JackoXL - Kommentare
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Alle Kommentare von JackoXL
„Wenn das Glück kommt, musst du es bei den Hörnern packen…“
Heiner Lauterbach als harter Knochen mit Hut und Nikolai Müllerschön bringen mit ihrer selbst aus dem Boden gestampften „Handschlag“-Produktion frischen Wind in die schlecht gelüftete Stube der deutschen Filmlandschaft. Wo sonst der Muff von genormter Spießigkeit und wohlgepflegten Biedermeiertun herrscht, wird es plötzlich roh, pessimistisch, international Genre-tauglich und bekommt natürlich nicht mehr als das Lob der Über-den-Tellerrand-Gucker ab, kommerziell fristet so was genauso ein Hinterhof-Milieu Dasein wie seine Figuren. Abseits von „Tatort“-Kriminalität gibt es noch ein Lebenszeichen, wie im Film selbst eine Parallelwelt zur Münchener Schickeria. Ausgerechnet der dem Boulevard und dem heimischen 08/15- Reißbrett-Kino nicht abgeneigte Lauterbach bringt sich mit dieser Performance wieder ins Gespräch, erscheint so sehnig, verbissen und kraftvoll wie niemals zuvor. Zu einem pulsierenden, ruhigen, dennoch schmetternden und nervösen Industriell-Score brennt sich sein „Harms“ als Anti-Held ins Gedächtnis, obwohl wir über ihn und seine Vergangenheit nichts erfahren, nicht mal seinen Vornamen. Ein wütender, hinter seiner rohen Schalle scheinbar doch noch grundehrlicher Mann, der eben ist, was er ist. Loyal zu seinen Freunden, gewissenlos zum Rest. Warum auch nicht? In seiner Welt – in der einem nichts geschenkt wird und die niemand geschenkt haben will – zählt nur das. Wenn überhaupt, dort ist er fast schon „blauäugig“. Nikolai Müllerschön erfindet das Genre nicht neu, dafür (fast) den deutschen Genrefilm. Zumindest gefühlt, seit einer Ewigkeit. Oder er findet ihn wieder. „Harms“ hat authentischen Stallgeruch, „Harms“ bellt nicht, sondern beißt, „Harms“ schreit „Hallo, hier bin ich!“. Hört jemand zu?
„Glück hat keine Hörner.“…aber wir wieder Hoffnung; in den deutschen Film abseits des Mainstream. Für so was werden keine Fördergelder locker gemacht, wovon sollte Til Schweiger denn sonst die GEMA-Gebühren für One Republic bezahlen? Von dem Erlös der 5-6 Millionen sicheren Kinotickets? Wo kommen wir denn da hin…
Schon bei „Red State“ wagte sich Kevin Smith aus seiner bisherigen Wohlfühlzone, dem selbsterschaffenen Mikrokosmos rund um „Clerks“, „Mallrats“, Jay & Silent Bob und Co, weg vom herzlichen-geschwätzigen Nerd-Klamauk hin zum garstigen, bissigen Genrefilm. Gelungen war sein Kuddelmuddel aus Sekten-Thriller, Horrorfilm, Belagerungs-Actioner und Satire nur partiell, das Gesamte funktionierte in seinem Durcheinander nicht wirklich. Aber es ließ sich bereits erkennen: Smith kann, wenn er will. Nur was will er eigentlich? „Tusk“ ist wieder so ein Hybrid aus verschiedenen Stilmitteln- und Richtungen, diesmal noch deutlicher dem Horrorfilm zugeneigt, ohne sich dort einzunisten. Blitzte in „Red State“ der Humor nur als ätzenden Spott auf, bewegt sich Smith zumindest grob wieder auf gewohnterem Terrain, was so lange gut geht, wie er es damit nicht übertreibt. Zurückhaltung war und ist was das anbelangt nie seine Stärke gewesen, die Trefferquote zwischen cleverer Parodie und übertriebenen Albernheiten schwankend, Feintuning oft ein Fremdwort.
Dabei gelingt es dem multitalentierten Moppel speziell in der ersten Hälfte erstaunlich gut, die Grenzen zwischen Groteske, Psycho-Horror und Referenz-geschwängerten Parodie wunderbar auszuloten, sogar autobiographische Anspielungen miteinfließen zu lassen. Ein Teil seiner Persönlichkeit steckt auch in dem eigentlich großkotzig-spackigen Podcaster Wallace (toll: Justin Long) und dessen Kollegen (in alle Richtungen deutlich gewachsen: Haley Joel „Ich sehe tote Menschen“ Osment), die nicht nur als Spiegelbild der heutigen Star-by-Nothing-Internet-Generation dienen, sondern trotz ihrer polemischen, selbstgerechten Art dennoch irgendwo sympathisch erscheinen. Was als unbeschwerte Zeitgeist-Satire zu beginnen scheint (wenn man nicht schon grob wissen würde, was kommt), entwickelt sich mit der Ankunft von Wallace bei dem alten Seebären Howard Howe (Michael Parks) zu einer Backmischung aus „The Human Centipede“, „Misery“, Body-Horror, Serien-Killer- und Creature-Film, schwarzer Komödie, „Geschichten aus der Gruft“ und „Bully Parade“. Kurz: Alles (mal wieder) wild durcheinander, mal bemerkenswert abgeklärt, mal unnötig doof. Der Film kippt deutlich mit dem Auftauchen von „Guy Lapointe“, bis dahin touchiert Kevin Smith sogar die Gefilde einer kleinen Perle der absonderlichen Art. Das liegt nicht nur an der absurden, abartig-reizvollen Idee und seiner (man mag es kaum glauben) sogar Genre-tauglichen Inszenierung, ganz besonders kann sich das Michael Parks auf die Fahne schreiben, der schon in „Red State“ das Highlight war. Ein enorm gruselige, faszinierende Präsenz legt er an den Tag, spielt den guten Justin Long mühelos an die Wand, was keine Schande für ihn ist, Parks gehört der Film voll und ganz. Ab Monsieur Lapointe erinnert das zu oft an Karnevals-Kasperletheater, nun gehen mit Smith wieder die Blödel-Gäule durch. Zwar liefert besagter Mann für seine Verhältnisse in letzter Zeit ebenfalls eine halbwegs selbst-ironische Performance ab, erinnert man sich aber an die ersten Jahr(zehnt)e seiner Karriere zurück, ist das auch nur ein trübes, trauriges, eher peinliches Schattenspiel. „Tusk“ verliert den Boden unter den Füßen und droht unterzugehen, Smith kann (und will bestimmt nicht, was in dem Fall leider nicht förderlich ist) die Stimmung halten, doch zum Schluss bekommt er noch halbwegs die Kurve. Die letzten Minuten sind plötzlich schon wieder bald rührend, traurig und zeigen erneut auf, dass Kevin Smith immer genug Nährboden für Kritik liefert, aber letztlich ein Filmemacher ist, den man kaum nicht mögen kann. Lass ihn manchmal wie den lauten, infantil-bekloppten Elefanten durch den vorher so schön selbst ausgestatteten Porzellanladen trampeln, aber er hat Talent, das Herz am rechten Fleck und den Kopf voller Ideen, manche davon sogar richtig gut.
