch von zwei britischen Saufköpfen begleitet, später an Seite der (ihn direkt) bezaubernden Louise zur Ruhe kommt, verdichtet sich die undurchsichtige Stimmung – und es wirkt: ohne konkreten Anlass dafür zu haben, zieht sich das Hirn während des Schauens in seltsame Gefühlsregionen zurück. Widmet sich erwartungsvoll. Die wundervolle Natur, immer wieder dargestellt in Close-Ups von bunten Blüten, Raupen, oder anderem Getier, scheint nur Oberfläche einer trügerischen Fassade zu sein – das schlummert etwas. [...]

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          • 6

            [...] THE GAME macht formell und inhaltlich einiges richtig. Vor allem überzeugen der karge, farb-reduzierte Look und die dauerhaft angespannte Stimmung, sowohl innerhalb des Teams, wie auch im gesamten (treffend abgebildeten) London der 70er Jahre. Graue Bilder, ein bedrückender Score und desillusionierte Menschen signalisieren schnell eines: Die Bedrohung ist überall, echtes Vertrauen aus dem Repertoire abrufbarer Gefühle gestrichen und schleichend hat nagende Paranoia die Oberhand gewonnen. Agent, Doppelagent, Überläufer – wer hier wie handelt und warum ist nie bis ins Letzte zu durchdringen, weder für uns Zuschauer, noch die Figuren dieses emotional entsättigten Agenten-Dramas. Das geht beim Protagonisten Joe los: Was denkt er, was fühlt er wirklich? Wird er bereit sein, die notwendige berufliche Professionalität über private Beweggründe zu stellen? [...] Doch leider krankt die Miniserie auch an einigen recht offensichtlichen Defiziten. Das geht bereits zur Eröffnung los: In geradezu inflationär eingesetzten Flashbacks erfahren wir von der missglückten Frankreich-Aktion, zunächst in Häppchen, dann in stetiger Wiederholung – immer und immer wieder, bis an den Punkt, wo bereits beim Umschnitt auf die Kulisse am See die Nackanhaare kraus stehen. Trotz seiner recht eingeschränkten Mimik hätte Tom Hughes in wenigen Szenen transportieren können, wie sehr die getötete Yulia ihm am Herzen lag – doch der endlose Loop der immergleichen Einstellungen wirkt ermüdend und nimmt der Geschichte die Wucht, anstatt sie zu intensivieren. [...]

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            • 5
              über Friday

              Ich hätte den Film in meiner verklärten jugendlichen Erinnerung ruhen lassen sollen. Damals war ich stoned und FRIDAY verdammt witzig. Heute bin ich nüchtern und FRIDAY verdammt schlecht. That's life.

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              • 9

                #horrorctober 2015, Film #1 - den Rest gibt es hier: http://www.moviepilot.de/liste/horrorctober-2015-meine-filmauswahl-jacker

                [...] Bereits zu Anfang, als Hauptdarsteller Ryan Reynolds erstmalig mit seinen Haustieren spricht und diese nicht nur stillschweigen lauschen, sondern ihm wahlweise schlecht gelaunt in fiesem Schottisch (die Katze), oder kumpelhaft in tiefstem Südstaaten-Slang (der Hund) aufmüpfige Antworten entgegen bringen, dürfte kein Zweifel mehr bestehen, dass THE VOICES eine herrliche, offenkundig schräg konzipierte Angelegenheit werden könnte. Und so ist es: Satrapi’s vergnügliche, so tiefschwarz wie kunterbunte Killer-Komödie ist skurril von vorne bis hinten und das in der reinsten Bedeutung des Wortes – fast ausnahmslos jeder Moment gestaltet sich vollkommen schräg, die Schraube des Grotesken ist so fest angezogen, dass im Laufe der Ereignisse vor ungläubigem Staunen mehrfach die Kinnlade runter klappt. [...] Und in der Tat schafft der Film ein Kunststück, welches ohne kritische Selbstwahrnehmung nie gelingen kann: er ist sowohl ein ernst zu nehmender, höchst eigensinniger Genre-Beitrag (mit bitterbösem Kern), der sich irgendwo inmitten eines Mischmaschs aus Anleihen zu Horror, Psychothriller und Mystery platziert, wie auch liebevolle Parodie all der verwobenen Genre-Fragmente. Ob plötzliche Extrem-Gewitter, nächtlicher Nebel, oder die unausweichlicheVerfolgung in den Wald – mit sichtlicher Freude wird ein Haufen Horror-Klischees liebevoll überzeichnet, aber dennoch selbstverständlich in die Handlung einbezogen. [...]