Wer ein homogenes Ganzes als zwingendes K.O.-Kriterium für einen Film ansieht, kann und sollte um „Tusk“ einen ganz großen Bogen machen. Wer grobe Ausrutscher verzeihen und sich einfach an vereinzelten Einfällen, eine offensichtlich liebevollen Umsetzung und diesem unverkennbaren Herzblut eines euphorischen Kindskopfs erfreuen kann (und ganz nebenbei für kranke Scheiße gerne zu haben ist), der sollte „Tusk“ zumindest die Chance geben.
„Ist der Mensch letzten Endes nicht doch ein Walross?“
"Schwarze Schafe" ist mit dem miesen Kritikerschnitt echt erstaunlich, der Rest (Platz 1 und 7 noch nicht gesehen) eher weniger. Da schockiert nur der hohe Communityschnitt...
[...] Selbst in der Inszenierung seiner wenigen Sport-Szenen ist der Vergleich zu „Wie ein wilder Stier“ nicht von der Hand zu weisen. Die nehmen kaum Raum ein, sind dafür (und für seine Zeit) mit einer ruppigen Wucht, eine realistischen Direktheit vorgetragen und verfolgen nicht nur als Schauwert einen Sinn. Ein Spiegelbild von Franks Werdegang, vom Höhenflug zum Kieferbruch. Als seine sportliche Zukunft - sein Strohhalm aus dem sozialen Elend - auf der Kippe steht, rekapituliert er sein Leben ( „Citizen Kane“ lässt grüßen, erzählerisch bewegt sich „Lockender Lorbeer“ eindeutig auf diesem Weg). Und erkennt, was im Laufe der Zeit so geschehen ist…sollte man meinen. Tatsächlich erkennt er es nicht, erst in der Folge und viel zu spät. Der Zuschauer (im Idealfall) schon, und das offenbart ihm einen großartigen Film. „Lockender Lorbeer“ ist kein Film über Sport, er ist ein Film über Menschen. Über gebrochene, verletzte und verletzende Menschen, die nicht aus ihrer Haut können. Sie wollen, sie haben die Chance dazu, aber sie schaden sich mehr, als das sie sich guttun. Obwohl sie das eigentlich nicht müssten, nicht sollten. Statt ihr Glück aneinander zu finden, ziehen sie sich gegenseitig runter. Können nicht aufeinander eingehen, steuern auf das Unglück zu. Eine destruktive Liebesgeschichte, ganz nah an seinen ausführlich und glaubhaft skizzierten Figuren. Mit sensationellen Darstellern und einem niederschmetternden Ende. So sehr er doch seine schützende Hand über sie halten möchte, es ist zu spät, zu Ende. Tja… [...]
[...] „23 Schritte zum Abgrund“ ist (nicht nur) deshalb so gut, da er die Blindheit seiner Hauptfigur nicht als reinen, plumpen Aufhänger missbraucht, sondern sie zur schlüssigen, sogar psychologisch konsequenten Figuren- und Plot-Entwicklung nutzt, dabei beide Seiten der Medaille beleuchtet. Phillip ist kein „Daredevil“, kein Superheld, kann aber mehr registrieren und nutzen als wir, die uns zu sehr auf die Sehkraft verlassen. Im Gegenzug braucht er Hilfe in gewissen Momenten, die in teilweise brisante Situationen gipfeln, denn letztlich fehlt ihm doch ein nicht unwichtiger Sinneseindruck. Besonders mit diesem Auf und Ab spielt „23 Schritte zum Abgrund“ sehr geschickt, was auch in der Kulisse des nach dem Zweiten Weltkrieg noch nicht vollständig wiederaufgebauten Londons speziell in einer Szene Verwendung findet. Die gesamte Handlung wäre mit einem sehenden Protagonisten nicht denkbar, sowohl im Positiven, wie im Negativen. Beide Aspekte halten sich die Waage, ohne dass sie überstrapaziert oder zu konstruiert, klischeehaft wirken. Exakt dadurch entwickelt der Film erst seine präzisen Höhepunkte, mal abgesehen von dem ohnehin spannenden Plot, der sich – wie es sich gehört – erst zum Ende in die Karten schauen lässt.
In seinen besten Momenten ist „23 Schritte zum Abgrund“ sehr, sehr dicht bei Alfred Hitchock („Rebecca“), ist für seine Zeit hochwertig produziert (in CinemaScope) und weiß auch heute noch mit seinem raffinierten Wechselspiel zwischen Autonomie, Abhängigkeit, verlorenem Lebenssinn und seiner ausgerechnet durch ein Verbrechen wiedergefundenen „Existenzberechtigung“ zu begeistern. Eine kleine Perle, dankenswerterweise wieder ausgegraben.
[...] Nur die Welt um ihn herum bekommt kalte Füße, verliert die Nerven und so muss er sich anpassen. Die Flucht nach vorne antreten, denn das Zurück liegt nicht in seiner Natur. Er ist ein Beute- kein Fluchttier. Das weiß er selbst nur zu gut. Aber was macht ein Beutetier, wenn sich das Netz der Jäger immer dichter um ihn zieht, der Frontalangriff keine Option mehr ist? Kurz scheint selbst er unsicher, immer noch vergraben unter dieser Schutzschicht. Was vorher in aller Seelenruhe wie am Fließband ablief, bekommt hektische Züge, in die Enge getrieben zeigt der Samurai plötzlich für einen Bruchteil von Sekunden doch so was wie Angst, Panik, Zweifel. Nun kann er eigentlich nur noch den Schwanz einziehen, untertauchen und versuchen, seinem Schicksal zu entfliehen. Doch ein Mann wie er erkennt, wann seine Zeit gekommen ist. Er folgt seine Bestimmung, er hadert nicht mit ihr. Kompromisslos bis zum Ende. Kompromisslos wie der ganze Film, mit dem Jean-Pierre Melville eindrucksvoll unter Beweis stellt, wie man Effizienz definiert. „Der eiskalte Engel“ braucht keinerlei ausschmückenden Firlefanz, ergänzt seine geradlinige, grob betrachtet eher schlichte Geschichte dennoch durch eine psychologische Komponente, ohne diese als blinkendes Ausstellungsstück in den Vordergrund zu rücken. Wenn etwas gesagt wird, wird alles gesagt, jeder Blick, jede Geste macht weitere Worte überflüssig. Gar nicht aufzuzählen, wie viele (ebenfalls als Klassiker und Meisterwerke gehandelten) Filme nach „Der eiskalte Engel“ sich unbestreitbar auf ihn beziehen und zitieren. In seiner Art, in seiner angepeilten Intention nah am perfekten Film, wenn es so was geben sollte.
„Es gibt keine größere Einsamkeit als die eines Samurai, außer vielleicht die eines Tigers im Dschungel.“
„I want to report a murder.“
-„Where was the murder commited?“
-„San Francisco, last night.“
-„Who was murdered?“
-„I was!“
Was für ein brillanter Opener, dafür hätten einige einen Mord begangen, selbst Hitchcock... [...] Um es nochmal deutlich zu erwähnen: Die Idee zu „Opfer der Unterwelt“ ist schlicht und einfach phänomenal. Ein bis dato niemals in irgendeiner Form mit Mord und Verbrechen in Kontakt gekommener 08/15-Bürger ist urplötzlich ein Todgeweihter, eine (noch) lebendige Leiche, der im Wettlauf gegen die tickende Zeitbombe in seinem Körper, deren Zündschnurlänge nicht genau bekannt ist, verzweifelt versucht Antworten auf das Unbegreifliche zu finden. Eine panische Hetzjagd, an deren Ende trotzdem keine Erlösung stehen wird, maximal so was wie (in Anbetracht der Situation) Genugtuung oder einfach nur ein Motiv, der Grund für seine schleichende Ermordung. Der als Rudolf Mayer in Krakau geborene Regisseur Rudolph Maté („Rivalen ohne Gnade“) weiß aus dem Plot eine rasante Tour de Force zu kreieren, bei der der Zuschauer bis zum Schluss ähnlich plan- und ratlos ist wie sein bemitleidenswerter Protagonist, von einer losen Spur zur nächsten hechelt und sich unter Zeitdruck versucht, ein Bild aus den zerstreuten Puzzleteilen zusammenzubasteln. Spannung und Unterhaltungswert ist so über die gesamte Zeit problemlos gegeben, wobei der B-Movie-Charakter sehr offensichtlich ist. „Opfer der Unterwelt“ wirkt sowohl von seinem Skript wie der Inszenierung ähnlich rastlos und getrieben wie die Geschichte, kommt dabei mehrfach ins Trudeln und stolpert manchmal fast über grobschlächtige Details.
[...] Den Stellenwert innerhalb seines Genres kann und erst recht will man „Opfer der Unterwelt“ keinesfalls absprechen, viel zu denk- und erinnerungswürdig ist seine Grundlage. In der Prämisse wie der Auflösung liegt eine schlichte Genialität, die es nicht hoch genug zu loben gibt. Leider fallen seine Unzulänglichkeiten in diesem Kontext umso deutlicher ins Gewicht, gerade da sie meist vermeidbar gewesen wären. Nichtsdestotrotz ein grundsätzlich sehenswerter Klassiker, der sich zu oft selbst ein Bein stellt.
[...] Alles nur raffinierter, hinterlistiger Betrug oder doch ein unerklärliches Phänomen? Ein hilfsbereiter, bedauernswerter Tropf, der alles aufgegeben hat und sich nun endlich dazu aufrafft, seine Fähigkeiten gezielt einzusetzen oder ein ausgekochter Scharlatan, der einen perfiden Plan verfolgt? Beides scheint durchaus möglich in dieser Kombination aus Film noir und einer Folge „Twilight Zone“ mit melodramatischen Einschlag. Relativ geschickt wird der Zuschauer durch die zunächst verwendete Erzählperspektive von Triton manipuliert, die natürlich keinen Zweifel an dem Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zulässt. Schließlich „sehen wir ja selbst“ was passiert ist, wobei wir ja lediglich seine Geschichte bebildert bekommen und durch die Einseitigkeit der Narration ein trügerisches Gefühl der Gewissheit bekommen. Wie es ein Magier eben macht: Zeige deinem Publikum vermeidlich klare Dinge und verblüffe sie mit dem Unglaublichen. Wer einfach nur seinen Augen vertraut, verfällt der Magie des Effekts. Wer kritisch auf seinen Verstand vertraut, hegt berechtigtes Misstrauen. Sobald sich die Ereignisse wieder ins Hier und Jetzt verlagern, werden eben jene eher aus der Sicht von Elliott vorgetragen und somit auch der Zuschauer wieder in dessen Position gebracht. Ein schlaues Spiel mit den Blickwinkeln, aus dem „Die Nacht hat tausend Augen“ seinen durchgehend gegebenen Reiz bezieht.
Das dieser Kniff (meistens) vernünftig aufgeht, liegt nicht zu Letzt an dem hervorragend agierenden Edward G. Robinson, dem man seine Geschichte zu gerne abnehmen möchte, er verkauft sie schließlich so glaubhaft. Mit seinem traurigen, gütigen Blick, dem Erscheinungsbild eines vom Schicksal Geschundenen, mit dem man trotz seiner eigentlich als vorteilhaft interpretierbaren Fähigkeit nicht tauschen möchte. Nur der gesunde Menschenverstand und diverse Indizien sprechen dafür, dass man ihm doch besser nicht über den Weg trauen sollte, auch wenn viele seiner Visionen erstaunlich, gar erschreckend präzise zutreffen. [...] In der Theorie wirkt „Die Nacht hat tausend Augen“ aus heutiger Sicht allerdings noch deutlich besser als in der Praxis, ganz so verwirrend und irritierend wie wohl seinerzeit ist er heute ehrlich gesagt nicht mehr. An gewissen Punkten ist er dann doch zu eindeutig in einer Richtung, der Überraschungseffekt kann nicht bis zum Schluss konstant gehalten werden. [...]
Und jetzt ist es Charlize Theron, wer hätte das gedacht?