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                • 9
                  über Eden

                  [...] die totale Euphorie erschafft nie für möglich gehaltene Momente, die so besonders erscheinen, dass es sie auf ewig zu konservieren gilt. Doch geht das? Kann dieser intensive Gefühlszustand immer und immer wieder erlebt werden? Der Antwort jagen Generationen an hingebungsvollen Nachtschwärmern seit Jahrzehnten immerfort hinterher, versuchen den perfekten Moment wieder und wieder zu durchleben, nehmen mehr Drogen, wenn wenig Drogen nicht mehr zum Ergebnis führen und steuern irgendwann immer schneller auf eine harte Wand zu. Aufprall unausweichlich, manche bremsen noch, einige zerschellen daran. [...] nur Paul bleibt, genau wie die spezielle Musik, welche er von Tag eins an liebte, auf ewig Anfang der Neunzigerjahre gefangen – ohne Chance auf Entkommen. Ist diese Epoche für Paul der einzige Bezugspunkt im Leben? Konserviert er stetig eine Erinnerung, weil alles danach so vergänglich wie der Rausch des Kokains ist, dass er täglich in rauen Mengen durch seine Nase zieht? Kann er sich nur zu Hause fühlen, wenn er am DJ-Pult vor brodelnden Massen immer und immer wieder in die Vergangenheit reist? Der Scherbenhaufen den er Privatleben nennt, spricht eine deutliche Sprache: Beziehungen bröckeln, Familie ist nicht existent und selbst die jahrelangen Weggefährten mit denen er Labels führte, Club-Nächte ausrichtete und die Welt bereiste, bewegen sich nach und nach von ihm fort in ein anderes Leben. [...]

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                  • 6
                    über Hotel

                    (Neuer) deutsch(sprachig)er Genrefilm #9: HOTEL

                    [...] Regisseurin Jessica Hausner versteht es, aus sehr wenigen Elementen, sehr viel Wirkung heraus zu kitzeln – es wird kaum gesprochen, die Requisite ist minimalistisch, das titelgebende HOTEL extrem spartanisch eingerichtet und durch karg-beige Wände definiert. Das Gegenteil von Effekthascherei – nichts lenkt ab vom Inneren der Figur und dem seltsamen Verhalten um sie herum, unötigen Ballast hat der Film nicht nötig, er würde nur die Wirkung schmälern, die in vorliegender Form umso dichter ist. Dank präziser Kameraführung, gruselig reduzierter Ausleuchtung und dem dezent-düsteren Scoring, was eher durch Soundscapes als durch Filmmusik definiert ist, wird das verlassen wirkende Gebäude schnell zum beklemmenden Käfig und übt einen gefährlichen Bann aus. Apathisch schleicht Irene durch die dunklen Schatten, erwacht plötzlich an anderen Orten und beginnt zunehmend ihre Wahrnehmung anzuzweifeln. Brillant daran ist, dass es (im Gegensatz zu populären Hotel-Wahnsinns-Vertretern wie Kubrick’s SHINING) keine offensichtlichen Hinweise auf eine „richtige“ Deutung der Geschehnisse gibt. Ist es nur in ihrem Kopf? Ist es etwas übernatürliches? Ist da ÜBERHAUPT irgendetwas nicht richtig? Ungewissheit schafft Unsicherheit, Unsicherheit schafft psychologischen Druck, letzterer schafft im Optimalfall Horror. [...]