Eltern haften für ihre Kinder. Ein Vater muss tun, was ein Vater tun muss, auch wenn entweder das verkokste Blag selbst Schuld ist oder man seit Jahren schon selbst nur noch der totgeschwiegene Erzeuger hinter dem zugeklebten Foto. Liam Neeson könnte echt mal wieder eine andere Rolle spielen, aber wenn er es nicht macht, macht es irgendwer und er kann es jetzt schon im Schlaf souverän. In 16 Stunden durch die Nacht, vom traumatisierten Killer-Schluckspecht über den Weihnachtsmann (der später kurz Unterschlupf beim Leibhaftigen Nikolaus findet, dazu noch mehr) zum reumütigen Anti-Helden, der am Boden der Schnapsflasche noch seine Aufgabe und den verspäteten Erziehungsauftrag findet ("Du darfst niemals abdrücken. Wenn du abdrückst, dann bist du nicht besser als ich."). Mit dieser Mach-nicht-den-gleichen-Fehler-wie-ich-Moral spart "Run All Night" ebenso wenig wie mit Klischees, richtet das Ganze dafür handwerklich kompetent und teilweise sehr druckvoll-rüde an. Ist mit zwei Stunden nur zu lang, was sich nicht in ermüdenden Längen niederschlägt, allerdings wäre das Ding in 90, maximal 100 Minuten viel effektiver erzählt. Wurscht, unterhält trotz der bekannten Methoden wirklich gut, Liam Neeson und Ed Harris geben selbst im Autopilot (was gerade bei Harris immer noch geil ist) sogar eine kleine "Heat"-Diner-Szene und wenn der Film auf Action setzt, ist die schnell, hart und mit Wucht (auf die paar SlowMos im Finale hätte man ruhig verzichten können, wie auch den Pathos-Anflug, aber macht das Gesamtbild nicht kaputt). Good Job, für das, was er ist und was machbar war. Und um jetzt noch mal auf den "Nikolaus" zu sprechen zu kommen: Echt erschreckend, dass man sofort glauben könnte, Nick Nolte wäre der Onkel von Liam Neeson (oder auch der Großvater), sooo riesig ist der Altersunterschied ja nicht.
[...] Lykaner-Cluedo (war es XY mit dem silbernen Kerzenständer im Speisesaal?), das zu keiner Sekunde Genre-typisch schaurig daherkommt, im besten Falle aufgrund seiner ungewöhnlichen Vorgehensweise interessant, eher artfremd mit schmissigem 70er-Funk unterlegt, wozu der optisch leicht an den Roundtree-„Shaft“ erinnernde Protagonist (Calvin Lockhart, „Der Prinz aus Zamunda“) dann ja schon wieder fast passt. [...] Ein zugegeben drolliges Konzept, diese Whodunit-Mixtur aus Agatha Christie-Krimi und Werwolf-Horror mit Zeitkolorit, die neben seiner konkreten Ansprache an das Publikum leider nicht viel Ansprechendes zu bieten hat. Zu lange schleppt sich das Geschehen arg gedrosselt dahin, es passiert viel zu wenig und man ist sich irgendwann schon gar nicht mehr sicher, ob überhaupt nochmal ein Werwolf auftaucht. Mag Teil des erwünschten Spannungsbogens sein, der in seiner Behäbigkeit gehörig überspannt wird, ohne durch nennenswerte Einfälle weiter bei der Stange zu halten. Nur auf seine recht originelle Grundidee gestützt schlafen schneller als erwartet die Füße ein, bis kurz vor Schluss ist wenig los auf beim tranigen Krimi-Diner. Peter Cushing bringt mit seinem einzigartigen Charisma etwas B-Movie-Glanz in die schmucklose Hütte, kann den Film mit seiner Nebenrollen trotzdem weder großartig tragen noch entscheidend aufwerten. „Mondblut“ ist erstaunlich brav, zahnlos und trotz der individuellen Note bald schon bieder. Werwolf-Fans müssen einiges an Geduld mitbringen und bekommen dann noch als Belohnung eine der lumpigsten „Verwandlungsszenen“ vorgesetzt, die sich überhaupt vorstellen lässt (Schnitt, fertig. Super!). [...]
[...] „Der Rabe“ (wohlweißlich beginnend mit den einleitenden Worten: „In einer kleinen Stadt, hier und anderswo…“) beschreibt die Vergiftung einer beschaulichen, homogenen Gemeinde durch die Saat von Beschuldigungen, Lügen, Gerüchten und manipulativen Hasstiraden. Ähnlich wie damals die Juden und andere Feindbilder plakativ verurteilt wurden, treibt auch der unbekannte Briefeschreiber sein Spiel mit der Bevölkerung, unterwandert und zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt, beschwört Konflikte und affektive Hexenjagden herauf, macht aus Freunden Feinden und aus angesehenen Bürgern eine Persona non grata. Was aus der (verblödeten und dadurch tatsächlich gegensätzlich wirksamen) Sicht des Nazi-Regimes das französische Volk als einen intriganten Haufen bloßstellen sollte, entlarvt de facto ihre eigenen Vorgehensweisen, ist gleichzeitig ein zeitloses Spiegelbild kultureller Phänomene und des menschlichen Wesens (vergleichbar wäre da grob „Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte“von Michael Haneke) und ganz am Rande sogar der Ursprung des französischen Film noir, wobei das tatsächlich sicher nicht so beabsichtigt war.
[...] Mal losgelöst von seinem spannenden und bald einzigartigen Backround ist „Der Rabe“ schon eine intelligente, tiefsinnige Parabel über den Menschen und seine Natur. Über Prozesse, die fremdgesteuert initiiert werden, dann aber eine ganz natürliche Eigendynamik entwickeln, provoziert durch prickende Nadelstiche nah an der Wahrheit, dennoch beruhend auf Hörensagen und bösen Unterstellungen. [...] „Der Rabe“ ist ein universelles Gleichnis über das Gefüge einer Gruppe, in sich geschlossen und nur leicht marode, die mit gezielten Sprengsätzen an tragenden Säulen in sich zusammenbricht. [...] Henri-Georges Clouzot inszeniert selbst unter diesen widrigen Bedingungen einen nachdenklich stimmenden und sehr clever konzipierten Film, der lediglich mit seiner etwas schlicht gestrickten Auflösung nicht das Niveau halten kann, das eben sehr hoch angesiedelt ist. Ein wichtiger, ein kluger Film, mit narrativen Schwächen, die eher als Schönheitsfehler durchgehen.
Das sind also die Meinungen und Tipps von professionellen Schauspielerinnen...echt jetzt?