                    Interesse geweckt? Dann ruhig mal einen Blick auf meine Liste der (neueren) deutsch(sprachig)en Genrefilme werfen: www.moviepilot.de/liste/neuer-deutscher-genrefilm-un-moglich-jacker

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                    • 7

                      [...] Nachdem die Serie zunächst noch den Anschein macht, ein wenig zu sehr die amerikanische Perspektive einzunehmen und lediglich das perfide Schaffen der feindlichen Russen anzuprangern, schleicht sich nach und nach, je mehr wir besagen Nachbarn Stan kennen lernen, die nötige Ambivalenz ein. All diese Figuren sind Menschen die zwar tief in sich einem warmen Kern tragen – teilweise sehr tief eingesperrt und weggeschlossen, aber vorhanden – doch die schlimmen Dinge die sie tun, stellen die aufkeimenden Sympathien immer wieder auf eine harte Probe. Das Geschäft ist so dreckig, dass schnell die Frage im Raum steht, ob es hier überhaupt ein richtig oder falsch gibt? Kann man liebende Mutter sein, aber um die Fügung einer zu instrumentalisierenden Personen zu erzwingen, diese mit dem Mord ab deren Kindern erpressen? Derartige Spannungsfelder erschafft THE AMERICANS zuhauf, zweifelt die eigenen Behauptungen immer aufs neue an und überlässt es dem Zuschauer die entstehenden Sympathien zu verteilen. [...]

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                      • 5

                        [...] Alles in Allem macht der Film unheimlich viel richtig, denn wann immer möglich werden Kostüme und Mutationen aus Gummi gebastelt, was einen köstlich-trashigen Charme generiert, strotzt vor Ideenreichtum und gestaltet sich in regelmäßigen Abständen als Bewährungsprobe für die Bauchmuskulatur – zu absurd sind die Regierungs-Soldaten, die ihre Maschinengewehr-Salven durch Pimmel-artige Nasen-Verlängerungen schießen, zu bekloppt ist es, wenn Bäckersfrauen in einer missglückten Rock’n’Roll Einlage zu Fleischbaguettes verarbeitet werden, zu extrem stehen alle Regler auf 11, egal ob sie das bösartige Lachen der Villains steuern, oder doch nur den Druck der (wahrscheinlich zehntausende Liter verschießenden) Kunstblut-Fontänen. Weil das ganze enorm humorvoll umgesetzt wurde (als Rin zum Beispiel in den verlassenen Straßen ihres Ortes Heerscharen von Angreifern platt gemacht hat, rollt unschuldig ein Tumbleweed durchs Bild) und zu jeder Sekunde den Spaß versprüht, den alle Beteiligten beim machen hatten, verzeiht man auch gern, dass MUTANT GIRLS SQUAD sich gehen Ende ziemlich zieht, weil er sich doch zu sehr im reinen Abriss verliert und so im eigentlichen Finale bereits Übersättigung eingesetzt hat. [...]

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                        • 7

                          [...] Die erste Staffel DEADBEAT schwankt inhaltlich konstant zwischen absoluter komödiantischer Brillanz und Segmenten die schlampig geschrieben und einfach nur doof sind. Glücklicherweise überwiegt ersteres, denn die Autoren Heller und Konner des ganzen Spaßes geizen nicht an Skurrilität und flechten immer wieder (zumindest in der amerikanischen OV) reichlich Doppeldeutigkeiten und wundervollen Wortwitz ein – „I’m gonna give up the ghost“ mault Kevin zum Beispiel, um zu verkünden dass er seinen Medium-Job aufgeben will. Sowohl aufgelockert, wie auch aufgewertet werden die zehn abwechslungsreichen, von Kevin meist mehr durch Glück als Verstand gelösten Spuk-Fälle durch das Auftreten reichlicher Gast-Stars: Neben (Stand-Up) Comedians wie Godfrey, Darrel Hammond, oder Jason Kravitz treten auch alte Serien-Bekannte wie Jason Biggs (aka Mr. AMERICAN PIE), Ray Wise (bekannt u.A. als Leland Palmer in TWIN PEAKS) und Domenick Lombardozzi (THE WIRE) auf den Schirm, um Kevin als Geister, Auftraggeber, oder Stolpersteine im Weg das Leben schwer zu machen. Wichtig für Comedy sind neben dem Schreiben guter Pointen natürlich vor allem Timing und Delivery. Hier punktet DEADBEAT, denn die Serie ist in zackigem Tempo inszeniert und die meisten Beteiligten, allen voran Tyler Labine, schaffen ein konstantes Gefühl der Schrägheit – trashige Optik hin oder, DEADBEAT macht über weite Strecken ziemlich Laune und wird nur gelegentlich von Durststrecken, oder missglückten Jokes getrübt. [...]

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                          • 8

                            [...] Nun kann man DER BABADOOK natürlich ganz einfach als die beliebige Grusel-Geschichte eines verängstigten Jungens verstehen, der Nachts von obskuren Figuren aus seinen Kinderbüchern heimgesucht wird. Funktioniert auch. Irgendwie zumindest, obwohl Freunde von zermürbender Genre-Kost ja offensichtlich die ein oder andere Schock-Sekunde vermissen. Aber ein derartiges nieder Bügeln der (eigentlichen) Qualitäten, wäre erstens recht ignorant und würde den Film zweitens vollkommenen zu Unrecht darauf reduzierten “nur“ ein enorm stilsicherer Genrefilm zu sein. Tatsächlich jedoch ist DER BABADOOK weit mehr als das und hat auf besagter Abstraktionsebene einiges zu bieten. Eigentlich geht es hier weder um Spukhaus-Phänomene im klassischen Sinne, noch um Effekthascherei durch billige Jump-Scares – was Jennifer Kent mit ihrem Debutfilm erzielen will, ist eine psychologische Momentaufnahme zum Zeitpunkt eines psychischen Zusammenbruchs und daraus resultierender familiärer Eskalation zu liefern: Die Mutter Amelia durchlebte zermürbende Jahre der Zerrissenheit zwischen Liebe und Hass. Jahre in denen der Drang zur Flucht aus dem eigenen Leben ebenso groß war, wie das Bedürfnis darin zu verharren. Jahre mit einem Sohn, den sie ebenso sehr braucht, wie sie ihn für das Entgleiten ihrer Situation verantwortlich macht. Diese Kontraste erzeugen unvorstellbare Spannungen, diese Spannungen führen zum Knall. [...]

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                            • 7

                              [...] Ziemlich schnell fällt auf, wie extrem stilsicher JOHN WICK vollkommen überstilisiert ist – nachdem ein paar russische Gangster wegen eines Streits um seinen Ford Mustang nachts in Wick’s Wohnzimmer stehen, seinen Hund (das letzte Geschenk der verstorbenen Frau) brutal ermorden und mit besagtem Auto stiften gehen, ist der Ex-Killer schnell wieder tief in New York’s Unterwelt, einem Metier, dem er eigentlich vor Jahren den Rücken gekehrt hatte – und diese Welt entfaltet durch die Art der Inszenierung eine ganz eigene Wirkung: farblos, kalt, vollkommen frei von sämtlichen Emotionen abseits der Gier und des Hasses. Die Entsättigung des Bildes wird bis zum Anschlag ausgereizt, Wick und die Ziele seiner Rächer-Mission bewegen sich durch trist-graue Straßenschluchten, die nur gelegentlich von sterilem Neonlicht erhellt werden. Im Gegensatz zu 90% aller anderen Genrefilme in diesem Gewand, machen derartige visuelle Entscheidungen hier jedoch enorm Sinn: Fast wirkt dieses rechtsfreie Land der Auftragsmörder und Mafiosi wie eine bedrückende Schattenwelt. Andere Regeln, andere Gesetze, eiskalte Killer harren im rettenden Hafen eines neutralen, offiziell Anschlags-freien Hotels aus, um ihre Wunden zu heilen und den nächsten Hit zu planen – dubios, wie eine geheime Ebene der Realität, die weitgehend unbemerkt tief unter dem „normalen“ Leben besteht. Style-over-Substance geht anders, denn dieser Style ist zielgerichtet, er will ein Gefühl erschaffen. Starkes Visual-Design. [...]