[...] Was Dynamik angeht, wirkt der alte Mann George Miller wesentlich frischer als die unzähligen Blockbuster-Regisseure heutzutage, deren Namen man gar nicht mehr mit dem fertigen Film in Verbindung bringt. Was „Fury Road“ neben der brillant inszenierten Action auszeichnet – und diese gerade dadurch noch aufwertet – ist seine Detailverliebtheit. Manches wirkt für das heutige Event-Kino extrem weird, wild, roh. Eine hervorragende Ausstattungen, bizarre Figuren und Momente (allein Bad Guy Immortan Joe sieht aus wie das Kind von Skeletor und Hordak von den „Maters of the Universe“, super), großartige Mini-Ideen (im furiosen Finale kommen sogar Anleihen an Piraten-Filme ins Spiel, nur um nicht zu viel zu verraten), das ist alles wunderbar und mit dem Mut zur Lücke, denn nicht alles muss ausführlich erklärt werden, steht in seinem dem lange schon dominierenden Chaos einfach für sich, ganz beiläufig. Unterlegt von den Klängen eines Junkie XL (Ähnlichkeiten zum Namen des Text-Autors nicht nur zufällig), prasselt einiges auf einen ein. Miller entfesselt den puren Wahnsinn, sorgt damit jedoch erstaunlich schnell fast für eine Übersättigung. Ab der Mitte des Films ist man den ewig gleichen (dennoch geil gemachten) Drive-Hard-and-Die-Szenen bald schon überdrüssig. Jetzt, spätestens jetzt, sollte mal was passieren, was dem Film ein Minimum an anderem Input gibt. Dem ist leider kaum so.
An der Story wurde in den letzten 30 Jahren wohl nicht ausgiebig gearbeitet. Die sichtliche Akribie liegt in den Schauwerten und der ausgefeilten Darbietung der Actionszenen, was auch kein Problem ist, nur dann im Gegenzug fast nichts an Geschichte beizusteuern enttäuscht gewaltig. Besonders die Figur des Mad Max ist eigentlich total egal. Tom Hardy bekommt niemals die Chance, dem Film seinen Stempel aufzudrücken, überhaupt mal nennenswert im Mittelpunkt zu stehen. Wortkarg grummelt er sich bis zum Abspann, was soll er auch sagen, die Show gehört neben der Action eher Charlize Theron, die ihren Job ruppig-gut macht. Der eigentliche Held geht in dem Getöse komplett unter, wird vom Namensgeber zum Statisten und Stuntman. Wäre „Fury Road“ nicht so bombastisch vorgetragen, er hätte kaum was zu bieten. [...] „Mad Max: Fury Road“ ist eine kleine Enttäuschung auf hohem Niveau. Was Action, Rasanz und kleine Einfälle angeht, ist der top. Der Rest maximal zweckdienlich. [...]
[...] Wem das nicht bekannt vorkommt, hat vorher wohl noch nicht allzu viele Actionfilme gesehen und ganz bestimmt nicht „Stirb Langsam“, dessen Grundprämisse hier mehr oder weniger feist kopiert wird. [...] Getreu dem Motto „Besser gut geklaut als schlecht erfunden“ verlässt sich Peter Hyams nicht rein auf das spagatöse Talent seines Hauptdarstellers, setzt das sogar verhältnismäßig gering ein. Sicher darf der drahtige Belgier ordentlich Backenfutter verteilen, liefert sich u.a. eine herzhafte Küchenschlacht mit dem Vereinsmaskottchen und anderen Halunken bis auf die (und sogar mit) Knochen, darauf allein wird sich allerdings nicht gestützt. „Sudden Death“ ist in seinen besten Momenten sogar erstaunlich dicht dran an seinem großen Vorbild aus dem weihnachtlichen Los Angeles.
Im Wettlauf gegen die (nicht) tickende (da digitale) Uhr wird klassisches 90er-Jahre-Actionkino ohne Schnörkel abgeliefert, mit bitter-bösen, hemmungslos-brutalen und konsequenten Bad Guys, denen Powers Boothe („Die letzten Amerikaner“) ein zwar deftig überzeichnetes, gleichzeitig nicht minder charismatisches Gesicht gibt. Spannend, dicht konzipiert und mit handwerklicher Souveränität, trotzdem natürlich bald absurd unrealistisch, da werden Logik und Glaubwürdigkeit gerne mal vor der Tür gelassen. Allein wie ein ganzes Stadion (und besonders die dort übertragenden Fernsehteams, die unweigerlich ja eine direkte Verbindung zur Außenwelt haben müssen) nicht mitbekommen, dass da draußen gerade der Butzebär los ist und auch noch ständig was in die Luft fliegt, mal abgesehen von dem Geschehen im Inneren, ist natürlich totaler Unfug, aber sonst würde die Nummer halt nicht funktionieren. Egal, deshalb schaut man sicher nicht solche Filme und kann sich locker an den Vorzügen hochziehen, denn was gute Handwerkskunst und kernige Genre-Unterhaltung angeht, ist „Sudden Death“ eine runde Sache. Richtig deplatziert wirken leider die übertrieben kitschigen Vater-findet-wieder-Zugang-zu-seinen-Kindern-Momente, die nah am fremdschämen sind. Das beginnt mit der selbst für solche Logik-resistenten Filme absolut albernen und für den Drive der Handlung auch noch ausbremsenden Glanzparaden-Situation und gipfelt in gar peinliche Szenen („Ich hab mich nicht bewegt, Dad“). [...]
[...] Nun also die nächste Folge aus der Reihe „Ich war ein Star, was mach ich hier?“ oder wie er offiziell heißt „Reclaim – Auf eigenes Risiko“. [...] Vor traumhafter Karibik-Fototapete entwickelt dieser Thriller leider gar keinen Thrill, obwohl er von seinen thematischen Möglichkeiten vergleichsweise gar nicht mal so chancenlos ist wie einige der letzten Cusack-Vehikel. Die Geschichte rund um krumme Geschäfte mit Waisenkindern aus der Dritten Welt und die skrupellose Abzocke verzweifelter Eltern in spe bietet einiges an Spielraum, wird hier (natürlich) nur für so schnell zusammengekritzeltes wie abgedrehtes 08/15-Fastfood verpulvert. Weder gelingt ein vernünftiger Spannungsaufbau, noch sind die Ereignisse gut durchdacht und glaubhaft angerichtet. Können das andere B-Thriller wenigstens durch eine rasante Dynamik oder knackige Momente auffangen, steuert „Reclaim – Auf eigenes Risiko“ niemals auf irgendwelche Höhepunkte zu, findet sie nicht mal zufällig. Selbst wenn gegen Ende notgedrungen das Tempo leicht anzieht und etwas Action ins Spiel kommt, dadurch wird erst die krude Plot- und Figurenentwicklung sowie die schlampige Regie deutlich in den Vordergrund gerückt. Peinlicher Höhepunkt: Eine Autoverfolgungsjagd, die eindeutig nicht in der Geschwindigkeit stattfand, wie sie abgespielt wird. Wer sich noch an „The Benny Hill Show“ erinnern kann, so in etwas sieht das aus. Urgh! [...] „Reclaim – Auf eigenes Risiko“ ist, so fair wollen wir sein, kein unglaublicher Schrott, er ist schlicht bedeutungslos. Scheiße ist (noch) anders, interessant oder notwendig allerdings auch. [...]