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                              • 6

                                [...] Allerdings erschließen diese sich eher fragmentarisch, denn wenn die (dennoch nicht uninteressante) Geschichte um einen subversiven Autor, der in Moskau mit einem provokanten Theaterstück gegen Windmühlen reitet und ständig mit dem Teufel in Kontakt gerät, eines ist, dann leider ziemlich wirr inszeniert. Das ganze wirkt wie eine lose Sammlung verschiedenster Szenen, die mal banal, mal unheimlich mitreißend, bis hin zu bizarr erscheinen, aber insgesamt kein stimmiges Ganzes formen – ein wirklicher filmischer Fluss ist nicht zu entdecken, Figuren-Konstellationen entstehen aus dem (und enden im) Nichts, selten kommt das Gefühl auf, die gesamte Inszenierung wäre über die kritisierten gesellschaftlichen Themen hinaus (im Sinne einer Geschichte) zielgerichtet. [...] Um Ehrlichkeit geht es dabei, darum sich selbst und keiner vorgegebenen Ideologie treu zu sein und die unbequeme Wahrheit dem vermeintlichen Luxus aus Völlerei und Trink-Gelagen vorzuziehen – weil der Preis für letzteres die Seele ist. „Wann hat irgendjemand von euch überhaupt das letzte Mal die Wahrheit gesagt?“, brüllt der Meister, während er, paralysiert durch ein grauenvolles Treffen mit dem Teufel, auf einer elitären Feier aufläuft. Doch die Menge wendet sich betreten ab, die Musik setzt wieder ein, der endlose Trott der Unwahrheit geht weiter.[...]

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                                • Ich habe gerade durch Zufall gesehen: Heute bin ich auf den Tag genau 5 Jahre auf MP angemeldet :)

                                  Schön war's!

                                  Danke an euch alle, mit denen ich hier schöne Diskussionen geführt habe, die mir Denkanstöße gaben und die mich durch ihre Kommentare (und Listen!) auf tolle Filme aufmerksam machten... Weiter gehts in die nächste 5 Jahres-Runde!

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                                  • 7

                                    [...] viel mehr arbeitet der Filmemacher (und hier kommt die Geschichtsstunde wieder ins Spiel) bereits in diesem Frühwerk enorm mit Atmosphäre und beackert einige (bzw. sogar die meisten) Themenkomplexe, die später bezeichnend für sein Werk werden sollten: Das erste Stichwort ist Entfremdung. Wie ein Geist streift Bloch ohne Ziel durch die Straßen. Anteilnahmslos. Rastlos. Die vereinzelte Interaktion mit seinen Mitmenschen wirkt seltsam gedämpft, wie durch einen unsichtbaren Schleier, der ihn unüberwindbar von seiner Umwelt entkoppelt zurück gehalten, gelingt es ihm einfach nicht durchzudringen – jeglicher Kontakt bleibt oberflächlich. [...] Fast „hitchcocky“ muten einige seiner orientierungslosen Streifzüge durch die nächtlichen Straßen an – die Lunte scheint zu brennen – es herrscht eine anhaltende Unfähigkeit den Protagonisten charakterlich einzuschätzen vor. Die anfängliche Skepsis wird zur Abneigung, von ihm scheint eine aufkeimende Bedrohung auszugehen, ohne konkrete Gründe schleicht sich eine beklemmende Suspense ein. Einen „existenzialistischen Thriller“ nannte man den Film laut Wenders und wäre TAXI DRIVER nicht vier Jahre später entstanden, bedürfte es keiner langen Überlegung in Bezug auf die vorliegenden Einflüsse. [...]

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                                    • 8

                                      Da ziehe ich mir gestern mal eben 10 (!) Folgen dieser Serie rein, weil ich verdammt noch mal Schiss um Alex hatte und unbedingt wissen MUSSTE was da gehen wird. Und dann DAS!? Das können die "Bitches" doch nicht machen? Worst Cliffhanger, EVER! Wie soll ich das denn jetzt ein Jahr aushalten?

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                                      • 7
                                        über 1984

                                        [...] Derartige Kontraste zwischen Soll und Ist schaffen Spannungen, die tiefe Einblicke in die Funktionsweise dieses (und somit eines jeden) totalitären Systems erlauben: Hier wird gedacht, was die Partei zu denken vorgibt, Individualismus in der Wurzel erstickt und blinde Loyalität mit harter Hand erzwungen. Es sind bereits Kleinigkeiten, die viel über die Zustände sagen – als Winston zum Beispiel bei einer kollektiven Turnübung von der Instruktorin auf dem Teleschirm in seiner Wohnung direkt angesprochen wird, weil er sich „nicht genug anstrengt“, schwingt im Subtext weit mehr als nur eine Ermahnung für mangelnden Einsatz beim Sport mit: „Jede deiner Bewegungen wird mitgeschnitten“, sagt ihm (und uns) dieser Moment „also bleib unauffällig, denn wir haben dich schon, ehe du selbst bemerkst wie es um dich steht“. Ein unvorstellbarer Druck auf den Schultern der Menschen, im Resultat schwimmen sie mit dem Strom des Systems und genau das zwingt sie in den Zustand von Sklaven ohne Eigenschaften. [...]

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                                        • 10

                                          [...] Was sich im weiteren entspinnt, ist ein schier wahnsinniges Amalgam aus Liebe, Hoffnung, Schmerz und Trauer, immer wieder durchzogen von so verrückt-unkonventionellen Momenten, dass LOVE EXPOSURE in regelmäßigen Abständen angenehm hart vor den Kopf stößt. Und bewegt: Beliebige Hollywood-Kitsch-Romanzen werden immer wieder gern mit dem (Tot-)Schlagwort der „ganz großen Gefühle“ beworben – wer jedoch LOVE EXPOSURE gesehen hat, wird darüber nur noch müde lächeln können. Wenn es in den letzten 20 Jahren überhaupt je ein wahres Liebes-Epos gab, dann ist es dieser Film. Sono tritt in der Machart, formell und inhaltlich, alles etablierte, ja alles „normale“ mit Füßen und schafft eine emotionale Involviertheit von außergewöhnlicher Intensität: Schnitt und Kameraführung, zackige Zooms und ungewohnte Perspektiven scheinen Hand in Hand mit der enorm präsenten Musik einen so anmutig wie bizarren Tanz zu vollführen, Gefühle werden nicht bloß angedeutet, sondern voll ausgelebt, in jubelnder Freude in die Welt geschrien, oder aus tiefstem inneren Schmerz heraus erlitten – und wir sind voll dabei, als wäre der Kinosessel in Yu’s Herzen aufgestellt worden. Dabei quillt die grenzenlose audiovisuelle Kreativität des Machers förmlich über – Symbole so weit das Auge reicht, zauberhafte Visualisierungen von „billigen B-Movie“-Träumen, stilistisch immer alle Regler weit im roten Bereich. Zu viel? Nein, denn so wie Sono es macht, kann es kein „zu viel“ geben – derartige Regiekunst muss bis ins äußerste zelebriert werden, weil sie alles „normale“ mit frecher Begeisterung als langweilig brandmarkt. [...]