[...] Polanski erweist sich abermals als Meister der intelligenten, psychologischen Destruktion, dem bald chirurgisch präzisen Offenlegen seelischer Wunde unter dem augenscheinlichen Deckmantel eines Genrefilms. [...] Es ist schon nicht mehr nur bemerkenswert, es ist schlicht sagenhaft virtuos und von einer kaum zu erlernenden Brillanz, wie fast beiläufig Roman Polanski den blanken Horror im urbanen Alltagsgeschehen heraufbeschwört und mehr und mehr zu einem dichten Netz aus surreal-geschwängerten Schreckensszenarien und paranoider Todesangst verwebt. Nicht nur durch den Schauplatz wird ein Bezug zu den Vorgängerfilmen „Ekel“ und „Rosemaries Baby“ geschaffen, Polanski greift direkt deren jeweiligen Schwerpunkte und auf und kreiert eine Symbiose aus ihnen. Sahen wir uns in „Ekel“ noch mit dem unmissverständlichen, seelischen Kollaps einer gestörten Persönlichkeit und in „Rosemaries Baby“ mit einer indirekten, in einer angedeutet-schwebenden und nur möglicherweise bestehenden Bedrohungssituation von außen (naja, und natürlich innen) konfrontiert, bedient sich „Der Mieter“ beider Elemente und erzeugt aus ihnen ein ganz eigenes Konstrukt. Oberflächlich mag man dem Regisseur vorschnell vorwerfen, sich grundsätzlich zu wiederholen, aus diesem vermeidlichen Kritikpunkt bezieht dieses Werk dabei eine seiner zahlreichen Stärken. „Der Mieter“ wird so nicht nur gefühlt der Schlusspunkt dieses Zyklus, er ist seine konsequente Essenz. Ein alles in sich vereinende Finale, der das bisher Erschaffene zu einem neuen Ganzen formt und ihm auf betörende wie zutiefst verstörende Weise neue Aspekte abgewinnt. [...] Gegen Ende erlangt „Der Mieter“ eine Intensität, die ihres Gleichen sucht. Neben der nun direkt formulierten Reminiszenzen, wie u.a. Alfred Hitchocks „Psycho“, erreicht der Film einen selten gesehenen Höhepunkt, dessen logische Auflösung in ihrer Simplizität erschreckender ist, als jeder überkonstruierte, an den Haaren herbeigezogene Surprise-Surprise-Twist. Ohne etwas zu verraten: Wenn sich der Nebel aus Verdachtsmomenten und Spekulationen lichtet, ist die Antwort so einfach und dadurch erst in seiner hintergründigen, entlarvenden Form für die damalige (und auch heutige), anonyme und dennoch manipulative Tür-an-Tür-Gesellschaft ohne persönlichen Kontakt auf wohlgesonnener Ebene furchtbar ehrlich. Die letzte Einstellung mal ganz ausgeklammert, die einen noch lange verfolgen dürfte. [...]
[...] In der Doku selbst wird sich natürlich hauptsächlich auf die Arbeit von William Castle konzentriert, aber auch der Mensch hinter dem Herzblutfilmemacher wird beleuchtet, u.a. durch seine Tochter Terry, die wie andere Kollegen, Fans und Filmschaffende zu Wort kommt. Zum Teil persönliche Erfahrungen mit der Person William Castle wie mit seinen Werken werden berichtet, besonders Regie-Nerd John Waters hat ein Leuchten in den Augen, wenn er aus seiner Jugend erzählt und wie sehr ihn diese Filme geprägt haben. In 80 Minuten bleibt leider wenig Zeit für die ganz tiefen, ausführlichen Einblicke und „Spine Tingler! – The William Castle Story“ versteht sich natürlich als eine einzige Liebeserklärung und Huldigung, kritische Töne in irgendeiner Form haben dort nichts verloren. Vielleicht gab es aber auch wirklich nichts, was man an dieser positiv-verrückten Rampensau zu beanstanden hätte. Wie seine Filme ist auch die Doku über ihn nicht der ganz große Hit, dafür enorm sympathisch, kurzweilig und durchaus informativ. Für Fans von Castle unverzichtbar (auch wenn vieles schon bekannt sein dürfte), für alle Interessierte definitiv den Blick wert. Was einen wirklich etwas traurig stimmt: Die Momente, die die Zuschauer damals in den Vorstellungen seiner Filme hatten, werden wir so wohl kaum erleben. Bei der deutschen Kinokultur, die manchmal eher einem Museums- oder Bibliothekenbesuch gleicht, ist das nicht praktizierbar. Nicht falsch verstehen, das hat natürlich auch seine Vorzüge bei den meisten Filmen, doch so was wie der interaktive Castle-Kino-Wanderzirkus passt da nicht rein.
[...] Mit einigen guten Inszenierungsideen kann der Regisseur punkten. Die wenigen und an sich unspektakulären Sets werden schlau ausgeleuchtet, wie der nebelige Friedhof oder das Leichenschauhaus mit seinem nervösen, flackernden Licht. Es entwickelt sich ein zwar nie hochspannender, dennoch interessanter Low-Budget-Whodunnit, dessen Geschichte leicht an Henri-Georges Clouzots Noir-Meisterwerk „Die Teuflischen“ erinnert, der Castle einst dazu anspornte, den großen Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, obgleich seinem Film selbst eine Romanvorlage zu Grunde liegt. Wahrscheinlich suchte er gezielt nach einer ähnlichen Geschichte, der alte Fuchs überließ wohl nie irgendwas dem Zufall. Was dabei letztlich herauskommt, ist weit entfernt von großem Kino und auch nur im Gedanken in der Nähe von Castles Vorbildern, teilweise naiv und manchmal drollig. Im Gesamtpaket – besonders in Anbetracht des sichtlichen Enthusiasmus und der bescheidenden Rahmenbedingungen – trotz alledem ein nostalgisches, ungemein sympathisches Stück B-Movie-Geschichte aus einer Zeit, als ein Träumer mit wenig Kohle und ganz viel Herz noch zur Ikone werden konnte.