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                                          • 4

                                            [...] Simon Pegg und witzig, das gehört zusammen wie Banane und Schokolade – ein köstlicher Selbstläufer. Auch die farbenfrohe Inszenierung voller wechselnder Schauplätze und (ohne Frage auf westliche Augen massiv runter gedoofter) fremder Kulturen sorgt für Abwechslung und eine Flut an audiovisuellen Spielereien, die Pegg’s Notizbuch-Zeichnungen in reale Schauplätze morphen (und umgekehrt) lockern gesund auf. Inszenieren kann Chelsom (obwohl er vorher HANNAH MONTANA gedreht hat, haha).

                                            Doch immerhin geht es um Glück und die keineswegs triviale Frage was es ausmacht. Dünnes Eis. Sehr dünn. Wenn ich nun daran denke, was für eine triefend-absurde, mit dem Begriff „erzkonservativ“ noch untertrieben beschriebene Moral mir das (ebenfalls auf Chelsom’s Mist gewachsene) Skript am Ende entgegen schleimt, will ich all die leichte Feelgood-Qualität der vorherigen 100 Minuten vergessen und allen Verantwortlichen vor die Füße kotzen. [...]

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                                              [...] Dabei gleicht KINGS OF SUMMER (vor allem in puncto „Realismus“ des Gezeigten) weit mehr einem Märchen, als der Betrachtung realer Möglichkeiten: Die malerischen Bilder der unberührten Natur (inmitten derer die drei sich ein komplettes Haus errichten), das ausgiebigst-ausrastende Herumalbern und nicht zuletzt die (selbstverständlich der Jugend innewohnende) völlige Gleichgültigkeit, ob das neue Lebensmodell zu irgend etwas führen kann und wird – viele einzelne Charakteristika addieren sich zu einer ganz bestimmten Art Film: Dem Versuch ein Gefühl einzufangen.

                                              Auf dieser Mission kann Vogt-Roberts an manchen Stellen unheimlich punkten, denn was KINGS OF SUMMER wohl am stärksten auszeichnet ist das gelungene Gespür für Fluss, Atmosphäre und die Macht der Bilder. Er zeigt uns, wie sich das neue Leben von Joe (toll gespielt von Nick Robinson), Patrick (durchschnittlich gespielt von Gabriel Basso) und Biaggio (unter allen Gesichtspunkten vollkommen genial gespielt von Moisés Arias) gestaltet, anstatt es uns dröge zu erzählen [...]

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                                                [...] Doch trotz 18er-Freigabe auf dem deutschen Heimkino-Markt, entpuppt sich die zweite Staffel der Serie kaum als Kandidat für Film-induzierte Bauchschmerzen, oder unangenehme Klöße im Hals – CODE 37 ist zwar schroffer als POLIZEIRUF, oder SOKO-LEIPZIG und sicher nicht vollkommen harmlos, aber leider weniger Psychothriller, sondern durch und durch eine solide Krimiserie, irgendwo zwischen C.S.I.-Gent, TATORT-Belgien und dezenten Neo-Noir-Einschlägen. Trotz krassen Themen lassen die Episoden sich fluffig weg gucken, anstatt mit Mark-erschütternden Vergewaltigungs-Szenarien der Marke IRRÉVERSIBLE auf Tuchfühlung zu gehen. Von Täterbildern in der Polizeistation, über kleinteilige Ermittlung vor Ort, bis zur kombinatorischen Erschließung von Indizien, die Szenarien sind so bekannt wie etabliert, was jedoch keineswegs gegen das Format spricht – Krimis werden seit eh und je von der Stange gedreht, auf das wie kommt es an und dieses wie kann sich größtenteils mit Stolz sehen lassen: Inszenatorisch legen die zwei wechselnden Regisseure Verbruggen und Mielants reichlich Tempo an den Tag, scheuen krasses Colourgrading und audiovisuelle Spielereien nicht (was gelegentlich ein wenig zu nah an offensichtlichen Vorbildern wie Tony Scott entlang schrammt) und schaffen gelungene Übergänge zwischen harten Momenten und lockerer Stimmung – letztere herrscht nicht selten vor. [...]