„Was würdest du tun, wenn ein Hund böse wird? „…Da gibt es nur zwei Dinge, die du tun kannst: Entweder du kettest das Vieh an, oder du knallst es ab!“
Scheiße fällt nicht weit vom Baum, so sagt man in Texas, und (Ge)Recht(igkeit) wird in erster Linie über die simple Faustformel „Mein Haus, meine Knarre, Pech gehabt“ geregelt. Dass sich ein friedliebender Familienvater nicht ganz wohl dabei fühlt, einen Einbrecher auf frischer Tat an die Wand zu spritzen, wird hier eher als sonderbare Ausnahme lakonisch wahrgenommen. Eine Selbstverständlichkeit im Lone Star State, nicht weiter der Rede wert, einfach die Toilette runtergespült. Wenn das nicht eine Ereigniskette in Gang setzen würde, die (wirklich) in der Form nicht vorherzusehen ist. „Cold in July“ erweist sich als geschickter und dabei auch bald absurd falscher Fährtenleger, indem er zunächst die primitive Gewaltabstumpfung dieses in seiner Zeit und „Kultur“ besonders hängen gebliebenen Flecken Erde klar als rückständig, eigensinnig an den Pranger stellt, um gegen Ende fast exploitative Züge anzunehmen. Bald, denn das passiert nicht einfach so, weil man zu blöd ist und den eigenen Film nicht versteht. Überhaupt spielt man hier Texas Hold’em mit vermeidlich klaren Hole Cards, startend als finsterer Revenge-Thriller, musikalisch, modisch wie in seiner Handlung unmissverständlich in den 80ern angesiedelt, mit schlimmem Nackenspoiler und Popelbremse (Michael C. Hall) sowie dem Carpenter-Synthie-Score. Der fantastisch Sam Shepard gibt auf seine alten Tage zunächst die „Cape Fear“-Gedächtnis-Performance, damit der Plot spätestens mit dem nicht minder grandiosen Don Johnson („Was um alles in der Hundekacke hat dich denn heimgesucht?“) auf dem Flop endgültig in eine ganz andere Richtung (um)kippt. Plötzlich leicht in „Blood Simple“-Gefilden angelangt, wird das ironisch-brutale Chili immer um neue/alte Geschmacksrichtungen ergänzt, schmeckt teilweise merkwürdig, aber immer rund und lecker. Turn und River sind schon endgültig befreit von der anfänglichen Logik, da hat sich einfach ein Dreigestirn gefunden und die ziehen das jetzt durch, auf Texas-Art. Und wenn man sich am Ende wieder neben die Liebste legt, ist alles wieder gut. Ein hervorragend, stilsicher inszenierter Film, mit geilen Figuren/Darstellern, in seiner Handlung ganz kurios schwankend, aber nie total sinnlos. Ein rauer Witz, brachial und selbstbewusst.
„Du bist im Bilde, Rahmenmacher.“
Warum gab es eigentlich keinen deutschen Kinostart (rein rhetorische Frage, leider)?
[...] Sollima zeigt sein ganzes Können, sowohl als Regisseur wie als Autor, kleidet seinen Film in erstklassige Fotographien (unterlegt von gewohnt einprägsamen Klängen von Großmeister Ennio Morricone) und kitzelt aus dem Plot lange Zeit das Maximum an Spannung und Suspense heraus. Schnell ist man direkt involviert in das dichte Geschehen und bis auf wenige, sich noch nicht in das Gesamte einfügende Puzzleteil auch nicht schlauer als Oliver Reed, der seine Rolle als verschwitzt-wutschnaubender Gesetzeshüter mit Ehre, gleichzeitig verzweifelt-hilfloser Ehemann mit zumindest halb gefesselten Händen auf dem Rücken intensiv und druckvoll verkörpert. Heute hat auf so was Liam Neeson („96 Hours“) das langsam überstrapazierte Dauerabo, jedoch nie mit so einem guten Skript gesegnet und mit deutlichem Fokus auf Action statt Handlung. „Revolver – Die perfekte Erpressung“ verzichtet bis auf ganz wenige Ausnahmen auf handfeste und bleihaltige Momente, lebt eindeutig von seiner kribbeligen, wendigen Handlung, den interessanten Figuren und seiner stilsicheren, atmosphärischen Umsetzung. Speziell die sich aufbauende Beziehung der beiden Hauptfiguren ist von einer unruhigen Ambivalenz geprägt, denn schließlich kann man sich lange nicht sicher sein, welche Rolle Milo (auch von Testi hervorragend gespielt) nun wirklich einnimmt und was die übermächtig scheinenden Drahtzieher im Schilde führen…und in wie weit ihre sich langsam festigende Bindung dadurch auf eine harte Probe gestellt wird.
Wenn gegen Ende deutliches Licht ins Dunkel kommt, droht „Revolver – Die perfekte Erpressung“ kurz seine packende Intensität leicht einzubüßen, von der Ungewissheit zehrte der Streifen bisher schließlich enorm, doch nun greift die vorher aufgebaute Charakterisierung und besonders das, was auch die besten, thematisch vergleichbaren Hollywood-Thriller dieser Zeit auszeichnet. Trotz des unbändigen Willens und des unerschütterlichen Tatendrangs des verbissenen Protagonisten scheint er am Ende gegen eine Wand zu laufen, die er unmöglich überwinden kann. Eine Mauer aus Korruption, Machtspielchen, purer Überlegenheit, praktisch höherer, (un)menschlicher Gewalt. Wie Don Quichotte gegen die Windmühlen. Ihm bleibt eigentlich keine Wahl, aber trotzdem eine Entscheidung. Wie wird die aussehen und was sind die Konsequenzen? In seinen letzten Minuten ergänzt Sollima seinen Film durch eine zusätzliche, erdrückende Qualität. Wie das Kartenhaus aus dem Glauben an Ethik, Gerechtigkeit und das Vertrauen in das Gute im Menschen in sich zusammenfällt, famos dargestellt durch die finalen Szenen, ist erschütternd und nachwirkend. [...]
Wenn einer seiner Filme mal zufällig lustig werden würde...
Style over Substance, von wegen! Eher eiskalt und fettreduziert, wie die schauderhaft-präsente Killermaschine Dan Stevens. Als blanke, präzise Genre-Reminiszenz auf das Wesentliche konzentriert-runtergebrochen serviert Adam Wingard nach seinem ausbaufähigen Home-Invasion-Reißer „You’re Next“ ein radikales Stück, das niemals in Erklärungs- und Rechtfertigungsnotstand gerät, weil er das gar nicht erst in Erwägung zieht. Dies wäre nur ein Eingeständnis vor mangelndem Selbstvertrauen in die eigene Stärke, da setzt sich „The Guest“ mit dem nackten Arsch drauf und lacht sich ins geballte Fäustchen. Wo andere Ironie, Sarkasmus und garstigen Humor in einem überdeutlichen Augenzwinkern versuchen an den Mann zu bringen und damit oft Gefahr laufen, sich zu weit aus dem Genre-Fenster zu lehnen, knallt es einem „The Guest“ so beiläufig in die Fresse, dass man die Wucht vielleicht nicht mal richtig wahrnimmt. In pulsierender (Un)Ruhe im Synthie-Pop-, Industrial- und Tech-Noir-Rausch (dieser Soundtrack ist unschlagbar) wird die US-Mittelschicht infiltriert von den Geistern des eigenen Drangs nach innerer (und äußerer) Sicherheit, dem Krieg gegen den Terror, dessen abartige Auswüchse man aber bitte nicht zu Hause haben möchte. Man erntet, was man säht. Der ungeladene, aber gern geduldete Gast entpuppt sich als American Nightmare, als das Produkt einer Maschinerie, die man Fahne-wedelnd unterstützt hat und bei dem man dann dummerweise nicht mehr einfach den Stecker ziehen kann, wenn es nicht ganz rund läuft. Oberflächlich kann man den Film sicher als verspielt-rüden Hybrid aus Psychothriller und Actioner abtun, in seiner galligen Art ist er weit mehr als das. Allein das Finale unter der Discokugel und im knietiefen Nebelfluid ist nicht mit Gold aufzuwiegen…und wurde „Because I Love You“ schon mal in einem destruktiveren Kontext filmisch eingesetzt? Ein feuchter Traum, der sich genauso wenig richtig greifen lässt, unwirklich erscheint und gerade dadurch lange im Gedächtnis bleibt.
[...] Hier wackeln die Mopsmäuschen rollig mit den Hüften und der bumsfidele Badehosenkater stellt Kamera und Pillemann scharf. Flockiger Anmachspruch zum zwingend auswendig lernen: -„Komm, ich bring dich woanders hin.“ –„Wohin denn?“ – „In die Sauna, ist gut für deine Gesundheit.“ Unter normal vertretbaren, emanzipierten Bedingungen lässt sich das lüsterne Sleaze-Geschmiere von „Nude per l’assasino“ (um sich mal auf einen Titel zu einigen) nicht ansatzweise rechtfertigen, hier wird flott aus dem Schritt geschossen und immer dann blank gezogen, wenn die Handlung nichts zu bieten hat. Der „Held“ der Story ist ein widerlich-voyeuristischer Fotograf/Spanner, der Hintern mit Gesichtern verwechselt, potenzielle Neu-Models ausgiebig „probefährt“ und dessen umwerfendem Charme alle Weibchen erliegen, obwohl er sich benimmt wie die Axt im Muschi-Unterholz. Zwischen amüsant-daneben und grenzwertig-scheiße rumpelt der Plot vor sich hin, ist übles Chauvinismus-Theater mit Hand in der Hose und Blutmangel im Kopf, geschmückt mit albernen Dialogen und reichlich nackten Schönheiten (u.a. Giallo-Allzweckwaffe Edwige Fenech, „Der Killer von Wien“), die sich scheinbar für nichts zu schaden sind. [...] Fast unglaublich, dass sich „Nude per l’assasino“ damit nicht völlig ins Abseits schießt, denn grundsätzlich ist der stabil inszeniert und aus Versehen wird es gegen Ende sogar doch noch spannend. Wenn er sich nicht mehr so akribisch an Brüsten, Mumus und Ärschen aufgeilt, das merkwürdige (und sicher nicht immer freiwillige) Humorverständnis zurückschraubt und mal ausnahmsweise rein auf das Whodunnit-Prinzip konzentriert, dann funktioniert das Ganze sogar recht brauchbar, in der letzten halben Stunde ist man erstaunlich gut dabei. In seinem grundsätzlichen Feintuning ist der Film komplett neben der Spur, generell in seinem Tonfall und Auftreten heftig deplatziert und immer dann hektisch, wenn er es nicht müsste bzw. sollte (sprich seinen Kills), wirkt dennoch sehr bemüht und in Kombination mit einigen gelungenen Momenten erschleudert er sich Gnade vor Recht. Da lassen wir mal Fünfe gerade sein, auch wenn es nur verklebte Wichsgriffel sind.
[...] Den Willen und Ansatz lässt „Die Muse“ deutlich erkennen, die Gratwanderung zwischen Thriller und Drama gelingt ihm – trotz aller Bemühungen – leider nicht im befriedigenden Maße. Als Drama ist es dann doch letztendlich viel zu oberflächlich, kratzt interessante Ideen an, vollendet sie jedoch nicht. Als Thriller bietet er viel zu wenig Drive, speziell im teilweise arg gestreckten Mittelteil, und dann dort eben nichts, was überrascht, übermäßig die Nerven strapaziert oder nicht anderswo schon deutlich besser verkauft wurde. Hoffnung auf den entscheidenden Kick am Ende – womit nicht zwangsläufig der heute fast obligatorischer Twist gemeint ist – bleiben verwehrt, die eigentlich wohl als leicht perfide erdachte Schlusspointe kitzelt auch nicht richtig. Insgesamt enthält „Die Muse“ erstaunlich viel Potenzial, weiß dieses jedoch nicht richtig zu nutzen. Auf weitere Arbeiten von Christian Genzel darf man trotzdem gespannt sein, denn für einen Low-Budget-Debüt-Film hat das handwerklich alles Hand und Fuß. In der Hinsicht lässt sich dem nichts vorwerfen, kein aufwendiger produzierter TV- (und teilweise sogar Kino)Film sieht viel besser aus, Talent hat der Mann ohne Frage. Sicher auch das Engagement, nur zünden seine Ansätze hier leider noch nicht. Aller Anfang ist schwer, nur hier sieht man definitiv, dass noch Luft nach oben ist. Wer kann das von Marcel Walz und Kumpanen behaupten?