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                                                  über Smoke

                                                  [...] Jim Jarmusch sagte mal: “Das Leben hat keinen Plot, also warum sollten Filme dann immer einen haben?“ und ich könnte dieser Aussage gar nicht mehr zustimmen. Wenn die Figuren das gewisse etwas in sich tragen, interessant sind, liebenswert, und die Stimmung des Streifens mich um den Finger zu wickeln vermag, muss es keine großen Dramen, keinen Aufstieg und Fall und keinen notwendigen Plot geben – wenn alles passt, so wie es in SMOKE der Fall ist, verbringe ich gerne einfach mal zwei Stunden mit sympathischen Figuren in ihrer eigenen Welt, beobachte, lausche und lasse mich mitschleifen. [...] Dabei gilt es, all die Charakteristika eines Tresen-Gesprächs zu erleben: die Ausschmückung vergangener Erlebnisse mit besonderer verbaler Gewandtheit, um die Story ein kleines Bisschen interessanter zu machen, lässt sich wunderbar auf den Tonus des ganzen Films übertragen – in seinen schönsten Momenten versprüht SMOKE den typischen, unnachahmlich-magischen New York Vibe, zeigt dabei so wenig, so simples, aber ist doch geradezu poetisch, packt tief im Herzen (weil es Momente sind, die zur Identifizierung mit ihnen taugen) und formiert sich zu Feelgood-Kino im schönsten Sinne des Wortes. Humorvoll, charmant und klasse geschrieben. [...]

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                                                    [...] Hardy also allein im Auto, nonstop am Telefon, 100 Minuten lang – funktioniert das?

                                                    Wahrscheinlich muss man sagen: so gut wie es überhaupt funktionieren KANN, tut es das auch. Tom Hardy ist ganz sicher das Kaliber von Darsteller, dem man stundenlang beim Alleingang zusehen kann und was seinen Ausdruck in Stimme und Mimik betrifft, ist es schwer sich vorzustellen, dass jemand anderes aus diesem Setting an schauspielerischer Wucht noch mehr hätte raus holen können, ohne ins Overacting abzudriften. Bedenkt man mal ganz konkret, wie stark die räumliche Begrenzung auf das das Cockpit eines Wagens den Handlungsspielraum für Körpersprache einschränkt, wird klar dass Hardy hier mit dem wenigst-möglichen auskommen muss, um seiner Figur Profil und Emotion zu geben: Nuancierte Betonung, abwechslungsreiche Mimik, eine kleine Zahl von Gesten (wie ein Schlag auf das Lenkrad als Ausdruck des Zorns) – mehr ist nicht drin, doch er nutzt alles ihm zur Verfügung stehende bis ins Letzte. [...] So weit so gut – doch leider hat LOCKE an anderer Stelle Probleme, die, so sehr Hardy sich auch die Seele aus dem Leib spielt, nicht vollständig gepuffert werden können. Am bezeichnendsten ist wohl das Gefühl, vom Film eigentlich schon vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden: Locke hat seine Entscheidung bereits zu Beginn unumstößlich getroffen, hofft noch eine Weile, dass sich alles zum Guten wenden wird, doch ist über weite Strecken der zweiten Filmhälfte fast nur noch damit beschäftigt, in brutalen Tiefschlägen die Folgen seines Handelns zu ertragen. Wie viel Handlungsspielraum hat er hier eigentlich – unterwegs, eingeschlossen in Auto und vom unumstößlichen Willen die richtige Entscheidung zu treffen und mit den Folgen zu leben immer weiter vom Ort der Probleme weg getrieben? Nicht viel und daher mangelt es seiner emotional fordernden Autofahrt zwar gewiss nicht an Tragik, aber doch ein wenig an Spannung. [...]

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